Zimmerer/Zimmerin
Einleitung
BBNE und BNE - Ziele der Projektagentur PA-BBNE
Das Ziel der „Projektagentur Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ (PA-BBNE) ist die Entwicklung von Materialien, die die um Nachhaltigkeit erweiterte neue Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ mit Leben füllen soll. Mit „Leben zu füllen“ deshalb, weil „Nachhaltigkeit“ ein Ziel ist und wir uns den Weg suchen müssen. Wir wissen beispielsweise, dass die Energieversorgung künftig klimaneutral sein muss. Mit welchen Technologien wir dies erreichen wollen und wie unsere moderne Gesellschaft und Ökonomie diese integriert, wie diese mit Naturschutz und Sichtweisen der Gesellschaft auszugestalten sind, ist noch offen.
Um sich mit diesen Fragen zu beschäftigen, entwickelt die PA-BBNE Materialien, die von unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden:
- Zum einen widmen wir uns der beruflichen Ausbildung, denn die nachhaltige Entwicklung der nächsten Jahrzehnte wird durch die jungen Generationen bestimmt werden. Die duale berufliche Ausbildung orientiert sich spezifisch für jedes Berufsbild an den Ausbildungsordnungen (betrieblicher Teil der Ausbildung) und den Rahmenlehrplänen (schulischer Teil der Ausbildung) . Hierzu haben wir dieses Impulspapier erstellt, das die Bezüge zur wissenschaftlichen Nachhaltigkeitsdiskussion praxisnah aufzeigt.
- Zum anderen orientieren wir uns an der Agenda 2030. Die Agenda 2030 wurde im Jahr 2015 von der Weltgemeinschaft beschlossen und ist ein Fahrplan in die Zukunft (Bundesregierung o. J.). Sie umfasst die sogenannten 17 Sustainable Development Goals (SDGs), die jeweils spezifische Herausforderungen der Nachhaltigkeit benennen (vgl. Destatis). Hierzu haben wir ein Hintergrundmaterial (HGM) im Sinne der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE, vgl. BMBF o. J.) erstellt, das spezifisch für unterschiedliche Berufe ist.
Die Materialien der Projektagentur
Die neue Standardberufsbildposition gibt aber nur den Rahmen vor. Selbst in novellierten Ausbildungsordnungen in Berufen mit großer Relevanz für wichtige Themen der Nachhaltigkeit wie z. B. dem Klimaschutz werden wichtige Fähigkeiten, Kenntnissen und Fertigkeiten in den berufsprofilgebenden Berufsbildpositionen nicht genannt – obwohl die Berufe deutliche Beiträge zum Klimaschutz leisten könnten. Deshalb haben wir uns das Ziel gesetzt, Ausbildenden und Lehrkräften Hinweise im Impulspapier zusammenzustellen im Sinne einer Operationalisierung der Nachhaltigkeit für die unterschiedlichen Berufsbilder. Zur Vertiefung der stichwortartigen Operationalisierung wird jedes Impulspapier ergänzt durch eine umfassende Beschreibung derjenigen Themen, die für die berufliche Bildung wichtig sind. Dieses sogenannte Hintergrundmaterial orientiert sich im Sinne von BNE an den 17 SDGs, ist faktenorientiert und wurde nach wissenschaftlichen Kriterien erstellt. Ergänzt werden das Impulspapier und das Hintergrundmaterial durch einen Satz von Folien, die sich den Zielkonflikten widmen, da „Nachhaltigkeit das Ziel ist, für das wir den Weg gemeinsam suchen müssen“. Und dieser Weg ist nicht immer gleich für alle Branchen, Betriebe und beruflichen Handlungen, da unterschiedliche Rahmenbedingungen in den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – Ökonomie, Ökologie und Soziales – gelten können. Wir haben deshalb die folgenden Materialien entwickelt:
- BBNE-Impulspapier (IP): Betrachtung der Schnittstellen von Ausbildungsordnung, Rahmenlehrplan und den Herausforderungen der Nachhaltigkeit in Anlehnung an die SDGs der Agenda 2030. Das Impulspapier ist spezifisch für einen Ausbildungsberuf erstellt, fasst aber teilweise spezifische Ausbildungsgänge zusammen (z. B. den Fachmann und die Fachfrau zusammen mit der Fachkraft sowie die verschiedenen Fachrichtungen)
- BBNE-Hintergrundmaterial (HGM): Betrachtung der SDGs unter einer wissenschaftlichen Perspektive der Nachhaltigkeit im Hinblick auf das Tätigkeitsprofil eines Ausbildungsberufes bzw. auf eine Gruppe von Ausbildungsberufen, die ein ähnliches Tätigkeitsprofil aufweisen;
- BBNE-Foliensammlung (FS) und Handreichung (HR): Folien mit wichtigen Zielkonflikten – dargestellt mit Hilfe von Grafiken, Bildern und Smart Arts für das jeweilige Berufsbild, die Anlass zur Diskussion der spezifischen Herausforderungen der Nachhaltigkeit bieten. Das Material liegt auch als Handreichung (HR) mit der Folie und Notizen vor.
Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung
Die Standardberufsbildposition “Umweltschutz und Nachhaltigkeit”
Seit August 2021 müssen auf Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) bei einer Modernisierung von Ausbildungsordnungen die vier neuen Positionen „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“, Digitalisierte Arbeitswelt“, Organisation des Ausbildungsbetriebs, Berufsbildung, Arbeits- und Tarifrecht“ sowie „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“ aufgenommen werden (BIBB 2021). Insbesondere die letzten beiden Positionen unterscheiden sich deutlich von den alten Standardberufsbildpositionen.
Diese Positionen begründet das BIBB wie folgt (BIBB o. J.a): „Unabhängig vom anerkannten Ausbildungsberuf lassen sich Ausbildungsinhalte identifizieren, die einen grundlegenden Charakter besitzen und somit für jede qualifizierte Fachkraft ein unverzichtbares Fundament kompetenten Handelns darstellen“ (ebd.).
Die Standardberufsbildpositionen sind allerdings allgemein gehalten, damit sie für alle Berufsbilder gelten (vgl. BMBF 2022). Eine konkrete Operationalisierung erfolgt üblicherweise durch Arbeitshilfen, die für alle Berufsausbildungen, die modernisiert werden, erstellt werden. Die Materialien der PA-BBNE ergänzen diese Arbeitshilfen mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit und geben entsprechende Anregungen (vgl. BIBB o. J.b). Das Impulspapier zeigt vor allem in tabellarischen Übersichten, welche Themen der Nachhaltigkeit an die Ausbildungsberufe anschlussfähig sind.
Die neue Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ ist zentral für eine BBNE, sie umfasst die folgenden Positionen (BMBF 2022).
a) “Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
c) für den Ausbildungsbetrieb geltende Regelungen des Umweltschutzes einhalten
d) Abfälle vermeiden sowie Stoffe und Materialien einer umweltschonenden Wiederverwertung oder Entsorgung zuführen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren”
Die Schnittstellen zwischen der neuen Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit” werden in
fortlaufend aufgezeigt. Mit Ausnahme der Position c) werden in der Tabelle alle Positionen behandelt. Die Position c) wird nicht behandelt, da diese vor allem ordnungsrechtliche Maßnahmen betrifft, die zwingend zu beachten sind. Maßnahmen zur Nachhaltigkeit hingegen sind meist freiwillige Maßnahmen und können, müssen aber nicht durch das Ordnungsrecht geregelt bzw. umgesetzt werden. In der Tabelle werden die folgenden Bezüge hergestellt:
- Spalte A: Positionen der Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit”;
- Spalte B: Vorschläge für Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten, die im Sinne der nachhaltigen Entwicklung wichtig sind;
- Spalte C: Bezüge zur Nachhaltigkeit;
- Spalte D: Mögliche Aufgabenstellungen für die Ausbildung im Sinne der Position 3e) „Vorschläge für nachhaltiges Handeln entwickeln“;
- Spalte E: Zuordnung zu einem oder mehreren SDGs (Verweis auf das Hintergrundmaterial).
Modulare Rahmenaufgaben
Zur Verbesserung der Anschaulichkeit der integrativen Förderung nachhaltigkeitsorientierter Kompetenzen wird in diesem Impulspapier eine exemplarische Aufgabenstellung für die betriebliche oder berufsschulische Unterrichtung vorgeschlagen:
- Zunächst wird die Herkunft ausgewählter Früchte von Konditoreiprodukten bestimmt und unter Nachhaltigkeitsaspekten beurteilt.
- Vertiefend erfolgt eine Auseinandersetzung mit Pro- und Kontra-Argumenten im Rahmen eines Rollenspiels, um die Kundenberatung bei Produktfragen nachhaltigkeitsorientiert ausrichten zu können und geeignete Verkaufsstrategien zu entwickeln.
Zielkonflikte und Widersprüche
Zielkonflikte und Widersprüche sind bei der Suche nach dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit immanent und für einen Interessenausgleich hilfreich. In dem Kapitel 7. werden beispielhafte Zielkonflikte aufgezeigt. Ergänzend werden in dem hierzu gehörigen Dokument auch einige Folien (pptx bzw. pdf) erstellt, die für Lernprozesse verwendet werden können. Ein Beispiel für einen berufsbildbezogenen Zielkonflikt ist der folgende:
- “Niedrige Retouren (wenige Überschüsse von Brot und Backwaren) vs. volle Regale bis Ladenschluss”:
- Betriebe, die Lebensmittelabfälle bzw. Retouren vermeiden wollen, bieten den Kunden kurz vor Betriebsschluss unter Umständen nicht mehr dasselbe umfangreiche Angebot wie Betriebe, die den Kunden bis zum Ladenschluss das komplette Sortiment anbieten, um die Kunden nicht zu verlieren.
- Es ergibt sich somit der Konflikt zwischen der Notwendigkeit, Abfall zu vermeiden und dem Wunsch, die Kunden*innen durch ein jederzeit umfangreiches Angebot zufriedenzustellen.
Hinweis für handwerkliche, kaufmännische und Industrieberufe
Die in den folgenden Tabellen 1 und 2 im didaktischen Impulspapier (IP), im Hintergrundmaterial (HGM) sowie in den Foliensätzen zu den Zielkonflikten (FS) vorgeschlagenen Hinweise zu Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten bzw. Lernfelder, Aufgabenstellungen und Zielkonflikte bilden den in 2022 aktuellen Stand der Entwicklungen in Hinsicht auf technische Verfahren, Dienstleistungen und Produkte in Bezug auf Herausforderungen der Nachhaltigkeit bzw. deren integrative Vermittlung in den verschiedenen Berufen dar. Sie enthalten Anregungen und Hinweise ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Mit Lesen dieses Textes sind Sie als Ausbilder:innen und Berufsschullehrkräfte eingeladen, eigene Anregungen in Bezug auf die dann jeweils aktuellen Entwicklungen in ihren Unterricht einzubringen. Als Anregungen dient diesbezüglich z. B. folgende hier allgemein formulierte Aufgabenstellung (analog zu IP, Tabelle 1), die Sie in Ihren Unterricht aufnehmen können:
Recherchieren Sie (ggf. jeweils alternativ:) Methoden, Verfahren, Materialien, Konstruktionen, Produkte oder Dienstleistungen, die den aktuellen Stand der (technischen) Entwicklung darstellen und die in Hinblick auf die Aspekte der Nachhaltigkeit (ökologisch, sozial-kulturell und/oder ökonomisch) bessere Wirkungen und/oder weniger negative Wirkungen erzielen als die Ihnen bekannten, eingeführten und „bewährten“ Ansätze.
Beschreiben Sie mögliche positive Wirkungen dieser neuen Methoden, Verfahren, Materialien, Konstruktionen, Produkte und/oder Dienstleistungen auf die Nachhaltigkeit in Ihrem Betrieb.
Glossar
Folgende Abkürzungen werden in diesem Dokument verwendet:
Abkürzung | Bezeichnung |
AO | Ausbildungsordnung |
BNE | Bildung für Nachhaltige Entwicklung |
BBNE | Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung |
FS | Foliensammlung mit Beispielen für Zielkonflikte |
HGM | Hintergrundmaterial (wissenschaftliches Begleitmaterial) |
IP | Impulspapier (didaktisches Begleitmaterial) |
RLP | Rahmenlehrplan |
SDG | Sustainable Development Goals |
THG | Treibhausgase bzw. CO2-Äquivalente (CO2-Äq) |
Literatur
BGBl (2022): Verordnung über die Berufsausbildung zum Bäcker/zur Bäckerin vom 21. April 2004 (BGBl. I S. 632), die durch Artikel 1 der Verordnung vom 8. Februar 2016 (BGBl. I S. 179) geändert worden ist. https://www.gesetze-im-internet.de/b_ausbv_2004/BJNR063200004.html
BIBB Bundesinstitut für berufliche Bildung (2021): Vier sind die Zukunft. Online: www.bibb.de/de/pressemitteilung_139814.php
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (o. J.a): FAQ zu den modernisierten Standardberufsbildpositionen. Online: https://www.bibb.de/de/137874.php
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (o. J.b): Ausbildung gestalten. Online: https://www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/series/list/2
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
BIBB Bundesinstitut für berufliche Bildung (o. J.c): Nachhaltigkeit in der Ausbildung. Online: www.bibb.de/de/142299.php
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (o. J.): Was ist BNE. Online: https://www.bne-portal.de/bne/de/einstieg/was-ist-bne/was-ist-bne.html
Bundesregierung (o. J.): Globale Nachhaltigkeitsstrategie – Nachhaltigkeitsziele verständlich erklärt. Online: www.bundesregierung.de/breg-de/themen/nachhaltigkeitspolitik/nachhaltigkeitsziele-verstaendlich-erklaert-232174
Destatis Statistisches Bundesamt (2022): Indikatoren der UN-Nachhaltigkeitsziele. Online: http://sdg-indikatoren.de/
KMK Kultusministerkonferenz (2004): RAHMENLEHRPLAN für den Ausbildungsberuf Bäcker/Bäckerin.
Ritter, G., Friedrich, S., Heitkönig, L. (2015a): Reduktion von Lebensmittelabfällen bei Brot und Backwaren. Ein Konzept für Handwerk, Handel und Verbraucher. https://www.fh-muenster.de/isun/downloads/Reduktion_von_Lebensmittelabfaellen_bei_Brot_und_Backwaren.pdf
Ritter, G., Heitkönig, L., Friedrich, S. (2015b): Endbericht zur Studie „Reduktion von Lebensmittelabfällen bei Brot und Backwaren – Entwicklung eines Konzepts für Handel, Handwerk und Verbraucher“. https://www.fh-muenster.de/isun/downloads/Reduktion_von_Lebensmittelabfaellen_bei_Brot_und_Backwaren.pdf
WWF Deutschland (2018): Unser täglich Brot. Von überschüssigen Brotkanten und wachsenden Brotbergen. https://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/Publikationen-PDF/WWF-Studie-Unser-taeglich-Brot_Von-ueberschuessigen-Brotkanten-und-wachsenden-Brotbergen_102018.pdf
Tabelle 1 - Die Standardberufsbildposition Umweltschutz und Nachhaltigkeit
Standard- berufsbild- position | Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten | Bezüge zur Nachhaltigkeit | Mögliche Aufgabenstellungen im Rahmen von 3e “Vorschläge für nachhaltiges Handeln entwickeln” |
3a – Gesellschaft (1) Wertschöpfungskette |
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3a – Gesellschaft (2) Soziale Verantwortung |
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3a – Gesellschaft (3) Gesundheit |
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3b – Gesellschaft (4) Arbeitsprozesse |
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3a – Umwelt (1) Klimawandel |
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3a – Umwelt (2) Ressourcen |
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3a – Umwelt (3) Rohstoffe |
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3d – Umwelt (4) Abfälle |
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3a – Umwelt (5) Wiederverwendung |
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3b – Energie (1) Allgemein |
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3b – Energie (2) Maschinen/ Geräte |
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3b – Energie (3) Mobilität |
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3f – Nachhaltigkeit kommunizieren |
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Tabelle 2 - Berufsbildpositionen und Lernfelder mit Bezug zur Nachhaltigkeit
Berufsbildposition laut § 38 Nr. 3 – 13 BauWiAusbV 1999/ | Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten gemäß Ausbildungsordnung (kursiv: relevante Lernfelder des Rahmenlehrplanes RLP) | Beispielhafte Bezüge zur Nachhaltigkeit | Standardberufsbildposition | |||||||||||||||
A2 – 5 Auftragsübernahme, Leistungserfassung, Arbeitsplan und Ablaufplan (§ 38 Nr. 5) |
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A2 -6 Einrichten, Sichern und Räumen von Baustellen |
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A4 – 7 Herstellen von Holzkonstruktionen |
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A4 – 8 Einbauen von Dämmstoffen für den Wärme-, Kälte-, Schall- und Brandschutz | a) Dämmsysteme prüfen und auf ihre Wirkung, insbesondere unter Berücksichtigung des Brandschutzes, beurteilen RLP- Lernfelder Zielformulierungen zu Nachhaltigkeitsaspekten: Die Schülerinnen und Schüler… Lernfeld 8: (…) berücksichtigen Gesichtspunkte der Energieeinsparung. Lernfeld 9: (…) wählen Dämmung und Beplankung aus Lernfeld 10: (…) berücksichtigen (…) den Brand- und Schallschutz |
| 3a) – rationelle Energie- und Ressourcenverwendung, 3a) – Abfallvermeidung und -trennung, Wiederverwertung, 3b) – Lebensdauer und Nutzbarkeit, 3b) – ökologischer und sozialer Fußabdruck, 3b) – Prüfsiegel und Zertifikate, | |||||||||||||||
b) Feuchte- und Wärmeschutz, insbesondere unter Beachtung der Winddichtigkeit, der Dampfdiffusion und der Hinterlüftung, herstellen RLP- Lernfelder Zielformulierungen zu Nachhaltigkeitsaspekten: Die Schülerinnen und Schüler… Lernfeld 8: (…) berücksichtigen Gesichtspunkte der Energieeinsparung. Lernfeld 8: (…) vermeiden (…) Bauschäden und achten bei der Fertigung und Montage auf die Arbeitssicherheit. Lernfeld 9: (…) wählen Dämmung und Beplankung aus Lernfeld 17: (…) entscheiden sich für Maßnahmen zur Schadensbegrenzung Lernfeld 18: (…) überprüfen die Bauteile eines in Holztafel- oder Holzrahmenbauweise erstellten Niedrigenergiehauses hinsichtlich der erforderlichen Pflege- und Wartungsmaßnahmen |
| 3a) – rationelle Energie- und Ressourcenverwendung, 3b) – Lebensdauer und langfristige Nutzbarkeit, 3b) – ökologischer und sozialer Fußabdruck, 3b) – Prüfsiegel und Zertifikate, | ||||||||||||||||
A4 – 9 Herstellen von Unterkonstruktionen und Bekleidungen | b) Fugen und Ecken bei Holzkonstruktionen und Fassaden hinsichtlich der Schlagregen- und Winddichtigkeit ausbilden und Anschlüsse herstellen RLP- Lernfelder Zielformulierungen zu Nachhaltigkeitsaspekten: Die Schülerinnen und Schüler… Lernfeld 8: (…) berücksichtigen Gesichtspunkte der Energieeinsparung. Lernfeld 8: (…) vermeiden (…) Bauschäden und achten bei der Fertigung und Montage auf die Arbeitssicherheit. Lernfeld 9: (…) wählen Dämmung und Beplankung aus Lernfeld 17: (…) entscheiden sich für Maßnahmen zur Schadensbegrenzung |
| 3a) – rationelle Energie- und Ressourcenverwendung, 3a) – Abfallvermeidung und -trennung,Wiederverwertung, 3b) – Lebensdauer und langfristige Nutzbarkeit, 3b) – ökologischer und sozialer Fußabdruck, 3b) – Prüfsiegel und Zertifikate, | |||||||||||||||
A4 – 10 Herstellen, Einbauen und Befestigen von Bauteilen |
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A4 – 11 Bedienen und Warten von Holzbearbeitungsmaschinen und Werkzeugen |
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A4 – 12 Erhalten und Instand setzen von Holzkonstruktionen |
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A4 – 13 Qualitätssichernde Maßnahmen und Berichtswesen | a) qualitätssichernde Maßnahmen im Rahmen des Arbeitsauftrages durchführen, Arbeitsergebnisse feststellen und dokumentieren RLP- Lernfelder Explizite Zielformulierungen zur Nachhaltigkeit werden im RLP nicht aufgeführt |
| 3d) – Planung von Abläufen, 3f) – Information, betriebliches Umweltmanagement 4c) – Qualität einer Dokumentation |
Unterrichts- und Ausbildungsmodule
Auf dem Weg zur Erreichung der angestrebten 17 Ziele nachhaltiger Entwicklung kann Bildung wichtige Beiträge leisten. Allen Menschen den Zugang zu Faktenwissen und validen Informationen zu ermöglichen, ist als Ziel in SDG 4 formuliert. Dies ist eine Grundlage, um sie in die Lage zu versetzen, den Herausforderungen, Entscheidungen treffen zu können, gewachsen zu sein. Weiterhin ermöglicht Bildung methodische Vorgehensweisen und Wege zur Transformation zu erkunden, zu reflektieren und in geplante Handlungen zu übersetzen. Angesichts globaler Vernetzung mittels Digitalisierung und internationaler Handels- und Wirtschaftsbeziehungen ist es heutzutage prinzipiell möglich, auf eine nie dagewesene Vielfalt und Qualität von Wissen zuzugreifen und sich in Echtzeit auszutauschen.
Es ist nun die Aufgabe der am Lehr- und Lernprozess Beteiligten, entsprechend ihrer beruflichen Tätigkeit und Lebenssituation relevante Informationen und Netzwerke zu nutzen, um die ökologischen, sozio-kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Wechselwirkungen unseres Handeln mit den Herausforderungen zum Erhalt unseres Lebensraumes Erde zu verknüpfen.
Bildung für nachhaltige Entwicklung – die Auseinandersetzung mit den 17 Zielen – kann als Querschnittsaufgabe im Lernfeld Berufsschule verstanden werden. Die 17 Ziele berühren alle Lebensbereiche und fokussieren jeweils auf unterschiedliche Teilbereiche von Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft; sie stehen untereinander in Wechselbeziehung bzw. überlappen sich wechselseitig. Alle Themen der Berufstätigkeit und des Unterrichts können in Beziehung zu einem oder mehreren Zielen betrachtet werden, wodurch im Verlauf der Ausbildung das komplexe Bild der Nachhaltigkeit in seiner Ganzheit und Komplexität sichtbar wird.
Anhand zweier ausgewählter Aufgaben soll diese Herangehensweise exemplarisch veranschaulicht werden: Die Klimaanalyse des Zimmereibetriebes sowie Klimaschutzmaßnahmen durch Auswahl von Materialien, Energieeinsparmaßnahmen und Ressourcenschonung.
Rahmenaufgabe Klimaanalyse
Vor dem Hintergrund der Nutzung des nachwachsenden Rohstoffes Holz ist eine Lebenszyklusbetrachtung eines Gebäudes hilfreich, um einen Überblick über die wichtigen verschiedenen Teilaspekte zu bekommen:
Tabelle: Ebenen der Wertschöpfung
Wertschöpfungs- kette | Prozessstufe | mögliche Kreisläufe |
Grundstoffe | Holz aus dem Wald | |
Baustoffe | Balken, Bretter, Furniere, Späne | |
Bauteile | Schalbretter, Dachbalken, Fenster, Türen, Treppen | |
Gebäude | Baukonstruktion und Produkteinbau | Rückführung zu Bauteilen und Baustoffen möglich bei Sanierung |
Abbruch | Vermischung, Sortierung, Rückgewinnung | Rückführung zu Bauteilen und Baustoffen möglich |
Recycling | Deponierung, Verbrennung | Energetische Verwertung für Holzbetriebe möglich |
Als Rahmenaufgabe bietet sich eine Klimaanalyse Ihres Zimmereibetriebes an, aus der sich dann Vorschläge zu mehr Klimaschutz entwickeln können. Diese Aufgabe ist im Rahmen eines größeren Projekts mit Auszubildenden gut machbar, es lassen sich aber auch Teilaufgaben bearbeiten. Die Klimaanalyse untersucht folgende drei Aspekte:
- Materialauswahl
- Energieverbrauch des Betriebes
- Maßnahmen zur Abfallvermeidung
Alle drei Aspekte sind klimarelevant, wobei der Energieverbrauch des Betriebes und die Maßnahmen zur Ressourcenschonung die größte Klimawirkung aufweisen. (Bitte informieren Sie sich hierzu im Hintergrundmaterial (HGM) dieses Projektes). Wenn Sie nur Teile der Analyse durchführen wollen, wählen Sie diejenigen Aspekte, Produkte oder Geräte aus, für die Sie gegebenenfalls später klimafreundliche Verbesserungsvorschläge machen wollen.
Analyse der Materialauswahl
Holz als Baumaterial kommt immer häufiger zum Einsatz. Das belegt die bundesweite Holzbauquote. Sie lag 2021 sowohl beim Neubau von Wohngebäuden als auch von Nichtwohngebäuden bei über 21 Prozent (Lagebericht 2022, Bund Deutscher Zimmermeister, 2022).
Der Werkstoff Holz ermöglicht mit seinen Eigenschaften, dem geringen Eigengewicht, seiner guten Wärmedämmung, guten konstruktiven Eigenschaften wie Festigkeit und Tragfähigkeit ein hochwertiges und wirtschaftliches Bauen. Es bindet CO2 und unterstützt damit den Klimaschutz. Die Holznutzung benötigt für alle Produktions- und Weiterverarbeitungsprozesse nur wenig Energie. Holzprodukte sind Kreislaufprodukte und können im Stoffkreislauf wiederverwendet werden (vgl. Prof. Dr. Gerd Wegener) Der entscheidende Vorteil gegenüber mineralischen und metallischen Werkstoffen ist, dass es eine nachwachsende Ressource ist (Baumgarten, 2010).
In Deutschland wurden 2016 ca. 22 Mio. m³ und in 2020 schon über 26 Mio. m³ Schnittholz verarbeitet (Eurostat 2023). Die steigende Verwendung von Holzmaterialien führt perspektivisch zu einem Holzproduktionsdruck, der zunehmenden Nutzung von heimischem Holz sowie zur Einfuhr von Holz aus dem Ausland. Hier stellt sich die Frage nach der Herkunft, dem Anbau, der Verarbeitung sowie dem Transport dieser Hölzer (Lieferketten und Zertifizierungen).
Im Folgenden sind Aufgabenstellungen formuliert, die für die Bewertung von Holz entscheidend sind:
- Ermitteln Sie die durch den Betrieb genutzten Holzarten und deren Herkunftsgebiete. Berechnen Sie exemplarisch die damit verbundenen Fahrtwege vom Abholzgebiet über die weiterverarbeitenden Betriebe bis zur Baustelle und kalkulieren Sie die damit verbundenen Treibstoffverbräuche und den entsprechenden CO2-Ausstoß (CO2-Bilanz).
- Recherchieren Sie, ob die genutzten Hölzer aus zertifiziertem und tatsächlich nachhaltigem Anbau stammen.
- Recherchieren Sie die Anbau- und Rodungsbedingungen der Bäume, aus denen diese Hölzer stammen:
- Gibt es Hinweise auf einen illegalen Holzeinschlag? (z.B. in Südosteuropa) Nutzen Sie für Ihre Recherche einschlägige Webseiten von Umweltschutzorganisationen (z.B. WWF/ Robin Wood/ Greenpeace), Holzverbänden (Holzverband/ Holzindustrie) und den Medien. Gemäß der wissenschaftlichen Arbeitsgruppe „Nationale Waldinventur“ (IFN), die im Auftrag des Ministeriums für Wasser und Wälder (MAP) arbeitet, werden in Rumänien jährlich ca. 38 Millionen Kubikmeter Holz geschlagen, aber nur rund 18 Millionen Kubikmeter, also nicht einmal die Hälfte der eingeschlagenen Holzmenge, sind offiziell deklariert. www.holzkurier.com/rundholz/2022/10/illegaler-holzeinschlag-in-rumaenien.html
- Welchen mittel- und langfristigen Einfluss hat ein großflächiger Holzeinschlag in den Rodungsgebieten auf die Pflanzen- und Tierwelt, die Böden und die Wasserqualität?
- Berechnen Sie die CO2-Bilanz der in Ihrem Betrieb genutzten Hölzer. Nutzen Sie dazu www.bm-online.de/wissen/unternehmensfuehrung/sind-holzprodukte-wirklich-oeko/
Energiesparender Zimmereibetrieb
Energieeinsparung auf der betrieblichen Ebene ist ein zentraler Baustein für eine nachhaltige Entwicklung. Hierbei kommt es auf die Effizienz (optimierter Energieeinsatz), die Konsistenz (Einsatz regenerativer Energien) sowie die Suffizienz (Verhaltensebene) an. Alle drei Aspekte zusammen ergeben erst eine nachhaltige Entwicklung. Der elektrische Strom soll mittelfristig “entkarbonisiert” (so der Fachbegriff), also zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden. Dies setzt aber in allen Bereichen Effizienzsteigerungen und ein bewusstes Nutzerverhalten voraus. Wenn Sie bei der Analyse des Energieverbrauchs in Ihrem Betrieb auf potentielle “Energiefresser” gestoßen sind, so analysieren Sie diese noch einmal genauer und untersuchen Sie die Gründe für den hohen Energieverbrauch.
Elektrische Energie
- Ist es ein altes und wenig effizientes elektrisches Gerät?
- Wurde das Gerät nur schlecht gewartet und nicht gereinigt (Staubabsaugung)?
- Wird das Gerät effizient genutzt (Laufzeiten)?
- Gibt es hohe Stand-by-Verbräuche, weil nach Arbeitsschluss nicht abgeschaltet wird (z.B. Bürogeräte)?
- Gibt es energieeffizientere Handwerksgeräte/ Bürogeräte/ Beleuchtungskörper etc.?
- Gibt es elektrisch statt Benzin betriebene Handwerksgeräte?
Heizenergie
- Mit welcher Energieform wird der Zimmereibetrieb beheizt?
- Gibt es Möglichkeiten, den Betrieb von fossilen Brennstoffen (Öl/ Gas) auf Biomasse (z. B. Restholz für Holzvergaseröfen) umzustellen?
Wenn sich bei dieser Untersuchung zeigt, dass die Geräte trotz Reinigung und Wartung einen hohen Energieverbrauch haben, berechnen Sie eine Neuanschaffung:
- Was kostet ein energieeffizientes Handwerksgerät/ Bürogerät/ eine energieeffizienter Beleuchtungskörper etc.?
- Welche Energiekosten werden eingespart?
- Ist das alte Gerät schon abgeschrieben?
- Wie hoch sind die Finanzierungskosten?
- Wie ist die Amortisation der Investition?
Abfallvermeidung
Die Vermeidung von Abfällen gehört zu den wichtigsten Maßnahmen für den Klimaschutz. Wenn die Analyse von Abfällen und Reststoffen in Ihrem Betrieb eine relevante Menge aufweist, gilt es herauszufinden, wie diese reduziert werden kann. Wie verteilen sich die Abfälle?
- Mit welchen Holz-Verschnittmengen wird im Betrieb kalkuliert? Welche Schritte wären z. B. im Bestellwesen nötig, diese zu reduzieren?
- Gibt es Probleme mit Warenwirtschaft oder Lagerhaltung? Diese sollten mit einer guten Planung lösbar sein.
- Gibt es unnötige Produktionsabfälle? Wo sind die Ursachen? Wie könnten diese innerbetrieblich genutzt werden (z.B Restholz als Brennstoff) – Wie kann deren Anteil am Abfallvolumen reduziert werden?
Zielkonflikte und Widersprüche
Beim Ansteuern von Nachhaltigkeit sind Zielkonflikte und Widersprüche nichts Ungewöhnliches. Dies gilt auch für das Zimmererhandwerk, das in seinem Marktsegment die Wünsche seiner Kundschaft bedienen muss. Dabei steht die Bauwirtschaft allgemein vor großen Herausforderungen: Die von mehreren Bundesregierungen innerhalb des letzten Jahrzehnts angestrebte Sanierungsrate im Rahmen von Altbausanierungen sowie deren Neubaupläne für jährlich mehrere hunderttausend Wohnungen kann von den aktuell vorhandenen personellen Kapazitäten im Zimmererhandwerk nur zum Teil bedient werden. Wenn die Nachfrage das Angebot an handwerklichen Kapazitäten übersteigt, steigt der Preis für handwerkliche Leistungen für die Endkund*innen. Diese Entwicklung kann durch eine ökologisch ausgerichtete Unternehmensphilosophie noch verstärkt werden.
Die Effizienzfalle und Widersprüche
Effizienz beschreibt unter anderem Wirtschaftlichkeit. Wenn so wenig wie möglich von einer notwendigen Ressource verwendet wird, so gilt dies als effizient. So könnte man meinen, dass Effizienzsteigerungen im Unternehmensalltag folglich auch zu einem nachhaltigen Wirtschaften führen. Weniger Abfall oder Energieaufwand bedeutet gleichzeitig weniger Umweltbelastung und längere Verfügbarkeit von endlichen Ressourcen – oder? Nicht unbedingt!
Das Missverständnis hinter dieser Annahme soll anhand eines Beispiels aufgedeckt werden. Seit 1990 hat sich der deutsche Luftverkehr mehr als verdreifacht. Mit Hilfe technischer Innovationen, besserer Raumnutzung und weiterer Maßnahmen konnte der durchschnittliche Kerosinverbrauch pro Person seitdem um 42 Prozent gesenkt werden – eine gute Entwicklung auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick ist jedoch auch zu erkennen, dass das Verkehrsaufkommen im gleichen Zeitraum stark zugenommen hat. Daraus folgt, dass trotz starker Effizienzsteigerungen absolut betrachtet immer mehr Kerosin verbraucht wird – nämlich 85 Prozent mehr seit 1990.
Wissenschaftler sprechen daher auch von einer „Effizienzfalle“. Denn obwohl sich mit Effizienzsteigerung eine relative Umweltentlastung erzeugen lässt, bleibt die Herausforderung des absoluten Produktionswachstums weiterhin bestehen. So ist das effiziente Handeln aus der ökonomischen Perspektive zwar zielführend, aus der ökologischen Perspektive jedoch fraglich. Es lässt sich schlussfolgern, dass Effizienzstreben und Nachhaltigkeitsorientierung zwei eigenständige Rationalitäten darstellen, die von Unternehmen beide gleichermaßen beachtet werden sollten, um zukunftsfähig zu wirtschaften. Eine langfristig erfolgreiche Unternehmensführung würde demnach aus den zur Verfügung stehenden Ressourcen unter Erhalt der Ressourcenbasis möglichst viele ökonomische Werte erschaffen, um somit intergenerational und intragenerational gerecht zu wirtschaften. Somit sollte sich ein zukunftsorientiertes berufliches Handeln sowohl den Herausforderungen der eher kurzfristigen Effizienzrationalität als auch der langfristigen Nachhaltigkeitsrationalität stellen und beide Perspektiven verknüpfen.
Im Rahmen des beruflichen Handelns entstehen jedoch Widersprüche zwischen der Effizienzrationalität („Funktionalität“, „ökonomische Effizienz“ und „Gesetzeskonformität“) und der Nachhaltigkeitsrationalität („ökologische Effizienz“, „Substanzerhaltung“ und „Verantwortung“). Ein zukunftsfähiges berufliches Handeln zeichnet sich dadurch aus, mit diesen Widersprüchen umgehen zu können.
Doch stellt sich nun die Frage, was der Umgang mit Widersprüchen für den Berufsalltag bedeutet. In diesem Zusammenhang kann von so genannten „Trade-offs“ – auch „Zielkonflikte“ oder „Kompromisse“ – gesprochen werden. Grundsätzlich geht es darum, den möglichen Widerspruch zwischen einer Idealvorstellung und dem Berufsalltag zu verstehen und eine begründete Handlungsentscheidung zu treffen. Dabei werden Entscheidungsträger häufig in Dilemma-Situationen versetzt. Im beruflichen Handeln geht es oftmals um eine Entscheidung zwischen knappen Ressourcen, wie Geld, Zeit oder Personal, für die es gilt, Lösungen zu finden.
Im Folgenden werden einige Zielkonflikte aufgezeigt.
Beispielhafte Zielkonflikte im Zimmererhandwerk
Folgende Zielkonflikte sind im Zimmererhandwerk häufig zu finden, die im Rahmen eines Unterrichts- oder Ausbildungsgesprächs diskutiert werden können:
- Ein auf Nachhaltigkeit ausgerichteter Zimmereibetrieb betrachtet nicht nur seine Dienstleistungen und Produkte, sondern auch alle unternehmensinternen Ebenen, seine bauliche und technische Infrastruktur und nicht zuletzt seine Mitarbeiter*innen. Zumindest kleine bis mittelgroße Zimmereibetriebe müssen die sich aus einer nachhaltigen Ausrichtung ihrer Angebote ergebenden Mehrkosten an ihre Kundschaft weitergeben. Wenn sie keine spezifische Kundschaft bedienen wollen, die auf nachhaltiges Bauen Wert legt, stehen sie mit vielen weiteren Betrieben in direkter Konkurrenz, die sich nur an den baulichen Mindeststandards orientieren und damit preiswerter anbieten können. Das ist ein klarer Wettbewerbsnachteil.
- Aus Holz erstellte Gebäude (z. B. Holzrahmenbau) stehen in direkter Konkurrenz zu Massivbauten (z. B. Stein/ Porenbeton). Sie sind meist etwas teurer, da sie nicht auf industriell produzierte Materialien zurückgreifen. Hinzu kommt, dass auch Dämm- und Dichtungsmaterialien aus nachwachsenden Rohstoffen in ihrer Anschaffung und Montage teurer sind als z.B. Mineralfaserdämmstoffe oder PU-Schaum. Das Argument einer besseren Klimabilanz muss den potenziellen Kunden gegenüber “verkauft” werden.
- Hinzu kommt, dass eine qualitativ hochwertige Bauausführung nur mit einem höheren Stundenkontingent zu erreichen ist. Auch das führt zu höheren Investitionskosten für die Kundschaft, die den langfristigen Nutzen einer qualitativ hochwertigeren Bauausführung, mit der auch eine höhere Lebensdauer der Gewerke verbunden ist, häufig nicht erkennen und dafür nicht bezahlen wollen.
- Gerade bei der energetischen Sanierung von vermieteten Bestandsbauten werden aus Kostengründen häufig preiswerte Subunternehmen beauftragt, die eine mangelhafte Bauausführung nach sich zieht, z. B. bei Einbauten von Fenstern. Die preiswerte Anfangsinvestition wird mit hohen Folgekosten für Vermieter (bauliche Nachbesserungen) und Mieter (Gesundheitsfolgen) bezahlt.
- Wunsch und Wirklichkeit: Das Zimmererhandwerk bemüht sich wie andere bauhandwerkliche Berufe seit Jahren um neue Auszubildende. Gut qualifizierte Handwerker*innen ist die eigentliche Grundlage der Energiewende. Nicht die Architekt*innen, Bauingenieur*innen oder Planer*innen sind diejenigen, die eine qualitativ hochwertige Bauausführung realisieren; es sind die ausführenden Handwerker*innen. Sie sind entscheidend für eine sach- und zukunftsgerechte handwerkliche Arbeit. Für die Umsetzung der oben genannten Sanierungs- und Neubauziele benötigte die Bauwirtschaft allerdings die 2-3 fache Anzahl an Handwerker*innen. Um die Aufträge abarbeiten zu können werden häufig Subunternehmen für die Bauausführung beauftragt, die mit weniger gut qualifizierten Handwerker*innen arbeiten. Das kann sich in einer geringeren Qualität in der Bauausführung niederschlagen.