Chemielaborant/Chemielaborantin
Einleitung
BBNE und BNE - Ziele der Projektagentur PA-BBNE
Das Ziel der „Projektagentur Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ (PA-BBNE) ist die Entwicklung von Materialien, die die um Nachhaltigkeit erweiterte neue Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ mit Leben füllen soll. Mit „Leben zu füllen“ deshalb, weil „Nachhaltigkeit“ ein Ziel ist und wir uns den Weg suchen müssen. Wir wissen beispielsweise, dass die Energieversorgung künftig klimaneutral sein muss. Mit welchen Technologien wir dies erreichen wollen und wie unsere moderne Gesellschaft und Ökonomie diese integriert, wie diese mit Naturschutz und Sichtweisen der Gesellschaft auszugestalten sind, ist noch offen.
Um sich mit diesen Fragen zu beschäftigen, entwickelt die PA-BBNE Materialien, die von unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden:
- Zum einen widmen wir uns der beruflichen Ausbildung, denn die nachhaltige Entwicklung der nächsten Jahrzehnte wird durch die jungen Generationen bestimmt werden. Die duale berufliche Ausbildung orientiert sich spezifisch für jedes Berufsbild an den Ausbildungsordnungen (betrieblicher Teil der Ausbildung) und den Rahmenlehrplänen (schulischer Teil der Ausbildung) . Hierzu haben wir dieses Impulspapier erstellt, das die Bezüge zur wissenschaftlichen Nachhaltigkeitsdiskussion praxisnah aufzeigt.
- Zum anderen orientieren wir uns an der Agenda 2030. Die Agenda 2030 wurde im Jahr 2015 von der Weltgemeinschaft beschlossen und ist ein Fahrplan in die Zukunft (Bundesregierung o. J.). Sie umfasst die sogenannten 17 Sustainable Development Goals (SDGs), die jeweils spezifische Herausforderungen der Nachhaltigkeit benennen (vgl. Destatis). Hierzu haben wir ein Hintergrundmaterial (HGM) im Sinne der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE, vgl. BMBF o. J.) erstellt, das spezifisch für unterschiedliche Berufe ist.
Die Materialien der Projektagentur
Die neue Standardberufsbildposition gibt aber nur den Rahmen vor. Selbst in novellierten Ausbildungsordnungen in Berufen mit großer Relevanz für wichtige Themen der Nachhaltigkeit wie z. B. dem Klimaschutz werden wichtige Fähigkeiten, Kenntnissen und Fertigkeiten in den berufsprofilgebenden Berufsbildpositionen nicht genannt – obwohl die Berufe deutliche Beiträge zum Klimaschutz leisten könnten. Deshalb haben wir uns das Ziel gesetzt, Ausbildenden und Lehrkräften Hinweise im Impulspapier zusammenzustellen im Sinne einer Operationalisierung der Nachhaltigkeit für die unterschiedlichen Berufsbilder. Zur Vertiefung der stichwortartigen Operationalisierung wird jedes Impulspapier ergänzt durch eine umfassende Beschreibung derjenigen Themen, die für die berufliche Bildung wichtig sind. Dieses sogenannte Hintergrundmaterial orientiert sich im Sinne von BNE an den 17 SDGs, ist faktenorientiert und wurde nach wissenschaftlichen Kriterien erstellt. Ergänzt werden das Impulspapier und das Hintergrundmaterial durch einen Satz von Folien, die sich den Zielkonflikten widmen, da „Nachhaltigkeit das Ziel ist, für das wir den Weg gemeinsam suchen müssen“. Und dieser Weg ist nicht immer gleich für alle Branchen, Betriebe und beruflichen Handlungen, da unterschiedliche Rahmenbedingungen in den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – Ökonomie, Ökologie und Soziales – gelten können. Wir haben deshalb die folgenden Materialien entwickelt:
- BBNE-Impulspapier (IP): Betrachtung der Schnittstellen von Ausbildungsordnung, Rahmenlehrplan und den Herausforderungen der Nachhaltigkeit in Anlehnung an die SDGs der Agenda 2030. Das Impulspapier ist spezifisch für einen Ausbildungsberuf erstellt, fasst aber teilweise spezifische Ausbildungsgänge zusammen (z. B. den Fachmann und die Fachfrau zusammen mit der Fachkraft sowie die verschiedenen Fachrichtungen)
- BBNE-Hintergrundmaterial (HGM): Betrachtung der SDGs unter einer wissenschaftlichen Perspektive der Nachhaltigkeit im Hinblick auf das Tätigkeitsprofil eines Ausbildungsberufes bzw. auf eine Gruppe von Ausbildungsberufen, die ein ähnliches Tätigkeitsprofil aufweisen;
- BBNE-Foliensammlung (FS) und Handreichung (HR): Folien mit wichtigen Zielkonflikten – dargestellt mit Hilfe von Grafiken, Bildern und Smart Arts für das jeweilige Berufsbild, die Anlass zur Diskussion der spezifischen Herausforderungen der Nachhaltigkeit bieten. Das Material liegt auch als Handreichung (HR) mit der Folie und Notizen vor.
Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung
Die Standardberufsbildposition “Umweltschutz und Nachhaltigkeit”
Seit August 2021 müssen auf Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) bei einer Modernisierung von Ausbildungsordnungen die vier neuen Positionen „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“, Digitalisierte Arbeitswelt“, Organisation des Ausbildungsbetriebs, Berufsbildung, Arbeits- und Tarifrecht“ sowie „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“ aufgenommen werden (BIBB 2021). Insbesondere die letzten beiden Positionen unterscheiden sich deutlich von den alten Standardberufsbildpositionen.
Diese Positionen begründet das BIBB wie folgt (BIBB o. J.a): „Unabhängig vom anerkannten Ausbildungsberuf lassen sich Ausbildungsinhalte identifizieren, die einen grundlegenden Charakter besitzen und somit für jede qualifizierte Fachkraft ein unverzichtbares Fundament kompetenten Handelns darstellen“ (ebd.).
Die Standardberufsbildpositionen sind allerdings allgemein gehalten, damit sie für alle Berufsbilder gelten (vgl. BMBF 2022). Eine konkrete Operationalisierung erfolgt üblicherweise durch Arbeitshilfen, die für alle Berufsausbildungen, die modernisiert werden, erstellt werden. Die Materialien der PA-BBNE ergänzen diese Arbeitshilfen mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit und geben entsprechende Anregungen (vgl. BIBB o. J.b). Das Impulspapier zeigt vor allem in tabellarischen Übersichten, welche Themen der Nachhaltigkeit an die Ausbildungsberufe anschlussfähig sind.
Die neue Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ ist zentral für eine BBNE, sie umfasst die folgenden Positionen (BMBF 2022).
a) “Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
c) für den Ausbildungsbetrieb geltende Regelungen des Umweltschutzes einhalten
d) Abfälle vermeiden sowie Stoffe und Materialien einer umweltschonenden Wiederverwertung oder Entsorgung zuführen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren”
Die Schnittstellen zwischen der neuen Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit” werden in
fortlaufend aufgezeigt. Mit Ausnahme der Position c) werden in der Tabelle alle Positionen behandelt. Die Position c) wird nicht behandelt, da diese vor allem ordnungsrechtliche Maßnahmen betrifft, die zwingend zu beachten sind. Maßnahmen zur Nachhaltigkeit hingegen sind meist freiwillige Maßnahmen und können, müssen aber nicht durch das Ordnungsrecht geregelt bzw. umgesetzt werden. In der Tabelle werden die folgenden Bezüge hergestellt:
- Spalte A: Positionen der Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit”;
- Spalte B: Vorschläge für Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten, die im Sinne der nachhaltigen Entwicklung wichtig sind;
- Spalte C: Bezüge zur Nachhaltigkeit;
- Spalte D: Mögliche Aufgabenstellungen für die Ausbildung im Sinne der Position 3e) „Vorschläge für nachhaltiges Handeln entwickeln“;
- Spalte E: Zuordnung zu einem oder mehreren SDGs (Verweis auf das Hintergrundmaterial).
Die Berufsbildpositionen der Ausbildungsordnung und die Lernfelder
Nachhaltigkeit sollte integrativ vermittelt werden, sie sollte auch in den berufsprofilgebenden Berufsbildpositionen verankert werden (BIBB o. J.):
“Die berufsübergreifenden Inhalte sind von den Ausbilderinnen und Ausbildern während der gesamten Ausbildung integrativ, das heißt im Zusammenspiel mit den berufsspezifischen Fertigkeiten, Kenntnissen und Fähigkeiten, zu vermitteln.”
Aus diesem Grund haben wir die jeweiligen Berufsbildpositionen sowie die Lernfelder des gültigen Rahmenlehrplanes gleichfalls betrachtet in
Tabelle 2: Berufsbildpositionen und Lernfelder mit Bezug zur Nachhaltigkeit
Die Betrachtung ist beispielhaft, es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Folgende tabellarische Darstellung wurde gewählt:
Spalte A: Berufsbildposition und Lernfeld(er)
Spalte B: Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten gemäß Ausbildungsordnung (AO) sowie Lernfelder des Rahmenlehrplans (RLP, kursive Zitierung). Explizite Formulierungen des RLP zu Themen der Nachhaltigkeit werden als Zitat wiedergegeben;
Spalte C: Beispielhafte Bezüge zur Nachhaltigkeit;
Spalte D: Referenz auf die jeweilige Position der Standardberufsbildposition (siehe Tabelle 1, Spalte A).
Modulare Rahmenaufgaben
Zur Verbesserung der Anschaulichkeit der integrativen Förderung nachhaltigkeitsorientierter Kompetenzen wird in diesem Impulspapier eine exemplarische Aufgabenstellung für die betriebliche oder berufsschulische Unterrichtung vorgeschlagen:
- Zunächst wird die Herkunft ausgewählter Früchte von Konditoreiprodukten bestimmt und unter Nachhaltigkeitsaspekten beurteilt.
- Vertiefend erfolgt eine Auseinandersetzung mit Pro- und Kontra-Argumenten im Rahmen eines Rollenspiels, um die Kundenberatung bei Produktfragen nachhaltigkeitsorientiert ausrichten zu können und geeignete Verkaufsstrategien zu entwickeln.
Zielkonflikte und Widersprüche
Zielkonflikte und Widersprüche sind bei der Suche nach dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit immanent und für einen Interessenausgleich hilfreich. In dem Kapitel 7. werden beispielhafte Zielkonflikte aufgezeigt. Ergänzend werden in dem hierzu gehörigen Dokument auch einige Folien (pptx bzw. pdf) erstellt, die für Lernprozesse verwendet werden können. Ein Beispiel für einen berufsbildbezogenen Zielkonflikt ist der folgende:
- “Niedrige Retouren (wenige Überschüsse von Brot und Backwaren) vs. volle Regale bis Ladenschluss”:
- Betriebe, die Lebensmittelabfälle bzw. Retouren vermeiden wollen, bieten den Kunden kurz vor Betriebsschluss unter Umständen nicht mehr dasselbe umfangreiche Angebot wie Betriebe, die den Kunden bis zum Ladenschluss das komplette Sortiment anbieten, um die Kunden nicht zu verlieren.
- Es ergibt sich somit der Konflikt zwischen der Notwendigkeit, Abfall zu vermeiden und dem Wunsch, die Kunden*innen durch ein jederzeit umfangreiches Angebot zufriedenzustellen.
Hinweis für handwerkliche, kaufmännische und Industrieberufe
Die in den folgenden Tabellen 1 und 2 im didaktischen Impulspapier (IP), im Hintergrundmaterial (HGM) sowie in den Foliensätzen zu den Zielkonflikten (FS) vorgeschlagenen Hinweise zu Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten bzw. Lernfelder, Aufgabenstellungen und Zielkonflikte bilden den in 2022 aktuellen Stand der Entwicklungen in Hinsicht auf technische Verfahren, Dienstleistungen und Produkte in Bezug auf Herausforderungen der Nachhaltigkeit bzw. deren integrative Vermittlung in den verschiedenen Berufen dar. Sie enthalten Anregungen und Hinweise ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Mit Lesen dieses Textes sind Sie als Ausbilder:innen und Berufsschullehrkräfte eingeladen, eigene Anregungen in Bezug auf die dann jeweils aktuellen Entwicklungen in ihren Unterricht einzubringen. Als Anregungen dient diesbezüglich z. B. folgende hier allgemein formulierte Aufgabenstellung (analog zu IP, Tabelle 1), die Sie in Ihren Unterricht aufnehmen können:
Recherchieren Sie (ggf. jeweils alternativ:) Methoden, Verfahren, Materialien, Konstruktionen, Produkte oder Dienstleistungen, die den aktuellen Stand der (technischen) Entwicklung darstellen und die in Hinblick auf die Aspekte der Nachhaltigkeit (ökologisch, sozial-kulturell und/oder ökonomisch) bessere Wirkungen und/oder weniger negative Wirkungen erzielen als die Ihnen bekannten, eingeführten und „bewährten“ Ansätze.
Beschreiben Sie mögliche positive Wirkungen dieser neuen Methoden, Verfahren, Materialien, Konstruktionen, Produkte und/oder Dienstleistungen auf die Nachhaltigkeit in Ihrem Betrieb.
Glossar
Folgende Abkürzungen werden in diesem Dokument verwendet:
Abkürzung | Bezeichnung |
AO | Ausbildungsordnung |
BNE | Bildung für Nachhaltige Entwicklung |
BBNE | Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung |
FS | Foliensammlung mit Beispielen für Zielkonflikte |
HGM | Hintergrundmaterial (wissenschaftliches Begleitmaterial) |
IP | Impulspapier (didaktisches Begleitmaterial) |
RLP | Rahmenlehrplan |
SDG | Sustainable Development Goals |
THG | Treibhausgase bzw. CO2-Äquivalente (CO2-Äq) |
Literatur
BGBl (2022): Verordnung über die Berufsausbildung zum Bäcker/zur Bäckerin vom 21. April 2004 (BGBl. I S. 632), die durch Artikel 1 der Verordnung vom 8. Februar 2016 (BGBl. I S. 179) geändert worden ist. https://www.gesetze-im-internet.de/b_ausbv_2004/BJNR063200004.html
BIBB Bundesinstitut für berufliche Bildung (2021): Vier sind die Zukunft. Online: www.bibb.de/de/pressemitteilung_139814.php
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (o. J.a): FAQ zu den modernisierten Standardberufsbildpositionen. Online: https://www.bibb.de/de/137874.php
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (o. J.b): Ausbildung gestalten. Online: https://www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/series/list/2
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
BIBB Bundesinstitut für berufliche Bildung (o. J.c): Nachhaltigkeit in der Ausbildung. Online: www.bibb.de/de/142299.php
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (o. J.): Was ist BNE. Online: https://www.bne-portal.de/bne/de/einstieg/was-ist-bne/was-ist-bne.html
Bundesregierung (o. J.): Globale Nachhaltigkeitsstrategie – Nachhaltigkeitsziele verständlich erklärt. Online: www.bundesregierung.de/breg-de/themen/nachhaltigkeitspolitik/nachhaltigkeitsziele-verstaendlich-erklaert-232174
Destatis Statistisches Bundesamt (2022): Indikatoren der UN-Nachhaltigkeitsziele. Online: http://sdg-indikatoren.de/
KMK Kultusministerkonferenz (2004): RAHMENLEHRPLAN für den Ausbildungsberuf Bäcker/Bäckerin.
Ritter, G., Friedrich, S., Heitkönig, L. (2015a): Reduktion von Lebensmittelabfällen bei Brot und Backwaren. Ein Konzept für Handwerk, Handel und Verbraucher. https://www.fh-muenster.de/isun/downloads/Reduktion_von_Lebensmittelabfaellen_bei_Brot_und_Backwaren.pdf
Ritter, G., Heitkönig, L., Friedrich, S. (2015b): Endbericht zur Studie „Reduktion von Lebensmittelabfällen bei Brot und Backwaren – Entwicklung eines Konzepts für Handel, Handwerk und Verbraucher“. https://www.fh-muenster.de/isun/downloads/Reduktion_von_Lebensmittelabfaellen_bei_Brot_und_Backwaren.pdf
WWF Deutschland (2018): Unser täglich Brot. Von überschüssigen Brotkanten und wachsenden Brotbergen. https://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/Publikationen-PDF/WWF-Studie-Unser-taeglich-Brot_Von-ueberschuessigen-Brotkanten-und-wachsenden-Brotbergen_102018.pdf
Tabelle 1 - Die Standardberufsbildposition “Umweltschutz und Nachhaltigkeit”
Standardberufs-bildposition | Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten | Bezüge zur Nachhaltigkeit | Mögliche Aufgabenstellungen im Rahmen von 3e “Vorschläge für nachhaltiges Handeln entwickeln” | SDG |
3a – Umwelt Belastungen |
|
|
| 12, 3, 15, 14, 6 |
3a – Umwelt Belastungen |
|
|
| 3, 14, 15, 6 |
3a – Umwelt Energie |
|
|
| 13, 7 |
3b -Materialien Ökologischer Fußabdruck |
|
|
| 12, 9 |
3d – Abfälle |
|
|
| 12 |
3e -Nachhaltigkeit Handlungsalternativen |
|
|
| 12 |
3e -Nachhaltigkeit Handlungsalternativen |
|
|
| 13 |
3e -Nachhaltigkeit Handlungsalternativen |
|
|
| 12, 9 |
3e – Nachhaltiges Handeln – Zertifizierung |
|
|
| 12 |
3f – Nachhaltigkeit kommunizieren |
|
|
| 4 |
Tabelle 2 - Berufsbildpositionen und Lernfelder mit Bezug zur Nachhaltigkeit
Berufsbild- position / Lernfeld | Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten gemäß Ausbildungsordnung (kursiv: Lernfelder des RLP) | Beispielhafte Bezüge zur Nachhaltigkeit | Standardberufsbildposition |
5 Umgehen mit Arbeitsstoffen Lernfelder 1, 3, 5 | a) laborspezifische Werkstoffe Einsatzgebieten zuordnen und mit diesen Werkstoffen umgehen Lernfeld 1: … nutzen unterschiedliche Informationsquellen … Lernfeld 3: … können die chemischen Eigenschaften von Stoffen bestimmen… Lernfeld 5: … nutzen unterschiedliche Datenquellen – auch fremdsprachliche – um sich über die Möglichkeiten der Herstellung eines Präparates zu informieren. |
| 3b – Materialien Ökologischer Fußabdruck 3d – Abfälle 3e – Nachhaltiges Handeln – Zertifizierung 3f – Nachhaltigkeit kommunizieren |
5 Umgehen mit Arbeitsstoffen Lernfelder 1, 3, 5 | b) Vorschriften zum Umgang mit Gefahrstoffen anwenden, insbesondere Gefahrensymbole und -bezeichnungen von Arbeitsstoffen erklären und beachten c) Arbeitsstoffe kennzeichnen f) mit Säuren, Basen und Salzen sowie ihren Lösungen umgehen g) mit organischen Lösemitteln umgehen h) mit Gasen umgehen Lernfeld 1: … nutzen unterschiedliche Informationsquellen … Lernfeld 3: … können die chemischen Eigenschaften von Stoffen bestimmen… Lernfeld 5: … nutzen unterschiedliche Datenquellen – auch fremdsprachliche – um sich über die Möglichkeiten der Herstellung eines Präparates zu informieren. |
| 3a -Umwelt Belastungen 3d – Abfälle 3e – Nachhaltiges Handeln – Zertifizierung 3f – Nachhaltigkeit kommunizieren |
6.1. Analyseverfahren Lernfeld 4 | a) fotometrische Bestimmungen durchführen und auswerten b) chromatographische Trennverfahren, insbesondere nach Einsatzgebieten, unterscheiden c) Stoffgemische durch chromatographische Verfahren trennen Lernfeld 4: Stoffe mittels chromatografischer Verfahren trennen und identifizieren können sowie die physikalisch-chemischen und gerätetechnischen Grundlagen der Chromatografie kennen. Betriebsanweisungen für den Umgang mit Gefahrstoffen erstellen und die Regeln der Arbeitssicherheit begründen können |
| 3a – Umwelt Belastungen 3a – Umwelt Energie 3d – Abfälle 3e – Nachhaltigkeit Handlungsalternativen 3f – Nachhaltigkeit kommunizieren |
6.4. Trennen und Vereinigen von Arbeitsstoffen Lernfelder 1, 2 | b) Feststoffe von Flüssigkeiten trennen, insbesondere durch Dekantieren, Sedimentieren, Filtrieren, Zentrifugieren und Eindampfen Lernfeld 1: … wählen … geeignete Laborgeräte aus, nutzen unterschiedliche Informationsquellen… Lernfeld 2: … setzen Energieträger rationell ein… |
| 3a – Umwelt Emissionen 3a – Umwelt Energie 3d – Abfälle 3f – Nachhaltigkeit kommunizieren |
8.1. Herstellen von Präparaten Lernfelder 3, 11 | a) chemische Reaktionsgleichungen geplanter Synthesen aufstellen sowie Ansätze und Ausbeuten berechnen b) Syntheseapparaturen einsetzen c) Verbindungen durch Fällungsreaktion, Kohlenstoff- Kohlenstoff-Verknüpfungen, durch Einführung funktioneller Gruppen, durch Veränderung funktioneller Gruppen und durch enzymatische Reaktion nach Vorschrift herstellen d) organische oder anorganische Verbindung über mehrere Stufen nach Vorschrift herstellen e) Maßnahmen zur Verschiebung des Reaktionsgleichgewichtes ergreifen f) Katalysatoren zur Reaktionsbeschleunigung einsetzen Lernfeld 3: … können die chemischen Eigenschaften von Stoffen bestimmen… Lernfeld 11: Synthesemöglichkeiten unter Einbeziehung ökologischer und ökonomischer Aspekte hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile … bewerten |
| 3a – Umwelt Belastungen 3e – Nachhaltigkeit Handlungsalternativen 3f – Nachhaltigkeit kommunizieren |
8.2. Trennen und Reinigen von Stoffen Lernfelder 2, 6a | a) Stoffgemische ohne und mit Hilfsstoffen filtrieren b) Flash- oder Säulenchromatografie durchführen c) Feststoffe, Flüssigkeiten und Gase trocknen d) Stoffe kristallisieren und durch Umkristallisieren reinigen e) Stoffe extrahieren f) Stoffgemische durch Destillieren unter Normaldruck und reduziertem Druck sowie mit Schleppmitteln trennen Lernfeld 2: … setzen Energieträger rationell ein … Lernfeld 6a: … kennen bei ausgewählten Produkten die Umsetzung der Synthese in den großtechnischen Maßstab … nutzen unterschiedliche Datenquellen |
| 3a – Umwelt Belastungen 3a – Umwelt Emissionen 3a – Umwelt Energie 3e – Nachhaltigkeit Handlungsalternativen 3f – Nachhaltigkeit kommunizieren |
9. Präparative Chemie: Reaktionstypen und -führung Lernfeld 11 | a) Synthesevorschriften auswählen b) Syntheseapparaturen auswählen c) Verbindungen nach Analog Vorschriften und nach Vorschriften mit allgemeinen Angaben unter Anwenden von mindestens fünf unterschiedlichen Reaktionstypen herstellen, davon sind mindestens vier der folgenden Reaktionstypen anzuwenden: Addition, Substitution, Umlagerung, Eliminierung, biokatalytische Reaktion, katalytische Reaktion, Cyclisierung, Polymerisation d) Verbindungen über mehrere Stufen unter Anwendung unterschiedlicher Reaktionstypen herstellen e) Ausgangsstoffe, Zwischen- und Endprodukte auf Einhaltung der Spezifikation prüfen und das Ergebnis dokumentieren Lernfeld 11: Synthesemöglichkeiten unter Einbeziehung ökologischer und ökonomischer Aspekte hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile … bewerten |
| 3a – Umwelt Belastungen 3a – Umwelt Energie 3e – Nachhaltigkeit Handlungsalternativen 3f – Nachhaltigkeit kommunizieren |
10. Präparative Chemie: Synthesetechnik Lernfelder 11 | a) Verbindungen unter Anwendung von mindestens zwei unterschiedlichen Techniken herstellen, dabei mindestens eine der folgenden Techniken anwenden: Tieftemperatursynthese, Mikrosynthese, Synthese an polymeren Trägern, Schutzgassynthese, Fermentertechnik, photochemische Synthese, Gasphasenreaktion, elektrochemische Technik, Hochdrucksynthese, Kombinatorik b) Verfahrensbedingungen durch unterschiedliche Reaktionsführungen optimieren c) Ausgangsstoffe, Zwischen- und Endprodukte auf Einhaltung der Spezifikation prüfen und das Ergebnis dokumentieren Lernfeld 11: Synthesemöglichkeiten unter Einbeziehung ökologischer und ökonomischer Aspekte hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile … bewerten |
| 3a – Umwelt Belastungen 3a – Umwelt Energie 3e – Nachhaltigkeit Handlungsalternativen 3f – Nachhaltigkeit kommunizieren |
14. Anwenden spektroskopischer Verfahren Lernfeld 9 | a) Methoden unter Beachtung von Spezifität und Matrixeinflüssen sowie nach Anwendungsbereich auswählen b) Analysenproben zur spektroskopischen Messung vorbereiten Lernfeld 9: Analyse … unter Berücksichtigung ökonomischer, ökologischer und terminlicher Aspekte |
| wie 6.1. Analyseverfahren |
15. Durchführen mikrobiologischer Arbeiten Lernfelder 14 | b) Methoden der Desinfektion und Sterilisation anwenden c) kontaminiertes Material entsorgen Lernfeld 14: … wenden die Regeln und Vorschriften für den Umgang mit biologischem Material an … können Reststoffe für ihre Eignung zur Entsorgung über das Abwasser beurteilen. |
| 3a – Umwelt Belastungen 3a – Umwelt Energie 3d – Abfälle 3e – Nachhaltigkeit Handlungsalternativen |
15. Durchführen mikrobiologischer Arbeiten Lernfelder 14, 18 | d) Nährmedien herstellen f) Impf- und Kulturtechniken anwenden Lernfeld 14:Biologisches Material aufarbeiten und Naturstoffe aus biologischem Material isolieren; biotechnische Verfahren erklären; Impf- und Kulturtechniken. . Lernfeld 18:biotechnische Prozesse und deren Bedeutung kennen; biologisch-kontaminiertes Material entsorge; biotechnische und zellkulturtechnische Arbeiten auf der Grundlage geltender gesetzlicher Grundlagen durchführen. |
| 3e – Nachhaltigkeit Handlungsalternativen |
15. Durchführen mikrobiologischer Arbeiten Lernfelder 14 | k) biotechnologische Verfahren durchführen Lernfeld 14: Regeln und Vorschriften für den Umgang mit biologischem Material anwenden … Reststoffe für ihre Eignung zur Entsorgung über das Abwasser beurteilen können. |
| wie 6.1. Analyseverfahren |
17. Herstellen, Applizieren und Prüfen von Beschichtungsstoffen und -systemen Lernfeld 19 | a) Beschichtungsstoff nach vorgegebener Rezeptur erstellen und seine systemspezifische Eigenschaft erläutern e) Beschichtungsstoff unter Berücksichtigung des Filmbildungsmechanismus härten Lernfeld 19: Anforderungsprofile von Beschichtungsstoffen planen und nach vorgegebenen Rezepturen herstellen, prüfen und applizieren; Optimieren der Rezeptur |
| 3a – Umwelt Belastungen 3e – Nachhaltigkeit Handlungsalternativen |
19. Umweltbezogene Arbeitstechniken Lernfeld 16 | a) bei einem prozessbezogenen Verfahren der Abfallwirtschaft, Boden-, Luft- oder Gewässerreinhaltung mitwirken b) Konzentrationen und Kenngrößen von Umweltparametern unter Beachtung einschlägiger Vorschriften bestimmen c) Emissionen und Immissionen messen d) Untersuchungsergebnisse mit Bestimmungen von Regelwerken vergleichen, dokumentieren und beurteilen sowie Maßnahmen veranlassen Lernfeld 16: … auf der Grundlage der gewonnenen Proben die Größe von Emissions- und Immissionswerten bestimmen; …die Ergebnisse auswerten; …geeignete Maßnahmen zur Schonung der Umwelt vorschlagen.. |
| 3a – Umwelt Belastung |
22. Anwendungstechnische Arbeiten, Kundenbetreuung Lernfelder 11 | b) Stoffe hinsichtlich des geplanten Einsatzes chemisch und technisch optimieren c) Kunden beraten und Problemlösungen erarbeiten Lernfeld 11: … unter Einbeziehung ökologischer und ökonomischer Aspekte hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile … bewerten |
| 3e – Nachhaltiges Handeln – Zertifizierung 3f – Nachhaltigkeit kommunizieren |
24. Durchführen immunologischer und biochemischer Arbeiten Lernfelder 4, 14 | a) fotometrische und chromatographische Methoden anwenden b) Proteine und Enzyme aus biologischem Material isolieren c) enzymatische Analysen durchführen d) Proteingemisch elektrophoretisch trennen und nachweisen Lernfeld 4: … Umgang mit Gefahrstoffen … Lernfeld 14: … die Regeln und Vorschriften für den Umgang mit biologischem Material anwenden; … Reststoffe für ihre Eignung zur Entsorgung über das Abwasser beurteilen können. |
| 3a – Umwelt Belastungen 3a – Umwelt Energie 3d – Abfälle 3e – Nachhaltigkeit Handlungsalternativen 3f – Nachhaltigkeit kommunizieren |
25. Durchführen gentechnischer und molekularbiologischer Arbeiten Lernfeld 14 | a) Vorschriften zum Gentechnikgesetz anwenden b) Nukleinsäuren isolieren, schneiden und elektrophoretisch trennen c) Abschnitte von Nukleinsäuren klonieren d) Nukleinsäuren oder – abschnitte nachweisen und identifizieren e) Nukleinsäuren, insbesondere durch Polymerase- Kettenreaktion (PCR), vervielfältigen f) Plasmide isolieren Lernfeld 14: … wenden die Regeln und Vorschriften für den Umgang mit biologischem Material an … können Reststoffe für ihre Eignung zur Entsorgung über das Abwasser beurteilen. |
| wie 6.1. Analyseverfahren |
26. Durchführen zellkultur technischer Arbeiten Lernfeld 14 | a) Geräte und Materialien für Zellkulturtechniken einsetzen b) Adhäsions- und Suspensionszellen kultivieren Lernfeld 14: … wenden die Regeln und Vorschriften für den Umgang mit biologischem Material an … können Reststoffe für ihre Eignung zur Entsorgung über das Abwasser beurteilen. |
| 3b – Materialien Ökologischer Fußabdruck 3d – Abfälle 3e – Nachhaltigkeit Handlungsalternativen 3f – Nachhaltigkeit kommunizieren |
27. Formulieren, Herstellen und Prüfen von Bindemitteln Lernfeld 19 | a) Bindemittel nach Anforderungsprofil formulieren b) Ausgangsstoffe auswählen Lernfeld 19: Anforderungsprofile von Beschichtungsstoffen planen und nach vorgegebenen Rezepturen herstellen, prüfen und applizieren; Optimieren der Rezeptur; Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz beim Umgang mit Lackrohstoffen kennen; Bindemittel, Farbmittel, Lösemittel und Additive nach Anforderungsprofil auswählen |
| 3a – Umwelt Belastungen 3e – Nachhaltigkeit Handlungsalternativen |
Unterrichts- und Ausbildungsmodule
Die hier vorgeschlagenen Unterrichts- und Ausbildungsmodule umfassen die Entwicklung von Maßnahmen für einen verringerten Ressourcenverbrauch im Labor/ im Versuchswesen (6.1) sowie die Auseinandersetzung mit den Energie- und Ressourcenverbräuchen und Umweltwirkungen aus dem Lebenszyklus eines labortypischen Einwegproduktes (6.2).
Rahmenaufgabe: Nachhaltigkeit im Labor
Das Versuchswesen im Labor, z. B. zur Reinheitsanalyse von Erzeugnissen, erfordert einen hohen Ressourceneinsatz. Energie wird sowohl beim Betrieb der erforderlichen Gebäude bzw. Räumlichkeiten sowie den einzelnen versuchsbezogenen Tätigkeiten im Labor verbraucht, z. B. durch den Einsatz von Analysegeräten, Kühlgeräten oder Lüftung. Hinzu kommen versuchsspezifische Materialien und Ausstattungsgegenstände, z. B. Chemikalien und Wasser, die als Abfälle und Abwässer fachgerecht entsorgt werden müssen sowie Gefäße und Behälter. Vor diesem Hintergrund bietet es sich an, komplexe Stoffströme und Prozesse im Labor und den damit verbundenen Ressourceneinsatz genau zu kennen und nach Maßnahmen zu suchen, wie der Beitrag des Labors zu einer schonenden und effizienten Nutzung von Ressourcen im Labor gestaltet werden kann. Maßnahmen für einen verringerten Ressourcenverbrauch im Labor/ im Versuchswesen lassen sich anhand der folgenden Leitfragen entwickeln:
● Welche Stoff- und Materialströme sind mit einem Laborversuch oder einem Teilprozess eines Versuches verbunden?
● Welcher Stoff- bzw. Materialeinsatz ist mit dem zu untersuchenden Prozess verknüpft (z. B. Beschaffung mit Langstreckentransporten, Energie- und Ressourcenaufwand, Entsorgung)?
● Welche Maßnahmen zur Verringerung des Ressourceneinsatzes folgen daraus (Optimierung) und sind umsetzbar?
Diese Aufgabe kann für einen Versuch, einen Teilaspekt oder einen einzelnen Analyseprozess im Labor durchgeführt werden. Wichtig ist, zu Beginn zu definieren, welches geschlossene System untersucht werden soll. Die weitere Aufgabenstellung wird anhand eines Analyseprozesses im Labor beschrieben. Die Aufgabenstellung besteht aus den folgenden Teilschritten:
1. Bestandsaufnahme
2. Optionen zum schonenden Umgang mit Ressourcen
3. Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen zur Ressourcenschonung
Bei der Aufgabe geht es nicht um konkrete, aufwändige Berechnungen. Auf der Grundlage möglichst realitätsnaher Abschätzung des Ressourceneinsatzes steht im vielmehr im Mittelpunkt, sich die Ressourcenströme bewusst zu machen, die Umweltauswirkungen zu reflektieren und konkrete Maßnahmenvorschläge zu entwickeln.
Bestandsaufnahme
Eine Voraussetzung für die Bestandsaufnahme ist, das System, das betrachtet werden soll, genau zu definieren (z. B. der gesamte Versuchsaufbau, Teilaspekte oder einzelne Analyseprozesse im Labor). Für diese jeweils betrachteten Systeme werden nun sowohl der Input der Ressourcen als auch der Output bestimmt. Unter Input werden alle Ressourcen verstanden, die benötigt werden:
● Eingesetzte Betriebsmittel und Verbrauchsmaterialien, z. B. Laborbehälter, Pipettenspitzen oder Filter;
● Chemikalien;
● Energie für die Versuchsdurchführung/ Prozess, z. B. für den Betrieb der Geräte, Beleuchtung, Aufbereitung von Wasser oder die Lagerung von Proben sowie
● Wasserverbrauch, z. B. aufbereitetes Laborwasser, Wasser zur Probenherstellung, zum Kühlen oder Heizen.
Unter Output werden alle Emissionen, Abwässer und Abfallfraktionen zusammengefasst, die mit dem betrachteten System verbunden sind.
Die Bestandserfassung von Input und Output erfolgt in Form einer Tabelle. Die Mengen für die oben dargestellten Input- und Outputgrößen werden erfragt, gemessen oder anhand der Versuchsbeschreibung realistisch abgeschätzt.
Optionen zum schonenden Umgang mit Ressourcen
Folgende Fragen helfen dabei, die bisherige Praxis in Bezug auf Input und Output im Sinne der Ressourceneffizienz zu hinterfragen:
● Eingesetzte Betriebsmittel und Verbrauchsmaterialien
○ Gibt es Möglichkeiten, den Verbrauch an Materialien und Verbrauchsmitteln zu reduzieren?
○ Gibt es für Laborbehälter u.ä. aus Plastik (wiederverwendbare) Alternativen aus Glas?
○ Gibt es Regeln für die nachhaltige Beschaffung?
● Chemikalien
○ Gibt es bereits strategische Ansätze für die Nutzung nachhaltiger Chemikalien? Wird z. B. das Substitutionsprinzip (Umstieg auf ungefährliche Alternativen) für Chemikalien und Lösungsmittel beachtet?
○ Ist eine Verringerung des Materialeinsatzes z. B. durch Wechsel der Methode möglich?
● Energieverbrauch: Bei der Ermittlung des Energieverbrauchs wird der direkte und indirekte Verbrauch ermittelt bzw. abgeschätzt. Der direkte Energieverbrauch steht in Verbindung mit dem durchgeführten Prozess. Folgende Fragen helfen bei der Ermittlung des direkten Verbrauchs:
○ Welche Geräte werden in dem Prozess eingesetzt?
○ Wie lange laufen die Geräte und mit welcher Leistung?
○ Werden die Geräte effizient eingesetzt oder laufen sie auch vor/nach dem Einsatz? Gibt es besondere Regelungen für die Bedienung der Geräte?
● Darüber hinaus sind indirekte Aspekte einzubeziehen:
○ Welche Rahmenbedingungen sind bezüglich des Versuchsaufbaus zu erfüllen (z. B. konstante Temperatur, Kühlung, Lüftung, Klimatisierung, Beleuchtung und Lagerung) und mit welchem Energieaufwand sind diese verbunden?
○ Erfolgt eine regelmäßige Wartung?
● Wasserverbrauch und -aufbereitung
○ Welche Wasserqualität wird für einen bestimmten Prozess benötigt?
○ Wie viel Wasser wird für bestimmte Prozesse oder zum Kühlen bzw. Heizen eingesetzt?
○ Muss für bestimmte Geräte eine regelmäßige Wartung auf Leckagen durchgeführt werden?
● Abfälle
○ Werden Abfälle sortenrein getrennt und entsorgt?
○ Gibt es Alternativen für Einwegmaterial?
○ Ist eine Teilnahme an Recycling-Programmen möglich (z. B. für Handschuhe Kimtech™ Einmalhandschuh-Recyclingprogramm | TerraCycle® DE)
○ Gibt es für bestimmte Produkte Lieferanten, die Rücknahmesysteme anbieten oder auf verminderten Materialeinsatz bei der Verpackung achten?
Antworten auf die oben gestellten Fragen werden als Optionen in die Tabelle eingetragen.
Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen zur Verringerung des Footprints
Auf der Grundlage der Bestandserfassung und der entwickelten Optionen wird ein Maßnahmenkatalog zusammengestellt. Die Maßnahmen werden weiterhin wie folgt charakterisiert:
● Umweltrelevanz: hoch – mittel – gering
● Umsetzbarkeit: einfach – machbar – schwierig
● Einschätzung der Priorität im Unternehmen hoch – mittel – gering
Rahmenaufgabe: Lebenszyklus
Wie alle Produkte haben auch chemisch-pharmazeutische sowie biotechnologische Erzeugnisse umweltrelevante Auswirkungen: Für ihre Herstellung, Nutzung und Entsorgung/Recycling werden Ressourcen und Energie benötigt. Der gesamte Lebenszyklus dieser Produkte geht mit umweltrelevanten Wirkungen einher. Dies ist insbesondere der Fall, wenn das Produktdesign nicht explizit zirkulär angelegt wird, das heißt, das Produktdesign nicht bereits vor dem Hintergrund eines möglichst einfachen und umweltschonenden Recyclings entwickelt wird. Bei einer Lebenszyklusanalyse werden alle Prozessschritte, die ein Produkt im Laufe „seines Lebens durchlaufen, auf die Input- und Output-Flüsse der jeweils eingesetzten Materialien- und Energieträger untersucht, welche auch sämtliche Emissionen in der Umwelt umfassen. Aus diesen Daten können anschließende Folgen für die Umwelt oder Gesundheit abgeleitet werden, bspw.:
● Welcher Prozessschritt im gesamten Lebenszyklus verursacht die meisten THG-Emissionen, entweder weil CO2 direkt im Prozess entsteht oder aber aus der Energienutzung resultierendes CO2?
● Welcher Prozessschritt erzeugt die meisten Abfälle / Koppelprodukte?
● In welchem Prozessschritt werden die meisten Gefahrstoffe eingesetzt oder emittiert?
Diese Lebenszyklusanalyse kann also helfen, die wichtigsten Stellschrauben zu identifizieren, um ein Produkt nachhaltiger, also weniger umwelt- und gesundheitsschädigend zu gestalten. Das Werkzeug, das sich für die Lebenszyklusanalyse etabliert hat, ist die Ökobilanz (geregelt in ISO 14040 und ISO 14044).
Die Grundstoffindustrie versorgt die chemische Industrie sowie zahlreiche nachgelagerte Industrien und Betriebe mit Werk- und Arbeitsstoffen. Ist beispielsweise ein Gebrauchsprodukt, wie ein Einweg-Kaffeebecher, ein Farb- oder Lackerzeugnis oder ein Reinigungs- oder Hygienemittel mit Gefahrstoffen angereichert, so wurden diese vorher in der chemischen Industrie hergestellt und als Additive, Löse- oder Bindemittel etc. zugesetzt. Die Biotechnologie setzt von Farb- und Lösungsmitteln über Kunst- und Wirkstoffe viele Produkte der chemischen Industrie ein, um die eigenen Prozesse zu betreiben. Darüber hinaus werden in der Biotechnologie und zunehmend auch in der chemischen Industrie biotische Grundstoffe wie Zucker, Stärke und holzige Bestandteile eingesetzt. Auch ihre Verwendung ist mit einem ökologischen Fußabdruck verbunden (z.B. Flächenverbrauch, Flächenumwandlung). Am Ende jedes Produktes stehen in einem linearen Wirtschaftssystem zahlreiche Abfälle. Mit der Umstellung auf eine Kreislaufwirtschaft, müssen diese Abfälle recyclingfähig sein, um wieder in den Rohstoffkreislauf eingespeist werden zu können. Es ist daher wichtig, dass das Prinzip der Lebenszyklusanalyse zu verstehen, da die Ergebnisse solcher Analysen sowohl die genutzten natürlichen Ressourcen bei der Erzeugung, Verwendung und Entsorgung von Produkten sichtbar machen sondern auch die dabei in die Umwelt freigesetzten Stoffe. Diese Sichtbarkeit ermöglicht eine Sensibilisierung für die Folgen und eine Motivation für nachhaltiges Handeln.
● Zur Einführung in die Themen Lebenszyklus und Kreislaufwirtschaft kann das Video “So funktioniert eine Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe” von Fraunhofer UMSICHT angesehen werden: https://www.youtube.com/watch?v=vEjR1odTFfA (Veröffentlicht: 04.09.2019; https://www.umsicht.fraunhofer.de/de/forschungslinien/circular-plastics-economy.html)
Erfassung Lebenszyklus
● Wie verläuft der Lebenszyklus einer Petrischale?
● Welche Material- und Energieströme ergeben sich über den gesamten Lebenszyklus?
● Welche Verfahren finden Anwendung und welche Neben- und Abfallprodukte entstehen?
Mit dem englischsprachigen Online-Tool https://www.petrochemistry.eu/interactive-flowchart/ kann der Materialfluss von Petrochemikalien erforscht werden. Der Lebenszyklus einer Petrischale aus Polysterol umfasst (Beyond Benign o.J.):
1. Gewinnung der Rohstoffe
● Rohöl: Bohrungen (100-1000 m), Pumpen, Destillation, Entsalzung usw.
○ Alternative 1: Im Erdgas enthaltene flüssige Kohlenwasserstoffe (Natural Gas Liquids, NGL): Hydraulic Fracturing („Fracking“), Pumpen, Verdichtung, Pipeline Transport usw.
○ Alternative 2: Benzol aus der Pyrolyse nachwachsender Rohstoffe
● Wasser / Dampf: Wasseraufbereitung, Heizen, Pumpen
2. Herstellung (konventionelles Verfahren)
○ Rohöl → Naphtha / Pyrolysebenzin → Benzol → Ethylbenzol → Styrol → Polystyrol
○ (Englisch: Crude Oil → Naphtha/Pygas → Benzene → Ethyl Benzene → Styrene → Polystyrene)
3. Nutzung
○ Verpackung für Transport
○ Transporte von der Produktionsstätte zum Labor
4. Lebensende
○ Thermisches Recycling (In 2021 wurden 51 % der Kunststoffabfälle verbrannt; DLF 2023)
○ Alternativen: mechanisches oder chemisches Recycling
Das Ergebnis der (Gruppen-)Aufgabe kann eine Grafik sein, die den Fluss und die Prozesse (thermisches Cracken, Destillation, katalytische Dehydrierung, Vakuum, Abtrennung) von der Erdölquelle bis zum fertigen Polymermaterial darstellt. Berücksichtigt werden sollten ebenfalls typische thermische Formgebungsverfahren des Polystyrols zu Halbzeugen, bzw. im Fall der Petrischale zu Endprodukten. Zu den Formgebungsverfahren, die üblicherweise bei Temperaturen zwischen +170 und +280 °C ablaufen, gehören Spritzgießen, Extrudieren, Blasformen oder Kalandrieren. Außerdem sollten die Verpackungsmaterialien berücksichtigt werden.
● Mit Hilfe von Internetrecherche (bspw. über Wikipedia und/oder https://www.chemie.de/) können Prozesse nachrecherchiert werden, wenn diese nicht bereits innerhalb der Ausbildungsordnung vermittelt werden.
Anhand der Lebenszyklus Grafik kann mit Blick auf die Prozesse diskutiert werden, was neben den jeweiligen Rohstoffen/Edukten noch zu berücksichtigen ist:
● Geforderte Prozessparameter: Temperaturen, Drücke, Katalysatoren etc.
● Energieverbrauch bei der Verarbeitung (für Heizung, Kühlung, Cracken usw.)
● Energieverbrauch für Transporte
● Verpackungsmaterialien
● Anwendungen und/oder Gefährdungspotenziale von Zwischen- und Koppelprodukten
Material- und Energiebedarfs sowie THG-Emissionen des jährlichen Petrischalen Bedarfs im Betrieb
Nach (Beyond Benign o.J.) bedarf die Herstellung einer 16 g schweren Polystyrol-Petrischale rund 1.600 kJ = 0,4 kWh an Energie (kumulierter Energiebedarf beginnend mit der Erdölförderung), für die Transporte kommen rund 160 kJ = 0,04 kWh dazu. Die thermische Energie, die durch Verbrennung zurückgewonnen werden kann, kann ebenfalls mit rund 160 kJ = 0,04 kWh geschätzt werden.
● Welche Masse an Polystyrol (PS) wird jährlich im Betrieb in Form von PS-Petrischalen und PS-Zellkulturflaschen verbraucht?
● Wie viel Energie wird für die Produktion der jährlich im Betrieb genutzten PS-Petrischalen und PS-Zellkulturflaschen verbraucht?
● Welche weiteren Produkte aus Polystyrol werden im Arbeitsalltag verwendet?
● Im Jahr 2021 verursachte die Produktion einer Kilowattstunde Strom 428 g CO2-Äquivalente (Deutscher Strommix; UBA 2022). Wie viele CO2-Äquivalente resultieren aus dem jährlichen Polystyrol Verbrauch im Betrieb?
Zielkonflikte und Widersprüche
Beim Ansteuern von Nachhaltigkeit sind Zielkonflikte und Widersprüche nichts Ungewöhnliches. Klassisch ist der Zielkonflikt zwischen Ökonomie und Ökologie. Ökologische und umweltschonende Produktionsverfahren sind teurer als “herkömmliche”, da diese alle technischen, biologischen und chemischen Verfahren zur Effizienzsteigerung nutzen. Höhere Kosten bedingen höhere Menüpreise. Höhere Menüpreise schrecken kostenbewusste Verbraucher ab. Der Umsatz kann sinken und der Betrieb wird gefährdet. Unternehmen versuchen dies durch mehr “Effizienz” zu kompensieren, aber diese “Effizienz” führt nicht unbedingt zu mehr „Nachhaltigkeit“, wie im Folgenden erläutert wird.
Die Effizienzfalle und Widersprüche
Effizienz beschreibt unter anderem Wirtschaftlichkeit. Wenn so wenig wie möglich von einer notwendigen Ressource verwendet wird, so gilt dies als effizient. So könnte man meinen, dass Effizienzsteigerungen im Unternehmensalltag folglich auch zu einem nachhaltigen Wirtschaften führen. Weniger Abfall oder Energieaufwand bedeutet gleichzeitig weniger Umweltbelastung und längere Verfügbarkeit von endlichen Ressourcen – oder? Nicht unbedingt!
Das Missverständnis hinter dieser Annahme soll anhand eines Beispiels aufgedeckt werden. Seit 1990 hat sich der deutsche Luftverkehr mehr als verdreifacht. Mit Hilfe technischer Innovationen, besserer Raumnutzung und weiterer Maßnahmen konnte der durchschnittliche Kerosinverbrauch pro Person seitdem um 42 Prozent gesenkt werden – eine gute Entwicklung auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick ist jedoch auch zu erkennen, dass das Verkehrsaufkommen im gleichen Zeitraum stark zugenommen hat. Daraus folgt, dass trotz starker Effizienzsteigerungen absolut betrachtet immer mehr Kerosin verbraucht wird – nämlich 85 Prozent mehr seit 1990.
Wissenschaftler sprechen daher auch von einer „Effizienzfalle“. Denn obwohl sich mit Effizienzsteigerung eine relative Umweltentlastung erzeugen lässt, bleibt die Herausforderung des absoluten Produktionswachstums weiterhin bestehen. So ist das effiziente Handeln aus der ökonomischen Perspektive zwar zielführend, aus der ökologischen Perspektive jedoch fraglich. Es lässt sich schlussfolgern, dass Effizienzstreben und Nachhaltigkeitsorientierung zwei eigenständige Rationalitäten darstellen, die von Unternehmen beide gleichermaßen beachtet werden sollten, um zukunftsfähig zu wirtschaften. Eine langfristig erfolgreiche Unternehmensführung würde demnach aus den zur Verfügung stehenden Ressourcen unter Erhalt der Ressourcenbasis möglichst viele ökonomische Werte erschaffen, um somit intergenerational und intragenerational gerecht zu wirtschaften. Somit sollte sich ein zukunftsorientiertes berufliches Handeln sowohl den Herausforderungen der eher kurzfristigen Effizienzrationalität als auch der langfristigen Nachhaltigkeitsrationalität stellen und beide Perspektiven verknüpfen.
Im Rahmen des beruflichen Handelns entstehen jedoch Widersprüche zwischen der Effizienzrationalität („Funktionalität“, „ökonomische Effizienz“ und „Gesetzeskonformität“) und der Nachhaltigkeitsrationalität („ökologische Effizienz“, „Substanzerhaltung“ und „Verantwortung“). Ein zukunftsfähiges berufliches Handeln zeichnet sich dadurch aus, mit diesen Widersprüchen umgehen zu können.
Doch stellt sich nun die Frage, was der Umgang mit Widersprüchen für den Berufsalltag bedeutet. In diesem Zusammenhang kann von so genannten „Trade-offs“ – auch „Zielkonflikte“ oder „Kompromisse“ – gesprochen werden. Grundsätzlich geht es darum, den möglichen Widerspruch zwischen einer Idealvorstellung und dem Berufsalltag zu verstehen und eine begründete Handlungsentscheidung zu treffen. Dabei werden Entscheidungsträger häufig in Dilemma-Situationen versetzt. Im beruflichen Handeln geht es oftmals um eine Entscheidung zwischen knappen Ressourcen, wie Geld, Zeit oder Personal, für die es gilt, Lösungen zu finden.
Im Folgenden werden einige Zielkonflikte aufgezeigt.
Beispielhafte Zielkonflikte
Folgende Zielkonflikte sind innerhalb des Berufsbilds Chemielaborant/Chemielaborantin häufig zu finden, die im Rahmen eines Unterrichts- oder Ausbildungsgesprächs diskutiert werden können:
● Eine Möglichkeit, Umweltschäden zu verringern, ist die Vermeidung von umweltschädlichen Aktivitäten. Diese Strategie nennt sich Suffizienzstrategie und ist neben der Effizienz- und der Konsistenzstrategie eine bedeutsame Nachhaltigkeitsstrategie. Bei der Suffizienz geht es insbesondere um den Verzicht auf den Konsum von umweltschädlichen Produkten. Zielkonflikte ergeben sich hinsichtlich der freien Entscheidungssouveränität der Konsumentinnen und Konsumenten und einem möglicherweise wahrgenommenen Verlust an Wohlstand und Lebensqualität, wenn gewünschte und gewohnte Produkte aus dem Markt verschwinden. Suffizienz auf der Ebene der Produktion betrifft den Verzicht auf die Herstellung von Produkten mit negativen Umweltfolgen, beispielsweise Einweg Kunststoffprodukten mit einer kurzen Lebensdauer oder Lifestyleprodukte wie Beauty- und Kosmetikprodukte, die ebenfalls nach kurzer Nutzung zu Abfall werden. Hier besteht zwischen angestrebter wirtschaftlicher Prosperität und der damit verbundenen unternehmerischen Freiheit auf der einen Seite und einer erzielbaren Umweltschonung auf der anderen Seite ein Zielkonflikt.
● Eine andere Möglichkeit, Umweltschäden zu verringern, ist es, umweltschonende Aktivitäten auszuführen. Diese Strategie nennt sich Konsistenzstrategie. Die Abkehr von einer fossilen Rohstoffbasis und die Hinwendung zu einer nachwachsenden Rohstoffbasis kann Umweltschäden verringern, da nachwachsende Rohstoffe mit deutlich weniger THG-Emissionen verbunden sind. Bilanziell entstehen THG-Emissionen aus der Nutzung nachwachsender Rohstoffe nur durch den Betrieb von Maschinen und Prozessen, die zum Anbau, der Ernte und Weiterverarbeitung der nachwachsenden Rohstoffe eingesetzt werden. Wird die Energie für diese Arbeitsschritte und die Bereitstellung der Arbeitsmittel ausschließlich erneuerbar erzeugt, können nachwachsende Rohstoffe THG-neutral genutzt werden. Der Zielkonflikt hier: Nachwachsende Rohstoffe wachsen auf landwirtschaftlichen Flächen, die auch für die Erzeugung von Lebens- und Futtermitteln benötigt werden.
● Diverse Produkte der chemisch-pharmazeutischen oder biotechnologischen Industrie werden unvermeidlich in die Umwelt eingetragen während sie in verwendung sind: Biozide und Insektizide beispielsweise werden in vielen Baubereichen, wie dem Garten- und Landschaftsbau, dem Gebäude- oder Schiffsbau als Zusätze von Anstrichen eingesetzt. Um gegen Bewuchs wirken zu können, müssen Biozide und Insektizide oberflächlich präsent sein. Damit ist eine Abschwemmung funktionell unumgänglich. Biozide, Insektizide, Herbizide etc. sind immer umwelttechnisch fraglich. Sie werden mit der Berührung von Feuchtigkeit wie Regenwasser ausgewaschen und in die Umwelt und schließlich ins Grundwasser eingebracht.
● Der Umstieg auf umweltschonende Verfahren bedarf finanzieller Investitionen in bspw. neue Anlagen und ist mit Lernprozessen verbunden, welche Zeit und somit ebenfalls Geld kosten. Es ist i.d.R. wirtschaftlich sinnvoll, laufende Anlagen und Prozesse so lange weiter zu betreiben wie möglich. Ein zusätzliches Problem für eine nachhaltige Produktion stellt auch das widersprüchliche Verhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher dar, wenn es um den Kauf von ökologisch hochwertigen Produkten geht. Hier ist ein Consumer-Citizen-Gap zu beobachten (Bartel 2021). Mit diesem Begriff wird das Phänomen bezeichnet, dass Verbraucher in ihrer Rolle als Bürgerinnen und Bürger anders handeln und andere Forderungen stellen, als in ihrer Rolle als Konsumentinnen und Konsumenten. So bekunden viele Menschen in Umfragen, dass ihnen hohe ökologische Standards und der Schutz der Umwelt wichtig sind, im Konsum entscheiden sie sich aber häufig für billige Produkte, die diese Kriterien nicht erfüllen.
● Bei der Durchführung von Versuchen und Untersuchungsreihen ist ein sorgsamer und effizienter Umgang mit Ressourcen wesentlich, um notwendige Rohstoffe und fossile Energieträger zu reduzieren, um so das Klima und unsere Umwelt zu schützen. Gleichzeitig stehen die Versuchs- und Untersuchungsziele im Vordergrund, die es zu erreichen gilt. Dabei steht die Ressourceneffizienz nicht im Vordergrund, was einen grundlegenden Zielkonflikt darstellt. Eine Möglichkeit, beide Ziele zu vereinen, bietet die nachhaltige Beschaffung im Labor.
● Die Verwendung von Mehrwegprodukten an Stelle von Einwegprodukten geht mit einem höheren Arbeitsaufwand einher: Statt genutzte Einwegprodukte einfach zu entsorgen, müssen Mehrwegprodukte für die neue Verwendung gereinigt werden. Wenn die Arbeitszeit für die Reinigung mit höheren Kosten zu Buche schlägt, als Entsorgung und Neuerwerb von Einweg Waren, wird aus wirtschaftlichen Gründen oftmals auf die Nachhaltigkeit verzichtet. Dies gilt neben typischen Einwegprodukten im Labor, wie Kunststoffpipetten oder -reaktionsgefäßen auch für Substanzen, wie Lösungsmittel, die im Kreislauf geführt werden könnten.
● Bei der Entwicklung von Diagnoseverfahren und Medikamenten verläuft ein Zielkonflikt zwischen der ökologischen und der sozialen Dimension der Nachhaltigkeit: Bei seltenen Erkrankungen ist die Forschung an Diagnostika und Therapien finanziell nicht gewinnbringend. Viele tausend Menschen haben daher aufgrund der ökonomischen Zusammenhänge keinen Zugang zu effektiven Wirkstoffen, die ihr Leiden lindern könnten (DLF 2016).
● Die Gefahrenwirkungen vieler Substanzen, die in unserem Leben alltäglich geworden sind, zeigen sich oft erst im Laufe der Zeit, wenn sie bereits in die Umwelt gelangt sind. Das Vorsorgeprinzip, das eine Leitlinie der Umweltpolitik auf der deutschen, der EU- und der internationalen Ebene darstellt, leitet den Gesetzgeber an, bei unvollständigem oder unsicherem Wissen über Art, Ausmaß, Wahrscheinlichkeit sowie Kausalität von Umweltschäden und -gefahren vorbeugend zu handeln, um diese von vornherein zu vermeiden. Hersteller von chemischen, (bio-)pharmazeutischen und biotechnologischen Produkten oder auch öffentliche Kontrollinstanzen können schwerlich alle potentiellen (Langzeit-)Gefahren, die aus der Herstellung oder Anwendung ihrer Produkte folgen, vor der Inverkehrbringung ermitteln oder abschätzen. Und schon gar nicht, welche Schädigungspotenziale sich für Mensch und Umwelt ergeben, wenn verschiedene potenziell gefährliche Substanzen zusammen auf den Mensch und die Umwelt wirken. Hieraus ergibt sich also ein Dilemma zwischen dem erhofften Nutzen und dem erwartbaren Schaden.
● Einige der chemischen Industrieunternehmen, die einst in Deutschland oder der EU gegründet wurden, sind inzwischen globalen Konzernen herangewachsen, mit Niederlassungen und Absatzmärkten für ihre Produkte rund um den Globus. Innerhalb der EU wurden einige der Produkte dieser multinationalen Unternehmen bereits, beispielsweise Pestizide, wegen ihrer gesundheits- und umweltschädigenden Wirkungen verboten. In anderen Ländern sind diese Produkte noch zugelassen, auch weil diese Chemiekonzerne ihre wirtschaftliche Macht nutzen, um auf politische Entscheider Einfluss nehmen. So werden beispielsweise in Kenia und Brasilien zahlreiche Pestizid Wirkstoffe eingesetzt, die von deutschen Unternehmen hergestellt werden und wegen ihres Gefahrenpotenziale innerhalb der EU nicht mehr zugelassen sind (Böll 2022, Stelzmann 2022).