Kaufmann/Kauffrau im Gesundheitswesen
Einleitung
Ziele der Projektagentur PA-BBNE
Das Ziel der „Projektagentur Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ (PA-BBNE) ist die Entwicklung von Materialien, die die um Nachhaltigkeit erweiterte neue Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ mit Leben füllen soll. Mit „Leben zu füllen“ deshalb, weil „Nachhaltigkeit“ ein Ziel ist und wir uns den Weg suchen müssen. Wir wissen beispielsweise, dass die Energieversorgung künftig klimaneutral sein muss. Mit welchen Technologien wir dies erreichen wollen und wie unsere moderne Gesellschaft und Ökonomie diese integriert, wie diese mit Naturschutz und Sichtweisen der Gesellschaft auszugestalten sind, ist noch offen.
Um sich mit diesen Fragen zu beschäftigen, entwickelt die PA-BBNE Materialien, die von unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden:
- Zum einen widmen wir uns der beruflichen Ausbildung, denn die nachhaltige Entwicklung der nächsten Jahrzehnte wird durch die jungen Generationen bestimmt werden. Die duale berufliche Ausbildung orientiert sich spezifisch für jedes Berufsbild an den Ausbildungsordnungen (betrieblicher Teil der Ausbildung) und den Rahmenlehrplänen (schulischer Teil der Ausbildung). Hierzu haben wir dieses Impulspapier erstellt, das die Bezüge zur wissenschaftlichen Nachhaltigkeitsdiskussion praxisnah aufzeigt.
- Zum anderen orientieren wir uns an der Agenda 2030. Die Agenda 2030 wurde im Jahr 2015 von der Weltgemeinschaft beschlossen und ist ein Fahrplan in die Zukunft (Bundesregierung o. J.). Sie umfasst die sogenannten 17 Sustainable Development Goals (SDGs), die jeweils spezifische Herausforderungen der Nachhaltigkeit benennen (vgl. Destatis 2022). Hierzu haben wir ein Hintergrundmaterial (HGM) im Sinne der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE, vgl. BMBF o. J.) erstellt, das spezifisch für unterschiedliche Berufe ist.
Die Materialien der Projektagentur
Die neue Standardberufsbildposition gibt aber nur den Rahmen vor. Selbst in novellierten Ausbildungsordnungen in Berufen mit großer Relevanz für wichtige Themen der Nachhaltigkeit wie z. B. dem Klimaschutz werden wichtige Fähigkeiten, Kenntnissen und Fertigkeiten in den berufsprofilgebenden Berufsbildpositionen nicht genannt – obwohl die Berufe deutliche Beiträge zum Klimaschutz leisten könnten. Deshalb haben wir uns das Ziel gesetzt, Ausbildenden und Lehrkräften Hinweise im Impulspapier zusammenzustellen im Sinne einer Operationalisierung der Nachhaltigkeit für die unterschiedlichen Berufsbilder. Zur Vertiefung der stichwortartigen Operationalisierung wird jedes Impulspapier ergänzt durch eine umfassende Beschreibung derjenigen Themen, die für die berufliche Bildung wichtig sind. Dieses sogenannte Hintergrundmaterial orientiert sich im Sinne von BNE an den 17 SDGs, ist faktenorientiert und wurde nach wissenschaftlichen Kriterien erstellt. Ergänzt werden das Impulspapier und das Hintergrundmaterial durch einen Satz von Folien, die sich den Zielkonflikten widmen, da „Nachhaltigkeit das Ziel ist, für das wir den Weg gemeinsam suchen müssen“. Und dieser Weg ist nicht immer gleich für alle Branchen, Betriebe und beruflichen Handlungen, da unterschiedliche Rahmenbedingungen in den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – Ökonomie, Ökologie und Soziales – gelten können. Wir haben deshalb die folgenden Materialien entwickelt:
- BBNE-Impulspapier (IP): Betrachtung der Schnittstellen von Ausbildungsordnung, Rahmenlehrplan und den Herausforderungen der Nachhaltigkeit in Anlehnung an die SDGs der Agenda 2030. Das Impulspapier ist spezifisch für einen Ausbildungsberuf erstellt, fasst aber teilweise spezifische Ausbildungsgänge zusammen (z. B. den Fachmann und die Fachfrau zusammen mit der Fachkraft sowie die verschiedenen Fachrichtungen)
- BBNE-Hintergrundmaterial (HGM): Betrachtung der SDGs unter einer wissenschaftlichen Perspektive der Nachhaltigkeit im Hinblick auf das Tätigkeitsprofil eines Ausbildungsberufes bzw. auf eine Gruppe von Ausbildungsberufen, die ein ähnliches Tätigkeitsprofil aufweisen;
- BBNE-Foliensammlung (FS) und Handreichung (HR): Folien mit wichtigen Zielkonflikten – dargestellt mit Hilfe von Grafiken, Bildern und Smart Arts für das jeweilige Berufsbild, die Anlass zur Diskussion der spezifischen Herausforderungen der Nachhaltigkeit bieten. Das Material liegt auch als Handreichung (HR) mit der Folie und Notizen vor.
Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung
Die Standardberufsbildposition “Umweltschutz und Nachhaltigkeit”
Seit August 2021 müssen auf Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) bei einer Modernisierung von Ausbildungsordnungen die vier neuen Positionen „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“, Digitalisierte Arbeitswelt“, Organisation des Ausbildungsbetriebs, Berufsbildung, Arbeits- und Tarifrecht“ sowie „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“ aufgenommen werden (BIBB 2021). Insbesondere die letzten beiden Positionen unterscheiden sich deutlich von den alten Standardberufsbildpositionen.
Diese Positionen begründet das BIBB wie folgt (BIBB o. J.a): „Unabhängig vom anerkannten Ausbildungsberuf lassen sich Ausbildungsinhalte identifizieren, die einen grundlegenden Charakter besitzen und somit für jede qualifizierte Fachkraft ein unverzichtbares Fundament kompetenten Handelns darstellen“ (ebd.).
Die Standardberufsbildpositionen sind allerdings allgemein gehalten, damit sie für alle Berufsbilder gelten (vgl. BMBF 2022). Eine konkrete Operationalisierung erfolgt üblicherweise durch Arbeitshilfen, die für alle Berufsausbildungen, die modernisiert werden, erstellt werden. Die Materialien der PA-BBNE ergänzen diese Arbeitshilfen mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit und geben entsprechende Anregungen (vgl. BIBB o. J.b). Das Impulspapier zeigt vor allem in tabellarischen Übersichten, welche Themen der Nachhaltigkeit an die Ausbildungsberufe anschlussfähig sind.
Die neue Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ ist zentral für eine BBNE, sie umfasst die folgenden Positionen (BMBF 2022).
a) “Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
c) für den Ausbildungsbetrieb geltende Regelungen des Umweltschutzes einhalten
d) Abfälle vermeiden sowie Stoffe und Materialien einer umweltschonenden Wiederverwertung oder Entsorgung zuführen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren”
Die Schnittstellen zwischen der neuen Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit” werden in
fortlaufend aufgezeigt. Mit Ausnahme der Position c) werden in der Tabelle alle Positionen behandelt. Die Position c) wird nicht behandelt, da diese vor allem ordnungsrechtliche Maßnahmen betrifft, die zwingend zu beachten sind. Maßnahmen zur Nachhaltigkeit hingegen sind meist freiwillige Maßnahmen und können, müssen aber nicht durch das Ordnungsrecht geregelt bzw. umgesetzt werden. In der Tabelle werden die folgenden Bezüge hergestellt:
- Spalte A: Positionen der Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit”;
- Spalte B: Vorschläge für Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten, die im Sinne der nachhaltigen Entwicklung wichtig sind;
- Spalte C: Bezüge zur Nachhaltigkeit;
- Spalte D: Mögliche Aufgabenstellungen für die Ausbildung im Sinne der Position 3e) „Vorschläge für nachhaltiges Handeln entwickeln“;
- Spalte E: Zuordnung zu einem oder mehreren SDGs (Verweis auf das Hintergrundmaterial).
Bildung für nachhaltige Entwicklung
Die Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) meint eine Bildung, die Menschen zu zukunftsfähigem Denken und Handeln befähigt. Sie ermöglicht jedem Einzelnen, die Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Welt zu verstehen (BMBF o. J.). BBNE ist somit nur ein Teil von BNE, der an alle Bürger*innen adressiert ist. Eine Entwicklung ist dann nachhaltig, wenn Menschen weltweit, gegenwärtig und in Zukunft würdig leben und ihre Bedürfnisse und Talente unter Berücksichtigung planetarer Grenzen entfalten können. … BNE ermöglicht es allen Menschen, die Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Welt zu verstehen und verantwortungsvolle, nachhaltige Entscheidungen zu treffen (ebd.).
Grundlage für BNE ist heutzutage die Agenda 2030 mit ihren 17 SDG (Sustainable Development Goals). Die 17 Ziele bilden den Kern der Agenda und fassen zusammen, in welchen Bereichen nachhaltige Entwicklung gestärkt und verankert werden muss (ebd.). Die Materialien der Projektagentur sollen Lehrkräften an Berufsschulen und Ausbildende dabei helfen, die Ideen der SDG in die Bildungspraxis einzubringen. Sie sind somit ein wichtiges Element insbesondere für das Ziel vier “Hochwertige Bildung”: “Bis 2030 sicherstellen, dass alle Lernenden die notwendigen Kenntnisse und Qualifikationen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung erwerben, unter anderem durch Bildung für nachhaltige Entwicklung und nachhaltige Lebensweisen, …” (ebd.).
Während die Grundlage in den Impulspapieren die Ausbildungsordnungen und die Rahmenlehrpläne der beruflichen Bildung waren, die mit den SDG vernetzt wurden, geht das Hintergrundpapier den umgekehrten Weg: Wir betrachten die SDG im Hinblick auf ihre Bedeutung für die berufliche Bildung und stellen uns der Frage, welche Anforderungen ergeben sich aufgrund der SDG und deren Unterziele an die Berufsbildung? Die folgenden Beschreibungen haben deshalb immer die gleiche Struktur:
- Es wird das SDG beschrieben.
- Es werden relevante Unterziele benannt.
- Es wird (wissenschaftlich) ausgeführt, was diese Unterziele für das jeweilige Berufsbild bedeuten.
Glossar
Folgende Abkürzungen werden in diesem Dokument verwendet:
Abkürzung | Bezeichnung |
AO | Ausbildungsordnung |
BMUV | Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit |
Care | Segment der AHV, hier: Krankenhäuser, Pflegeheime |
CO2-Äq | Kohlendioxid-Äquivalente |
FS | Foliensammlung |
HGM | Hintergrundmaterial (wissenschaftliches Begleitmaterial) |
IP | Impulspapier (didaktisches Begleitmaterial) |
KI | Künstliche Intelligenz |
ÖPNV | Öffentlicher Personennahverkehr |
RLP | Rahmenlehrplan |
SBBP | Standardberufsbildposition |
SDG | Sustainable Development Goals |
THG | Treibhausgase bzw. CO2-Äquivalente (CO2-Äq) |
Quellenverzeichnis
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (2021): Vier sind die Zukunft. Online: www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/show/17281
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (o. J.a): FAQ zu den modernisierten Standardberufsbildpositionen. Online: https://www.bibb.de/de/137874.php
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (o. J.b): Ausbildung gestalten. Online: BIBB / Reihen / Ausbildung gestalten
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: https://www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (o. J.): Was ist BNE? Online: https://www.bne-portal.de/bne/de/einstieg/was-ist-bne/was-ist-bne.html
Bundesregierung (o. J.): Globale Nachhaltigkeitsstrategie – Nachhaltigkeitsziele verständlich erklärt. Online: www.bundesregierung.de/breg-de/themen/nachhaltigkeitspolitik/nachhaltigkeitsziele-verstaendlich-erklaert-232174
Destatis Statistisches Bundesamt (2022): Indikatoren der UN-Nachhaltigkeitsziele. Online: http://sdg-indikatoren.de/
SDG 1 Keine Armut
“Armut in allen ihren Formen und überall beenden ”
Das SDG 1 „Keine Armut“ zielt darauf ab, die Armut weltweit zu reduzieren und in allen Formen überall zu beenden.
Vor allem vier Unterziele sind für das Berufsbild hervorzuheben (Destatis o. J.).
1.1 Bis 2030 die extreme Armut – gegenwärtig definiert als der Anteil der Menschen, die mit weniger als 1,25 Dollar pro Tag auskommen müssen – für alle Menschen überall auf der Welt beseitigen
1.2 Bis 2030 den Anteil der Männer, Frauen und Kinder jeden Alters, die in Armut in all ihren Dimensionen nach der jeweiligen nationalen Definition leben, mindestens um die Hälfte senken
1.3 Den nationalen Gegebenheiten entsprechende Sozialschutzsysteme und -maßnahmen für alle umsetzen, einschließlich eines Basisschutzes, und bis 2030 eine breite Versorgung der Armen und Schwachen erreichen
1.4 Bis 2030 sicherstellen, dass alle Männer und Frauen, insbesondere die Armen und Schwachen, die gleichen Rechte auf wirtschaftliche Ressourcen sowie Zugang zu grundlegenden Diensten, Grundeigentum und Verfügungsgewalt über Grund und Boden und sonstigen Vermögensformen, Erbschaften, natürlichen Ressourcen, geeigneten neuen Technologien und Finanzdienstleistungen einschließlich Mikrofinanzierung haben
Aus den Unterzielen lässt sich ableiten, dass jeder Mensch ein angemessenes Einkommen, Zugang zu grundlegenden Bedürfnissen wie Nahrung, Unterkunft sowie einer sozial gerechten Gesundheitsversorgung haben sollte.
Die Schnittmenge für das SDG1 ergibt sich aus den Nummern e) und f) der Standardberufsbildpositionen (BMBF 2022):
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Armut
Unter Armut versteht der Entwicklungsausschuss der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) die Unfähigkeit, menschliche Grundbedürfnisse, vor allem der Bedarf nach Nahrungsmitteln, eine sozialgerechte Gesundheitsversorgung, Bildung, Ausübung von Rechten, Mitsprache, Sicherheit und Würde sowie eine menschenwürdige Arbeit, zu befriedigen (BMZ o. J.). Nach Schätzungen der Weltbank lebten im Jahr 2022 weltweit rund 750 Millionen Menschen in extremer Armut. Wer pro Tag weniger als 2,15 US-Dollar zur Verfügung hat, gilt demnach als extrem arm (ebd.). Auch wenn Deutschland zu den reichsten Ländern der Welt zählt, so gibt es auch hier Armut. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts waren im Jahr 2021 15,8 Prozent der Deutschen insgesamt armutsgefährdet. Ein Armutsrisiko besitzt, wer weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Haushaltseinkommens zur Verfügung hat. Im Jahr 2021 entsprach dies bei einem Einpersonenhaushalt 1.251 Euro pro Monat. Für zwei Erwachsene mit zwei Kindern unter 14 Jahren lag der Schwellenwert 2.627 Euro im Monat (Destatis o. J. a). Allgemein hat die Armutsgefährdung in Deutschland in den vergangenen Jahren stark zugenommen, die Folgen der Covid-19-Pandemie haben die Entwicklungen weiter verschärft (vgl. ebd.). Dabei sind vor allem Frauen, Alleinerziehende und Erwerbslose, aber auch kinderreiche Familien, ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen sowie Migrantinnen und Migranten vermehrt betroffen. Armut hängt dabei nicht nur von der Höhe des Einkommens ab, sondern ist auch verknüpft mit den Zugangsmöglichkeiten zu (Gesundheits-)Dienstleistungen und weiteren Informationen (Huss 2023).
Eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass jedes fünfte Kind und jeder vierte junge Erwachsene von Armut bedroht ist, was in Deutschland etwa drei Millionen Kindern und Jugendlichen sowie über 1,5 Millionen junge Erwachsene (18-25 Jahre) entspricht (ebd.). Auch für Geringverdiener, Menschen, die in einem prekären Beschäftigungsverhältnis arbeiten oder auch früh erwerbsunfähig werden, ist das Armutsrisiko im Alter vergleichsweise höher als für gut Verdienende. Der Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen in ihrem Berufsleben bewirkt am Ende auch eine Lücke bei den Renten. Nach einer aktuellen Studie der Universität Köln (ceres 2022) für das Bundesfamilienministerium liegt die Rente von Frauen im Durchschnitt 46 Prozent unter der von Männern. Insgesamt ist mehr als jeder fünfte Mensch über 80 Jahren (22,4 Prozent) in Deutschland von Armut betroffen (BMFSFJ 2021). Nach Dr. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer “Der Paritätische Gesamtverband”, könnten Grundsicherung, Wohngeld und auch BAföG nachhaltig wirken und dazu beitragen, schnell zu einer Entlastung der unteren Einkommen zu gelangen (Paritätischer 2022).
Armut und Pflege
Familienangehörige und andere Bezugspersonen, die zumeist die Pflege von Bedürftigen im Rahmen einer häuslichen Pflege übernehmen, sind vermehrt vom Armutsrisiko bedroht. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin (DIW) hat 2022 Daten des sozioökonomischen Panels ausgewertet. Demnach ist jede fünfte Person, die häusliche Pflege übernimmt, von Armut bedroht, speziell bei pflegenden Frauen ist es jede vierte Person (Ärzteblatt 2022). Nach Angaben des Sozialverband Deutschland e.V. (2019) sind es in 70 Prozent der Fälle Frauen, die bei einem Pflegefall in der Familie die häusliche Pflege übernehmen. Durchschnittlich leisten Frauen 21 Stunden pro Woche unbezahlte Sorge- und Pflegearbeit, in 65 Prozent der Fällen kombinieren sie den zusätzlichen Aufwand mit einer Berufstätigkeit. Die notwendige Vereinbarkeit von Familie und Beruf lässt Frauen eher in Teilzeitmodellen in der Berufstätigkeit verweilen (ebd.). Dies belegt eine hohe Quote der Teilzeit von Frauen sowie eine damit einhergehende geringere Inanspruchnahme von gesetzlichen Maßnahmen wie Pflege- und Familienpflegezeit. In der Folge kommt es vor allem bei Frauen in häuslicher Pflege zu einer verringerten Berufstätigkeit oder einem Rückzug aus der Arbeitswelt, was sich wiederum negativ auf das Alterseinkommen und somit auf die Finanzierungsmöglichkeiten im Alter auswirkt (SoVD 2019). Die meisten Haushalte, in denen eine zu pflegende Person lebt, sind zumeist Empfänger von staatlichen Sozialleistungen (DIW 2022). Eine reduzierte Arbeitszeit verringert bei den Betroffenen relevante Rentenpunkte und es fehlt gleichzeitig ein ansprechendes Gehalt, mit dem professionelle Unterstützung und Entlastung für die Pflege bezahlt werden könnten (ebd.).
Eine bisher noch geringe, aber nicht unbedeutende Anzahl an Kindern, Jugendlichen, Auszubildenden oder auch Studierenden übernehmen ebenfalls häusliche Pflegetätigkeiten (BMFSFJ 2022). Nach einer Studie der Universität Witten-Herdecke im Auftrag des BMFSFJ versorgen und pflegen ca. 480.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland chronisch Kranke oder Pflegebedürftige innerhalb der Familie (ebd.). Zumeist nehmen diese Personen sich selbst nicht als Pflegeperson wahr, was langfristig zu nachteiligen psychischen, sozialen und schulischen oder ausbildungsrelevanten Folgen führt. Ein vom BMFSFJ mit initiiertes Projekt „Pause Taste“ unterstützt junge Pflegende mit Beratungsangeboten und Informationen (Pause Taste).
Auch Krankheit und Pflegebedürftigkeit allgemein können trotz bestehender Sozialsysteme zu einem Armutsrisiko beitragen. Laut Bundesregierung steigen beispielsweise die Zuzahlungen der gesetzlich Krankenversicherten für Arzneimittel und Therapien seit Jahren an (DBfK 2017). Die durchschnittliche Zuzahlung je Arzneimittelpackung von GKV-Versicherten in Deutschland betrug im Jahr 2021 pro Packung 3,10 Euro, 2010 waren es 2,40 Euro pro Packung (Statista o. J.). Viele Pflegebedürftige wissen oft nur unzureichend über abrufbare Fördermittel oder diese sind für sie nicht zugänglich. Zuzahlungen und Eigenanteile der Pflegeleistungen summieren sich vor allem in einem längeren Pflegezeitraum schnell (ebd.). Pflegekräfte können in dieser Situation beispielsweise beratend unterstützen und neben den klassischen Pflegetätigkeiten auch über Pflegestufen und Abrechnungssysteme informieren und bei Bedarf Auskunft geben oder auf entsprechende Anlaufstellen verweisen.
Armutsrisiko im Gesundheitswesen
Im Gesundheitswesen, aber vor allem in der Pflege, ist das Armutsrisiko wegen verbreiteter Teilzeit, oft niedrigen Gehältern und auch Berufserkrankungen recht hoch. Der Versorgung von Patientinnen und Patienten sowie Pflegebedürftigen wird zwar eine hohe gesellschaftliche Rolle zugeschrieben, dennoch war vor allem der Sozialsektor und damit auch der Pflegeberuf in der Vergangenheit mit einer Vielzahl von Reformmaßnahmen konfrontiert (Blank/Schulz 2015). Diese führen dazu, dass sich Berufstätige aus dem Gesundheitssektor zunehmend Herausforderungen hinsichtlich ihrer Ansprüche im Rahmen des Alterssicherungssystems stellen müssen. Bereits 2015 haben Blank und Schulz in einer Analyse herausgestellt, dass vor allem die Bereiche Erziehung, Pflege und Gesundheit vermehrt von Altersarmut bedroht sind, obwohl alle drei Bereiche, vor allem auch hinsichtlich möglicher Wachstumspotenziale, als besonders zukunftsträchtig beurteilt werden (ebd.). Um zukünftig vor allen Pflegekräfte sowie weitere Berufsgruppen des Sozialsektors präventiv zu schützen, braucht es nach Blank und Schulz (2015) drei Wege, die gleichsam fokussiert und beschritten werden sollten:
- Für den Sozialsektor besteht erhöhter Bedarf an Tarifverträgen, die erhöhte Löhne und Rentenansprüche von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern berücksichtigen könnten
- Es bedarf besserer Möglichkeiten der Kinderbetreuung sowie weitere Maßnahmen um Familie und Job der zumeist weiblichen Arbeitnehmerinnen des Sozialsektors besser zu vereinbaren und so Modellen der Teilzeitbeschäftigung entgegenzuwirken, die verehrt ein Armutsrisiko begünstigen
- Insgesamt bedarf es guter Arbeitsbedingungen in allen Bereichen, insbesondere im Gesundheitssektor, um einen längeren Verbleib im Beruf zu begünstigen (ebd.).
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitssektor tragen maßgeblich zum Wohlergehen der Menschen in Deutschland bei, insbesondere in der Covid19-Pandemie wurde dies deutlich. Es besteht ein konkreter nachhaltiger Bezug zu SDG1, indem sichergestellt wird, dass Gesundheitspersonal angemessen entlohnt wird und so ein ausreichendes Einkommen erzielen kann, um gegenwärtig und zukünftig die eigenen Grundbedürfnisse besser zu erfüllen. Aktuelle Debatten zur gerechteren Bezahlung und Verbesserung der Arbeitsbedingungen sollten daher auch auf politischer Ebene weitergeführt werden (Vergleich dazu auch SGD 8 – Menschenwürdige Arbeit). Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitswesen sind für die Versorgung von Alten, Kranken und Kindern zuständig und sichern langfristig den Gesundheitszustand der Gesellschaft. Im Rahmen der beruflichen Bildung sollten Auszubildende sensibilisiert werden für die physischen, psychischen und gesundheitlichen Auswirkungen von Armut allgemein und insbesondere für die prekäre berufliche Situation von Pflegekräften, die ein erhöhtes Risiko haben, in die Armut abzurutschen. Auf diese Weise können Auszubildende Veränderungen im beruflichen und privaten Kontext herbeiführen.
Quellenverzeichnis
Ärzteblatt (2022): Jede fünfte pflegende Angehörige ist von Armut betroffen. Online: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/137720/Jeder-fuenfte-pflegende-Angehoerige-von-Armut-bedroht
Bertelsmann Stiftung (2023): Kinder- und Jugendarmut in Deutschland. Online: https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2023/januar/neue-zahlen-zur-kinder-und-jugendarmut-jetzt-braucht-es-die-kindergrundsicherung#detail-content-227373-3
Blank F., Schulz S. E. (2015): Soziale Sicherung unter dem Brennglas, Altersarmut und Alterssicherung bei Beschäftigten im deutschen Sozialsektor, Friedrich-Ebert-Stiftung: WISO Diskurs. Online: https://library.fes.de/pdf-files/wiso/11144.pdf ; https://www.boeckler.de/de/boeckler-impuls-pflegekraeften-droht-altersarmut-6701.html
BMFSFJ Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2021): Fast ein Viertel der über 80-Jährigen in Deutschland leidet unter Altersarmut. Online: https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/presse/pressemitteilungen/fast-ein-viertel-der-ueber-80-jaehrigen-in-deutschland-leidet-unter-altersarmut-190132
BMZ Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (o. J.): Armut. Online: https://www.bmz.de/de/service/lexikon/armut-14038
ceres Cologne Center for Ethics, Rights, Economics, and Social Sciences of Health (2022): Hohes Alter in Deutschland (D80+). Online: https://ceres.uni-koeln.de/forschung/d80
DBfK Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe (2017): Resolution zu den Nachhaltigen Entwicklungszielen (SGDs). Online: https://www.dbfk.de/media/docs/download/DBfK-Positionen/Resolution-des-DBfK-zu-SDGs-2017-05-012.pdf
Der Paritätische Gesamtverband (2022): Armutsbericht 2022. Online: https://www.der-paritaetische.de/themen/sozial-und-europapolitik/armut-und-grundsicherung/armutsbericht-2022
Destatis (o. J.a): Armutsgefährdungsschwelle und Armutsgefährdung. Online: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Einkommen-Konsum-Lebensbedingungen/Lebensbedingungen-Armutsgefaehrdung/Tabellen/armutsschwelle-gefaehrdung-mz-silc.html
Initiative Pausentaste (o. J.): Beratung für pflegende Kinder, Jugendliche, Auszubildende und Studierende. Online: https://www.pausentaste.de/
SoVD Sozialverband Deutschland e. V (2019): Altersarmut von Frauen durch häusliche Pflege, Gutachten im Auftrag des Sozialverband Deutschland e. V. Online: https://www.sovd.de/fileadmin/bundesverband/pdf/broschueren/pflege/SoVD_Gutachten_Altersarmut_Frauen2019.pdf
Statista (o. J.): Zuzahlungen der gesetzlich Versicherten. Online: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/561511/umfrage/durchschnittliche-zuzahlung-von-gkv-versicherten-in-deutschland/
Zeit Online (2021): Armutsgefährdungsquoten in Deutschland. Online: https://www.zeit.de/wirtschaft/2022-08/armut-statistisches-bundesamt-armutsgefaehrderquote-2021
SDG 3 Gesundheit und Wohlergehen
“Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern”
Das SDG 3 „Gesundheit und Wohlergehen“ zielt darauf ab, ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters zu gewährleisten und ihr Wohlergehen zu fördern. Um das Menschenrecht auf Gesundheit (UN 1948) auszuüben, bestehen in Deutschland ungleich größere und zuverlässige Chancen als beispielsweise in Ländern des globalen Südens. Während es dort auch darum geht, die Mütter- und Kindersterblichkeit zu senken, übertragbare Krankheiten wie AIDS, Tuberkulose, Malaria und Hepatitis zu bekämpfen, den Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen und selbstbestimmter Familienplanung zu gewährleisten, sind diese Probleme bei uns weniger oder kaum bedeutsam. In den westlichen Industrieländern besteht vielmehr die Herausforderung des SDG 3 darin, Wohlstandsrisiken entgegenzuwirken.
Für das Berufsbild sind vor allem fünf Unterziele des SGD 3 hervorzuheben (Destatis o. J.):
3.4 Bis 2030 die vorzeitige Sterblichkeit aufgrund von nicht übertragbaren Krankheiten durch Prävention und Behandlung um ein Drittel senken und die psychische Gesundheit und das Wohlergehen fördern
3.5 Die Prävention und Behandlung des Substanzmissbrauchs, namentlich des Suchtstoffmissbrauchs und des schädlichen Gebrauchs von Alkohol, verstärken
3.8 Die allgemeine Gesundheitsversorgung, einschließlich der Absicherung gegen finanzielle Risiken, den Zugang zu hochwertigen grundlegenden Gesundheitsdiensten und den Zugang zu sicheren, wirksamen, hochwertigen und bezahlbaren unentbehrlichen Arzneimitteln und Impfstoffen für alle erreichen
3.9 Bis 2030 die Zahl der Todesfälle und Erkrankungen aufgrund gefährlicher Chemikalien und der Verschmutzung und Verunreinigung von Luft, Wasser und Boden erheblich verringern
3.a Die Durchführung des RAHMENÜBEREINKOMMENS DER WELTGESUNDHEITSORGANISATION ZUR EINDÄMMUNG DES TABAKGEBRAUCHS in allen Ländern in geeigneter Weise stärken
Das Nachhaltigkeitsziel 3 „Gesundheit und Wohlbefinden” ist für Kaufleute im Gesundheitswesen von zentraler Bedeutung. Insbesondere ergeben sich Schnittstellen zu den folgenden vier Punkten der Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ (BGBl 2022):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
d) Abfälle vermeiden sowie Stoffe und Materialien einer umweltschonenden Wiederverwertung oder Entsorgung zuführen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Gesundheit als Gut
Gesundheit gilt als selbstverständliches Gut, für viele Menschen sogar als das höchstes Gut (Eijk et al., 2021). Dennoch ist das Verständnis darüber, was Gesundheit bedeutet, in unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen und gesellschaftlichen Bereichen der Praxis recht unterschiedlich konzipiert. Die bekannteste wertorientierte und gleichzeitig sehr weitreichende Umschreibung von Gesundheit ist die Präambel der Verfassung der Weltgesundheitsorganisation WHO von 1948: „Gesundheit ist der Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen. Das Erreichen des höchstmöglichen Gesundheitsniveaus ist eines der Grundrechte jedes Menschen, ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit [original: „race“], der Religion, der politischen Überzeugung, der wirtschaftlichen oder sozialen Stellung.“ (WHO 2020, S. 1) Der demografische Wandel und die damit einhergehenden Herausforderungen für die Gesundheitsversorgung der “Gesellschaften des langen Lebens” (BZgA o. J.a), aber auch die zunehmende Bedeutung sozialer und ökologischer Determinanten von Gesundheit erfordern neue und angepasste Gesundheitskonzepte (BZgA o. J.b). Hinzu kommt die fortschreitende Technologisierung und Digitalisierung, die einerseits Einfluss auf alle Lebensbereiche und damit auch auf die Gesundheit der Menschen nimmt und andererseits die Gesundheits- und Pflegeversorgung maßgeblich prägt.
Das Gesundheitswesen in Deutschland ist ein Teil des Sozialsystems, gleichzeitig aber auch ein Wirtschaftszweig, eine Branche der Volkswirtschaft mit betriebswirtschaftlich arbeitenden Akteuren. Die verschiedenen Akteure im Gesundheitswesen sind dabei mit den verschiedenen Zielen und Funktionsweisen dieser drei Bereiche konfrontiert.
Im Gesundheitswesen in Deutschland arbeiten derzeit etwa 5,8 Millionen Menschen. (Destatis 2022; BMWK 2021). Laut Bundesagentur für Arbeit waren im Jahr 2021 deutschlandweit rund 1,7 Millionen Pflegekräfte sozialversicherungspflichtig beschäftigt. In der Gesamtzahl enthalten sind sowohl Spezialisten/Experten als auch Fachkräfte und Helfer (Bundesagentur für Arbeit 2021). Demgegenüber standen zum Jahresende 2021 ca. 5 Millionen Pflegebedürftige Menschen in Deutschland. Für die Qualität nationaler Gesundheitssysteme tragen Pflegekräfte, sowohl in Bezug auf die Prävention und Gesundheitsförderung, als auch bei der Behandlung von Erkrankten sowie Pflegebedürftigen aller Altersklassen wesentlich bei.
In den folgenden Abschnitten wird u.a. darauf eingegangen, welche Zusammenhänge es zwischen Arbeit und Gesundheit gibt und wie förderliche Arbeitsbedingungen zur Gesundheitserhaltung beitragen können.
Gesundheitliche Ungleichheit in Deutschland
Laut Gesundheitsbericht des RKI (2016) wird der Gesundheitszustand der Bevölkerung ganz wesentlich durch die Lebensbedingungen und das Gesundheitsverhalten beeinflusst. Dabei sind Gesundheitschancen und Krankheitsrisiken global, aber auch in Deutschland sozial ungleich verteilt. Menschen mit niedrigem Sozialstatus, unzureichender Bildung und niedriger beruflicher Stellung sind häufiger von chronischen Krankheiten, Beschwerden oder Behinderungen betroffen und schätzen ihre eigene Gesundheit schlechter ein. Dies wird durch ein unterschiedliches Gesundheitsverhalten begründet, wie beispielsweise der Konsum von Tabak oder körperliche Bewegung, sowie durch die Nichtinanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen (Datenreport Gesundheitliche Ungleichheit 2021). Dieser Zusammenhang stellt sich vielfach als sozialer Gradient dar, der in allen Altersstufen sichtbar ist: je niedriger der soziale Status, desto mehr Gesundheitsprobleme und Krankheitsrisiken bestehen. Frauen und Männer mit geringem Einkommen, niedriger Bildung oder schlecht bezahlten Berufen, in denen mangelnde Arbeitsbedingungen herrschen, haben letztendlich auch eine geringere Lebenserwartung als sozial bessergestellte Teile der Bevölkerung. Zwischen der niedrigsten und der höchsten Einkommensgruppe in Deutschland werden heute Unterschiede in der Lebenserwartung (von Geburt an) von 8,4 Jahren bei Frauen und 10,8 Jahren bei Männern berichtet. Auch für die Lebenserwartung ab dem Renteneintrittsalter von 65 Jahren (RKI 2016) bestehen erhebliche soziale Differenzen. Schon die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen wird durch den Sozialstatus ihrer Familie geprägt. Bereits während der Schwangerschaft und in den ersten Monaten nach der Geburt eines Kindes lassen sich soziale Unterschiede nachweisen (ebd.). Des Weiteren ist Arbeitslosigkeit mit einer schlechteren Gesundheit verbunden. Dies bedingt sich durch eingeschränkte finanzielle Handlungsspielräume, aber auch psychosoziale Belastungen wie Zukunftssorgen oder Ausgrenzungserfahrungen. Nicht zuletzt weisen Menschen mit Migrationshintergrund in einigen Bereichen eine schlechtere Gesundheit auf als die restliche Bevölkerung (Datenreport Gesundheitliche Ungleichheit 2021).
Arbeits - und Gesundheitsschutz
Das wichtigste Grundlagengesetz für den betrieblichen Arbeitsschutz ist das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG, 2022). Es verpflichtet den Arbeitgeber, Gesundheitsgefährdungen am Arbeitsplatz zu beurteilen und über notwendige Schutzmaßnahmen zu entscheiden. Der Arbeitgeber hat für eine funktionierende Arbeitsschutzorganisation im Betrieb zu sorgen. Dies kann besonders wirksam durch eine nachhaltige Einbindung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes in die Strukturen und Abläufe eines Unternehmens erreicht werden. Ferner unterweist der Arbeitgeber die Beschäftigten über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit und trifft Vorkehrungen für besonders gefährliche Arbeitsbereiche und Arbeitssituationen. Bei der Umsetzung der Arbeitsschutzmaßnahmen gibt das Arbeitsschutzgesetz den Unternehmen Gestaltungsspielräume, um den unterschiedlichen Gegebenheiten eines jeden Betriebes gerecht werden zu können. Das Arbeitsschutzgesetz wird durch eine Reihe von Arbeitsschutzverordnungen konkretisiert, die z. B. Maßnahmen für eine sichere Arbeitsstätten- und Arbeitsplatzgestaltung, einen sicheren Einsatz von Arbeitsmitteln, für Lärmschutz, zur arbeitsmedizinischen Vorsorge, zur Lastenhandhabung oder für den Umgang mit Gefahr- oder Biostoffen enthalten. Die technische Sicherheit von Geräten, Produkten und Anlagen, die auf dem Markt bereitgestellt werden, ist Gegenstand des Produktsicherheitsgesetzes (ProdSG, 2021). Darüber hinaus regeln eine Vielzahl weiterer Gesetze und Verordnungen den Schutz der Beschäftigten am Arbeitsplatz, wie bspw. das Arbeitszeitgesetz, die Notfallschutzverordnung, das Mutterschutzgesetz oder die Bildschirmarbeitsverordnung.
Gesunde Beschäftigte als Ressource
Die Beschäftigten sind die wichtigste Ressource eines Unternehmens. Weitgehend wird heute anerkannt, dass gesunde, engagierte und motivierte Mitarbeiter und menschengerechte Arbeitsbedingungen die Grundvoraussetzungen für Leistungs- und Zukunftsfähigkeit, für gesteigerte Produkt- und Dienstleistungsqualität, für Kundenorientierung und damit letztlich für den Unternehmenserfolg sind (qualifizierte und gesunde Mitarbeiter als Motor des Erfolges von Unternehmen!). Neben der betriebswirtschaftlichen Betrachtungsweise, erlangen somit soziale und kulturelle Aspekte Bedeutung für den Unternehmenserfolg (vgl. Bruch/Kowalewski o. J.). Der Erhalt der Gesundheit ist somit ein wichtiges Element der Personalarbeit und eine wichtige Führungsaufgabe des Managements. Dabei wird zwischen der Verhaltens- und Verhältnisprävention unterschieden. Die Verhaltensprävention bezieht sich auf den einzelnen Beschäftigten und sein Gesundheitsverhalten. Die Verhältnisprävention ist u.a. auf die gesundheitsförderliche Gestaltung der Arbeitsbedingungen, der Arbeitsplatzgestaltung und der Arbeitsorganisation gerichtet. Während bei der Gestaltung der Verhältnisprävention das Unternehmen direkt wirksam werden kann, können bei der Verhaltensprävention den Beschäftigten nur Angebote zur Veränderung seines Gesundheitsverhaltens gemacht werden (Raucherentwöhnungskurse, Fitnessangebote, Ernährungsberatung) Dafür kann u.a. die Zusammenarbeit mit den Krankenkassen, die entsprechende Angebote verfügen, genutzt werden (vgl. Axt 2021).
Gesundheitliche Risiken für Kaufleute
Kaufleute üben ihren Beruf vor allem im Büro aus. Gesundheitliche Probleme durch physische Belastungen, die im Zusammenhang mit häufiger Bildschirmarbeit im Sitzen stehen können, wie Verspannungen, Kopf-, Nacken-, Schulter- und Rückenschmerzen, sind wie in anderen Büroberufen auch wahrscheinlich. Ein weiteres Problem auch bei Büroberufen können Bewegungsmangel und Fehlernährung sein, die als Risikofaktoren für Übergewicht und Adipositas gelten. Körperliche Auswirkungen sind orthopädische Probleme oder Übergewicht.
Physische Belastungen für Kaufleute sind vor allem:
- Schwierige Körperhaltungen, wie langes Sitzen
- Belastende Tätigkeiten für Augen / Sehvermögen (Bildschirmarbeit)
- Unfallgefahren auf dem Arbeitsweg, im Betrieb und auf Reisen
Hinzu können Arbeitsplatz bedingte Stressfaktoren kommen, die nachgewiesenermaßen zu Diabetes, erhöhten Leberwerten, Hautausschlägen, Magen- und Darmerkrankungen, Herzerkrankungen, Burnout und Depressionen führen (AOK 2020; RKI 2022). Stressfaktoren (gesund.bund.de o. J.) sind:
- Konflikte am Arbeitsplatz, in der Partnerschaft oder der Familie,
- Überlastung oder Doppelbelastung durch Familie und Beruf,
- Termindruck, kritische Lebensereignisse, wie Trennung, Arbeitsplatzverlust, schwere Krankheit oder der Tod einer nahestehenden Person,
- wenig Freizeit und fehlender Ausgleich zur Arbeit,
- Schwierigkeiten damit abzuschalten,
- Reizüberflutung,
- eigene (Leistungs-)ansprüche und
- Sorgen und Ängste.
Auszubildende und Gesundheit
Eine repräsentative Befragung von Auszubildenden durch das Wissenschaftliche Institut der AOK hat herausgefunden (WIdO-monitor 2019), dass Auszubildende diverse Symptome mehrheitlich mit ihrem Arbeitsplatz in Verbindung bringen. Jeweils ein knappes Viertel gibt beispielsweise an, dass sie häufig oder immer unter Verspannungen, Kopfschmerzen oder Rückenschmerzen leiden. 43,2 Prozent der Befragten berichten, sich immer oder oft müde oder erschöpft zu fühlen. Körperliche Gesundheitsprobleme werden dabei häufiger genannt als psychische Symptome (43,5 gegenüber 36,5 Prozent). Insgesamt schätzen die Auszubildenden ihren Gesundheitszustand zwar eher als gut ein, nennen aber auch Gesundheitsbeschwerden, die für sie subjektiv mit dem Arbeitsplatz zusammenhängen. Dies gilt insbesondere für muskuloskelettale Beschwerden und die Überbeanspruchungen der Augen. Aus den Studienergebnissen resultiert, dass es seitens der Auszubildenden Bedarf an Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung gibt, die speziell auf sie und ihre Arbeitssituation zugeschnitten sind. Hierbei geht es um nachhaltige Verhaltensänderungen bei Themen wie Schlafhygiene, Ernährung und Bewegung sowie Stressmanagement.
Stress und Gesundheitsgefährdung
Im modernen Kommunikationszeitalter werden häufig eine starke Zunahme an zu verarbeitenden Informationen, verkürzte Entscheidungsintervalle und die Wahrnehmung stetig steigender Anforderungen als Merkmale beschrieben. Diese Veränderungen wirken sich auch auf Organisationen und Unternehmen aus, beispielsweise durch eine Geschwindigkeitszunahme bei betrieblichen Entscheidungsprozessen, die sich auf alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auswirkt. Es ist daher nicht überraschend, dass die Gesamt-Stressmenge über die Lebenszeit eines Erwachsenen heute deutlich gestiegen ist. Wie Gross (2015) feststellt, summiert sich Stress aufgrund der Beschleunigung in allen Lebensbereichen und der Verkürzung sowohl der Beziehungen als auch der Arbeitsverhältnisse in einem sicher schädlichen Ausmaß.
Auszubildende sind besonders von diesen Entwicklungen betroffen, da sie zu Beginn ihrer Ausbildung mit zahlreichen neuen Herausforderungen konfrontiert werden. Neue Arbeitszeiten, Kolleginnen und Kollegen, Hierarchien im Unternehmen und Unterrichtsstrukturen in der Berufsschule sind nur einige der Veränderungen, die bewältigt werden müssen. Es fällt vielen Auszubildenden schwer, neben dem Berufsschulunterricht und der Arbeitsverpflichtung auch noch Zeit für Hobbies und Freunde zu finden. Eine Studie zur Work-Life-Balance von Auszubildenden (vgl. Deuer 2010) zeigt, dass für über 80 Prozent der befragten Auszubildenden ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Berufsausbildung und Freizeit wichtig ist. Allerdings gab nur etwa 20 Prozent der Befragten an, selbst ein ausgewogenes Verhältnis zu haben. Die steigende Anzahl von Ausbildungsabbrüchen ist eine der Folgen dieser Entwicklung. Im Umkehrschluss möchten 90 Prozent der Befragten, die mit ihrer Work-Life-Balance zufrieden sind, ihre Ausbildung erfolgreich abschließen. Vor diesem Hintergrund sollten Auszubildende unterstützt werden, ihre persönlichen Ziele, die gestellten Anforderungen und die daraus resultierenden Belastungen kritisch zu reflektieren.
In verschiedenen medizinischen und psychologischen Untersuchungen wurde analysiert, was Menschen psychisch gesund hält und widerstandsfähig macht. Dabei sind folgende Konzepte besonders hervorzuheben:
Resilienz
Ursprünglich stammt der Begriff Resilienz aus dem Bereich der Physik und beschreibt hier die Fähigkeit eines Materials, nach Verformung wieder in den ursprünglichen Zustand zurückzukehren. Im psychologischen Kontext beschreibt der Begriff die psychologische Widerstandskraft. In diesem Kontext lässt sich Resilienz als die Fähigkeit eines Menschen beschreiben, nach belastenden Ereignissen wieder in die Situation vor einer Belastung zurückzukehren.
Bei den verschiedenen Faktoren, die die Resilienz bestimmen, unterscheidet man zwischen Umfeld (Familie, Freunde, Berufsleben etc.) und individuellen, sogenannten intrapsychischen Eigenschaften (Intelligenz, Frustrationstoleranz, Kreativität, Affektkontrolle etc.). Als besonders bedeutsam wird in diesem Zusammenhang die Selbstwirksamkeit einer Person dargestellt. Selbstwirksamkeit beschreibt die Einschätzung eines Menschen, inwiefern er aktiv Einfluss auf die Welt nehmen kann und sich mit seinen eigenen Handlungen als mitentscheidend für den weiteren Verlauf seines Lebens sieht. (vgl. Berndt 2013)
Salutogenese
Das salutogenetische Modell der Gesundheit besagt, dass das Gesundheits- oder Krankheitsgefühl durch individuelle und persönliche Einflussgrößen bestimmt wird. Aaron Antonovsky stellt bei der Erschaffung des Salutogenesemodells heraus, dass schlechte äußere Bedingungen (Hunger, Krieg, etc.) die Gesundheit der Menschen zwar grundsätzlich gefährden, jedoch bei gleichen äußeren Bedingungen Unterschiede im Gesundheitszustand der Menschen zu beobachten sind. Daraus resultiert seine Schlussfolgerung, dass der individuelle Gesundheitszustand eines Menschen nicht allein von den äußeren Bedingungen, sondern auch von der kognitiven und der affektiv-motivationalen Grundeinstellung abhängt. Im Rahmen dieses Konzeptes wird die individuelle Einstellung eines jeden Menschen als Kohärenzgefühl bezeichnet. „Kohärenz bedeutet Zusammenhang, Stimmigkeit. Je ausgeprägter das Kohärenzgefühl einer Person ist, desto gesünder sollte sie sein bzw. desto schneller sollte sie gesund werden und bleiben. […] Die Stärke des Kohärenzgefühls ist unabhängig von den jeweiligen Umständen, der Situation oder den Rollen, die jemand gerade einnimmt oder einnehmen muss“ (BZGA 2011: 28).
Nach Antonovsky wird das Kohärenzgefühl von drei Aspekten beeinflusst und definiert:
- Das Gefühl von Verstehbarkeit: Eine kognitive Komponente, die beschreibt, wie eine Person die aus der Umwelt erreichenden Informationen strukturiert und schlüssig einordnen sowie deuten kann.
- Das Gefühl von Handhabbarkeit / Bewältigung: Die Ausprägung, in welcher Weise eine Person eigene aktive Stellung in der Welt wahrnimmt und Herausforderungen des Lebens beurteilt.
- Das Gefühl von Sinnhaftigkeit / Bedeutsamkeit: Eine emotionale Komponente, die beschreibt, wie erfüllend und bedeutsam eine Person die eigenen Tätigkeiten und den eigenen Wirksamkeitsbereich einschätzt.
(vgl. Müller-Christ 2014; Schüffel et al. 1998)
Die Konzepte Resilienz und Salutogenese stehen also miteinander in Verbindung und stellen differenziert dar, welche Auswirkungen Belastungen und Stress auf eine Person haben können und was Menschen psychisch gesund hält bzw. widerstandsfähig macht. Auf dieser Basis können zielführende Konzepte für eine ganzheitliche Förderung der körperlichen sowie geistigen Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entwickelt werden, die zu einer stärkeren Zufriedenheit am Arbeitsplatz beitragen können.
Prävention und Gesundheitsförderung
Den Gesundheitszustand erhaltene oder fördernde Maßnahmen sind vor allem vor dem Hintergrund einer umfangreichen Pflegeversorgung relevant. Dabei können alle Menschen auch selbst dazu beitragen, ihre Gesundheit durch positive Verhaltensweisen wie regelmäßige Bewegung und eine gesunde Ernährung, Regenerationszeiten, aber auch Verzicht auf Alkohol oder Rauchen, zu stärken. Durch einen gesunden Lebensstil und vorbeugende Maßnahmen können so Erkrankungen vorgebeugt werden (BMG 2023). Folgend wird auf zwei gesundheitsfördernde Verhaltensweisenen besonders eingegangen:
Ernährungsgewohnheiten
Die Ursachen vieler Volkskrankheiten wie Übergewicht/Adipositas, Diabetes oder auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen (s.o.) liegen sehr häufig in einer ungesunden Ernährungsweise (z. B. das Ungesunde zu viel essen) bei oft gleichzeitigem Bewegungsmangel. Das Fachblatt “The Lancet” hat von 1990 – 2017 eine globale Ernährungsstudie durchgeführt, die ergab, dass jährlich circa elf Millionen Menschen durch ungesunde Ernährung sterben (The Lancet 2019, zitiert nach nutrition-impact 2022). Das Hauptproblem sei unter anderem ein zu niedriger Konsum von gesunden Lebensmitteln und Vollkornprodukten. Deutschland liegt auf Platz 38 von 195 Staaten und verzeichnet etwa 160.000 Todesfälle jährlich (ebd.). In dieser Studie wurden Todesfälle, die auf Mangelernährung, Hunger oder Alkoholmissbrauch zurückzuführen sind, nicht berücksichtigt. Es herrscht nach wie vor ein Informationsmangel im Hinblick auf eine gesunde Ernährung, die sich positiv auf die Gesundheit auswirkt und mögliche Erkrankungen reduzieren kann (siehe Kap. Zivilisationsbedingte Krankheiten und ihre Risikofaktoren). Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat Regeln aufgestellt, was man unter einer gesunden Ernährung versteht und wie einer falschen Ernährungsweise (das Ungesunde zu viel essen) sowie einem Bewegungsmangel (zu viel Essen bei zu wenig Bewegung) entgegengewirkt werden kann (DGE o. J.):
1. Lebensmittelvielfalt genießen 2. Gemüse und Obst – nimm “5 am Tag” 3. Vollkorn wählen 4. Mit tierischen Lebensmitteln die Auswahl ergänzen 5. Gesundheitsfördernde Fette nutzen | 6. Zucker und Salz einsparen 7. Am besten Wasser trinken 8. Schonend zubereiten 9. Achtsam essen und genießen 10. Auf das Gewicht achten und in Bewegung bleiben |
Ernährung zählt zu den wesentlichen Treibern für Gesundheit und Wohlbefinden sowie die Vermeidung von nicht übertragbaren Krankheiten (Branca et al. 2019). Die Ernährung von Pflegebedürftigen jeden Alters und in allen Gesundheitseinrichtungen, in denen pflegerische Tätigkeiten anfallen, spielt auch in Deutschland eine relevante Rolle. Ernährungsbedingte Erkrankungen entstehen durch eine Ernährungsweise, die entweder durch eine zu hohe oder zu geringe Nahrungszufuhr oder durch eine Unausgewogenheit in Bezug auf die Hauptnährstoffe bzw. essentiellen Nährstoffe gekennzeichnet ist (Spiller/Nitzko 2021). Eine ungesunde und unausgewogene Ernährung macht krank und schränkt mittel- bis langfristig nicht nur die Lebensqualität, sondern auch die Lebenserwartung erheblich ein. Umgekehrt sind gute und hochwertige Lebensmittel, ein abwechslungsreiches und individuell zugeschnittenes Nahrungsangebot, das Wissen um und Einhalten medizinisch notwendiger Diätvorgaben und bei Bedarf pflegerische Unterstützung zur Einnahme der Mahlzeiten enorm wichtige Faktoren der Gesundheitsversorgung bzw. einer Behandlung. Das Gesundheitspersonal sollte hinsichtlich einer nachhaltigen Gesundheitsversorgung all diese Zusammenhänge kennen und ihr Wissen im Umgang mit Kindern, alten und (potentiell) kranken Menschen einbringen.
Bewegungsförderung
Mehr als ein Viertel der Weltbevölkerung bewegt sich zu wenig, in Deutschland verfehlt fast jede zweite Person die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) (Hollstein 2019). Der Bewegungsmangel nimmt aufgrund einer wachsenden gesellschaftlichen Bequemlichkeit eine ähnliche Risikoquelle für ein ungesundes Lebensverhalten ein, wie auch Rauchen oder Bluthochdruck (ebd.). Wenig Bewegung, eine schlechte Körperhaltung und langes Sitzen führen nicht nur zu orthopädischen Problemen, sie können auch Herz-Kreislauf- und Stoffwechselprobleme sowie psychische Probleme begünstigen (Weiderer 2020).
Dabei wird Bewegung ein positiver Gesundheitseffekt zugeschrieben. Nach einer Studie des amerikanischen Kardiologie-Colleges (American College of Cardiology) können bereits fünf Stunden körperliche Bewegung pro Woche ein tägliches Sitzen von acht Stunden ausgleichen. Andersrum haben Personen, die mehr als acht Stunden am Tag sitzen, ein rund 80 Prozent erhöhtes Sterberisiko (ebd.). Gesundheitliche Vorteile einer regelmäßigen Bewegung sind wissenschaftlich belegt: Die körperliche Bewegung wirkt nicht nur dem Alterungsprozess positiv entgegen, bereits 15 Minuten Sport bzw. Bewegung am Tag senkt auch das Mortalitätsrisiko um 14 Prozent (Arem 2015). Körperliche Bewegungen sind besonders gut zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, aber auch Krebserkrankungen, Stress und Burnout. Ältere Menschen können durch regelmäßige Sporteinheiten ihr Immunsystem verbessern und sind so weniger anfällig für Infektionen (ebd.). Weitere Studien belegen, dass mit einer hohen körperlichen Aktivität das Risiko und die Entwicklung von Krebsarten verringert werden können (Moore 2016). Obwohl Sport und Bewegung für einen positiven Gesundheitszustand sowie eine Gesundheitsförderung nachgewiesen sind, wird beispielsweise in Arztgesprächen der Bewegungsmangel noch immer eher selten artikuliert (Hollstein 2019).
Vor dem Hintergrund der Arbeit mit Pflegebedürftigen erscheint das Thema Bewegungsmangel bzw. Bewegungsförderung insofern notwendig, als das proaktiv auf die Vorzüge von Sport und Bewegung hingewiesen werden kann und neben der grundsätzlichen Pflegeversorgung auch proaktiv die Gesundheit durch Beratung gefördert werden kann.
Technologisierung im demografischen Wandel
Eine der größten Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Ziel SDG 3 ist der demografische Wandel. Die Bevölkerung in Deutschland wird älter, wodurch es zu einer Zunahme chronischer Erkrankungen und einem Anstieg der Pflegebedürftigkeit kommt. Gleichzeitig nimmt die Gesamtzahl des Gesundheitspersonals ab, insbesondere bei potenziellen Pflegekräften. Vor diesem Hintergrund werden der Technologisierung und Digitalisierung in der Gesundheitsversorgung hohe Potenziale im Umgang mit den Herausforderungen zugeschrieben. E-Health Systeme, die sich vor allem durch den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) im Rahmen von gesundheitsbezogenen Aktivitäten auszeichnen und ein Gesundheitsmonitoring unterstützen, können in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen, aber auch in der häuslichen Pflege zahlreich und vielfältig zum Einsatz kommen. Durch Digitalisierung kann vor allem ein verbessertes Schnittstellenmanagement, sowie eine verbesserte Kommunikation ermöglicht werden (Streit 2021). Die Technologien können in die Bereiche elektronische Pflegedokumentation, technische Assistenzsysteme, Telecare / Telemedizin, Robotik sowie Technologien zur Unterstützung der Kommunikation und des Lernens strukturiert werden (Kubek 2020). Folgend wird ein Überblick über aktuelle Ansätze gegeben:
Elektronische Pflegedokumentation
In der Pflege ist eine lückenlose Dokumentation des Pflegeprozesses von geplanten und durchgeführten Maßnahmen, Beobachtungen, Veränderungen sowie Auffälligkeiten gesetzlich vorgeschrieben. Sowohl in der stationären als auch in der ambulanten Versorgung geht dies mit einem hohen formalen Aufwand einher. Digitale Pflegedokumentationen können unterstützen, indem alle Informationen digital gesammelt und autorisierten Personen zugänglich gemacht werden.
Elektronisch erfasst wird der gesamte Pflegeprozess: die Planung und Dokumentation von Maßnahmen für eine auf den Patienten angepasste Betreuung und Versorgung wird ebenso elektronisch erfasst wie Daten zur Abrechnung, oder auch die Planung und Informationen für weitere Folgebehandlungen. Stationäre PCs oder auch mobile Endgeräte wie Tablets oder Smartphones kommen gleichermaßen zum Einsatz und können einen effizienten Arbeitsfluss ermöglichen (Kubek 2020).
Technische Assistenzsysteme
Innovative digitale Technologien, wie beispielsweise Ambient-Assisted-Living-Modelle (AAL-Modelle) sind vor allem als Unterstützungssysteme für das Lebensumfeld, wie Sensormatten, Sprachassistenten oder auch Hausnotrufe, bekannt (Kubek 2020). Ziel der Unterstützungssysteme ist es, das Wohnen in der eigenen Häuslichkeit, vor allem bei älteren Menschen, so lange wie möglich zu erhalten (ebd.). Der GKV-Spitzenverband (2019) hat den Nutzen und die Potenziale von Assistenzsystemen untersucht. Die ausgewählten Assistenzsysteme in der Studie befassen sich u.a. mit dem selbständigem Wohnen im Alter, Videospielen zur Förderung der geistigen und körperlichen Fähigkeiten, sowie Unterstützungsangeboten für Menschen mit Demenz sowie deren An- und Zugehörige durch Ortungsfunktionen und Erfassung von Bewegungsdaten (ebd.).
Telecare / Telemedizin
Unter Telemedien wird zumeist die Videokommunikation, wie beispielsweise die Video-Sprechstunde beim Arzt, die Video Visite zwischen Pflegekraft und Hausarzt oder auch das direkte Hinzuschalten per Video eines Facharztes bei Rückfragen, (Kubeck 2020) verstanden. Telemedizin bietet insbesondere im ländlichen Raum große Vorteile. Allerdings scheitern viele Telemedizin-Angebote immer noch an Finanzierungsproblemen und unzureichenden Breitbandversorgung (vgl. ebd.). Die Corona-Pandemie hat jedoch dazu beigetragen, dass die Online-Sprechstunde, beispielsweise beim Hausarzt, zunehmend an Akzeptanz gewinnt.
Robotik
Die Erfahrungen und der Einsatz von Robotik in der Pflege sind nach wie vor gering (Kubeck 2020). Dennoch gibt es ein breites Forschungsfeld und viele Anwendungsszenarien, die von potenziellen Servicerobotern, Robotik zur Reduktion körperlicher Belastungen bis hin zu humanoiden Robotern mit emotionaler Interaktion reichen (ebd.). Pflegekräfte stehen der Robotik, vor allem der Übernahme von Pflegearbeit durch Roboter, eher skeptisch gegenüber. Roboter wie Exoskelette, die eine körperliche Entlastung versprechen, werden wiederum hoffnungsvoll erwartet. Bislang wird der Einsatz der meisten Roboter jedoch nach wie vor erforscht. (ebd.) Ein vom Bundesministerium für Forschung und Entwicklung gefördertes Projekt der Hochschule Fulda untersucht beispielsweise den Einsatz von Telepräsenzrobotern im häuslichen Lebens- und Pflegearrangement von Personen mit Demenz im ländlichen Raum.
Technologien zur Unterstützung der Kommunikation und des Lernens
Ein weiteres Feld der Technologisierung in der Pflege ist die Unterstützung der internen Kommunikation und Interaktion durch beispielsweise Messenger-Diensten für bessere Terminabsprachen oder zur Planung des ambulanten Pflegesettings. Auch Schulungsinhalte und Weiterbildungen sollen zukünftig digital durch webbasierte Lernplattformen unterstützt werden (Kubeck 2020).
Beispiel: Unterstützung der Pflege durch Pflegebrillen und KI
Eine Pflegeperson benötigt während der Ausführung der Pflegetätigkeiten Informationen über die Pflegenden. Da diese in einem Computer oder einer Krankenakte verfügbar sind, müssen die Pflegetätigkeiten kurzzeitig unterbrochen werden. Eine digitale Pflegebrille mit Augmented Reality bietet die Möglichkeit, entsprechende Informationen über die Pflegenden zur Verfügung zu stellen und soll so den Pflegeprozess vereinfachen. Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert (BMBF 2021).
Die Brille liefert während des Pflegeprozesses nicht nur Patienteninformationen, Anleitungen zu Pflegetätigkeiten oder Unterstützungsangebote, sondern bietet auch die Möglichkeit, die Pflege zu dokumentieren und mit vorherigen Prozessen abzugleichen. Gemeinsam mit Pflegekräften und praxisorientiert entwickelt, untersuchten 120 Pflegekräfte in 16 Einrichtungen das Potenzial der Brille. Das praxisorientierte Erforschen und der mit Pflegekräften entwickelte Ansatz sowie eine Intensive Evaluation in realen Einsatzgebieten führte nicht nur dazu, dass die Einsatzbereiche der Brille in der Pflege genau identifiziert werden konnten, sondern auch zu einer hohen Akzeptanz und Nachfrage unter den Nutzenden. Die digitale Pflegebrille wurde bis Ende 2021 in einer Langzeit Testphase in Einrichtungen geprüft, die Ergebnisse sowie weitere Einsatzbereiche werden voraussichtlich 2023 veröffentlicht (Luthe et al. 2022).
Ein Anwendungsszenario zeigt schon jetzt die Einsatzmöglichkeiten sowie die Unterstützung von KI-basierten Assistenzsystemen bei einer pflegebedürftigen Person, die beispielsweise nach einem Schlaganfall wieder in ihrer Wohnung leben möchte (acatech 2021). Ein intelligenter Rollator, ein Serviceroboter, sowie eine Pflegebrille mit Augmented-Reality entlastet und unterstützt nicht nur die zu pflegende Person, sondern auch die Angehörigen und das verantwortliche Gesundheitspersonal (ebd.). Bei der Entwicklung und Einführung von KI-basierten Systemen für die Pflege ergeben sich nicht nur technologische, sondern vor allem auch ethische Fragestellungen, für die in Forschungsprojekten Antworten gesucht werden (PLS o. J.).
Zwar ist im Rahmen einer branchenübergreifenden Betrachtung die Gesundheits- und Pflegewirtschaft vergleichsweise niedrig digitalisiert, doch die Potenziale für den Einsatz von digitalen und technischen Unterstützungen bieten erhöhtes Potenzial. Vor allem kann der Arbeitsalltag in der Pflege spürbare Entlastung bringen und dadurch mehr Zeit für die Pflegebedürftigen aufgewendet werden (BMG 2020). Das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (BMG o. J.a), das im Januar 2019 in Kraft getreten ist, sowie das Digitale–Versorgung–und–Pflege–Modernisierungs–Gesetz (BMG o. J.b), bieten die Grundlage für Anschaffungen digitaler und technischer Ausrüstung in Pflegeeinrichtungen, tragen zur Entlastung der Pflegekräfte bei und sollen die Betreuung der Patientinnen und Patienten und Pflegebedürftigen verbessern.
In einer vom IGES Institut GmbH durchgeführten Umfrage zum Technikeinsatz in Pflegeeinrichtungen der Langzeitpflege (UTiP) wurde im Jahr 2020 eine Bestandsaufnahme des Technisierungsgrades von Pflegeeinrichtungen vorgenommen. Demnach ist der Technikeinsatz in der betrieblichen Verwaltung und Organisation von Pflegeeinrichtungen deutlich stärker verbreitet als im Bereich der Pflege und Betreuung von Pflegebedürftigen (BMG 2020). Technische Unterstützungen zur physischen Entlastung der Pflegekräfte sind im stationären Bereich bereits weit verbreitet, darunter fallen u.a. Personenlifter, verstellbare Betten oder auch Aufstehhilfen. 30-40 Prozent der in der Umfrage befragten Einrichtungen gaben an, Sensor- oder computergestützte Systeme zu nutzen. Robotische Systeme, wie automatisierte Esshilfen oder Serviceroboter, sind den Befragten aus den stationären Bereichen teilweise nicht bekannt oder werden bislang nur in Einzelfällen eingesetzt (vgl. ebd.). Insgesamt sind jedoch 70 Prozent der befragten Pflegeeinrichtungen überzeugt, vor dem Hintergrund der neuen Gesetzesgrundlagen die Fördermöglichkeiten in Anspruch zu nehmen und dadurch die Entwicklung der Digitalisierung vor allem für die Pflege weiter voranzutreiben (vgl. ebd.).
Die Technologisierung ist für die pflegerische Versorgung älterer Menschen relevant, da diese beispielsweise mittels Technologien der Sturzerkennung oder Früherkennung von gesundheitlichen Veränderungen darin unterstützt werden können, länger und selbstbestimmt in der häuslichen und bekannten Umgebung zu bleiben. Das PPZ Pflegepraxiszentrum Nürnberg hat einen Leitfaden zur Implementierung technischer Innovationen in der Pflege entwickelt, der durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird. Dieser Leitfaden dient als praxisorientierte Arbeitshilfe und unterstützt Pflegeeinrichtungen bei der Einführung von komplexen digitalen Innovationen, um eine nachhaltige Umsetzung zu gewährleisten (PPZ Nürnberg, 2022). Die Digitalisierung kann auch im Bereich der pädiatrischen Versorgung von großem Nutzen sein. So können beispielsweise Prozesse durch digitale Technologien vereinfacht werden, der Datentransfer zur Unterstützung von Diagnosen optimiert und präzise Dokumentationen erstellt werden. Dadurch kann die Gesundheitsversorgung insgesamt noch weiter verbessert werden.
Die zunehmende Nutzung derartiger Technologien hat Auswirkungen auf die Arbeitsorganisation, das Berufsbild und das Selbstverständnis der Mitarbeitenden in der Gesundheitsversorgung. Nach Auffassung von Expertinnen und Experten steht die Pflege im Umgang mit den technologischen Innovationen vor allem vor drei Herausforderungen (ADGW o. J.):
- Die Pflegekräfte müssen verstärkt über Digitalkompetenzen verfügen und gezielt geschult werden.
- Die technischen Systeme müssen mit Blick auf Akzeptanz sowie ethische, rechtliche und soziale Anforderungen gestaltet werden, so dass sie als für den Arbeitsplatz attraktivitätssteigernd bewertet werden können.
- Die technologischen Systeme sollen so in den Pflegealltag integriert werden, dass sie entlastend, aber nicht ersetzend wirken.
Letztlich ist es vor dem Hintergrund zunehmender Technologisierung der Pflege aber auch des Gesundheitssektors insgesamt relevant, auch die Folgen der Technologien aufzuzeigen und im Rahmen der Berufsausbildung auch Fragen des Datenschutzes, der Ethik und der menschlichen Interaktion in der Pflege im Sinne der Nachhaltigkeit kritisch zu reflektieren (vgl. Zielkonflikte in IP für das jeweilige Berufsbild).
Klimawandel und gesundheitliche Folgen
Der Klimawandel hat Auswirkungen auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen weltweit, aber auch in Deutschland. Die direkten Folgen zeigen sich in einer Zunahme von Erkrankungen der Atemwege und des Herz-Kreislauf-Systems, Infektionen, Verletzungen oder Allergien z. B. durch zunehmende Extremwetterlagen wie Hitzewellen, Bränden, Überschwemmungen oder Stürmen (WIdO 2021; Dikken 2021b). Auch psychische Belastungen wie Stress, Angstzustände, Traumata und Depressionen nehmen zu (ebd.). Indirekte gesundheitliche Auswirkungen treten durch nachteilig veränderte Umweltbedingungen als Folge des Klimawandels auf. Hierzu zählen z. B. die Beeinträchtigung der Qualität und Quantität von Trinkwasser und Lebensmitteln, aber auch die Zunahme tierischer Krankheitserreger wie Zecken oder Stechmücken (UBA o. J.). Obgleich grundsätzliches Wissen darüber vorhanden ist, dass sich das Klima erwärmt und dies bedeutsam für die Gesundheit vieler Menschen sein kann, bestehen Unsicherheiten bzw. fehlen Kenntnisse hinsichtlich der erforderlichen (präventiven) gesundheitlichen Anpassungsmaßnahmen. Dennoch ist bereits jetzt bekannt, dass ein Beitrag zum Klimaschutz zugleich auch ein Gesundheitsschutz ist, da sich viele Klimaschutzmaßnahmen unmittelbar auf die Gesundheit auswirken.
Thermische Belastungsgrößen
Veränderungen von Extremen wie Hitzewellen, Starkniederschlägen, Dürren und tropischen Wirbelstürmen sind nur einige Folgen des Klimawandels (IPPC 2023). Auch in Deutschland entwickelt sich der Klimawandel durch die Zunahme extremer Hitzeereignisse zu einem Gesundheitsrisiko (BZgA o. J.c). Eine zunehmende Anzahl an heißen Tagen sowie Hitzewellen hat allein in den letzten Jahren vermehrt zu hitzebedingten Todesfällen geführt. Im Jahr 2022 sind nach Schätzungen des Robert Koch Instituts etwa 4.500 Menschen infolge von Hitze in Deutschland gestorben (RKI 2022). Die Todesursachen reichen von Hitzschlag bis hin zu komplexeren Krankheitskonstellationen bei Menschen mit Vorerkrankungen. Der Sommer 2022 war seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881 der viertwärmste in Deutschland (ebd.). Temperaturanstiege und weitere Perioden extremer Hitze sind auch in der Zukunft zu erwarten und haben Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung. Es gilt, das Gesundheits- und Pflegesystem auf häufigere Hitzewellen und auch Extremwetterereignisse möglichst vorzubereiten, damit auch in Krisenzeiten bestmögliche Versorgung sichergestellt werden kann.
Luftverschmutzung
Luftverschmutzungen, wie beispielsweise eine erhöhte Feinstaubbelastung, einen konstanten CO2 Ausstoß, vor allem in Großstädten, beeinträchtigen den Gesundheitszustand langfristig. Der Mensch ist dabei der Hauptverursacher der Verschmutzungen, indem er Energie erzeugt und verbraucht und Straßenverkehr produziert. Auch die Landwirtschaft sowie die Güterproduktion, vor allem die industrielle Produktion, tragen zur Luftverschmutzung bei. Darüber hinaus gibt es auch natürliche Ursachen wie beispielsweise Waldbrände. In Deutschland hat sich in den letzten Jahren zwar die Luftqualität verbessert, dennoch sind die geltenden Grenz- und Zielwerte für Luftschadstoffe, bei denen gesundheitliche Risiken nicht mehr vorkommen, noch nicht erreicht (UBA Außenluft 2022) Die WHO legte bereits 2013 einen Bericht vor (Review of Evidence on Health Aspects of Air Pollution) der aufzeigt dass eine erhöhte Feinstaubbelastung zu Arteriosklerose führen, sowie Geburten beeinträchtigen und Atemwegserkrankungen bei Kindern auslösen kann (WHO 2013).
Planetary Health
Der Klimawandel wird als die größte globale Gefahr für die menschliche Gesundheit im
- Jahrhundert bezeichnet und als existenzielle Bedrohung für die Menschheit beschrieben (WHO 2021; Watts et al. 2021). Er führt maßgeblich zu relevanten Veränderungen der Lebensbedingungen. Der Lancet Policy Brief für Deutschland (2019) fordert daher die Einbeziehung von Klimawandel und das Konzept der Planetaren Gesundheit in die Lehrpläne aller Gesundheits- und medizinischen Fakultäten und darüber hinaus auch in die Aus- und Weiterbildungen aller Gesundheitsberufe einzubeziehen (Lancet Policy Brief 2019).
Das Konzept der Planetaren Gesundheit (Planetary Health) soll ein neues umfassendes Gesundheitskonzept abbilden. Es befasst sich mit der Gesundheit der Menschen, die eingebettet ist in die natürlichen und sozialen Systeme des Planeten, von denen die Gesundheit und Existenz der Menschen wiederum abhängt (SVR-Gutachten 2023; Gabrysch et al. 2018). Damit setzt dieser Ansatz nicht mehr nur den Menschen an sich in den Fokus medizinischer Betrachtungen sondern fokussiert aufgrund der voranschreitenden Komplexität sowie Dinglichkeit der gesundheitlichen Folgen des Klimawandels in einem erweiterten und auch transdisziplinären Ansatz den gesamten Planeten Erde als Patientin (ebd.). Der Ansatz integriert nicht nur alle globalen nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs), sondern verbindet im Gesundheitsschutz der Menschen auch gleichzeitig den Schutz der Meere, der Biodiversität sowie den Klimaschutz. Das Konzept Planetary Health verbindet somit schon bestehende Perspektiven auf Gesundheit und integriert Ansätze zu Public Health, One Health oder auch Global Health (Gabrysch et al. 2018). Deutschland fokussiert bereits im Sinne einer globalen Gesundheit eine europäische und globale Vernetzung, um gemeinsam Lösungsansätze für gesundheitliche Herausforderungen zu entwickeln, da auch in Deutschland gesundheitliche Herausforderungen nicht mehr nur national gelöst werden können (BMBF o. J.). Die Integration des Planetary Health Konzepts auch auf politischer Ebene wäre demnach der nächste Schritt hinsichtlich einer nachhaltigen Gesundheitsversorgung für Deutschland.
Ein praktisches Beispiel für “Planetary Health” ist das KEEKS-Projekt des IZT’s. Im Jahr 2019 wurde das Projekt auf der COP24 in Katowice als “Lighthouse Project for Planetary Health” ausgezeichnet (vgl. Scharp 2019). In dem KEEKS-Projekt wurde die Ernährung in 22 Schulküchen mit einer jährlichen Ausgabe von ca. 1 Mio. Essen untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass durch verschiedene Maßnahmen (kein Rindfleisch, Reduktion hochfetthaltiger Milchprodukte, nur einmal pro Woche Huhn/Pute und Fisch, Optimierung der Kühl- und Gefriertechnik, umweltbewusstes Spülen sowie Reduzierung der Teller- und Ausgabereste) bis zu 45 Prozent der THG-Emissionen eingespart werden können.
Donut Modell, Planetary Boundaries und Sustainable Levels
Kate Raworth veröffentlichte 2012 das “Donut Modell”, ein alternatives Wirtschaftssystem, in dem die Bedürfnisse aller Menschen innerhalb der Mittel eines lebendigen Planetens erfüllt werden. Dabei stellt die Außenschicht die ökologische Grenze und die Innenschicht die sozialen Grundlagen dar, sodass dazwischen ein Donut förmiger, sicherer und gerechter Raum für die Menschheit und eine regenerative und distributive Gesellschaft besteht (Doughnut Economics o. J.).
Die soziale Foundation basiert auf den 12 festgelegten Mindeststandards in den SDGs und darf in keinem der Bereiche ein Defizit aufweisen, um einen “shortfall” zu vermeiden.
Die äußere, ökologische Grenze setzt sich aus den zehn, von Rockström et al. definierten, planetaren Grenzen zusammen: Wird deren sicherer Handlungsraum überschritten, liegt eine inakzeptable Umweltzerstörung vor, sogenannte Kipp-Punkte für das Erdsystem (Stockholm Resilience Centre o. J.). Deshalb muss auf die Nutzung der natürlichen Ressourcen und den Erhalt von Lebensraum besonders geachtet werden. Dabei spielt Ernährung eine wichtige Rolle, denn Nahrung und Nachhaltigkeit sind unmittelbar miteinander verbunden. Die Ernährung ist zu einem erheblichen Anteil an dem Klimawandel schuld. Um ein Defizit und das Erreichen eines Kipp Punktes zu verhindern, kann man mit einer richtigen Ernährung dazu beitragen. Dafür veröffentlichte die EAT-Lancet Kommission Ende 2019 die “Planetary Health Diet”, einen flexitarischen Speiseplan, der sowohl für den Menschen als auch für den Planeten gesund ist (EAT-Lancet 2019). Er gibt Referenzwerte für verschiedene Lebensmittelgruppen und empfiehlt den Anteil von Obst, Gemüse, Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten und Nüssen zu erhöhen, nur moderate Mengen an Fleisch und Fisch zu sich zu nehmen und Zucker zu reduzieren (BZfE o. J.).
Ein ähnlicher Ansatz ist die Implementierung der Sustainable Level. Dies ist eine Nachhaltigkeitsskala, eine Nachhaltigkeitsampel oder ein Score, je nachdem, wie er grafisch ausgearbeitet wird. Dieser soll den abstrakten Begriff der “Nachhaltigen Ernährung” anschaulich machen. Deshalb berücksichtigt er nicht nur die THG-Werte der Nahrungsmittel, sondern auch die Gesundheit. Der Sustainable Level kann auf das Essen des ganzen Tages (Frühstück, Mittag- und Abendessen) oder auch nur auf ein Menü bezogen werden. Mit ihm können gastronomische Einrichtungen verständlich machen, ob ein Menü nachhaltig ist. Der Sustainable Level geht von dem Gedanken aus, dass nur eine begrenzte Fläche für die Landwirtschaft zur Verfügung steht, aber alle Menschen ausreichend Nahrung brauchen. Ein wichtiges Ergebnis ist, dass der Fleischkonsum der Amerikaner und der Europäer dazu führt, dass wir die meisten landwirtschaftlich nutzbaren Flächen benötigen – und anstelle von Getreide Soja angebaut wird. Mit der Systematik der Sustainable Level können die planetarischen Grenzen (u. a. mit ausgewählten Indikatoren wie dem Carbon Footprint oder dem Flächenverbrauch) greifbarer werden. Durch die Festlegung von Grenzen und Empfehlungen kann pro Menü eindeutig bestimmt werden, ob sich diese Mahlzeit (oder häufig realistischer: der 4-Wochen-Speiseplan) innerhalb der Empfehlungen bewegt oder nicht.
Die Veröffentlichungen von Willett et al. (2019) ebenso wie Lukas et al. (2015). orientieren sich an der Idee, die planetarischen Grenzen messbar zu machen und als Bezugseinheit den Teller bzw. die Mittagsmahlzeit zu setzen. Dies impliziert, dass eine Systematik etabliert werden muss, die es ermöglicht, nicht nur z. B. THG-Emissionen zu messen, sondern diese auch auf die Bezugseinheit des Alltags (bei der Ernährung der Teller bzw. die Mahlzeit) herunter zu deklinieren und mit Zielwerten zu versehen. Die Sustainable Level definieren sich also als ein Maß für die Umsetzung nachhaltiger Ernährung pro Mahlzeit.
Ausgehend von u. a. Leitzmann et al. (2009) sollten bei einer solchen Beurteilung sowohl die Umwelt, als auch die gesundheitliche Perspektive sowie die soziale Dimension der Verpflegung berücksichtigt werden. So bedient sich die Systematik aus einem Katalog von Indikatoren zur Abbildung der ökologischen (hier: THG Emissionen, Phosphat, Flächenverbrauch, Wasserverbrauch) sowie der gesundheitlichen Dimension (Makro-Indikatoren: Energiegehalt (kcal), Gehalt an gesättigten Fettsäuren (g), Zuckeranteil (g), etc.) und definiert für die Indikatoren Schwellenwerte, die eine Einschätzung entsprechend nach “empfehlenswert”, “weniger empfehlenswert”, “nicht empfehlenswert” beurteilen und damit das Nachhaltigkeitspotenzial einer Mittagsmahlzeit berücksichtigen. Diese Herleitung basiert auf unterschiedlichsten Empfehlungen, u. a. abgeleitet aus den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und den Nachhaltigkeitszielen der Bundesregierung für 2030 (Lukas et al. 2015) und basiert schließlich auf einer einfachen Aufsummierung der einzelnen Kategorien miteinander.
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SDG 4 Hochwertige Bildung
“Inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten lebenslangen Lernens für alle fördern ”
Das SDG 4 zielt primär auf die globale Entwicklung eines guten Bildungssystems ab. Im Berufsbildungssystem ist Deutschland weltweit führend – trotz einiger Defizite wie Personalausstattung, Digitalisierung oder knappe Investitionsbudgets – viele Länder versuchen ein ähnliches Berufsbildungssystem wie in Deutschland aufzubauen. Insofern ist vor allem das Unterziel 4.7 relevant:
4.7 Bis 2030 sicherstellen, dass alle Lernenden die notwendigen Kenntnisse und Qualifikationen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung erwerben, unter anderem durch Bildung für nachhaltige Entwicklung und nachhaltige Lebensweisen, Menschenrechte, Geschlechtergleichstellung, eine Kultur des Friedens und der Gewaltlosigkeit, Weltbürgerschaft und die Wertschätzung kultureller Vielfalt und des Beitrags der Kultur zu nachhaltiger Entwicklung
Das SDG 4 spiegelt sich in der fachlichen Unterrichtung der anderen SDG wieder, mündet aber in den Positionen e und f der neuen Standardberufsbildposition (BMBF 2022):
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
10 “Goldene Handlungsregeln” für eine BBNE
Die Nachhaltigkeitsforschung und die Bildungswissenschaften haben inzwischen umfassende Erkenntnisse gesammelt, wie eine berufliche Bildung für Nachhaltigkeit gefördert werden kann (vgl. u. a. vgl. Schütt-Sayed u.a. 2021; Kastrup u. a. 2012; Melzig u. a. 2021). Das Ergebnis sind die folgenden 10 didaktischen Handlungsregeln, die das Berufsbildungspersonal dabei unterstützen, Lehr-/Lernprozesse zielgruppengerecht und angemessen zu gestalten. Diese insgesamt 10 Handlungsregeln lassen sich in vier Schritten zuordnen.
Schritt 1 – Richtig anfangen:
Identifizierung von Anknüpfungspunkten für BBNE
1) Ansatzpunkte: Fordern Sie die Verantwortung im eigenen Wirkungsraum heraus, ohne die Berufsschüler und Berufsschülerinnen mit „Megaproblemen“ zu überfordern!
2) Anknüpfungspunkte: Die Curricula sind Grundlage der Lehr-/Lernprozesse – es kommt darauf an, sie im Sinne der Nachhaltigkeit neu zu interpretieren!
3) Operationalisierung: Nachhaltigkeit ist kein „Extra- Thema“, sondern ein integraler Bestandteil des beruflichen Handelns!
Um nachhaltigkeitsorientierte Lehr-/Lernarrangements zu entwickeln, sind zunächst Anknüpfungspunkte für Nachhaltigkeit in den betrieblichen Abläufen zu identifizieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Ausbildungsordnungen und Lehrpläne die rechtliche Grundlage der beruflichen Bildung sind. Es gilt diese im Sinne der Nachhaltigkeit zu interpretieren, sofern nicht bereits konkrete Nachhaltigkeitsbezüge enthalten sind.
Wichtig ist dabei, dass Auszubildende nicht mit den „Megaproblemen“ unserer Zeit überfordert werden, sondern zur Verantwortung im eigenen Wirkungsraum herausgefordert werden – sowohl im Betrieb als auch im Privaten. Denn Auszubildende sind selbst Konsument/-innen, die durch eine angeleitete Reflexion des eigenen Konsumverhaltens die Gelegenheit erhalten, ihre „Wirkungsmacht“ im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit in ihrer eigenen Branche zu verstehen.
Schritt 2 – Selbstwirksamkeit schaffen:
Eröffnung von Nachhaltigkeitsorientierten Perspektiven
4) Handlungsfolgen: Berufliches Handeln ist nie folgenlos: Machen Sie weitreichende und langfristige Wirkungen erkennbar!
5) Selbstwirksamkeit: Bleiben Sie nicht beim „business as usual“, sondern unterstützen Sie Schüler*innen dabei, Alternativen und Innovationen zu entdecken!
6) Zielkonflikte: Verstecken Sie Widersprüche nicht hinter vermeintlich einfachen Lösungen, sondern nutzen Sie sie als Lern- und Entwicklungschancen!!
7) Kompetenzen: Bildung für nachhaltige Entwicklung verbindet Wahrnehmen, Wissen, Werten und Wirken!
Im nächsten Schritt sind nachhaltigkeitsorientierte berufliche Perspektiven für die Auszubildenden zu eröffnen. Diese sollten an einer positiven Zukunftsvision und an Lösungen orientiert sein. Auszubildenden sind dabei die weitreichenden Wirkungen ihres Handelns vor Augen zu führen. Sie sollen verstehen können, warum ihr Handeln nicht folgenlos ist. Das bedeutet gleichzeitig, Auszubildenden die positiven Folgen eines nachhaltigen Handelns vor Augen zu führen. In diesem Zusammenhang ist die Selbstwirksamkeitserfahrung von großer Bedeutung. Sie ist eine der Voraussetzungen, um motiviert zu handeln. Auszubildende dabei zu unterstützen, Alternativen zum nicht-nachhaltigen Handeln zu erkennen und Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung zu entdecken, sollte dabei für Lehrpersonen selbstverständlich sein. Dabei ist immer die individuelle Motivation der Auszubildenden entscheidend, denn zum nachhaltigen Handeln braucht es nicht nur Wissen (Kopf), sondern auch authentisches Wollen (Herz). Wesentlich ist hierbei die Gestaltung ganzheitlicher Lernprozesse, die sowohl den kognitiven als auch den affektiven und psychomotorischen Bereich einbeziehen (vgl. Költze, S.206).
Schritt 3 – Ganzheitlichkeit:
Gestaltung transformativer Lernprozesse
8) Lebendigkeit: Ermöglichen Sie lebendiges Lernen mit kreativen und erfahrungsbasierten Methoden!
9) Beispiele: Nutzen Sie motivierende Beispiele: Sprechen Sie über Erfolgsgeschichten, positive Zukunftsvisionen und inspirierende Vorbilder!
Aber wie können Lernsituationen in der Praxis so gestaltet werden, dass sie ganzheitlich aktivierend für die Auszubildenden sind? Es sollte ein lebendiges Lernen mit Hilfe kreativer, erfahrungsbasierter Methoden ermöglicht werden. Dies ist ein grundlegender (kein neuer) didaktischer Ansatz für die Förderung einer nachhaltigkeitsorientierten Handlungskompetenz. Im Kern bedeutet dies: Lernen mit Lebensweltbezug, welches ausgerichtet ist auf individuelle Lebensentwürfe und das eigene (auch künftige) berufliche Handlungsfeld, z. B. indem Recherchen im eigenen Unternehmen zu Möglichkeiten der Energieeinsparung durchgeführt werden. Lernen soll vor diesem Hintergrund vor allem unter Berücksichtigung der Sinne stattfinden, d. h. mit Körper und Geist erfahrbar sowie sinnlich-stimulierend sein. Die Auszubildenden sollen sich dabei zudem als Teil einer gestalterischen Erfahrungsgemeinschaft erleben. Dies kann durch gemeinsame Reflexionen über das eigene Verhalten und persönliche Erfahrungen gefördert werden, beispielsweise durch die Entwicklung und Verkostung eigener Lebensmittelkreationen unter Nachhaltigkeitsaspekten. Hierfür muss unbestritten immer auch der „Raum“ zur Verfügung stehen (siehe z.B. Hantke 2018 „‘Resonanzräume des Subpolitischen‘ als wirtschaftsdidaktische Antwort auf ökonomisierte (wirtschafts-)betriebliche Lebenssituationen“). Ebenso können motivierende Beispiele helfen – wie z. B. Erfolgsgeschichten und inspirierende Vorbilder.
Schritt 4 – Lernort Betrieb:
Entwicklung nachhaltiger Lernorte
10) Lernende Organisationen: Auch Organisationen können „Nachhaltigkeit lernen“: Entwickeln Sie Ihre Institution Schritt für Schritt zum nachhaltigen Lernort!
Schließlich geht es im vierten Schritt darum, den Lernort in den Blick zu nehmen und diesen als nachhaltigen Lernort zu gestalten. Den gesamten Betrieb nachhaltig auszurichten ist u. a. deshalb entscheidend, da andernfalls die an Nachhaltigkeit orientierten Inhalte der Ausbildung wenig glaubwürdig für Auszubildende sind. Der Betrieb als Institution sollte dafür an einem gemeinschaftlichen Leitbild ausgerichtet sein, welches neben den üblichen ökonomischen auch soziale und ökologische Ziele beinhaltet. So kann BBNE überzeugend in die Organisation integriert und vom betrieblichen Ausbildungspersonal umgesetzt werden.
BBNE für Kaufleute im Gesundheitswesen
Die Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung (BBNE) hat unter Berücksichtigung der beschriebenen “Goldenen Handlungsregeln” und darüber hinaus das Ziel, Kompetenzen zu fördern, die es ermöglichen, die Arbeits- und Lebenswelt im Sinne der Nachhaltigkeit zu gestalten. Dabei werden nicht nur fachliche Kompetenzen vermittelt, sondern auch neue partizipative Lernformen und eine infrastrukturelle Komponente berücksichtigt. Letztere bezieht sich auf die Ausrichtung von Bildungseinrichtungen und des Bildungssystems auf Nachhaltigkeit, was von einem sozial-ökologisch orientierten Gebäudemanagement bis hin zur Förderung von Chancengleichheit im Zugang zu Bildung, wie beispielsweise Inklusion, reicht (Hemkes, 2014).
Im Rahmen der beruflichen Bildung geht es darum, den Lernenden konkrete Kenntnisse und Fertigkeiten zu vermitteln, die ökologische, ökonomische und soziale Implikationen des beruflichen Handelns berücksichtigen. Hierbei soll auch die Bereitschaft gefördert werden, diese Aspekte tatsächlich in der Praxis umzusetzen. Zusätzlich wird die Fähigkeit und Bereitschaft gefördert, sich aktiv an der nachhaltigen Gestaltung der betrieblichen Arbeitsumwelt zu beteiligen. Daher wird von Lernorten der beruflichen Bildung, wie Betrieben, berufsbildenden Schulen, überbetrieblichen Ausbildungszentren und Bildungsdienstleistern in Ausbildungsverbünden, erwartet, dass sie sich selbst nachhaltig ausrichten (vgl. Hemkes, 2014).
Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) und Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung (BBNE) sind Teil einer gesellschaftlichen Transformationsstrategie und müssen daher zum Kerngeschäft einer zukunftsorientierten Berufsbildung gehören, die diesen Transformationsprozess unterstützt. Es besteht ein breiter internationaler Konsens darüber, dass es nicht ausreicht, Aspekte nachhaltiger Entwicklung lediglich in einzelne Bildungsgänge zu integrieren.
Gefordert ist zudem, dass nachhaltige Entwicklung auch selbst praktiziert wird und Berufsbildungseinrichtungen zu nachhaltigen Lernorten weiterentwickelt werden. Diese Forderung ist sowohl im Weltaktionsprogramm der Vereinten Nationen Bildung für nachhaltige Entwicklung (WAP) enthalten, in dem die ganzheitliche Transformation von Lern- und Lehrumgebungen eines der prioritären Handlungsfelder ist, als auch im 2017 verabschiedeten Nationalen Aktionsplan, in dem der Beitrag Deutschlands zur Umsetzung des WAP festgelegt ist. In einem nachhaltigen betrieblichen Lernort werden das Lernen der Individuen (Auszubildende) mit dem Lernen der Organisation (des Betriebs) verknüpft:
- Lernen im Betrieb: Die Auszubildenden setzen sich mit Anforderungen einer nachhaltigen Entwicklung auseinander, die für den Gesamtbetrieb oder spezifische Lehr-/Lernumgebungen von Bedeutung sind.
- Lernen vom Betrieb: Betriebliche Nachhaltigkeitsaktivitäten wie die nachhaltige Gestaltung der im Betrieb angewandten (Management-)Prozesse und Technologien sowie die nachhaltige Bewirtschaftung von Gebäuden, Maschinen, Geräten, Werkzeugen und Material werden aufgezeigt und zum Gegenstand von Lehr-/Lernprozessen gemacht.
- Lernen für den Betrieb: Gelernt wird nicht nur für individuelle Handlungskontexte, sondern über die Thematisierung realer Beispiele (s.o.) bezieht sich Lernen auch auf die nachhaltige Entwicklung des Betriebs.
- Lernen des Betriebs: Durch die Verknüpfung von individuellem und organisationalem Lernen entwickelt sich der gesamte Betrieb und verbessert seine Nachhaltigkeitsleistung.
- Beispiel: Auszubildende können in betriebliche Beschaffungsprozesse eingebunden werden und Ideen für eine Sortimentsgestaltung einbringen, die ökologische, wirtschaftliche und soziale Aspekte berücksichtigt.
BBNE könnte somit ein Schlüssel sein, um dem oben genannten Defizit der Nachhaltigkeit in Unternehmen zu begegnen, das durch die unzureichende Einbeziehung der Beschäftigten entsteht (Nationaler Aktionsplan 2017).
Hochwertige Bildung für unternehmerischen Erfolg
Das SDG 4 “Hochwertige Bildung” ist nicht zuletzt aufgrund des stetig steigenden Fachkräftemangels und der zunehmenden Komplexität von Prozessen als wesentlicher Bestandteil einer erfolgreichen Unternehmung zu bewerten. Immer neue technische Innovationen und ein sich stetig veränderndes Kaufverhalten verlangen eine starke Anpassungsfähigkeit und fortlaufende Investitionen in die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Durch hochwertige Bildung mit Fokus auf eine nachhaltige Entwicklung werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter befähigt, die ökonomischen, ökologischen und sozialen Auswirkungen des eigenen Handelns zu verstehen und durch die Veränderung des eigenen Verhaltens nicht nur Vorbild für andere, sondern darüber hinaus selbst Teil der derzeit stattfindenden gesellschaftlichen und unternehmerischen Transformation zu sein.
Auch für das Unternehmen ergeben sich konkrete Vorteile durch eine entsprechende Ausrichtung der Aus- und Weiterbildung (IHK o. J.):
- trägt zur Attraktivität der Ausbildung, der Berufe sowie des Ausbildungsunternehmens bei.
- fördert Innovationen und technologischen Fortschritt.
- bietet Ansatzpunkte für Kosteneinsparungen, Produkt- und Prozessoptimierungen und Qualitätssicherung.
- stärkt die Reputation des Unternehmens und seine Beziehung zu Geschäftspartnern.
Eine hochwertige Bildung im Gesundheitswesen mit Fokus auf nachhaltige Entwicklung ist besonders in den Bereichen Beratung und Marketing von großer Bedeutung.
- Aufgrund der steigenden Komplexität von Produkten und den damit einhergehenden Informationen nimmt die Beratungsbreite und -tiefe im Betrieb stark zu. Es ist notwendig, dass die verbleibenden Fachkräfte in der Lage sind, sich in größeren Produktbereichen auszukennen und diese verständlich zu erklären. Zudem weisen Waren immer häufiger komplexere Metadaten in Form von Gütesiegeln, Zertifizierungen und Produktkennzahlen auf, was eine tiefere Beratung erfordert.
- Für eine authentische nachhaltige Entwicklung müssen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusätzliche Kenntnisse über die Qualität und Aussagekraft von Gütesiegeln und Zertifizierungen aneignen. Die Marketingstrategie des „Greenwashing“ kann bei unzureichender Aus- und Weiterbildung dazu führen, dass die Reputation des Unternehmens nachhaltig geschädigt wird und die Bemühungen aller Akteure für Nachhaltigkeit in ein schlechtes Licht gerückt werden. Im Sinne einer hochwertigen Bildung müssen daher Maßnahmen ergriffen werden, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu sensibilisieren und Marketingkommunikationsleitfäden zum Themenkomplex Nachhaltigkeit für den jeweiligen Betrieb zu entwickeln.
Weiterführende Quellen zu “Hochwertiger Bildung”
Es gibt viele Möglichkeiten für Berufsschulen und Unternehmen, sich über die hier genannten Anregungen hinaus zu informieren und aktiv in Richtung nachhaltige Entwicklung zu gehen. Nachfolgend werden einige beispielhafte Beratungs- und Unterstützungsangebote aufgeführt, die zur Motivation und Veranschaulichung dienen sollen, wie Unternehmen in Richtung Nachhaltigkeit transformiert werden können. Es gibt entsprechende Beratungs- und Unterstützungsangebote auf verschiedenen Ebenen, wie zum Beispiel:
- Unternehmensverbände wie B.A.U.M e.V., https://www.klima-allianz.de/, die sich für ein nachhaltiges Unternehmensmanagement einsetzen.
- Darüber hinaus gibt es in verschiedenen Bundesländern eigene Initiativen, die ihren Mitgliedsunternehmen Foren und Qualifizierungsangebote anbieten. Stellvertretend seien hier z. B. das Netzwerk Umweltunternehmen in Bremen https://www.umwelt-unternehmen.bremen.de/ oder die Transformationsberatung für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) der Klimaschutz- und Energieagentur in Niedersachsen genannt https://www.klimaschutz-niedersachsen.de/zielgruppen/unternehmen/niedersachsen-allianz-fuer-nachhaltigkeit.php, die von einer Kooperation zwischen der niedersächsischen Landesregierung, Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften und Kammern unterstützt wird.
- Auch die Handwerkskammern sowie Industrie- und Handelskammern bieten konkrete Maßnahmenkataloge für Unternehmen an, so z. B. die IHK Berlin mit Checklisten für eine Analyse von Unternehmen https://www.ihk.de/berlin/nachhaltige-wirtschaft/massnahmen/.
- Konkrete kostenpflichtige Beratungsangebote zur Begleitung von KMUs in Richtung Nachhaltigkeit gibt es z. B. von ÖKOPROFIT https://www.oekoprofit.info/ oder auch staatlich unterstützt wie in NRW mit der Transformationsberatung für KMU https://greendealnrw.de/transformationsberatung.
- Leitfäden und Broschüren helfen Unternehmen dabei, Strategien und Maßnahmen auf dem Weg hin zur Nachhaltigkeit zu entwickeln https://www.renn-netzwerk.de/fileadmin/user_upload/nord/docs/materialien/SDG_KMU_Leitfaden_Okt2018.pdf.
- Kommunikation von Nachhaltigkeit im Handel: Authentizität vs. Greenwashing https://frankfurtnachhaltig.de/kommunikation-von-nachhaltigkeit-im-handel-authentizitaet-vs-greenwashing/
Die genannten Tipps erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, können jedoch als Anregung dienen, um eigenverantwortlich und im Sinne einer zukunftsfähigen Entwicklung des Unternehmens aktiv zu werden. Wir wünschen Ihnen dabei viel Erfolg!
Quellenverzeichnis
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online:bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
DIHK Deutsche Industrie- und Handelskammer (o. J.): Ehrbarer Kaufmann. Online: https://www.dihk.de/de/themen-und-positionen/recht-in-der-wirtschaft/ehrbarer-kaufmann-2728
Handke, Harald (2018): „Resonanzräume des Subpolitischen“ als wirtschaftsdidaktische Antwort auf ökonomisierte (wirtschafts-)betriebliche Lebenssituationen – eine Forschungsheuristik vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeitsidee. In bwp@Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online (Nr. 35), 2018
Hemkes, B.: Vom Projekt zur Struktur – Das Strategiepapier der AG „Berufliche Aus- und Weiterbildung“. In: Kuhlmeier, W.; Mohori, A.; Vollmer, T. (Hrsg.): Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Modellversuche 2010–2013: Erkenntnisse, Schlussfolgerungen und Ausblicke. Bielefeld 2014, S. 225-229. Online: https://www.bibb.de/veroeffentlichungen/de/publication/show/7453
Kastrup, Julia; Kuhlmeyer, Werner; Nölle-Krug, Marie (2022): Aus- und Weiterbildung des betrieblichen Bildungspersonals zur Verankerung einer Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. In: MICHAELIS, Christian; BERDING, Florian (Hrsg.): Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Umsetzungsbarrieren und interdisziplinäre Forschungsfragen. Bielefeld 2022, S. 173-189
Költze, Horst (1993): Lehrerbildung im Wandel. Vom technokratischen zum humanen Ausbildungskonzept. In Cohn, Ruth C.; Terfurth, Christina (Hrsg.): Lebendiges Lehren und Lernen. TZI macht Schule. Klett-Cotta. S. 192 – 212
Melzig, Christian; Kuhlmeyer, Werner; Kretschmer, Susanne (Hrsg. 2021): Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Die Modellversuche 2015–2019 auf dem Weg vom Projekt zur Struktur. Bonn 2021. Online: https://www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/show/16974
Nationaler Aktionsplan (2017): Bildung für nachhaltige Entwicklung. Online: https://www.bne-portal.de/bne/shareddocs/downloads/files/nationaler_aktionsplan_bildung-er_nachhaltige_entwicklung_neu.pdf?__blob=publicationFile&v=2
Schütt-Sayed, Sören; Casper, Marc; Vollmer, Thomas (2021): Mitgestaltung lernbar machen – Didaktik der Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. In: Melzig, Christian; Kuhlmeier, Werner; Kretschmer, Susanne (Hrsg.): Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Die Modellversuche 2015–2019 auf dem Weg vom Projekt zur Struktur. S. 200-227. Online: https://www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/show/16974
SDG 5 Geschlechtergleichstellung
“Geschlechtergleichstellung erreichen und alle Frauen und Mädchen zur Selbstbestimmung befähigen”
Das SDG 5 zielt darauf ab, die Geschlechtergleichstellung zu erreichen und alle Frauen und Mädchen zur Selbstbestimmung zu befähigen.
Für die/den Pflegefachfrau/mann sind vor allem vier Unterziele (Destatis o. J.) im Hinblick auf die geschlechtliche Gleichstellung besonders hervorzuheben:
5.4 Unbezahlte Pflege- und Hausarbeit durch die Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen und Infrastrukturen, Sozialschutzmaßnahmen und die Förderung geteilter Verantwortung innerhalb des Haushalts und der Familie entsprechend den nationalen Gegebenheiten anerkennen und wertschätzen
5.5 Die volle und wirksame Teilhabe von Frauen und ihre Chancengleichheit bei der Übernahme von Führungsrollen auf allen Ebenen der Entscheidungsfindung im politischen, wirtschaftlichen und öffentlichen Leben sicherstellen
5.b Die Nutzung von Grundlagen Technologien, insbesondere der Informations- und Kommunikationstechnologien, verbessern, um die Selbstbestimmung der Frauen zu fördern
5.c Eine solide Politik und durchsetzbare Rechtsvorschriften zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter und der Selbstbestimmung aller Frauen und Mädchen auf allen Ebenen beschließen und verstärken
Die Schnittmenge für das SDG 5 “Geschlechtergleichstellung” ergibt sich aus den folgenden Nummern der Standardberufsbildposition (BGBl 2022):
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Frauenarbeit im Gesundheitswesen
Im Gesundheitssektor in Deutschland arbeiten insgesamt ca. 6 Millionen Menschen. 75 Prozent des deutschen Gesundheitspersonals sind weiblich (Destatis 2022). Insbesondere die Pflege wird nach wie vor zu großen Teilen von Frauen ausgeübt, entweder im häuslichen Umfeld oder als Pflegekräfte in ambulanten Diensten, Pflegeheimen oder auch in Krankenhäusern. Der von der Bundesagentur für Arbeit veröffentlichte Bericht zeigt, dass vor allem in der Pflege nur selten Männer tätig sind (Arbeitsagentur 2021). 80 Prozent der Beschäftigten in der Krankenpflege waren Frauen, in der Altenpflege lag der Anteil sogar bei 83 Prozent (ebd.). Unter denjenigen, die Gesundheitseinrichtungen führen oder Entscheidungen treffen, sind dennoch wenige Frauen vertreten (LIO 2919). Nach einem Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) sind lediglich 17 Prozent der Positionen im Topmanagement im Gesundheitswesen Frauen. Dabei zeigen Unternehmen bzw. Organisationen, die eine geschlechtliche Vielfalt berücksichtigen, insgesamt eine bessere ökonomische Entwicklung (ebd.). Auch der PwC-Fachbereich Gesundheitswirtschaft bestätigt diese Entwicklung: 8.000 Gesundheitseinrichtungen, insbesondere Krankenhäuser, Krankenversicherungen, Pharmakonzerne, Ministerien, Verbände, Behörden sowie wissenschaftliche Institute wurden untersucht um herauszufinden, wie viele Frauen in Führungspositionen vertreten sind (PWC 2020). Aktuell liegt der Anteil an Frauen in Führungspositionen bei 29 Prozent, im Vergleich zu 2015 (33 Prozent) ist der Anteil sogar noch zurückgegangen (ebd.). Vor allem in der oberen Führungsebene sind Frauen nach wie vor selten vertreten.
Geschlechtergerechtigkeit in Unternehmen
Es gibt in Deutschland viele Unternehmen, die sich um geschlechtergerechte Arbeitsplätze bemühen, wie 2020 im Rahmen der Studie „Top Karrierechancen für Frauen“ des Instituts für Management- und Wirtschaftsforschung (IFMW 2020) herausgefunden wurde. Sie fördern die Gleichstellung von Frauen durch Mentoring-Programme, aber auch durch gleiche Bezahlung. Hierfür sind bestimmte Voraussetzungen notwendig. Der Begriff Nachhaltigkeit lässt sich grundsätzlich auf viele Aspekte des Unternehmens anwenden, zunächst geht es darum, dass ein Unternehmen über tragfähige Strukturen verfügt, mit denen es auf unbegrenzte Zeit im Wirtschaftssystem bestehen kann.
Im Rahmen des betrieblichen Nachhaltigkeitskonzepts spielt die Belegschaft eine wesentliche Rolle. Grundlage eines nachhaltigen Unternehmens sind die Kernarbeitsnormen der ILO (International Labour Organisation). Neben dem Verbot von Ausbeutung oder von Kinderarbeit ist das Verbot der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf zentral. Es handelt sich hierbei um das Übereinkommen 111 (ILO 1958), das bereits 1960 in Kraft getreten ist und schon damals definierte, worin Diskriminierung besteht. Bereits Artikel 1 des Übereinkommens über Diskriminierung der ILO legt fest, in welchen Fällen dieser Sachverhalt im Beschäftigungskontext gilt. Heute fällt dies unter Begriffe wie beispielsweise “Bekenntnis von Unternehmen zur Charta der Vielfalt, zu Corporate Social Responsibility”. Die Forderungen sind also nicht neu, werden unter andere Konzepte gefasst und werden heutzutage intensiver gefordert und gelebt. Große Konzerne bekennen sich dazu, setzen das Thema auf die Agenda, sind durch mittlerweile geltende Gesetze wie beispielsweise das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG 2006), das 2006 in Kraft trat, dazu verpflichtet.
Gleichstellungsindex Gender Equality Index (GEI)
Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ist jedoch auch heute in Deutschland immer noch weit verbreitet, insbesondere am Arbeitsplatz. Vor allem Frauen erleben demnach regelmäßig sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, Entgeltungleichheit, Benachteiligung beim beruflichen Aufstieg oder Diskriminierung aufgrund einer Schwangerschaft oder beim Wiedereinstieg nach der Elternzeit. Die internationale Job- und Recruiting-Plattform Glassdoor hat in ihrer in vier Ländern (USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland) durchgeführten Studie “Diversity & Inclusion Study 2019” herausgefunden, dass 37 Prozent der deutschen Befragten schon einmal selber von Diskriminierung betroffen gewesen oder Zeuge davon gewesen sind. Die Benachteiligung aufgrund des Geschlechts wird dort von 24 Prozent der Befragten am häufigsten angegeben, gefolgt von Altersdiskriminierung (22 Prozent), Rassismus (21 Prozent) oder Benachteiligung aufgrund von sexueller Orientierung (15 Prozent) (Glassdoor 2019).
Laut Gender Equality Index (GEI) aus dem Jahr 2021 liegt Deutschland bezüglich der Gleichberechtigung in der Kategorie Arbeit in den Mitgliedstaaten der EU auf Platz 17, Schweden hingegen an erster Stelle. In der Kernkategorie „Arbeit“ werden im Speziellen fünf Indikatoren untersucht und bewertet:
- die Erwerbsbeteiligung anhand der Beschäftigungsquote – Vollzeitäquivalent (FTE).
- die Dauer des Erwerbslebens
- die sektoralen Segregationsmuster anhand der anteiligen Beschäftigung in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Sozialarbeit.
- die Flexibilität der Arbeitszeit anhand der Möglichkeiten, sich für persönliche oder familiäre Angelegenheiten freizunehmen
- die beruflichen Perspektiven anhand des Karriereperspektiven Index.
Der Gender Equality Index wird vom Europäischen Institut für Gleichstellungsfragen (European Institute for Gender Equality – EIGE) in unregelmäßigen Abständen für jedes Land der Europäischen Union erhoben (EIGE 2022). Der Branchenverband Bitkom hat festgestellt, dass der Frauenanteil in IKT-Unternehmen von der Unternehmensgröße abhängig ist. Mit zunehmender Unternehmensgröße steigt auch der Frauenanteil (Bitkom Research 2022). So haben sich 24 Prozent der befragten Unternehmen das Ziel gesteckt, den Frauenanteil zu erhöhen, da sie erkannt haben, dass gemischte Teams für den Erfolg von Unternehmen wichtig sind. Zum einen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen und damit ein nachhaltiges Wachstum zu sichern. Wenn Frauen unterrepräsentiert sind, gehen aber auch Innovationspotentiale und die Chance auf eine faire Digitalisierung verloren. Problematisch ist hier auch, dass Frauen in den Führungsebenen unterrepräsentiert sind und sogar in 49 Prozent der Unternehmen arbeitet keine Frau im Top-Management. Je kleiner das Unternehmen, desto weniger Frauen arbeiten dort. Für Geschlechtergerechtigkeit in deutschen Unternehmen und Organisationen gibt es also (noch) kein Patentrezept.
Geschlechtergerechte Arbeitsorganisation
Eine geschlechtergerechte Arbeitsorganisation wird nach innen und nach außen über Offenheit, Wertschätzung, Vertrauen, Solidarität und Kollegialität vermittelt. Eine Voraussetzung dafür ist das Bekenntnis zu gleichberechtigten Unternehmensstrukturen, die sich zur Geschlechtergleichstellung und zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf bekennen, vorrangig für Frauen, da diese laut Bundesfamilienministerium (BMFSJ 2019) immer noch den größten Anteil der Care-Arbeit verrichten. Aber auch alle anderen marginalisierten Gruppen im Unternehmen müssen für eine Kultur der Vielfalt im Unternehmen mitgenommen werden. Notwendig ist eine vollständige Integration aller Mitarbeitenden, sowohl strukturell als auch in die informellen Netzwerke, ältere und jüngere Mitarbeitende, LGBTIQ, sowie die Integration von Menschen mit Behinderungen.
Diversität im Betrieb
Das Bekenntnis zu einer für Diversität offenen Betriebskultur muss auch Grundlage bei der Personalgewinnung sein. Geschlechtergerechte Arbeitsorganisation braucht diskriminierungsfreie Einstellungsverfahren, beispielsweise durch anonymisierte Bewerbungsverfahren, bei denen Namen und Geschlecht für Personalverantwortliche nicht erkennbar sind. Vorurteils- und diskriminierungsfreie Verfahren und Praktiken in der Personalpolitik bauen auf gemischte Teams, die Förderung von Frauen in der Führungsebene oder in bislang klassischen Männerdomänen, die Integration von Menschen aus verschiedenen Sprach- und Kulturräumen sowie unterschiedlichen Lebens- und Herkunftskontexten.
Gender pay Gap
Über den Gender pay Gap wird schon seit 1995 die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern gemessen, die in Deutschland immer noch auf 18 Prozent beziffert wird (Destatis 2020), wobei sich diese Zahl nur auf die Differenz des durchschnittlichen Stunden Verdienstes bezieht. So wird von Wissenschaftler*innen gefordert, gleiche Bezahlung für vergleichbare Arbeit zu fordern, und den Gender Income Gap (Allmendinger 2021) zu bemessen und folgerichtig zu beheben. Innerhalb von Unternehmen sollten die Gehälter so ausgehandelt werden, dass Transparenz darüber besteht, welche Arbeitsinhalte, wie und unter Berücksichtigung von Care-Arbeit, belohnt werden. Die Grundlage hierzu ist eine lebensphasenorientierte Arbeitszeitgestaltung, so dass Mitarbeiter*innen zeitweilig aus- und wieder einsteigen können, ohne den Verlust der Karriereoptionen. Wenn Führungsaufgaben in Teilzeit möglich sind, wird auch die gerechte Aufteilung von Care-Arbeit aller Art auf Männer und Frauen ermöglicht. Innerhalb von Teilzeitstrukturen ist eine Anpassung der Arbeitsorganisation notwendig, so dass vielfältige, familien- und sorgegerechte Arbeitszeitoptionen angeboten werden können (ebd.).
Motivierte Arbeitskräfte
Es ist davon auszugehen, dass geschlechtergerechte Strukturen in der Arbeitswelt zu positiven Auswirkungen führen und Unternehmen stärken. Motivierte Arbeitskräfte, die ihre Leistungskraft in gesünderen, nachhaltigeren Strukturen entfalten, können dafür sorgen, dass sich Belegschaften stabilisieren, die Fluktuation reduziert wird und sich das Klima des Umgangs miteinander nachhaltig zum Positiven verändert (ifw Kiel 2019). Dies steigert die Produktivität, Innovation und Kreativität von Unternehmen und reduziert Kosten für Krankheitsvertretungen, vermindert Mobbing und führt zu einem stabilen und gesunden Arbeitsumfeld. So werden durch stereotypes Verhalten begünstigte Bedingungen eingedämmt, wie das Institut für Weltwirtschaft aus Kiel in einer Studie herausfand (ebd.). Derzufolge treffen Gruppen je nach Zusammensetzung unterschiedliche Entscheidungen und sobald ein Geschlecht überrepräsentiert ist, wird stereotypes Verhalten begünstigt. Wodurch reine Männerteams beispielsweise bei Entscheidungen zu viel Risiko eingehen und reine Frauengruppen weniger Chancen nutzen.
Kultur der Gleichstellung
Die Forschung zeigt, dass Menschen persönlich profitieren, wenn sie an einem Ort arbeiten, an dem es keine Geschlechterdiskriminierung gibt. So wurde mit der Getting to Equal Research Serie gezeigt, wie der Aufbau einer Kultur der Gleichstellung sowohl für die Mitarbeitenden als auch für Unternehmen von Vorteil sein kann (Accenture 2020). Zahlreiche Untersuchungen zeigen auch, dass die finanzielle Performance von Unternehmen mit hohem Frauenanteil in Führungspositionen deutlich besser ist (Kotiranta, A. et al. 2007).
Längerfristig verbessern nachhaltige und geschlechtergerechte Arbeitsbedingungen den Markenwert von Unternehmen, können die Akquise neuer Zielgruppen begünstigen und die Bindung bestehender Kund*innen erleichtern. Dies gilt insbesondere in Branchen, die Arbeitskräftemangel zu beklagen haben, wie es beispielsweise im Rahmen einer Studie zu Diversity in deutschen Unternehmen deutlich wurde: 97 Prozent der befragten Unternehmen, die die Charta der Vielfalt unterzeichnet haben, sehen mit Vielfalt konkrete Vorteile für das Unternehmen verbunden und für einen Großteil erhöht sich damit dessen Attraktivität für Arbeitnehmer*innen und Zielgruppen (Ernst & Young 2016).
Eine geschlechtergerechte Arbeitswelt kann einen Beitrag zu einer demokratischen, sozialen und freiheitlichen Gesellschaft leisten, in der verschiedenste Menschen ihren Platz finden. Dabei ist es besonders wichtig, die Potenziale von Frauen zu nutzen sowie Strukturen und Prozesse zu verändern, die Frauen behindern. Die Unternehmen und Organisationen, in denen Menschen arbeiten, können Standards setzen und eine gesellschaftliche Wende mit anschieben. Gleichwohl braucht es grundlegende gesellschaftliche und politische Veränderungen wie beispielsweise die Umverteilung von Care-Arbeit zwischen den Menschen oder eine Neubewertung von Arbeit, sowie die Wertigkeit von Tätigkeiten (ebd.).
Digitalisierung und Geschlechtergerechtigkeit
Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Geschlechterverhältnisse werden in der Gleichstellungsstrategie der Bundesregierung (BMFSFJ 2020) als noch nicht absehbar beschrieben. Es ist jedoch wichtig, die Geschlechterfrage zu berücksichtigen, da durch den Einsatz von datenbasierten Entscheidungsfindungen die Ungleichheit der Geschlechter wieder zunehmen könnte, wenn z. B. diskriminierende Trainingsdaten oder Algorithmen eingesetzt werden. Um dem entgegenzuwirken, ist in der „Umsetzungsstrategie ‚Digitalisierung gestalten‘ der Bundesregierung“ (BPA 2021) die Gleichstellung als Querschnittsthema verankert, das bei Planungen in der Digitalisierung berücksichtigt werden soll. Es wird jedoch festgestellt, dass Geschlechteraspekte in anderen Gremien und Regierungsprogrammen zur Digitalisierung noch kaum Eingang gefunden haben. Im dritten Gleichstellungsbericht werden Handlungsempfehlungen aufgezeigt, wie eine geschlechtergerechte Digitalisierung gestaltet werden kann (Gleichstellungsbericht 2021).
Quellenverzeichnis
Bundesagentur für Arbeit (2021): Arbeitsmarktsituation im Pflegebereich. Online: https://statistik.arbeitsagentur.de/DE/Statischer-Content/Statistiken/Themen-im-Fokus/Berufe/Generische-Publikationen/Altenpflege.pdf?
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, BMFSJ (2019): Gender Care Gap – ein Indikator für die Gleichstellung. Online: https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/gleichstellung/gender-care-gap/indikator-fuer-die-gleichstellung/gender-care-gap-ein-indikator-fuer-die-gleichstellung-137294
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Referat Öffentlichkeitsarbeit 11018 BMFSFJ (2020) Gleichstellungsstrategie der Bundesregierung. Online: https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/gleichstellungsstrategie-der-bundesregierung-158362
International Labor Organisation ILO (2019): The business case for change. Online: https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/—dgreports/—dcomm/—publ/documents/publication/wcms_700953.pdf
Destatis (2021): Gesundheitspersonal 2021. Online: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Gesundheitspersonal/
Detlefsen L. et al., Kiel Institut für Weltwirtschaft ifw (2019): Can Gender Quotas Prevent Risky Choice Shifts? The Effect of Gender Composition on Group Decisions under Risk. Online: https://www.ifw-kiel.de/fileadmin/Dateiverwaltung/IfW-Publications/Katharina_Lima_de_Miranda/KWP-2135.pdf
Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung (2021): Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten. Das Gutachten für den Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung in Kürze. Berlin: Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht. Online: https://www.dritter-gleichstellungsbericht.de/de/topic/61.veroeffentlichungen.html
Ernst & Young GmbH Stuttgart (2016): Diversity in Deutschland, Studie anlässlich des 10-jährigen Bestehens der Charta der Vielfalt. Online: https://www.charta-der-vielfalt.de/fileadmin/user_upload/Studien_Publikationen_Charta/STUDIE_DIVERSITY_IN_DEUTSCHLAND_2016-11.pdf
European Institute for Gender Equality – EIGE (2022): Gender Equality Index. Online: https://eige.europa.eu/gender-equality-index/about
Glassdoor, Inc. (2019): Diversity & Inclusion Study 2019. Online: Glassdoor-Diversity-Survey-Supplement-1.pdf
Institut für Management- und Wirtschaftsforschung (IFMW)2020: Siegel-Studie “Top-Karrierechancen für Frauen”. Online: https://www.marktforschung.de/aktuelles/marktforschung/das-sind-die-top-arbeitgeber-fuer-frauen/
International Labour Organization (ILO) (1958): Übereinkommen 111; Übereinkommen über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf. Online: http://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/—ed_norm/—normes/documents/normativeinstrument/wcms_c111_de.html
Kotiranta,A.; Kovalainen, A.; Rouvinen, P. (2007): Female Leadership and Firm Profitability. Online: eva.fi/wp-content/uploads/files/2133_Analyysi_no_003_eng_FemaleLeadership.pdf
PricewaterhouseCoopers (2020): Frauen in der Gesundheitswirtschaft 2020. Online: https://www.pwc.de/de/gesundheitswesen-und-pharma/pwc-frauen-in-der-gesundheitswirtschaft-2020.pdf
Statistisches Bundesamt (Destatis) 2020. Gender pay Gap. Online: https://www.destatis.de/Europa/DE/Thema/Bevoelkerung-Arbeit-Soziales/Arbeitsmarkt/GenderPayGap.html
SDG 6 Sauberes Wasser
“Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärversorgung für alle gewährleisten ”
Das SGD 6 “Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen” zielt darauf ab, die Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und die Sanitärversorgung für alle zu gewährleisten (Destatis 2022). Folgendes SDG-Unterziel ist relevant:
6.4 Bis 2030 die Effizienz der Wassernutzung in allen Sektoren wesentlich steigern und eine nachhaltige Entnahme und Bereitstellung von Süßwasser gewährleisten, um der Wasserknappheit zu begegnen …
Die Schnittmenge für das SDG 6 ergibt sich aus den Nummern 3a und 3b der Standardberufsbildposition:
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen (BIBB 2020)
Trinkwasser in Deutschland gilt als Lebensmittel, wird sorgfältig kontrolliert und überwacht und ist in den Wasserversorgungsgebieten flächendeckend von guter bis sehr guter Qualität. Das Rohwasser für die Trinkwassergewinnung kommt zu 68,5 Prozent aus Grundwasser, zu 15,8 Prozent aus Oberflächenwasser und zu 15,7 Prozent aus sonstigen Ressourcen wie z. B. Uferfiltrat (UBA und BMG 2021). Der Klimawandel hat bereits Auswirkungen auf die Verfügbarkeit und Qualität des Trinkwassers. Ein nachhaltiges Wassermanagement kann jedoch dazu beitragen, den Klimawandel positiv zu beeinflussen, wie im Weltwasserbericht 2020 der UNESCO im Auftrag der Vereinten Nationen dargestellt wurde (UNESCO 2020). Obwohl in Deutschland erhebliche Anstrengungen unternommen werden, um die Wasserqualität zu sichern und die EU-Wasserrichtlinien einzuhalten (Bundesregierung o. J.), stellen Belastungen von Grund- und Oberflächengewässern durch Schwermetalle, Nitrat, Phosphate sowie durch Pflanzenschutz- und Arzneimittelrückstände weiterhin eine Herausforderung dar. Es gibt zahlreiche Quellen, die belegen, dass die Verwendung von chemischen Pestiziden in der Landwirtschaft und im Gartenbau negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, die Natur und die Umwelt hat (u. a. UBA 2016a, Böll-Stiftung 2022).
Für die Patientenversorgung in den Gesundheitseinrichtungen wird eine enorme Menge an Wasser eingesetzt, auch um die hohen hygienischen Standards einzuhalten (Braun et al. 2015). Für Kaufleute im Gesundheitswesen sind vor allem drei Aspekte wichtig, die im Folgenden beschrieben werden:
- Die Verunreinigung von Wasser beispielsweise durch Medikamentenrückstände
- Der Verbrauch von Wasser für Hygienemaßnahmen und die Reinigung im Betrieb
- Der Wasserfußabdruck von Lebensmitteln und anderen Materialien
Wasserverunreinigung durch Medikamentenrückstände
Medikamentenrückstände im Grundwasser werden regelmäßig nachgewiesen. Auf den ersten Blick erscheint es naheliegend, die Medikamentenrückstände im Wasser auf den Gesundheitsbereich und insbesondere auf große Krankenhäuser zurückzuführen. Gesundheitseinrichtungen sind jedoch weitaus systematischer mit der Nutzung und dem Verbrauch von Medikamenten vertraut. Vor allem im privaten Umfeld werden Medikamente unsystematisch verwendet und eigenständig eingenommen. Diese unkontrollierte Verwendung macht private Haushalte zum Hauptverursacher für Medikamentenrückstände im Wasser (Klauer et al. 2019). Entsorgte, zumeist abgelaufene Medikamente gelangen in der Regel über den Abfluss oder die Toilette in die Umwelt. Kläranlagen können nicht alle im Abwasser enthaltenen Substanzen entfernen (UBA 2015). In Deutschland wurden bisher jedoch keine nachweisbaren Schäden für Menschen durch Arzneimittelrückstände festgestellt (Klauer et al. 2019). Für die Umwelt jedoch haben Medikamentenrückstände erhebliche Auswirkungen, weshalb es sinnvoll ist, für den Gebrauch von Medikamenten insgesamt zu sensibilisieren.
Neben der Reduktion von Wasserverunreinigungen besteht die Möglichkeit, Wasser gezielt einzusparen. Krankenhäuser sind in Deutschland die größten Wasserverbraucher, wobei durchschnittlich pro Bett und Tag etwa 300-600 Liter Wasser verbraucht bzw. durchschnittlich täglich 300-1000 Liter Wasser pro Patient genutzt werden (Braun et al. 2015). Ein ressourceneffizientes Wassermanagement in einem Krankenhaus kann an vielen Stellen ansetzen, beispielsweise bei stationären Sanitäranlagen, im OP- und Behandlungsbereich, im Labor, in Therapiebädern, in der Wäscherei und in der Küche sowie bei der technischen Wasseraufbereitung (ebd.). Durch Reduktion des Wasserverlustes, Verbesserung des Inventars, Schulung des Personals zum effizienten Wassereinsatz sowie mögliche Zweitnutzungen von Wasser können Effizienzsteigerungen und Ressourceneinsparungen erzielt werden (ebd.).
Durch den Klimawandel ergeben sich neue Herausforderungen für die Kompetenzen und Kenntnisse aller Angehörigen von Heilberufen (SVR-Gutachten 2023). Die Pflegekräfte sowie andere Berufsgruppen des Gesundheitssektors sollten für die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels sensibilisiert werden und Informationen über eine nachhaltige Gesundheitsversorgung, sowohl für sich als auch für die Pflegebedürftigen, erhalten. Zudem gilt es, fundierte Kenntnisse über die am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen und über die wichtigsten verfügbaren Anpassungsoptionen anzubieten und kritisch zu reflektieren. Für den Umgang mit den Folgen des Klimawandels und anderen systemischen Risiken sollten nicht zuletzt resilienzverstärkende Konzepte in der Pflegefachausbildung vermittelt werden. Als struktureller Rahmen für die Entwicklung dieser Konzepte lassen sich drei Kernbereiche abgrenzen: a) Wissen und Information, b) konkrete Präventionsmaßnahmen und c) strukturelle, materielle und personelle Ressourcen (SVR-Gutachten 2023).
Optimierung des Wasserverbrauchs
In einer Gesundheitseinrichtung wie auch in privaten Haushalten gehört eine intakte Wasserversorgung in Deutschland zum Standard. Ein sorgsamer Umgang mit Wasser ist nicht nur aus Sicht des Umweltschutzes sinnvoll, sondern kann auch die Betriebskosten reduzieren.
Hauptursachen für hohe Wasserkosten sind der sorglose Umgang mit Wasser sowie installierte Standard Armaturen. Mit Wassermengenreglern kann der Wasserverbrauch pro Zeiteinheit reduziert werden, d.h. es kommen statt 14 Liter nur sechs Liter pro Minute aus dem Hahn. Mit reduziertem Verbrauch verringern sich die Kosten, der Energiebedarf und der CO2-Ausstoß (Union House Technic o. J.). Durch verändertes Nutzungsverhalten im Zusammenhang mit den thermischen Eigenschaften des Wassers kann zusätzlich gespart werden, z. B. ist es aus hygienischer Sicht unnötig, die Hände mit warmem Wasser zu waschen. Wichtig ist die Verwendung von Seife, nicht die Wassertemperatur (GEO o. J.). Auch ist es nicht zielführend, immer wieder kurz die Hände mit Wasser abzubrausen. Für eine gründliche Hygiene sollten Hände 20 – 30 Sekunden lang gewaschen werden. Wichtig ist vor allem, dass die Fingerkuppen und die Fingerzwischenräume gründlich mit Seife eingeschäumt werden. Das Wasser muss selbstredend dabei nicht die ganze Zeit laufen (ebd.). Um Mitarbeitende im Betrieb und auch Kundinnen und Kunden zu sensibilisieren, kann z. B. mit Nudging gearbeitet werden. Beim Nudging (engl. „nudging“ für „Anstoßen“, „Schubsen“ oder „Stupsen“) wird versucht, Menschen durch subtile Weise dazu zu bewegen, etwas Bestimmtes einmalig oder dauerhaft zu tun oder zu lassen (Verhaltensänderung) (Gabler Wirtschaftslexikon o. J.). Das so genannte “Green Nudging” kann Betrieben dabei helfen, klimafreundliches Verhalten bei ihren Mitarbeitenden zu etablieren (Bremer Energie-Konsens o. J.). Für das Beispiel Wasser könnte ein Sticker neben der Toilette freundlich darauf hinweisen, bei Bedarf die Sparspültaste zu verwenden.
Der Begriff “virtuelles Wasser” (Wasserfußabdruck) ermöglicht ein erweitertes Verständnis zum Thema Wasser, einschließlich Wasserverbrauch, Wasserknappheit und Wasserversorgung. Dabei betrachtet man nicht nur das Wasser, das wir direkt durch Trinken, Kochen und Putzen nutzen, sondern auch das Wasser, das in Produkten enthalten ist und zur Herstellung dieser verwendet wurde. Der Wasserfußabdruck ist somit die Summe des direkt und indirekt genutzten Wassers (UBA 2022). Virtuelles Wasser wird häufig als “verstecktes” Wasser bezeichnet. Das Besondere des Konzepts ist, dass die Wassermenge, die in den Herstellungsregionen für die Produktion eingesetzt, verdunstet oder verschmutzt wird, mit dem Konsum dieser Waren im In- und Ausland in Verbindung gebracht wird (ebd.). Hier sind einige Beispiele für den Verbrauch von virtuellem Wasser bei typischen Handelswaren:
- Für eine Tasse Kaffee werden mehr als 140 Liter Wasser benötigt.
- Ein T-Shirt aus Baumwolle benötigt dagegen bereits 2.000 Liter Wasser, vor allem, weil der Anbau von Baumwolle sehr wasserintensiv ist.
- Auch die Produktion von Fleisch hat einen enormen Wasserfußabdruck. Es wird geschätzt, dass die Herstellung von einem Kilogramm Rindfleisch 15.000 Liter Wasser benötigt. Allerdings hängt dieser Wert stark von verschiedenen Faktoren ab, wie zum Beispiel dem Produktionssystem, der Herkunft und Beschaffenheit des Futters (Dallmus 2022).
Weitere Informationen zum Konzept des virtuellen Wassers finden sich beim Umweltbundesamt.
Der Wasserfußabdruck von Lebensmitteln
Jede Pflanze benötigt Wasser zum Wachsen. Das aufgenommene Wasser wird dann in den Feldfrüchten, in Obst und Gemüse gespeichert. Bei der Viehzucht nehmen Rinder, Schweine und Geflügel dieses Wasser ebenfalls auf. Die Gesamtmenge an Wasser, die schließlich für ein Kilogramm Lebensmittel benötigt wird, nennt man entweder den Wasserfußabdruck oder “virtuelles Wasser” (UBA 2022). Hierbei unterscheidet man “grünes Wasser”, welches aus dem Regen stammt, “blaues Wasser” aus Flüssen oder Grundwasser. “Graues Wasser” ist die Wassermenge, die benötigt wird, um in der Industrie genutztes Wasser so weit zu verdünnen, dass es den gesetzlichen Qualitätsanforderungen genügt.
Den höchsten Wasserfußabdruck haben Obst, Gemüse und Nüsse. Insbesondere Erdbeeren haben einen sehr hohen Wasserbedarf: mehr als 200 Liter pro Kilogramm (wfd o. J.). Allerdings werden in Deutschland nur ca. 2 Prozent des Gesamtwassereinsatzes (Destatis/Deutscher Bauernverband 2020) benutzt bzw. verbraucht. 50 Prozent des Wassers wird für die Energieerzeugung genutzt. Weltweit nutzt die Landwirtschaft rund 70 Prozent des Frischwassers (bpb 2017). Besonders wasserdurstig sind Baumwolle und Reis. Indirekt tragen Lebensmittelimporte aus Ländern mit Wassermangel dazu bei, dass wir das sogenannte “blaue Wasser” (UBA 2022) des Anbaus der Lebensmittel importieren. Die Produktion 1 Tonne Sojabohnen in Brasilien erfordert 2.244 m3 Wasser, in den USA hingegen werden nur 1.380 m3 benötigt (Finogenova o. J. sowie Destatis 2012). Die Bedeutung des Imports von Wasser gilt umso mehr bei Agrarprodukten aus Nordafrika, Südafrika und Mittelasien, da diese unter Wasserknappheit leiden. Folgende Aspekte wären im (Aus-)Bildungskontext zu behandeln und hierbei die sich ergebenden Zielkonflikte mit anderen Dimensionen der Nachhaltigkeit zu diskutieren (ifeu 2020:19ff, wfd o. J.):
- Rinder haben einen sehr hohen Wasserbedarf, in den USA und Südamerika werden sie auch in Gebieten mit Wassermangel gezüchtet (Texas, Argentinien).
- Das meiste Wasser wird für die Futtermittelproduktion – Weizen, Soja, Mais – benötigt. Der Wasserfußabdruck von Rindfleisch liegt bei 20.000 Liter pro Kilogramm Fleisch.
- Tropische und andere Früchte werden ebenfalls in Gegenden mit Wassermangel gezüchtet (Mangos aus Indien und Peru, Avocados aus Chile, Melonen in Marokko, Obst in Andalusien).
- Soja-Milch (3.000 l/kg) hat einen höheren Wasserfußabdruck als Kuhmilch (2.000 l/kg).
- Soja-Granulat (Textured Vegetable Protein TVP) hat einen höheren Wasserfußabdruck mit 30.000 l/kg als Rindfleisch.
- Olivenöl hat seinen sehr hohen Wasserfußabdruck mit 900.000 l/kg, Rapsöl hingegen liegt bei nur 800 l/kg
- Orangen haben einen sehr hohen Wasserfußabdruck mit 15.000 l/kg
- Mandeln haben einen Wasserfußabdruck von ca. 11.000 l/kg. Sie stammen zu 80 Prozent aus Kalifornien – einem Staat mit hohem Wassermangel und extremen Waldbränden
- Spargel wird seit einigen Jahren in Peru angebaut und mit Flugtransport nach Deutschland geflogen. Das Inka-Tal ist aber ein Wassermangelgebiet und der Wasserfußabdruck von Spargel liegt bei 700 l/kg
- Baumwolle für Tischgedecke stammt häufig aus ariden Anbaugebieten wie Kasachstan, Usbekistan und Indien.
Der Klimawandel wird zu einer Veränderung der Niederschläge führen und einige Gebiete, wie z. B. die neuen Bundesländer, leiden seit 2019 unter zu geringen Niederschlägen. Wasser wird somit zu einem raren, wertvollen Gut, um das viele Verbraucher konkurrieren. In der Küche ist vor allem auf das effiziente Spülen mit Spülmaschinen, die einen geringen Wasserverbrauch haben, zu achten. Gastronomiebetriebe benötigen neben dem Prozesswasser der Küche auch Hygieneeinrichtungen für die Tischgäste. Sparsame Armaturen und wasserfreie Pissoirs können einen Beitrag zum Wassersparen leisten.
Quellenverzeichnis
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (2020): Empfehlung des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung vom 17. November 2020 zur „Anwendung der Standardberufsbildpositionen in der Ausbildungspraxis“. BANZ AT 22.12.2020 S4. Online: https://www.bibb.de/dokumente/pdf/HA172.pdf
bpb Bundeszentrale für politische Bildung (2017): Wasserverbrauch. Online https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/globalisierung/52730/wasserverbrauch/
Braun, A., Rijkers-Defrasne, S., Seitz, H. (2015): Ressourceneffiziente Wasserkonzepte für Krankenhäuser. VDI ZRE Kurzanalyse Nr. 11. https://www.ressource-deutschland.de/fileadmin/user_upload/1_Themen/h_Publikationen/Kurzanalysen/2015-Kurzanalyse-11-VDI-ZRE-Krankenhaeuser.pdf
Destatis (2012): Wasserfussabdruck von Ernährungsgütern in Deutschland. Online: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Umwelt/UGR/rohstoffe-materialfluesse-wasser/Publikationen/Downloads/wasserfussabdruck-5851301129004.pdf
Finogova, Yulia (o. J.): Wasserfußabdruck der Deutschen und Europäischen Importe der Agrarprodukte. Online: https://www.tu.berlin/see/forschung/projekte/wasserfussabdruck-der-deutschen-und-europaeischen-importe-der-agrarprodukte-trends-und-entwicklung-im-kontext-der-wasserknappheit
Gabler Wirtschaftslexikon (o.J): Nudging. Online: https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/nudging-99919
Gesundheitsindistrie-bw.de (2022): Die Gesundheitsbranche muss grüner werden. Online: https://www.gesundheitsindustrie-bw.de/fachbeitrag/dossier/die-gesundheitsbranche-muss-gruener-werden
Ifeu Institut für Energie- und Umweltforschung (2020): Ökologische Fußabdrücke von Lebensmitteln und Gerichten in Deutschland. Online: ifeu.de/fileadmin/uploads/Reinhardt-Gaertner-Wagner-2020-Oekologische-Fu%C3%9Fabdruecke-von-Lebensmitteln-und-Gerichten-in-Deutschland-ifeu-2020.pdf
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Schulten, Thorsten; Specht, Johannes (2021): Ein Jahr Arbeitsschutzkontrollgesetz – Grundlegender Wandel in der Fleischindustrie? Online:bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/fleisch-2021/344835/ein-jahr-arbeitsschutzkontrollgesetz/
UBA Umweltbundesamt (2022): Wasserfußabdruck. https://www.umweltbundesamt.de/themen/wasser/wasser-bewirtschaften/wasserfussabdruck
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wfd Weltfriedensdienst (o. J.): Wasserfußabdruck: Wie viel Wasser verbrauchen Sie? Online: https://wfd.de/thema/wasserfussabdruck
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Destatis/Deutscher Bauernverband (2020): Landwirtschaft und Umwelt. Online: www.bauernverband.de/faktencheck/wasser-landwirtschaft-und-klimawandel
DESTATIS-Statistisches Bundesamt (2022): Indikatoren der UN-Nachhaltigkeitsziele 2022. Online: http://sdg-indikatoren.de/
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UBA Umweltbundesamt (2022): Wasserfußabdruck. Online: https://www.umweltbundesamt.de/themen/wasser/wasser-bewirtschaften/wasserfussabdruck#was-ist-der-wasserfussabdruck
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Union House Technic (o.J): Betriebskosten senken –mit nachhaltiger, wassersparender Technologie. Online: https://www.oekoflow.de/wassersparer/Betriebskosten-senken.html
SDG 7 Bezahlbare und saubere Energie
“Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und moderner Energie für alle sichern”
Das SDG 7 zielt darauf ab, den Zugang zu bezahlbaren, verlässlichen, nachhaltigen und modernen Energiedienstleistungen für alle zu sichern (Destatis o. J.) und beinhaltet ebenfalls soziale und ökologische Anforderungen an den Klimaschutz. “Saubere Energie”, wie es in SDG 7 genannt wird, bedeutet heute für den Klimaschutz grundsätzlich der Umstieg auf erneuerbare Energien (EE) sowie eine höhere Energieeffizienz, das Klima schützende Anforderungen werden weitensgehend durch andere SDGs (insbesondere 13, 14 und 15) abgedeckt.
Für die/den Pflegefachfrau/mann sind vor allem drei Unterziele (Destatis o. J.) besonders hervorzuheben:
7.1 Bis 2030 den allgemeinen Zugang zu bezahlbaren, verlässlichen und modernen Energiedienstleistungen sichern
7.2. Bis 2030 den Anteil erneuerbarer Energie am globalen Energiemix deutlich erhöhen
7.a Bis 2030 die internationale Zusammenarbeit verstärken, um den Zugang zur Forschung und Technologie im Bereich saubere Energie, namentlich erneuerbare Energie, Energieeffizienz sowie fortschrittliche und saubere Technologien für fossile Brennstoffe, zu erleichtern, und Investitionen in die Energieinfrastruktur und saubere Energietechnologien fördern
Die Schnittmenge für das SDG 7 ergibt sich aus den Nummern a, b und e der Standardberufsbildposition “Umweltschutz und Nachhaltigkeit” (BMBF 2022):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
Das SDG 7 und der Gesundheitssektor
Die nachfolgenden Kapitel beschreiben die Grundlagen von verwendeten Energieformen und eingesetzten Verfahren sowie wichtige Themen aus dem Bereich „Bezahlbare und saubere Energie”.
Saubere Energie als Beitrag gegen den Klimawandel ist vor allem im Gesundheitswesen ein relevanter Faktor. Der Energieverbrauch von großen Krankenhäusern und Gesundheitseinrichtungen entspricht in etwa dem Verbrauch kleinerer Städte (vgl. auch SGD 13 CO2-Emissionen im Gesundheitswesen). Medizinische Geräte, die Kühl- bzw. Belüftungssysteme in Krankenhäusern, Beleuchtung, IT, Heizung, Labore und auch angrenzende Arbeitsbereiche wie die Wäschereien oder die Küche verbrauchen, auch aufgrund ihrer dauerhaften Nutzung und den hohen Anforderung an Hygiene und Ausfallsicherheiten sehr viel Wärme und Strom (Fraunhofer UMSICHT 2017). Laut einer Studie der Viamedica Stiftung (2020) fällt durchschnittlich auf ein Krankenhausbett rund 6.000 kWh Strom und 29.000 kWh Wärme pro Jahr. Der Verbrauch ist mit einem Bedarf von ca. zwei Einfamilienhäusern zu vergleichen (Viamedica Stiftung). Ein umfassendes Energiekonzept, das Maßnahmen zur Effizienzsteigerung beinhaltet und erneuerbare Energien zur Wärme- und Stromversorgung einsetzt, kann einen wichtigen Beitrag zu einem umweltverträglichen Energiemix leisten (Stiftung viamedica 2020). Insbesondere bei Neubauten bieten sich z. B. Geothermie und Solarthermie als Wärmequellen und vor allem im Dach- und Fassadenbau von Krankenhäusern Photovoltaik-Anlagen als Stromquelle an. Auch eine Umstellung der Fahrzeugflotte auf regenerative Brennstoffe kann sinnvoll sein (ebd.). Ein auf die Bedürfnisse der Einrichtung zugeschnittenes Energiesystem, das den Standort, den Verbrauch und die Versorgungsstruktur berücksichtigt, kann sich nicht nur positiv auf die Umwelt, sondern auch auf die Betriebskosten auswirken. Praktische Beispiele zeigen, dass nachhaltige Energiekonzepte den CO2-Ausstoß senken und langfristig Kosten sparen können (ebd.). Einige Kliniken, wie z. B. die Schön Kliniken, haben bereits gezielte Maßnahmen zur Energieeffizienz umgesetzt und setzen auf erneuerbare Energien, um CO2 einzusparen. Es ist jedoch anzumerken, dass Einsparungen im Gesundheitssektor bislang hauptsächlich durch Pilotprojekte in Krankenhäusern nachgewiesen wurden.
Einerseits können die folgenden Kapitel für Basiswissen im Sinne der Standardberufsbildposition “Umweltschutz und Nachhaltigkeit” genutzt werden, welche heute in jeder Ausbildung vermittelt werden sollten, da kein Beruf mehr ohne die nachhaltige Nutzung von Energie auskommen kann. Andererseits dient die etwas umfangreichere Behandlung des Themas “Energie” als Beispiel dafür, wie komplex das Hintergrundwissen gerade im Themenbereich Nachhaltigkeit ist.
Erneuerbare Energien
Die einfachste Maßnahme zum Umstieg auf erneuerbare Energien ist der Bezug von Ökostrom. Die Produktion erfolgt dabei in der Regel aus Wind, Sonne, Biomasse und Wasserkraft. Im ersten Halbjahr 2022 lag der Anteil der Erneuerbaren bei 51,6 Prozent. Da die Stromproduktion aus verschiedenen Quellen schwankend ist, zeigt erst die Jahresendbilanz, wie die Verteilung sein wird. In 2021 stammten 23 Prozent der gesamten Stromproduktion aus Windkraft, 9,8 Prozent aus der Photovoltaik, 8,8 Prozent aus Biomasse und 4 Prozent aus Wasserkraft. Braun- und Steinkohle lieferten 20,7 Prozent des Stroms, Erdgas 10,5 Prozent und die Kernenergie gut 13,3 Prozent (Stromreport 2022).
Wichtig sind hinsichtlich des Ziels “bezahlbarer Energie” vor allem die Kosten von Strom und Wärme. Die Stromgestehungskosten waren in 2021 wie folgt (ISE 2021, gerundet): Dachkleinanlagen 6-11 Cent/kWh, große Dachanlagen 5-10 Cent/kWh, Freiflächenanlagen 3-6 Cent/kWh. Die Stromgestehungskosten fossiler Stromerzeugung lagen in 2021 zwischen 8-13 Cent/kWh für Gas- und Dampfkraftwerke, zwischen 11-28 Cent/kWh bei Gaskraftwerken, 10-15 Cent/kWh Braunkohlekraftwerke sowie 11-20 Cent/kWh bei Steinkohlekraftwerken. Für Kernkraft, mit Rückbau und Endlagerung werden die Stromgestehungskosten auf 50 bis 100 Cent/kWh geschätzt (Siemens-Stiftung 2015). Die konkreten Stromgestehungskosten sind von einer Reihe von Faktoren abhängig. Dazu zählen der Standort (z. B. Entfernung zwischen Kraftwerk und Abbaugebiet), Größe und Alter der Anlagen, Subventionen, Wartung, Abschreibungen sowie die verbaute Erzeugungstechnologien.
Im Folgenden wird eine Übersicht über die wichtigsten Technologien zur Nutzung der Erneuerbaren Energien gegeben:
- Solarenergie: Solarenergie mit Hilfe von Photovoltaik ist mit gut 21 Prozent der EE-Stromproduktion (Stromreport 2022) seit 2007 stark ausgebaut worden und damit die jüngste breit genutzte erneuerbare Stromquelle (vgl. die Graphik auf Wikimedia 2020). Ab 2013 stagnierte der Zuwachs von Solarenergie, weil die Konditionen der Einspeisung verschlechtert wurden. Insbesondere die Energiekrise im Zuge des Ukraine Krieges zeigt, dass der Ausbau jetzt stark beschleunigt werden muss.
- Solarthermie: Es stehen jährlich 1.050 KWh/m2 Solarstrahlung für die Umwandlung von Sonnenenergie in Wärme zur freien Verfügung. Hiermit lassen sich Strom sowie Wärme für Heizung und Warmwasser erzeugen. In Deutschland wird Solarthermie dennoch nur in weniger als 10 Prozent (co2online 2021) der Heizanlagen für Häuser und Wohnungen genutzt.
- Windenergie: 50 Prozent des EE-Stromes in Deutschland wurden 2021 aus Windenergie erzeugt (Stromreport 2022). Der Ausbau hat wesentlich in den Jahren von 2000 bis 2017 stattgefunden. Seitdem ist der Zuwachs geringer, weil sich lokal viele Menschen gegen Windkraftanlagen wehren. Seit Ausbruch des Ukraine-Krieges und dem damit verbundenen Gaslieferstopp Rußlands, sowie seit den deutlichen Auswirkungen der Klimakrise (Waldbrände, Flut), werden wieder höhere Ausbauziele der Windenergie genannt.
- Wärmeerzeugung: Zur Wärmeerzeugung können Bioenergie (insbesondere Festbrennstoffe wie Holz) sowie die Umgebungs- bzw. bodennahe Erdwärme eingesetzt werden. Wie bei der Stromerzeugung aus Wasserkraft gibt es für die Verbrennung von Biomasse kein Wachstumspotenzial mehr, sondern muss auf “ein naturverträgliches Maß begrenzt” werden (UBA 2021b). Im Gegensatz dazu setzt die Bundesregierung auf den Ausbau der Nutzung von Umgebungswärme, wozu auch die bodennahe Erdwärme gehört (Tagesschau 2022).
Photovoltaik
Photovoltaik ist die Umwandlung von Sonnenlicht in Strom. Dies geschieht mit Hilfe von PV-Modulen, in denen die Solarstrahlung Strom erzeugt. Der Strom wird über Leitungen zu einem Wechselrichter geführt, der den Gleichstrom aus den PV-Modulen in Wechselstrom umwandelt. Die Kosten der PV-Technologie sind bei höherer Leistung – trotz Preissteigerungen aufgrund des Krieges – deutlich günstiger als vor 20 Jahren. Für den Betrieb von Photovoltaik-Anlagen gibt es drei Betriebsmodelle:
- Dachverpachtung: Die einfachste Möglichkeit, von einem geeigneten Dach zu profitieren, ist die Verpachtung der Dachfläche an Dritte. Diese sind dann Betreiber der Anlage. Stadtwerke, Energieversorgungsunternehmen und Projektentwickler bieten bereits „schlüsselfertige“ Dachpachtlösungen an. Dabei baut der Betreiber auf seine Kosten die Anlage, bewirtschaftet sie und übernimmt das unternehmerische Risiko.
- Eigenverbrauch mit Überschusseinspeisung: Besonders attraktiv ist die Gestaltung des Eigenverbrauchs. Der Eigentümer errichtet die Anlage auf eigene Kosten und versucht, seine Stromnutzung so zu gestalten, dass bei Sonnenschein Strom entweder verbraucht oder in Batterien gespeichert wird.
- Volleinspeisung: In diesem Fall ist der Dacheigentümer auch Betreiber der PV-Anlage. Der gesamte erzeugte Strom wird in das Netz der allgemeinen Versorgung eingespeist und der Anlagenbetreiber erhält für jede eingespeiste kWh die sog. Einspeisevergütung.
Im Folgenden werden kurz die wichtigsten Technologien zur Solarstromerzeugung vorgestellt:
- Solarzellen aus kristallinem Silizium: Solarzellen aus kristallinem Silizium werden mit über 90 Prozent am häufigsten verbaut. Als Ausgangsmaterial für ihre Herstellung dient Siliziumdioxid (SiO2), das als Quarzsand oder Quarzkristall abgebaut wird. Aus SiO2 wird in einem mehrstufigen und sehr energieaufwendigen Verfahren hochreines polykristallines Silizium (poly-Si) mit einer Reinheit von 99, 99999 Prozent hergestellt. Die Herstellung erfolgt in einem Lichtbogenofen bei Temperaturen von etwa 2.000 °C. Anschließend werden Silizium-Einkristalle (mono-Si) gezogen. Die gewonnenen Einkristalle werden in etwa 0,2 mm dicke Scheiben («Wafer») gesägt und in einer Abfolge von mehreren Prozessschritten zu Solarzellen und dann zu PV-Modulen weiterverarbeitet.
- Dünnschicht-Solarmodule: Die Module bestehen wie die obigen PV-Module ebenfalls aus elektrischen Kontakten und einem absorbierenden Material, allerdings werden auf dem Trägermaterial verschiedene Schichten von Metallen aufgetragen. Die Dicke der lichtabsorbierenden Schicht liegt in der Regel bei 1-3 µm, also etwa hundertmal weniger als bei den Solarzellen aus kristallinem Silizium. Als Trägermaterial können, je nach Technologie, Glas, Metall- oder Kunststofffolien eingesetzt werden. Als Schichtmaterialien kommen insbesondere Halbleitermaterialien wie Galiumarsenid (GaAs), Cadmiumtellurid (CdTe) oder Kupfer-Indium-Gallium-Diselenid (CIGS) zum Einsatz. Vorteile der Dünnschichtzellen sind ihr geringes Gewicht, ihre guten Erträge bei diffusem Sonnenlicht und schlechtem Wetter sowie die schnelle energetische Amortisation aufgrund des geringen Energieeinsatzes bei ihrer Herstellung.
Hauptsächlich gibt es zwei Arten für Photovoltaikanlagen:
- Aufdachmontage: Aufdach-Photovoltaikanlagen sind eine weit verbreitete Möglichkeit für Eigenheime, Unternehmen und öffentliche Gebäude um ihren eigenen Strom zu erzeugen. Vorteile sind: Das vorhandene Dach kann optimal genutzt werden; das Dach wird vor eventuellen Umwelteinwirkungen zusätzlich geschützt; aufdach-montierte Anlagen sind meist schnell und einfach sowie mit geringem Wartungsaufwand zu installieren. . Nachteile sind höhere Kosten der Montage, mögliche Probleme bei der Befestigung und Tragfähigkeit, Platzbeschränkungen durch die Dachfläche sowie der unveränderliche Winkel des Daches (der nicht immer optimal zur Nutzung der Solarstrahlung ist).
- Bodenmontage (Freiflächenmontage): Bodenmontierte Photovoltaikanlagen sind inzwischen ebenfalls weit verbreitet, werden aber vorwiegend von großen Unternehmen, professionellen Investoren bzw. Energieanbietern genutzt. Vorteile sind: Aufgrund ihrer Größe ist auch eine größer dimensionierte Stromerzeugung möglich; bodenmontierte Anlagen haben die Möglichkeit die festen Winkelbeschränkungen zu umgehen und sie haben einfache Wartungsmöglichkeiten. Nachteilig sind die Flächenbedarfe (“ganze Äcker”) und ihre optische Auffälligkeit (Landschaftsbild).
Solarwärme
Solarthermie erzeugt warmes oder heißes Wasser, zusammen mit einem Wärmespeicher kann dann insbesondere in den Sommermonaten ein erheblicher Teil des Wärmebedarfs mit Solarenergie CO2-frei bereitgestellt werden. Das Prinzip ist ganz einfach: Das Sonnenlicht erwärmt die Solarflüssigkeit (Wasser-Glykol-Gemisch) und über einen Wärmetauscher erwärmt die heiße Solarflüssigkeit Wasser. Im folgenden werden die beiden wichtigsten Kollektortypen sowie die Wärmespeicherung und die Einbindung der Solarwärme vorgestellt:
- Flachkollektoren: Bei Flachkollektoren ist der metallische Solarabsorber zwischen einer transparenten Abdeckung und einer Wärmedämmung eingefasst. Dies minimiert die Wärmeverluste des Kollektors, wodurch in Abhängigkeit der Bauart Nutztemperaturen bis 100 °C effizient bereitgestellt werden können. Das Spektrum reicht von kompakten Kollektormodulen mit ca. 2 m² bis hin zu Großflächenkollektoren mit 10 bis 12 m²
- Vakuumröhrenkollektoren: Bei Vakuumröhrenkollektoren können die Wärmeverluste durch Konvektion und Wärmeleitung deutlich reduziert und somit mehr Wärme erzeugt werden. Der sinnvolle Einsatzbereich dieser Kollektoren bei 80 bis 130 °C, der höhere Wert wird mit Spiegeln auf der Rückseite erzeugt.
- Speicherung: In der Regel ist ein Pufferspeicher zentraler Bestandteil einer solaren Prozesswärmeanlage, da das Solarangebot nicht immer mit dem Wärmebedarf der zu versorgenden Verbrauchsstellen zeitlich übereinstimmt. Zur Einbindung des Speichers gibt es mehrere Möglichkeiten: Typischerweise wird der mit einem Wasser-Glykol-Gemisch betriebene Solarkreis durch einen Wärmeübertrager vom Speicherkreis getrennt.
- Einbindung von Solarwärme: Bei der Einbindung von Solarwärme lässt sich grundsätzlich die Versorgungs- von der Prozessebene unterscheiden. Viele Industrie- oder Gewerbebetriebe haben ein zentrales Kesselhaus zur Erzeugung von Wärme und ein Rohrnetz zur Verteilung der Wärme an die Verbrauchsstellen. Je nach Nutztemperatur wird die Wärme über Dampf (140-200 °C), Heißwasser (90-160 °C) oder Warmwasser (<100 °C) verteilt und direkt oder indirekt über einen Wärmeüberträger an die Wärmesenke abgegeben.
Bioenergie
Unter Bioenergie wird die energetische Nutzung biogener Energieträger verstanden. Biogene Energieträger sind pflanzlicher oder tierischer Herkunft. Zu den typischen biogenen Energieträgern zählen Holz und Stroh sowie ihre Derivate wie Holzschnitzel- oder -pellets. Aber auch Biogas aus der Vergärung von Bioabfällen, Ernterückständen oder von tierischen Abfällen wie Mist und Gülle-Exkremente. Obwohl bei der Verbrennung von Biomasse oder Biogas Kohlendioxid freigesetzt wird, wird die Erzeugung und Nutzung von Bioenergie als klimaneutral angesehen, denn das freigesetzte CO2 wurde während des Pflanzenwachstums der Atmosphäre entzogen. Allerdings verursacht die Verbrennung von Biomasse weitere Luftschadstoffe wie NOX und insbesondere Feinstaub (Kamine im Eigenheimbereich).
Der typische Einsatz von Biogas zur Energieerzeugung erfolgt über Blockheizkraftwerke (BHKW), die sowohl Wärme als auch Strom erzeugen. Problematisch ist der Anbau von Energiepflanzen wie z. B. Mais, Raps, Futterrüben, Hanf, Chinaschilf, schnellwachsende Bäume (Pappeln, Weiden), Zuckerrohr und Algen. In der Regel erfolgt deren Anbau in schnell wachsenden Monokulturen und haben damit einen erheblichen Einfluss auf Landschaft und Boden. Zudem kann der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zum Verlust von Biodiversität, die Düngung zur Belastung des Grundwassers und der Verbrauch von Trinkwasser zur regionalen Verknappung führen (vgl. BUND o. J. sowie UBA 2021a). Des Weiteren ist der energetische Wirkungsgrad der Biomassenproduktion mit 0,5 – 1,5 Prozent (Pflanzenforschung 2020) wesentlich geringer als der von Photovoltaik , der in der Regel 15 – 22 Prozent beträgt (Eigensonne o. J.). Zudem gibt es eine Flächenkonkurrenz – anstelle von Energiepflanzen könnten auch Feldfrüchte oder Getreide angebaut werden – im Sinne des SDG 1 “Kein Hunger”.
Erd- und Umgebungswärme
Eine Möglichkeit der Wärmeerzeugung ist die Nutzung von Temperaturunterschieden zwischen Gebäuden und ihrer Umgebung oder dem Erdreich mit Wärmepumpen. Eine Wärmepumpe funktioniert wie ein Kühlschrank oder eine Klimaanlage (Tagesschau 2022). Die Pumpe entzieht der Umgebung (z. B. dem Erdreich) mit einem Kältemittel Wärme und kühlt sie dabei ab. Ein Kompressor verdichtet das Kältemittel und erhöht dabei dessen Temperatur, die dann zur Raumheizung genutzt wird. Das Kältemittel kondensiert und gibt die Wärme frei. In einem Ventil verdampft das Kühlmittel wieder, kühlt sich dabei stark ab und kann aufs Neue der Umgebung Wärme entziehen. Zum Antrieb einer Wärmepumpe wird elektrischer Strom benötigt, der allerdings aus erneuerbaren Quellen stammen sollte. Bei der Nutzung von Erdwärme wird zwischen Tiefengeothermie und oberflächennaher Geothermie unterschieden.
Die oberflächennahe Geothermie nutzt den Untergrund bis zu einer Tiefe von ca. 400 m und Temperaturen von bis zu 25 °C für das Beheizen und Kühlen von Gebäuden, technischen Anlagen oder Infrastruktureinrichtungen. Hierzu wird die Wärme oder Kühlenergie aus den oberen Erd- und Gesteinsschichten oder aus dem Grundwasser gewonnen. Als Tiefengeothermie bezeichnet man die Nutzung der Erdwärme in Tiefen zwischen 400 und 5.000 Metern. Im Vergleich zur oberflächennahen Geothermie sind dort die Temperaturen weitaus höher. Der Vorteil der Geothermie ist ihre ständige Verfügbarkeit. Die geothermische Stromerzeugung in Deutschland steht noch am Anfang und ist noch ausbaufähig.
Beleuchtung
Beleuchtung ist in allen Berufen ein Handlungsfeld, bei dem viel Energie eingespart werden kann. Der Standard für Energieeffizienz in der Beleuchtung sind LED-Lampen und LED-Röhren. In 2009 wurde die “Glühbirne” aus Initiative der EU vom Markt genommen, anstelle dessen wurde im breiten Umfange die Energiesparlampe bzw. Leuchtstofflampe (Fachbegriff:Kompaktleuchtstofflampen) verwendet, die bei gleiche Lichtstärke wie eine 75 Watt Glühbirne nur rund 10 Watt verbrauchte. Die technische Entwicklung ging jedoch weiter hin zu LED-Lampen, die wiederum im Vergleich zur Glühbirne rund 70 Prozent bis 90 Prozent der Energie einsparen (enterga o. J., energieexperten o. J.). In Haushalten und kleinen Gewerbebetrieben ohne eigene Produktion fallen rund 10 Prozent des Stromverbrauchs für die Beleuchtung an – dies sind zwischen 350 und 600 kWh/a.
Die Bedeutung des technischen Wandel weg von der Glühbirne (und auch der Halogenbirne) hin zu LED-Technik lässt sich im Rückblick zeigen. In 2003 wurden ca. 71 TWh/a (Terawattstunden pro Jahr) Strom für die Beleuchtung verwendet. Dies waren 71.000 Gigawattstunden. Ein Atomkraftwerk erzeugt zwischen 9.000 und 13.000 GWh Strom, rein rechnerisch mussten fast 9 Atomkraftwerke nur die Beleuchtung laufen (in 2003, stromrechner.com o. J.).
Für Gewerbetreibende mit Büro und Werkstatt sind die LED-Leuchtstoffröhren besonders interessant, da bisher immer Leuchtstofflampen installiert wurden. Heutzutage gibt es LED-Röhren, die ohne Umbau in die vorhandenen Lichtkästen eingebaut werden können. Nur das Vorschaltgerät muss ggf. ausgewechselt werden. Die Einsparung liegt bei 50 Prozent des bisher genutzten Stroms (LEDONLINE o. J.). Die Vorteile neben der Energieeinsparung sind offensichtlich: Die Röhren zerbrechen nicht, sie enthalten kein Quecksilber, sie flimmern nicht und haben einen hohen Leistungsfaktor (ebd.)
Eine weitere mögliche Stellschraube bei der Beleuchtung ist die Verwendung von Strom aus regenerativen Energiequellen. Eine eigene PV-Anlage auf dem Bürogebäude oder auf dem Betriebsgelände in Verbindung mit einem Batteriespeicher kann erheblich Strom aus Sonnenlicht bereitstellen. Allerdings ist die Solarstrahlung in den Wintermonaten – gerade dann, wenn die Anzucht stattfindet, nur gering. In diesem Falle sollte zumindest der Strom aus erneuerbaren Energien – im Winter fast ausschließlich aus Windenergie – bezogen werden.
Rationelle Energienutzung und Energiesparen
Neben dem Einsatz erneuerbarer Energien zählt auch die rationelle Energienutzung zu den Maßnahmen, um das Energiesystem in Richtung Nachhaltigkeit zu transformieren. Typische Handlungsfelder der rationellen Energienutzung sind die Energieeffizienz und das Energiesparen, die beide eng miteinander verknüpft sind.
- Energieeffizienz: Bei der Energieeffizienz geht es darum, Geräte und Maschinen zu nutzen, die bei gleicher Funktionserfüllung einen geringeren Energiebedarf haben. Effizienz ist dabei eine relationale Größe, die sich auf mindestens zwei vergleichbare Arten bezieht, Energie zu nutzen. Durch optimierte Prozesse sollen die quantitativen und qualitativen Verluste, die im Einzelnen bei der Umwandlung, dem Transport und der Speicherung von Energie entstehen, minimiert werden, um einen vorgegebenen (energetischen) Nutzen bei sinkendem Primär- bzw. Endenergieeinsatz zu erreichen.
- Energieeffizienzkennzeichnung: In der EU gibt die Energieeffizienzkennzeichnung gemäß Verordnung (EU) 2017/1369 Auskunft über die Energieeffizienz von Elektrogeräten und weiteren Energieverbrauchern. Die Kennzeichnung erfolgt für verschiedene Gerätegruppen in Form von Etiketten auf den Geräten und in Werbematerialien. Ab dem Jahr 2021 erfolgt die Kennzeichnung der Energieeffizienz in Form von Effizienzklassen. Deren Skala reicht von „A“ bis „G“, wobei Geräte mit der höchsten Effizienz mit der Kennzeichnung “A” ausgezeichnet werden. Daneben gibt es zahlreiche weitere Kennzeichen. Bekannt ist der amerikanische Energy Star für energiesparende Geräte, Baustoffe, öffentliche/gewerbliche Gebäude oder Wohnbauten. Der Energy Star bescheinigt die jeweiligen Stromspar Kriterien der US-Umweltschutzbehörde EPA und des US-Energieministeriums (www.energy star.gov). Auch nationale Umweltzeichen wie der Blaue Engel können, je nach ausgezeichnetem Produkt, aufgrund vergleichsweise hoher Energieeffizienz vergeben werden (blauer-engel.de). Für PKW’s gibt es ein eigenes Kennzeichen, welches die Bewertung und Kennzeichnung der Energieeffizienz neuer Personenkraftwagen hinsichtlich Kraftstoff- und Stromverbrauch regelt (Pkw-EnVKV 2020).
- Stromsparen: Die Abgrenzung des Energiesparens zur Energieeffizienz ist allerdings nicht immer eindeutig, denn die Nutzung eines energieeffizienten Gerätes stellt immer auch eine Energieeinsparung gegenüber einem weniger effizienten Gerät dar. Die wichtigsten Stromsparmaßnahmen im Haushalt sind energieeffiziente Geräte (Kühl- und Gefriergeräte, Flachbildschirme u.a.m.) sowie LED-Beleuchtung. Eine Vielzahl von Energiespartipps sind z. B. bei CO2-Online zu finden (ebd. o. J.). Selbst kleine Maßnahmen wie Reduzierung des Standby-Verbrauchs summieren sich im Großen (UBA 2015). EU-weit werden die Leerlaufverluste auf jährlich 51 Mrd. Kilowattstunden geschätzt. Dies entspricht einer Energiemenge, die etwa 14 Großkraftwerke mit jeweils 800 Megawatt Leistung pro Jahr erzeugt und dabei etwa 20 Mio. t CO2 in die Atmosphäre emittieren (ebd.).
Mobilität und Logistik
Im Rahmen der sogenannten Verkehrswende spielt die Dekarbonisierung der Antriebe eine zentrale Rolle, denn die Treibhausgasemissionen der Mobilität sind, mit rund 149 Mio. t CO2-Äq bzw. fast 20 Prozent aller CO2-Emissionen allein in Deutschland im Jahr 2021, maßgeblich für den Klimawandel verantwortlich (UBA 2022). Differenziert nach verschiedenen Verkehrsarten zeigt sich, dass der Straßengüterverkehr 2020 rund 46 Mio. t CO2-Äq bzw. 30 Prozent der Verkehrsemissionen verursacht (ebd.) hat. Es sind somit zwei Trends wirksam: Zum einen eine Minderung der Emissionen (insbesondere der Schadstoffe), die aber bei LKWs deutlich größer sind (-32 Prozent) als bei PKWs (-5 Prozent). Zum anderen stieg für beide die Zahl der gefahrenen Kilometer – die PKW-Fahrleistung hat sich seit 1995 verdoppelt, die des Güterverkehrs per LKW ist um 74 Prozent gestiegen (ebd.).
Nutzungsverhalten
Neben der Umrüstung der Dienstwagen auf elektrische Antriebe sollte auch der individuelle Umgang mit Mobilität überdacht werden. Es können beispielsweise THG-Emissionen eingespart werden, wenn die Mitarbeitenden zu Fuß oder mit dem Rad zum Arbeitsplatz im Handel kommen, sofern aus gesundheitlichen Gründen oder einer zu großen Distanz zum Arbeitsort nichts dagegen spricht. Zudem kann der Betrieb die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel z. B. durch ein Jobticket attraktiver gestalten. Auch die Förderung von Dienstfahrrädern ist in einigen Städten und Kommunen möglich. Zusätzlich ist die Bildung von Fahrgemeinschaften denkbar, wenn es sich von den Arbeitszeiten und den Wegen anbietet. Strecken, die mit dem Auto gefahren werden müssen, sollten optimiert werden (Routenoptimierung), insbesondere gilt dies für den Transport von Waren. Außerdem hat die Fahrgeschwindigkeit einen erheblichen Einfluss auf die ausgestoßenen THG-Emissionen. Laut Umweltbundesamt verursachten im Jahr 2020 Pkw und leichte Nutzfahrzeuge auf Bundesautobahnen in Deutschland THG-Emissionen in Höhe von rund 30,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Durch die Einführung eines generellen Tempolimits von 120 km/h auf Bundesautobahnen würden die Emissionen um jährlich 2,0 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente reduziert und ein Tempolimit von 100 km/h würde sie um 4,3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr mindern (UBA 2022b). Auch ohne generelles Tempolimit kann jede*r die Fahrgeschwindigkeit reduzieren, das spart nicht nur THG-Emissionen sondern auch Kosten ein (mobile.de 2020). Denn bei hohen Geschwindigkeiten verbrauchen Fahrzeuge überdurchschnittlich viel Kraftstoff. Nach Angaben des ADAC verbraucht ein Mittelklasseauto um bis zu zwei Drittel mehr Kraftstoff, wenn es statt 100 km/h mit 160 km/h fährt (ebd.).
Logistik
Die Wahl der Verkehrsmittel entlang der Wertschöpfungskette ist sehr relevant für die CO2-Emissionen. Die Emissionen aus der Logistik können leicht mit Hilfe kostenloser Online Tools ermittelt werden wie z. B. mit carboncare ( o. J.), die die Emissionen nach EN 16258-Standard berechnet. Darin ist auch der Emissionsanteil für die Erzeugung und Bereitstellung des Kraftstoffes enthalten. Die folgende Tabelle stellt beispielhaft die CO2– Emissionen unterschiedlicher Transportmittel dar, die bei einem Transport von einer Tonne Gewicht von Shanghai nach Berlin freigesetzt werden. Die Datenauswertung zeigt deutlich, dass Ferntransporte per Schiff zu den energieeffizientesten Transporten gehören. Bereits 1.000 km per Lkw emittieren genauso viel CO2 wie bei 20.000 km Schiffstransport. Die Daten zeigen auch, dass selbst bei einem Transport von Elektronikbauteilen mit geringem Gewicht per Flugzeug, um ein Vielfaches mehr CO2 freigesetzt wird als ein Transport mit anderen Verkehrsmitteln.
Tabelle: Emissionen für einen Langstreckentransport – Shanghai nach Berlin.
Transportmittel | Strecke (km, gerundet) | WTW-CO2-Äq |
Schiff LKW | 19.900 km (Schiff) 200 km (LKW) 20.100 km (gesamt) | 73 kg (nur Schiff) 15 kg (LKW) 88 kg (gesamt) |
Bahn (im Bau) | 10.400 km | 120 kg |
Flugzeug | 8.500 km | 6.900 kg |
Quelle: Eigene Berechnungen mit carboncare (ebd. o. J.).
Geschäftsreisen
Bei Geschäftsreisen besteht vielfach die Wahl zwischen Bahn und Pkw-Nutzung, wobei die PKW-Nutzung im Mittel zum Vier- bis Fünffachen an CO2-Emissionen führt (Mein Klimaschutz o. J.). Bei innerdeutschen Flügen ist man oder Frau aufgrund der langen Check-In-Zeiten im Prinzip kaum schneller als mit der Bahn. Hier kann der UmweltMobilCheck der Deutschen Bahn eine Orientierung geben (Deutsche Bahn o. J.). Eine Fahrt von Berlin nach Hamburg führt bei Pkw-Nutzung zu etwa 54 kg CO2-Äq, bei Bahnnutzung zu 0,03 kg CO2-Äq.
Sollten Geschäftsreisen mit dem Flugzeug gelegentlich unvermeidbar sein, bieten sich Kompensationsmodelle zum Ausgleich der Klimawirkung an, bei denen eine Klimakompensation erfolgt. Hierbei wird ein Geldbetrag entsprechend der verursachten Emissionen überwiesen und dieser wird in Klimaschutzprojekte investiert z. B. in den Moorschutz oder Wiederaufforstung (vgl. atmosfair o. J.). Bei einem Hin-und Rückflug von Berlin nach Shanghai entstehen ca. 4.800 kg CO2 Emissionen. Diese können durch 111 € Ausgleichszahlung kompensiert werden.
Geschäftsfahrzeuge und Antriebskonzepte
Darüber hinaus stellt sich die Frage nach den “Kraftstoffen” für die Mobilität der Zukunft. In der Diskussion stehen Elektrofahrzeuge mit unterschiedlichen Antriebskonzepten, Wasserstofffahrzeuge mit Brennstoffzellen sowie biogene Kraftstoffe.
- Hybrid-Fahrzeuge: Es gibt verschiedene Typen wie Mild-Hybrid, Voll-Hybrid, Plug-in-Hybrid oder Range Extender, die einen mehr oder weniger starken Verbrenner mit einem Elektroantrieb kombinieren. Solange die Reichweite reiner E-Autos noch begrenzt ist, wird es auch diese Fahrzeuge geben.
- Elektroauto mit Batterie: Ein vollelektrisches Fahrzeug (BEV) wird ausschließlich von einem batteriebetriebenen Elektromotor angetrieben. Der wird über das Stromnetz aufgeladen, das heißt: er benötigt keinen fossilen Kraftstoff. Dadurch fährt das Fahrzeug zu 100 Prozent emissionsfrei. Allerdings ist hier der Strommix von Bedeutung: Der Anteil von Gas und Kohle führt zu Emissionen bei der Stromerzeugung.
- Elektroauto mit Brennstoffzelle: Ein Brennstoffzellenauto (FCEV) wird ausschließlich von einem Elektromotor angetrieben. Der Strom wird in einer Wasserstoff-Brennstoffzelle erzeugt. Bei der Nutzung von Wasserstoff in Fahrzeugen ist von entscheidender Bedeutung, dass dieser mit elektrischem Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt wird, ein sogenannter grüner Wasserstoff – denn nur dann ist sein Einsatz in Fahrzeugen CO2-frei und damit klimaneutral. Die Herstellung von grünem Wasserstoff erfolgt mittels Elektrolyse von Wasser.
- Biogene Kraftstoffe: Hier wird der Kraftstoff aus Pflanzen erzeugt. Dies können Öl-Pflanzen wie Raps sein, aus denen Biodiesel, oder Zuckerrohr, aus dem Ethanol erzeugt wird. Letzteres ist z. B. in Brasilien eine wichtige Kraftstoffquelle. Die Antriebstechnik ist vergleichbar mit konventionellen Verbrennungsmotoren mit der Ausnahme, dass das bei der Verbrennung entstehende CO2 klimaneutral ist, denn die bei der Verbrennung freigesetzte CO2-Menge entspricht in etwa derjenigen Menge, die die Pflanze während ihres Wachstums mittels Photosynthese der Atmosphäre entzogen hatte.
Wie wird sich die individuelle und die gewerbliche Mobilität der Zukunft gestalten? Vermutlich wird es die Elektromobilität mit Batterien für PKW und kleine Nutzfahrzeuge bis 3,5 Tonnen sein. Von entscheidender Bedeutung ist, dass der elektrische Strom zur Ladung der Fahrzeugbatterie mit erneuerbaren Energien erzeugt wird. Bei LKW in der Klasse ab 7,5 t ist die Frage noch nicht beantwortet – hier konkurrieren Elektromobilität mit Batterien und Fahrzeuge mit Brennstoffzellen noch miteinander.
Fuhrpark für den motorisierten Individualverkehr
Der motorisierte Individualverkehr (MIV) wird mit PKW´s durchgeführt. Alle Unternehmen besitzen zumindest ein Fahrzeug für den Geschäftsführer, größere Unternehmen stellen Dienstfahrzeuge, große Unternehmen haben ganze Fahrzeugflotten. Laut Statista gab es 2020 mehr als 5 Millionen PKW’s mit einem gewerblichen Fahrzeughalter (ca. 11 Prozent des Fahrzeugbestandes, Statista 2022b). Um die Emissionen im Verkehr deutlich zu reduzieren – dies ist unbedingt notwendig, um die international vereinbarten Klimaziele zu erreichen – muss der Fuhrpark auf emissionsarme Fahrzeuge umgestellt werden. Bei der Umstellung des betrieblichen Fuhrparks von Fahrzeugen mit (fossilen) Verbrennungsmotoren auf alternative Antriebskonzepte stehen derzeit Elektrofahrzeuge mit unterschiedlichen Antriebskonzepten, Wasserstofffahrzeuge mit Brennstoffzellen sowie die Nutzung biogener Kraftstoffe in der Diskussion:
- Hybrid-Fahrzeuge: Es gibt verschiedene Typen wie Mild-Hybrid, Voll-Hybrid, Plug-in-Hybrid oder Range Extender, die einen mehr oder weniger starken Verbrenner mit einem Elektroantrieb kombinieren. Solange die Reichweite reiner E-Autos noch begrenzt ist, wird es auch diese Fahrzeuge geben.
- Elektroauto mit Batterie: Ein vollelektrisches Fahrzeug (BEV) wird ausschließlich von einem batteriebetriebenen Elektromotor angetrieben. Der wird über das Stromnetz aufgeladen, das heißt: er benötigt keinen fossilen Kraftstoff. Dadurch fährt das Fahrzeug zu 100 Prozent emissionsfrei. Allerdings ist hier der Strommix von Bedeutung: Der Anteil von Gas und Kohle führt zu Emissionen bei der Stromerzeugung.
- Elektroauto mit Brennstoffzelle: Ein Brennstoffzellenauto (FCEV) wird ausschließlich von einem Elektromotor angetrieben. Der Strom wird in einer Wasserstoff-Brennstoffzelle erzeugt. Bei der Nutzung von Wasserstoff in Fahrzeugen ist von entscheidender Bedeutung, dass dieser mit elektrischem Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt wird, ein sogenannter grüner Wasserstoff – denn nur dann ist sein Einsatz in Fahrzeugen CO2-frei und damit klimaneutral. Die Herstellung von grünem Wasserstoff erfolgt mittels Elektrolyse von Wasser.
- Biogene Kraftstoffe: Hier wird der Kraftstoff aus Pflanzen erzeugt. Dies können Öl-Pflanzen wie Raps sein, aus denen Biodiesel, oder Zuckerrohr, aus dem Ethanol erzeugt wird. Letzteres ist z. B. in Brasilien eine wichtige Kraftstoffquelle. Die Antriebstechnik ist vergleichbar mit konventionellen Verbrennungsmotoren mit der Ausnahme, dass das bei der Verbrennung entstehende CO2 klimaneutral ist, denn die bei der Verbrennung freigesetzte CO2-Menge entspricht in etwa derjenigen Menge, die die Pflanze während ihres Wachstums mittels Photosynthese der Atmosphäre entzogen hatte.
Wie wird sich die individuelle und die gewerbliche Mobilität der Zukunft gestalten? Vermutlich wird es die Elektromobilität mit Batterien für PKW und kleine Nutzfahrzeuge bis 3,5 Tonnen sein. Von entscheidender Bedeutung ist, dass der elektrische Strom zur Ladung der Fahrzeugbatterie mit erneuerbaren Energien erzeugt wird. Bei LKW in der Klasse ab 7,5 t ist die Frage noch nicht beantwortet – hier konkurrieren Elektromobilität mit Batterien und Fahrzeuge mit Brennstoffzellen noch miteinander.
Nutzungsverhalten
Neben der Umrüstung der Dienstwagen auf elektrische Antriebe sollte auch der individuelle Umgang mit Mobilität überdacht werden. Es können beispielsweise THG-Emissionen eingespart werden, wenn die Mitarbeitenden zu Fuß oder mit dem Rad zum Arbeitsplatz im Handel kommen, sofern aus gesundheitlichen Gründen oder einer zu großen Distanz zum Arbeitsort nichts dagegen spricht. Zudem kann der Betrieb die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel z. B. durch ein Jobticket attraktiver gestalten. Auch die Förderung von Dienstfahrrädern ist in einigen Städten und Kommunen möglich. Zusätzlich ist die Bildung von Fahrgemeinschaften denkbar, wenn es sich von den Arbeitszeiten und den Wegen anbietet. Strecken, die mit dem Auto gefahren werden müssen, sollten optimiert werden (Routenoptimierung), insbesondere gilt dies für den Transport von Waren. Außerdem hat die Fahrgeschwindigkeit einen erheblichen Einfluss auf die ausgestoßenen THG-Emissionen. Laut Umweltbundesamt verursachten im Jahr 2020 Pkw und leichte Nutzfahrzeuge auf Bundesautobahnen in Deutschland THG-Emissionen in Höhe von rund 30,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Durch die Einführung eines generellen Tempolimits von 120 km/h auf Bundesautobahnen würden die Emissionen um jährlich 2,0 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente reduziert und ein Tempolimit von 100 km/h würde sie um 4,3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr mindern (UBA 2022b). Auch ohne generelles Tempolimit kann jede*r die Fahrgeschwindigkeit reduzieren, das spart nicht nur THG-Emissionen sondern auch Kosten ein (mobile.de 2020). Denn bei hohen Geschwindigkeiten verbrauchen Fahrzeuge überdurchschnittlich viel Kraftstoff. Nach Angaben des ADAC verbraucht ein Mittelklasseauto um bis zu zwei Drittel mehr Kraftstoff, wenn es statt 100 km/h mit 160 km/h fährt (ebd.).
Energiespeicherung
Eine zentrale Herausforderung bei der Nutzung erneuerbarer Energien ist ihre Fluktuation, denn Solarstrahlung steht nachts nicht zur Verfügung und auch der Wind weht nicht kontinuierlich. Eine ausgeglichene Balance von Stromerzeugung und Stromnachfrage ist aber unabdingbar für die Versorgungssicherheit sowie die Netzstabilität. Um eine gleichmäßige Frequenz im Stromnetz aufrechtzuerhalten, müssen Erzeugung und Nutzung aufeinander abgestimmt werden. Andernfalls muss die Differenz und mögliche Frequenzschwankungen durch die sogenannte Regelenergie ausgeglichen werden. Möglichkeiten dazu sind:
- Abschaltung von EE-Anlagen (geringere Einspeisung)
- Zuschaltung von Speicherkraftwerken (höhere Einspeisung)
- Abschaltung großer Verbraucher (geringere Entnahme)
Die Abschaltung ist aber unökologisch und unwirtschaftlich. Um dies zu vermeiden, bieten sich Energiespeicher an, die bei Bedarf zugeschaltet werden. Diese sind:
- Pumpspeicherkraftwerke: Kostengünstig, nur für gebirgige dünn besiedelte Regionen (z. B. Norwegen, Öst. Alpen), benötigen einen Netzanschluss z. B. durch sehr lange und teure DC-Leitungen z. B. durch die Ost- und Nordsee bei norwegischen Speichern.
- Druckluft: Einfache Technologie, gut nutzbar bei Anbindung an Windkraftanlagen, aber nur begrenztes Speicherpotential und bisher eher ein Forschungsgegenstand.
- Schwungräder: Einfache Technologie, aber hohe Masse des Rades und noch in der Entwicklung.
- Chemisch als Wasserstoff: Elektrolyse von Wasser zur Stromerzeugung, gut erforscht für Kleinanlagen, derzeit erfolgt ein großtechnischer Aufbau, wichtiger Zielkonflikt: Wasserstoff ist auch relevant für die Stahl-, Zement- und chemische Industrie sowie zum Antrieb von LKWs (evt. Flugzeuge), teure Technologie.
- Chemisch als Methan: Elektrolyse von Wasser zur Stromerzeugung, dann Reduktion von CO2 zu Methan (CH4), relevant für Gebäudeheizungen, teure Technologie.
Allen obigen Technologien ist gemeinsam, dass die Umwandlung von Kraft oder innerer Energie immer mit hohen Verlusten aufgrund der Thermodynamik (Wärmeverluste) verbunden ist. Die wichtigste Batterie ist derzeit die Lithium-Ionen-Batterie. (GRS o. J., ISE 2021): Dieser Batterietyp dient sowohl für die Versorgung von Kleingeräten (Mobiltelefone, Tablet, Notebooks, Werkzeuge) als auch für Fahrzeuge und Fahrräder sowie als Hausspeicher (s.a.u.). Batterien im Kleinstbereich und für die Elektromobilität müssen ein geringes Gewicht beim höchsten Energiegehalt haben. Weitere Faktoren sind die Kosten, die Brandsicherheit, die Ladefähigkeit und die Lebensdauer. Die Kathode enthält Kobalt-Oxid (CoO), die Anode besteht aus Graphit. Als Elektrolyt dienen Li-organische Verbindungen. Die Vorteile sind die höchste Energiedichte aller im großen Maßstab produzierten Batterien, kein Memory Effekt und eine gute Zyklenfestigkeit. Die Nachteile sind ein hoher Preis, ein aufwändiges Zellmanagement aufgrund der geringen Größe und damit verbunden mit einer hohen Anzahl von Zellen. Aus Sicht der Nachhaltigkeit ist insbesondere die Gewinnung von Cobalt in Sambia und der Demokratischen Republik Kongo, dem wichtigsten aller Lieferländer, sehr gewichtig, da hier u.a. ein illegaler und umweltzerstörender Abbaus stattfindet (FAZ-net 2022, Save the Children 2022). Lithium ist ein Salz, das in verschiedenen Ländern in Salzseen vorkommt. Der größte Produzent ist Australien (51.000 t) vor Chile (13.000 t; VW o. J.). Hierbei spielt insbesondere die Bereitstellung von Wasser und die Abwasserbehandlung eine wichtige Rolle, da die Gewinnung meist in ariden Regionen stattfindet. Die bekannten Reserven übersteigen derzeit die Bedarfe um ein Vielfaches, weshalb diskutiert wird, ob Lithium ein “knappes” Metall ist oder nicht (ebd.).
Energieverbrauch durch Digitalisierung
Ohne Rechenzentren ist eine digitale Gesellschaft und auch keine digitale (Gesundheits-)Wirtschaft möglich. Aber durch die zunehmende Digitalisierung steigt auch der Stromverbrauch durch die Nutzung von Technologien, durch Technik in den (Gesundheits-)Unternehmen, durch Infrastruktur für die Datenübertragung und vor allem durch die Rechenzentren.
Die Entwicklung der Datenübertragung gibt einen ersten Hinweis, wie sich die Bedarfe für den Stromverbrauch entwickeln könnten, wobei jedoch technische Innovationen, wie der Übergang auf höhere Mobilfunkstandards, gleichzeitig die Energieeffizienz steigern. Im Jahr 2010 lag das Datenvolumen des deutschen Breitbandnetzes bei ca. 3,4 Mrd. Gigabyte (GB, 3,5 Exabyte). Bis 2019 stieg es um 1.600 Prozent auf 56 Mrd. GB, in der Coronal-Zeit machte es einen erneuten Sprung in 2020 auf 72 Mrd. GB (Deutscher Bundestag 2021). In 2021 sollen 100 Mrd. GB allein im Festnetz gewesen sein, die Ursache könnte in der Nutzung hochaufgelösten TV-Streamings und Virtual Reality Apps liegen, die hohe Datenübertragungen voraussetzen (t-online 2022). Die Datenübertragung geht mit mehr Rechenkapazität und damit im Prinzip auch einem höheren Strombedarf einher. Er lag in 2020 bei rund 16 Mrd. kWh und er wird auch weiter steigen (Deutscher Bundestag 2021): Nach Fachschätzungen [des BMU] wird vor allem der Energiebedarf der Server durch die hohe Nachfrage an Rechenleistung in deutschen Rechenzentren vom Jahr 2015 bis zum Jahr 2025 um mehr als 60 Prozent steigen. Zum Vergleich:
- Ein großes Kohlekraftwerk (mit mehreren Blöcken) mit 1.000 MW Leistung erzeugt pro Jahr rund 440 Mio. kWh Strom (stromrechner o. J.). Somit müssen rund 36 große Kohlekraftwerke rund um die Uhr laufen, um den Strombedarf der Rechenzentren zu decken. Bei einem Strommix von 400 g THG-Emissionen pro kWh (ein Teil des Stroms stammt immer aus erneuerbaren Energien) ergeben sich Emissionen von 6,4 Mio. t CO2-Äq.
- Eine große Off-Shore Windenergieanlage kann bis zu 60 Mio. kWh Strom erzeugen (stromrechner o. J.). Es wären somit rund 265 Offshore-Windenergieanlagen notwendig – in 2021 waren rund 1.500 Offshore-Windräder in Nord- und Ostsee installiert. Fast 20 Prozent der Windräder Off-Shore versorgen somit im Prinzip nur die Rechenzentren.
Der Stromverbrauch für die Digitalisierung wird von verschiedenen gegenläufigen Entwicklungen geprägt:
- Einerseits steigen die Bedarfe nach digitaler Kommunikation und Entertainment der Haushalte (s.u.).
- Weiterhin bedingt der stetige Ausbau “Industrie 4.0” höhere Bedarfe an Rechenleistung in Gewerbe und Industrie
- Andererseits entwickelt sich die Rechenleistung dynamisch weiter (Deutscher Bundestag): IT-Komponenten wie Server, Storage und Netzwerk benötigten rund 10 Mrd. kWh im Jahr 2020 und somit rund 75 Prozent mehr Strom als im Jahr 2010 (5,8 Mrd. kWh). Aber gleichzeitig hat sich der Workload (Verarbeitungsmenge bzw. Auslastung eines Prozesses) verachtfacht (800 Prozent Steigerung).
Stromverbrauch und Rechenkapazität bzw. Datenvolumen sind also nicht linear miteinander verbunden (wie derzeit noch Ressourcenkonsum und Wirtschaftswachstum). Dennoch wird der Strombedarf künftig stetig steigen (Borderstep 2022). Vor allem für den Gesundheitssektor wird der zukünftige Energieverbrauch für digitalisierte Prozesse zu berücksichtigen sein.
Quellenverzeichnis
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Stromreport (2022) Deutscher Strommix – Stromerzeugung Deutschland bis 2022. Online: https://strom-report.de/strom/#
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Tagesschau (2022): Gehört Wärmepumpen die Zukunft? Online:tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/waermepumpe-klimaschutz-ukraine-energiepreise-viessmann-heizung-101.html
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UBA (2015): EU sagt Leerlaufverlusten den Kampf an. Online: https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/energiesparen/leerlaufverluste
UBA Umweltbundesamt (2009): Beleuchtungstechnik mit geringerer Umweltbelastung Online: umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/pdfs/UBA_Licht_Ausgabe_03.pdf
UBA Umweltbundesamt (2021): Wie hoch sind die Treibhausgasemissionen pro Person in Deutschland durchschnittlich? Online: https://www.umweltbundesamt.de/service/uba-fragen/wie-hoch-sind-die-treibhausgasemissionen-pro-person
UBA Umweltbundesamt (2021a): Online: https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/erneuerbare-energien/bioenergie#bioenergie-ein-weites-und-komplexes-feld-
UBA Umweltbundesamt (2021b): Naturschutz und Bioenergie. Online: bmuv.de/themen/naturschutz-artenvielfalt/naturschutz-biologische-vielfalt/naturschutz-und-energie/naturschutz-und-bioenergie
UBA Umweltbundesamt ( 2022): Erneuerbare Energien in Zahlen. Online: https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/erneuerbare-energien/erneuerbare-energien-in-zahlen
UBA Umweltbundesamt (2022b): Tempolimit. Online: https://www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr-laerm/nachhaltige-mobilitaet/tempolimit#t
UBA Umweltbundesamt ( J.): Leerlaufverluste. Online: https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/energiesparen/leerlaufverluste
Umweltbundesamt (2021b): Naturschutz und Bioenergie. Online:bmuv.de/themen/naturschutz-artenvielfalt/naturschutz-biologische-vielfalt/naturschutz-und-energie/naturschutz-und-bioenergie
Umweltbundesamt (2022): CO₂-Emissionen pro Kilowattstunde Strom steigen 2021 wieder an. Online: umweltbundesamt.de/themen/co2-emissionen-pro-kilowattstunde-strom-steigen
Umweltbundesamt (2022c): Bioenergie – ein weites und komplexes Feld. Online: umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/erneuerbare-energien/bioenergie#bioenergie-ein-weites-und-komplexes-feld-
Umweltbundesamt (2022h): Wasserstoff im Verkehr: Häufig gestellte Fragen (FAQs). Online: umweltbundesamt.de/themen/verkehr-laerm/kraftstoffe/wasserstoff-im-verkehr-haeufig-gestellte-fragen#einleitung
Viessmann (o. J.): Der Kältekreisprozess als Teil der Funktionsweise. Online: https://www.viessmann.at/de/wissen/technologie-und-systeme/luft-wasser-waermepumpe/funktionsweise.html
VW o. J.: Glossar Batterie. Online: https://www.volkswagenag.com/de/news/stories/2019/09/battery-glossary–assembly–research-and-strategy.html
Weinhold, Nicole (2021): Redox-Flow-Batterie Größte Batterie ohne Lithium. In: Erneuerbare Energie. TFV Technischer Fachverlag GmbH Stuttgart 07.10.2021. Online: https://www.erneuerbareenergien.de/transformation/speicher/redox-flow-batterie-groesste-batterie-ohne-lithium
Wikimedia (2020): Installierte PV-Leistung in Deutschland. Online: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=90477752
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SDG 8 Menschenwürdige Arbeit
“Dauerhaftes, inklusives und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit
für alle fördern”
Das SDG 8 „Menschenwürdige Arbeit” fördert eine produktive Vollbeschäftigung sowie eine menschenwürftige Arbeitsperspektive für alle um ein dauerhaftes, inklusives und nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu gewährleisten (Destatis o. J.).
Für die/den Pflegefachfrau/mann sind insbesondere zwei Unterziele hervorzuheben (Destatis o. J.):
8.5 Bis 2030 produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle Frauen und Männer, einschließlich junger Menschen und Menschen mit Behinderungen, sowie gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit erreichen
8.8 Die Arbeitsrechte schützen und sichere Arbeitsumgebungen für alle Arbeitnehmer, einschließlich der Wanderarbeitnehmer, insbesondere der Wanderarbeitnehmerinnen, und der Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen, fördern
Die Schnittstellen zur neuen Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ ergibt sich über die Beachtung der gesellschaftlichen Folgen des beruflichen sowie der zu entwickelnden Beiträge für eine menschenwürdige Arbeit und ein nachhaltiges Wachstum (BMBF 2022):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und
Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Das SDG 8 und der Gesundheitssektor
Die folgenden Kapitel beschäftigen sich mit den Grundlagen einer menschenwürdigen Arbeitsweise und zeigen auf, wie durch einen verantwortungsvollen Umgang mit der Ressource Mensch menschenunwürdiger Arbeit entgegengewirkt werden kann. Einige Themen beziehen sich dabei direkt auf den Gesundheitsbereich, wie beispielsweise die Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland oder der Umgang mit ihnen. Andere Themen wie Kinderarbeit betreffen zunächst nicht direkt die Gesundheitseinrichtungen, sind jedoch relevant, wenn man Liefer- und Wertschöpfungsketten betrachtet. Ein Beispiel hierfür ist die Herstellung von Arbeitskleidung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Gesundheitseinrichtungen in anderen Ländern, oft unter schlechten Arbeitsbedingungen (vgl. auch Kapitel SDG 12).
Arbeitsbedingungen in der Pflege
Pflegekräfte dienen in Gesundheitseinrichtungen, neben ihren klassischen Pflegetätigkeiten, oft als zentrale Koordinationsstelle zwischen allen Berufsgruppen im Gesundheitsbereich sowie den Angehörigen und Pflegenden. Die Personalbemessung und das Patienten-Pflege-Verhältnis stimmen jedoch oft nur unzureichend, weshalb Pflegekräfte zwar gute Arbeit leisten möchten, dies aber zumeist nicht können. Laut einer Studie der Hans Böckler Stiftung fehlten bereits 2018 ca. 100.000 zu besetzende Vollzeitstellen im Pflegedienst (Hans Böckler Stiftung 2018). Eine Kombination aus Personalmangel und unzureichender Entlohnung führt vermehrt dazu, dass zu viele Pflegekräfte wegen der Arbeitsbedingungen stark überlastet sind, unter Burnout leiden und langfristig aus dem Job aussteigen (ebd.). Auch Regelungen in der Krankenhausfinanzierung zwangen die Einrichtungen zu Kostensenkungen und insbesondere im Pflegedienst zu einem Stellenabbau. Als wesentlicher Treiber für das Fehlen des Fachkräftepersonals gilt unter anderem die Einführung eng kalkulierter Fallpauschalen im Gesundheitssektor, die zumeist den pflegerischen Aspekt der Gesundheitsversorgung nicht oder nur unzureichend berücksichtigen (ebd.). Viele Pflegekräfte sind aufgrund anhaltender Unterbesetzung chronisch überlastet, was sich wiederum auf die Pflege insgesamt auswirkt (vgl. SDG 3 Gesundheit von Pflegekräften).
Der massive Fachkräftemangel in der Pflege führt zu einer doppelten Belastung: vorhandene Pflegekräfte sind aufgrund der Arbeitsintensität und schlechten Bedingungen überlastet, gleichzeitig führen diese unattraktiven Arbeitsbedingungen dazu, dass noch mehr Personen die Pflegeberufe verlassen, was zu noch mehr Arbeitsintensität bei den bestehenden Pflegekräften führt (ebd.). Die Attraktivität des Pflegeberufes lässt seit Jahren nach, die Verweildauer einer Mitarbeiterin in der Pflege in einem Krankenhaus liegt bei 14, in der Altenpflege bei 8 Jahren (vgl. Wieteck 2018). Insbesondere Mängel in der Dienstplanung, fehlende Unterstützung bei Konflikten, eine Kultur der Schuldzuweisung beim Auftreten von Fehlern oder auch fehlende Fort- und Weiterbildungsangebote für die Pflegekräfte begünstigen eine Abkehr. Dahingegen fördert eine unterstützende Arbeitsumgebung, die Anerkennung und Wertschätzung des Berufes, eine konstante Einbindung von Pflegefachpersonen in Management- und Leitungsqualifikationen und auch pünktliche Gehaltszahlungen, sodass Pflegekräfte mit ihrer Arbeit und ihrem Arbeitsumfeld sehr zufrieden sind (ICN 2016). Darüber hinaus reduziert eine Optimierung von Arbeitsprozessen sowie der Einsatz von sinnvollen und effizienten Systemen (KIS-Systeme) eine unnötige Doppeldokumentation und schafft neue Freiräume, die für die Pflege der Bedürftigen genutzt werden kann (vgl. Wieteck 2018).
Gute Arbeitsbedingungen in der Pflege begünstigen nach Needleman (2015) nicht nur eine bessere Versorgung der Patienten und Pflegebedürftigen, sondern tragen langfristig auch zu einem verbesserten Wirtschaftswachstum bei. Nach den Studienergebnisse von Needleman (2015) wurden durch eine sichere Personalplanung und ein hohes Pflege Niveau Einsparungen für ein amerikanisches Gesundheitsunternehmen errechnet, da unter anderem Fehlerquoten in der Pflege drastisch sanken und dadurch Folgekosten eingespart werden konnten. Nach Needleman (2015) kompensieren sich die Mehrkosten für das Pflegepersonal durch eine insgesamt höhere Effizienz in der Pflegetätigkeit (Needleman 2015).
Die Frage, unter welchen Bedingungen bereits ausgebildete, aber „ausgestiegene“ Pflegekräfte in Deutschland in ihren Beruf zurückkehren beziehungsweise Teilzeit-Pflegekräfte ihre Arbeitszeit erhöhen würden, stand zuletzt in einer Online-Befragung im Rahmen einer Studie zur Pflege im Mittelpunkt (Hans Böckler Stiftung 2022). Demnach könnte sich die Hälfte der teilzeitbeschäftigten Pflegekräfte und sogar 60 Prozent der Ausgestiegenen eine Rückkehr in den Beruf bzw. ein Aufstocken der Arbeitsstunden vorstellen, vorausgesetzt die Rahmenbedingungen der Arbeit würden sich verbessern (ebd.). Als stärkste Motivation, wieder in den Pflegeberuf zurückzukehren, nannten die Befragten eine verbesserte Personaleinsatzplanung, die sich am tatsächlichen Bedarf der Pflegebedürftigen orientiert. Außerdem wünschen sich Pflegekräfte eine bessere Bezahlung und verlässliche Arbeitszeiten. Mehr Zeit für menschliche Zuwendung zu haben, nicht unterbesetzt arbeiten zu müssen und verbindliche Dienstpläne sind für die Befragten weitere zentrale Bedingungen (ebd.).
In einer 2016 veröffentlichen Stellungnahme des Internationalen Rats der Krankenschwestern und Krankenpfleger (ICN) werden weitere Voraussetzungen für eine gute Pflege sowie die damit einhergehenden Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte herausgestellt: Studien zeigen, dass eine größtmögliche Qualität und Sicherheit der Patientenversorgung gewährleistet ist, wenn die Planung des Pflege-Fachkräftepotenzial und anderen Gesundheitsberufen zielgerichtet erfolgt und das Management u.a. die Pflegekräfte planerisch dahingehend unterstützt, eine effiziente und Patientenfokussierte Arbeitsleistung zu erbringen (ICN).
Ein angemessenes Qualifikationsniveau der Pflegekräfte geht vor allem auch mit der Entwicklung und Unterstützung des Managements einher. Pflegefachpersonal verlässt häufiger die Jobposition, wenn es mit einer schlechten Führungsqualität konfrontiert ist (ebd.). Eine Verringerung der Arbeitsbelastung bei gleichzeitig mehr Zeit für Pflegebedürftige sowie eine höhere Wertschätzung, vor allem in Form einer besseren Bezahlung, würden die Arbeitsbedingungen in der Pflege insgesamt verbessern und Pflegepersonal langfristig halten können (Auffenberg 2021). Das gesundheitliche Wohlbefinden der Patienten und Pflegebedürftigen ist nicht nur abhängig von gut ausgebildeten Pflegefachpersonal, und einem wohlwollenden Management, sondern auch von einer Vielzahl politischer Entscheidungen bezüglich personeller Ausstattung, Finanzierung, Kosteneinsparungen und weiteren Rahmenbedingungen.
Pflegekräfte aus dem Ausland
In Deutschland fehlen Fachkräfte im Gesundheitswesen. Um den Fachkräftebedarf sowohl in Krankenhäusern als auch in Pflegeeinrichtungen langfristig zu sichern, setzt auch Deutschland vermehrt auf die Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland. Aus dem Ausland kommende qualifizierte Fachkräfte und auch zukünftige Auszubildende, die eine Ausbildung in einem Gesundheitsberuf absolvieren möchten, finden wiederum häufig in ihren Heimatländern keine Arbeit. Die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und die Bundesagentur für Arbeit (BA) haben gemeinsam das Programm „Triple Win” ins Leben gerufen. Seit 2013 zielt das Projekt darauf ab, ausgebildete Pflegefachkräfte und potenzielle Auszubildende aus dem Ausland zu gewinnen (Bundestag 2021). Inzwischen sind bereits mehr als 5.000 Pflegefachkräfte aus Bosnien und Herzegowina, den Philippinen, Tunesien, Indonesien, Kerala (Indien) und Jordanien an Kliniken und Pflegeeinrichtungen in Deutschland vermittelt worden (ebd.). Mit dem Partnerland Vietnam unterstützt das Projekt seit 2019 die Vermittlung von Auszubildenden für den deutschen Gesundheitsmarkt. Im Jahr 2019 unterzeichnete ebenfalls der ehemalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn eine Vereinbarung mit Mexiko, um qualifizierten mexikanischen Pflegekräften schneller eine Arbeitserlaubnis in Deutschland zu ermöglichen (BMG 2019). Durch eine gezielte Anwerbung von bereits ausgebildeten Pflegekräften sowie die Ausbildung von qualifizierten Menschen aus Drittstaaten soll so dem Fachkräftemangel entgegengewirkt werden.
Eine nachhaltig betriebliche Integration, der aus dem Ausland migrierten Pflegekräfte, erweist sich jedoch nach wie vor als große Herausforderung in den Einrichtungen und geht zumeist mit einer hohen Unzufriedenheit des bereits bestehenden Pflegepersonals, sowie der Neuzugänge einher. In einer Studie für die Hans Böckler Stiftung haben Pütz et al. (2019) anhand von Interviews mit ausländischen Pflegekräften betriebliche Herausforderungen bei der Integration von Pflegekräften aus dem Ausland identifiziert. Vor allem herrsche in den Pflegeeinrichtungen nach wie vor ein Arbeitsumfeld, geprägt von Hierarchie und Machtdifferenzen, die vor allem migrierte Pflegekräfte in eine Außenseiterposition drängen. Das Zurückhalten von Wissen sowie Sprachbarrieren und die damit einhergehende fehlende Kommunikationsmöglichkeit begünstigen darüber hinaus nach wie vor Ungleichheiten innerhalb von Pflegeteams sowohl mit migrierten Pflegekräften als auch bereits etabliertem Personal (ebd.).
Um den Herausforderungen entgegenzuwirken fördert das Deutsche Kompetenzzentrum für internationale Fachkräfte in den Gesundheits- und Pflegeberufen seit 2019 die Integration von ausländischen Fachkräften indem es Akteure zusammenbringt und Praxisbeispiele aufzeigt, wie eine Zusammenarbeit ethisch, wertschätzend, fair, partizipativ und nachhaltig praktiziert werden kann und die Zufriedenheit von internationalen Pflegekräften aber auch von bereits etablierten Pflegekräften zu verbessern (DKF o. J.).
Zudem hat die Bundesregierung für die Anwerbung von Pflegekräften aus dem Ausland ein gesetzlich verankertes Gütesiegel ins Leben gerufen (Bundestag Presse 2022). Das Siegel “Faire Anwerbung Pflege Deutschland” wurde inzwischen an über 50 Einrichtungen vergeben und stellt konkrete Anforderungen für eine ethische Anwerbung und Integration von Pflegekräften aus dem Ausland in das deutsche Gesundheitssystem auf (ebd.). Deutschland folgt mit dem Siegel dem globalen Verhaltenskodex der WHO für die internationale Anwerbung von Gesundheitsfachkräften (Siegel FAPD 0.J.). Vor der Ausgabe des Siegels werden Vereinbarungen und Verfahrensweisen hinsichtlich der Integration von rekrutierten Pflegekräften geprüft. Kriterien für faire und angemessene Anwerbe- und Vertriebspraktiken sowie die Einhaltung dieser stehen im Vordergrund (ebd.). Durch den Erhalt der Siegel verpflichten sich die Arbeitgeber, ausländische Pflegefachkräfte bei der Integration zu unterstützen und ihnen eine gleiche Vergütung zu bezahlen. Somit soll das Siegel auch gleichzeitig zu einer modernen Einwanderungs- und Integrationspolitik beitragen (Siegel FAPD 0.J.).
DGB Index Gute Arbeit
Die Qualität von Arbeitsbedingungen wird seit 2012 aufgrund von 42 standardisierten Fragen in einer bundesweiten repräsentativen Erhebung ermittelt (DGB 2022). Elf Kriterien der Arbeitsqualität werden abgefragt. Im November 2022 wurde der DGB-Index Gute Arbeit 2022 veröffentlicht. Wie schon in den vorangegangenen Jahren gibt es zu den Kriterien „Arbeitsintensität“ und „Einkommen“ erheblich kritische Bewertungen.
Der Index 2022 zeigt z. B. für die Branchen „Metallerzeugung und –bearbeitung“ (64), „Ver- und Entsorgung“ (69), „Baugewerbe“ (66), „Gastgewerbe“ (62), „Information und Kommunikation“ (69), „Finanz- und Versicherungsdienstleistungen“ (68) und „Gesundheitswesen“ (62) auf, dass die Arbeitsbedingungen noch weit entfernt sind vom Anspruch „Gute Arbeit“.
In der ausführlichen Debatte über die Detailergebnisse für 2022 sticht hervor, dass Beschäftigte in Leiharbeitsverhältnissen ihre Situation auffällig schlecht bewerten (ebd.).
„Auf Branchenebene kommen Beschäftigte aus dem Gastgewerbe und dem Gesundheitswesen auf die niedrigsten Indexwerte (jeweils 62 Punkte). In der Informations- und Kommunikationsbranche (IuK) liegt der Wert dagegen bei 69 Punkten. Auch in den Branchen treten auf Ebene der Teilindizes zum Teil sehr große Unterschiede zutage. Beim Teilindex „Ressourcen“ kommen IuK-Beschäftigte auf 75 Indexpunkte, Arbeitnehmer*innen aus der Metallerzeugung und -bearbeitung dagegen lediglich auf 68 Punkte. Die höchsten Belastungen finden sich im Bereich Erziehung und Unterricht (54 Punkte) sowie im Gesundheitswesen (56 Punkte), wo häufig sowohl physische als auch psychische Belastungsfaktoren auftreten. Die größte Diskrepanz auf Branchenebene zeigt sich bei der Bewertung von „Einkommen und Sicherheit“. Hier liegen die Befragten aus dem Gastgewerbe mit 54 Punkten um 16 Punkte unter dem Wert der Beschäftigten aus der öffentlichen Verwaltung (70 Punkte).“ (a.a.O., S. 13)
Darüber hinaus zeigt der Blick in einzelne Branchen und Berufsgruppen, dass noch immer körperliche Belastungen in vielen Bereichen sehr verbreitet sind (ebd.:S. 19).
Einen wesentlichen Einfluss auf die Bewertung der eigenen Arbeitsbedingungen haben die Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten im Arbeitskontext. Im Zusammenhang mit nachhaltiger Entwicklung ist das Kriterium „Sinn der Arbeit“ eine wesentliche Ressource zur Beurteilung der eigenen Arbeitsbedingungen. Dazu führt der Bericht „Index Gute Arbeit 2022“ aus: „Der Sinngehalt von Arbeit ist eine Ressource, die sich aus unterschiedlichen Quellen speisen kann. Dazu gehört, dass die Produkte bzw. Dienstleistungen, die produziert oder erbracht werden, als nützlich erachtet werden. Häufig ist dies mit der Einschätzung verbunden, ob die Arbeit einen gesellschaftlichen Mehrwert erzeugt. Sinnhaftigkeit kann dadurch entstehen, dass die Arbeit einen Nutzen für Andere hat. Und wichtig für Sinnempfinden ist auch, dass die eigenen, ganz konkreten Arbeitsaufgaben und -merkmale nicht sinnlos erscheinen. Wird Arbeit als sinnvoll empfunden, wirkt sich das positiv auf die Motivation und das Wohlbefinden der Beschäftigten aus. Dauerhaft einer als sinnlos erachteten Arbeit nachzugehen, stellt dagegen eine mögliche psychische Belastung und damit ein gesundheitliches Risiko dar.
BDA - Die Arbeitgeber
Die Arbeitgeber argumentieren mit positiven Statistiken, dass die Arbeitsbedingungen in Deutschland sehr gut sind (BDA o. J.). So sind laut der European Working survey 89 Prozent der in Deutschland Beschäftigten mit ihrem Job zufrieden, 74 Prozent gaben in der Befragung an, dass ihnen ihr Job Spaß macht und 91 Prozent bestätigen einen fairen Umgang am Arbeitsplatz (Eurofond 2021, BDA o. J.). Auch hinsichtlich der Arbeitssicherheit ist die Entwicklung positiv: Sowohl die Arbeitsunfälle, als auch die Unfallquote hat sich seit 1991 halbiert (BDA o. J.). Diese befinden sich seit 2004 unter 1 Mio. und bewegen sich seitdem zwischen 954.000 und 760.000 gemeldeten Fällen (Statista 2021).
Außerdem wird auf die Prävention und den Gesundheitsschutz hingewiesen, für den 2016 ca. fünf Mrd. € ausgegeben wurden, was 40 Prozent der gesamten Ausgaben von 11,7 Mrd. € ausmacht (BDA o. J.). Die betriebliche Gesundheitsförderung, wie Stressmanagement, gesundheitsgerechte Mitarbeiterführung oder Reduktion der körperlichen Belastung kommt dabei sowohl den Beschäftigten als auch den Arbeitgebern zugute. Zuletzt wird noch auf die Eigenverantwortung hingewiesen, die aus selbstverantwortlichen Entscheidungen und flexibleren Arbeitszeiten resultiert.
Prekäre Beschäftigungsverhältnisse
Menschen arbeiten auch in Deutschland teilweise in prekären Beschäftigungsverhältnissen und die “Bedeutung des sogenannten Normalarbeitsverhältnisses nimmt ab, während atypische Formen von Arbeit an Bedeutung zunehmen” (Jakob 2016). Dazu zählen befristete Arbeitsverträge, geringfügige Beschäftigung, Zeitarbeit, (Ketten-)Werkverträge und verschiedene Formen der (Schein-)Selbstständigkeit oder auch Praktika. Durch die Agenda 2010 wurde das Sicherungsniveau für von Arbeitslosigkeit Betroffene deutlich gesenkt (Arbeitslosengeld I in der Regel nur für ein Jahr, danach Arbeitslosengeld II). Menschen sehen sich eher gezwungen, “jede Arbeit zu fast jedem Preis und zu jeder Bedingung anzunehmen. Das hat dazu geführt, dass die Löhne im unteren Einkommensbereich stark gesunken sind” (Jakob 2016). 2015 wurde mit der Einführung des Mindestlohns dagegen gesteuert.
Das Thema betrifft auch das SDG 10 “Ungleichheit”, denn jeder Mensch hat das Recht auf faire und gute Arbeitsverhältnisse, dies ist vielen Menschen jedoch verwehrt. Prekäre Beschäftigung widerspricht dem Leitbild von ”Guter Arbeit“, verbaut Entwicklungsmöglichkeiten von Beschäftigten und verstärkt nachweislich den Trend zu psychischen Belastungen und Erkrankungen sowie deren Folgewirkungen (Jakob 2016) (siehe auch SDG “Gesundheit”) .
Kinderarbeit
Zur Definition und Umsetzung von menschenwürdigen Arbeitsbedingungen sind global große Unterschiede zu verzeichnen. Ein Beispiel hierfür ist die Kinderarbeit, die weltweit noch immer verbreitet ist. 79 Millionen Kinder arbeiten unter ausbeuterischen Bedingungen, vor allem in Fabriken, die wenig qualifiziertes Personal benötigen oder in der Landwirtschaft sowie im Bergbau (BMZ 2021 und 2022). Nach Angaben der ILO müssen weltweit rund 152 Millionen Kinder zwischen fünf und siebzehn Jahren arbeiten, vor allem in der Landwirtschaft, als Hausangestellte oder in Minen. Viele dieser Tätigkeiten sind gesundheitsgefährdend. Die ILO setzt sich schon lange für die Abschaffung von Kinderarbeit ein, sie ist Partnerorganisation in der „Allianz 8.7“, einer globalen Partnerschaft, die sich zum Ziel gesetzt hat, Zwangsarbeit, moderne Sklaverei, Menschenhandel und Kinderarbeit weltweit zu beseitigen, wie es in den Zielen für nachhaltige Entwicklung 2030 formuliert wurde. (ILO 2021) Unter Mitwirkung der deutschen Bundesregierung wird seit 1992 ein von der ILO betriebenes Internationales Programm zur Abschaffung der Kinderarbeit umgesetzt (International Programme on the Elimination of Child Labour, IPEC<, BMZ 2022)
Arbeitsschutz, Gesundheit und Gute Arbeit
Im Bereich “Gesundheit” und “Gute Arbeit” sind durch die Folgen des Klimawandels wesentliche neue Herausforderungen sowohl für die Arbeitskräfte als auch für die Gesellschaft festzustellen. Bei Bauarbeiten im Freien sind alle Arbeitenden durch Extremwetterereignisse wie hohe Temperaturen und lang anhaltende Hitzewellen, oder auch Starkregenereignisse, mit diesen neuen Herausforderungen direkt konfrontiert.
Gender Pay Gap
Unterschiedliche Entlohnung für vergleichbare Tätigkeiten und Qualifikation für Frauen und Männer lassen sich durch die statistischen Erhebungen des Statistischen Bundesamtes aufzeigen. In einer Pressemitteilung vom März 2022 wird betont, dass Frauen pro Stunde noch immer 18 Prozent weniger verdienen als Männer: „Frauen haben im Jahr 2021 in Deutschland pro Stunde durchschnittlich 18 Prozent weniger verdient als Männer. Damit blieb der Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern – der unbereinigte Gender Pay Gap– im Vergleich zum Vorjahr unverändert. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) anlässlich des Equal Pay Day am 7. März 2022 weiter mitteilt, erhielten Frauen mit durchschnittlich 19,12 Euro einen um 4,08 Euro geringeren Bruttostundenverdienst als Männer (23,20 Euro). Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16.02.2023 müssen Frauen bei gleicher Arbeit auch gleich bezahlt werden, eine individuelle Aushandlung der Lohn- oder Gehaltshöhe ist damit nicht wirksam (Zeit Online 2023).
Deutsches Sorgfaltspflichtengesetz
Deutsches Sorgfaltspflichtengesetz
Um ihrer Verantwortung zum Schutz der Menschenrechte gerecht zu werden, setzt die Bundesregierung die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen mit dem Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte von 2016 (Nationaler Aktionsplan, Bundesregierung 2017; 2021; 2022) in der Bundesrepublik Deutschland mit einem Gesetz um. Das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten ist besser unter dem Namen Lieferkettengesetz oder auch Sorgfaltspflichtengesetz bekannt (BMAS 2022, o. a. “Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz”). Dort ist die Erwartung an Unternehmen formuliert, mit Bezug auf ihre Größe, Branche und Position in der Lieferkette in angemessener Weise die menschenrechtlichen Risiken in ihren Liefer- und Wertschöpfungsketten zu ermitteln, ihnen zu begegnen, darüber zu berichten und Beschwerdeverfahren zu ermöglichen.
Das Lieferkettengesetz tritt 2023 in Kraft und gilt dann zunächst für Unternehmen mit mehr als 3.000, ab 2024 mit mehr als 1.000 Angestellten. Es verpflichtet die Unternehmen, in ihren Lieferketten menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in angemessener Weise zu beachten. Kleine und mittlere Unternehmen werden nicht direkt belastet. Allerdings können diese dann betroffen sein, wenn sie Teil der Lieferkette großer Unternehmen sind.
Unabhängig ob betroffen oder nicht: Es lohnt sich auch für kleinere Unternehmen, sich mit dem Gesetz adressierten Nachhaltigkeitsthemen auseinanderzusetzen, um das eigene Handeln entlang dieser Leitplanken zu überprüfen. Der Nachhaltigkeitsbezug ist unter anderem durch den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) gegeben, er gab einen wichtigen Impuls für das Gesetz. Der NAP wurde gemeinsam von Politik und Unternehmen verabschiedet, um zu einer sozial gerechteren Globalisierung beizutragen (Bundesregierung 2017). Ergebnisse einer 2020 im Rahmen des Nationalen Aktionsplans durchgeführten repräsentativen Untersuchungen zeigten jedoch, dass lediglich zwischen 13 und 17 Prozent der befragten Unternehmen die Anforderungen des Nationalen Aktionsplans erfüllen (VENRO 2021). Der gesetzgeberische Impuls war also erforderlich, um die Einhaltung der Menschenrechte zu fördern und damit auch zu einem fairen Wettbewerb zwischen konkurrierenden Unternehmen beizutragen.
Das Lieferkettengesetz rückt internationale Menschenrechtsabkommen und lieferkettentypische Risiken in den Blick: Dazu zählen bspw. das Verbot von Kinderarbeit, der Schutz vor Sklaverei und Zwangsarbeit, die Vorenthaltung eines gerechten Lohns, der Schutz vor widerrechtlichem Landentzug oder der Arbeitsschutz und damit zusammenhängende Gesundheitsgefahren. Es werden zudem internationale Umweltabkommen benannt. Sie adressieren die Problembereiche Quecksilber, persistente organische Schadstoffe und die grenzüberschreitende Verbringung gefährlicher Abfälle und ihre Entsorgung. Zu den jetzt gesetzlich geregelten Sorgfaltspflichten der Unternehmen gehören Aufgaben wie die Durchführung einer Risikoanalyse, die Verankerung von Präventionsmaßnahmen und das sofortige Ergreifen von Abhilfemaßnahmen bei festgestellten Rechtsverstößen. Die neuen Pflichten der Unternehmen sind nach den tatsächlichen Einflussmöglichkeiten abgestuft, je nachdem, ob es sich um den eigenen Geschäftsbereich, einen direkten Vertragspartner oder einen mittelbaren Zulieferer handelt. Bei Verstößen kann die zuständige Aufsichtsbehörde Bußgelder verhängen. Unternehmen können von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden.
Europäisches Lieferkettengesetz
Am 23. Februar 2022 hat die EU-Kommission ihren Vorschlag für ein Gesetz über Nachhaltigkeitspflichten von Unternehmen, die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), vorgelegt. Das Gesetz soll Firmen zum sorgfältigen Umgang mit den sozialen und ökologischen Wirkungen in der gesamten Lieferkette, inklusive des eigenen Geschäftsbereichs, verpflichten. Das EU-Lieferkettengesetz geht deutlich über das ab Januar 2023 geltende deutsche Lieferkettengesetz (LkSG) hinaus. Der Entwurf für das europäische Lieferkettengesetz verpflichtet EU-Firmen zum sorgfältigen Umgang mit den sozialen und ökologischen Auswirkungen entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette, inklusive direkten und indirekten Lieferanten, eigenen Geschäftstätigkeiten, sowie Produkten und Dienstleistungen. Das Ziel ist die weltweite Einhaltung von geltenden Menschenrechtsstandards und des Umweltschutzes, um eine fairere und nachhaltigere globale Wirtschaft sowie eine verantwortungsvolle Unternehmensführung zu fördern (Europäische Kommission: EU-Lieferkettengesetz-Entwurf 2022).
Für Lieferverträge und Kooperationen könnten bereits in Eigeninitiative Kriterien zur nachhaltigen Gestaltung der Rohstoffe, Zwischenprodukte und Transportwege vereinbart werden und die Arbeitsbedingungen entlang der Wertschöpfungskette nach den o.g. Standards festgeschrieben werden. Anhaltspunkte sind zu finden in Zertifizierungen als “Fair gehandelte Produkte”. Eine Orientierung bei der Auswahl von Lieferanten kann derweil unabhängige privatwirtschaftliche Plattformen bieten. Z. B. die Onlineplattform Ecovadis, die in der Studie des Handelsblatt-Research-Instituts erwähnt wird. Die Organisation arbeitet international mit Fachexperten und Nichtregierungsorganisationen zusammen und hat bislang etwa 90.000 Unternehmen bewertet. Sie bewertet Unternehmen nach 21 Nachhaltigkeitskriterien aus den Bereichen Umwelt, Arbeits-und Menschenrechte, Ethik und Nachhaltige Beschaffung. Für die Transparenz derartiger Zertifikate spielen digitale Technologien eine zentrale Rolle. Auch über die Verfügbarkeit von Beurteilungen derartiger Organisationen hinaus können heutzutage digitale Medien eine reichhaltige Informationsressource sein, die Informationen über politische, wirtschaftliche und soziale Lagen in fernen Ländern zugänglich machen. Die Methodik basiert auf internationalen Standards für Nachhaltigkeit, z. B. der Global Reporting Initiative, dem United Nations Global Compact und der ISO 2600. Im EcoVadis – Bericht vom Oktober 2022 wird festgestellt, dass Unternehmen aller Größenordnungen weltweit ihre Nachhaltigkeitsleistungen in den letzten 5 Jahren verbessert haben. Interessant ist die Feststellung, dass „nur 11 Prozent der Unternehmen in 2021 eine Lieferantenbewertung und 5 Prozent eine interne Risikobewertung für Kinder- und Zwangsarbeit durchgeführt haben. Dies ist besonders besorgniserregend, da die Gesetze zur Sorgfaltspflicht im Bereich der Menschenrechte zunehmen, während die Internationale Arbeitsorganisation schätzt, dass die Zahl der Menschen, die Opfer von moderner Sklaverei sind, in den letzten fünf Jahren um 10 Millionen gestiegen ist.” (Pinkawa 2022).
Fairer Handel
Während im “konventionellen“ Handel der Gewinn im Mittelpunkt des Geschäftserfolgs steht, steht im “fairen Handel“ der Mensch im Vordergrund. Die globalen Lieferketten deutscher Unternehmen werden, wie oben beschrieben, in Kürze reguliert. Bereits seit über 50 Jahren zeigen Unternehmen jedoch erfolgreich, wie sich klassischer finanzieller Geschäftserfolg und fairer Handel zu Synergien für eine nachhaltige Entwicklung verbinden lassen.
Faire Handelsunternehmen organisieren sich zu großen Teilen in der World Fair Trade Organisation (WFTO). Die Organisation verschreibt sich folgenden 10 Kriterien:
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Diese Kriterien bilden gut ab, was mit dem Lieferkettengesetz reguliert werden soll. Unternehmen am Ende der Lieferkette haben durch ihre Sortimentsgestaltung einen direkten Einfluss auf die globale Nachhaltige Entwicklung. “Der Handel kann hierbei als Mittler zwischen Hersteller und Konsument zudem in beide Richtungen auf möglichst nachhaltig produzierte und zu nutzende Güter hinwirken.” (BUND o. J.)
Dass Menschenrechtsverstöße in der Wertschöpfungskette keine Seltenheit sind, wird am Beispielprodukt Kaffee deutlich. Eine Studie des Südwind-Instituts zeigt, dass ein beträchtlicher Teil der Kleinbauern und -bäuerinnen entlang des Äquators, die Kaffee anbauen, nicht über existenzsichernde Löhne verfügen und somit grundlegende Menschenrechte verletzt werden. Es wird geschätzt, dass etwa 12 Millionen Familien finanziell hauptsächlich vom Kaffeeanbau abhängig sind. Die Preisentwicklung des Kaffees bestimmt somit in vielen Regionen die Lebenssituation eines erheblichen Teils der Bevölkerung. Die Studie fordert deshalb, dass alle Akteure entlang der Produktionskette von Kaffee ihr Verhalten ändern müssen. (SÜDWIND, 2020)
Ein Unternehmen, welches diese Verantwortung konsequent wahrnimmt, ist die GEPA – The Fair Trade Company. Die Pionierin Fairen Handels geht den Weg “von der Kirsche bis zur Tasse”. Gemeinsam mit einer Fraueninitiative wurde die Wertschöpfung „Vom Rösten über das Verkosten bis hin zum Verpacken ganz neu aufgebaut” (GEPA o. J.). Das Unternehmen fördert so aktiv die globale Nachhaltige Entwicklung und erreicht durch Ausbildungen vor Ort eine Projektion gleich mehrerer SDGs (4/8/12) entlang der Wertschöpfungskette. Dieses Vorgehen festigt Lieferantenbeziehungen und macht die eigene Lieferkette resilient.
Abhängig vom Produkt lässt sich jedoch nicht jeder Bereich der Lieferkette nachverfolgen. Ob es um die genaue Herkunft der Rohstoffe, die Einhaltung von Arbeitszeiten oder die Logistik bis hin in den Lagerraum geht. Unternehmen wie die GEPA versuchen all diese Aspekte der Lieferkette zu betrachten, Risiken zu bewerten, Abhilfe zu schaffen und die Zusammenarbeit mit den Zulieferern aktiv zu fördern.
Doch auch ein lebhaftes Praxisbeispiel wie die GEPA, Preisträgerin des 2020 verliehenen “CSR-Preis der Bundesregierung in der Sonderpreis Kategorie Nachhaltiges Lieferkettenmanagement” (CSR-Preis 2020) weiß um die Tatsache, dass fairer Handel in einem globalen Wirtschaftssystem, das “maßgeblich auf Ausbeutung beruht” gegen geringere Preise der Unternehmen angehen muss, welche “durch die Missachtung von Menschenrechten und Umweltstandards Wettbewerbsvorteile genießen” (Weltladen o. J.).
Unternehmensführung
Nachhaltige Unternehmensführung stellt einen integrativen und holistischen Managementansatz dar, der auf die Berücksichtigung und das Management der Nachhaltigkeit im und durch das Unternehmen fokussiert ist. Dabei werden die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit berücksichtigt:
- Die Ökonomie (Sach- und Finanzkapital)
- die Ökologie (natürliche Ressourcen)
- das Soziale (Humankapital).
5 Grundsätze der Nachhaltigkeit in der Unternehmensführung existieren nach Günther und Ruter (2015):
- Ziel: langfristige Erhaltung des Unternehmens
- Umsetzung der Nachhaltigkeit im strategischen und operativen Geschäft
- Bildung eigener Indikatoren der nachhaltigen Unternehmensführung
- Erfolg der nachhaltigen Unternehmensführung durch Orientierung an Werten und Regeltreue
- Umsetzung der Basisprinzipien nachhaltiger Unternehmensführung: Solidarität, Transparenz und Risikomanagement (öko-Institut o. J.).
Wer seinen Betrieb nachhaltig aufstellen will, hat den Blick nach außen und nach innen zu richten. Der Blick nach außen bezieht sich auf die Gesellschaft und die Umwelt. Der Blick nach innen bezieht sich auf die ressourcen-orientierte Ökonomie und Ökologie, d. h. die Bereiche Beschaffung, Produktion, Absatz und Marketing so zu gestalten, dass die Umwelt geschützt und der Verbrauch von Ressourcen frei nach dem Prinzip so wenig wie möglich, so viel wie nötig, minimiert werden. Kosten für Umweltauswirkungen werden berechnet und in die Preisbildung mit einbezogen. Weiterhin gehören zu dem Blick nach innen die Mitarbeiter*innen, die Einfluss auf die o.g. Bereiche nehmen können.
Es gibt eine Reihe Gemeinwohl-orientierter Wirtschaftsansätze. Dazu zählt die Gemeinwohl-Ökonomie, entwickelt von Christian Felber (ebd. 2015). Dabei basiert das Unternehmen auf gemeinwohl-fördernden Werten wie Kooperation statt auf Konkurrenz und Gewinnmaximierung. Vertrauen, Verantwortung, Teilen und Solidarität sollen gefördert werden. Die Basis des Modells ist die Gemeinwohl-Bilanz, die den unternehmerischen Erfolg nicht nur aus dem monetären Gewinn ableitet (wie in konventionellen Bilanzen), sondern aus den positiven wie negativen Folgen eines Unternehmens für Gesellschaft, Umwelt und Volkswirtschaft. Es geht um das Messen der Punkte, “die wirklich zählen“. Im Vergleich zum jetzigen Wirtschaften seien das soziale, ökologische, demokratische, solidarische (ebd.).
Personalführung
Nachhaltige Führung baut auf dem Erhalt der Arbeitsfähigkeit (Können) und der Motivation (Wollen) der Mitarbeitenden auf (gabler o. J., BMBF 2017). Es geht um die Nutzung der Ressourcen bei Erhalt der Arbeitsfähigkeit. Um letztere zu erhalten, kann und sollte der Arbeitgeber in verschiedene Bereiche investieren, z. B. in Weiterbildung, Kommunikationstrainings, Maßnahmen zur Gesundheitsfürsorge und ergonomische Arbeitsmittel. Auch flexible Arbeitszeiten können Stress reduzieren. Qualifizierte Mitarbeitenden können besser zum betriebswirtschaftlichen Unternehmenserfolg beitragen.
Die Motivation der Mitarbeitenden ist genauso wichtig wie die Arbeitsfähigkeit. Nachhaltig agierende Unternehmenslenkende und Vorgesetzte erhalten die Motivation ihrer Mitarbeitenden, indem sie daran glauben, dass Menschen von innen motiviert sind und einen sinnvollen Beitrag leisten wollen, indem sie ihnen mit ehrlichem Interesse begegnen. Wird Mitarbeitenden neben der Motivation zusätzlich Lob und Anerkennung entgegengebracht, können sie das positive Menschenbild noch verstärken. Gesteigert wird die Anerkennung, wenn der Dank individuell und verbal begründet wird. Mitarbeitenden können so ihre Arbeit als sinnvoll erleben und motiviert bleiben, denn sie haben das Gefühl, zum Unternehmenserfolg beitragen zu können.
Sustainable Corporate Identity
Nicht nur für die Verbesserung des Klimas, sondern auch für das Wohlergehen der Patientinnen und Patienten sowie die Motivation der Mitarbeitenden und das nach innen und außen kommunizierte Image lohnt es sich für Organisationen und Unternehmen im Gesundheitssektor, in Nachhaltigkeit und eine nachhaltige Unternehmensstrategie zu investieren (Dikken 2021). Dabei können die Ausgaben von Zertifizierungen über Schulungen der Mitarbeitenden bis hin zu energieeffizienten und ressourcenschonenden Umbaumaßnahmen reichen. Zwar entscheiden sich Patientinnen und Patienten sowie Pflegebedürftige primär für ein gutes medizinisches Leistungsangebot und ärztliche Kompetenz, doch Außenanlagen, Bauten und Räumlichkeiten sowie ein gutes Arbeitsklima können zu einer angenehmen Atmosphäre beitragen und den Genesungsprozess unterstützen. Auch im Hinblick auf das Anwerben geeigneter Fachkräfte spielt eine gelebte Nachhaltigkeit, ein ökologisch gestalteter Arbeitsplatz und das sozialverträgliche Führen von Mitarbeitenden vermehrt eine Rolle (ebd.). Eine nachhaltige Unternehmensstrategie umfasst nicht nur Umweltschutz, Ressourcenschonung, Energieeffizienz und E-Mobilität, sondern auch fairer Handel, der Verzehr von Bio-Produkten und gelebte Werte wie Seriosität, soziale Verantwortung und zukunftsorientiertes Handeln. Konkrete Beispiele für nachhaltiges Handeln in einer Gesundheitseinrichtung sowie Auszeichnungen für Nachhaltigkeitsprojekte sind im Kapitel SDG 13, Klimaschutzprojekte im Gesundheitswesen, zu finden.
Quellenverzeichnis
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BMAS Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2022): Sorgfaltspflichtengesetz – Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten. Online: https://www.bmas.de/DE/Service/Gesetze-und-Gesetzesvorhaben/gesetz-unternehmerische-sorgfaltspflichten-lieferketten.html
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BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2017): Nachhaltigkeit im Personalmanagement. Online: nachhaltig-forschen.de/fileadmin/user_upload/FactSheets_LeNa_Personal.pdf
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: https://www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
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Bundesregierung 2021: Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie 2021. Online: https://www.bundesregierung.de/breg-de/service/archiv/nachhaltigkeitsstrategie-2021-1873560
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Springer Gabler (o. J.): Gabler Wirtschaftslexikon: Definition Nachhaltiges Nachhaltigkeit im Personalmanagement. Online: https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/nachhaltiges-personalmanagement-53887
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Welthungerhilfe (2020): Indien hält bei der Kinderarbeit den traurigen Spitzenplatz. Online:welthungerhilfe.de/welternaehrung/rubriken/wirtschaft-menschenrechte/indien-haelt-bei-kinderarbeit-den-traurigen-spitzenplatz
Weltladen Dachverband (o. J.): Wie erkenne ich fair gehandelte Waren? Online: https://www.weltladen.de/ueber-weltlaeden/fairer-handel/zeichen-und-siegel/
Wieteck, P. (2018): Zukunftsfähige Pflege mit Innovationspotenzial: Pflege neu denken – Strukturwandel pflegerischer Dienstleistungen als gesellschaftliche Aufgabe, in: CSR im Gesundheitswesen; Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg
Zeit Online (2023): Lohnunterschiede bei gleicher Arbeit rechtswidrig. Online: https://www.zeit.de/arbeit/2023-02/lohngleichheit-bundesarbeitsgericht-frauen-urteil-diskriminierung?
Zoll (2022): Verpflegung und Unterkunft für Saisonarbeitskräfte. Online: https://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Arbeit/Mindestarbeitsbedingungen/Mindestlohn-Mindestlohngesetz/Berechnung-Zahlung-Mindestlohns/Verpflegung-Unterkunft-Saisonarbeitskraefte/verpflegung-unterkunft-saisonarbeitskraefte_node.html
SDG 12 Nachhaltige/r Konsum und Produktion
“Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen”
Das SDG 12 zielt auf die nachhaltige und effiziente Nutzung der Ressourcen und Produktions- bzw. Lieferketten ab. Ressourcen sind alle Stoffe der Natur (Mineralien und Metalle, biotische Ressourcen wie Holz oder Baumwolle), aber auch Luft, Wasser und Boden (vgl. ProgRess 2016). Abfälle sollen vermieden oder recycelt und gefährliche Abfälle sicher entsorgt werden. Weitere Themen sind die nachhaltige Entwicklung von Unternehmen, eine bessere Verbraucher*innen-Bildung, nachhaltige Beschaffung sowie der umweltverträgliche Umgang mit Chemikalien.
Für Kaufleute im Gesundheitswesen sind folgende vier Unterziele hervorzuheben (Destatis o. J.), wobei das erste Unterziel eine globale Betrachtung berücksichtigt, letztere konkret Deutschland fokussieren:
12.2 Bis 2030 die nachhaltige Bewirtschaftung und effiziente Nutzung der natürlichen Ressourcen erreichen
12.4 Bis 2030 einen umweltverträglichen Umgang mit Chemikalien und allen Abfällen während ihres gesamten Lebenszyklus in Übereinstimmung mit den vereinbarten internationalen Rahmenregelungen erreichen und ihre Freisetzung in Luft, Wasser und Boden erheblich verringern, um ihre nachteiligen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt auf ein Mindestmaß zu beschränken
12.5 Bis 2030 das Abfallaufkommen durch Vermeidung, Verminderung, Wiederverwertung und Wiederverwendung deutlich verringern
12.6 Die Unternehmen, insbesondere große und transnationale Unternehmen, dazu ermutigen, nachhaltige Verfahren einzuführen und in ihre Berichterstattung Nachhaltigkeitsinformationen aufzunehmen
Das SDG 12 betrifft im Prinzip alle in den Punkten a bis f aufgeführten Fähigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten der Standardberufsbildposition “Umweltschutz und Nachhaltigkeit”. Eine Erklärung von “Sauberer Energie” wird im Kapitel SGD 7 “Bezahlbare und saubere Energie”beschrieben. Die im Gesundheitswesen anfallenden Emissionen sind im nachfolgenden Kapitel SDG 13 unter “Maßnahmen zum Klimaschutz” skizziert.
Im Kontext von SDG 12 sind in der Produktion dabei zunächst Kreislaufwirtschaft und nachhaltige Lieferketten ebenso angesprochen wie die Vermeidung beziehungsweise der ressourcenschonende Umgang mit den eingesetzten Materialien und Rohstoffen, wie auch eine verantwortungsbewusste Entsorgung von Reststoffen (Abfällen).
Das SDG 12 und der Gesundheitssektor
Der Rohstoffkonsum des deutschen Gesundheitssektors beläuft sich jährlich sowohl in ambulanten als auch in stationären Einrichtungen auf ca. 107 Millionen Tonnen. Ein Drittel der Rohstoffe stammen aus heimischer Rohstoffentnahme, zwei Drittel gehen auf Importe aus dem Ausland zurück (Fraunhofer ISI 2022).
Vor diesem Hintergrund ist es relevant, Rohstoffe sowie den Verbrauch im Gesundheitswesen sowie angrenzende Themen für eine Entwicklung in Richtung Nachhaltigkeit vertiefend zu betrachten. Aus Sicht eines Unternehmens werden als Ressourcen im engeren Sinne Betriebsstoffe, Werkstoffe, Kapital, Personal, Know-how und Zeit angesehen. In globaler Sicht weiter gefasst sind Ressourcen Bestandteile der Natur. Hierzu zählen erneuerbare und nicht erneuerbare Primärrohstoffe, physischer Raum (Fläche), Umweltmedien (Wasser, Boden, Luft), strömende Ressourcen (z. B. Erdwärme, Wind-, Gezeiten- und Sonnenenergie) sowie die Biodiversität. Es ist hierbei unwesentlich, ob die Ressourcen als Quellen für die Herstellung von Produkten oder als das Senken zur Aufnahme von Emissionen (Wasser, Boden, Luft) dienen.
Voraussetzung für die Umsetzung eines nachhaltigen Konsums bzw. für eine nachhaltige Produktion ist eine entsprechende Bildung und darauf basierende Kompetenzentwicklung der handelnden Personen, im privaten wie auch im beruflichen Kontext. Nachhaltiges Handeln bezieht sich auf alle Aspekte, die dazu führen, dass sowohl innerhalb des Ausbildungsbetriebes, als auch bei Kundinnen und Kunden oder Lieferanten Arbeits- und Organisationsmittel so eingesetzt werden, dass sie unter Berücksichtigung der vorhandenen Ressourcen und der Budgetvorgaben wirtschaftlich und nicht klimaschädlich eingesetzt werden, wie es der Rahmenlehrplan (KMK Kultusministerkonferenz 2016) vorgibt.
Der Rohstoffkonsum des deutschen Gesundheitssektors beläuft sich jährlich sowohl in ambulanten als auch in stationären Einrichtungen auf ca. 107 Millionen Tonnen. Ein Drittel der Rohstoffe stammen aus heimischer Rohstoffentnahme, zwei Drittel gehen auf Importe aus dem Ausland zurück (Fraunhofer ISI 2022).
Vor diesem Hintergrund ist es relevant, Rohstoffe sowie den Verbrauch im Gesundheitswesen sowie angrenzende Themen für eine Entwicklung in Richtung Nachhaltigkeit vertiefend zu betrachten. Aus Sicht eines Unternehmens werden als Ressourcen im engeren Sinne Betriebsstoffe, Werkstoffe, Kapital, Personal, Know-how und Zeit angesehen. In globaler Sicht weiter gefasst sind Ressourcen Bestandteile der Natur. Hierzu zählen erneuerbare und nicht erneuerbare Primärrohstoffe, physischer Raum (Fläche), Umweltmedien (Wasser, Boden, Luft), strömende Ressourcen (z. B. Erdwärme, Wind-, Gezeiten- und Sonnenenergie) sowie die Biodiversität. Es ist hierbei unwesentlich, ob die Ressourcen als Quellen für die Herstellung von Produkten oder als das Senken zur Aufnahme von Emissionen (Wasser, Boden, Luft) dienen.
Voraussetzung für die Umsetzung eines nachhaltigen Konsums bzw. für eine nachhaltige Produktion ist eine entsprechende Bildung und darauf basierende Kompetenzentwicklung der handelnden Personen, im privaten wie auch im beruflichen Kontext. Nachhaltiges Handeln bezieht sich auf alle Aspekte, die dazu führen, dass sowohl innerhalb des Ausbildungsbetriebes, als auch bei Kundinnen und Kunden oder Lieferanten Arbeits- und Organisationsmittel so eingesetzt werden, dass sie unter Berücksichtigung der vorhandenen Ressourcen und der Budgetvorgaben wirtschaftlich und nicht klimaschädlich eingesetzt werden, wie es der Rahmenlehrplan (KMK Kultusministerkonferenz 2016) vorgibt.
Ressourcenverbrauch in Deutschland
Gegenwärtig steigen sowohl der Ressourcenverbrauch als auch das globale Abfallaufkommen unvermindert an. Die Gewinnung und Verarbeitung von Ressourcen führen dabei zu hohen Treibhausgasemissionen sowie zu enormen Umweltbelastungen und Biodiversitätsverlusten (siehe auch Abschnitt 2). Laut Schätzungen des International Ressource Panels der Vereinten Nationen gehen etwa 50 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen direkt oder indirekt auf die Gewinnung und Verarbeitung von fossilen Rohstoffen, Biomasse, Erzen und Mineralien zurück.
Jedes Produkt wird aus stofflichen Ressourcen hergestellt und hierfür werden Energieressourcen benötigt. Auf jede und jeden entfällt ein Rohstoffkonsum von rund 16 t pro Jahr (UBA 2018: S. 41). Der größte Teil mit rund 7 t stammt aus dem Hoch- und Tiefbau: für unsere Wohnungen und Straßen, aber auch für öffentliche Gebäude, Industrie, Gewerbe, Hotel und Sportanlagen. Die fossilen Energieträger Öl, Kohle und Gas betragen mehr als 4,5 t pro Kopf zur Erzeugung von Strom, Wärme und Warmwasser. Auf Biomasse – vor allem für die Ernährung – entfallen 3,4 t. Der Pro-Kopf-Verbrauch von metallischen Rohstoffen beträgt immerhin noch 1 t pro Kopf. Die vier Typen der Rohstoffe werden vor allem von Industrie und Gewerbe, dem Staat und von privaten Haushalten nachgefragt (98 Prozent). Der Konsum umfasst hier in 2014 rund 800 Mio. t, davon entfielen auf die privaten Haushalte 76 Prozent bzw. mehr als 600 Mio. t. Etwas mehr als ein Drittel verbraucht das Wohnen (Neubau und Sanierung, Gas und Strom, Wohnungseinrichtung) bzw. Ernährung (je rund 190 Mio. t). An dritter Stelle steht der Freizeitkonsum mit 19 Prozent bzw. rund 115 Mio. t, hierunter fallen auch die Errichtung von privaten Freizeiteinrichtungen (Sporthallen, Hotelanlagen), aber auch Sportschuhe, Mountain-Bikes, Spielekonsolen und Handys. Auch wenn Kleidung nur 3 Prozent des Ressourcen Konsums ausmacht, sind dies immerhin 18 Mio. t bzw. 220 kg pro Kopf und Jahr. In diesem Wert sind aber auch alle Produktionsmittel eingerechnet, denn Baumwolle muss angebaut, geerntet, verarbeitet und transportiert werden. Hierzu braucht man Energie, Wasser und vieles mehr. Der Ressourcen-Rucksack eines T-Shirts ist somit viel größer als das eigentliche Gewicht (ca. 150 g).
Zusammenfassend kann man feststellen: Unser Ressourcenverbrauch ist zu hoch. Die Ressourcen der Erde sind begrenzt und wir haben nur eine Erde. Deshalb ist es dringend geboten, den Ressourcenverbrauch auf ein zukunftsverträgliches Ausmaß zu reduzieren und das Wirtschaftswachstum mit der Begrenztheit der Ressourcen in Einklang zu bringen. Das erfordert eine Abkehr vom derzeit dominierenden linearen, hin zu einem zirkulären Wirtschaftssystem. Auch Deutschland muss sich dieser Herausforderung stellen und den entsprechenden Transformationsprozess durchlaufen (Global Resources Outlook 2019).
Ziel der Transformation weg von der linearen Produktionsweise hin zu einer Kreislaufwirtschaft ist es, durch Innovation, Technologie und die Betrachtung des gesamten Systems die Basis für eine zirkuläre Wirtschaftsweise bereitzustellen. Das erfordert die Entwicklung neuer und die Verbesserung bestehender Technologien, Systeme und Prozesse. Im Fokus stehen dabei die Beschaffung und Nutzung recycelbarer, unbedenklicher und möglichst biobasierter Materialien, sämtliche Aspekte des Designs (Materialauswahl, Zerlegbarkeit, Reparierbarkeit, Re-Use) sowie die ressourceneffiziente und emissionsarme Herstellung wiederverwendbarer Produkte (Circular Futures o. J.).
Ressourcenverbrauch im Gesundheitssektor
Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit sind bereits ausführlich belegt (vgl. Kapitel SGD 3). Dennoch sind sich nach wie vor viele Arbeitende im Gesundheitswesen, speziell in der Pflege, nicht darüber bewusst, welche Zusammenhänge zwischen dem Verbrauch von benötigten Ressourcen und Grundmaterialien, dem Klimawandel, der Gesundheit und der Nachhaltigkeit existieren. Bislang existiert nur unzureichend Fachliteratur, die den Bezug von Gesundheits- und Pflegepraxis mit Nachhaltigkeit herstellen (Huss 2023). Dabei lassen sich im Bereich der Ressourcenbeschaffung und -nutzung zahlreiche Ansatzpunkte finden, die ein klimafreundliches Verhalten fördern und zu mehr Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen beitragen (Dikken 2021). Gemäß Ostertag et al. (2021) ist der deutsche Gesundheitssektor der viertgrößte Ressourcenverbraucher im Bereich der Produktion. Zu den Rohstoffen gehören natürliche Ressourcen wie Biomasse, fossile Energieträger, Metallerze und nicht-metallische Mineralien. Im Jahr 2016 verbrauchte der deutsche Gesundheitssektor ca. 107 Millionen Tonnen Ressourcen, wobei der größte Anteil auf nicht-metallische Mineralien entfiel. Der Verbrauch stieg zwischen 1995 und 2016 um 80Prozent, und es wird erwartet, dass er auch zukünftig weiter steigen wird, wenn keine Maßnahmen ergriffen werden. Beispiele zeigen, dass sich stationäre Einrichtungen eher mit Ressourcenschonung und Klimaschutz befassen im Vergleich zu ambulanten Einrichtungen, auch weil ein effizienter Einsatz und die Reduktion von Rohstoffen langfristig zu Kosteneinsparungen führen kann (ebd.). Obwohl die Forschung bisher hauptsächlich den Verbrauch von Energie und Wasser untersucht hat, gibt es weitere Bereiche, die noch wenig analysiert wurden. Um den Umgang mit Rohstoffen zu verbessern und die Ressourcenschonung voranzutreiben, werden weitere mögliche Handlungsansätze formuliert: Es gibt Möglichkeiten, den Arzneimittelkonsum im Kontext des Ressourcenverbrauchs zu erforschen. Hierbei sollten Wertschöpfungsketten bei der Arzneimittelherstellung untersucht werden, insbesondere die Kooperationspartnerschaften und Zulieferer sollten analysiert werden. Ein besseres Arzneimittelmanagement sowie zu prüfende Verlängerungen von Verfallsdaten sind ebenfalls mögliche Ansätze. Darüber hinaus kann die Nutzungsdauer von Medizinprodukten überprüft werden. Beispielsweise können medizintechnische Geräte als Leihgabe von mehreren Einrichtungen genutzt werden, um den Ressourcenverbrauch zu reduzieren. Weitere Beispiele für Klimaschutzprojekte im Gesundheitswesen und den klimafreundlichen Umgang mit Ressourcen finden sich auch in Kapitel SDG 13.
Bedeutung von Kreislaufwirtschaft
Bei der Transformation von einer linearen Wirtschaft hin zu einer zirkulär organisierten Kreislaufwirtschaft spielt die Infrastruktur der Abfallwirtschaft eine entscheidende Rolle. Das zentrale Ziel einer zirkulär organisierten Kreislaufwirtschaft ist es möglichst viele Anfälle zu vermeiden, indem Altprodukte wieder-oder weiterverwendet, repariert oder aufgearbeitet werden. Um diese Art der Abfallvermeidung zu realisieren kommt den Entsorgungsbetrieben eine zentrale Rolle zu, indem sie z. B. wiederverwendbare Altprodukte aus der gängigen Abfallbehandlung wie der thermischen Verwertung ausschleusen und als Gebrauchsgüter anbieten.
Allerdings ist auch in einer kreislauforientierten Gesellschaft die Entstehung von Reststoffen und Abfall nicht in Gänze vermeidbar. Kreislauffähiges Wirtschaften zielt dabei darauf ab, mittels Recycling unvermeidbarer Abfälle anfallende Reststoffe optimal zu nutzen und Abfallströme ressourceneffizient zu Sekundärrohstoffen aufzubereiten und anschließend in den Produktionskreislauf zurückzuführen. Dabei versteht man unter Recycling die Rückführung von Produktions- und Konsumabfällen in den Wirtschaftskreislauf. Voraussetzung dafür ist jedoch eine Infrastruktur, die über Prozesse und Verfahren verfügt, die in der Lage ist, verschiedenste Materialien sortenrein zu trennen und in unterschiedliche Fraktionen aufzuteilen. Besonders digitale Technologien bergen durch intelligente Datenanalyse, Robotik, Sensorik und Automatisation großes Potenzial, hochwertige Fraktionen zu gewinnen. Mit ihrer Hilfe lassen sich potenzieller Sekundärrohstoffe effektiv und effizient erkennen, abtrennen und fraktionieren.
Baumwolle im Gesundheitswesen
Der Gesundheitssektor, speziell Kliniken und Pflegeeinrichtungen, deren Aufgabe es primär ist, die Gesundheit zu schützen und zu fördern, ist gleichzeitig ein ressourcenintensiver Großverbraucher. Im Gesundheitsbereich werden viele Materialien, wie Plastik, Metall und auch Baumwolle, ge- und verbraucht. Nicht nur in der Kleiderindustrie kommt Baumwolle zum Einsatz, in beispielsweise Krankenhäusern gibt es Baumwolle in verschiedenen Varianten, wie Kompressen, Verbände, Schutzkittel, Tücher, Handschuhe, Masken, Tupfer Wattestäbchen sowie Wattetupfer (Huss 2023). Huss (2023) schlägt vor, Nachhaltigkeit als ethisch-moralisches Prinzip mit inhärenten Werten, wie Rechenschaftspflicht, Verantwortung, Gerechtigkeit, Gleichheit, Lebensqualität, Nicht-Schaden und Fürsorge anzusehen. Der Wertorientierte Ansatz kann dabei Orientierung geben, den Verbrauch in einem Krankenhaus oder Pflegeeinrichtung sowie die Arbeit zu reflektieren und das Pflegepersonal dabei unterstützen, einen Bezug zwischen Klimawandel, Gesundheit und Nachhaltigkeit in ihrer täglichen Praxis ziehen zu können (ebd.). Huss (2023) zeigt, wie der Verbrauch von Materialien und Ressourcen in Krankenhäusern im Rahmen der Hygienestandards betrachtet werden kann. Im Folgenden soll beispielhaft am Rohstoff, eines der wichtigsten Basismaterialien für die Gesundheitsversorgung, aufgezeigt werden, welche Risiken bei der Ressourcenbeschaffung und -nutzung aufkommen und wie die Liefer- bzw. Wertschöpfungsketten analysiert werden können: Anhand der drei Nachhaltigkeitsdimensionen (sozial, ökonomisch und ökologisch) kann der Beschaffungs- und Produktionsprozess der Baumwolle unter berücksichtigung der von Huss (2023) konstatierten ethischen Prinzipien betrachtet werden, um so ein größeres Bewusstsein für das Material bei den Beschäftigen, speziell den Pflegekräften, zu schaffen.
Produktion von Baumwolle
Im Jahr 2021 belief sich der Anteil von Baumwolle auf rund 22 Prozent der gesamten Produktion an Fasern weltweit, nach Polyester (54 Prozent) (Statista 2022). Die Baumwollproduktion läuft in der Regel in folgenden Schritten ab (UBA 2019; Huss 2023):
- Produktion: Anbau und Ernte
- Entkörnung: Baumwollfasern werden von Samen getrennt
- Handel: Verkauf und Wiederverkauf der Baumwolle
- Fertigung: Herstellung des Endproduktes
- Distribution: Transport zu den Verkaufsstellen
Baumwolle lässt sich grob in drei verschiedene Arten unterteilen:
- Konventionelle Baumwolle; auf einen starken Einsatz von Pestiziden angewiesen
- Genetisch veränderte Baumwolle; weniger Pestizide jedoch Düngemittel
- Bio Baumwolle; keine chemischen Düngemittel oder Pestizide
Nur etwa 0,5 Prozent der globalen Baumwollproduktion macht der Anteil der Bio-Baumwolle aus, der Rest wird nach wie vor in konventioneller Herstellung angebaut (Textile Exchange 2021, Textilbündnis 2019). Je nach Produktionsstufe und je nach Art der Baumwolle fallen darüber hinaus unterschiedliche Kosten an und es sind verschiedene Menschen beteiligt: Die Produktion verschafft mehr als 250 Millionen Menschen weltweit ein Einkommen und beschäftigt fast 7 Prozent aller Arbeitskräfte in Entwicklungsländern (WWF o. J.).
Laut dem niederländischen Zentrum für die Förderung der Importe aus den Entwicklungsländern (CBI), beziehen Deutschland, Österreich und die Schweiz den größten Teil ihres Verbandsmaterials aus Entwicklungsländern. (Huss 2023). In etwa 75 Ländern der Welt wird Baumwolle angebaut, wobei China und Indien 50 Prozent der Baumwolle anbauen. 80 Prozent des Baumwollanbaus findet in nur sechs Ländern statt. Dabei ist die Baumwollproduktion in vielen Ländern für die wirtschaftliche Entwicklung wichtig und macht einen großen Teil des Bruttoinlandsproduktes aus. In manchen Ländern profitieren jedoch sehr wenige Menschen von der Baumwollproduktion und zumeist wird diese von Kleinbauern beispielsweise in Afrika, südlich der Sahara (ebd.). In diesem Teil der Welt leben die meisten Menschen jedoch vermehrt in Armut (Statista 2023). Die Armut führt dazu, dass viele Kinder in den Anbauländern keine oder keine ausreichende Bildung erhalten. Darüber hinaus ist in vielen Ländern wie beispielsweise in China der Anbau und die Ernte der Baumwolle mit sehr viel körperlicher Arbeit auf dem Land verbunden. Im Zuge der voranschreitenden Urbanisierung leben jedoch vermehrt nur noch Frauen, Kinder und ältere Menschen in ländlichen Regionen, die in der Landwirtschaft die Arbeit verrichten können.
Neben der ökonomischen Perspektive ist die soziale Perspektive zu berücksichtigen, jedes fünfte afrikanische Kind muss aufgrund bitterer Armut der Familien im Land arbeiten. In Asien und auch in Indien sind nach wie vor Kinder in der Landwirtschaft tätig. Neben Kinderarbeit kommt es in manchen zentralasiatischen Ländern im Rahmen der Baumwollproduktion darüber hinaus auch vermehrt zu Zwangsarbeit (Huss 2023).
In vielen Entwicklungsländern, in denen Baumwolle angebaut wird, ist die Produktion ökologisch nicht nachhaltig, da u.a. der Wasserverbrauch sowie die Wasserverschmutzung zu hoch ist. Nach Pahlow et al. (2014) lag der weltweite Durchschnittsverbrauch von Wasser bei 10.000 Litern pro Kilogramm Baumwolle, wobei speziell für die Textilindustrie ein überaus hoher Anteil an Trinkwasser genutzt wird. Wasser wird durch den Entzug für Bewässerungssysteme in Baumwoll Regionen immer knapper und führt langfristig zu ausgetrockneten Wasserstellen die wiederum durch den Anbau der Baumwolle mit Dünger, Pestiziden und Salzen kontaminiert sind (Huss 2023).
Bewertung anhand der Nachhaltigkeitsdimensionen
Es besteht nur indirekt die Möglichkeit, auf einzelne Schritte innerhalb der Produktionsstufen von beispielsweise Baumwolle Einfluss zu nehmen. Im Rahmen der Erhaltung der Hygienestandards in einem Krankenhaus oder einer anderen Gesundheitseinrichtung kann die Betrachtung der Liefer- und Wertschöpfungsketten von Ressourcen sinnvoll sein. Sie trägt dazu bei zu sensibilisieren und bewusst über die Herkunft, Nutzung, (Wieder-)verwendung und allgemein über die Prozesse und Abläufe der Beschaffung sowie über die Nutzung von Materialien nachzudenken (Huss 2023). Medizinische Geräte, Ge- und Verbrauchsmaterialien zur Versorgung von Patienten und Pflegebedürftigen, aber auch Einweghandschuhe, Schutzkleidung oder Medikamente müssen im Gesundheitswesen beschafft werden. Neben Baumwolle gibt es also weitere Materialien und Ressourcen, wie beispielsweise Plastik oder auch Metall, die bei näherer Betrachtung ähnlich komplexen Produktions- und Lieferbedingungen unterliegen und zumeist auf den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit nicht besonders nachhaltig sind. Zumeist wird in einer Gesundheitseinrichtung zentral bestellt. Nachhaltige Lieferketten zeichnen sich zumeist durch Transparenz und ökologische wie soziale Verantwortung aus. Dabei stehen vor allem die Einhaltung von Arbeitsrechten, umweltfreundliche Materialien und die Vermeidung von unnötigen Transporten im Vordergrund. Nicht nur für die tägliche Versorgung der Pflegebedürftigen und Patienten ist eine große Menge an Ressourcen und Grundmaterialien notwendig, das große Abfallaufkommen ist ein essentielles Problem im Gesundheitswesen, welches im Sinne der Nachhaltigkeit ebenfalls näher betrachtet werden sollte (Huss 2023) (siehe dazu auch Kapitel Abfallaufkommen).
Nachhaltigkeitssiegel
Um zwischen “guten”, “besseren” oder “schlechten” Produkten zu entscheiden, kann man auf Siegel vertrauen. Es gibt jedoch inzwischen eine kaum überschaubare Vielfalt an Siegeln – Herstellersiegel, Siegel, die von Institutionen und Verbänden herausgegeben werden und staatliche Siegel. Manche umfassen die ganze Lieferkette oder den Lebenszyklus des Produktes mit ökologischen und sozialen Vorgaben, manche setzen bestimmte Schwerpunkte wie z. B. die Rohstoffherstellung oder fokussieren sich auf soziale Aspekte. Um die Siegel vergleichen zu können, müsste man die häufig umfangreichen Kriterienkataloge studieren, und zwar in regelmäßigen Abständen, da die Kriterien meist fortlaufend angepasst werden. Dies ist eine große Herausforderung für Verbraucherinnen und Verbraucher und auch für den Handel nicht einfach. Dennoch sollten diejenigen, die die Sortimente gestalten, die wichtigsten Siegel im Bereich Nachhaltigkeit für ihre Waren kennen. Einen Wegweiser für allerlei Siegel bietet z. B.
- das Informationsportal Siegelklarheit: www.siegelklarheit.de,
- der Ethik.Guide: https://ethikguide.org/ und
- Label-Online: www.label-online.de .
Im Folgenden werden einige wichtige Siegel für verschiedene Handelsbereiche, in denen es Nachhaltigkeitssiegel gibt, besprochen.
Bekleidungssiegel
- EU-Ecolabel: Das EU-Ecolabel wird von der deutschen Vergabestelle (RAL gGmbH) verliehen und wird für verschiedene Produkte und Dienstleistungen vergeben. Das EU-Ecolabel Textilien kennzeichnet umweltfreundliche Produkte aus Natur- und Chemiefasern und bezieht sich auf den gesamten Produktionsweg (eu-ecolabel, o. J.; Müller et al 2021).
- Naturtextil IVN zertifiziert best: Das Label des Internationalen Verbandes der Naturtextilwirtschaft kennzeichnet Naturfasern (100 Prozent), die unter sozialverträglichen und ökologischen Kriterien hergestellt werden und zwar auf allen Produktionsstufen (Naturtextil IVN zertifiziert best, o. J.).
- Der Grüne Knopf: Das staatliche Siegel kennzeichnet nachhaltige Textilien und prüft, ob Unternehmen Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards in ihren Lieferketten übernehmen. Die Kriterien werden fortlaufend weiterentwickelt (Grüner Knopf, o. J.; Müller et al 2021).
- Global Organic Textile Standard (GOTS): Das Label kennzeichnet von der Rohstofferzeugung bis zum Verbraucher ökologische und soziale Bedingungen der Textilherstellung mit ökologisch erzeugten Rohstoffen (mindestens 70 Prozent ökologisch erzeugte Naturfaser).
- Oeko-Tex Made in Green: Das Label kennzeichnet auf Schadstoffe geprüfte Textilien und Produkte aus Leder, die in umweltfreundlichen Betrieben und unter sozialverträglichen Bedingungen und transparenten Lieferketten hergestellt werden (Oeko-Tex Made in Green o. J.).
- FairTrade Cotton: Das Fairtrade-Produktsiegel für Baumwolle steht für fair angebaute und gehandelte Rohbaumwolle, die getrennt von Nicht-Fairtrade-Baumwolle weiterverarbeitet wird und über alle Produktionsschritte direkt rückverfolgbar ist. Das Siegel garantiert sozialverträgliche Lebens- und Arbeitsbedingungen insbesondere der Kleinbauern beim Baumwollanbau und stellt zusätzlich auch Anforderungen an den umweltverträglichen Anbau der Baumwolle. Bäuerinnen und Bauern sowie Beschäftigte auf Plantagen erhalten eine zusätzliche Fairtrade-Prämie für Gemeinschaftsprojekte. (Fairtrade o. J.: Fairtrade-Siegel auf einen Blick. Online: www.fairtrade-deutschland.de).
Lebensmittelsiegel
- EU-Bio-Siegel: Das EU-Biosiegel kann nur vergeben werden, wenn auf chemischen Pflanzenschutz und künstliche Düngemittel verzichtet wird, wenn eine Überdüngung durch eine Begrenzung der Tierzahl pro Hektar vermieden wird, keine Antibiotika eingesetzt werden und auch die Futtermittel “Bio” sind. Gentechnisch veränderte Organismen (Pflanzen) sind nicht erlaubt. Die Haltungsbedingungen müssen besser als bei konventioneller Haltung sein. Die Anzahl der Zusatzstoffe, die erlaubt sind, beträgt nur rund 50 (von 316 möglichen Zusatzstoffen).
- Verbands-Siegel von deutschen Anbauverbänden: Zu den deutschen Anbauverbänden gehören z. B. Demeter, Bioland, Naturland, BioPark, Biokreis, Ecoland, Ecovin, Gäa – Vereinigung Ökologischer Landbau und Verbund Ökohöfe. Ihre Anbau- und Verarbeitungsbedingungen sind strenger als die der EU-Öko-Verordnung. Die Richtlinien unterscheiden sich beispielsweise im Tierbestand pro Fläche, in der Haltung, Fütterung, Tiergesundheit, in Transport und Schlachtung, in den zugelassenen Düngemitteln, in der Beheizung von Gewächshäusern im Gemüseanbau, in der Anzahl und Nutzung von Zusatzstoffen, in der Kennzeichnung von Bioprodukten und in Verpackungsrichtlinien.
- Haltungsformen: In Zusammenarbeit von BMEL und Landwirtschaftsorganisationen wurde das Label “Haltungsformen” entwickelt. Es soll für mehr Transparenz in der Tierhaltung dienen. Es gibt vier Stufen: Stallhaltung, StallhaltungPlus, Außenklima und Premium. Für Hähnchen unterscheiden sich die Haltungsformen wie folgt (Haltungsform.de, o. J.):
○ Stufe 1: Stallhaltung: Platz: max. 39 kg/m²; Stallhaltung, Trockene Einstreu zur Beschäftigung
○ Stufe 2: StallhaltungPlus: 35 kg/m² (29 kg/m² wenn Stall mit Kaltscharrraum); mindestens zwei organische und veränderbare Beschäftigungsmaterialien aus sich verbrauchendem Matrial; QS anerkanntes Futter
○ Stufe 3: Haltungsform: Außenklima: max. 25 kg/m2 bzw. max. 29 kg/m2 (bei einem Stall mit Kaltscharrraum); ständiger Zugang zum Aussenklimabereich; mind. zwei organische Beschäftigungsmaterialien aus veränderbarem und sich verbrauchendem Material wie z. B. Stroh, Picksteine. Futtermittel ohne Gentechnik; Tiergesundheits-Monitoring
○ Premium: 21 kg/m²; Stallhaltung mit Zugang zum Außenbereich während mind. ⅓ der Lebenszeit, zusätzliche Einstreu in Form von Stroh, Holzspänen, Sand oder Torf auf mind. 1/3 der Stallfläche; Futter ohne Gentechnik; mind. 20 Prozent vom eigenen Betrieb bzw. aus der Region. Fleisch: Bio oder konventionell aufgewachsen unter den Premium-Bedingungen.
- Vegetarisch / Vegan: Die überwiegend vegane Ernährung leistet den größten Beitrag zum Klimaschutz. Eine deutliche Reduktion von tierischen Komponenten mit einem hohen Anteil an veganen Mahlzeiten entspricht auch am besten der Empfehlungen der DGE (DGE o. J.): 30 Prozent Getreide und Kartoffeln, 26 Prozent Gemüse und 17 Prozent Obst – dies sind 73 Prozent vegane Produkte (75 Prozent kann mit 2 Prozent pflanzlichen Ölen erreicht werden). Seit 2008 werden die Markenrechte in der V-Label GmbH in der Schweiz betreut. Das Label versichert, dass das Produkt nicht aus Tieren oder tierischen Bestandteilen besteht. Es werden keine Eier aus Käfighaltung verwendet. Gentechnik ist gleichfalls verboten.
Fairer Handel-Siegel
Grundsätzlich wird im Bereich des fairen Handels zwischen Fair-Handels-Unternehmen sowie fairen Produkten unterschieden. Beispiele für Fair-Handels-Unternehmen sind z. B. die GEPA, El Puente oder WeltPartner (Weltladen Dachverband o. J.)
Wichtige Produktsiegel für fair gehandelte Produkte sind:
- Fairtrade-Siegel: Das Fairtrade-Siegel steht für fair angebaute und gehandelte Produkte, bei denen alle Zutaten zu 100 Prozent unter Fairtrade-Bedingungen gehandelt und rückverfolgbar sind, wie zum Beispiel bei Kaffee oder Bananen (Fairtrade Deutschland o. J.).
- Fair for Life: Das Siegel „Fair for Life“ zählt zu den wenigen Siegeln, die keine Lizenzgebühren für die Logonutzung verlangen. Die jährlichen Gebühren belaufen sich nur auf die Finanzierung des Audit- und Zertifizierung Aufwands. Das ermöglicht kleinen und lokalen Unternehmen eine Zertifizierung. Allerdings sind Auflagen für die Produktion und den Vertrieb hoch: Das Label fordert von den Herstellern ein hohes Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Mitarbeiter*innen und der Umwelt (Utopia 2018).
- Naturland Fair-Siegel: Dies gilt für fair gehandelte Bioprodukte. Das Zeichen wird von Unternehmen genutzt, die ihre Waren nur zum Teil als „fair“ zertifizieren lassen (Weltladen Dachverband o. J.).
Siegel für mehrere Produktgruppen
Das Europäische Umweltzeichen (EU-Ökolabel 2022, EU-Ecolabel o. J.) ist auch als EU-Blume oder Euro-Blume bekannt. Es zertifiziert alle Produkte des täglichen Bedarfs – von Schuhen über Waschmittel bis zu Notebooks und Matratzen. Das EU-Ecolabel wurde vor mehr als 25 Jahren von der Europäischen Kommission eingeführt. Heute vergeben Prüfinstitute das EU-Ecolabel im Auftrag der Umweltministerien der teilnehmenden europäischen Länder (ebd.). Der Fokus liegt auf dem Klima- und Umweltschutz und einer sozialverträglichen Produktion bei der Endmontage der Geräte. In Deutschland wird das EU Ökolabel von RAL gemeinnützige GmbH im Auftrag des Umweltministeriums in folgenden Kategorien vergeben (ebd.: eu-ecolabel für Unternehmen ):
- Haushalt, z. B. Möbel, Hygiene- und Toilettenpapier, Wasch- und Reinigungsmittel
- Textilien, z. B. Kleidung, Schuhe, Matratzen
- Elektrogeräte, z. B. TV-Geräte, Notebooks, Tablets
- Bauen, z. B. Fußböden, Farben und Lacke
- Dienstleistungen, z. B. Gebäudereinigungsdienste, Hotels, Campingplätze
An die einzelnen Produktkategorien stellt das EU-Ökolabel unterschiedliche Anforderungen (EC 2009, EC o. J.). Grundsätzlich sind die Umweltanforderungen des EU-Ecolabels etwas höher als bei anderen Siegeln. Der Fokus liegt auf einem geringen Einsatz von Chemikalien, einem niedrigen Energie- und Wasserverbrauch, geringen Luftemissionen, der Abfallreduktion durch Recycling. Hohen Wert legt das Siegel auch darauf, dass Schadstoffe entweder ganz verboten oder strenge Grenzwerte eingehalten werden müssen. Bei Computern sind beispielsweise polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) nur bis 1 mg/kg erlaubt. Außerdem müssen die Elektrogeräte energieeffizient arbeiten und verwendete Weichmacher biologisch abbaubar sein. In fast allen Produktkategorien des EU-Ecolabels hat die Langlebigkeit der Produkte einen hohen Stellenwert. So müssen beispielsweise Notebooks verschiedene Belastbarkeit Tests bestehen und kleine Wasserschäden aushalten. Außerdem legt das EU-Ecolabel viel Wert darauf, dass sich bei einem Defekt einzelne Teile austauschen und die Produkte einfach recyceln lassen.
Eine besonders wichtige Auszeichnung ist der Umweltengel. Der Umweltengel ist seit über 40 Jahren das Umweltzeichen der Bundesregierung und wird vom Umweltbundesamt “herausgegeben”. Inzwischen sind mehr als 20.000 Produkte und Dienstleistungen von über 1.600 Unternehmen ausgezeichnet (UBA o. J.): Zweck des Umweltzeichens ist es, privaten Verbraucherinnen und Verbrauchern, institutionellen Großverbrauchern und öffentlichen Einrichtungen eine verlässliche Orientierung beim umweltbewussten Einkauf zu geben. Denn eine gezielte Nachfrage nach umweltschonenden Produkten fördert ökologische Produktinnovationen und reduziert Umweltbelastungen. Der Blaue Engel steht für eine unabhängige, transparente und ambitionierte Kennzeichnung.
Siegel für Verpackungsmaterialien
Die Vermeidung oder die Einsparung von Verpackungen ist ein viel diskutiertes und auch bereits umgesetztes Thema im Bereich der Ernährung. Allerdings wird die Wirksamkeit dramatisch überschätzt. Eine repräsentative Befragung von Kearney (2019) hat gezeigt, dass 56 Prozent der Bundesbürgerinnen und Bürgern Plastiktüten einsparen wollen. Über das Jahr hinweg spart dies ca. 3 kg THG-Emissionen pro Kopf ein. Würden die Bürger*innen auf Fleischgerichte hingegen verzichten (13 Prozent der Bürger*innen wollen das tun), so würden sie 450 kg THG-Äq einsparen. Wichtige Siegel für Verpackungsmaterialien sind:
- Der grüne Punkt: seit 1990 das weltweit erste duale System zur verbrauchernahen und hochwertigen Verwertung von Verkaufsverpackungen, Anbieter von Rücknahmesystemen (Der grüne Punkt o. J.)
- Beim FSC (Forest Stewardship Council) werden Entscheidungen durch ein 3-Kammern-System (Sozial-,Umwelt-, Wirtschaftskammer) getroffen. In diesen Kammern sind neben weiteren Akteur*innen hauptsächlich Vertreter der Umweltverbände aktiv.
- Beim PEFC (Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes) werden Entscheidungen durch den Forstzertifizierungsrat, der neben weiteren Akteur*innen hauptsächlich durch Vertreter verschiedener Waldeigentumsarten besetzt ist, getroffen (Fraunhofer-Institut 2015).
Siegel für Regionalität
Regionalität ist für viele Kundinnen und Kunden von Bedeutung. Daher sind Siegel für regionale Angebote, für die Wirtschaftsakteure vor Ort sich zusammenschließen und eine bestimmte Herkunft signalisieren, beliebt. Sie werden auf verschiedenen Ebenen vergeben (Schalenberg 2022):
- Das Siegel „geschützte Ursprungsbezeichnung“ der Europäischen Kommission für Agrarerzeugnisse zeigt an, dass Produkte in einem bestimmten Gebiet mit genauen Kriterien hergestellt wurden (bspw. Allgäuer Emmentaler).
- Mit dem Ziel bundesweit einheitlicher Transparenz hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) im Jahr 2014 das „Regionalfenster“ initiiert, durch das freiwillig ca. 5.500 Lebensmittel, Blumen und Zierpflanzen mit Angaben über Ursprungs- und Verarbeitungsort sowie den regionalen Anteil versehen werden (Regionalfenster Service GmbH o. J.).
- In einigen Bundesländern wurden Regionalsiegel entwickelt, bspw. „Geprüfte Qualität Hessen“.
- Im Lebensmitteleinzelhandel werden Regionalmarken wie „Von Hier“ oder „Bestes aus unserer Region“ verwendet.
Regionale Produkte werden oft mit einer besseren Qualität (bspw. Frische) und kurzen Transportwegen assoziiert, denn es besteht von Seiten der Kund*innen ein größeres Vertrauen zu regionalen Produzenten (Stockebrand 2012, S. 233). Allerdings ist eine regionale Herkunft kein Garant für diese Vorteile. Ein grundsätzliches Problem besteht darin, dass die Vergabekriterien sehr unterschiedlich sind: In manchen Fällen wird beispielsweise nur der Verarbeitungsort und nicht die Herkunft der verwendeten Rohstoffe betrachtet. Der rechtlich ungeschützte Begriff der Regionalität wird entsprechend sehr unterschiedlich ausgelegt (Penker 2015, o.S.), was zu Greenwashing führen kann. Regionalität kann sich auf eine Stadt oder mehrere Bundesländer beziehen oder nur auf gewisse Anteile der Produktbestandteile (Schalenberg 2022).
Kontrolle von Siegeln
Aufgrund der Vielzahl und Undurchsichtigkeit der Kriterien von Siegeln kann es schnell zu einer Verbraucherverunsicherung kommen. Auch werden durch die variierenden Zertifizierungsvorgänge die Glaubwürdigkeit der Siegel in Frage gestellt. Um diese zu bewerten ist für Händler*innen und Kund*innen relevant (Schalenberg 2022):
- welche Kriterien an Güter gestellt werden
- ob Bewertungsprozesse überprüfbar, transparent und nachvollziehbar sind
- wie unabhängig die Siegelgeber und Kontrollstellen sind, sodass Siegel nicht einfach erkauft werden können
Eine Einschätzung über die Glaubwürdigkeit verschiedener Siegel bietet das Deutsche Institut für Qualitätsstandards und -prüfung (DIQP).
Außerdem bieten folgende Internetseiten einen Überblick und Bewertungen für verschiedenen Produktgruppen:
- Siegelklarheit (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit): Glaubwürdigkeit, Umweltfreundlichkeit und Sozialverträglichkeit von Siegeln
- Nachhaltiger Warenkorb (Regionale Netzstellen Nachhaltigkeitsstrategien): Auswahl aller (sehr) gut-Siegel von Siegelklarheit + unabhängige Informationen über Siegel und Produktkennzeichnungen
- Label online (Bundesverband Die Verbraucher Initiative e.V.): Informationen und Bewertungen zu Labels in Deutschland (Bedeutung, Qualität)
- RegioPortal (Bundesverbandes der Regionalbewegung e. V.): Verzeichnis mit Regionalinitiativen, die detaillierte Angaben über die Voraussetzungen machen
Kleine, nachhaltige Betriebe und Händler können oft keine Kosten für Zertifizierungen leisten. Auch müssen erste Auditierungen und Folge-Zertifizierungen sowie Personalaufwand gestemmt werden. Aber sie können auch ohne Siegel Informationen zur Nachhaltigkeit zukommen lassen. Ein guter Kontakt zu Lieferant*innen ist dabei wichtig. Es kann über Fotos und Geschichten aus den Betrieben mitunter sogar mehr Vertrauen entstehen, als durch die undurchsichtigen Zertifikate (Schalenberg 2022).
Nachhaltigkeitssiegel am Beispiel “Berufskleidung”
Um Transparenz innerhalb einer Lieferkette zu gewährleisten, können verschiedene Maßnahmen ergriffen werden. Eine Möglichkeit ist die Einführung von Lieferantenbewertungen und -audits, die sicherzustellen, dass die Lieferanten nachhaltige Praktiken auch umsetzen. Auch die Zertifizierung von Produkten und Lieferanten durch anerkannte Dritte kann dabei helfen, die Einhaltung von Standards zu überwachen (HRW 2019). Um zwischen “guten”, “besseren” oder “schlechten” Produkten und Lieferanten zu entscheiden, kann man auf Siegel vertrauen. Es gibt jedoch inzwischen eine kaum überschaubare Vielfalt an Siegeln – bedingt ist dies durch die Gründung von Organisationen, die ihren Betrieb mit dem Vertrieb von Siegeln finanzieren. In der Pflege können bei der Betrachtung von Baumwoll Materialien, insbesondere der Kleidung, Siegel als Orientierung dienen. Es gibt laut Initiative “Siegelklarheit” der Bundesregierung vierzehn Nachhaltigkeitssiegel im Bereich Textilien, elf davon werden als „Sehr Gute Wahl“ gekennzeichnet. Im Folgenden werden sechs „Sehr Gute Wahl“-Siegel beispielhaft gelistet (Siegelklarheit o. J.):
- GOTS: Der Global Organic Textile Standard (GOTS) ist als weltweit führender Standard für die Verarbeitung von Textilien aus biologisch erzeugten Naturfasern anerkannt. Entlang der gesamten textilen Lieferkette werden strenge Anforderungen für die Textilindustrie gestellt. und Bekleidungshersteller festgelegt. Die Qualitätssicherung erfolgt durch eine unabhängige Zertifizierung der gesamten textilen Lieferkette (ebd.).
- Fairtrade Baumwolle: Sozialverträgliche Lebens- und Arbeitsbedingungen in der Baumwollproduktion werden mit dem Siegel „Fairtrade Baumwolle“ gekennzeichnet. Das Siegel richtet sich insbesondere an Kleinbauern, die den Anforderungen an einen umweltverträglichen Baumwollanbau nachkommen, und fokussiert damit vorrangig die Rohstoffproduktion, also den Anbau sowie die Herstellung (ebd.).
- Fairtrade Textile Production: Das Siegel zielt auf faire Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen und Arbeiter in der Textilindustrie ab und unterstützt eine umweltverträgliche Produktion. Mit Hilfe von Lizenzverträgen sollen zudem Händler von Textilien zu fairen Handelsbedingungen verpflichtet werden. Das Siegel „Fairtrade – Textilien“ wurde zusätzlich zum Siegel Fairtrade – Baumwolle entwickelt, um den Fairtrade-Ansatz auf die gesamte Wertschöpfungskette von Textilien auszuweiten (ebd.).
- Blauer Engel – Textilien: Der Blaue Engel kennzeichnet die Herstellung von Textilien ohne gesundheitsgefährdende Chemikalien und unter Einhaltung hoher Umweltstandards. Das Siegel stellt Anforderungen an den gesamten Produktionsweg, fokussiert jedoch vorrangig die Rohstoffproduktion sowie die Herstellung, also auch die Produktion und Weiterverarbeitung von Garnen und Stoffen.
- Fair Wear Foundation: Das Siegel fokussiert die Arbeitsbedingungen in Unternehmen der Textilindustrie weltweit. Der Fokus liegt auf der Herstellung von Kleidungsstücken, also auf Betrieben in denen genäht wird. Siegel Inhaber ist die niederländische Stiftung Fair Wear Foundation (FWF), die von Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen und Handels- sowie Herstellerorganisationen getragen wird. Etwa 80 Textilunternehmen sind Mitglied der Stiftung, es werden Produktionsstätten in ca. Ländern innerhalb von Europa, Afrika und Asien betrachtet (ebd.).
- Naturland Textilien: Das Siegel verbindet ökologischen Landbau, soziale Verantwortung mit fairem Handel und betrachtet somit alle Schritte von der Produktion bis zum fertigen Produkt ab. Gleichzeitig wird das Ziel verfolgt, im Sinne der globalen Nachhaltigkeitsziele der UN (SDGs), eine nachhaltige Wertschöpfungskette zu erreichen und somit die Lebensgrundlage zu sichern. Mehr als 100.000 Bauern ca. 60 Ländern der Erde sind in dem größten Öko-Verband Deutschland und weltweit aktiv und fokussieren ein ökologisches, soziales und faires Wirtschaften (ebd.).
Abfallaufkommen
In Gesundheitseinrichtungen, wie Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, wird oft eine große Menge an Müll, einschließlich schädlicher Abfälle produziert. Eine bedeutende Herausforderung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besteht darin, innerhalb des Gesundheitssektors das Müllaufkommen zu reduzieren (Richter et al., 2023). Viele Einwegprodukte aus Kunststoff, wie Spritzen, Schläuche oder Kanülen, sind nach der Verwendung mit Chemikalien oder biologischen Stoffen kontaminiert und können nicht recycelt werden. Stattdessen müssen sie fachgerecht entsorgt werden. Das Abfallmanagement stellt aufgrund bestehender Hygienevorschriften im Gesundheitssektor eine große Herausforderung dar. Trotzdem kann die richtige Entsorgung von Müll und die Vermeidung von Müll einen maßgeblichen Beitrag zu einer nachhaltigen Veränderung leisten (Scherrer 2006).
Folgend wird das Abfallaufkommen in einem Krankenhaus näher betrachtet. Es können Rückschlüsse auf alle anderen Gesundheitseinrichtungen gezogen werden: Ca. 4,8 Millionen Tonnen Abfall pro Jahr fallen in einem Krankenhaus an. Damit sind Krankenhäuser der fünftgrößte Müllproduzent in Deutschland (BUND 2020). Pro Krankenhausbett und Patient fallen jeden Tag bis zu 20 Kilogramm Müll an, was etwa sieben bis acht Tonnen je Klinik entspricht. Abhängig von Größe und Spezialisierung entstehen in einem Krankenhaus pro Patient ca. 6 kg Müll (Umweltbundesamt 2014). In Berlin produzieren beispielsweise jährlich die aktuell 83 Krankenhäuser bis zu 212.065 Tonnen Abfall (BUND 2020). Die gemeinnützige Organisation Practice Green Health geht davon aus, dass rund 25 Prozent des anfallenden Abfalls in Krankenhäusern aus Plastik besteht, durchschnittlich fallen ca. 400 Gramm Plastikmüll pro Patient und Tag an (Practice Greenhealth o. J.). Beispielsweise Spritzen, Schläuche oder auch Schutzmasken können im Zuge einer nachhaltigen Analyse durch nachhaltigere Produkte ersetzt werden, das Nutzungsverhalten könnte angepasst werden. Eine mögliche Lösung sind unter anderem wiederverwendbare Produkte oder auch ein innovatives Recycling (POP 2022).
Von der Abfallmenge entfallen ca. 30 Prozent auf die direkte Pflege und die Versorgung der Patienten, ca. 10 Prozent der Gesamt Abfallmenge müssen aufgrund von Hygienemaßnahmen verbrannt werden, der restliche Müll wird als Restmüll entsorgt (Abfallmanager; Umweltbundesamt 2014). Debatin et al (2011) benennt fünf Abfallgruppen die im Krankenhaus anfallen können:
Abfall-gruppe | Beispiele | Aufkommen | Spezielle Anforderungen |
A | Haushaltsmüll, Küchenabfälle, Kantinenabfälle | 60 Prozent | Keine |
B | Blut, Sekret, Wundverbände, spitze Einwegartikel | 30 Prozent | Infektionsprävention innerhalb des Krankenhauses |
C | Abfälle nach § 10a BSeuchG | 3 Prozent | Infektionsprävention innerhalb und außerhalb des Krankenhauses |
D | Altmedikamente, Zytostatika, Laborabfälle, Chemikalien | 7 Prozent | Umweltschutz |
E | Blutkonserven, Körper-Organ-Abfälle | < 1 Prozent | Ethische Anforderungen |
Quelle: Eigene Darstellung nach Debatin (2011).
Anmerkungen: § 10a BSeuchG: Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beim Menschen
Das Universitätsklinikum Essen produziert beispielsweise neun Tonnen Abfall pro Tag. Der OP-Bereich ist dabei für ca. 25 Prozent der gesamten CO2-Emissionen verantwortlich. In einem Zeitraum von zwei Wochen wurde der anfallende Abfall bei Augenoperationen überprüft. Durch die Trennung von Glas- und Restmüll konnte im Untersuchungszeitraum die Abfallmenge um 14 Prozent und die anfallenden Kosten ebenfalls um 7 Prozent reduziert werden (Lever et al. 2023).
Auch Verpackungen machen einen Großteil der Abfallgruppe in einem Krankenhaus aus. In vielerlei Hinsicht sind Alten- und Pflegeheime als weitere Einrichtungen im Gesundheitswesen in Ihren Leistungen und auch in ihrem Abfallaufkommen mit Krankenhäusern vergleichbar und auch die Entsorgung von Abfallprodukten entsprechend komplex, wie so auch ambulanten Pflege (Abfallmanager Medizin 2023). Vor allem die rechtlichen Grundlagen gestalten sich zumeist komplex, entsprechend unterschiedlich sind die Regelungen hinsichtlich verschiedener Abfallarten, die zu beachten sind (ebd.).
In Deutschland wird das Abfallrecht angesichts der Klimaveränderungen, einer stetigen Ressourcenverknappung und auch wegen gravierender abfallbedingter Umweltschäden immer wieder Anpassungen unterzogen, um Schritt für Schritt eine umweltfreundliche Abfall- und Kreislaufwirtschaft, auch für das Gesundheitswesen, zu generieren (Abfallmanager Medizin 2023). Einwegprodukte haben die Mehrfachnutzung und Kreislaufwirtschaft im Gesundheitsbereich zumeist verdrängt, die Vermeidung und Rückgewinnung von Wertstoffen ist nicht die Regel.
2019 trat in Deutschland das Verpackungsgesetz (VerpackG) in Kraft, das u.a. auch für Gesundheitseinrichtungen insbesonderen Krankanhöuser gilt um Verpackungen zu reduzieren und die Recyclingquote zu verbessern:
„Dieses Gesetz legt Anforderungen an die Produktverantwortung nach § 23 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes für Verpackungen fest. Es bezweckt, die Auswirkungen von Verpackungsabfällen auf die Umwelt zu vermeiden oder zu verringern. Um dieses Ziel zu erreichen, soll das Gesetz das Verhalten der Verpflichteten so regeln, dass Verpackungsabfälle vorrangig vermieden und darüber hinaus einer Vorbereitung zur Wiederverwendung oder dem Recycling zugeführt werden.“ (Verpackungsgesetz o. J.)
„Mit diesem Gesetz soll außerdem das Erreichen der europarechtlichen Zielvorgaben der Richtlinie 94/62/EG über Verpackungen und Verpackungsabfälle sichergestellt werden. Danach sind von den im Geltungsbereich dieses Gesetzes anfallenden Verpackungsabfällen jährlich mindestens 65 Masseprozent zu verwerten und mindestens 55 Masseprozent zu recyceln. Dabei muss das Recycling der einzelnen Verpackungsmaterialien mindestens für Holz 15, für Kunststoffe 22,5, für Metalle 50 und für Glas sowie Papier und Karton 60 Masseprozent erreichen, wobei bei Kunststoffen nur Material berücksichtigt wird, das durch Recycling wieder zu Kunststoff wird. Bis spätestens 31. Dezember 2025 sind von den im Geltungsbereich dieses Gesetzes anfallenden Verpackungsabfällen jährlich mindestens 65 Masseprozent zu recyceln, bis spätestens 31. Dezember 2030 mindestens 70 Masseprozent.“ (ebd.).
In einem Krankenhaus werden neben den Verpackungen, die auch in einem privaten Haushalt anfallen, zusätzlich Verpackungen für Verbandmaterial, Produkte für Wundversorgung, Fertigspritzen, oder auch Infusionslösungen zum Verpackungsmüll gezählt (Abfallmanager Medizin 2020). Das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) gibt darüber hinaus eine Abfallhierarchie vor, die dazu beitragen soll, Abfälle zu vermeiden und dadurch natürliche Ressourcen zu schonen (KrWfG o. J.). Demnach sind fünf Maßnahmen hinsichtlich der der Abfallbewirtschaftung zu befolgen:
- Vermeidung
- Vorbereitung und Wiederverwendung
- Recycling
- Sonstige Verwertung, insbesondere energetische Verwertung und Verfüllung
- Beseitigung
Bislang sind flächendeckend gute Beispiele zur Abfallreduktion bzw. Vermeidung im Gesundheitsbereich noch gering. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) möchte mit der Förderinitiative “CirculAid” die Kreislaufwirtschaft im Gesundheitswesen vorantreiben und fokussiert vor allem Projekte zur Abfallvermeidung (DBU 2023).
Corporate Social Responsibility (CSR)
Bislang beruhte die Berichtspflicht über nachhaltiges Handeln auf Freiwilligkeit bzw. eine beschlossene Selbstverpflichtung. Ab 2025 tritt eine neue Richtlinie zur unternehmerischen Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) in Kraft. Damit werden zukünftig große Krankenhäuser und Krankenhausunternehmen mit über 250 Mitarbeitenden und einem jährlichen Umsatz von über 40 Millionen verpflichtet, einen Bericht abzugeben (Abfallwirtschaft 2023c).
Die Idee von CSR basiert auf der sozialen Komponente unternehmerischer Verantwortung, doch gehen die aktuellen Definitionen von CSR inzwischen von einem viel breiteren Verantwortungsbegriff aus: Verantwortung soll nicht nur gegenüber den Mitarbeitern, den Aktionären und Geldgebern übernommen werden, sondern auch gegenüber der Gesellschaft. Dies äußert sich in der Forderung an die Entscheidungsträger der Wirtschaft, auf gesellschaftliche Belange Rücksicht zu nehmen. CSR kann demnach verstanden werden als Verantwortung eines Unternehmens für die Auswirkungen seiner Aktivitäten auf die Gesellschaft und die Umwelt. Zwei konkrete Forderungen stehen dabei im Vordergrund: Zum einen sollten Unternehmen alle Handlungen vermeiden, die die Gefahr in sich tragen, die Gesellschaft zu schädigen. Oder anders herum formuliert: Es gehört zu den Aufgaben der Wirtschaft, die Gesellschaft zu schützen. Zum anderen soll die Wirtschaft dem gesamtgesellschaftlichen Gemeinwohl dienen. Unternehmen sind also angehalten, nicht nur negative Auswirkungen ihres Handelns zu vermeiden, sondern vielmehr einen positiven Beitrag zum gesellschaftlichen Wohlergehen zu leisten. (vgl. Loew & Rohde 2013: 6ff.)
Die Europäische Kommission bezeichnet CSR als „die Verantwortung von Unternehmen für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft“ (Europäische Kommission 2011: 7). Weitergehend wird festgelegt:
„Nur wenn die geltenden Rechtsvorschriften und die zwischen Sozialpartnern bestehenden Tarifverträge eingehalten werden, kann diese Verantwortung wahrgenommen werden. Damit die Unternehmen ihrer sozialen Verantwortung in vollem Umfang gerecht werden, sollten sie auf ein Verfahren zurückgreifen können, mit dem soziale, ökologische, ethische, Menschenrechts- und Verbraucherbelange in enger Zusammenarbeit mit den Stakeholdern in die Betriebsführung und in ihre Kernstrategie integriert werden“ (ebd.).
Ein „neues“ Verantwortungsbewusstsein der Unternehmen fordert auch einen Perspektivwechsel auf tieferer Ebene: Unternehmenspolitische Entscheidungen werden nicht mehr einzig aus der Shareholderperspektive, sondern aus der Stakeholderperspektive betrachtet und abgewogen. Die beiden Perspektiven lassen sich folgendermaßen beschreiben (vgl. Stierl & Lüth 2015: 8ff.):
- Shareholderperspektive: Nach traditioneller Ansicht konzentrieren sich unternehmenspolitische Entscheidungen vor allem auf die Interessen der Eigenkapitalgeber, also der Anteilseigner (Englisch: Shareholder) eines Unternehmens. Nach diesem sogenannten Shareholderansatz hat die Unternehmensleitung im Sinne der Anteilseigner so zu handeln, dass der Unternehmenswert langfristig maximiert und eine hohe Eigenkapitalrendite erzielt wird. Kritiker lehnen diese Fokussierung auf den Unternehmenswert jedoch mit der Begründung ab, die Anteilseigner eines Unternehmens seien bei weitem nicht dessen einzige Anspruchsgruppe. Bei unternehmerischen Entscheidungen sollten auch potenzielle Auswirkungen, beispielsweise auf Mitarbeiter, Kunden, Öffentlichkeit und die Umwelt, berücksichtigt werden.
- Stakeholderperspektive: Der sogenannte Stakeholderansatz richtet den Blick nicht mehr nur auf die Interessen der Shareholder, sondern auf alle Anspruchsgruppen, die aus dem engeren Umfeld des Unternehmens kommen: Mitarbeiter, Lieferanten, Kunden – Menschen also, die direkt von den Handlungen der Organisation betroffen sind, die sogenannten Stakeholder. Allerdings gibt es keine einheitliche Vorstellung davon, wer genau überhaupt als Stakeholder in Betracht zu ziehen ist. So werden ihnen häufig auch Gruppen aus dem weiteren Umfeld zugeordnet, also die Öffentlichkeit (Parteien, Verbände, Kommunen, Kirchen oder Medien), nichtstaatliche Organisationen (NGOs) oder einzelne Bürger, die indirekte Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit wahrnehmen. Im weiten Verständnis wird sogar die Natur (als Rohstofflieferant und Aufnahmemedium für Abfall) als Stakeholder begriffen. Staat, Natur und Öffentlichkeit sind sogenannte nichtmarktliche Anspruchsgruppen.
Die Relevanz des Stakeholder Ansatzes im Rahmen des CSR-Konzeptes wird in der oben aufgeführten CSR-Definition der EU-Kommission deutlich, in der explizit auf die enge Zusammenarbeit mit den Stakeholdern eingegangen wird. Es sind die Stakeholder, die Unternehmen auf relevante Themen, von denen sie betroffen sind, aufmerksam machen. Sie stellen somit die Verbindung des Unternehmens zur und seine Einbettung in die Gesellschaft dar und wirken durch einen wechselseitigen Austausch auf die Unternehmenskultur und die Werte des Unternehmens ein.
Damit relevante CSR-Maßnahmen den Stakeholdern aus ihrer Sicht einen Mehrwert bieten, müssen diese zunächst Kenntnis davon erlangen, dass und in welcher Form diese CSR-Maßnahmen von Unternehmen durchgeführt werden. Innerhalb dieses Kommunikationsprozesses treten schnell Widersprüche auf, die aus Sicht der Stakeholder zu einem schwerwiegenden Glaubwürdigkeitsverlust gegenüber dem Unternehmen führen können. Zu diesem Glaubwürdigkeits- und Imageverlust kommt es vorwiegend dann, wenn es wiederholt zu Diskrepanzen zwischen den Selbstverpflichtungen, denen sich ein Unternehmen verschrieben hat und dem wahrgenommenen Handeln durch die Stakeholder, kommt. Darüber hinaus nehmen die Stakeholder häufig einen Widerspruch wahr, wenn das Unternehmen uneigennützige Motive als Beweggründe für sein CSR-Engagement angibt. Nicht selten sind Maßnahmen, bei denen eine Überschneidung zwischen Nachhaltigkeit und Kostenreduzierungen besteht, wie z. B. Verminderung von Transportanzahl und -strecken, Reduzierung des Energieverbrauchs im Lager sowie Verminderung von Verpackungsmaterial, häufiger von Unternehmen angewendet werden als Maßnahmen, bei denen dies nicht der Fall ist. Hierdurch steht dann der Grundkonflikt zwischen Gewinn und Moral auch im Zentrum der Kommunikation einer verantwortungsvollen Unternehmensführung, da die Stakeholder durch ihre allgemeinen Erwartungen und individuellen Erfahrungen zunächst davon ausgehen, dass ein Unternehmen seine Aktivitäten nur auf die Realisierung ökonomischer Ziele ausrichtet. (vgl. Jaromilek 2014)
Dass es zu dieser negativen öffentlichen Wahrnehmung von CSR-Engagements der Unternehmen kommt, liegt oft daran, dass die Unternehmen vornehmlich nur die Symptome der Nachhaltigkeit behandeln und nicht zu den eigentlichen Ursachen vordringen. Dies führt dann letztendlich nur zu geringen Verbesserungen des Ressourcenverbrauchs oder der Umweltverträglichkeit. Das eigentliche Ziel der CSR wird verfehlt. Es kann sich sogar eine gegenteilige Entwicklung für das Unternehmen abzeichnen, wenn das Thema der Nachhaltigkeit beispielsweise nur an externe Spezialisten verlagert wird und es letztendlich nur zu einer äußeren CSR-Kommunikation kommt. Kapazität und Kompetenz eines Unternehmens zur innovativen Lösung der zugrundeliegenden Probleme bleiben somit langfristig auf der Strecke – die betrieblichen Strukturen erfahren keine Veränderung. In diesem Kontext wird dann auch von Greenwashing gesprochen. (vgl. Jaromilek 2014)
Greenwashing verweist auf den ökologischen Schwerpunkt der CSR- und Nachhaltigkeitsdebatte und umschreibt die Handlung „sich ein grünes Mäntelchen umzuhängen“. Das Farbenspiel geht weiter, wenn etwa Automobilhersteller ihre umweltfreundlichen PKWs mit der Farbe Blau in Verbindung bringen. Durch Greenwashing-Vorwürfe kann es zu einer Ablehnung des Unternehmens kommen. Grundsätzlich drücken Greenwashing-Vorwürfe ein Misstrauen gegenüber dem Unternehmen aus, welches in der Regel auf einer schlechten Erfahrung aus der Vergangenheit aufbaut. Verliert die Öffentlichkeit generell das Vertrauen in das verantwortliche Handeln des Unternehmens, kann dies schlussendlich zu rückläufigen Verkaufszahlen tatsächlich nachhaltiger Produkte und Dienstleistungen und einer verstärkten Regulierung führen. (vgl. Stierl & Lüth 2015: 26ff.)
Bei der Entwicklung von CSR-Maßnahmen ist deshalb zu beachten, dass Verantwortung für Mensch und Natur nicht nur auf Unternehmens- und Produkt- bzw. Dienstleistungsebene übernommen wird. Der Blick muss weiter, vom Unternehmensstandort über die Wertschöpfungskette bis hin zur Gesellschaft gerichtet werden. Hierbei gilt es, sowohl das globale Nord-Süd Gefälle als auch die zukünftigen Generationen im Blick zu haben. Um diese Anforderungen gesellschaftlicher Verantwortung langfristig erfolgreich angehen zu können, ist CSR und Nachhaltigkeit als Lernprozess sowohl innerhalb eines Unternehmens als auch in Unternehmensnetzwerken zu verstehen.
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SDG 13 Maßnahmen zum Klimaschutz
“Umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen ergreifen”
Das SDG 13 „Maßnahmen zum Klimaschutz“ zielt darauf ab, umgehende Maßnahmen zu ergreifen, um den Klimawandel sowie seine Auswirkungen zu bekämpfen (Destatis o. J.).
Für Kaufleute im Gesundheitswesen ist insbesondere ein Unterziel (Destatis o. J.) hervorzuheben:
13.3 Die Aufklärung und Sensibilisierung sowie die personellen und institutionellen Kapazitäten im Bereich der Abschwächung des Klimawandels, der Klimaanpassung, der Reduzierung der Klimaauswirkungen sowie der Frühwarnung verbessern
Die Schnittmengen mit der Standardberufsbildposition liegen vor allem in der Reduzierung der direkten und indirekten Emissionen (Belastung der Umwelt) sowie der nachhaltigen Nutzung von Energie (vgl. BMBF 2022):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und
Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Treibhausgase und Klimawandel
Der Klimawandel ist längst keine Bedrohung einer fernen Zukunft mehr, sondern in weiten Teilen der Welt bereits deutlich spürbar. Nicht nur die Länder des globalen Südens sind von extremen Wetterereignissen wie Dürren oder Überschwemmungen betroffen. Auch in den Industrienationen, die vor allem für die Klimaerwärmung verantwortlich sind, zeigen sich erste Folgen. Der Klimawandel wird durch die Emission von Treibhausgase verursacht. Zahlreiche Gase sind verantwortlich für den Klimawandel. Ihnen gemeinsam ist ihre Undurchlässigkeit für die (Infrarot-)Wärmestrahlung der Erde. Dies führt bekanntlichermaßen zum Klimawandel. Jedes dieser Gase trägt in unterschiedlichem Maße zum Klimawandel bei. Die Stoffe bleiben zudem unterschiedlich lange in der Atmosphäre, weshalb sie unterschiedlich zum Treibhauseffekt beitragen. Das IPCC (International Panel for Climate Change) definiert deshalb ein GWP Global Warming Potential (Erwärmungswirkung für den Klimawandel) eines Stoffes in hundert Jahren im Vergleich zu Kohlendioxid CO2 wie folgt (vgl. My Climate (o. J.):
- Kohlendioxid CO2: 1 (Bezugswert)
- Methan CH4: 28
- Stickstoffdioxid N2O: 265
- FCKW (verboten) > 12.000
Ein durchschnittlicher Bundesbürger / eine Bürgerin verursacht 2020 pro Jahr rund 11 t CO2-Äq pro Jahr (UBA 2021). Auf die öffentliche Infrastruktur entfallen 8 Prozent, auf den Konsum 34 Prozent, die Mobilität 15 Prozent, Strom 6 Prozent und Wohnen 18 Prozent.
CO2-Emissionen im Gesundheitswesen
Der Gesundheitssektor trägt nachweislich zu den globalen Umweltveränderungen bei und ist für 4,4 Prozent der globalen Treibhausgase wie CO2 verantwortlich. Damit liegt er über den Emissionen des Flugverkehrs und der Schifffahrt (Bundesärztekammer o. J.; Dikken 2021b).
Laut der von Health Care Without Harm (HCWH) in 2019 veröffentlichten Studie “Health Care’s Climate Footprint” verursachte der europäische Gesundheitssektor circa 5 Prozent der europäischen Emissionen von Treibhausgasen. Das deutsche Gesundheitswesen, so derselbe Bericht, ist für 5,2 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen im Gesundheitswesen verantwortlich (HCWH 2019). Dabei sind vor allem die Bereiche Krankenhauswesen und Energieverbrauch in Gebäuden sowie die Medikamentenherstellung und -entsorgung relevante Faktoren. Die genaue Höhe des CO2-Ausstoßes hängt jedoch von verschiedenen Faktoren wie der Größe und Art der Einrichtungen sowie den eingesetzten Technologien und Verfahren ab. Einer der zentralen Punkte der Maßnahmen zum Klimaschutz ist auch die Umstellung von konventionell betriebenen Fahrzeugen auf beispielsweise batterieelektrische Fahrzeuge (Wagner et at., 2022). Verantwortlich für das Fuhrparkmanagement eines Krankenhauses oder der Gesundheitseinrichtung ist zumeist die kaufmännische Abteilung. Klimafreundliche Maßnahmen zielen darauf ab, alle Fahrzeuge einer Gesundheitseinrichtung auf eine Umstellung zu prüfen und bei einem entsprechenden Einsatzprofil alte Verbrauchsmotoren durch batterie-elektrische Fahrzeuge zu ersetzen (ebd.). Ressourcenschonende Alternativen für den Fuhrpark kommen bisher zumeist nur in großen Krankenhäusern zum Einsatz, kleinere Gesundheitseinrichtungen oder auch ambulanten Pflegedienste haben den Fokus bisher wenig auf die Mobilität gelegt, um zum Klimaschutz beizutragen. Der Verbrauch der CO2-Emissionen von batterie-elektrischen Fahrzeugen ist geringer, als bei dieselbetriebenen: Im Durchschnitt emittiert ein leichtes, dieselbetriebenes Nutzfahrzeug je zurückgelegten Fahrzeugkilometer etwa 311 Gramm CO2, ein batterie-elektrisches Fahrzeug emittiert im Vergleich je Fahrzeugkilometer ca 80 Gramm CO2 (Wagner et at., 2022). Wird von einer jährlichen Fahrleistung von 5.000 Kilometern ausgegangen, bedeutet dies eine CO2-Einsparung des batterieelektrischen Fahrzeuges gegenüber dem Dieselfahrzeug von etwa 925 Kilogramm (ebd.).
Der Klimawandel ist laut der WHO die größte Gesundheitsbedrohung für die Menschheit (WHO 2021). Auch der Gesundheitssektor muss demnach Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen ergreifen, um so einen Beitrag zum Klimawandel zu leisten. Deutschland hat sich in einer gemeinsamen Erklärung “Klimapakt Gesundheit” dazu verpflichtet, Maßnahmen im Gesundheitssektor zu unterstützen und so zum Klimaschutz beizutragen. Dabei liegt der Fokus vor allem auf Energieeinsparungen, klimafreundlichen Sanierungen, Vermeidung von Abfall, die Nutzung von erneuerbaren Energien sowie einer nachhaltigen Beschaffung und einen effizienten Ressourceneinsatz (Klimapakt 2022).
CO2-Fußabdruck
Seinen eigenen, individuellen CO2-Fußabdruck – die Menge an CO2-Äquivalenten, die man in einem Jahr verursacht – kann man relativ leicht und recht genau ermitteln. Einen entsprechenden CO2-Rechner, in den sich die eigenen Parameter beispielsweise in den Bereichen Wohnen, Mobilität und Ernährung eingeben lassen, bietet das Umweltbundesamt (CO2-Recher: uba.co2-rechner.de/de_DE/)
Ebenso lassen sich mit einer solchen Bilanzierung schnell die sog. “Big Points” eines nachhaltigen Konsums veranschaulichen, also diejenigen Maßnahmen aus den größten Emissions-Bereichen Mobilität, Wohnen und Ernährung, die schon für sich eine sehr große Umweltrelevanz aufweisen. Solche entscheidenden Stellschrauben sind im Hinblick auf den persönlichen CO2Äq-Ausstoß zum Beispiel (Umweltbundesamt 2021a):
- Zahl der Fernreisen, zurückgelegte Autokilometer und Kraftstoffverbrauch des Autos im Bereich Mobilität
- Größe der Wohnfläche und Dämmstandard in Bezug auf den Heizenergieverbrauch
Ebenso hat das Ernährungsverhalten Einfluss auf den CO2-Äq.-Ausstoß (Umweltbundesamt 2021a):
“Hier wirkt sich insbesondere die Menge des Fleischkonsums bzw. des Konsums tierischer Produkte, aber auch der Kauf von Bio-Produkten aus, der zudem in Bezug auf Gewässerschutz, Erhalt der Bodenfruchtbarkeit und Artenschutz wichtige umweltentlastende Folgen hat.”
Um den eigenen ökologischen Fußabdruck zu berechnen, kann man eine der vielen online verfügbaren Footprint-Rechner verwenden. Diese Rechner basieren auf einer Reihe von Fragen zu den eigenen Konsum- und Verhaltensgewohnheiten, wie beispielsweise:
- Wie viele Kilometer fährt man pro Jahr mit dem Auto?
- Wie oft nutzt man pro Jahr ein Flugzeug?
- Wie viele Fleisch- und Milchprodukte verspeist man pro Woche?
- Wie groß ist der Strom- und Wasserverbrauch im eigenen Haushalt?
Auf Basis dieser Angaben wird dann der eigene ökologische Fußabdruck berechnet, also wie viel Fläche auf der Erde benötigt wird, um den eigenen Konsum und Lebensstil zu ermöglichen. Diese Fläche wird dann oft in globalen Hektar (gha) angegeben. Es gibt verschiedene Online-Rechner, die zur Berechnung des eigenen ökologischen Fußabdrucks zur Verfügung stehen:
- Global Footprint: https://www.footprintcalculator.org/home
- WWF Footprint Calculator: https://footprint.wwf.org.uk/
- Umweltbundesamt: https://uba.co2-rechner.de/de_DE/
CO2-Handabdruck
Das Konzept des sogenannten „Handabdrucks“ (engl. „handprint“) wurde vom Centre for Environment Education (CEE) im Jahr 2007 auf der 4. internationalen UNESCO-Konferenz zur Umwelterziehung in Ahmedabad, Indien, vorgestellt (CEE 2007). Es stellt das nachhaltige Handeln in den Vordergrund. Der Handabdruck berechnet im Gegensatz zum Fußabdruck nicht, wie viel CO2 bereits verbraucht wurde, sondern veranschaulicht, was jemand schon alles erreicht hat (Handabdruck 2017). Der bestehende Ansatz des CO2-Fußabdrucks fokussiert vor allem die negativen ökologischen Auswirkungen von Individuen, Organisationen oder Ländern. Der Handabdruck erfasst demgegenüber den gesellschaftlichen Mehrwert bzw. positive Nachhaltigkeit Wirkungen von Produkten und bezieht die ökonomische und soziale Dimension in die Betrachtung mit ein. Mit dem Konzept des CO2-Handabdruck hat jeder Mensch die Möglichkeit, seinen „CO2-Handabdruck“ unbegrenzt zu vergrößern. Der Abdruck wächst nicht nur mit eigenen Verhaltensänderungen, sondern auch dadurch, welche Wirkungen er auf andere Menschen hat (Dikken 2021b).
Klimaschutzprojekte im Gesundheitswesen
An dieser Stelle sollen abschließend ausgewählte bundesweite Projekte oder Gesundheitseinrichtungen aus Deutschland vorgestellt werden, die gleichsam durch ihre Aktivitäten einen Beitrag für den Klimaschutz leisten und Anregungen zum eigenen Klimaschutz geben können.
Green Hospital
Bis 2040 möchte Bayern als erstes Bundesland in Deutschland klimaneutral sein. Vor allem der Gesundheitsbereich soll in diesem Zusammenhang unterstützt werden, Nachhaltigkeit im Krankenhausalltag langfristig zu etablieren. Das Projekt Green Hospital wurde initiiert, um Maßnahmen umzusetzen, die regionale Standortfaktoren, Anforderungen an Bauwerk und Gebäudestruktur sowie Energieversorgung ebenso berücksichtigen, wie die Betriebsorganisation. Green Hospitals sollen langfristig die Gesundheit und die Zufriedenheit von Patienten sichern und gleichzeitig auch die Gesundheit und den Arbeitsalltag der Mitarbeitenden positiv beeinflussen (Dikken 2020). Die Initiative beruht auf drei Faktoren: Energie, Mensch und Umwelt, eine verbesserte Energieeffizienz sowie die Umstellung auf erneuerbare Energien, wie beispielsweise Photovoltaik, sind erste Maßnahmen im Rahmen des Projektes. Nach Prüfung, Umbau und Integration der vorgegebenen Maßnahmen werden die bayerischen Krankenhäuser als Green Hospital ausgezeichnet (STMGP o. J.). Vor der Auszeichnung müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden, die in einem öffentlich zugänglichen Maßnahmenkatalog aufgeführt werden. Für die Umsetzung können Krankenhäuser vor der Teilnahme einen Quick Check durchführen, um einen ersten Hinweis zu erhalten, wie nachhaltig sie sind.
Energie sparendes Krankenhaus
Das BUND-Gütesiegel “ Energie sparendes Krankenhaus” zeichnet Krankenhäuser und Reha-Kliniken für besondere Leistungen für den Klimaschutz aus. Dabei stehen vor allem Investitionen in einen klimafreundlichen Umbau der Einrichtungen im Vordergrund: Durch energiesparende und energieeffiziente Technik, Gebäudedämmung, oder auch die Motivation der Mitarbeitenden zu einem klimafreundlichen Verhalten, leisten die Einrichtungen einen wichtigen Beitrag zur Senkung des CO2- Ausstoßes und können darüber hinaus auch Kosten einsparen (BUND o. J.). Das Evangelische Krankenhaus Hubertus in Berlin erwarb als erstes Krankenhaus das Gütesiegel. Es konnte seinen Energieverbrauch um 37 Prozent und den CO2-Ausstoß um 2.600 Tonnen reduzieren (Johannesstift Diakonie o. J.). Inzwischen erhielten bereits 47 Kliniken das BUND-Gütesiegel „Energie sparendes Krankenhaus“ in Deutschland.
Klimafreundliche Charité Berlin
Die Berliner Charité hat sich das Ziel gesetzt, als eines der größten Krankenhäuser Europas klimaneutral zu werden und setzt dafür bereits an vielen Stellen an. Herkömmliche Krankenhauskittel, die aus Materialien wie Baumwolle hergestellt werden, verursachen laut eigener Recherche jedes Jahr mehr als 200 Tonnen CO2. Die Charité prüft deshalb nachhaltige Kittel aus recycelter Zellulose als Alternative (ZDF 2022). Auch Narkosegase sind ein großer Belastungsfaktor für die Umwelt und verursachen einen erheblichen CO2-Ausstoß. Ein Tag im OP produziert so viel CO2 wie vier Autos an einem Tag (ebd.). Allein in einem Krankenhaus mit 16 Millionen Narkosen pro Jahr können bis zu 600.000 Tonnen CO2-Äquivalente freigesetzt werden. Bisher werden die Narkosegase größtenteils ungefiltert an die Außenluft abgegeben. Ein Brandenburger Hersteller hat jedoch einen Filter aus Kokosnussfasern entwickelt, der mehr als 96 Prozent der Gase auffangen und wiederverwenden könnte (zeosys o. J.).
Klimaretter - Lebensretter
Das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderte Projekt soll durch einfache Klimaschutzaktionen am Arbeitsplatz in Gesundheitseinrichtungen nicht nur Energie, sondern auch Ressourcen einsparen. In einem online verfügbaren Klimaretter-Tool wählen die Mitarbeiter aus 23 vorgegebenen Aktionen ihre individuellen Beiträge zum Klimaschutz aus den Bereichen Energie, Mobilität und Konsum aus und setzen diese in einem frei wählbaren Zeitraum um. Das Engagement für das Klima wird durch die Umrechnung in CO2 direkt sichtbar und sensibilisiert so für den Klimaschutz und fördert die Umsetzung (Klimaretter o. J.).
Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG)
Bereits 2017 wurde KLUG – die Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit als Netzwerk von Einzelpersonen, Organisationen und Verbänden aus dem gesamten Gesundheitsbereich gegründet. Die Initiative regt jeden einzelnen dazu an, den eigenen Lebensstil zu überdenken: mehr recyclebare Materialien zu verwenden, weniger Fleisch zu essen und das Auto öfter stehen zu lassen. Nach dem Planetary Health Konzept geht KLUG auch von einem ganzheitlichen Gesundheitskonzept aus: Gesundheit der Menschen hängt von der Gesundheit der Ökosysteme ab. Deshalb kann der Mensch nur gesund sein, wenn die Erde gesund ist (KLUG o. J.). Zudem sind die Gesundheitsunternehmen, die sich der Initiative anschließen, dazu angehalten, über die medizinischen Folgen des Klimawandels aufzuklären und sich in Organisationen und Fachgesellschaften für das Thema zu engagieren (Dikken 2021).
Seit 2021 gründete Die KLUG eine Denkfabrik, die sich als wissenschaftliche Politikberatung zum Thema nachhaltiger Gesundheit innerhalb planetarer Grenzen versteht. Das „Centre for Planetary Health Policy“, kurz CPHP, arbeitet interdisziplinär und mit einem systemischen Ansatz, der vor allem die Wechselwirkungen zwischen Klimawandel, Biodiversität, Nachhaltigkeit und Gesundheit transparent macht und als Beratungsorgan für Entscheidungstragende im Gesundheitswesen, aber auch in der Politik zur Verfügung steht (CPHP 2021).
Ende 2021 gründete die Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V. (KLUG) das „Centre for Planetary Health Policy“ (CPHP). Als Denkfabrik ist CPHP ein Ort der wissenschaftlichen Politikberatung zum Thema Gesundheit innerhalb planetarer Grenzen. CPHP arbeitet mit einem interdisziplinären, systemischen Ansatz, der der Wechselwirkung zwischen Klimawandel, Biodiversität, Nachhaltigkeit und Gesundheit gerecht wird und berät Entscheidungsträger im Gesundheitswesen und in der Gesundheitspolitik.
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My Climate (o. J.): Was sind CO2-Äquivalente. Online: https://www.myclimate.org/de/website/fEq/detail/was-sind-co2-aequivalente/
Ökoreich (2021): Pestizide schaden Wildbienen. Online: https://www.oekoreich.com/medium/pestizide-schaden-wildbienen-89-prozent-weniger-nachkommen
Wagner, O., Jansen, U., Tholen, L., Bierwirth A. (2022): Zielbild: „Klimaneutrales Krankenhaus“: Maßnahmen für mehr Klimaschutz im Krankenhaus. Online: https://epub.wupperinst.org/frontdoor/index/index/docId/8075
WHO Weltgesundheitsorganisation (2021): Factsheet Climate Change and Health. Online: https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/climate-change-and-health
ZDF Reportage (2022): Klimaschutz im Krankenhaus. Online: https://www.zdf.de/gesellschaft/plan-b/plan-b-klimaschutz-im-krankenhaus-100.html
ZeoSys (o. J.); Innovative Anästhesie-Rückgewinnung. Online: https://zeosys-medical.de/human/contrafluran-op-narkosegasfilter/