Destillateur/Destillateurin
Einleitung
BBNE und BNE - Ziele der Projektagentur PA-BBNE
Das Ziel der „Projektagentur Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ (PA-BBNE) ist die Entwicklung von Materialien, die die um Nachhaltigkeit erweiterte neue Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ mit Leben füllen soll. Mit „Leben zu füllen“ deshalb, weil „Nachhaltigkeit“ ein Ziel ist und wir uns den Weg suchen müssen. Wir wissen beispielsweise, dass die Energieversorgung künftig klimaneutral sein muss. Mit welchen Technologien wir dies erreichen wollen und wie unsere moderne Gesellschaft und Ökonomie diese integriert, wie diese mit Naturschutz und Sichtweisen der Gesellschaft auszugestalten sind, ist noch offen.
Um sich mit diesen Fragen zu beschäftigen, entwickelt die PA-BBNE Materialien, die von unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden:
- Zum einen widmen wir uns der beruflichen Ausbildung, denn die nachhaltige Entwicklung der nächsten Jahrzehnte wird durch die jungen Generationen bestimmt werden. Die duale berufliche Ausbildung orientiert sich spezifisch für jedes Berufsbild an den Ausbildungsordnungen (betrieblicher Teil der Ausbildung) und den Rahmenlehrplänen (schulischer Teil der Ausbildung) . Hierzu haben wir dieses Impulspapier erstellt, das die Bezüge zur wissenschaftlichen Nachhaltigkeitsdiskussion praxisnah aufzeigt.
- Zum anderen orientieren wir uns an der Agenda 2030. Die Agenda 2030 wurde im Jahr 2015 von der Weltgemeinschaft beschlossen und ist ein Fahrplan in die Zukunft (Bundesregierung o. J.). Sie umfasst die sogenannten 17 Sustainable Development Goals (SDGs), die jeweils spezifische Herausforderungen der Nachhaltigkeit benennen (vgl. Destatis). Hierzu haben wir ein Hintergrundmaterial (HGM) im Sinne der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE, vgl. BMBF o. J.) erstellt, das spezifisch für unterschiedliche Berufe ist.
Die Materialien der Projektagentur
Die neue Standardberufsbildposition gibt aber nur den Rahmen vor. Selbst in novellierten Ausbildungsordnungen in Berufen mit großer Relevanz für wichtige Themen der Nachhaltigkeit wie z. B. dem Klimaschutz werden wichtige Fähigkeiten, Kenntnissen und Fertigkeiten in den berufsprofilgebenden Berufsbildpositionen nicht genannt – obwohl die Berufe deutliche Beiträge zum Klimaschutz leisten könnten. Deshalb haben wir uns das Ziel gesetzt, Ausbildenden und Lehrkräften Hinweise im Impulspapier zusammenzustellen im Sinne einer Operationalisierung der Nachhaltigkeit für die unterschiedlichen Berufsbilder. Zur Vertiefung der stichwortartigen Operationalisierung wird jedes Impulspapier ergänzt durch eine umfassende Beschreibung derjenigen Themen, die für die berufliche Bildung wichtig sind. Dieses sogenannte Hintergrundmaterial orientiert sich im Sinne von BNE an den 17 SDGs, ist faktenorientiert und wurde nach wissenschaftlichen Kriterien erstellt. Ergänzt werden das Impulspapier und das Hintergrundmaterial durch einen Satz von Folien, die sich den Zielkonflikten widmen, da „Nachhaltigkeit das Ziel ist, für das wir den Weg gemeinsam suchen müssen“. Und dieser Weg ist nicht immer gleich für alle Branchen, Betriebe und beruflichen Handlungen, da unterschiedliche Rahmenbedingungen in den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – Ökonomie, Ökologie und Soziales – gelten können. Wir haben deshalb die folgenden Materialien entwickelt:
- BBNE-Impulspapier (IP): Betrachtung der Schnittstellen von Ausbildungsordnung, Rahmenlehrplan und den Herausforderungen der Nachhaltigkeit in Anlehnung an die SDGs der Agenda 2030. Das Impulspapier ist spezifisch für einen Ausbildungsberuf erstellt, fasst aber teilweise spezifische Ausbildungsgänge zusammen (z. B. den Fachmann und die Fachfrau zusammen mit der Fachkraft sowie die verschiedenen Fachrichtungen)
- BBNE-Hintergrundmaterial (HGM): Betrachtung der SDGs unter einer wissenschaftlichen Perspektive der Nachhaltigkeit im Hinblick auf das Tätigkeitsprofil eines Ausbildungsberufes bzw. auf eine Gruppe von Ausbildungsberufen, die ein ähnliches Tätigkeitsprofil aufweisen;
- BBNE-Foliensammlung (FS) und Handreichung (HR): Folien mit wichtigen Zielkonflikten – dargestellt mit Hilfe von Grafiken, Bildern und Smart Arts für das jeweilige Berufsbild, die Anlass zur Diskussion der spezifischen Herausforderungen der Nachhaltigkeit bieten. Das Material liegt auch als Handreichung (HR) mit der Folie und Notizen vor.
Berufliche Bildung für nachhaltige Entwicklung
Die Standardberufsbildposition “Umweltschutz und Nachhaltigkeit”
Seit August 2021 müssen auf Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) bei einer Modernisierung von Ausbildungsordnungen die vier neuen Positionen „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“, Digitalisierte Arbeitswelt“, Organisation des Ausbildungsbetriebs, Berufsbildung, Arbeits- und Tarifrecht“ sowie „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“ aufgenommen werden (BIBB 2021). Insbesondere die letzten beiden Positionen unterscheiden sich deutlich von den alten Standardberufsbildpositionen.
Diese Positionen begründet das BIBB wie folgt (BIBB o. J.a): „Unabhängig vom anerkannten Ausbildungsberuf lassen sich Ausbildungsinhalte identifizieren, die einen grundlegenden Charakter besitzen und somit für jede qualifizierte Fachkraft ein unverzichtbares Fundament kompetenten Handelns darstellen“ (ebd.).
Die Standardberufsbildpositionen sind allerdings allgemein gehalten, damit sie für alle Berufsbilder gelten (vgl. BMBF 2022). Eine konkrete Operationalisierung erfolgt üblicherweise durch Arbeitshilfen, die für alle Berufsausbildungen, die modernisiert werden, erstellt werden. Die Materialien der PA-BBNE ergänzen diese Arbeitshilfen mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit und geben entsprechende Anregungen (vgl. BIBB o. J.b). Das Impulspapier zeigt vor allem in tabellarischen Übersichten, welche Themen der Nachhaltigkeit an die Ausbildungsberufe anschlussfähig sind.
Die neue Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ ist zentral für eine BBNE, sie umfasst die folgenden Positionen (BMBF 2022).
a) “Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
c) für den Ausbildungsbetrieb geltende Regelungen des Umweltschutzes einhalten
d) Abfälle vermeiden sowie Stoffe und Materialien einer umweltschonenden Wiederverwertung oder Entsorgung zuführen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren”
Die Schnittstellen zwischen der neuen Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit” werden in
fortlaufend aufgezeigt. Mit Ausnahme der Position c) werden in der Tabelle alle Positionen behandelt. Die Position c) wird nicht behandelt, da diese vor allem ordnungsrechtliche Maßnahmen betrifft, die zwingend zu beachten sind. Maßnahmen zur Nachhaltigkeit hingegen sind meist freiwillige Maßnahmen und können, müssen aber nicht durch das Ordnungsrecht geregelt bzw. umgesetzt werden. In der Tabelle werden die folgenden Bezüge hergestellt:
- Spalte A: Positionen der Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit”;
- Spalte B: Vorschläge für Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten, die im Sinne der nachhaltigen Entwicklung wichtig sind;
- Spalte C: Bezüge zur Nachhaltigkeit;
- Spalte D: Mögliche Aufgabenstellungen für die Ausbildung im Sinne der Position 3e) „Vorschläge für nachhaltiges Handeln entwickeln“;
- Spalte E: Zuordnung zu einem oder mehreren SDGs (Verweis auf das Hintergrundmaterial).
Die Berufsbildpositionen der Ausbildungsordnung und die Lernfelder
Nachhaltigkeit sollte integrativ vermittelt werden, sie sollte auch in den berufsprofilgebenden Berufsbildpositionen verankert werden (BIBB o. J.):
“Die berufsübergreifenden Inhalte sind von den Ausbilderinnen und Ausbildern während der gesamten Ausbildung integrativ, das heißt im Zusammenspiel mit den berufsspezifischen Fertigkeiten, Kenntnissen und Fähigkeiten, zu vermitteln.”
Aus diesem Grund haben wir die jeweiligen Berufsbildpositionen sowie die Lernfelder des gültigen Rahmenlehrplanes gleichfalls betrachtet in
Tabelle 2: Berufsbildpositionen und Lernfelder mit Bezug zur Nachhaltigkeit
Die Betrachtung ist beispielhaft, es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Folgende tabellarische Darstellung wurde gewählt:
Spalte A: Berufsbildposition und Lernfeld(er)
Spalte B: Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten gemäß Ausbildungsordnung (AO) sowie Lernfelder des Rahmenlehrplans (RLP, kursive Zitierung). Explizite Formulierungen des RLP zu Themen der Nachhaltigkeit werden als Zitat wiedergegeben;
Spalte C: Beispielhafte Bezüge zur Nachhaltigkeit;
Spalte D: Referenz auf die jeweilige Position der Standardberufsbildposition (siehe Tabelle 1, Spalte A).
Modulare Rahmenaufgabe
Zur Verbesserung der Anschaulichkeit der integrativen Förderung nachhaltigkeitsorientierter Kompetenzen werden in diesem Impulspapier exemplarische Aufgabenstellungen für die betriebliche oder berufsschulische Unterrichtung vorgeschlagen:
Als erstes erfolgt eine Analyse des Glaseinsatzes. Die Produktion einer neuen Einweg-Glasflasche hat in Deutschland einen durchschnittlichen Anteil von etwa 47 Prozent am CO2-Fußabdruck einer Weinflasche (Anbau bis Abfüllung und Verpackung). Die Umstellung auf ein Mehrweg- oder Bag-in-Box-System hat in der Weinwirtschaft größtes Potential als Klimaschutzmaßnahme.
Als zweites folgt eine Auseinandersetzung mit dem Thema Alkoholkonsum – vor allem mit Blick auf junge Menschen. Winzerinnen und Winzer arbeiten täglich mit Alkohol. Die Vermarktung, besonders auch das Durchführen von Verkostungen, stellt einen wichtigen Teil ihrer Arbeit dar. Sie sollten daher im Sinne des dritten Nachhaltigkeitsziels für das Thema Alkoholkonsum sensibilisiert sein: SDG 3.5. Die Prävention und Behandlung des Substanzmissbrauchs, namentlich des Suchtstoffmissbrauchs und des schädlichen Gebrauchs von Alkohol, verstärken.
Zielkonflikte und Wiedersprüche
Zielkonflikte und Widersprüche sind bei der Suche nach dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit immanent und für einen Interessenausgleich hilfreich. In dem Kapitel 7. werden beispielhafte Zielkonflikte aufgezeigt. Ergänzend werden in dem hierzu gehörigen Dokument auch einige Folien (pptx bzw. pdf) erstellt, die für Lernprozesse verwendet werden können. Ein Beispiel für einen berufsbildbezogenen Zielkonflikt ist der folgende:
Beim Anbau verzichten Bio-Winzer praktisch völlig auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel. Das hat positive Effekte für die Biodiversität und schont speziell die Entwicklung von Insekten im Weinberg. Andererseits weisen die verwendeten Pflanzenschutzmittel eine geringere Wirkung auf. Sie müssen daher öfter aufgetragen werden, was einen erhöhten Arbeitsaufwand und Treibstoffbedarf erfordert.
Hinweis für handwerkliche, kaufmännische und Industrieberufe
Die in den folgenden Tabellen 1 und 2 im hier vorliegenden didaktischen Impulspapier (IP), im Hintergrundmaterial (HGM) sowie in den Foliensätzen zu den Zielkonflikten (FS) vorgeschlagenen Hinweise – zu Fertigkeiten, Kenntnissen und Fähigkeiten bzw. Lernfeldern, Aufgabenstellungen und Zielkonflikten – bilden den in 2022 aktuellen Stand der Entwicklungen in Hinsicht auf technische Verfahren, Dienstleistungen und Produkte in Bezug auf Herausforderungen der Nachhaltigkeit bzw. deren integrative Vermittlung in den verschiedenen Berufen ab. Sie enthalten Anregungen und Hinweise ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Mit Lesen dieses Textes sind Sie als Ausbilder:innen und Berufsschullehrkräfte eingeladen, eigene Anregungen in Bezug auf die dann jeweils aktuellen Entwicklungen in ihren Unterricht einzubringen. Als Anregungen dient diesbezüglich z. B. folgende hier allgemein formulierte Aufgabenstellung (analog zu IP, Tabelle 1), die Sie in Ihren Unterricht aufnehmen können:
Recherchieren Sie (ggf. jeweils alternativ:) Methoden, Verfahren, Materialien, Konstruktionen, Produkte oder Dienstleistungen, die den aktuellen Stand der (technischen) Entwicklung darstellen und die in Hinblick auf die Aspekte der Nachhaltigkeit (ökologisch, sozial-kulturell und/oder ökonomisch) bessere Wirkungen und/oder weniger negative Wirkungen erzielen als die Ihnen bekannten, eingeführten und „bewährten“ Ansätze.
Beschreiben Sie mögliche positive Wirkungen dieser neuen Methoden, Verfahren, Materialien, Konstruktionen, Produkte und/oder Dienstleistungen auf die Nachhaltigkeit in Ihrem Betrieb.
Glossar
AO Ausbildungsordnung
CO2-Äq Kohlendioxid-Äquivalente
FS Foliensammlung mit Beispielen für Zielkonflikte
HGM Hintergrundmaterial (wissenschaftliches Begleitmaterial)
IP Impulspapier (didaktisches Begleitmaterial)
RLP Rahmenlehrplan
SBBP Standardberufsbildposition
SDG Sustainable Development Goals
THG Treibhausgase bzw. CO2-Äquivalente (CO2-Äq)
Literatur
BGBL Bundesgesetzblatt (1997):Verordnung über die Berufsausbildung zum Winzer/zur Winzerin. Bundesgesetzblatt vom 3. Februar 1997 (BGBl. I S. 161)“ Online: https://www.gesetze-im-internet.de/winzerausbv_1997/WinzerAusbV_1997.pdf
BIBB Bundesinstitut für berufliche Bildung (o. J.): Nachhaltigkeit in der Ausbildung. Online: www.bibb.de/de/142299.php
BIBB Bundesinstitut für berufliche Bildung (2021): Vier sind die Zukunft. Online: www.bibb.de/de/pressemitteilung_139814.php
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (o. J.a): FAQ zu den modernisierten Standardberufsbildpositionen. Online: https://www.bibb.de/de/137874.php
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (o. J.b): Ausbildung gestalten. Online: https://www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/series/list/2
BMBF (o. J.): Was ist BNE. Online: https://www.bne-portal.de/bne/de/einstieg/was-ist-bne/was-ist-bne.html
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
Bundesregierung (o. J.): Globale Nachhaltigkeitsstrategie – Nachhaltigkeitsziele verständlich erklärt. Online: www.bundesregierung.de/breg-de/themen/nachhaltigkeitspolitik/nachhaltigkeitsziele-verstaendlich-erklaert-232174
Destatis Statistisches Bundesamt (2022): Indikatoren der UN-Nachhaltigkeitsziele. Online: http://sdg-indikatoren.de/
Die Bundesregierung (2022): Ermäßigter Steuersatz für Gas, weniger Stromkosten. Online: https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/entlastung-fuer-deutschland/entlastung-energieabgaben-2125006
ifeu Institut für Energie und Umweltforschung (2012): Nachhaltigkeitsbetrachtung für Rheinhessenwein: Treibhausgasbilanz für Wein aus Rheinhessen Endbericht. Online: https://www.ifeu.de/fileadmin/uploads/IFEU_Rheinhessen_CO2_2012.pdf
KMK Kultursministerkonfefrenz (1996): Rahmenlehrplan für den Ausbildungsberuf Winzer/Winzerin. Online: https://www.kmk.org/fileadmin/pdf/Bildung/BeruflicheBildung/rlp/Winzer96-11-21.pdf
vinum (2023): Württemberger bringen 0,75-Liter-Mehrweg-Flaschen heraus. Online: https://www.vinum.eu/de/news/vinophiles/2023/wuerttemberger-bringen-075-liter-mehrweg-flaschen-heraus/
Tabelle 1 - Die Standardberufsbildposition “Umweltschutz und Nachhaltigkeit”
Standardberufs-bildposition | Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten | Bezüge zur Nachhaltigkeit | Mögliche Aufgabenstellungen im Rahmen von 3e “Vorschläge für nachhaltiges Handeln entwickeln” | SDG |
3a – Gesellschaft – Gesundheit |
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| SDG 3 |
3a – Gesellschaft – Wertschöpfung |
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| SDG 12 |
3a – Gesellschaft – Lasten |
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| SDG 1 |
3a – Umwelt – Klima |
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| SDG 13 |
3a – Umwelt – Wasser |
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| SDG 6 |
3a – Umwelt – Flächennutzung |
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| SDG 2 SDG 15 |
3b – Energie – Allgemein |
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| SDG 7 SDG 13 |
3b – Energie – Geräte |
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| SDG 7 SDG 13 SDG 4 |
3b – Energie – Mobilität |
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| SDG 13 |
3b – Materialien – Wasser |
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| SDG 6 |
3b – Materialien – Rohstoffe |
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| SDG 12 |
3d – Abfälle |
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| SDG 2 SDG 12 |
3f – Nachhaltigkeit kommunizieren |
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| SDG 4 |
Tabelle 2 - Berufsbildpositionen und Lernfelder mit Bezug zur Nachhaltigkeit
Berufsbild- position / Lernfeld | Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten gemäß Ausbildungsordnung | Beispielhafte Bezüge zur Nachhaltigkeit | Standardberufsbildposition | ||||||||||||
A2 – Umweltschutz |
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A3 – Ausführen von Hygienemaßnahmen |
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A5 – Kenntnisse des Ausbildungsbetriebs |
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A6 – Bedienen und Warten der technischen Einrichtungen |
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| 3b – Energie – Geräte 3b – Materialien – Rohstoffe, Wasse | ||||||||||||
A7 – Kontrollieren der Rohstoffe, Halbfabrikate und Spirituosen | f) Alkoholgewinnung aus Getreide, Kartoffeln, Wein, Obst und Zuckerrohr am Beispiel beschreiben |
| 3a – Gesellschaft – Gesundheit 3a – Umwelt | ||||||||||||
A9 – Herstellung von Spirituosen | b) einfache Rezepturen zusammenstellen |
| 3a – Umwelt 3a – Gesellschaft – Gesundheit | ||||||||||||
A9 – Herstellung von Spirituosen | e) und f) extraktfreie Trinkbranntweine … ( sowie) extrakthaltige Spirituosen und Liköre … nach Anweisungen herstellen |
| 3b – Energie | ||||||||||||
A10 – Lagern der Rohstoffe , Halbfarikate und Spirituosen | h) Lagerbestände erfassen und Lagerschwund ermitteln |
| 3d – Abfälle | ||||||||||||
A12 – Abfüllen von Spirituosen |
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Unterrichts und Ausbildungsmodule
Die hier vorgeschlagenen Unterrichts- und Ausbildungsmodule bilden zwei Rahmenaufgaben: die THG-Emissionen des Glaseinsatzes und Einsparpotenziale sowie das Sensibilisieren für die Bedeutung von Alkohol für junge Menschen. Die insgesamt neun Module lassen sich aber auch einzeln bearbeiten.
THG-Emissionen des Glaseinsatzes und Einsparpotenzial
Die Produktion einer neuen Einweg-Glasflasche hat in Deutschland einen durchschnittlichen Anteil von etwa 47 Prozent am CO2-Fußabdruck einer Flasche Wein (Anbau bis Abfüllung und Verpackung). Die Umstellung weg vom Einweg ist in der Weinwirtschaft die Klimaschutzmaßnahme mit dem größten Potential. Es bietet sich daher an, die Klimawirksamkeit von Alternativen zur Einweg-Glasflasche im Ausbildungsbetrieb unter die Lupe zu nehmen.
Der CO2-Fußabdruck ist gleichzusetzen mit der Emission der Treibhausgase (THG). Diese werden jeweils in Kilogramm Kohlendioxid-Äquivalenten pro kg Glas (kg CO2-Äq) angegeben. Diese Äquivalente fassen alle Treibhausgase zusammen und rechnen sie in Kohlendioxid um.
Für folgende Aufgabenstellungen soll der Einsatz von Glasflaschen eines bestimmten Jahrgangs näher betrachtet werden:
1) Bestimmung der THG-Emissionen des Glaseinsatzes
2) Bestimmung des Anteils der THG-Emissionen für eine 0,75 l Glasflasche
3) Berechnung des Einsparungspotenzials an THG-Emissionen
4) Berechnen der CO2-Steuer
5) Entwicklung und Diskussion sensibler Beratungsargumente für Kundinnen und Kunden sowie Geschäftspartner*innen
Bestimmung der THG-Emissionen des Glaseinsatzes
Zur Bestimmung der THG-Emissionen benötigen Sie zunächst das Gewicht Ihres Glaseinsatzes bei der Abfüllung. Die Glasflaschen, die in Ihrem Betrieb abgefüllt werden, kennen Sie. Zur Bestimmung des jeweiligen Gewichts können Sie diese wiegen. Alternativ erfragen Sie diese bei Ihrem Einkauf bzw. Ihrem Glas produzierenden Unternehmen.
Bestimmen Sie das Gesamtgewicht aller Glasflaschen eines bestimmten Jahrgangs durch: a. jeweils multiplizieren der Anzahl an Glasflaschen mit demselben Gewicht und b. aufsummieren der jeweiligen Ergebnisse aus a.
Beispiel
10000 x 0,600 kg + 20000 x 0,500 kg = 16000 kg
Zur Bestimmung der THG-Emissionen erfragen Sie bei Ihrem Einkauf bzw. Ihrem Glas produzierenden Unternehmen die Emissionen pro kg Glas für die in Ihrem Betrieb genutzten Flaschen.
Beispiel
Für die Beispielrechnung gehen wir von der Annahme aus:
1 kg Glas ≙ 0,736 kg CO2-Äq
16000 kg x 0,736 kg CO2-Äq ≙ 11776 kg CO2-Äq
Bestimmung des Anteils der THG-Emissionen einer 0,75l Glasflasche
Oben haben Sie das Gesamtgewicht des in Ihrem Betrieb eingesetzten Glases berechnet. Falls im Ausbildungsbetrieb in erster Linie 0,75 l Flaschen zum Einsatz kommen, können Sie mit diesem Wert weiterrechnen. Falls Sie in der Berechnung unter 6.1 nicht überwiegend mit Flaschen der Füllmenge mit 0,75 l gerechnet haben, wiederholen Sie die Rechnung und beziehen Sie nur die 0,75 l Glasflaschen ein.
Bestimmen Sie jetzt das durchschnittliche Gewicht einer 0,75 l Flasche, indem Sie das Gesamtgewicht der 0,75 l Flaschen durch die Gesamtanzahl aller 0,75 l Flaschen eines Jahrgangs teilen.
Beispiel (Wert aus 6.1)
- 16000 kg : 30000 ≈ 0,530 kg
Die CO2-Emissionen einer 0,530 kg schweren Flasche berechnen Sie aus dem Kilopreis per Dreisatz:
- 0,736 kg CO2-Äq ≙ 1 kg (ifeu 2012, Ponstein 2022)
- x ≙ 0,530 kg x 0,736 kg CO2-Äq / 1 kg
- x ≙ 0,390 kg CO2-Äq
Geben Sie den Anteil der durchschnittlich schweren 0,75 l Glasflasche am CO2-Fußabdruck einer in Deutschland durchschnittlichen Weinflasche mit 0,75 l Füllmenge (0,830 kg CO2-Äq, Stand 2019) in Prozent an. Nutzen Sie auch den Dreisatz.
Beispiel
- 100 % ≙ 0,830 kg CO2-Äq
- x ≙ 0,390 kg CO2-Äq x 100 % / 0,830 kg CO2-Äq
- x ≙ 47 %
Die Produktion einer Glasflasche hat in diesem Beispiel einen durchschnittlichen Anteil von etwa 47 Prozent am CO2-Fußabdruck einer Weinflasche. Ein Wert von knapp 50 Prozent legt nahe, dass das Einsparungspotenzial im Bereich Verpackung, speziell bei den Einweg-Glasflaschen, sehr hoch ist.
Berechnung des Einsparpotenzials an THG-Emissionen
Für die Berechnung des Einsparungspotenzials an THG-Emissionen simulieren Sie einen Umstieg auf:
1) Einweg-Glasflaschen (400 gr) mit 0,297 kg CO2-Äq
2)Mehrweg-Glasflaschen (400 gr) mit 0,074 kg CO2-Äq
*Annahme: fünf Nutzungszyklen und Flasche verbleibt in der Region
3) Bag-in-Boxes mit 0,052 kg CO2-Äq
(*Annahme: Bei allen Flaschen sowie der Bag-in-Boxen liegt ein Füllvolumen von 0,75 l zu Grunde. (Ponstein 2022))
Ausgangspunkt Ihrer Berechnung ist die in 6.1.2 bestimmte Menge an CO2-Äq bzw. für Ihre Durchschnittsflasche mit 0,75 l-Füllmenge.
Beispielrechnungen
Für die Beispielrechnungen beziehen wir uns wieder auf den CO2-Fußabdruck einer in Deutschland durchschnittlichen Flasche Wein mit 0,75 l Füllmenge (0,830 kg CO2-Äq, Stand 2019) und den Anteil von 0,390 kg CO2-Äq der Einweg-Glasflasche (533 gr.Ponstein 2022).
CO2-Fußabdruck mit Einweg-Glasflasche (533 gr.) ≙ 0,830 kg CO2-Äq
CO2-Fußabdruck ohne Glasflasche ≙ 0,830 kg CO2-Äq – 0,390 kg CO2-Äq
CO2-Fußabdruck ohne Glasflasche ≙ 0,440 kg CO2-Äq
1) CO2-Fußabdruck mit Einweg-Glasflasche (400 gr) ≙ 0,735 kg CO2-Äq
Anteil: 0,735 kg CO2-Äq / 0,830 kg CO2-Äq ≙ 89 Prozent
Einsparung von THG-Emissionen: ca. 11 Prozent
2) CO2-Fußabdruck mit Mehrweg-Glasflasche (400 gr) ≙ 0,514 kg CO2-Äq
Einsparung von THG-Emissionen: ca. 38 Prozent
3)CO2-Fußabdruck mit Einweg-Bag-in-Box ≙ 0,492 kg CO2-Äq
Einsparung von THG-Emissionen: ca. 41 Prozent
Allein durch die Einführung eines Mehrweg- und/oder Bag-in-Box-Systems ließen sich ca. 40 Prozent der THG-Emissionen pro Weinflasche einsparen. Auch die Mehrwegnutzung führt zu weiteren THG-Emissionen etwa durch Spülen und Transport. Wie ein bundesweites Pfandsystem in der Praxis aussehen könnte, könnte sich bald zeigen. Das erste Pfandsystem für 0,75-Liter-Mehrweg-Weinflaschen soll auf der Fachmesse Pro Wein 2023 in Düsseldorf vorgestellt und noch in 2023 eingeführt werden. Ausgangspunkt für das Mehrwegsystem ist die Weinheimat Württemberg, ein Zusammenschluss von zwölf Württemberger Genossenschaften. Angeboten werden sollen die Pfandflaschen in örtlichen Weinhandlungen und Getränkemärkten mit anschließender Ausweitung auf Supermärkte. Um das Pfandsystem auf Bundesebene zu implementieren, wurde die Wein-Mehrweg eG gegründet. Laut ihrem Vorsitzenden Werner Bender seien die Flaschen bis zu 50-mal befüllbar. In Baden-Württemberg gibt es bereits ein Pfandsystem für 1-Liter-Mehrweg-Weinflaschen. Das Sammeln und Spülen läuft hierbei zentral über die WSG Weingärtner-Servicegesellschaft. Laut Weinheimat Württemberg lassen sich pro Jahr rund 24 Millionen Liter-Flaschen wiederverwenden (vinum 2023).
Berechnung der CO2-Steuer
Der CO2-Preis, auch CO2-Steuer oder CO2-Bepreisung, liegt 2023 bei 30 Euro für eine Tonne CO2 (Bundesregierung 2022). Die Steuer soll etwa unseren Einkauf im Supermarkt transparenter machen und den wahren Wert eines Produktes inklusive seiner Auswirkungen auf das Klima abbilden.
Die Regierung legt den CO2-Preis fest für Kohle, Öl und Gas. Die drei Produkte haben den Vorteil, dass der CO2-Gehalt sehr genau bekannt ist. Das hat zwei Effekte:
1) Wird für ein Unternehmen der CO2-Ausstoß teurer, so werden auch dessen Produkte teurer – etwa Glas. Dadurch entsteht ein Marktnachteil gegenüber Unternehmen, die schon heute CO2-arm produzieren.
2) Es wird für die Unternehmen finanziell reizvoll, ihren CO2-Verbrauch zu reduzieren – also klimafreundlicher zu werden. Unternehmen können ihre Produkte dann wieder zu einem geringeren Preis anbieten.
Zur Bestimmung des CO2-Preises für die in 6.1 ermittelten THG-Emissionen für einen bestimmten Jahrgang multiplizieren Sie den aktuellen CO2-Preis mit den THG-Emissionen.
Für die Beispielrechnung aus 6.1 ergibt sich für das Jahr 2023:
30 €/t CO2 x 11,700 t CO2 = 351 €
Wie oben angeführt, handelt es sich um keine direkte Steuer. Den Anteil für das Glas haben Sie mit dem Einkauf der Glasflaschen etwa bezahlt, ohne dass dieser gesondert ausgewiesen ist. Diskutieren Sie in Ihrer Klasse, ob Sie den CO2-Preis in dieser Höhe für sinnvoll erachten.
Entwicklung und Diskussion sensibler Beratungsargumente für Kundinnen und Kunden sowie Geschäftspartner*innen
Weintrinker*innen in Deutschland sind daran gewöhnt, dass sie ihr Lieblingsprodukt in einer Einweg-Glasflasche erhalten. In der Kund*innen-Wahrnehmung bedeutet dies, je schwerer das Produkt, desto edler. Wie kann es da gelingen, leichtere Flaschen, ein Pfandsystem oder gar Bag-in-Box-Lösungen zu etablieren?
Vor allem bedarf es geschickter Marketing-Lösungen und guter Argumente. Für die Recherche und anschließende Diskussion können Sie folgende Stichpunkte unterstützen:
Zielgruppenspezifisches Marketing
Bag-in-Box-Vorbild Skandinavien
Klimasensible Generation z (auch y), Multiplikatoreffekt für ältere Generationen
Bag-in-Box: komplett recyclebar, lange Haltbarkeit des Weins
Einsatzort Gastronomie: Bag-in-Box
Bedeutung des Alkoholkonsums bei jungen Menschen
Die erste psychoaktive Substanz, mit der junge Menschen in Verbindung kommen, ist in der Regel Alkohol. Kontaktpersonen wie Familie oder das Vereinsleben haben Alkohol wie selbstverständlich in ihr Alltags- und Freizeitverhalten integriert – ein Glas Wein zum Essen, zur Entspannung nach Feierabend oder zum geselligen Zusammensein. Jugendliche sind mit vielschichtigen Anforderungen und Herausforderungen des Jugendalters konfrontiert: Wo stehe ich im Leben? Wie gehe ich mit meinem Sexualverlangen um? Wo fühle ich mich geborgen? Die Peer Group rückt in den Mittelpunkt und damit nicht selten der soziale Druck mitzutrinken.
Der Einstieg in jungen Jahren erhöht die Wahrscheinlichkeit für Alkoholmissbrauch im Erwachsenenalter bis hin zur Abhängigkeit. Dies wiederum stellt einen wesentlichen Risikofaktor für Adipositas, Krebserkrankungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen dar.
Weintechnolog*innen haben täglich mit Alkohol zu tun. Die Vermarktung, wie das Durchführen von Verkostungen, stellt einen wichtigen Teil Ihrer Arbeit dar. Sie sollten daher im Sinne des dritten Nachhaltigkeitsziels für das Thema Alkoholkonsum sensibilisiert sein:
SDG 3.5. Die Prävention und Behandlung des Substanzmissbrauchs, namentlich des Suchtstoffmissbrauchs und des schädlichen Gebrauchs von Alkohol, verstärken.
Durch die Bearbeitung der folgenden Module setzen Sie sich ausführlich mit dem Thema Alkohol auseinander.
Wissenswertes - Entwurf eines Fragenkatalogs
Erstellen Sie in Kleingruppen einen Fragenkatalog mit 15 Fragen. Beginnen Sie mit der Recherche von Wissenswertem rund um das Thema Alkohol. Geben Sie zu jeder Frage drei Antwortmöglichkeiten.
Beispielfragen
Was ist binge drinking?
Wie viel Stück Würfelzucker enthält ein durchschnittliches Alkopop-Getränk?
Für welche Krebsart wird erhöhter Alkoholkonsum besonders oft verantwortlich gemacht?
Wie oft ist Alkohol im Spiel, wenn Menschen aggressiv aus der Rolle fallen?
Selbstcheck - Entwurf eines Aussagen Katalogs
Arbeiten Sie in Kleingruppen und erstellen Sie 15 Aussagen zum eigenen Umgang und dem Umgang Ihres Umfelds (Familie, Freunde, Verein, Peer Group) mit Alkohol. Formulieren Sie die Fragen so, dass die Antwortmöglichkeiten ja oder nein passen. Beginnen Sie mit einer Recherche und anschließendem Brainstorming.
Beispielfragen
Ich trinke Alkohol, auch wenn ich alleine bin.
In meiner Peer Group wird oft und viel Alkohol getrunken.
Alkohol macht mich selbstbewusster und kontaktfreudiger.
Ich hatte mindestens einmal einen Filmriss nach dem Trinken.
Was tun bei Verdacht auf Alkoholvergiftung
Recherchieren Sie und erstellen Sie einen Anforderungskatalog, was zu tun ist, wenn Sie auf eine Person mit Verdacht auf Alkoholvergiftung treffen.
Promillerechner
Setzen Sie sich mit Promillerechnern auseinander. Spielen Sie mehrere Szenarien durch. Stellen Sie anschließend Ihrer Klasse verschiedene Promillerechner und ihre Funktionen vor. Nutzen Sie beispielsweise diese Online-Rechner:
Kenn dein Limit – Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
Zielkonflikte und Wiedersprüche
Beim Ansteuern von Nachhaltigkeit sind Zielkonflikte und Widersprüche nichts Ungewöhnliches. Dies gilt auch für die Weinwirtschaft, die in einem sehr großen Markt mit vielen Konkurrenten ihre Kundschaft suchen und bedienen muss. Bedingt durch die Marktverhältnisse – die durch Corona in 2021/2022 noch schwieriger geworden sind – ist die Weinwirtschaft, wie andere Wirtschaftsbereiche auch, auf Effizienz ausgerichtet. Klassisch ist der Zielkonflikt zwischen Ökonomie und Ökologie. Ökologische und umweltschonende Produktions- und Anbauverfahren sind teurer als “herkömmliche”, da diese alle technischen, biologischen und chemischen Verfahren zur Effizienzsteigerung nutzen. Höhere Kosten bedingen höhere Weinpreise. Höhere Weinpreise schrecken kostenbewusste Verbraucher*innen ab. Der Umsatz kann sinken und der Betrieb wird gefährdet. Unternehmen versuchen dies durch mehr “Effizienz” zu kompensieren, aber diese “Effizienz” führt nicht unbedingt zu mehr „Nachhaltigkeit“, wie im Folgenden erläutert wird.
Die Effizienzfalle und Wiedersprüche
Effizienz beschreibt unter anderem Wirtschaftlichkeit. Wenn so wenig wie möglich von einer notwendigen Ressource verwendet wird, so gilt dies als effizient. So könnte man meinen, dass Effizienzsteigerungen im Unternehmensalltag folglich auch zu einem nachhaltigen Wirtschaften führen. Weniger Abfall oder Energieaufwand bedeuten gleichzeitig weniger Umweltbelastung und längere Verfügbarkeit von endlichen Ressourcen – oder? Nicht unbedingt!
Das Missverständnis hinter dieser Annahme soll anhand eines Beispiels aufgedeckt werden. Seit 1990 hat sich der deutsche Luftverkehr mehr als verdreifacht. Mit Hilfe technischer Innovationen, besserer Raumnutzung und weiterer Maßnahmen konnte der durchschnittliche Kerosinverbrauch pro Person seitdem um 42 Prozent gesenkt werden – eine gute Entwicklung auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick ist jedoch auch zu erkennen, dass das Verkehrsaufkommen im gleichen Zeitraum stark zugenommen hat. Daraus folgt, dass trotz starker Effizienzsteigerungen absolut betrachtet immer mehr Kerosin verbraucht wird – nämlich 85 Prozent mehr seit 1990.
Wissenschaftler sprechen daher auch von einer „Effizienzfalle“. Denn obwohl sich mit Effizienzsteigerung eine relative Umweltentlastung erzeugen lässt, bleibt die Herausforderung des absoluten Produktionswachstums weiterhin bestehen. So ist das effiziente Handeln aus der ökonomischen Perspektive zwar zielführend, aus der ökologischen Perspektive jedoch fraglich. Es lässt sich schlussfolgern, dass Effizienzstreben und Nachhaltigkeitsorientierung zwei eigenständige Rationalitäten darstellen, die von Unternehmen beide gleichermaßen beachtet werden sollten, um zukunftsfähig zu wirtschaften. Eine langfristig erfolgreiche Unternehmensführung würde demnach aus den zur Verfügung stehenden Ressourcen unter Erhalt der Ressourcenbasis möglichst viele ökonomische Werte erschaffen, um somit intergenerational und intragenerational gerecht zu wirtschaften. Somit sollte sich ein zukunftsorientiertes berufliches Handeln sowohl den Herausforderungen der eher kurzfristigen Effizienzrationalität als auch der langfristigen Nachhaltigkeitsrationalität stellen und beide Perspektiven verknüpfen.
Im Rahmen des beruflichen Handelns entstehen jedoch Widersprüche zwischen der Effizienzrationalität („Funktionalität“, „ökonomische Effizienz“ und „Gesetzeskonformität“) und der Nachhaltigkeitsrationalität („ökologische Effizienz“, „Substanzerhaltung“ und „Verantwortung“). Ein zukunftsfähiges berufliches Handeln zeichnet sich dadurch aus, mit diesen Widersprüchen umgehen zu können.
Doch stellt sich nun die Frage, was der Umgang mit Widersprüchen für den Berufsalltag bedeutet. In diesem Zusammenhang kann von so genannten „Trade-offs“ – auch „Zielkonflikte“ oder „Kompromisse“ – gesprochen werden. Grundsätzlich geht es darum, den möglichen Widerspruch zwischen einer Idealvorstellung und dem Berufsalltag zu verstehen und eine begründete Handlungsentscheidung zu treffen. Dabei werden Entscheidungsträger häufig in Dilemma-Situationen versetzt. Im beruflichen Handeln geht es oftmals um eine Entscheidung zwischen knappen Ressourcen, wie Geld, Zeit oder Personal, für die es gilt, Lösungen zu finden. Im Folgenden werden einige Zielkonflikte aufgezeigt.
Beispielhafte Zielkonflikte
Folgende Zielkonflikte sind in der Weinwirtschaft häufig zu finden, die im Rahmen eines Unterrichts- oder Ausbildungsgesprächs diskutiert werden können:
Nachhaltiger Weinbau basiert auf biologischem und in abgeschwächter Form auf integriertem Weinanbau. Ziel ist eine nachhaltige Sicherung der Bodenfruchtbarkeit und nicht die kurzfristige Produktivität. Die Erträge sind in der Regel geringer als im konventionellen Weinbau und damit die Flasche Wein auch teurer. Ca. zwei Drittel des Weinabsatzes in Deutschland findet über Supermärkte statt. Der Durchschnittspreis liegt bei 3,83 € (Stand 2020/21). Biowein liegt 30 Prozent bis 60 Prozent über dem Preis von konventionellem Wein. Supermarktkund*innen handeln preisbewusst und achten weniger auf die Qualität. Günstiger Biowein im Supermarkt stammt meist nicht aus Deutschland, sondern vor allem aus Spanien und Italien. Biowein kämpft zudem mit dem Problem, dass viele Verkäufer*innen nichts über Bioweine wissen. So bestehen beispielsweise Vorurteile wie: Biowein sei schlechter, Wein sei insgesamt ein ökologisches Produkt, die Herstellung sei nicht umweltschonender als bei konventionellem Wein.
Die Produktion einer Glasflasche hat in Deutschland einen durchschnittlichen Anteil von etwa 47 Prozent am CO2-Fußabdruck einer Weinflasche (Anbau bis Verpackung). Die Umstellung auf ein Mehrweg-System oder alternative Füllgebinde wie Bag-in-Box hat in der Weinwirtschaft größtes Potential als Klimaschutzmaßnahme. Problem ist die Akzeptanz, verstanden als Bruch mit der Tradition, Wein in unterschiedlichen Einwegflaschen anzubieten. Dabei interpretieren Kund*innen das Gewicht einer Weinflasche als Qualitätsmerkmal.
Beim Anbau verzichten Bio-Winzer*innen praktisch völlig auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel. Das hat positive Effekte für die Biodiversität und schont speziell die Entwicklung von Insekten im Weinberg. Andererseits weisen die verwendeten Pflanzenschutzmittel eine geringere Wirkung auf. Sie müssten daher öfter aufgetragen werden, was einen erhöhten Arbeitsaufwand und Treibstoffbedarf erfordert.
Beim konventionellen Weinbau stehen kurzfristige, ökonomische Aspekte im Vordergrund. Dies geht zu Lasten der Biodiversität. So werden Reben am Hang nicht mehr in Terrassen angelegt, sondern in Reihen senkrecht zum Tal, so dass Vollleser komfortabel eingesetzt werden können. Dies fördert die Erosion der Böden, was sich vor allem vor dem Hintergrund der Klimaerwärmung und der Zunahme von Wetterextremen noch verstärken wird. Zur Bewirtschaftung der Reben werden Winzer*innen auf noch mehr Dünger und Pflanzenschutzmittel zurückgreifen müssen.
Korken haben Konkurrenz in Form von Drehverschluss (Stevin Caps), Glasverschluss und Kunststoffkorken. Vor allem der Drehverschluss gilt als Alternative zum Naturkorken. Vorteil ist, dass die Weine weniger Schwefel benötigen, da sie nicht oxidieren können. Vor allem aber für die Biodiversität ist der Erhalt der artenreichen Korkenwälder im Mittelmeerraum wichtig. Die Rinde schützt die Korkeiche vor den häufigen Waldbränden in der Region. Ihr Überleben verhindert Bodenerosion und Wüstenbildung.
Die Weinlese per Hand ist schonend für Pflanzen, Insekten und kleine Tiere. Sie kommt meist in nachhaltig agierenden Betrieben zum Einsatz. Aber sie ist auch arbeitsintensiv. In kurzer Zeit muss die Ernte per Hand eingeholt werden. Wer steht als Erntehelferinnen und Helfer zur Verfügung? Erhalten diese eine adäquate Bezahlung und ist für angemessene Kost und Logie gesorgt?
Als maximal tolerierbare Alkoholmenge pro Tag nennt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) 10 g für Frauen und 20 g für Männer als Referenzwerte. Dabei entsprechen die Vorgaben für Frauen ca. 0,125 l und die für Männer ca. 0,25 l Wein. Eine Verkostung ist eine Promotions- und eine Verkaufsveranstaltung, in der verschiedene Weine verkostet werden. Die von der DGE vorgegebene Menge ist schnell erreicht. Winzer*innen oder Weintechnolog*innen wollen eine Atmosphäre schaffen, in denen sich die Teilnehmenden wohlfühlen. Da wäre es kontraproduktiv, den Verkostenden nach einem Achtel respektive einem Viertel keinen Wein mehr einzuschenken. Nicht zuletzt verleitet Alkohol dazu, eher mehr zu kaufen.