Asphaltbauer/Asphaltbauerin
Einleitung
BBNE und BNE - Ziele der Projektagentur PA-BBNE
Das Ziel der „Projektagentur Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ (PA-BBNE) ist die Entwicklung von Materialien, die die um Nachhaltigkeit erweiterte neue Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ mit Leben füllen soll. Mit „Leben zu füllen“ deshalb, weil „Nachhaltigkeit“ ein Ziel ist und wir uns den Weg suchen müssen. Wir wissen beispielsweise, dass die Energieversorgung künftig klimaneutral sein muss. Mit welchen Technologien wir dies erreichen wollen und wie unsere moderne Gesellschaft und Ökonomie diese integriert, wie diese mit Naturschutz und Sichtweisen der Gesellschaft auszugestalten sind, ist noch offen.
Um sich mit diesen Fragen zu beschäftigen, entwickelt die PA-BBNE Materialien, die von unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden:
- Zum einen widmen wir uns der beruflichen Ausbildung, denn die nachhaltige Entwicklung der nächsten Jahrzehnte wird durch die jungen Generationen bestimmt werden. Die duale berufliche Ausbildung orientiert sich spezifisch für jedes Berufsbild an den Ausbildungsordnungen (betrieblicher Teil der Ausbildung) und den Rahmenlehrplänen (schulischer Teil der Ausbildung) . Hierzu haben wir dieses Impulspapier erstellt, das die Bezüge zur wissenschaftlichen Nachhaltigkeitsdiskussion praxisnah aufzeigt.
- Zum anderen orientieren wir uns an der Agenda 2030. Die Agenda 2030 wurde im Jahr 2015 von der Weltgemeinschaft beschlossen und ist ein Fahrplan in die Zukunft (Bundesregierung o. J.). Sie umfasst die sogenannten 17 Sustainable Development Goals (SDGs), die jeweils spezifische Herausforderungen der Nachhaltigkeit benennen (vgl. Destatis). Hierzu haben wir ein Hintergrundmaterial (HGM) im Sinne der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE, vgl. BMBF o. J.) erstellt, das spezifisch für unterschiedliche Berufe ist.
Die Materialien der Projektagentur
Die neue Standardberufsbildposition gibt aber nur den Rahmen vor. Selbst in novellierten Ausbildungsordnungen in Berufen mit großer Relevanz für wichtige Themen der Nachhaltigkeit wie z. B. dem Klimaschutz werden wichtige Fähigkeiten, Kenntnissen und Fertigkeiten in den berufsprofilgebenden Berufsbildpositionen nicht genannt – obwohl die Berufe deutliche Beiträge zum Klimaschutz leisten könnten. Deshalb haben wir uns das Ziel gesetzt, Ausbildenden und Lehrkräften Hinweise im Impulspapier zusammenzustellen im Sinne einer Operationalisierung der Nachhaltigkeit für die unterschiedlichen Berufsbilder. Zur Vertiefung der stichwortartigen Operationalisierung wird jedes Impulspapier ergänzt durch eine umfassende Beschreibung derjenigen Themen, die für die berufliche Bildung wichtig sind. Dieses sogenannte Hintergrundmaterial orientiert sich im Sinne von BNE an den 17 SDGs, ist faktenorientiert und wurde nach wissenschaftlichen Kriterien erstellt. Ergänzt werden das Impulspapier und das Hintergrundmaterial durch einen Satz von Folien, die sich den Zielkonflikten widmen, da „Nachhaltigkeit das Ziel ist, für das wir den Weg gemeinsam suchen müssen“. Und dieser Weg ist nicht immer gleich für alle Branchen, Betriebe und beruflichen Handlungen, da unterschiedliche Rahmenbedingungen in den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – Ökonomie, Ökologie und Soziales – gelten können. Wir haben deshalb die folgenden Materialien entwickelt:
- BBNE-Impulspapier (IP): Betrachtung der Schnittstellen von Ausbildungsordnung, Rahmenlehrplan und den Herausforderungen der Nachhaltigkeit in Anlehnung an die SDGs der Agenda 2030. Das Impulspapier ist spezifisch für einen Ausbildungsberuf erstellt, fasst aber teilweise spezifische Ausbildungsgänge zusammen (z. B. den Fachmann und die Fachfrau zusammen mit der Fachkraft sowie die verschiedenen Fachrichtungen)
- BBNE-Hintergrundmaterial (HGM): Betrachtung der SDGs unter einer wissenschaftlichen Perspektive der Nachhaltigkeit im Hinblick auf das Tätigkeitsprofil eines Ausbildungsberufes bzw. auf eine Gruppe von Ausbildungsberufen, die ein ähnliches Tätigkeitsprofil aufweisen;
- BBNE-Foliensammlung (FS) und Handreichung (HR): Folien mit wichtigen Zielkonflikten – dargestellt mit Hilfe von Grafiken, Bildern und Smart Arts für das jeweilige Berufsbild, die Anlass zur Diskussion der spezifischen Herausforderungen der Nachhaltigkeit bieten. Das Material liegt auch als Handreichung (HR) mit der Folie und Notizen vor.
Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung
Die Standardberufsbildposition “Umweltschutz und Nachhaltigkeit”
Seit August 2021 müssen auf Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) bei einer Modernisierung von Ausbildungsordnungen die vier neuen Positionen „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“, Digitalisierte Arbeitswelt“, Organisation des Ausbildungsbetriebs, Berufsbildung, Arbeits- und Tarifrecht“ sowie „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“ aufgenommen werden (BIBB 2021). Insbesondere die letzten beiden Positionen unterscheiden sich deutlich von den alten Standardberufsbildpositionen.
Diese Positionen begründet das BIBB wie folgt (BIBB o. J.a): „Unabhängig vom anerkannten Ausbildungsberuf lassen sich Ausbildungsinhalte identifizieren, die einen grundlegenden Charakter besitzen und somit für jede qualifizierte Fachkraft ein unverzichtbares Fundament kompetenten Handelns darstellen“ (ebd.).
Die Standardberufsbildpositionen sind allerdings allgemein gehalten, damit sie für alle Berufsbilder gelten (vgl. BMBF 2022). Eine konkrete Operationalisierung erfolgt üblicherweise durch Arbeitshilfen, die für alle Berufsausbildungen, die modernisiert werden, erstellt werden. Die Materialien der PA-BBNE ergänzen diese Arbeitshilfen mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit und geben entsprechende Anregungen (vgl. BIBB o. J.b). Das Impulspapier zeigt vor allem in tabellarischen Übersichten, welche Themen der Nachhaltigkeit an die Ausbildungsberufe anschlussfähig sind.
Die neue Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ ist zentral für eine BBNE, sie umfasst die folgenden Positionen (BMBF 2022).
a) “Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
c) für den Ausbildungsbetrieb geltende Regelungen des Umweltschutzes einhalten
d) Abfälle vermeiden sowie Stoffe und Materialien einer umweltschonenden Wiederverwertung oder Entsorgung zuführen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren”
Die Schnittstellen zwischen der neuen Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit” werden in
fortlaufend aufgezeigt. Mit Ausnahme der Position c) werden in der Tabelle alle Positionen behandelt. Die Position c) wird nicht behandelt, da diese vor allem ordnungsrechtliche Maßnahmen betrifft, die zwingend zu beachten sind. Maßnahmen zur Nachhaltigkeit hingegen sind meist freiwillige Maßnahmen und können, müssen aber nicht durch das Ordnungsrecht geregelt bzw. umgesetzt werden. In der Tabelle werden die folgenden Bezüge hergestellt:
- Spalte A: Positionen der Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit”;
- Spalte B: Vorschläge für Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten, die im Sinne der nachhaltigen Entwicklung wichtig sind;
- Spalte C: Bezüge zur Nachhaltigkeit;
- Spalte D: Mögliche Aufgabenstellungen für die Ausbildung im Sinne der Position 3e) „Vorschläge für nachhaltiges Handeln entwickeln“;
- Spalte E: Zuordnung zu einem oder mehreren SDGs (Verweis auf das Hintergrundmaterial).
Bildung für nachhaltige Entwicklung
Die Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE ) meint eine Bildung, die Menschen zu zukunftsfähigem Denken und Handeln befähigt. Sie ermöglicht jedem Einzelnen, die Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Welt zu verstehen (BMBF o. J.). BBNE ist somit nur ein Teil von BNE, der an alle Bürger*innen adressiert ist. Eine Entwicklung ist dann nachhaltig, wenn Menschen weltweit, gegenwärtig und in Zukunft würdig leben und ihre Bedürfnisse und Talente unter Berücksichtigung planetarer Grenzen entfalten können. … BNE ermöglicht es allen Menschen, die Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Welt zu verstehen und verantwortungsvolle, nachhaltige Entscheidungen zu treffen. (ebd.).
Grundlage für BNE ist heutzutage die Agenda 2030 mit ihren 17 SDG Sustainable Development Goals. Die 17 Ziele bilden den Kern der Agenda und fassen zusammen, in welchen Bereichen nachhaltige Entwicklung gestärkt und verankert werden muss (ebd.). Die Materialien der Projektagentur sollen Lehrkräften an Berufsschulen und Ausbildende dabei helfen, die Ideen der SDG in die Bildungspraxis einzubringen. Sie sind somit ein wichtiges Element insbesondere für das Ziel 4 “Hochwertige Bildung”: “Bis 2030 sicherstellen, dass alle Lernenden die notwendigen Kenntnisse und Qualifikationen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung erwerben, unter anderem durch Bildung für nachhaltige Entwicklung und nachhaltige Lebensweisen, …” (ebd.).
Während die Grundlage in den Impulspapieren die Ausbildungsordnungen und die Rahmenlehrpläne der beruflichen Bildung waren, die mit den SDG vernetzt wurden, geht das Hintergrundpapier den umgekehrten Weg: Wir betrachten die SDG im Hinblick auf ihre Bedeutung für die berufliche Bildung.
Ausbildungsverträge
Für den Berichtszeitraum 2021 gab es im Ausbildungsberuf Straßenbauer und Straßenbauerin insgesamt 1.255 Ausbildungsverträge. Für das gesamte Bau- und Ausbaugewerbe entspricht dies einem Anteil von 4,7 Prozent. Gegenüber dem Vorjahr hat die Anzahl der Ausbildungsverträge damit um 4,7 Prozent zugenommen. Von den Auszubildenden im Straßenbau waren 1.241 männliche und 14 weibliche Personen (ZDH 2021).
Folgende Abkürzungen werden in diesem Dokument verwendet:
AO: Ausbildungsordnung
BNE: Bildung für nachhaltige Entwicklung
BBNE: Berufliche Bildung für nachhaltige Entwicklung
CO2-Äq: Kohlendioxid-Äquivalente
CRF: Common reporting format (Systematik der Emissionsquellen)
EBS: Ersatzbrennstoff
FS foliensammlung mit Beispielen für Zielkonflikte
Gew.-Prozent: Gewichtsprozente
HGM: Hintergrundmaterial (wissenschaftliches Begleitmaterial)
IP: Impulspapier (didaktisches Begleitmaterial)
kg: Kilogramm
kWh: Kilowatt pro Stunde
l: Liter
Mg: Megagramm (Tonnen)
N2O: Distickstoffmonoxid, Lachgas
NH3: Ammoniak
NOX: Stickoxid
NMVOC : Flüchtige organische Verbindungen ohne Methan
PM2,5: Feinstaub Particulate matter mit einem aerodynamischen Durchmesser kleiner als 2,5 Mikrometer
PM10: Feinstaub mit einem aerodynamischen Durchmesser kleiner als 10 Mikrometer
RLP: Rahmenlehrplan
SBBP: Standardberufsbildposition
SDG: Sustainable Development Goals
THG: Treibhausgase bzw. CO2-Äquivalente (CO2-Äq)
TJ: Terrajoule
TSP: Schwebstaub umfasst alle luftgetragenen Partikel.
WLTP: Worldwide Harmonized Light Duty Test Procedure
Glossar
Folgende Abkürzungen werden in diesem Dokument verwendet:
Abkürzung | Bezeichnung |
AO | Ausbildungsordnung |
BMUV | Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit |
Care | Segment der AHV, hier: Krankenhäuser, Pflegeheime |
CO2-Äq | Kohlendioxid-Äquivalente |
FS | Foliensammlung |
HGM | Hintergrundmaterial (wissenschaftliches Begleitmaterial) |
IP | Impulspapier (didaktisches Begleitmaterial) |
KI | Künstliche Intelligenz |
ÖPNV | Öffentlicher Personennahverkehr |
RLP | Rahmenlehrplan |
SBBP | Standardberufsbildposition |
SDG | Sustainable Development Goals |
THG | Treibhausgase bzw. CO2-Äquivalente (CO2-Äq) |
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (2021): Vier sind die Zukunft. Online: www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/show/17281
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (o. J.a): FAQ zu den modernisierten Standardberufsbildpositionen. Online: https://www.bibb.de/de/137874.php
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (o. J.b): Ausbildung gestalten. Online: BIBB / Reihen / Ausbildung gestalten
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: https://www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (o. J.): Was ist BNE? Online: https://www.bne-portal.de/bne/de/einstieg/was-ist-bne/was-ist-bne.html
Bundesregierung (o. J.): Globale Nachhaltigkeitsstrategie – Nachhaltigkeitsziele verständlich erklärt. Online: www.bundesregierung.de/breg-de/themen/nachhaltigkeitspolitik/nachhaltigkeitsziele-verstaendlich-erklaert-232174
Destatis Statistisches Bundesamt (2022): Indikatoren der UN-Nachhaltigkeitsziele. Online: http://sdg-indikatoren.de/
ZDH 2021 Zentralverband des deutschen Handwerks (2021): Neuverträge nach schulischer Vorbildung und Berufen. Zentralverband des Deutschen Handwerks e. V. (ZDH) Berlin. Online: https://www.zdh-statistik.de/application/stat_det.php?LID=1&ID=MDUwODU=&cID=00861
Quellenverzeichnis
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (2021): Vier sind die Zukunft. Online: www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/show/17281
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (o. J.a): FAQ zu den modernisierten Standardberufsbildpositionen. Online: https://www.bibb.de/de/137874.php
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (o. J.b): Ausbildung gestalten. Online: BIBB / Reihen / Ausbildung gestalten
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: https://www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (o. J.): Was ist BNE? Online: https://www.bne-portal.de/bne/de/einstieg/was-ist-bne/was-ist-bne.html
Bundesregierung (o. J.): Globale Nachhaltigkeitsstrategie – Nachhaltigkeitsziele verständlich erklärt. Online: www.bundesregierung.de/breg-de/themen/nachhaltigkeitspolitik/nachhaltigkeitsziele-verstaendlich-erklaert-232174
Destatis Statistisches Bundesamt (2022): Indikatoren der UN-Nachhaltigkeitsziele. Online: http://sdg-indikatoren.de/
SDG 3 Gesundheit und Wohlergehen
“Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern”
SDG 3 zielt auf die Gewährleistung eines gesunden Lebens für alle Menschen und die Förderung des Wohlbefindens in jedem Alter. Dies ist für eine nachhaltige Entwicklung von wesentlicher Bedeutung. Neben SDG 3 gibt es jedoch weitere Nachhaltigkeitsziele, deren Fortschritte das gesamte Gesundheitsergebnis maßgeblich verbessern. Daher kann von „gesundheitsbezogenen Nachhaltigkeitszielen“ gesprochen werden. So unterstützen beispielsweise Bildung (SDG 4) und die Gleichstellung der Geschlechter (SDG 5) eine verbesserte sexuelle und reproduktive Gesundheit, sauberes Wasser (SDG 6) reduziert Durchfallerkrankungen und saubere Energie (SDG 7) wiederum fördert die Gesundheit der Atemwege. Gesundheitliche Aspekte im beruflichen Alltag berühren insbesondere das SDG 8 Menschenwürdige Arbeit. Insbesondere das dortige Unterziel 8.8 “Arbeitsrechte schützen und sichere Arbeitsumgebungen für alle Arbeitnehmer einschließlich […] der Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen, fördern” steht in einem direkten Zusammenhang mit gesundheitlichen Risiken im Beruf.
Für die Bauberufe ist jedoch in besonderem Maße zu unterscheiden zwischen den gesundheitlichen Risiken, die während der beruflichen Herstellung von Bauwerken auftreten und denjenigen, welche erst nach der Fertigstellung während der Nutzung der hergestellten Bauwerke auftreten. Da es sich bei dem Straßenbau um relativ langlebige Bauwerke handelt, werden die gesundheitlichen Risiken durch den Straßenbau dem SDG 3 zugeordnet. Gleichwohl finden sich sehr wohl auch Anmerkungen zu gesundheitlichen Risiken während der beruflichen Herstellung von Bauwerken wie Straßen.
Für den Straßenbau von besonderer Relevanz ist das Unterziel:
SDG 3.9: “Bis 2030 die Zahl der Todesfälle und Erkrankungen aufgrund gefährlicher Chemikalien und der Verschmutzung und Verunreinigung von Luft, Wasser und Boden erheblich verringern”
Die Schnittmenge für das SDG 3 ergibt sich aus den Nummern a und b der Standardberufsbildposition (BIBB 2020):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
Das vorliegende Kapitel umreißt zunächst die besonderen gesundheitlichen Risiken des Baugewerbes mit besonderer Berücksichtigung der im Straßenbau ausgeprägten Nutzung von Dieselmotoren. Im weiteren wird näher auf die Bauchemie eingegangen und schließlich die damit verknüpften rechtlichen Rahmenbedingungen für den Einsatz chemischer Stoffe skizziert.
Gesundheitliche Risiken im Strassenbau
Mit Blick auf Arbeitsunfälle sind berufliche Tätigkeiten im Baugewerbe mit erheblichen gesundheitlichen Risiken verbunden. Besondere gesundheitliche Risiken im Baugewerbe ergeben sich durch den Einsatz von Maschinen und Fahrzeugen.
Im Jahr 2020 ereigneten sich ca. 18 Prozent aller meldepflichtigen und 41 Prozent aller tödlichen Arbeitsunfälle im Baugewerbe. Ortsfeste oder veränderliche Maschinen sowie Förder-, Transport- und Lagereinrichtungen sind für ca. 17 Prozent aller meldepflichtigen Arbeitsunfälle und sogar für ca. 22 Prozent aller tödlichen Arbeitsunfälle verantwortlich (DGUV 2021).
Bezüglich berufsbedingter Erkrankungen ist das Baugewerbe maßgeblich für die meisten jährlichen Fälle von berufsbedingten Krebserkrankungen verantwortlich, von denen wiederum ca. 10 Prozent direkt auf die Abgase von Dieselmotoren zurückzuführen sind. Arbeitsbedingte Krebserkrankungen sind Schätzungen zufolge die Ursache für ca. die Hälfte aller arbeitsbedingten Todesfälle in der EU (OSHA 2022). Die Beseitigung giftiger Abgasemissionen aus Dieselmotoren könnte die Luftqualität auf den Baustellen und in der Umgebung verbessern und damit das Arbeitsumfeld für die Bauarbeiter:innen erheblich verbessern (Wyatt 2022). Vgl. Kapitel Baumaschinen und schwere Nutzfahrzeuge zu SDG 13.
Zudem ist das Baugewerbe und insbesondere der Straßenbau aufgrund seines stark ausgeprägten Einsatzes von leistungsstarken und damit geräuschintensiven Maschinen und Fahrzeugen aber auch von Handgeräten eine Hochrisikobranche für lärmbedingte Krankheiten (Wyatt 2022).
Spezifisch für den Straßenbau ist der Einsatz bitumenhaltiger Asphalte. Diese werden üblicherweise bei Temperaturen von 120 bis 150 °C in Mischwerken hergestellt und auf Baustellen verarbeitet. Erhitzter Asphalt setzt allerdings Dämpfe und Aerosole frei, deren Toxikologie in den vergangenen Jahren zunehmend in Verruf geraten ist. Denn das enthaltene Bitumen steht in dem Verdacht krebserzeugend zu sein. Daher wurde die Expositionen von oxidierten Bitumina und deren Emissionen bei Dacharbeiten von der internationalen Krebsforschungsagentur IARC im Jahr 2013 in die Gruppe 2A der wahrscheinlich krebserzeugender Stoffe eingestuft, während „Hartbitumina“ und deren Emissionen bei Gussasphaltarbeiten sowie „Straight-Run-Bitumina“ und deren Emissionen im Straßenbau der Gruppe 3 der möglicherweise krebserzeugenen Stoffe zugeordnet wurde (ASU 2020). Vgl. auch das Kapitel “Warmasphalt” zu SDG 9.
Bauchemie
Als Bauchemie, oder auch Baustoffchemie genannt, wird allgemein die Chemie im Bauwesen verstanden. Neben der Pharmabranche ist die moderne Bauchemie der zweitgrößte Absatzmarkt der Chemieindustrie, noch vor der Elektronikindustrie.
- Ein zentrales Gebiet der Bauchemie sind die chemischen Reaktionen bei der Zementhärtung im Beton (Hydratation als Teilgebiet der Zementchemie) und der Schutz vor Baustoffkorrosion z. B. Rostschutz von Bewehrungsstahl im alkalischen Milieu des Betons
- Ein weiteres Gebiet ist der Schutz vor Schäden an Baustoffen, wenn andere Stoffe auf sie einwirken, z. B. wenn saurer Regen auf mineralische Baustoffe wie Beton, Putz oder Mörtel einwirkt.
- Weitere Anwendungen bauchemischer Produkte sind die Verhinderung der sogenannten Betonkorrosion, umgangssprachlich auch Betonkrebs genannt, in Folge einer Alkali-Kieselsäure Reaktion. Dabei reagieren die Alkalien des Zementsteins und der Gesteinskörnung der Zuschlagstoffe mit alkalilöslicher Kieselsäure und es kommt zur lokalen Auflösung des Betons mit entsprechendem Verlust der Stabilität.
- Ferner stellt die Bauchemie Chemikalien in Form von Anstrichmitteln, Dichtungsstoffen, Klebstoffen etc. zur Verfügung, mit denen Bauwerke geschützt, abgedichtet oder saniert werden können. Mit Hilfe von Epoxidharzen lassen sich beispielsweise Bauteile kraftschlüssig verbinden, mit Dichtungsmassen können Risse saniert werden.
- Weit bekannt ist auch die breite Produktpalette an Bauschäumen die in der Regel auf Polyurethan (PU) basieren und als Dichtungsmasse bei der Montage von Fenstern und Türen üblich sind. Auch stellt die Bauchemie Produkte zur Beschichtung von Bauwerken bereit, mit deren Hilfe sich z. B. schmutz- oder wasserabweisende Putzbeschichtungen herstellen lassen.
Mit Hilfe chemischer Additive und Zusatzmittel können die chemischen und physikalischen Eigenschaften von Baustoffen verändert werden. Von besonderer Relevanz sind dabei Betonzusatzmittel wie Abbindebeschleuniger, Verflüssiger, Dichtungsmittel, Luftporenbildner oder Verzögerer (Reul 1991). Betonzusatzmittel haben sowohl das Anwendungsspektrum für Beton deutlich erweitert als auch eine schnellere und sichere Verarbeitung mit einer höheren Wirtschaftlichkeit ermöglicht. Betonverflüssiger und Fließmittel sind die in der Praxis am häufigsten eingesetzte Betonzusatzmittel. Gemäß ihrer Anwendung lassen sich folgende bauchemische Produktgruppen unterschieden (DBC 2022):
- Beton- und Mörtelzusatzmittel
- Modifizierte mineralische Mörtelsysteme für Boden, Wand und Decke
- Mineralische Dichtungsschlämme
- Verguss-, Montage- und Reparaturmörtel
- Bitumendickbeschichtungen
- Produkte für Schutz und Instandsetzen von Betonbauteilen Korrosionsschutz, Haftbrücken, Feinspachtel
- Produkte für Schutz und Instandsetzen von Betonbauteilen Grundierung, Hydrophobierung, Schutzanstriche
- Bodenbeschichtungen, Rissverpressmaterialien
- Betontrennmittel und Mischerschutz
- Spritzbare Baudichtstoffe
Insgesamt hat sich der Absatz von Bauchemieprodukten im Jahr 2021 deutlich gesteigert. Besondere Steigerungsraten ggü. 2020 lassen sich bei mineralische Dichtungsschlämmen (+17 Prozent) sowie Beton- und Mörtelzusatzmitel (+5 Prozent) beobachten, während der Absatz von spritzbaren Baudichtstoffen (-4 Prozent) und von Verguß-, Montage und Reparaturmörtel (-2 Prozent) sowie von Bitumendickbeschichtungen (-2 Prozent) gesunken ist (DBC 2022).
Der nationale Herstellerumsatz im Jahr 2021 betrug alleine für die bauchemische Produktgruppe der Fliesenkleber, Fugen- und Spachtelmasse 1.049 Mio. Euro und hat damit ggü. dem Vorjahr um 7,8 Prozent zugenommen (Branchenradar 2022).
Eine zentrale bauchemische Produktgruppe sind die Betonzusatzmittel. Ihr Absatz lag für Deutschland im Jahr 2020 bei ca. 225.000 t. Der Löwenanteil entfiel mit ca. 2/3 auf Fließmittel, gefolgt von Betonverflüssiger mit ca. 17 Prozent. Verzögerer, Beschleuniger und sonstige Betonzusatzmittel schlagen dagegen lediglich im einstelligen Prozentbereich zu Buche (DBC 2022).
Durch den Einsatz von Betonzusatzmittel lassen sich auch die THG-Emissionen, insbesondere bei der Herstellung von Zement und Beton, reduzieren. Mit Hilfe von Fließmittel lassen sich Wasser, Klinker und Bindemittel einsparen und so bis zu 25 Prozent CO2 pro m3 Beton einsparen. Erhärtungsbeschleuniger ermöglichen die Steuerung von Früh- und Endfestigkeit des Betons. Eine Verkürzung der Frühfestigkeit erlaubt wiederum eine Reduktion von Klinker und Bindemittel bei Erhalt der Ausschalfestigkeit.
Stabilisierer ermöglichen die Herstellung von Beton mit extrem reduzierten Bindemittelgehalten. Mit dem eingesparten Zement lassen sich CO2-Reduktionswerte von bis zu 25 Prozent erreichen (BFT 2021). Ein hohes CO2 Reduktionspotentialen wird dem sogenannten Geopolymerbeton attestiert. Durch den vollständigen Ersatz von Zement und Klinkeranteilen durch Polyester- und Epoxidharze sowie Polyurethanen (Polymerbeton) und den Einsatz von industriellen Neben- und Abfallprodukten als Zuschlagstoffe lassen sich bis zur 70 Prozent CO2 einsparen. Als Zuschlagstoffe kommen Flugasche aus Kraftwerken, Hüttensand und Schlackensandmehl aus der Stahlindustrie sowie auch Silikatstaub oder Metakaolin aus der Glas- und Porzellanindustrie in Frage (BNB 2019, Motzet 2011)
Für Betonzusatzmittel hat die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau) ein Gefahrstoffinformationssystem (GISBAU) aufgebaut, das umfassende Gefahrstoff-Informationen zur Verfügung stellt sowie Ermittlungs-, Überwachungs- und Unterweisungspflichten gemäß Gefahrstoffverordnung enthält. Demnach werden Betonzusatzmittel in fünf Produktgruppen unterteilt. Angefangen von Produkten die kennzeichnungsfrei, über Produkte die kennzeichnungsfrei aber mit Gefahrenhinweis auszustatten sind, bis hin zu Produkten, die als reizend, ätzend oder krebserzeugend gekennzeichnet werden müssen (DBC 2016).
Typische bauchemische Stoffgruppen
Die moderne Bauchemie besteht in der Regel aus Vielkomponentensystemen mit einer Vielzahl unterschiedlicher Strukturen von nicht genau einzuschätzenden Stoffen der modernen Chemie. Diese Stoffe sind die überwiegend organisch-chemischer Art und insbesondere in der Summe und Verbindungen untereinander kritisch zu bewerten. Die folgende Übersicht ist exemplarisch und stellt entlang bauchemischer Funktionen typische Stoffgruppen mit ihren Einsatzgebieten sowie deren Schadwirkungen dar (Quantz2014).
Weichmacher
Weichmacher werden in Kunststoffen eingesetzt, um aus relativ harten und spröden Kunststoffen weiche, form- und fließfähige, besser handhabbare und beständigere Kunststoffe zu machen. Der Anteil von Weichmachern liegt zwischen 10 und 60 Prozent. Stoffe mit Schadstoffwirkung in Weichmachern sind z. B. Phthalsäureester, Di-2-(ethylhexyl)-phthalat(DEHP), Di-n-Butylphthalat(DBP), Butylbenzylphthalat(BBP), Diethylphthlat, Phosphorsäureester, Adipinsäureester, Copolimerisate. DEHP findet sich im Baubereich in Weich-PVC von Fußböden, Latexfarben, Isolierungen, Kabelkanälen und Rohren. Toxikologisch bewirkt DEHP Störungen des Immunsystems, zentralnervöse Störungen, Störungen der männlichen Fruchtbarkeit und ist krebserzeugend gemäß Kategorie 4 (DFG).
Flammschutzmittel
Flammschutzmittel werden in brennbaren Baustoffen eingesetzt, um bei Bränden deren Entzündung zu verhindern oder zu verzögern. Im Baubereich finden sie sich in Textilien, Teppichen, Parkett- und Laminatbeschichtung, Kunststoffen, Holzwerkstoffen, Klebern und Anstrichen, elektrischen Geräte sowie in Montage- und PU-Schaum. In Flammschutzmitteln enthaltene Schadstoffe sind: Chlorierte Naphthaline, Paraffine und Phosphorsäureester, Polybromierte Biphenyle (PBP), Hexabromcyclododecan (HBCD), Hexabromdiphenylether (DECA), Butylbenzylphthalat (BBP), Aluminiumoxidhydrate und Ammoniumphosphate. Insbesondere in HFKW freien Schäume finden sich bis zu 35 Prozent Flammschutzmittel. Chlorierte Phosphorsäureester sind nervenschädigend, haut- und augenreizend, krebserzeugend (Nierentumore) gemäß Kategorie 2-4 (MAK) und reichern sich in Organen und Gonaden an.
Stabilisatoren
Stabilisatoren werden metastabilen Stoffen zugesetzt, um deren ungeregelte Zersetzung durch Sauerstoff, UV-Strahlung oder Temperatur zu verhindern oder zu verzögern. Im Baubereich finden sie sich in Kunststoffe (v.a. PVC), Klebern, Anstrichen und Montageschaum. Enthaltene Stoffe mit Schadstoffwirkung sind insbesondere: Zinnorganische Verbindungen (TBT, DBT, TBTO, TBTC), Organische Blei- und Cadmiumverbindungen (bis 2001 in der EU zugelassen), Benzotriazole, Benzophenon, Phenole, Calzium-Zink-Verbindungen und Aminverbindungen. Zinnorganische Verbindungen sind stark phytotoxisch und biozid, akut giftig bei Aufnahme, zelltoxisch und mutagen, haut- und augenreizend und schädigen das Immunsystem sowie die Entgiftungsorgane Nieren und Leber.
Tenside und Phasenvermittler
Tenside werden wasserbasierten Systemen zugesetzt, um die Mischung mit dem organischen Kunststoff, org. Pigmenten usw. zu stabilisieren und die Oberflächenspannung herabzusetzen. Eingesetzt werden sie entsprechend in Dispersionsfarben, Dispersionskleber, -anstrichen, -Tiefgrund. Enthaltende Stoffe mit Schadwirkungen Fettsäurenalkylester, Polyalkohole und Glykole und deren Ether und Ester, Carbonsäureester oder Ether, Carboxylate und Sulfone. Glykole, Glykolester, Glykolether wie z. B.: Ethylenglykolether, Ethylenglykolacetat, 2-Phenoxyethanol (EGMP) finden sich bis zu 10 Prozent in Wasserlacken und bis zu 40 Prozent in anderen Produkten. Sie gasen sehr langsam von Oberflächen aus und sind n aus und sind embryotoxisch, mutagen, leber-, nieren- haut- und blutschädigend, reichern sich im Körper an und schädigen die Sexualorgane.
Pestizide und Konservierungsmittel
Pestizide werden Baumaterialien und Baustoffen zugesetzt, um diese vor insektizidem Angriff oder mikrobiologischem Zerfall zu schützen. Sie finden sich in natürlichen Werkstoffen wie Wolle, Papier und Holz, in wasserbasierten Systemen wie Dispersionsfarben und -kleber. Sie können Schadstoffe wie Pyrethroide, Isothiazolone, Carbonsäureester oder Ether, Carboxylate und Formaldehyd enthalten. Pyrethoide finden sich in Teppichen und Teppichbelägen, Textilien, Tapeten und Holzschutzmitteln. Toxikologisch handelt es sich um ein Nervengift das Haut-, Atemwege und Schleimhaut reizt, Störungen des ZNS wie Schwindel und Taubheit sowie neuropsychologische Effekte hervorruft und hormonell, insektizid und biozid wirkt.
Monomere
Monomere sind die Grundbestandteile von vernetzenden chemischen Reaktionen, die bei nicht vollständig stöchiometrischer Umsetzung im Baustoff verbleiben. Zu finden sind sie in Kunststoffen (v.a. PVC), Kleber, Farben, Tiefgrund, Beschichtungen, Dichtungen und Schäumen. Enthaltene Schadstoffe sind Monochlorethen (Vinylchlorid), Phthalsäureanhydrid, Butanal, Butanol, Acrylatmonomere, höhere Aldehyde, Vinylacetat und organische Säuren wie Essig-, Butter- und Fettsäuren. Das Monomer Monochlorethen findet sich im PVC und PVA. Bei Verbrennung wird Salzsäure (Chlorwasserstoff) und Phosgen freigesetzt. Toxikologisch ist es krebserregend, potenz- und fruchtschädigend, schädigt Leber. Milz, Lunge und kann psychosomatische Depressionen auslösen. Das Monomer Phthalsäureanhydrid welches in Alkyd- und Polyesterharzen von Lacken und Kunststoffen zu finden ist reichert sich im Fettgewebe an, löst Allergien aus, reizt Haut und Schleimhaut sowie die Atemwege und wirkt MCS-sensibilisierend (Multiple Chemical Sensitivity).
REACH
Im Oktober 2020 hat die Europäische Kommission ihre „Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit – Für eine schadstofffreie Umwelt“ (EU-Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit 2020) vorgelegt. Die neue Chemikalienstrategie der Europäischen Kommission ist ein zentrales Element des „Europäischen Green Deal” mit dem bis zum Jahr 2050 eine nachhaltige, klimaneutrale Kreislaufwirtschaft in der europäischen Union erreicht erzielt werden soll. Im Zuge eines breit angelegten Aktionsplans soll europäische Chemikalienrecht überprüft und weiter verschärft werden. Im Zeitraum zwischen 2021 und 2024 sollen eine Reihe von Legislativmaßnahmen zur Verschärfung der europäischen chemikalienrechtlichen Regelungen ergriffen werden. Neben umfangreichen Änderungen der REACH-Verordnung (EG 1907/2006) und der CLP-Verordnung (EG 1272/2008) wird die neue Chemikalienstrategie auch Auswirkungen auf die anstehende Überarbeitung der Bauproduktenverordnung (EG 305/2011) haben.
Insbesondere die Regelung der europäische Chemikalienverordnung REACH (engl.: Regulation concerning the Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals) zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe sind für die Bauchemie von besonderer Relevanz, denn sie verpflichtet Unternehmen dazu, auch für Gemische Sicherheitsinformationen und Verwendungsbedingungen in Sicherheitsdatenblättern anzugeben. Die bereits im Jahr 2007 in Kraft getretene REACH- Verordnung gilt als eines der strengsten Chemikaliengesetze der Welt und beruht auf dem Grundsatz, dass Hersteller, Importeure und nachgeschaltete Anwender die Verantwortung für ihre Chemikalien übernehmen. Sie müssen sicherstellen, dass Chemikalien, die sie herstellen und in Verkehr bringen, sicher verwendet werden. Die Hersteller und Importeure von Chemikalien müssen durch eine obligatorische Registrierung Daten vorlegen und die von den Stoffen ausgehenden Risiken selbst bewerten. Zudem stärkt die REACH-Verordnung das Recht für Verbraucherinnen und Verbraucher, Informationen über Chemikalien in Produkten zu erhalten. Die Weitergabe von Daten innerhalb der Lieferkette ist geregelt und die Substitution besonders besorgniserregender Stoffe wird gefördert. Das Zulassungsverfahren schafft eine weitere Möglichkeit, Chemikalien zu regulieren (UBA o. J.c).
Kernstück der REACH-Verordnung ist die Registrierungspflicht für alle Stoffe, die als solche, in Gemischen oder in Erzeugnissen in Mengen von mehr als einer Tonne pro Jahr von einem Unternehmen hergestellt oder importiert werden. Stoffe dürfen nur dann in der Europäischen Union in den Verkehr gebracht werden, wenn sie bei der Europäischen Chemikalienagentur ECHA registriert wurden. Ein Stoff, der von einem Hersteller oder Importeur nicht registriert wurde, darf nicht hergestellt oder eingeführt werden. Soll ein registrierter Stoff in der EU in den Verkehr gebracht werden, sind für gefährliche Stoffe und Gemische sowie für persistente, bioakkumulierbare und toxische (PBT) Stoffe Sicherheitsdatenblätter zu erstellen. Außerdem sind sie zu erstellen für Stoffe, die auf der sogenannten Kandidatenliste stehen, sowie für Gemische, die selbst nicht als gefährlich eingestuft sind, aber einen gefährlichen Stoff in Konzentrationen oberhalb bestimmter Grenzwerte enthalten. Bei der Kandidatenliste handelt es sich um eine Auflistung besonders besorgniserregender Substanzen. Sie umfasst 224 Stoffe/Stoffgruppen, welcher nach der REACH-Verordnung als Stoff mit besonders gefährlichen Eigenschaften (sog. SVHC Stoffe -Substances of Very High Concern) identifiziert worden ist und schwerwiegende Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen oder auf die Umwelt haben kann. Die vollständige Liste ist auf der Internetseite der ECHA zu finden. Für SVHC-Stoffe gilt ein spezielles Genehmigungsverfahren. Sie sind zulassungsbeschränkt und dürfen nur noch mit Zulassung verwendet werden. Außerdem gelten für sie unmittelbare Informationspflichten innerhalb der Lieferkette. Darüber hinaus sind im Anhang XVII der REACH-Verordnung 65 Stoffe zu finden, von denen ein unangemessenes Risiko für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt ausgeht. Für diese Stoffe gibt es konkrete Verbote bzw. Beschränkungen bzgl. Herstellung, Inverkehrbringen und Verwendung. Beschränkungen gelten z. B. für Cadmium in Kunststoffen und Schmuck (Ziffer 23) und PAK (Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe) in Verbraucherprodukten (Ziffer 50).
In der REACH-Verordnung ist auch festgelegt, welche Angaben Sicherheitsdatenblätter enthalten und welche Anforderungen sie erfüllen müssen. Alle Sicherheitsdatenblätter müssen z. B. Angaben zur Kennzeichnung nach der CLP-Verordnung (EG 1272/2008) enthalten. Darüber hinaus enthält das Sicherheitsdatenblatt alle notwendigen Informationen bzgl. Gesundheitsrisiko, Umweltgefahr, Arbeitsschutz und Transport des Stoffes.
Verantwortlich dafür, dass das Sicherheitsdatenblatt aktuell, fachlich richtig und vollständig ist, ist der Inverkehrbringer des Produkts. Zu den Verantwortlichen, die ebenfalls ein Sicherheitsdatenblatt erstellen müssen, zählen auch diejenigen, die eine Chemikalie umfüllen oder umetikettieren. Die Lieferanten tragen die Verantwortung für den Inhalt, auch wenn sie es nicht selbst erstellt haben (mags NRW o. J.).
Mikroplastik
Der Beschränkungsvorschlag der ECHA enthält eine relativ komplexe und weitgehende Definition des Begriffes „Mikroplastik“, der viele polymerhaltige Materialien umfasst. Die vorgeschlagene Definition erfasst deshalb auch eine Reihe von Materialien, die Bestandteil bauchemischer Produkte sind. Nach Vorschlag der ECHA soll die Vermarktung von Produkten, die Mikroplastik enthalten, verboten werden sofern das enthaltene Mikroplastik bei bestimmungsgemäßer Anwendung in die Umwelt freigesetzt wird. Ausnahmen gelten für Produkte, die zwar in Lieferform Mikroplastik enthalten, das allerdings: entweder während der Verwendung dauerhaft in eine „Nicht-Mikroplastik-Form“ umgewandelt oder während der Verwendung dauerhaft in eine feste Matrix eingebunden wird. Produkte, auf die eine der beiden zuvor genannten Ausnahmen zutrifft, können weiter vertrieben und verwendet werden. Der Inverkehrbringer muss allerdings gewissen Kennzeichnungsvorschriften und einer jährlichen Meldepflicht gegenüber der ECHA nachkommen: Dabei muss der Inverkehrbringer jährlich bestimmte Daten über die Art und Menge des von ihm vertriebenen Mikroplastik-enthaltenden Produkts an die ECHA melden sowie im Sicherheitsdatenblatt und/oder auf dem Produktetikett Hinweise zur Verwendung anbringen. Mit den Hinweisen zur Verwendung soll sichergestellt werden, dass bei der Verwendung kein Mikroplastik in die Umwelt freigesetzt wird. Zu den bauchemischen Ausnahmen aufgrund dauerhafter Einbindung in einer festen Matrix zählen Polymerdispersionen als Bindemittel sowie Polymerfasern oder polymer-oberflächenbeschichteten Füllstoffen und Pigmenten in zementgebundenen Produkten (DBC 2019).
Quellenverzeichnis
ASU (2020) Eberhard Nies (2020): Dämpfe und Aerosole aus Bitumen bei der Heißverarbeitung. In: ASU- Zeitschrift für medizinische Prävention. Ausgabe 02-2020. Alfons W. Gentner Verlag. Stuttgart 2020. Online: https://www.asu-arbeitsmedizin.com/praxis/auf-gewundenen-strassen-zum-verbindlichen-arbeitsplatzgrenzwert-daempfe-und-aerosole-aus
BFT (2021) Deutsche Bauchemie e.V (2021): Zusatzmittel forcieren erhebliche CO2-Reduktion bei Beton. BFT INTERNATIONAL Ausgabe 2021-10 Bauverlag BV GmbH Güterloh 2021. Online: https://www.bft-international.com/de/artikel/bft_Zusatzmittel_forcieren_erhebliche_CO2-Reduktion_bei_Beton_3690921.html
BNB (2019) Beton und Naturstein Babelsberg: Geopolymerbeton. 13.09.2019 Potsdam. Online: https://bnb-potsdam.de/geopolymerbeton-als-beitrag-zum-klimaschutz/#:~:text=Man%20spricht%20dann%20von%20Polymerbeton,nutzbar%20gemacht%20werden%20k%C3%B6nnen.
Branchenradar.com Marktanalyse (2022): Marktentwicklung Fliesenkleber, Fugen- & Spachtelmassen total in Deutschland | Herstellerumsatz in Mio. Euro. In: Branchenradar Fliesenkleber, Fugen- und Spachtelmassen in Deutschland 2022 Branchenradar.com Marktanalyse GmbH Wien 2022. Online (Exerpt): https://www.boden-wand-decke.de/stabiles-wachstum-bei-fugenmoertel-spachtelmasse-co-266455/
DBC (2022) Deutsche Bauchemie e.V (2022): Jahresbericht 2021/2022 Frankfurt am Main Juni 2022. Online: https://deutsche-bauchemie.de/uploads/tx_ttproducts/datasheet/DBC_292-JB-D-2022.pdf
DBC (2019) Deutsche Bauchemie e.V. (2019): Informationsschrift Mikroplatik Frankfurt am Main 02.12.2019. Online: https://deutsche-bauchemie.de/uploads/tx_ttproducts/datasheet/DBC_266-IS-D-2019_02.pdf
DBC (2016) Deutsche Bauchemie e.V. (2016): 6. Sachstandsbericht Betonzusatzmittel und Umwelt 6. Ausgabe. Frankfurt am Main Dezember 2016 Online;: https://deutsche-bauchemie.de/fileadmin/sites/public/dbc/publikationen/DBC_214_SB-D-2016.pdf
DGUV (2021) DGUV-Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (Hrsg.) 2021): Statistik Arbeitsunfallgeschehen 2020. Berlin September 2021. Online: https://publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/article/4271
mags NRW (o. J.) Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (o. J.): Registrierung (REACH). Düsseldorf. Online: https://www.mags.nrw/chemikalien-reach#:~:text=Unter%20REACH%20wurden%20alle%20Stoffe,Europ%C3%A4ischen%20Chemikalienagentur%20(ECHA)%20registriert.
Motzet, Hubert Motzet (2011): Nachhaltigkeit in der Bauchemie Modetrend oder revolutionäre Veränderung? Fachgruppe Bauchemie in der GDCh AkzoNobel Bauklebstoffe. Tagung der Fachgruppe Lackchemie 26. – 28. September 2011 in Bremerhaven Online: https://www.gdch.de/fileadmin/downloads/Netzwerk_und_Strukturen/Fachgruppen/Bauchemie/Vortrag_Dr._Motzet_Sept2012.pdf
Quantz, Dieter (2014): Baustoffe von heute Schadstoffe von Morgen. SBB-Seminar 10.04.2014. SBB Sonderabfallgesellschaft Brandenburg/Berlin. Potsdam. Online: https://silo.tips/download/die-baustoffe-von-heute-schadstoffe-von-morgen
Reul, Horst (1991): Handbuch der Bauchemie. Augsburg 1991; ISBN 3-87846-143-7.
UBA-Umweltbundesamt (o. J.c) Chemikalien / REACH. Dessau-Roßlau. Online: https://www.umweltbundesamt.de/themen/chemikalien/reach-chemikalien-reach
Wyatt, David (2022): Elektrofahrzeuge im Bauwesen 2022-2042: Ausblick für die Elektrifizierung von Offroad-Baufahrzeugen; Bagger, Lader, Mobilkrane, Teleskoplader. Marktakteure, Technologielandschaft und granulare 20-Jahres-Prognosen nach Regionen; China, USA, Europa und RoW. IDTechEx Cambridge, UK 2022. Online: https://www.idtechex.com/en/research-report/electric-vehicles-in-construction-2022-2042/854
SDG 4 Hochwertige Bildung
“Inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten lebenslangen Lernens für alle fördern”
Das SDG zielt primär auf die globale Entwicklung von guten Bildungssystemen ab. Im Berufsbildungssystem ist Deutschland weltweit führend – trotz einiger Defizite wie Personalausstattung, Digitalisierung oder knappe Investitionsbudgets – viele Länder versuchen ein ähnliches Berufsbildungssystem wie in Deutschland aufzubauen. Insofern ist vor allem das Unterziel 4.7 relevant:
- Bis 2030 sicherstellen, dass alle Lernenden die notwendigen Kenntnisse und Qualifikationen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung erwerben, unter anderem durch Bildung für nachhaltige Entwicklung und nachhaltige Lebensweisen, Menschenrechte, Geschlechtergleichstellung, eine Kultur des Friedens und der Gewaltlosigkeit, Weltbürgerschaft und die Wertschätzung kultureller Vielfalt und des Beitrags der Kultur zu nachhaltiger Entwicklung
Das SDG 4 spiegelt sich in der fachlichen Unterrichtung der Stichpunkte der anderen SDG wieder, mündet aber in den Positionen e und f der neuen Standardberufsbildposition (BMBF 2022):
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
10 “Goldene Handlungsregeln” für eine BBNE
Die Nachhaltigkeitsforschung und die Bildungswissenschaften haben inzwischen umfassende Erkenntnisse gesammelt, wie eine berufliche Bildung für Nachhaltigkeit gefördert werden kann (vgl. u. a. vgl. Schütt-Sayed u.a. 2021; Kastrup u. a. 2012; Melzig u. a. 2021). Das Ergebnis sind die folgenden 10 didaktischen Handlungsregeln, die das Berufsbildungspersonal dabei unterstützen, Lehr-/Lernprozesse zielgruppengerecht und angemessen zu gestalten. Diese insgesamt 10 Handlungsregeln lassen sich in vier Schritten zuordnen.
Schritt 1 – Richtig anfangen:
Identifizierung von Anknüpfungspunkten für BBNE
1) Ansatzpunkte: Fordern Sie die Verantwortung im eigenen Wirkungsraum heraus, ohne die Berufsschüler und Berufsschülerinnen mit „Megaproblemen“ zu überfordern!
2) Anknüpfungspunkte: Die Curricula sind Grundlage der Lehr-/Lernprozesse – es kommt darauf an, sie im Sinne der Nachhaltigkeit neu zu interpretieren!
3) Operationalisierung: Nachhaltigkeit ist kein „Extra- Thema“, sondern ein integraler Bestandteil des beruflichen Handelns!
Um nachhaltigkeitsorientierte Lehr-/Lernarrangements zu entwickeln, sind zunächst Anknüpfungspunkte für Nachhaltigkeit in den betrieblichen Abläufen zu identifizieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Ausbildungsordnungen und Lehrpläne die rechtliche Grundlage der beruflichen Bildung sind. Es gilt diese im Sinne der Nachhaltigkeit zu interpretieren, sofern nicht bereits konkrete Nachhaltigkeitsbezüge enthalten sind.
Wichtig ist dabei, dass Auszubildende nicht mit den „Megaproblemen“ unserer Zeit überfordert werden, sondern zur Verantwortung im eigenen Wirkungsraum herausgefordert werden – sowohl im Betrieb als auch im Privaten. Denn Auszubildende sind selbst Konsument/-innen, die durch eine angeleitete Reflexion des eigenen Konsumverhaltens die Gelegenheit erhalten, ihre „Wirkungsmacht“ im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit in ihrer eigenen Branche zu verstehen.
Schritt 2 – Selbstwirksamkeit schaffen:
Eröffnung von Nachhaltigkeitsorientierten Perspektiven
4) Handlungsfolgen: Berufliches Handeln ist nie folgenlos: Machen Sie weitreichende und langfristige Wirkungen erkennbar!
5) Selbstwirksamkeit: Bleiben Sie nicht beim „business as usual“, sondern unterstützen Sie Schüler*innen dabei, Alternativen und Innovationen zu entdecken!
6) Zielkonflikte: Verstecken Sie Widersprüche nicht hinter vermeintlich einfachen Lösungen, sondern nutzen Sie sie als Lern- und Entwicklungschancen!!
7) Kompetenzen: Bildung für nachhaltige Entwicklung verbindet Wahrnehmen, Wissen, Werten und Wirken!
Im nächsten Schritt sind nachhaltigkeitsorientierte berufliche Perspektiven für die Auszubildenden zu eröffnen. Diese sollten an einer positiven Zukunftsvision und an Lösungen orientiert sein. Auszubildenden sind dabei die weitreichenden Wirkungen ihres Handelns vor Augen zu führen. Sie sollen verstehen können, warum ihr Handeln nicht folgenlos ist. Das bedeutet gleichzeitig, Auszubildenden die positiven Folgen eines nachhaltigen Handelns vor Augen zu führen. In diesem Zusammenhang ist die Selbstwirksamkeitserfahrung von großer Bedeutung. Sie ist eine der Voraussetzungen, um motiviert zu handeln. Auszubildende dabei zu unterstützen, Alternativen zum nicht-nachhaltigen Handeln zu erkennen und Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung zu entdecken, sollte dabei für Lehrpersonen selbstverständlich sein. Dabei ist immer die individuelle Motivation der Auszubildenden entscheidend, denn zum nachhaltigen Handeln braucht es nicht nur Wissen (Kopf), sondern auch authentisches Wollen (Herz). Wesentlich ist hierbei die Gestaltung ganzheitlicher Lernprozesse, die sowohl den kognitiven als auch den affektiven und psychomotorischen Bereich einbeziehen (vgl. Költze, S.206).
Schritt 3 – Ganzheitlichkeit:
Gestaltung transformativer Lernprozesse
8) Lebendigkeit: Ermöglichen Sie lebendiges Lernen mit kreativen und erfahrungsbasierten Methoden!
9) Beispiele: Nutzen Sie motivierende Beispiele: Sprechen Sie über Erfolgsgeschichten, positive Zukunftsvisionen und inspirierende Vorbilder!
Aber wie können Lernsituationen in der Praxis so gestaltet werden, dass sie ganzheitlich aktivierend für die Auszubildenden sind? Es sollte ein lebendiges Lernen mit Hilfe kreativer, erfahrungsbasierter Methoden ermöglicht werden. Dies ist ein grundlegender (kein neuer) didaktischer Ansatz für die Förderung einer nachhaltigkeitsorientierten Handlungskompetenz. Im Kern bedeutet dies: Lernen mit Lebensweltbezug, welches ausgerichtet ist auf individuelle Lebensentwürfe und das eigene (auch künftige) berufliche Handlungsfeld, z. B. indem Recherchen im eigenen Unternehmen zu Möglichkeiten der Energieeinsparung durchgeführt werden. Lernen soll vor diesem Hintergrund vor allem unter Berücksichtigung der Sinne stattfinden, d. h. mit Körper und Geist erfahrbar sowie sinnlich-stimulierend sein. Die Auszubildenden sollen sich dabei zudem als Teil einer gestalterischen Erfahrungsgemeinschaft erleben. Dies kann durch gemeinsame Reflexionen über das eigene Verhalten und persönliche Erfahrungen gefördert werden, beispielsweise durch die Entwicklung und Verkostung eigener Lebensmittelkreationen unter Nachhaltigkeitsaspekten. Hierfür muss unbestritten immer auch der „Raum“ zur Verfügung stehen (siehe z.B. Hantke 2018 „‘Resonanzräume des Subpolitischen‘ als wirtschaftsdidaktische Antwort auf ökonomisierte (wirtschafts-)betriebliche Lebenssituationen“). Ebenso können motivierende Beispiele helfen – wie z. B. Erfolgsgeschichten und inspirierende Vorbilder.
Schritt 4 – Lernort Betrieb:
Entwicklung nachhaltiger Lernorte
10) Lernende Organisationen: Auch Organisationen können „Nachhaltigkeit lernen“: Entwickeln Sie Ihre Institution Schritt für Schritt zum nachhaltigen Lernort!
Schließlich geht es im vierten Schritt darum, den Lernort in den Blick zu nehmen und diesen als nachhaltigen Lernort zu gestalten. Den gesamten Betrieb nachhaltig auszurichten ist u. a. deshalb entscheidend, da andernfalls die an Nachhaltigkeit orientierten Inhalte der Ausbildung wenig glaubwürdig für Auszubildende sind. Der Betrieb als Institution sollte dafür an einem gemeinschaftlichen Leitbild ausgerichtet sein, welches neben den üblichen ökonomischen auch soziale und ökologische Ziele beinhaltet. So kann BBNE überzeugend in die Organisation integriert und vom betrieblichen Ausbildungspersonal umgesetzt werden.
BBNE für Straßenbauer*innen
Die adressatengerechte Kommunikation von Vorschlägen zum nachhaltigen Handeln zielt darauf, bei zentralen Aspekten der Planung und Durchführung von Straßenbauarbeiten ein Mehr an Nachhaltigkeit zu erreichen. Im Kern lassen sich dabei zwei verschiedene Zielgruppen unterscheiden. Zum einen sind es die mit der Planung und der Durchführung des Strassenbaus beauftragen Unternehmen und deren Beschäftigte. Bei der kommunikativen Ansprache dieser Zielgruppe stehen die Verbreitung und die Anwendung von Wissen um nachhaltiges Handeln im Strassenbau im Vordergrund.
Zum anderen ist es die vom Strassenbau betroffene lokale Bevölkerung. Bei deren Ansprache steht die prozessbegleitende Kommunikation während der Planung, der Vorbereitung und der Durchführung von Straßenbauarbeiten im Vordergrund. Die kommunikativen Ziele sind dabei insbesondere die Erhöhung der Transparenz und der Akzeptanz der Bauarbeiten sowie die Minimierung der Belästigung durch eine angemessene Teilhabe und Mitgestaltung bei der Planung und der Ausführung des Straßenbaus.
Bildung ist heute jedoch mehr als nur die Vermittlung von Wissen. Wissen ist allerdings eine notwendige, wenn auch noch nicht hinreichende Voraussetzung zum nachhaltigen Handeln. Vielmehr sollte das rationale Wissen über Nachhaltigkeit idealerweise zu einer ethischen Einstellung zur Nachhaltigkeit führen und dann in ein nachhaltiges Handeln münden. Nachhaltigkeitsbewusstsein hat demzufolge drei Dimensionen: eine kognitive, eine affektive und eine aktionale. Allerdings erfolgt aus einer nachhaltigen Einstellung nicht automatisch auch ein nachhaltiges Handeln. Diese Lücke zwischen Einstellung und Handeln wird Attitude-Behaviour-Gap oder auch Value-Action-Gap genannt (vgl. Riefler et al 2010, Neumann-Rieser 2011)
Nachhaltigkeits Bildung zielt demnach auf die Kompetenzen sich Wissen anzueignen, Einstellung zu entwicklen und Handlen zu können.
Aus kommunikativer Sicht heißt Bildung aber auch Wissen, Einstellung und Handlungsaufforderung artikulieren zu können oder diesbezüglich die richtigen Fragen stellen zu können. Es ist die Kompetenz, zu erfassen, was der Adressat meint und welche Fragen virulent sind sowie auf diese Fragen sinnvolle und erklärende Antworten zu geben. Folgende Aspekte wären im (Aus)Bildungskontext zu behandeln bzw. zu diskutieren, um mögliche Antworten zu suchen:
- Die Bevölkerung verfügt über ein hohes Umweltbewusstsein, denn 65 Prozent der Deutschen halten den Umwelt- und Klimaschutz für ein sehr wichtiges Thema – trotz Corona (Belz et al 2022). Besonders der Klimaschutz bleibt während der Pandemie für 70 Prozent weiterhin genauso wichtig, für 16 Prozent ist er sogar wichtiger geworden. Gut drei Viertel der Befragten sehen ausschließlich (14 Prozent) oder vor allem (63 Prozent) menschliches Handeln als Ursache für den Klimawandel an. Eine erfolgreiche Nachhaltigkeitskommunikation sollte daher dieses bereits vorhandene Umweltbewusstsein nutzen und auf eine sinnstiftende Ansprache achten, um die intrinsischen Motivationslagen zu stärken.
- Der Zusammenhang zwischen dem Klimaschutz und dem Straßenverkehr und damit auch mit dem Straßenbau ist weitläufig bekannt. Die sogenannte Verkehrswende gehört zu den Kernbestandteilen einer umfassenden gesellschaftlichen, ökologischen und ökonomischen Transformation in Richtung Nachhaltigkeit. Sie umfasst ihrerseits eine Reihe von Ziele und Maßnahmen. Zu ihnen zählen u.a.:
- die Reduktion des motorisierten Individualverkehrs durch den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs
- die Entkarbonisierung der Mobilität durch Förderung und Verbreitung fossilfreier Antriebe wie Elektromobilität und Wasserstoffantrieb
- der verstärker Einsatz biogener Kraftstoffe wie Biodiesel
- die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene.
Die Nachhaltigkeitskommunikation im Bereich Strassenbau sollte daher die obigen Aspekte beinhalten.
- Bei der Bauausführung ist es kommunikativ von erheblicher Relevanz, mit der lokalen Bevölkerung in Kommunikation zu treten. Die Akzeptanz von Baumaßnahmen lässt sich durch eine gelungene Kommunikation erheblich erhöhen und damit auch rechtliche Schritte von betroffenen Anwohnern vermeiden, was wiederum einen kostensenkenden Effekt für die gesamte Bauausführung ausübt. Die Kommunikation der mit dem Baustellenbetrieb verbundenen Beeinträchtigungen wie Lärm, Schmutz und Baustellenverkehr, aber auch Absperrungen, verkehrliche Umleitungen und Einschränkungen sollten daher bereits bei der Planung berücksichtigt werden und während der gesamten Bauphase prozessbegleitend fortgeführt werden.
- Zur Kommunikation gehört auch das öffentlich sichtbare Erscheinungsbild der Baustelle. Dazu zählen eine klare Abgrenzung der Baustelle, eine einsichtige Verkehrsbeschilderung und das Anbringen großformatiger Informationstafeln die Auskunft über die Art und insbesondere die Dauer der Baumaßnahmen aber auch über die Bausausführenden und die auftraggebenden Stellen umfassen sollten. Mit der öffentlich sichtbaren Nennung der namentlichen Verantwortlichkeiten für die unterschiedlichen Gewerke und Bauaufgaben sowie den spezifisch zuständigen Ansprechpartnern wird der lokalen Bevölkerung die Möglichkeit der Teilhabe geboten. Dies erhöht wiederum die Akzeptanz der Baumaßnahme und der damit verbundenen Einschränkungen erheblich.
- Eine weitere kommunikative Maßnahme zur Akzeptanzerhöhung ist die öffentliche Verfolgbarkeit des Baufortschritts. Dies lässt sich bereits mit einfachen Maßnahmen wie das Einlassen oder Aussparen von Sichtfenstern im Bauzaun bewerkstelligen. Fortschrittlicher und insbesondere für größere Bauvorhaben von längerer Dauer geeignet ist eine begleitende Internetpräsenz, auf welcher der bisherige Baufortschritt und die als nächstes folgenden Schritte der Baumaßnahme eingesehen werden können. Eine fortlaufende und kontinuierliche visuelle Übertragung der Baustellentätigkeiten mittels Kameras ist dabei eine besonders geeignete Kommunikationsmaßnahme, um die Transparenz der Bautätigkeiten und damit auch ihre Akzeptanz zu erhöhen. Ein solches kommunikatives Vorgehen beugt Konflikten vor und erhöht zudem die Kooperationsbereitschaft lokaler Anspruchsgruppen.
Weiterführende Bildungs- und Unterstützungsangebote
Für alle Berufsschulen und Unternehmen sowie, deren Mitarbeiter*innen und Auszubildenden gibt es viele Möglichkeiten, sich über die in diesem Dokument gegebenen Anregungen hinaus zu informieren und in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung aktiv zu werden. Im Folgenden sind beispielhafte Beratungs- und Unterstützungsangebote aufgeführt, die motivieren und aufzeigen sollen, wie Unternehmen sich in eine nachhaltige Richtung entwickeln können. Entsprechende Beratungs- und Unterstützungsangebote gibt es auf unterschiedlichen Ebenen. So gibt es z. B.
- Unternehmensverbände wie B.A.U.M e.V., https://www.klima-allianz.de/, die sich für ein nachhaltiges Unternehmensmanagement einsetzen.
- Darüber hinaus gibt es in verschiedenen Bundesländern eigene Initiativen, die ihren Mitgliedsunternehmen Foren und Qualifizierungsangebote anbieten. Stellvertretend seien hier z. B. das Netzwerk Umweltunternehmen in Bremen https://www.umwelt-unternehmen.bremen.de/ oder die Transformationsberatung für kleine und mittlere Untrerenehmen (KMU) der Klimaschutz- und Energieagentur in Niedersachsen genannt https://www.klimaschutz-niedersachsen.de/zielgruppen/unternehmen/niedersachsen-allianz-fuer-nachhaltigkeit.php, die von einer Kooperation zwischen niedersächsischen Landesregierung, Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften und Kammern unterstützt wird.
- Auch die Handwerkskammern sowie Industrie- und Handelskammern bieten konkrete Maßnahmenkataloge für Unternehmen an, so z. B. die IHK Berlin mit konkreten Checklisten für eine Analyse des Unternehmens https://www.ihk.de/berlin/nachhaltige-wirtschaft/massnahmen/.
- Konkrete kostenpflichtige Beratungsangebote zur Begleitung von KMUs in Richtung Nachhaltigkeit gibt es z. B. von ÖKOPROFIT https://www.oekoprofit.info/ oder auch staatlich unterstützt wie in NRW mit der Transformationsberatung für KMU https://greendealnrw.de/transformationsberatung.
- Leitfäden und Broschüren helfen Unternehmen dabei, Strategien und Maßnahmen auf dem Weg hin zur Nachhaltigkeit zu entwickeln https://www.renn-netzwerk.de/fileadmin/user_upload/nord/docs/materialien/SDG_KMU_Leitfaden_Okt2018.pdf.
Die hier vorgestellten Tipps erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, mögen Sie als Leser*in jedoch anregen, sich eigenverantwortlich und im Sinne einer zukunftsfähigen Entwicklung eines Unternehmens auf den Weg zu machen. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg dabei!
Quellenverzeichnis
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
Handke, Harald (2018): „Resonanzräume des Subpolitischen“ als wirtschaftsdidaktische Antwort auf ökonomisierte (wirtschafts-)betriebliche Lebenssituationen – eine Forschungsheuristik vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeitsidee. In bwp@Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online (Nr. 35), 2018, S. 1-23.
Kastrup, Julia; Kuhlmeyer, Werner; Nölle-Krug, Marie (2022): Aus- und Weiterbildung des betrieblichen Bildungspersonals zur Verankerung einer Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. In: MICHAELIS, Christian; BERDING, Florian (Hrsg.): Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Umsetzungsbarrieren und interdisziplinäre Forschungsfragen. Bielefeld 2022, S. 173-189
Költze, Horst (1993): Lehrerbildung im Wandel. Vom technokratischen zum humanen Ausbildungskonzept. In Cohn, Ruth C.; Terfurth, Christina (Hrsg.): Lebendiges Lehren und Lernen. TZI macht Schule. Klett-Cotta. S. 192 – 212
Melzig, Christian; Kuhlmeyer, Werner; Kretschmer, Susanne (Hrsg. 2021): Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Die Modellversuche 2015–2019 auf dem Weg vom Projekt zur Struktur. Bonn 2021. Online: https://www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/show/16974
Neumann-Rieser, Birgit (2011): Barrieren für nachhaltigen Konsum – Gründe für den Value-Action Gap bei zu nachhaltigem (Lebensmittel-) Einkauf motivierten KonsumentInnen in Graz. Karl-Franzens-Universität Graz, Institut für Soziologie. Masterarbeit. Graz: September 2011. Online: https://unipub.uni-graz.at/obvugrhs/download/pdf/217374?originalFilename=true
Riefler, Petra; Wallnöfer, Laura (2019): Nachhaltiger Konsum. In: Schmid, Erwin; Pröll, Tobias (Hrsg.): Umwelt- und Bioressourcenmanagement für eine nachhaltige Zukunftsgestaltung. Berlin: Springer-Verlag. Juli 2019. Online: https://library.oapen.org/bitstream/handle/20.500.12657/23284/1/1006871.pdf#page=54
Schütt-Sayed, Sören; Casper, Marc; Vollmer, Thomas (2021): Mitgestaltung lernbar machen – Didaktik der Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. In: Melzig, Christian; Kuhlmeier, Werner; Kretschmer, Susanne (Hrsg.): Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Die Modellversuche 2015–2019 auf dem Weg vom Projekt zur Struktur. S. 200-227. Online: https://www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/show/16974
SDG 7 Bezahlbare und saubere Energie
“Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und moderner Energie für alle sichern”
Das SDG 7, beinhaltet soziale und ökologische Anforderungen an den Klimaschutz, die sich aus der Erzeugung und der Nutzung von Energie ergeben. Für den Straßenbau sind daher vor allem drei Unterziele wichtig (Destatis 2022):
SDG 7.1 “Bis 2030 den allgemeinen Zugang zu bezahlbaren, verlässlichen und modernen Energiedienstleistungen sichern.”
SDG 7.2 “Bis 2030 den Anteil erneuerbarer Energie am globalen Energiemix deutlich erhöhen.”
SDG 7.3 “Bis 2030 die weltweite Steigerungsrate der Energieeffizienz verdoppeln.”
Beim SDG 7 “Bezahlbare und saubere Energie” geht es im wesentlichen um den “allgemeinen Zugang zu bezahlbaren, verlässlichen und modernen Energiedienstleistungen” sowie darum den “Anteil erneuerbarer Energie zu erhöhen”(Destatis 2022) , da ökologische und das Klima schützende Anforderungen schon durch andere SDGs (insbesondere 13, 14 und 15) abgedeckt werden.
“Saubere Energie”, wie dies in SDG 7 genannt wird, bedeutet heute für den Klimaschutz grundsätzlich der Umstieg auf erneuerbare Energien (EE) sowie eine höhere Energieeffizienz. Weitere Probleme der Energieerzeugung mit der Nachhaltigkeit betreffen
- Umweltschutz und Arbeitsbedingungen bei der Rohstoffgewinnung
- Ökologische und Gesundheitsfolgen der Energienutzung, insbesondere bei der Verbrennung
- Flächenkonkurrenzen bei dem Anbau von Energiepflanzen (Mais, Zuckerrohr u.a.)
Die Schnittmenge für das SDG 7 ergibt sich aus den Nummern a und b der Standardberufsbildposition (BIBB 2020):
c) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
d) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
Dieses Kapitel beschreibt die Grundlagen einer nachhaltigen Energiewende. Aufgezeigt werden die verschiedenen regenerativen Energieträger und die technischen Möglichkeiten der Erzeugung regenerativer Energie, deren stationären und mobilen Einsatzmöglichkeiten sowie Hinweise zur rationellen Energieverwendung. Ferner wird auf einige für die Kreislauf- und Abfallwirtschaft relevante Aspekte zur energiebedingten Rohstoffgewinnung hingewiesen.
Die menschliche Entwicklung ist weltweit auf Energie angewiesen. Bisher wurde die Energie vor allem aus fossilen Energieträgern erzeugt, bei deren Verbrennung Treibhausgase in die Atmosphäre freigesetzt werden und dort den Klimawandel bewirken. Um weitere erhebliche Schäden des Klimawandels mit enormen Zerstörungen und Kosten in weiten Teilen der Welt entgegenzuwirken, ist die Decarbonisierung der Wirtschaft und insbesondere des Energiesystems zwingend notwendig für das Überleben auf diesem Planeten.
Insgesamt belief sich die Energieverwendung im Baugewerbe im Jahr 2018 auf ca. 200.00 TJ. Mit fast der Hälfte davon war Diesel der überwiegend eingesetzte Energieträger. Es folgen mit gut einem Viertel sonstige Mineralölprodukte. Elektrischer Strom und Gase wurden zu je 7 Prozent eingesetzt; leichtes Heizöl zu 4,8 Prozent und Ottokraftstoffe zu 2,4 Prozent. Nur ein geringer Anteil von 2,4 Prozent wird aus erneuerbaren Energien in Form von Biokraftstoffen genutzt (UBA 2022b, Hauptverband der Deutschen Bauindustrie 2022).
Erneuerbare Energien
Die einfachste Maßnahme zur Transformation des Energiesystems ist der Umstieg auf erneuerbare Energien. Die Technologien sind mehr als ausgereift und der Energiegehalt in der Sonneneinstrahlung übersteigt den menschlichen Energiebedarf um ein Vielfaches (vgl. DLR 2010). In der Praxis muss jedoch berücksichtigt werden, dass sich durch Drehung und Kugelgestalt der Erde der Einstrahlungswinkel ändert, ein Teil der Sonnenenergie durch die Erdatmosphäre abgelenkt oder absorbiert wird und die Wandlung in nutzbare Energie teilweise mit erheblichen Verlusten verbunden ist. In Deutschland schreitet der Ausbau der erneuerbaren Energieerzeugung zwar langsam aber, vor allem beim Strom, stetig voran. Allerdings fehlen bisher zwei große Nutzungsgruppen: Raum- und Prozesswärme für Wohnungen, öffentliche Gebäude, Gewerbe und Industrie sowie Treibstoffe für Fahrzeuge. Während 2021 die erneuerbare Stromerzeugung bei ca. 41 Prozent der Gesamtstromerzeugung lag, betrug die erneuerbare Wärmeerzeugung lediglich 16,5 Prozent und der Anteil an erneuerbaren Kraftstoffen knapp 7 Prozent (UBA 2022).
Wichtig sind hinsichtlich des Ziel “bezahlbarer Energie” vor allem die Kosten von Strom und Wärme. Die Stromgestehungskosten waren in 2021 wie folgt (ISE 2021, gerundet): Dachkleinanlagen 6-11 Cent/kWh, große Dachanlagen 5-10 Cent/kWh, Freiflächenanlagen 3-6 Cent/kWh. Die Stromgestehungskosten fossiler Stromerzeugung lagen in 2021 zwischen 8-13 Cent/kWh für Gas- und Dampfkraftwerke, zwischen 11-28 Cent/kWh bei Gaskraftwerken, 10-15 Cent/kWh Braunkohlekraftwerke sowie 11-20 Cent/kWh bei Steinkohlekraftwerken. Für Kernkraft, mit Rückbau und Endlagerung werden die Stromgestehungskosten auf 50 bis 100 Cent/kWh geschätzt (Siemens-Stiftung 2015). Die konkreten Stromgestehungskosten sind von einer Reihe von Faktoren abhängig. Dazu zählen der Standort (z. B. Entfernung zwischen Kraftwerk und Abbaugebiet), Größe und Alter der Anlagen, Subventionen, Wartung, Abschreibungen sowie die verbaute Erzeugungstechnologien.
Im Folgenden werden die verschiedenen Systeme der erneuerbaren Energieerzeugung und deren Herausforderungen kurz dargestellt:
- Solarenergie: Solarenergie mit Hilfe von Photovoltaik ist mit gut 21 Prozent der EE-Stromproduktion (Stromreport 2022) seit 2007 stark ausgebaut worden und damit die jüngste breit genutzte erneuerbare Stromquelle (vgl. die Graphik auf Wikimedia 2020). Ab 2013 stagnierte der Zuwachs von Solarenergie, weil die Konditionen der Einspeisung verschlechtert wurden. Insbesondere die Energiekrise im Zuge des Ukraine Krieges zeigt, dass der Ausbau jetzt stark beschleunigt werden muss.
- Solarthermie: Es stehen jährlich 1.050 KWh/m2 Solarstrahlung für die Umwandlung von Sonnenenergie in Wärme zur freien Verfügung. Hiermit lassen sich Strom sowie Wärme für Heizung und Warmwasser erzeugen. In Deutschland wird Solarthermie dennoch nur in weniger als 10 Prozent (co2online 2021) der Heizanlagen für Häuser und Wohnungen genutzt.
- Windenergie: 50 Prozent des EE-Stromes in Deutschland wurden 2021 aus Windenergie erzeugt (Stromreport 2022). Der Ausbau hat wesentlich in den Jahren von 2000 bis 2017 stattgefunden. Seitdem ist der Zuwachs geringer, weil sich lokal viele Menschen gegen Windkraftanlagen wehren. Seit Ausbruch des Ukraine-Krieges und dem damit verbundenen Gaslieferstopp Rußlands, sowie seit den deutlichen Auswirkungen der Klimakrise (Waldbrände, Flut), werden wieder höhere Ausbauziele der Windenergie genannt.
- Wärmeerzeugung: Zur Wärmeerzeugung können Bioenergie (insbesondere Festbrennstoffe wie Holz) sowie die Umgebungs- bzw. bodennahe Erdwärme eingesetzt werden. Wie bei der Stromerzeugung aus Wasserkraft gibt es für die Verbrennung von Biomasse kein Wachstumspotenzial mehr, sondern muss auf “ein naturverträgliches Maß begrenzt” werden (UBA 2021b). Im Gegensatz dazu setzt die Bundesregierung auf den Ausbau der Nutzung von Umgebungswärme, wozu auch die bodennahe Erdwärme gehört (Tagesschau 2022).
Strom
Die einfachste Maßnahme zum Umstieg auf erneuerbare Energien ist der Bezug von Ökostrom. Der Wechsel des Stromanbieters zu einem Versorger mit Ökostrom im Angebot ist mit einem geringen Aufwand verbunden und kann in wenigen Minuten vollzogen werden. Der Strom wird dabei nicht aus fossilen Energieträgern wie Kohle, Öl, Gas oder Uran erzeugt, sondern aus regernativen Energieträgern wie Sonne, Wind, Wasser oder Biomasse.
Im ersten Halbjahr 2022 lag der Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen bei ca. 52 Prozent des ins Netz eingespeisten Stroms. Da die Stromproduktion aus verschiedenen Quellen schwankend ist, zeigt erst die Jahresendbilanz, wie die Verteilung sein wird. In 2021 stammten 23 Prozent der gesamten Stromproduktion aus Windkraft, 9,8 Prozent aus der Fotovoltaik, 8,8 Prozent aus Biomasse und 4 Prozent aus Wasserkraft. Braun- und Steinkohle lieferten 20,7 Prozent des Stroms, Erdgas 10,5 Prozent und die Kernenergie gut 13,3 Prozent (Stromreport 2022).
Die Kosten pro Kilowattstunde erzeugten Strom sind je nach Anlagentyp unterschiedlich (ISE 2021). Sie liegen in etwa zwischen 3 (PV-Freiflächenanlagen) und 12 Cent (Wind Offshore). Zum Vergleich: Braunkohlekraftwerke erzeugen Strom für 10 bis 15 Cent/kWh, modernste Gaskraftwerke haben Kosten von 8 bis 13 Cent/kWh. Mit anderen Worten: Die Erneuerbaren Energien sind großtechnisch kostengünstiger als fossile Kraftwerke zumal deren Stromgestehungskosten aufgrund steigender CO2 Preise in der Zukunft noch zunehmen werden, währen die Stromgestehungskosten von regenerativ erzeugten Strom durch technologische Verbesserung z. B. beim Wirkungsgrad und aufgrund von Massenfertigung weiter sinken.
Aus heutiger Sicht ist in Deutschland der weitere Ausbau nur bei Sonnen- und Windenergie nachhaltig. Wasserkraft ist im Wesentlichen erschöpft, weitere Stauseen sollten aus Landschaftsschutzgründen nicht angelegt werden. Allerdings bedingt die Fluktuation der erneuerbaren Energieträger auch die Herausforderung, Energiespeicher zu bauen. Die kostengünstigste Möglichkeit wären Pumpspeicherkraftwerke, allerdings ist der Flächenbedarf und der Landschaftsverbrauch dafür enorm und auch die notwendigen geomorphologischen Voraussetzungen wie Höhenunterschied und Kessellage für das Speicherbecken aber auch der Zugang zu Fließgewässern sind limitiert. Inzwischen gibt es jedoch erste Ansätze, als Alternativen sehr groß dimensionierte Batteriesysteme mit einer Leistung von 100 (Australien – Power und Storage 2019) bis 200 MW Leistung (China – Erneuerbare Energie 2021) zu errichten Kapitel Speicherung.
Photovoltaik
Die Photovoltaik wandelt die Strahlungsenergie des Sonnenlichts direkt in elektrischen Strom um. Dazu werden einzelne oder mehrere Solarzellen aus elektrischen Halbleitern in Modulen eingekapselt und je nach verfügbarer Fläche und gewünschter Leistung zusammen geschaltet und mit dem Stromnetz verbunden.
Die Photovoltaik ist mit einem Anteil von gut 21 Prozent an der erneuerbaren Stromproduktion (Stromreport 2022) seit 2007 stark ausgebaut worden und damit die jüngste breit genutzte Stromquelle (vgl. die Graphik auf Wikimedia 2020). Ab 2013 stagnierte der Zuwachs von Fotovoltaik, weil die Konditionen der Einspeisung verschlechtert wurden. Der Anteil der Photovoltaik an der gesamten Stromerzeugung ist jedoch gestiegen: Lag er im 1.Quartal 2018 noch bei 3,5, betrug er im Vergleichsquartal 2021 bereits bei 4,7/ und im ersten Quartal 2022 bei 6,5 Prozent (DESTATIS 2022b). Aus heutiger Sicht ist die Photovoltaik neben der Windenergie und der Erdwärme eine der drei Technologien, die zukünftig die Energieversorgung sicherstellen muss.
Die Stromgestehungskosten liegen derzeit bei Dachkleinanlagen 6-11 Cent/kWh, große Dachanlagen 5-10 Cent/kWh und Freiflächenanlagen 3-6 Cent (ISE 2021, gerundet).. Die Stromgestehungskosten fossiler Stromerzeugung liegen aktuell zwischen 4 und 15 Cent/kWh. Diese werden jedoch, im Gegensatz zur erneuerbarer Stromerzeugung, aufgrund steigender CO2-Preise zukünftig steigen[2]. Für Braunkohle wird für das Jahr 2040 ein Stromgestehungspreis von bis über 20 Cent/kWh prognostiziert (ISE 2021). Die Kosten der PV-Technologie sinken zunehmend, denn neben den Kosten der Anlagenerrichtung ist auch der Flächenbedarf deutlich gesunken. Jetzt können auch auf kleineren Dächern nennenswerte Anlagengrößen erreicht werden. Ausnahmslos jede gut dimensionierte Eigenverbrauchsanlage lohnt sich wirtschaftlich. Das gesetzliche Förderregime, etablierte Technik und Branchenstandards sorgen dafür, dass diese Investition risikoarm ist. So können sich Unternehmen gegen hohe Strompreise absichern.
Kunden, Geschäftspartner, Mitarbeiter und auch Geschäftsführer legen zudem immer mehr Wert auf Nachhaltigkeit und darauf, einen echten Beitrag zur Energiewende zu leisten. Eine PV-Anlage ist eine einfache und effektive Maßnahme, die auch über Pressemitteilungen und die PR-Abteilung hinaus eine Wirkung entfaltet. PV-Anlagen nutzen bislang brachliegende Ressourcen und sichern durch die Erzeugung von Solarstrom ein zukünftiges Betriebseinkommen. Schon seit einiger Zeit haben sich die relevanten Rahmenbedingungen hin zu einer Stärkung der Photovoltaik entwickelt, denn durch die deutlich gesunkenen Errichtungskosten ist Photovoltaik die günstigste Energieform in beinahe jedem Markt der Welt; auch in Deutschland. Hieraus ergeben sich neue Chancen und Geschäftsmodelle für Immobilienbesitzer und Gewerbetreibende. Zudem kommt die Solardachpflicht. In einigen Bundesländern ist sie bereits geregelt – für die Bundesebene hat sie der Bundeswirtschaftsminister am 11. Januar 2022 ebenfalls angekündigt.
Technische Eignung der Dachfläche
Eigenerzeugung von Solarstrom
Da Betriebsgebäude in der Regel über große Dachflächen verfügen, besitzen sie ein hohes Potential zur Eigenerzeugung von Solarenergie. Laut der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) sind bisher lediglich 13,2 Prozent der installierten Anlagenleistung aus Erneuerbaren Energien in Besitz von Gewerbetreibenden (AEE 2021). In Frage kommen dabei sowohl thermische Solaranlagen zur Erzeugung von Warmwasser, aber auch für Prozesswärme im Niedertemperaturbereich als auch photovoltaische Anlagen zur Erzeugung von elektrischen Strom. Neben den Dachflächen können auch Fassadenflächen zur Erzeugung sowohl von thermischer als auch elektrischer Solarenergie genutzt werden.
Technische Eignung
Bei der Prüfung der technischen Eignung ist sicherzustellen, dass Statik (inklusive Schneelast) und Brandschutz einer Anlagenerrichtung nicht entgegenstehen. Zudem ist eine sog. Netzverträglichkeitsprüfung durchzuführen. Dabei prüft der zuständige Netzbetreiber, ob im lokalen Verteilnetz genug Kapazität für die avisierte PV-Anlage vorhanden ist oder ob das Verteilnetz neue Einspeiselasten nicht verträgt und zunächst ausgebaut werden muss.
Rechtliche Eignung
Die rechtliche Eignung der Dachfläche richtet sich nach dem öffentlichen Baurecht. Aufdach-PV-Anlagen sind bauliche Anlage im Sinne des Bauordnungsrechts und bedürfen daher einer Baugenehmigung. Allerdings haben fast alle Bundesländer diese Genehmigungspflicht in ihren Bauordnungen bereits abgeschafft. Relevanz kann auch das Bauplanungsrecht nach dem Baugesetzbuch haben, falls die Anlage einem Bebauungsplan z. B. hinsichtlich der Gebäudehöhe widerspricht. Neben dem Bauplanungsrecht kann auch der Denkmalschutz der Errichtung einer PV-Anlage entgegenstehen und die rechtliche Eignung der Dachfläche ausschließen.
Betriebsmodelle
Dachverpachtung und Contracting-Modelle
Die einfachste Möglichkeit, von einem geeigneten Dach zu profitieren, ist die Verpachtung der Dachfläche an Dritte. Diese sind dann an Stelle des Immobilien- eigentümers Betreiber der Anlage. Stadtwerke, Energieversorgungsunternehmen und Projektentwickler bieten bereits „schlüsselfertige“ Dachpachtlösungen an. Dabei baut der Betreiber auf seine Kosten die Anlage, bewirtschaftet sie und übernimmt das unternehmerische Risiko. Nachdem der Pachtvertrag abgelaufen ist, wird die Anlage rückgebaut und das Dach in seinen Ursprungszustand zurückgegeben. Vorteil dieser Lösung ist, dass keine Kapitalinvestitionen des Gebäudeeigentümers nötig sind. Sofern der Gebäudeeigentümer seinen Eigenverbrauch mit der PV-Anlage abdecken will, zugleich aber nicht weiter in den Anlagenbetrieb involviert werden möchte, bietet sich eine Dachverpachtung mit Contracting-Modell an. Dabei kann gegen eine monatliche Gebühr eine Eigenverbrauchslösung realisiert werden.
Eigenverbrauch mit Überschusseinspeisung
Besonders attraktiv ist die Gestaltung des Eigenverbrauchs. Hintergrund ist, dass der Strommarkt sich in einer anhaltenden Hochpreisphase mit nie dagewesenen Letztverbraucherpreisen befindet. Dies wird sich auf absehbare Zeit voraussichtlich nicht ändern. Demgegenüber sind die PV-Gestehungskosten auf einem Allzeittief und im Leistungsbereich über 30 kWp sogar niedriger als die statistischen mittleren Gewerbe- und Industriekundentarife. Die betrachteten Stromgestehungskosten aus PV-Anlagen sind teilweise sogar niedriger als die Stromgroßhandelspreise. Jede selbstverbrauchte Kilowattstunde Solarstrom verdrängt teureren Strombezug aus dem Netz. Häufig ist die Einsparung je kWh hierbei höher als die Einspeisevergütung bei einer Volleinspeisung, weshalb die Erhöhung des Eigenverbrauchsanteils die Wirtschaftlichkeit erhöht. Der Eigenverbrauch wird deshalb vom Gesetzgeber gefördert, indem bestimmte Kosten wie Netzentgelte, Konzessionsabgabe, Stromsteuer sowie die Netzumlagen ganz oder teilweise entfallen. Falls mehr Strom erzeugt als selbst verbraucht wird, kann dieser Anteil in das Netz der allgemeinen Versorgung eingespeist werden (Überschusseinspeisung). Dafür erhält der Anlagenbetreiber eine Einspeisevergütung.
Volleinspeisung
In diesem Fall ist der Dacheigentümer auch Betreiber der PV-Anlage. Der gesamte erzeugte Strom wird in das Netz der Allgemeinen Versorgung eingespeist und der Anlagenbetreiber erhält für jede eingespeiste kWh die sog. Einspeisevergütung. Allerdings sinkt diese garantierte Vergütung mit zunehmender Größe der Anlage, denn mit steigender Anlagengröße sinken die Systemkosten. Anlagen ab 100 kWp sind im Regelfall zur Direktvermarktung verpflichtet. Der erzeugte Strom wird hierbei direkt an der Strombörse verkauft und der Betreiber erhält die erzielten Erlöse abzüglich eines Vermarktungsentgelts (Sokianos et al 2022, Uhland et al 2021, ERLP 2017).
Technologien
Solarzellen aus kristallinem Silizium
Solarzellen aus kristallinem Silizium werden mit über 90 Prozent am häufigsten verbaut. Als Ausgangsmaterial für ihre Herstellung dient Siliziumdioxid (SiO2) das als Quarzsand oder Quarzkristall abgebaut wird
Aus SiO2 wird in einem mehrstufigen und sehr energieaufwendigen Verfahren hochreines polykristallines Silizium (poly-Si) mit einer Reinheit von 99, 99999 Prozent hergestellt. Die Herstellung erfolgt in einem Lichtbogenofen bei Temperaturen von etwa 2.000 °C. Entsprechend ist die Errichtung von Anlagen zur Herstellung von hochreinem Solarsilizium besonders kapitalintensiv. In Blöcke gegossen dient das Solarsilizium als Ausgangsmaterial für poly-Si-Solarzellen. Aus eingeschmolzenen poly-Si können in einem weiteren Schritt Silizium-Einkristalle (mono-Si) gezogen werden. Die gewonnenen poly-Si-Blöcke oder mono-Si-Blöcke (Si-Einkristalle) werden in etwa 0,2 mm dicke Scheiben («Wafer») gesägt und in einer Abfolge von mehreren Prozessschritten zu Solarzellen weiterverarbeitet. Häberle (2010). Solarmodule aus monokristallinem bzw. polykristallinem Silizium haben als bereits lange bewährte Technologie die höchsten Marktanteile. Ihre Vorteile sind die hohen Wirkungsgrade und die gute Verfügbarkeit des Ausgangsmaterials. Nachteilig ist ihr hohes Gewicht und Einschränkungen hinsichtlich der Modulgeometrie.
Dünnschicht-Solarmodule
Der Herstellungsprozess der Dünnschicht-Solarmodule unterscheidet sich grundsätzlich von dem der Solarmodule aus kristallinem Silizium. Zwar bestehen die Solarzellen ebenfalls aus elektrischen Kontakten und einem absorbierenden Material, in dem im Zusammenspiel mit weiteren Schichten auch die Trennung der Ladungsträger stattfindet. Diese Schichtstapel werden aber direkt aus einem Trägermaterial hergestellt. Die Dicke der Schichtstapel liegt in der Regel unter 5 µm, wobei die -lichtabsorbierende Schicht nur 1-3 µm einnimmt, also etwa hundertmal weniger als bei den Solarzellen aus kristallinem Silizium. Damit sinkt nicht nur der Materialaufwand deutlich, sondern auch die für die Herstellung benötigte Energie. Dadurch lassen sich auch Dünnschichtmodule deutlich einfacher und kostengünstiger produzieren als ein übliches kristallines Photovoltaikmodul
Als Trägermaterial können, je nach Technologie, Glas, Metall- oder Kunststofffolien eingesetzt werden. Werden flexible Trägermaterialien verwendet, lassen sich schnelle Rolle-zu-Rolle-Verfahren für die Herstellung der Schichten in der Fertigung nutzen. Als Schichtmaterialien kommen insbesondere Halbleitermaterialien wie Galiumarsenid (GaAs), Cadmiumtellurid (CdTe) oder Kupfer-Indium-Gallium-Diselenid (CIGS) zum Einsatz. Vorteile der Dünnschichtzellen sind ihr geringes Gewicht, ihre guten Erträge bei diffusem und schlechtem sowie die schnelle energetische Amortisation aufgrund des geringen Energieeinsatzes bei ihrer Herstellung. Ein weiterer Vorteil ist ihre Flexibilität, welche bei entsprechenden Substraten flexible sowie weitgehend beliebige Modulformen erlauben, was sie besonders für die Fassadenintegration geeignet macht. Nachteilig ist der im Vergleich zu kristallinen Zellen geringere Wirkungsgrad, der wiederum einen erhöhten Flächenbedarf bedingt. Zudem ist der alterungsbedingte Leistungsabfall höher. Nachteilig sind ferner die teilweise nur begrenzten Rohstoffe wie z. B. Indium sowie die eingeschränkte Recyclierbarkeit des Schichtmaterials.
Weitere Technologien mit hohem Potenzial
Andere Technologien, die auf dem PV-Markt noch nicht messbar sind, aber ein hohes Potenzial haben, sind Farbstoffsolarzellen (auch Grätzel-Solarzellen genannt), organische Solarzellen, Hybridkollektoren und hocheffiziente Solarzellen in Kombination mit einer Optik, die das Sonnenlicht auf die Solarzellen bündelt (Konzentrator-Solarzellen).
Anlagenarten
Hauptsächlich gibt es zwei Arten für Photovoltaikanlagen:
- Aufdachmontage
- Bodenmontage (Freiflächenmontage)
Als dritte Art kann die gebäudeintegrierte Photovoltaik aufgefasst werden, bei der die Module direkt in ein Gebäude z. B. als Fassade integriert sind.
Aufdach Anlagen
Aufdach-Photovoltaikanlagen sind eine weit verbreitete Möglichkeit für Eigenheime, Unternehmen und öffentliche Gebäude ihren eigenen Strom zu erzeugen. Inzwischen sind PV-Anlagen nicht nur weit verbreitet, sondern auch zu einer Art Symbol für grüne Energie, zukunftsorientiertes Denken und Energiebewusstsein geworden. Nicht zuletzt steigert eine Photovoltaikanlage auf dem Hausdach auch den Wert eines Gebäudes. Vorteilig ist insbesondere
- Das vorhandene Dach kann optimal genutzt werden.
- Das Dach wird vor eventuellen Umwelteinwirkungen zusätzlich geschützt.
- Aufdachmontierte Anlagen sind meist schnell und einfach zu installieren
- Geringer Wartungsaufwand
Nachteilig ist demgegenüber
- Erstinstallationskosten
- Mögliche Dachmodifikationen, bevor die Installation überhaupt durchgeführt werden kann.
- Platzbeschränkungen, abhängig von der Größe und Beschaffenheit des Daches
- Der unveränderbare Winkel und die Ausrichtung der Dachebenen
Bodenmontierte Anlagen
Bodenmontierte Photovoltaikanlagen sind inzwischen ebenfalls weit verbreitet, werden aber vorwiegend von großen Unternehmen bzw. Energieanbietern genutzt. Diese Anlagen arbeiten oftmals mit einer Nachführung. Diese sorgt dafür, dass die Ausrichtung der Solarmodule dem Lauf der Sonne folgt. Somit kann mehr Sonnenlicht erfasst werden, als mit herkömmlichen und fest installierten Photovoltaikanlagen. Vorteile bodenmontierter Anlagen sind (Wirth 2022; Ritter et al 2021):
- Aufgrund ihrer Größe ist auch eine größer dimensionierte Stromerzeugung möglich.
- Bodenmontierte Anlagen haben die Möglichkeit die festen Winkelbeschränkungen – wie sie bei der Aufdachmontage gegeben sind – zu umgehen
- Einfache Wartung aufgrund des leichteren Zuganges
Nachteilig ist demgegenüber:
- Bodenmontierte Anlagen nehmen sehr viel Fläche ein, die möglicherweise umgewidmet werden muss.
- Riesige Freiflächenanlagen sind optisch auffällig, was zu Konflikten mit dem gewünschten Landschaftsbild führen kann.
Windkraft
Unter Windkraft wird die großtechnische Nutzung der Bewegungsenergie des Windes verstanden. Unterschieden wird zwischen der Offshore (auf dem Meer) und der Onshore (an Land) Nutzung der Windenergie. Die typischen Komponenten einer Windkraftanale ist der Turm, die Rotoren und die Gondel in der die Bewegungsenergie der Rotoren mit Hilfe eines Generators in elektrischen Strom umgewandelt wird. Im Jahr 2021 betrug der Anteil der Windkraft ca. 50 Prozent am gesamten in Deutschland erzeugten erneuerbaren Strom (Stromreport 2022). Der Ausbau hat wesentlich in den Jahren von 2000 bis 2017 stattgefunden. Seitdem ist der Zuwachs geringer, weil sich lokal viele Menschen gegen Windkraftanlagen wehren. Seit Ausbruch des Ukraine-Krieges und dem damit verbundenen Gaslieferstopp Rußlands, sowie seit den deutlichen Auswirkungen der Klimakrise (Waldbrände, Flut), werden wieder höhere Ausbauziele der Windenergie genannt.
Wärme
Solarwärme
Für die Bereitstellung und Nutzung von Solarwärme kommen verschiedene Techniken bis hin zu Solarkraftwerken (BINE 2013) in Frage. Letztere konzentrieren großflächig das Sonnenlicht und die konzentrierte Solarwärme wird zur Verdampfung von Wasser genutzt das anschließend mit Turbinen und Generator Strom erzeugt. Eine Besonderheit stellen Aufwindkraftwerke dar. Sie bestehen aus hohen Hohltürmen in denen durch die natürliche Konvektion wie in einem Kamin ein solar erwärmter Aufwind entsteht, der über eine Turbine Strom erzeugt (Kruse 2008). Allerdings sind derartige Solarkraftwerke auf eine starke Sonneneinstrahlung über 1.500 W/m2 angewiesen. In der mitteleuropäischen Strahlungszone mit 700–900 W/m² werden zur Erzeugung solarer Wärme Kollektoranlagen genutzt. Sie wandeln das die Strahlungsenergie des Sonnenlichts in Wärme um, die wiederum an ein flüssiges Medium abgegeben wird. (vgl. Viessmann o. J.). Es gibt Flachkollektoren mit Kupferschlangen als Absorber und Vakuum-Röhrenkollektoren mit Kupferbändern als Absorber. Kleine Anlagen dienen zur Warmwassererzeugung und Heizungsunterstützung für Wohnungen (insbesondere Eigenheime), große Anlagen können auch ausreichende Wärme für gewerbliche Objekte bereitstellen.
Die wichtigsten Komponenten eine Kollektoranlage sind die eigentlichen Kollektoren, das Speichergefäß und die Einbindung.
Kollektortechnologien
Je nachdem, wofür Solarwärme genutzt werden soll und bei welchem Temperaturniveau dies erfolgt, können unterschiedliche Kollektoren genutzt werden. Zusammen mit einem Wärmespeicher kann dann insbesondere in den Sommermonaten ein erheblicher Teil des Wärmebedarfs mit Solarenergie CO2-frei bereitgestellt werden.
- Niedertemperatur-Absorber: Bei der einfachsten Kollektorart, dem Niedertemperatur-Absorber, werden Absorbermatten aus speziellen organischen Materialien (Kunststoffe, EPDM) genutzt, um das Solarfluid zu erwärmen. Der Temperaturbereich, bei dem diese Kollektoren sinnvoll eingesetzt werden können, geht bis etwa 40 °C und ist demnach gut zur Vorwärmung kalter Flüssigkeiten bis auf Umgebungstemperatur oder als Wärmequelle in Kombination mit Wärmepumpen geeignet.
- Flachkollektoren: Bei Flachkollektoren ist der metallische Solarabsorber zwischen einer transparenten Abdeckung und einer Wärmedämmung eingefasst. Dies minimiert die Wärmeverluste des Kollektors, wodurch in Abhängigkeit der Bauart Nutztemperaturen bis 100 °C effizient bereitgestellt werden können. Das Spektrum reicht von kompakten Kollektormodulen mit ca. 2 m² bis hin zu Großflächenkollektoren mit 10..12 m²
- Vakuumröhrenkollektoren: Bei Vakuumröhrenkollektoren können die Wärmeverluste durch Konvektion und Wärmeleitung deutlich reduziert werden, wodurch bei höheren Temperaturen teils deutlich höhere Erträge erzielt werden können. Je nachdem ob diese Kollektorbauart mit einem rückseitigen Spiegel versehen ist (CPC-Kollektor) oder nicht, liegt der sinnvolle Einsatzbereich dieser Kollektoren bei bis zu 80..130 °C. Vakuumröhrenkollektoren können direkt durchströmt sein oder nach dem Heat-Pipe-Prinzip funktionieren.
- Luftkollektoren: Luftkollektoren verzichten auf ein flüssiges Wärmeträgermedium und eignen sich daher besonders für Trocknungsanwendungen. Luftkollektoren sind als Röhrenkollektoren (beidseitig offene Sydney-Röhren) oder Flachkollektoren mit offenen Stirnseiten erhältlich.
- Konzentrierende Kollektoren: Für Regionen mit hoher Direktstrahlung können konzentrierende Kollektoren verwendet werden, die mittels Spiegel (wie bei dem hier abgebildeten Fresnelkollektor) oder Linsen die eintreffende Sonnenstrahlung auf einen Absorber konzentrieren. Hierzu müssen die Spiegelflächen kontinuierlich der Sonne nachgeführt werden. Der Temperaturbereich dieser Kollektorbauart liegt typischerweise bei 150-400 °C.
Speicherung
In der Regel ist ein Pufferspeicher zentraler Bestandteil einer solaren Prozesswärmeanlage, da das Solarangebot nicht immer mit dem Wärmebedarf der zu versorgenden Verbrauchsstellen zeitlich übereinstimmt. Neben sogenannten Schwachlastphasen innerhalb eines Produktionstages können dies auch ganze Tage ohne Wärmebedarf, z. B. am Wochenende sein. Da bei den meisten Anwendungsfällen in Industrie und Gewerbe am Wochenende kein oder nur ein sehr geringer Wärmebedarf vorhanden ist, sollte ein Pufferspeicher derart dimensioniert werden, dass er den Solarertrag von mindestens einem Tag speichern kann.
Je nach Kollektorfläche und spezifischen Rahmenbedingungen der Wärmesenke können für einen effizienten Anlagenbetrieb unterschiedlich große Speichervolumina erforderlich sein. Es sollte stets angestrebt werden, das erforderliche Volumen mit einem einzelnen Speicher innerhalb des Gebäudes zu realisieren. Neben der optimalen Be- und Entladung, einer verbesserten Temperaturschichtung und geringen Wärmeverlusten, ist diese Variante im Regelfall auch kostengünstig.
Zur Einbindung des Speichers gibt es mehrere Möglichkeiten: Typischerweise wird der mit einem Wasser-Glykol-Gemisch betriebene Solarkreis durch einen Wärmeübertrager vom Speicherkreis getrennt. Für die Einspeisung des aufgewärmten Wassers in den Speicher werden häufig zwei Anschlüsse an unterschiedlichen Höhen des Speichers vorgesehen.
Einbindung von Solarwärme
Bei der Einbindung von Solarwärme lässt sich grundsätzlich die Versorgungs- von der Prozessebene unterscheiden. Viele Industrie- oder Gewerbebetriebe haben ein zentrales Kesselhaus zur Erzeugung und ein Rohrnetz zur Verteilung der Wärme an die Verbrauchsstellen. Je nach Nutztemperatur wird die Wärme über Dampf (140-200 °C), Heißwasser (90-160 °C) oder Warmwasser (<100 °C) verteilt und direkt oder indirekt über einen Wärmeüberträger an die Wärmesenke abgegeben.
Um vor allem bei größeren Betrieben herauszufinden, an welchem Punkt die Einbindung von Solarwärme am sinnvollsten ist, sollten die vorhandenen Wärmesenken gegenübergestellt und verglichen werden. Die drei wichtigsten Kriterien für einen Vergleich sind dabei die Temperatur, das Lastprofil und der Aufwand zur Einbindung der Solarwärme in das bestehende System (Uni Kassel 2022).
Bioenergie
Unter Bioenergie wird die energetische Nutzung biogener Energieträger verstanden. Biogene Energieträger sind pflanzlicher oder tierischer Herkunft. Zu den typischen biogenen Energieträgern zählen Holz und Stroh sowie ihre Derivate wie Holzschnitzel- oder -pellets aber auch Biogas aus der Vergärung von Bioabfällen, Ernterückständen oder von tierischen Abfällen wie Mist und Gülle Exkremente. Obwohl bei der Verbrennung von Biomasse oder Biogas CO2 frei gesetzt wird, ist die Erzeugung und Nutzung von Bioenergie klimaneutral, denn das freigesetzte CO2 wurde während des Pflanzenwachstums der Atmosphäre entzogen. Allerdings verursacht die Verbrennung von Biomasse auch Emissionen weiterer Luftschadstoffe wie NOX und insbesondere von Feinstaub.
Der typische Einsatz von Biogas zur Energieerzeugung erfolgt über Blockheizkraftwerke (BHKW) die sowohl Wärme als auch Strom erzeugen. Problematisch ist der Anbau von Energiepflanzen wie z. B. Mais, Raps, Futterrüben, Hanf, Chinaschilf, schnellwachsende Bäume (Pappeln, Weiden), Zuckerrohr und Algen. In der Regl erfolgt deren Anbau in schnellwachsenden Monokulturen und haben damit einen erheblichen Einfluss auf Landschaft und Boden. Zudem kann der Einsatz von Pflanzenschutzmittel zum Verlust von Biodiversität, die Düngung zur Belastung des Grundwassers und der Verbrauch von Trinkwasser zur regionalen Verknappung von Wasser führen (vgl. BUND o. J. Des Weiteren ist der energetische Wirkungsgrad der Biomassenproduktion mit 0,5 – 1,5 Prozent (Pflanzenforschung 2020) wesentlich geringer als der von Fotovoltaik, der in der Regel 15 – 22 Prozent beträgt (Eigensonne o. J.).
Entsprechend vertritt das Umweltbundesamt die Auffassung, dass die Verbrennung von Biomasse kein Wachstumspotenzial mehr besitzt, sondern viel mehr auf ein „naturverträgliches Maß“ begrenzt werden muss (UBA 2021b).
Hingegen kann die Erzeugung von Biogas aus Gülle und Mist, solange diese aufgrund der hohen Nachfrage nach tierischem Protein in großen Mengen anfallen, einen wichtigen Beitrag vor allem zur Wärmeerzeugung leisten.
Insgesamt ergeben sich jedoch erhebliche Zielkonflikte zwischen Energiegewinnung, Futtermittellanbau und Produktion von Nahrungsmitteln hinsichtlich der begrenzten Ressource “Fläche”.
Damit steht die Energiegewinnung durch den Anbau von Energiepflanzen im Konflikt zum SDG 2 “Kein Hunger”. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Ausbau der energetischen Biomassenutzung aus Agrarpflanzen, die auch der Ernährung dienen können (Mais, Getreide), eine nicht verantwortbare Flächenkonkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion darstellt und damit im direkten Konflikt zum SDG2 “Kein Hunger” steht. Wenn der Bezug von EE-Strom besonders nachhaltig sein soll, ist daher darauf zu achten, dass er aus möglichst aktuell neuen effizienten Wind- oder Solaranlagen stammt. Dieser Strom wird von von verschiedenen Einrichtungen wie dem TÜV oder dem Grüner Strom Label e.V. zertifiziert (Ökostromanbieter o. J.)
Erd- und Umgebungswärme
Eine Möglichkeit der Wärmeerzeugung ist die Nutzung von Temperaturunterschieden. Dazu werden Wärmepumpen eingesetzt die den Temperaturunterschied die z. B. zwischen Gebäuden und ihrer Umgebung oder dem Erreich ausnutzen. Eine Wärmepumpe funktioniert wie ein Kühlschrank oder einer Klimaanlage (Tagesschau 2022). Die Pumpe entzieht der Umgebung (z. B. dem Erdreich) mit einem Kältemittel Wärme und kühlt sie dabei ab. Ein Kompressor verdichtet das Kältemittel und erhöht dabei dessen Temperatur die dann zur Raumheizung genutzt wird. Das Kältemittel kondensiert dabei und gibt die Wärme frei. In einem Ventil verdampft das Kühlmittel wieder, kühlt sich dabei stark ab und kann aufs Neue der Umgebung Wärme entziehen. Zum Antrieb einer Wärmepumpe wird jedoch elektrischer Strom benötigt. Dieser sollte dann aus Klimaschutzgründen aus erneuerbaren Energieträgern wie Sonne oder Wind erzeugt werden. Bei der Nutzung von Erdwärme wird zwischen Tiefengeothermie und Oberflächennaher Geothermie unterschieden.
Die Oberflächennahe Geothermie nutzt den Untergrund bis zu einer Tiefe von ca. 400 m und Temperaturen von bis zu 25 °C für das Beheizen und Kühlen von Gebäuden, technischen Anlagen oder Infrastruktureinrichtungen. Hierzu wird die Wärme oder Kühlenergie aus den oberen Erd- und Gesteinsschichten oder aus dem Grundwasser gewonnen. Neben klassischen Anwendungsformen zur Bereitstellung von Raumwärme und Warmwasser wird die Oberflächennahe Geothermie auch zur Beheizung von Gewächshäusern sowie zur Enteisung von Weichen oder Parkplätzen eingesetzt. Als Tiefengeothermie bezeichnet man die Nutzung der Erdwärme in Tiefen zwischen 400 und 5.000 Metern. Im Vergleich zur oberflächennahen Geothermie sind dort die Temperaturen weitaus höher. Neben der Wärmeversorgung ist Tiefengeothermie auch für die Stromerzeugung nutzbar. Ab einer Temperatur von etwa 90 Grad Celsius ist eine wirtschaftliche Stromerzeugung möglich. Der Vorteil der Geothermie ist ihre ständige Verfügbarkeit. Die geothermische Stromerzeugung in Deutschland steht noch am Anfang. Bis heute sind nur wenige Anlagen, vor allem in Süd- und Südwestdeutschland in Betrieb.
Umgebungswärme umfasst sowohl Umweltwärme als auch oberflächennahe Geothermie. Umweltwärme schließt die in bodennahen Luftschichten („aerothermische Umweltwärme“) und in Oberflächengewässern („hydrothermische Umweltwärme“) entnommene und technisch nutzbar gemachte Wärme ein. Für die Nutzung werden Sonden ins Erdreich eingeführt oder Matten benutzt, die weniger als 2 Meter unter der Erdoberfläche verlegt werden. Möglich sind auch Luft–Wärmepumpen, die der Umgebungsluft die Wärme entziehen. Die Nutzung von Umgebungswärme erfolgt überwiegend im Wohnungssektor und ist insbesondere bei Ein- und Zweifamilienhäuser verbreitet. Möglich sind aber auch größere Gebäude wie der Bundestag (Deutscher Bundestag o. J.).
Mobilität
Im Rahmen der sogenannten Verkehrswende spielt die Dekarbonisierung der Antriebe eine zentrale Rolle, denn die Treibhausgasemissionen der Mobilität sind, mit rund 149 Mio. t CO2-Äq bzw. fast 20 Prozent aller CO2-Emissionen allein in Deutschland im Jahr 2021, maßgeblich für den Klimawandel verantwortlich (UBA 2022). Differenziert nach verschiedenen Verkehrsarten zeigt sich, dass der Straßengüterverkehr 2020 rund 46 Mio. t CO2-Äq bzw. 30 Prozent der Verkehrsemissionen verursacht (ebd.) hat. Es sind somit zwei Trends wirksam: Zum einen eine Minderung der Emissionen (insbesondere der Schadstoffe), die aber bei LKWs deutlich größer sind (-32 Prozent) als bei PKWs (-5 Prozent). Zum anderen stieg für beide die Zahl der gefahrenen Kilometer – die PKW-Fahrleistung hat sich seit 1995 verdoppelt, die des Güterverkehrs per LKW ist um 74 Prozent gestiegen (ebd.).
Zum andere ist die Wahl der Verkehrsmittel entlang der Wertschöpfungskette von Relevanz. Die Emissionen aus der Logistik können leicht mit Hilfe kostenloser Online Tools ermittelt werden wie z. B. mit carboncare (ebd. o. J.), welches die Emissionen nach EN16258-Standard berechnet. Darin ist auch der Emissionsanteil des Kraftstoffes selbst enthalten, der bei dessen Förderung, Aufbereitung und Verteilung entsteht, eingeschlossen. Die folgende Tabelle stellt beispielhaft die CO2– Emissionen unterschiedliche Transportmittel dar, die bei einem Transport von einer Tonne Gewicht von Shanghai nach Berlin freigesetzt werden. Die Datenauswertung zeigt deutlich, dass Ferntransporte per Schiff zu den energieeffizientesten Transporten gehören, denn bereits 1.000 km per Lkw emittieren genau so viel CO2 wie bei 20.000 km Schiffstransport freigesetzt werden. Die Daten zeigen auch, dass selbst bei einem Transport von Elektronikbauteilen mit geringem Gewicht per Flugzeug, um ein Vielfaches mehr CO2 freigesetzt wird als ein Transport mit anderen Verkehrsmitteln.
Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die CO2 Intensität unterschiedlicher Transportmittel
Tabelle: Emissionen für einen Langstreckentransport – Shanghai nach Berlin.
Transportmittel | Strecke (km, gerundet) | WTW-CO2-Äq |
Schiff LKW | 19.900 km (Schiff) 200 km (LKW) 20.100 km (gesamt) | 73 kg (nur Schiff) 15 kg (LKW) 88 kg (gesamt) |
Bahn (im Bau) | 10.400 km | 120 kg |
Flugzeug | 8.500 km | 6.900 kg |
Quelle: Eigene Berechnungen mit carboncare (ebd. o. J.).
Im Kern geht es dabei bei der Dekarbonisierung der Mobilität darum, die Verbrennung fossiler Kraftstoffe wie Benzin, Diesel und Kerosin durch biogene Kraftstoffe, Wasserstoff oder elektrischen Strom zu ersetzen. Im Weiteren werden die zentralen Option zur Dekarbonisierung der Mobilität beschrieben:
Biogene Kraftstoffe
Bei biogenen Kraftstoffen handelt es sich um flüssige Energieträger die aus Pflanzen, Pflanzenresten und -abfällen oder Gülle statt aus Erdöl gewonnen werden. Die Antriebstechnik ist vergleichbar mit konventionellen Verbrennungsmotoren mit der Ausnahme, dass das bei der Verbrennung entstehende CO2 klimaneutral ist, denn die bei der Verbrennung freigesetzte CO2-Menge entspricht in etwa derjenigen Menge welche die Pflanze während ihres Wachstums mittels Photosynthese der Atmosphäre entzogen hatte.
Wasserstoff
Bei der Nutzung von Wasserstoff in Fahrzeugen ist von entscheidender Bedeutung, dass dieser mit elektrischem Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt wird, ein sogenannter grüner Wasserstoff- denn nur dann ist sein Einsatz in Fahrzeugen CO2-frei und damit klimaneutral. Die Herstellung von grünem Wasserstoff erfolgt mittels Elektrolyse von Wasser. Bei dem dazu eingesetzten elektrischen Strom handelt es sich oftmals um Strom aus Offshore-Windkraftanlagen, bei dem der Wasserstoff als Speicher genutzt wird und auf diese Weise eine zeitliche und örtliche Entkopplung zwischen Erzeugung und Verbrauch erreicht wird sowie kostenintensive Übertragungsleitungen überflüssig werden. Die Nutzung von grünem Wasserstoff in Fahrzeugen erfolgt in Brennstoffzellen. Diese kann als umgekehrte Elektrolyse aufgefasst werden, bei der der Wasserstoff wieder mit Sauerstoff zu Wasser reagiert und dabei elektrischer Strom entsteht.
Elektromobilität
Als Elektromobilität wird schließlich die Nutzung von elektrischem Strom zum Antrieb von Fahrzeugen bezeichnet. Dabei wird elektrischer Strom in Batterien geladen, die im Fahrbetrieb ihre Energie wiederum an einen Elektromotor abgeben. Von entscheidender Bedeutung ist, dass der elektrische Strom zur Beladung der Fahrzeugbatterie mit erneuerbaren Energien erzeugt wird. Für die Elektromobilität gibt es zahlreiche Mischformen. Im einzelne lassen sich dabei unterscheiden:
- Mild Hybrid: Ein Mild-Hybrid-Fahrzeug (mHEV) wird von einem Verbrennungsmotor angetrieben, der einen Elektromotor mit Energie versorgt. Dieser kann die Energie speichern und in geeigneten Situationen nutzen. Das sorgt für eine Ersparnis von bis zu einem Liter auf 100 Kilometern.
- Vollhybrid: Ein Vollhybrid (sHEV) hat einen Verbrennungs- und einen batteriebetriebenen Motor. Bei niedrigen Geschwindigkeiten bis zu 50 km/h und auf kurzen Strecken bis ca. 3 km ist ein reiner Elektroantrieb möglich. Die für den Betrieb des Elektromotors erforderliche Elektrizität wird vom Verbrennungsmotor erzeugt.
- Plug-in Hybrid: Im Vergleich zum Vollhybrid kann ein Plug-in-Hybridfahrzeug (PHEV) rein elektrisch schneller und weiter fahren. Der Verbrennungsmotor lädt die Batterie auf, wenn die Leistung nicht ausreicht. Der Akku kann über ein externes Netzteil geladen werden.
- Elektrofahrzeuge mit Range Extender: Elektrofahrzeuge mit Range Extender (E-REV) sind batteriebetriebene Fahrzeuge mit zusätzlichem kleinem Verbrennungsmotor und Generator. Diese nennt man Range Extender. Der Verbrennungsmotor springt nur an, um zusätzlichen Strom für die Batterie zu erzeugen. Im Unterschied zum Hybridantrieb treibt er das Fahrzeug aber nicht direkt an.
- Elektrofahrzeug mit Batterie: Ein vollelektrisches Fahrzeug (BEV) wird ausschließlich von einem batteriebetriebenen Elektromotor angetrieben. Der wird über das Stromnetz aufgeladen, das heißt: er benötigt keinen fossilen Kraftstoff. Dadurch fährt das Fahrzeug zu 100 Prozent emissionsfrei.
- Elelektrofahrzeug mit Brennstoffzelle: Ein Brennstoffzellenauto (FCEV) wird ausschließlich von einem Elektromotor angetrieben. Im Gegensatz zum vollelektrischen Fahrzeug wird der Strom nicht mit Batterien, sondern mit Wasserstoffbrennstoffzellen erzeugt. Wasserstoff-Brennstoffzellen erzeugen Strom, indem sie Wasserstoff mit Sauerstoff kombinieren. Auch ein Auto mit Brennstoffzelle ist lokal zu 100 Prozent emissionsfrei.
Geschäftsreisen
Bei Geschäftsreisen besteht vielfach die Wahl zwischen Bahn und Pkw-Nutzung, wobei die PKW-Nutzung im Mittel zum Vier- bis Fünffachen an CO2-Emissionen führt (Mein Klimaschutz o. J.). Bei innerdeutschen Flügen ist man oder Frau aufgrund der langen Check-In-Zeiten im Prinzip kaum schneller als mit der Bahn. Hier kann der UmweltMobilCheck der Deutschen Bahn eine Orientierung geben (Deutsche Bahn o. J.). Eine Fahrt von Berlin nach Hamburg führt bei Pkw-Nutzung zu etwa 54 kg CO2-Äq, bei Bahnnutzung zu 0,03 kg CO2-Äq.
Sollten Geschäftsreisen mit dem Flugzeug gelegentlich unvermeidbar sein, bieten sich Kompensationsmodelle zum Ausgleich der Klimawirkung an, bei denen eine Klimakompensation erfolgt. Hierbei wird ein Geldbetrag entsprechend der verursachten Emissionen überwiesen und dieser wird in Klimaschutzprojekte investiert z. B. in den Moorschutz oder Wiederaufforstung (vgl. atmosfair o. J.). Bei einem Hin-und Rückflug von Berlin nach Shanghai entstehen ca. 4.800 kg CO2 Emissionen. Diese können durch 111 € Ausgleichszahlung kompensiert werden.
Fuhrpark für den motorisierten Individualverkehr
Der motorisierte Individualverkehr (MIV) wird mit PKW´s durchgeführt. Alle Unternehmen besitzen zumindest ein Fahrzeug für den Geschäftsführer, größere Unternehmen stellen Dienstfahrzeuge, große Unternehmen haben ganze Fahrzeugflotten. Laut Statista gab es 2020 mehr als 5 Millionen PKW’s mit einem gewerblichen Fahrzeughalter (ca. 11 Prozent des Fahrzeugbestandes, Statista 2022b). Um die Emissionen im Verkehr deutlich zu reduzieren – dies ist unbedingt notwendig, um die international vereinbarten Klimaziele zu erreichen – muss der Fuhrpark auf emissionsarme Fahrzeuge umgestellt werden. Bei der Umstellung des betrieblichen Fuhrparks von Fahrzeugen mit (fossilen) Verbrennungsmotoren auf alternative Antriebskonzepte stehen derzeit Elektrofahrzeuge mit unterschiedlichen Antriebskonzepten, Wasserstofffahrzeuge mit Brennstoffzellen sowie die Nutzung biogener Kraftstoffe in der Diskussion:
- Hybrid-Fahrzeuge: Es gibt verschiedene Typen wie Mild-Hybrid, Voll-Hybrid, Plug-in-Hybrid oder Range Extender, die einen mehr oder weniger starken Verbrenner mit einem Elektroantrieb kombinieren. Solange die Reichweite reiner E-Autos noch begrenzt ist, wird es auch diese Fahrzeuge geben.
- Elektroauto mit Batterie: Ein vollelektrisches Fahrzeug (BEV) wird ausschließlich von einem batteriebetriebenen Elektromotor angetrieben. Der wird über das Stromnetz aufgeladen, das heißt: er benötigt keinen fossilen Kraftstoff. Dadurch fährt das Fahrzeug zu 100 Prozent emissionsfrei. Allerdings ist hier der Strommix von Bedeutung: Der Anteil von Gas und Kohle führt zu Emissionen bei der Stromerzeugung.
- Elektroauto mit Brennstoffzelle: Ein Brennstoffzellenauto (FCEV) wird ausschließlich von einem Elektromotor angetrieben. Der Strom wird in einer Wasserstoff-Brennstoffzelle erzeugt. Bei der Nutzung von Wasserstoff in Fahrzeugen ist von entscheidender Bedeutung, dass dieser mit elektrischem Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt wird, ein sogenannter grüner Wasserstoff – denn nur dann ist sein Einsatz in Fahrzeugen CO2-frei und damit klimaneutral. Die Herstellung von grünem Wasserstoff erfolgt mittels Elektrolyse von Wasser.
- Biogene Kraftstoffe: Hier wird der Kraftstoff aus Pflanzen erzeugt. Dies können Öl-Pflanzen wie Raps sein, aus denen Biodiesel, oder Zuckerrohr, aus dem Ethanol erzeugt wird. Letzteres ist z. B. in Brasilien eine wichtige Kraftstoffquelle. Die Antriebstechnik ist vergleichbar mit konventionellen Verbrennungsmotoren mit der Ausnahme, dass das bei der Verbrennung entstehende CO2 klimaneutral ist, denn die bei der Verbrennung freigesetzte CO2-Menge entspricht in etwa derjenigen Menge, die die Pflanze während ihres Wachstums mittels Photosynthese der Atmosphäre entzogen hatte.
Wie wird sich die individuelle und die gewerbliche Mobilität der Zukunft gestalten? Vermutlich wird es die Elektromobilität mit Batterien für PKW und kleine Nutzfahrzeuge bis 3,5 Tonnen sein. Von entscheidender Bedeutung ist, dass der elektrische Strom zur Ladung der Fahrzeugbatterie mit erneuerbaren Energien erzeugt wird. Bei LKW in der Klasse ab 7,5 t ist die Frage noch nicht beantwortet – hier konkurrieren Elektromobilität mit Batterien und Fahrzeuge mit Brennstoffzellen noch miteinander.
Nutzungsverhalten
Neben der Umrüstung der Dienstwagen auf elektrische Antriebe sollte auch der individuelle Umgang mit Mobilität überdacht werden. Es können beispielsweise THG-Emissionen eingespart werden, wenn die Mitarbeitenden zu Fuß oder mit dem Rad zum Arbeitsplatz im Handel kommen, sofern aus gesundheitlichen Gründen oder einer zu großen Distanz zum Arbeitsort nichts dagegen spricht. Zudem kann der Betrieb die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel z. B. durch ein Jobticket attraktiver gestalten. Auch die Förderung von Dienstfahrrädern ist in einigen Städten und Kommunen möglich. Zusätzlich ist die Bildung von Fahrgemeinschaften denkbar, wenn es sich von den Arbeitszeiten und den Wegen anbietet. Strecken, die mit dem Auto gefahren werden müssen, sollten optimiert werden (Routenoptimierung), insbesondere gilt dies für den Transport von Waren. Außerdem hat die Fahrgeschwindigkeit einen erheblichen Einfluss auf die ausgestoßenen THG-Emissionen. Laut Umweltbundesamt verursachten im Jahr 2020 Pkw und leichte Nutzfahrzeuge auf Bundesautobahnen in Deutschland THG-Emissionen in Höhe von rund 30,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Durch die Einführung eines generellen Tempolimits von 120 km/h auf Bundesautobahnen würden die Emissionen um jährlich 2,0 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente reduziert und ein Tempolimit von 100 km/h würde sie um 4,3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr mindern (UBA 2022b). Auch ohne generelles Tempolimit kann jede*r die Fahrgeschwindigkeit reduzieren, das spart nicht nur THG-Emissionen sondern auch Kosten ein (mobile.de 2020). Denn bei hohen Geschwindigkeiten verbrauchen Fahrzeuge überdurchschnittlich viel Kraftstoff. Nach Angaben des ADAC verbraucht ein Mittelklasseauto um bis zu zwei Drittel mehr Kraftstoff, wenn es statt 100 km/h mit 160 km/h fährt (ebd.)
Rationelle Energienutzung
Neben dem Einsatz erneuerbarer Energien zählt auch die rationelle Energienutzung zu den Maßnahmen, um das Energiesystem in Richtung Nachhaltigkeit zu transformieren. Typische Handlungsfelder der rationellen Energienutzung sind die Energieeffizienz und das Energiesparen, die beide eng miteinander verknüpft sind.
Energieeffizienz
Bei der Energieeffizienz geht es darum, Geräte und Maschinen zu nutzen, die bei gleicher Funktionserfüllung einen geringeren Energiebedarf haben. Effizienz ist dabei eine relationale Größe, die sich auf mindestens zwei vergleichbare Arten bezieht, Energie zu nutzen. Dann kann bestimmt werden, welche Art effizienter ist. Unter Energieeffizienz wird somit also die rationelle Verwendung von Energie verstanden. Durch optimierte Prozesse sollen „die quantitativen und qualitativen Verluste, die im Einzelnen bei der Wandlung, dem Transport und der Speicherung von Energie“ entstehen, minimiert werden, „um einen vorgegebenen (energetischen) Nutzen bei sinkendem Primär- bzw. Endenergieeinsatz zu erreichen. Nützliche Orientierung, um die Energieeffizienz zu überprüfen, können dabei Kennzeichnungen geben. Im Europäischen Wirtschaftsraum gibt die Energieeffizienzkennzeichnung gemäß Verordnung (EU) 2017/1369 Auskunft über die Energieeffizienz von Elektrogeräten und weiteren Energieverbrauchern. Die Kennzeichnung des Energieverbrauchs erfolgt für verschiedene Gerätegruppen in der EU in Form von Etiketten auf den Geräten und in den Werbematerialien für diese. Ab dem Jahr 2021 erfolgt die Kennzeichnung der Energieeffizienz in Form Effizienzklassen. Deren Skala reicht von „A“ bis „G“, wobei Geräte mit der höchsten Effizienz mit der Kennzeichnung “A” ausgezeichnet werden.
Daneben gibt es zahlreiche weitere Kennzeichen, die auch Auskunft über die Energieeffizienz geben können. Bekannt ist der Energy Star, ein US-amerikanisches Umweltzeichen für energiesparende Geräte, Baustoffe, öffentliche/gewerbliche Gebäude oder Wohnbauten. Der Energy Star bescheinigt z. B. elektrischen Geräten, dass sie die Stromsparkriterien der US-Umweltschutzbehörde EPA und des US-Energieministeriums erfüllen (www.energystar.gov). Auch nationale Umweltzeichen wie der Blaue Engel können, je nach ausgezeichnetem Produkt, auf Grund vergleichsweise besonders hoher Energieeffizienz vergeben werden (www.blauer-engel.de).
Neben der Kennzeichnung von Geräten gibt es noch weitere Kennzeichnungen, die sich an diese anlehnen, so zum Beispiel die Pkw-Energieverbrauchskennzeichnung welche die Bewertung und Kennzeichnung der Energieeffizienz neuer Personenkraftwagen hinsichtlich Kraftstoff- und Stromverbrauch regelt (Pkw-EnVKV 2020).
Energiesparen
Eine weitere Art Energie rationell zu nutzen ist das Energiesparen. Die Abgrenzung des Energiesparens zur Energieeffizienz ist allerdings nicht immer eindeutig, denn die Nutzung eines energieeffizienten Gerätes stellt immer auch eine Energieeinsparung gegenüber einem weniger effizienten Gerät dar. Eine typische Maßnahme, um Energie zu sparen, ist der Verzicht auf den „Stand-by-Betrieb“ von Elektrogeräten. Damit wird vermieden, dass Geräte durchgängig „unter Strom“ stehen und das spart gleichzeitig jährlich mehrere Kilowattstunden ein. Allein in Deutschland kostet der Stromverbrauch durch Leerlaufverluste mehrere Milliarden Euro pro Jahr. EU-weit werden die Leerlaufverluste auf jährlich 51 Mrd. Kilowattstunden geschätzt. Dies entspricht einer Energiemenge, die etwa 14 Großkraftwerke mit jeweils 800 Megawatt Leistung pro Jahr erzeugen und dabei etwa 20 Mio. t CO2 in die Atmosphäre emittieren. Insbesondere elektrische Geräte der Informations- und Kommunikationstechnik, wie sie für die betriebseigene Verwaltung zum Einsatz kommen, aber auch Elektromotoren, Transformatoren, Netzteile und Steckerleisten haben im “Stand-By-Betrieb“ erhebliche Leerlaufverluste die zwischen 8 und bis zu 20 Prozent der elektrischen Nennleistung ausmachen können (UBA o. J.).
Speicherung
Eine zentrale Herausforderung bei der Nutzung erneuerbarer Energie ist ihre Fluktuation, denn Solarstrahlung steht nachts nicht zur Verfügung steht und auch der Wind weht nicht kontinuierlich. Eine ausgeglichene Balance von Stromerzeugung und Stromnachfrage ist aber unabdingbar für die Versorgungssicherheit sowie die Netzstabilität. Um eine gleichmäßige Frequenz im Stromnetz aufrechtzuerhalten, müssen Erzeugung und Nutzung aufeinander abgestimmt werden. Andernfalls muss die Differenz und mögliche Frequenzschwankungen durch die sogenannte Regelenergie ausgeglichen werden. Möglichkeiten dazu sind:
- Abschaltung von EE-Anlagen (geringere Einspeisung)
- Zuschaltung von Speicherkraftwerken (höhere Einspeisung)
- Abschaltung großer Verbraucher (geringere Entnahme)
Die Abschaltung ist aber meist unökologisch und zudem unwirtschaftlich. Ferner muss benötigte Regelenergie kostenintensiv im nationalen oder europäischen Verbundnetz eingekauft werden Um dies zu vermeiden, bieten sich Energiespeicher an, die bei Bedarf zugeschaltet werden, wenn nicht genug erneuerbarer Strom zur Verfügung steht. Diese sind:
- Pumpspeicherkraftwerke: Kostengünstig, nur für gebirgige dünn besiedelte Regionen (z. B. Norwegen, Öst. Alpen), benötigen einen Netzanschluss z. B. durch sehr lange und teure DC-Leitungen durch die Ost- und Nordsee
- Druckluft: einfache Technologie, gut nutzbar bei Anbindung an WKA, aber nur begrenztes Speicherpotential und bisher eher ein Forschungsgegenstand
- Schwungräder: einfache Technologie, aber hohe Masse des Rades und noch in der Entwicklung
- chemisch als Wasserstoff: Elektrolyse von Wasser zur Stromerzeugung, gut erforscht für Kleinanlagen, derzeit erfolgt ein großtechnischer Aufbau, wichtiger Zielkonflikt: Wasserstoff ist auch relevant für die Stahl-, Zement- und chemische Industrie sowie zum Antrieb von LKWs (evt. Flugzeuge), teure Technologie
- chemisch als Methan: Elektrolyse von Wasser zur Stromerzeugung, dann Reduktion von CO2 zu Methan (CH4), relevant für Gebäudeheizungen, teuere Technologie
Allen obigen Technologien ist gemeinsam, dass die Umwandlung von Kraft oder innerer Energie immer mit hohen Verlusten verbunden ist, aufgrund der Thermodynamik (Wärmeverluste). Bekannt ist dies auch aus dem geringen Wirkungsgrad von Verbrennungskraftmaschinen (Motoren). Nach derzeitigem Stand der Technik bieten sich als Stromspeicher nur unterschiedliche Batterietypen an. Im Folgenden werden die verschiedenen Technologien besproche und auf Probleme der Nachhaltigkeit eingegangen:
- Lithium-Ionen-Batterien (GRS o. J.) Dieser Batterietyp ist derzeit der wichtigste, sowohl für die Versorgung von Kleingeräten (Mobiltelefone, Tablet, Notebooks, Werkzeuge) als auch für Fahrzeuge und Fahrräder sowie als Hausspeicher (s.a.u.). Batterien im Kleinstbereich und für die Elektromobilität müssen ein geringes Gewicht beim höchsten Energiegehalt haben. Weitere Faktoren sind die Kosten, die Brandsicherheit, die Ladefähigkeit und die Lebensdauer. Bei dieser Batterie übernehmen Lithium-Ionen den Stromtransport, es erfolgt keine chemische Reaktion sondern nur eine Ionen-Einlagerung). Die Kathode enthält Kobalt-Oxid (CoO), die Anode besteht aus Graphit. Als Elektrolyt dienen Li-organische Verbindungen. Die Vorteile sind die höchste Energiedichte aller im großen Maßstab produzierten Batterien, kein Memory- Effekt und eine gute Zyklenfestigkeit. Die Nachteile sind ein hoher Preis, ein aufwändiges Zell-Management aufgrund der geringen Größe und damit verbunden einer hohen Anzahl von Zellen. Aus Sicht der Nachhaltigkeit ist insbesondere die Gewinnung von Cobalt in Sambia und der Demokratischen Republik Kongo, dem wichtigsten aller Lieferländer, sehr gewichtig, da dies meist illegal (FAZ-net 2022, Safe the Children 2022) und unter Zerstörung der Natur abgebaut wird. Lithium hingegen ist ein Salz, das in verschiedenen Ländern in Salzseen vorkommt. Der größte Produzent ist Australien (51.000 t) vor Chile (13.000 t). Hierbei spielt insbesondere die Bereitstellung von Wasser und die Abwasserbehandlung eine gewichtige Rolle, da die Gewinnung meist in ariden Regionen stattfindet. Die bekannten Reserven übersteigen die Bedarfe um ein Vielfaches, Lithium ist somit kein “knappes” Metall (ebd.)
- Lithium-Eisenphosphat-Batterien (Energieexperten 2019; Pylontech o. J.; Chemie-Schule o. J. und RCT Power o. J.): Diese Batterien befinden sich derzeit in einer intensiven Phase der Weiterentwicklung und werden vermutlich ein Ersatz für die Lithium-Ionen-Batterien in vielen Bereichen (Wohnungen, LKW, gewerbliche Anlagen mit geringeren Stromverbräuchen) sein. Anstelle von Cobalt wird Eisen in der Kathode verwendet, die Anode besteht aus Graphit. Sie benötigen nur Nur 80 g Li (4,5 Gewichts-Prozent, LiCo-Batterien 160 g Li) für 1.000 Wh und haben ein geringes Brandrisiko aufgrund der geringen Energiedichte (<90 Wh/kg) sowie keinen freien Sauerstoff in der Redoxreaktion. Der Memory-Effekt ist vernachlässigbar, der Wirkungsgrad beträgt 93-98 Prozent. Sie haben zudem eine hohe Zyklenfestigkeit (mehr als 6.000) bei geringem Kapazitätsverlust (5 Prozent). Zum Vergleich: Ein Bleiakku hält rund 600 Ladezyklen. Lithium-Phosphat-Batterien werden sowohl für mobile als auch stationäre Anwendungen verwendet, sowohl im Eigenheimbereich als Speicher für PV-Strom bis hin zu Großanlagen. Tesla ist hierbei einer der Vorreiter. Das Unternehmen hat 2017 in Australien den (damaligen) größten Energiespeicher mit Lithium-Batterien errichtet: 100 MW Leistung und 125 MWh Speicherkapazität (Erneuerbare Energien 2021). Inzwischen gibt es aber Speichersystem mit einer Kapazität bis zu 300 MWh (Ingenieur.de 2021).
- Lithium-Mangandioxid (GRS o. J.): Dieser Batterietyp ist besonders wichtig in der Elektronik, da Lithium die größte Kapazität hat (ca. 4 Ah/g). Lithium ist aber auch sehr wasserempfindlich (auch Feuchte), weshalb die Batterien feuchtedicht verkapselt werden müssen. Die Kathode besteht aus Mangandioxid, die Anode aus Lithium, der Elektrolyt ist organisch. Die Vorteile sind eine hohe Energiedichte, sie sind lagerfähig, es findet nur eine geringe Selbstentladung statt und es sind extrem dünne Batterien möglich (0,4 mm). Die Nutzung erfolgt vor allem für Langzeitanwendungen in der Elektronik, bei IKT, in der Messtechnik und der Fotographie. Aus Sicht der Nachhaltigkeit ist anzumerken, dass es Einweg-Batterien sind. Ein Recycling ist prinzipiell möglich, aber die Rückführung ist schwierig weil z. B. Batterien vor allem über Verkaufsstellen gesammelt werden. Mangan ist ein häufiges Metall ohne besondere gefährliche Eigenschaften, es spielt eine wichtige Rolle in der Photosynthese in Pflanzen (ISE o. J.). Es wird aus Erzen gewonnen. Aus der Nachhaltigkeitsperspektive sind derzeit keine besonderen Bedenken vorhanden.
- Redox-Flow-Batterien (RF-Batterie, Batterieforum o. J.; Wikipedia o. J.): Die Basis dieser Batterie ist eine redox-aktive Flüssigkeit in einem Tank, die mit einer zweiten Flüssigkeit in dem anderen Tank (reversibel) reagiert. Ein Beispiel ist eine Vanadium-Salz-Batterie, bei der Vanadium unterschiedliche Oxidationszustände einnimmt. Die Leistung ist unabhängig von der Kapazität von Anolyt und Katolyt, sie ist skalierbar durch das Volumen und den Salzgehalt. Zentral ist eine Ionen-selektive Membran, die den ganzen Prozess erst möglich macht (im Unterschied zu obigen Batterietypen). Der Wirkungsgrad erster Großanlagen soll bei größer 60 Prozent liegen, die Zyklenfestigkeit bei größer 10.000. Vorteile sind die Millisekunden-Ansprechbarkeit, keine Selbstentladung, und die geringen Wartungsaufwand. Der Nachteil ist die geringe Energiedichte (10 – 25 Wh/l). Anwendungsmöglichkeiten sind das Lastmanagement und Möglichkeit für “Back-up-Power”, d.h. die Stabilisierung des Stromnetzes. Die bisher größte Batterie dieses Typs wurde 2013 in China errichtet aus zehn Einheiten a 20 MW und einer Speicherkapazität von 800 MWh (Erneuerbare Energien 2021). Zum Vergleich: Das größte Pumpspeicherkraftwerk in Deutschland (Markersbach) hat eine Speicherkapazität von 4.000 MWh und eine Leistung von 1.050 MW (Vattenfall o. J.). Vanadium ist ein häufiges Metall ohne besondere gefährliche Eigenschaften, es spielt eine wichtige Rolle in der Phosphorylierung in allen Lebewesen. Es wird aus Erzen und Erdölrückständen gewonnen. Aus der Nachhaltigkeitsperspektive sind derzeit keine besonderen Bedenken vorhanden.
Umweltschutz und Arbeitsbedingungen bei der Rohstoffgewinnung
Ohne Frage führt die Nutzung fossiler Energieträger aufgrund des verursachten Klimawandels aber auch der Atomkraft aufgrund der ungelösten Endlagerfrage zu wesentlich größeren Problemen als die Nutzung erneuerbarer Energieträger. Beispielhaft sollen einige wichtige Themen kurz vorgestellt werden.
Fracking
Fracking wird bei der Erdgas- und Erdölgewinnung und zur Erschließung von Tiefengeothermie eingesetzt. Unter hohem Druck wird Wasser mit Zusatzstoffen in das Speichergestein gepumpt, da es von sich aus nicht durchlässig genug ist. Es können Verunreinigungen von Grund- und Trinkwasser sowie Luftemissionen auftreten und es besteht ein hoher Flächen- und Wasserverbrauch. Kritisch sind besonders die eingesetzten Chemikalien, die deshalb in Deutschland stark reglementiert sind. Besonders kritisch ist der Prozess bei der Erdgasförderung, weshalb “die Erdgasgewinnung in Schiefer-, Ton-, Mergel- und Kohleflöz-Gestein (sogenannte unkonventionelle Fracking-Vorhaben) aufgrund der fehlenden Erfahrungen und Kenntnisse in Deutschland grundsätzlich verboten ist.” (UBA 2017).
Feinstaub
Bis Ende des letzten Jahrhunderts waren Smog und saurer Regen mit ihren gesundheitlichen Folgen (Atemwegserkrankungen) bzw. Umweltfolgen (Baumsterben und Versauerung von Gewässern) eine offensichtliche Wirkung der Nutzung fossiler Brennstoffe. Durch Rußfilter, Verwendung schwefelarmer Brennstoffe und der Entschwefelung von Rauchgasen wurden diese Probleme in der EU weitgehend gelöst. Geblieben sind Gesundheitsfolgen durch Feinstaub und Stickoxiden, denen mit neuen Filteranlagen, Katalysatoren, AdBlue und strengen Abgasnormen begegnet wird. Seit 1995 haben sich die als besonders gefährlich geltenden Feinstaubemissionen fast halbiert von ca. 345.000 t auf 180.000 t (Statista 2022). Ein wirksame Alternative gegen Feinstaub ist vor allem der Umstieg auf E-Mobilität, da diese in Elektromotoren nicht entstehen. Allerdings gibt es eine neue konterkarierende Entwicklung: Es werden immer mehr Kaminöfen in Betrieb genommen: Mehr als 11 Millionen (tagesschau 2022). Das Umweltbundesamt sieht diesen Trend sehr kritisch (ebd.): “Die Kaminöfen, die sich immer stärkerer Beliebtheit erfreuen, belasten die Luftqualität beachtlich …Die Feinstaubemissionen aus der Holzverbrennung übersteigen in Deutschland die Auspuffemissionen von Lkw und Pkw bei weitem”.
Flächenkonkurrenz
Flächenkonkurrenz gibt es grundsätzlich für alle Einrichtungen und Aktivitäten. Wo ein Auto prakt, kann kein Fahrrad stehen, wo eine Schule gebaut wird, finden keine Wohngebäude mehr Platz. Bei fossilen Energien ist die im Tagebau gewonnene Braunkohle das offensichtliche Beispiel für Flächenverbrauch und damit Konkurrenz für andere Nutzungen über Jahrzehnte hinweg. Erneuerbare Energien haben eine geringere Energiedichte als (abgebaute) fossile Brennstoffe. Es wird mehr Fläche benötigt, um (pro Jahr) eine bestimmte Menge an Energie zu gewinnen. Deshalb muss beim Umstieg auf die Erneuerbaren besonders auf eine Minimierung des Flächenverbrauchs geachtet werden. Dies geschieht insbesondere durch Doppelnutzung von Flächen, wo immer dies möglich ist (z. B. Solaranlagen auf Hausdächern) und durch die Nutzung biogener Abfallstoffe (Gülle, Mist, Pflanzenreste) zur Biogasgewinnung, die nicht extra angebaut werden müssen. Innerhalb der Erneuerbaren Energien ist Bioenergie besonders flächenintensiv. Ihr Energieertrag liegt zwischen 1,5 und 7 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr [kWhth/m2/a]. Für andere Erneuerbare liegen die Werte z. B. für die bodennahe Geothermie bei 30 – 40 und für Solarwärme bei 100 bis 230 kWhth/m2/a (Dumke, 2017). Photovoltaik liegt mit der Energiedichte in der Nähe von Solarwärme, für Wind ist der Wert noch höher. Hier hängt die Angabe aber davon ab, wie der “Flächenverbrauch” definiert wird. Die Fläche wird zwar bis auf wenige Meter um die Anlage nicht verbraucht, kommt aber bspw. für Wohnnutzung in einem wesentlich größeren Bereich nicht mehr infrage.
Rohstoffe für Akkus
Für den Umstieg auf EE werden allgemein Speichermedien benötigt. Im Strombereich sind dies z. B. Akkus für E-Autos. Bisher erfolgt der Abbau des hierfür meist genutzten Lithiums häufig weder sozial noch umweltverträglich, z. B. in Lateinamerika. Eingesetzte Chemikalien und Schwermetalle werden freigesetzt . Kinderarbeit kommt immer noch vor. Dies muss aber nicht sein. Wie auch in anderen Bereichen des Bergbaus kann Verbot von Kinderarbeit, eine ökologische und soziale Zertifizierung (Fairtrade) zu “besserem” Lithium führen (Schulz, 2020).
Unabhängig davon ist es wichtig, möglichst wenig Lithium zu verbrauchen, was nur durch eine hohe Recyclingrate gewährleistet werden kann. Hierzu wurden bereits unterschiedliche Verfahren entwickelt, die in den nächsten Jahrzehnten einen wachsenden Anteil des weltweiten Lithiumbedarfs decken können (Buchert et al. 2020).
Folgen für Ökologie und Gesundheit der Energienutzung
Bis Ende des letzten Jahrhunderts waren Smog und Saurer Regen mit ihren gesundheitlichen (Atemwegserkrankungen) bzw. Umweltfolgen (Baumsterben und Versauerung von Gewässern) die offensichtlichen Folgen der Nutzung fossiler Brennstoffe. Durch Rußfilter, Verwendung schwefelarmer Brennstoffe und Entschwefelungsanlagen wurden diese Probleme jedenfalls in der EU weitgehend gelöst. Geblieben sind Gesundheitsfolgen durch Feinstaub und Stickoxiden, denen mit Filteranlagen, Katalysatoren, AdBlue und strengen Abgasnormen begegnet wird. Auch der Umstieg auf E-Mobilität trägt zur Reduktion dieser Schadstoffe bei, da diese in Elektromotoren nicht entstehen.
Quellenverzeichnis
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atmosfair gGmbH (o. J.): Flüge kompensieren. Online: https://www.atmosfair.de/de/kompensieren/flug/
Batterieforum (o. J.): Lexikon. Online https://www.batterieforum-deutschland.de/infoportal/lexikon/redox-flow-batterien/
BGBl (2021): Erstes Gesetz zur Änderung des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes vom 20. Mai 2021.Online: https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?
BGBl (2021): Verordnung zur Neuordnung der Ausbildung in handwerklichen Elektroberufen. Bundesgesetzblatt Jahrgang 2021 Teil I Nr. 15, ausgegeben zu Bonn am 9. April 2021. Online: https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?
BGR (2022): Rohstoffsteckbriefe – Lithium. Online: https://www.bgr.bund.de/DE/Themen/Min_rohstoffe/Downloads/rohstoffsteckbrief_li.pdf
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (2020): Empfehlung des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung vom 17. November 2020 zur „Anwendung der Standardberufsbildpositionen in der Ausbildungspraxis“. BAnz AT 22.12.2020 S4. Online: https://www.bibb.de/dokumente/pdf/HA172.pdf
BINE (2013): Solarthermische Kraftwerke Konzentriertes Sonnenlicht zur Energieerzeugung nutzen BINE-Themeninfo II/2013 Herausgeber FIZ Karlsruhe GmbH · Leibniz-Institut für Informationsinfrastruktur Online: https://api.deutsche-digitale-bibliothek.de/binary/d12a1876-e90c-4de4-aa5d-6f53b153096d.pdf
Buchert, Matthias und Sutter, Jürgen (2020): Stand und Perspektiven des Recyclings von Lithium-Ionen-Batterien aus der Elektromobilität. Online: https://www.erneuerbar-mobil.de/sites/default/files/2020-09/Strategiepapier-Mercator-Recycling-Batterien.pdf
Bundestag (o. J.): Strom, Wärme, Kälte: Das Energiekonzept des deutschen Bundestages. Online: https://www.bundestag.de/besuche/architektur/energie
capital 2022: Lithium-Reserven – eine Frage der Prognose. Online: https://www.capital.de/wirtschaft-politik/lithium-reserven-eine-frage-der-prognose
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SDG 8 Menschenwürdige Arbeit
“Dauerhaftes, inklusives und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern”
In der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie wird zum SDG 8 auf das Leitbild „Soziale Marktwirtschaft“ verwiesen (Bunderegierung 2021: 2214):
„Soziales Ziel ist es, unternehmerische Freiheit und funktionierenden Wettbewerb mit sozialem Ausgleich und sozialer Sicherheit zu verbinden. Mit Hilfe der Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft, wie fairer Wettbewerb, Unternehmerverantwortung, Sozialpartnerschaft, Mitbestimmung und gerechte Verteilung des erwirtschafteten Wohlstands, werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass wir auch in Zukunft noch Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung haben.“
Hinsichtlich des SDG 8 sind zwei Ebenen zu betrachten: Eine nationale Ebene und die globale Ebene.
Auf der nationalen Ebene steht Deutschland laut der „European Working Survey” hinsichtlich der Arbeitsbedingungen sehr gut da – 89 Prozent der Befragten geben an, mit ihrem Job zufrieden zu sein und 91 Prozent bestätigen einen fairen Umgang mit ihnen als Arbeitnehmer*innen (Eurofond 2021). Jedoch zeigt der Index “Gute Arbeit” des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB 2022) detailliert, dass es in manchen Branchen, wie dem Gesundheitssektor und bei Beschäftigten in Leiharbeitsverhältnissen noch große Defizite gibt (DGB 2022). Besonders negativ sind hierbei die Kriterien “Arbeitsintensität” und “Einkommen” aufgefallen, die notwendigen Handlungsbedarf in Berufsbildern aufzeigen.
Auch wenn Kinderarbeit und Sklaverei in Deutschland keine Rolle spielen, so ist die Umsetzung der verschiedenen Unterziele des SDG 8 eine dauerhafte Aufgabe im Sinne einer kontinuierlichen Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Noch ein zweites gilt: Aufgrund der komplexen Lieferketten müssen Unternehmen Verantwortung für ihre Produkte auch in den Ländern, wo diese hergestellt werden, übernehmen. An dieser Stelle sollen folgende Unterziele betrachtet werden:
8.5 Bis 2030 produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle Frauen und Männer, einschließlich junger Menschen und Menschen mit Behinderungen, sowie gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit erreichen
8.6 Bis 2020 den Anteil junger Menschen, die ohne Beschäftigung sind und keine Schul- oder Berufsausbildung durchlaufen, erheblich verringern
8.b Bis 2020 eine globale Strategie für Jugendbeschäftigung erarbeiten und auf den Weg bringen und den GLOBALEN BESCHÄFTIGUNGSPAKT DER INTERNATIONALEN ARBEITSORGANISATION umsetzen (ILO o. J.; Destatis o. J.)
8.7 Sofortige und wirksame Maßnahmen ergreifen, um Zwangsarbeit abzuschaffen, moderne Sklaverei und Menschenhandel zu beenden und das Verbot und die Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit, einschließlich der Einziehung und des Einsatzes von Kindersoldaten, sicherstellen und bis 2025 jede Form von Kinderarbeit ein Ende setzen
8.8 Die Arbeitsrechte schützen und sichere Arbeitsumgebungen für alle Arbeitnehmer, einschließlich der Wanderarbeitnehmer, insbesondere der Wanderarbeitnehmerinnen, und der Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen, fördern.
Die Schnittstellen zur neuen Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ ergibt sich über die Beachtung der gesellschaftlichen Folgen des beruflichen sowie der zu entwickelnden Beiträge für ein nachhaltiges Handeln (BMBF 2022)
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Menschenwürdige Arbeit
Menschenwürdige Arbeit in Deutschland bedeutet vor allem Arbeit, die sich zumindest an internationalen Standards orientiert. Formuliert sind diese in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Vereinte Nationen 1948; UN-Charta, Artikel 23 und 24). Als “menschenunwürdige Arbeit” werden Kinderarbeit, Sklavenarbeit und teilweise Leiharbeit bezeichnet sowie Merkmale bei den Beschäftigungsverhältnissen, die sich nicht an den o.g. Regelwerken orientieren, wie “fehlende soziale Sicherheit”, “mangelnder Arbeitsschutz”, “Ausnutzung von Scheinselbstständigen” und “Ungleichbehandlung von Frauen”.
Saisonarbeit
Alle bei einem in Deutschland ansässigen Unternehmen befristet angestellte Arbeitnehmer: innen aus anderen Ländern werden als Saisonarbeiter bezeichnet. Laut Definition in den relevanten Vorschriften üben sie eine Tätigkeit aus die “aufgrund eines immer wiederkehrenden saisonbedingten Ereignisses oder einer immer wiederkehrenden Abfolge saisonbedingter Ereignisse an eine Jahreszeit gebunden sind, während der Bedarf an Arbeitskräften den für gewöhnlich durchgeführte Tätigkeiten erforderlichen Bedarf in erheblichem Maße übersteigt” (Zoll 2022). Folgende Bereiche setzen Saisonarbeitskräfte ein:
- Tourismus: Gaststätten, Hotels für Kellner: innen, Küchenpersonal, Zimmerservice und in Betrieben, die nicht ganzjährig geöffnet sind, wie Biergärten und Skihütten, oder auch zur Abdeckung von Arbeitsspitzen in Ausflugslokalen.
- Schaustellergewerbe auf Volksfesten, Jahrmärkten etc.
- In der Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau (Erntehilfen in Sonderkulturbetrieben wie Obst-, Gemüse- oder Weinbau).
DGB Index Gute Arbeit
Die Qualität von Arbeitsbedingungen wird seit 2012 aufgrund von 42 standardisierten Fragen in einer bundesweiten repräsentativen Erhebung ermittelt (DGB 2022). Elf Kriterien der Arbeitsqualität werden abgefragt. Im November 2022 wurde der DGB-Index Gute Arbeit 2022 veröffentlicht. Wie schon in den vorangegangenen Jahren gibt es zu den Kriterien „Arbeitsintensität“ und „Einkommen“ erheblich kritische Bewertungen.
Der Index 2022 zeigt z. B. für die Branchen „Metallerzeugung und –bearbeitung“ (64), „Ver- und Entsorgung“ (69), „Baugewerbe“ (66), „Gastgewerbe“ (62), „Information und Kommunikation“ (69), „Finanz- und Versicherungsdienstleistungen“ (68) und „Gesundheitswesen“ (62) auf, dass die Arbeitsbedingungen noch weit entfernt sind vom Anspruch „Gute Arbeit“.
In der ausführlichen Debatte über die Detailergebnisse für 2022 sticht hervor, dass Beschäftigte in Leiharbeitsverhältnissen ihre Situation auffällig schlecht bewerten (ebd.).
„Auf Branchenebene kommen Beschäftigte aus dem Gastgewerbe und dem Gesundheitswesen auf die niedrigsten Indexwerte (jeweils 62 Punkte). In der Informations- und Kommunikationsbranche (IuK) liegt der Wert dagegen bei 69 Punkten. Auch in den Branchen treten auf Ebene der Teilindizes zum Teil sehr große Unterschiede zutage. Beim Teilindex „Ressourcen“ kommen IuK-Beschäftigte auf 75 Indexpunkte, Arbeitnehmer*innen aus der Metallerzeugung und -bearbeitung dagegen lediglich auf 68 Punkte. Die höchsten Belastungen finden sich im Bereich Erziehung und Unterricht (54 Punkte) sowie im Gesundheitswesen (56 Punkte), wo häufig sowohl physische als auch psychische Belastungsfaktoren auftreten. Die größte Diskrepanz auf Branchenebene zeigt sich bei der Bewertung von „Einkommen und Sicherheit“. Hier liegen die Befragten aus dem Gastgewerbe mit 54 Punkten um 16 Punkte unter dem Wert der Beschäftigten aus der öffentlichen Verwaltung (70 Punkte).“ (a.a.O., S. 13)
Darüber hinaus zeigt der Blick in einzelne Branchen und Berufsgruppen, dass noch immer körperliche Belastungen in vielen Bereichen sehr verbreitet sind (ebd.:S. 19).
Einen wesentlichen Einfluss auf die Bewertung der eigenen Arbeitsbedingungen haben die Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten im Arbeitskontext. Im Zusammenhang mit nachhaltiger Entwicklung ist das Kriterium „Sinn der Arbeit“ eine wesentliche Ressource zur Beurteilung der eigenen Arbeitsbedingungen. Dazu führt der Bericht „Index Gute Arbeit 2022“ aus: „Der Sinngehalt von Arbeit ist eine Ressource, die sich aus unterschiedlichen Quellen speisen kann. Dazu gehört, dass die Produkte bzw. Dienstleistungen, die produziert oder erbracht werden, als nützlich erachtet werden. Häufig ist dies mit der Einschätzung verbunden, ob die Arbeit einen gesellschaftlichen Mehrwert erzeugt. Sinnhaftigkeit kann dadurch entstehen, dass die Arbeit einen Nutzen für Andere hat. Und wichtig für Sinnempfinden ist auch, dass die eigenen, ganz konkreten Arbeitsaufgaben und -merkmale nicht sinnlos erscheinen. Wird Arbeit als sinnvoll empfunden, wirkt sich das positiv auf die Motivation und das Wohlbefinden der Beschäftigten aus. Dauerhaft einer als sinnlos erachteten Arbeit nachzugehen, stellt dagegen eine mögliche psychische Belastung und damit ein gesundheitliches Risiko dar.
BDA - Die Arbeitgeber
Die Arbeitgeber argumentieren mit positiven Statistiken, dass die Arbeitsbedingungen in Deutschland sehr gut sind (BDA o. J.). So sind laut der European Working survey 89 Prozent der in Deutschland Beschäftigten mit ihrem Job zufrieden, 74 Prozent gaben in der Befragung an, dass ihnen ihr Job Spaß macht und 91 Prozent bestätigen einen fairen Umgang am Arbeitsplatz (Eurofond 2021, BDA o. J.). Auch hinsichtlich der Arbeitssicherheit ist die Entwicklung positiv: Sowohl die Arbeitsunfälle, als auch die Unfallquote hat sich seit 1991 halbiert (BDA o. J.). Diese befinden sich seit 2004 unter 1 Mio. und bewegen sich seitdem zwischen 954.000 und 760.000 gemeldeten Fällen (Statista 2021).
Außerdem wird auf die Prävention und den Gesundheitsschutz hingewiesen, für den 2016 ca. 5 Mrd. € ausgegeben wurden, was 40 Prozent der gesamten Ausgaben von 11,7 Mrd. € ausmacht (BDA o. J.). Die betriebliche Gesundheitsförderung, wie Stressmanagement, gesundheitsgerechte Mitarbeiterführung oder Reduktion der körperlichen Belastung kommt dabei sowohl den Beschäftigten als auch den Arbeitgebern zugute. Zuletzt wird noch auf die Eigenverantwortung hingewiesen, die aus selbstverantwortlichen Entscheidungen und flexibleren Arbeitszeiten resultiert.
Prekäre Beschäftigungsverhältnisse
Menschen arbeiten auch in Deutschland teilweise in prekären Beschäftigungsverhältnissen und die “Bedeutung des sogenannten Normalarbeitsverhältnisses nimmt ab, während atypische Formen von Arbeit an Bedeutung zunehmen” (Jakob 2016). Dazu zählen befristete Arbeitsverträge, geringfügige Beschäftigung, Zeitarbeit, (Ketten-)Werkverträge und verschiedene Formen der (Schein-)Selbstständigkeit oder auch Praktika. Durch die Agenda 2010 wurde das Sicherungsniveau für von Arbeitslosigkeit Betroffene deutlich gesenkt (Arbeitslosengeld I in der Regel nur für ein Jahr, danach Arbeitslosengeld II). Menschen sehen sich eher gezwungen, “jede Arbeit zu fast jedem Preis und zu jeder Bedingung anzunehmen. Das hat dazu geführt, dass die Löhne im unteren Einkommensbereich stark gesunken sind” (Jakob 2016). 2015 wurde mit der Einführung des Mindestlohns dagegen gesteuert.
Das Thema betrifft auch das SDG 10 “Ungleichheit”, denn jeder Mensch hat das Recht auf faire und gute Arbeitsverhältnisse, dies ist vielen Menschen jedoch verwehrt. Prekäre Beschäftigung widerspricht dem Leitbild von ”Guter Arbeit“, verbaut Entwicklungsmöglichkeiten von Beschäftigten und verstärkt nachweislich den Trend zu psychischen Belastungen und Erkrankungen sowie deren Folgewirkungen (Jakob 2016) (siehe auch SDG “Gesundheit”) .
Kinderarbeit
Zur Definition und Umsetzung von menschenwürdigen Arbeitsbedingungen sind global große Unterschiede zu verzeichnen. Ein Beispiel hierfür ist die Kinderarbeit, die weltweit noch immer verbreitet ist. 79 Millionen Kinder arbeiten unter ausbeuterischen Bedingungen, vor allem in Fabriken, die wenig qualifiziertes Personal benötigen oder in der Landwirtschaft sowie im Bergbau (BMZ 2021 und 2022). Nach Angaben der ILO müssen weltweit rund 152 Millionen Kinder zwischen fünf und siebzehn Jahren arbeiten, vor allem in der Landwirtschaft, als Hausangestellte oder in Minen. Viele dieser Tätigkeiten sind gesundheitsgefährdend. Die ILO setzt sich schon lange für die Abschaffung von Kinderarbeit ein, sie ist Partnerorganisation in der „Allianz 8.7“, einer globalen Partnerschaft, die sich zum Ziel gesetzt hat, Zwangsarbeit, moderne Sklaverei, Menschenhandel und Kinderarbeit weltweit zu beseitigen, wie es in den Zielen für nachhaltige Entwicklung 2030 formuliert wurde. (ILO 2021) Unter Mitwirkung der deutschen Bundesregierung wird seit 1992 ein von der ILO betriebenes Internationales Programm zur Abschaffung der Kinderarbeit umgesetzt (International Programme on the Elimination of Child Labour, IPEC<, BMZ 2022)
Arbeitsschutz, Gesundheit und Gute Arbeit
Im Bereich “Gesundheit” und “Gute Arbeit” sind durch die Folgen des Klimawandels wesentliche neue Herausforderungen sowohl für die Arbeitskräfte als auch für die Gesellschaft festzustellen. Bei Bauarbeiten im Freien sind alle Arbeitenden durch Extremwetterereignisse wie hohe Temperaturen und lang anhaltende Hitzewellen, oder auch Starkregenereignisse, mit diesen neuen Herausforderungen direkt konfrontiert.
Gender Pay Gap
Unterschiedliche Entlohnung für vergleichbare Tätigkeiten und Qualifikation für Frauen und Männer lassen sich durch die statistischen Erhebungen des Statistischen Bundesamtes aufzeigen. In einer Pressemitteilung vom März 2022 wird betont, dass Frauen pro Stunde noch immer 18 Prozent weniger verdienen als Männer: „Frauen haben im Jahr 2021 in Deutschland pro Stunde durchschnittlich 18 Prozent weniger verdient als Männer”. Damit blieb der Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern – der unbereinigte Gender Pay Gap– im Vergleich zum Vorjahr unverändert. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) anlässlich des Equal Pay Day am 7. März 2022 weiter mitteilte, erhielten Frauen mit durchschnittlich 19,12 Euro einen um 4,08 Euro geringeren Bruttostundenverdienst als Männer (23,20 Euro).
Allerdings vergleicht der unbereinigte Gender Pay Gap lediglich den Durchschnittsverdienst aller Arbeitnehmer beziehungsweise Arbeitnehmerinnen allgemein miteinander. Somit wird auch der Teil des Verdienstunterschiedes erfasst, der beispielsweise durch unterschiedliche Berufe oder Karrierestufen verursacht wird. Dagegen misst der bereinigte Gender Pay Gap den Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen mit vergleichbaren Qualifikationen, Tätigkeiten und Erwerbsbiografien. Strukturbedingte Faktoren sind hier also weitgehend herausgerechnet. Ca. 71 Prozent des Verdienstabstands lassen sich durch derartige strukturbedingte Faktoren wie z. B. dass Frauen häufiger in Branchen und Berufen arbeiten, in denen schlechter bezahlt wird und sie seltener Führungspositionen erreichen, erklären. Die verbleibenden 29 Prozent des Verdienstunterschiedes entsprechen dem bereinigten Gender Pay Gap. Hier kann der Verdienstabstand nicht durch strukturbedingte Faktoren erklärt werden. Demnach verdienten Arbeitnehmerinnen im Durchschnitt auch bei vergleichbarer Tätigkeit und Qualifikation im Jahr 2018 pro Stunde 6 Prozent weniger als Männer. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Unterschiede geringer ausfallen würden, wenn weitere Informationen über lohnrelevante Einflussfaktoren für die Analysen zur Verfügung stünden (zum Beispiel Angaben zu Erwerbsunterbrechungen aufgrund von Schwangerschaft, Geburt von Kindern oder Pflege von Angehörigen). Der bereinigte Gender Pay Gap ist daher als Obergrenze für Verdienstdiskriminierung zu verstehen (Destatis 2022).
Deutsches Sorgfaltspflichtengesetz
Um ihrer Verantwortung zum Schutz der Menschenrechte gerecht zu werden, setzt die Bundesregierung die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen mit dem Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte von 2016 (Nationaler Aktionsplan, Bundesregierung 2017; 2021; 2022) in der Bundesrepublik Deutschland mit einem Gesetz um. Das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten ist besser unter dem Namen Lieferkettengesetz oder auch Sorgfaltspflichtengesetz bekannt (BMAS 2022, o.a. “Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz”). Dort ist die Erwartung an Unternehmen formuliert, mit Bezug auf ihre Größe, Branche und Position in der Lieferkette in angemessener Weise die menschenrechtlichen Risiken in ihren Liefer- und Wertschöpfungsketten zu ermitteln, ihnen zu begegnen, darüber zu berichten und Beschwerdeverfahren zu ermöglichen.
Das Lieferkettengesetz tritt 2023 in Kraft und gilt dann zunächst für Unternehmen mit mehr als 3.000, ab 2024 mit mehr als 1.000 Angestellten. Es verpflichtet die Unternehmen, in ihren Lieferketten menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in angemessener Weise zu beachten. Kleine und mittlere Unternehmen werden nicht direkt belastet. Allerdings können diese dann betroffen sein, wenn sie Teil der Lieferkette großer Unternehmen sind.
Unabhängig ob betroffen oder nicht: Es lohnt sich auch für kleinere Unternehmen, sich mit dem Gesetz adressierten Nachhaltigkeitsthemen auseinanderzusetzen, um das eigene Handeln entlang dieser Leitplanken zu überprüfen. Der Nachhaltigkeitsbezug ist unter anderem durch den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) gegeben, er gab einen wichtigen Impuls für das Gesetz. Der NAP wurde gemeinsam von Politik und Unternehmen verabschiedet, um zu einer sozial gerechteren Globalisierung beizutragen (Bundesregierung 2017). Ergebnisse einer 2020 im Rahmen des Nationalen Aktionsplans durchgeführten repräsentativen Untersuchungen zeigten jedoch, dass lediglich zwischen 13 und 17 Prozent der befragten Unternehmen die Anforderungen des Nationalen Aktionsplans erfüllen (VENRO 2021). Der gesetzgeberische Impuls war also erforderlich, um die Einhaltung der Menschenrechte zu fördern und damit auch zu einem fairen Wettbewerb zwischen konkurrierenden Unternehmen beizutragen.
Das Lieferkettengesetz rückt internationale Menschenrechtsabkommen und lieferkettentypische Risiken in den Blick: Dazu zählen bspw. das Verbot von Kinderarbeit, der Schutz vor Sklaverei und Zwangsarbeit, die Vorenthaltung eines gerechten Lohns, der Schutz vor widerrechtlichem Landentzug oder der Arbeitsschutz und damit zusammenhängende Gesundheitsgefahren. Es werden zudem internationale Umweltabkommen benannt. Sie adressieren die Problembereiche Quecksilber, persistente organische Schadstoffe und die grenzüberschreitende Verbringung gefährlicher Abfälle und ihre Entsorgung. Zu den jetzt gesetzlich geregelten Sorgfaltspflichten der Unternehmen gehören Aufgaben wie die Durchführung einer Risikoanalyse, die Verankerung von Präventionsmaßnahmen und das sofortige Ergreifen von Abhilfemaßnahmen bei festgestellten Rechtsverstößen. Die neuen Pflichten der Unternehmen sind nach den tatsächlichen Einflussmöglichkeiten abgestuft, je nachdem, ob es sich um den eigenen Geschäftsbereich, einen direkten Vertragspartner oder einen mittelbaren Zulieferer handelt. Bei Verstößen kann die zuständige Aufsichtsbehörde Bußgelder verhängen. Unternehmen können von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden.
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BMAS Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2022): Sorgfaltspflichtengesetz – Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten. Online: https://www.bmas.de/DE/Service/Gesetze-und-Gesetzesvorhaben/gesetz-unternehmerische-sorgfaltspflichten-lieferketten.html
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ILO Internationale Arbeitsorganisation (o. J.): Erholung von der Krise: Ein Globaler Beschäftigungspakt. Online; https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/—ed_norm/—relconf/documents/publication/wcms_820295.pdf
Jakob, Johannes (2016) in: Forum Menschenrechte et al.(2019): Bericht Deutschland und die UN-Nachhaltigkeitsagenda 2016. Noch lange nicht nachhaltig, II.11. Gute und menschenwürdige Arbeit auch in Deutschland. Online: www.2030report.de/de/bericht/317/kapitel/ii11-gute-und-menschenwuerdige-arbeit-auch-deutschland
Öko-Institut (o. J.): Nachhaltige Unternehmensführung: Verantwortung für Gesellschaft und Umwelt. Online: www.oeko.de/forschung-beratung/themen/konsum-und-unternehmen/nachhaltige-unternehmensfuehrung-verantwortung-fuer-gesellschaft-und-umwelt
Schulten, Thorsten; Specht, Johannes (2021): Ein Jahr Arbeitsschutzkontrollgesetz – Grundlegender Wandel in der Fleischindustrie? Online: www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/fleisch-2021/344835/ein-jahr-arbeitsschutzkontrollgesetz/
Springer Gabler (o. J.): Gabler Wirtschaftslexikon: Definition Nachhaltiges Nachhaltigkeit im Personalmanagement. Online: https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/nachhaltiges-personalmanagement-53887
statista (2021): Arbeitsunfälle in Deutschland. Online: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/6051/umfrage/gemeldete-arbeitsunfaelle-in-deutschland-seit-1986/
VENRO Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (2021): Vier Jahre Nationaler Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP). Online: https://venro.org/publikationen/detail/vier-jahre-nationaler-aktionsplan-wirtschaft-und-menschenrechte-nap
Vereinte Nationen (1948): Resolution der Generalversammlung 217 A (III). Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Online: https://www.un.org/depts/german/menschenrechte/aemr.pdf
Vereinte Nationen 2015: Resolution der Generalversammlung „Transformation unserer Welt: die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“. Online: https://www.un.org/depts/german/gv-70/band1/ar70001.pdf
Welthungerhilfe (2020): Indien hält bei der Kinderarbeit den traurigen Spitzenplatz. Online: www.welthungerhilfe.de/welternaehrung/rubriken/wirtschaft-menschenrechte/indien-haelt-bei-kinderarbeit-den-traurigen-spitzenplatz
Zoll 2022: Verpflegung und Unterkunft für Saisonarbeitskräfte. Online: https://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Arbeit/Mindestarbeitsbedingungen/Mindestlohn-Mindestlohngesetz/Berechnung-Zahlung-Mindestlohns/Verpflegung-Unterkunft-Saisonarbeitskraefte/verpflegung-unterkunft-saisonarbeitskraefte_node.html
SDG 9 Industrie, Innovation und Infrastruktur
“Eine widerstandsfähige Infrastruktur aufbauen, inklusive und nachhaltige Industrialisierung fördern und Innovationen unterstützen”
SDG 9, zielt im Kern darauf ab, für alle Menschen einen gleichberechtigten Zugang zu einer hochwertigen und verlässlichen Infrastruktur zu gewährleisten. Für den Straßenbau als die zentrale Infrastruktur für Mobilität von Gütern und Personen sind vor allem die folgenden Unterziele von Relevanz (Destatis 2022):
SDG 9.1 “Eine hochwertige, verlässliche, nachhaltige und widerstandsfähige Infrastruktur aufbauen, einschließlich regionaler und grenzüberschreitender Infrastruktur, um die wirtschaftliche Entwicklung und das menschliche Wohlergehen zu unterstützen, und dabei den Schwerpunkt auf einen erschwinglichen und gleichberechtigten Zugang für alle legen”
SDG 9.4 “Bis 2030 die Infrastruktur modernisieren und die Industrien nachrüsten, um sie nachhaltig zu machen, mit effizienteren Ressourceneinsatz und unter vermehrter Nutzung sauberer und umweltverträglicher Technologien und Industrieprozesse, wobei alle Länder Maßnahmen entsprechend ihren jeweiligen Kapazitäten ergreifen”
Strassen zählen par excellence zu den gebauten Infrastrukturen. Sie stellen den Transport von Gütern und Personen sicher und sind die entscheidende Voraussetzung für Mobilität. Als zentrale Infrastruktur sind Strassen maßgeblich am Mobilitätsverhalten der Verkehrsteilnehmer beteiligt. So induzieren gut ausgebaute Autostraßen mehr Autoverkehr. In ähnlicher Weise lassen sich mit gut ausgebauten Rad- und Fußwegen der Rad- und Fußverkehr fördern. Beim Straßenbau steht jedoch meist der möglichst effiziente Transport von Gütern und Personen mit einem günstigen Nutzen-Kosten-Verhältnis im Vordergrund. Weitere Straßenfunktionen wie die raumordnerische Bedeutung, die städtebauliche Bewertung sowie Umweltrisiken rücken dann in den Hintergrund.
Dabei verursachen Straßen sowohl beim Bau, aber eben auch während der Nutzung erhebliche Schäden an der Umwelt und der menschlichen Gesundheit. Die durch den Straßenverkehr freigesetzten Luftschadstoffe können zum einen direkte Schäden an Pflanzen und Tieren bewirken, zum anderen können sie nach ihrer Ablagerung abiotische Umweltfaktoren verändern. Bestimmte Arten und Lebensgemeinschaften werden dadurch verdrängt. Hohe Einträge luftgetragener Schadstoffe führen so zu einem Verlust an biologischer Vielfalt und bedrohen naturnahe Ökosysteme dauerhaft in ihrer Existenz.
Allerdings durchschneiden Straßen auch Lebensräume von Tieren und Pflanzen. Dies hat weit größere Folgen, als auf den ersten Blick zu erkennen ist. Der Grund ist, dass für die Pflanzen- und Tierwelt und damit auch für den Menschen funktionsfähige Ökosysteme zerschnitten und wichtige Ökosystemdienstleistungen eingeschränkt werden. Diese Einschränkung hängt vom Ausbau der Straße ab: Je breiter eine Straße ist und je stärker der Verkehr ist, desto stärker ist auch die Einschränkung, die sie für ein Ökosystem mit sich bringt. Doch auch bereits kleine Straßen können die Funktionstüchtigkeit von Ökosystemen beeinträchtigen.
Zusätzlich erhöht der Straßenbau auch die Gefahr für Bodenerosion.
Der Straßenbau führt gleichzeitig auch dazu, dass zuvor nur schwer zu erreichende Gegenden besser erreichbar werden. Die Erschließung neuer Gebiete setzt oft eine Kettenreaktion in Gang, in deren Folge es zum Neubau von weiteren Straßen, zur Abholzung von Waldgebieten und zum Ausbau von Industrien und Wohngebieten kommt.
Umweltverträglichkeitsprüfung von Straßen
Zur wirksamen Umweltvorsorge werden bei Planungen von baulichen Infrastrukturen wie Straßen die vielfältigen Auswirkungen sowie deren Wechselwirkung berücksichtigt: auf die Menschen und ihre Gesundheit, auf Tiere, Pflanzen und die biologische Vielfalt, auf Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft, auf Kultur- und sonstige Sachgüter. Ein Instrument zur frühzeitigen Prüfung der Umweltwirkung ist die sogenannte Umweltverträglichkeitsprüfung. Dabei handelt es sich um ein umweltpolitisches Instrument der Umweltvorsorge mit dem Ziel, umweltrelevante Vorhaben vor ihrer Zulassung auf mögliche Umweltauswirkungen hin zu überprüfen (UVPG 2021).
Mit dem Berücksichtigungsgebot des § 13 Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) werden die Träger öffentlicher Aufgaben dazu verpflichtet, den Klimaschutz bei ihren Planungen und Entscheidungen einzubeziehen. Auch durch die Änderung der Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (UVP-RL) und des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) wurden die Anforderungen an die Berücksichtigung des Klimaschutzes gestärkt und auf die Aspekte des globalen Klimas ausgeweitet. Die Anforderungen der Klimaverträglichkeit von Infrastrukturprojekten werden bei UVP-Vorhaben zu beachten sein. Die Prüfung der Auswirkungen auf das globale Klima durch Treibhausgasemissionen (THG-Emissionen) ist danach fester Bestandteil bei der Planung und Zulassung von Straßen.
Boden und Flächeninanspruchnahme
Für Menschen, Tiere und Pflanzen ist der Boden eine unverzichtbare Lebensgrundlage. Böden liefern Nahrungsmittel und Rohstoffe, speichern und filtern Wasser und können Schadstoffe abbauen. Sie stellen für den Menschen Flächen zur Besiedelung, für den Verkehr und für die Freizeit zur Verfügung. Natur- und kulturgeschichtlich sind Böden zudem ein planetarisches Archiv für die historische Entwicklung. Eine für das Klimageschehen zunehmend bedeutsame Funktion des Bodens ist seine Fähigkeit, große Mengen an Kohlenstoff zu speichern.
Böden haben daher eine Vielzahl von Funktionen die in Konkurrenz zueinander stehen und daher nicht alle gleichzeitig erfüllt werden können. Zudem sind manche dieser Funktionen durch Verunreinigungen, Erosion, Humusrückgang und Verdichtung vielfältig bedroht oder bereits eingeschränkt. Aufgrund der langsamen physikalischen, chemischen und biologischen Prozesse sind bereits eingetreten Schäden kurzfristig kaum zu beheben, denn fruchtbarer Boden benötigt zur Neubildung von einem Zentimeter 200 bis 300 Jahre. Der Verlust von Humus und Nährstoffen stellen daher zusammen mit Bodenerosion, Versalzung und Versauerung sowie Schadstoffbelastungen schwerwiegende Probleme für die Menschen und die Umwelt dar (BMUV 2022).
Deutlich erkennbar ist, dass durch die Nutzung der Böden für Siedlung und Verkehr insbesondere die biologischen Bodenfunktionen immer weiter zurückgedrängt werden. In Deutschland werden in jeder Sekunde fast elf Quadratmeter Fläche für Siedlungs- und Verkehrszwecke neu in Anspruch genommen. Davon wird knapp die Hälfte versiegelt und verliert dadurch seine natürlichen Bodenfunktionen wie Wasserdurchlässigkeit oder –speicherfähigkeit. Die Folgen sind Verlust von Bodenfruchtbarkeit sowie von Lebensraum für Organismen (BMUV 2022).
Ein nachhaltiger Umgang mit den Böden zielt darauf ab, die begrenzte Ressource Boden so zu erhalten, dass die vielfältigen Funktionen des Bodens auch künftigen Generationen im gleichen Umfang zur Verfügung stehen. Dazu muss insbesondere die Menge an organischer Bodensubstanz erhalten werden (BMUV 2022).
Aktiver Bodenschutz kann bereits kleinteilig zum Erfolg führen. Möglichkeiten sind der Verzicht auf Pflanzenschutzmittel, das Schaffen von Versickerungsflächen und das Zulassen von Bewuchs, um so den Boden als Lebensraum für viele Kleinorganismen zu sichern.
Die nationale Nachhaltigkeitsstrategie Deutschlands sieht vor bis zum Jahr 2030 die Inanspruchnahme von Flächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke von circa 54 Hektar pro Tag im Jahr 2020 auf unter 30 Hektar pro Tag zu reduziert (Bundesregierung 2021).
Um diese Ziel zu erreichen bietet sich eine Kreislaufwirtschaft für Flächen an, die Umwandlung und Recycling einschließt. Dabei wird ein Neuverbrauch von Flächen Inanspruchnahme weitgehend vermieden indem vermehrt bestehende Brachflächen für Siedlungszwecke genutzt werden. Doch auch die Renaturierung von bisher städtebaulich genutzten Flächen, die Entsiegelung sowie die Verdichtung sind Maßnahmen zur Kreislaufwirtschaft von Flächen (BBR 2007).
Eine umweltökonomische Möglichkeit, die Flächeninanspruchnahme zu reduzieren, ist der Zertifikathandel mit Flächen. Dabei müssen, ähnlich wie beim Emissionshandel, für jede Flächeninanspruchnahme durch Siedlung und Verkehr handelbare Nutzungszertifikate erworben werden. Durch eine zunehmende Verringerung der zur Verfügung gestellten Menge an Zertifikaten lässt sich das Reduktionsziel den Neuverbrauch von Flächen auf 30 Hektar pro Tag zu begrenzen zielsicher erreichen (UBA 2012)
Wasserdurchlässige Pflasterflächen
Um der Flächenversiegelung entgegenzuwirken, bieten sich wasserdurchlässige Pflasterflächen an. Der Klassiker der wasserdurchlässigen Pflasterfläche ist sicherlich der auch befahrbare Rasengitterstein. Denn dann kann Regenwasser dort, wo es niederfällt, direkt in den Erdboden versickern und damit am biologischen Wasserkreislauf teilnehmen. Zudem tragen entsiegelte Flächen mit einer hohen Versickerungsleistung dazu bei, bei Starkregenereignissen Überflutungen zu vermeiden. Wasserschäden bleiben überschaubar und die öffentliche Kanalisation wird geschont. Versickerungsfähige Pflaster sind allerdings nicht an jedem Ort ökologisch. Auf stark belasteten Verkehrsflächen, wo das Regenwasser viele Schadstoffe aufnimmt, wäre es sogar umweltschädlich, wenn die verschmutzten Niederschläge einfach so ins Erdreich versickern würden. In solchen Fällen ist daher nicht das Versickern, sondern das Ableiten und Reinigen des Regenwassers empfehlenswert. Versickerungsfähige Pflastersteine eignen sich aufgrund ihrer geringeren Belastbarkeit also nicht für Straßen oder sonstige stark belastete Flächen. Sie sind aber eine gute Wahl für Fuß- und Radwege, für gepflasterte Hofflächen und Pkw-Parkplätze. Nicht zuletzt sind für den heimischen Garten und die Terrasse eine gute Alternative zu Waschbetonplatten.
Da Pflasterbeläge aus vielen Einzelsteinen bestehen, lässt sich ein gewisses Ausmaß an Wasserdurchlässigkeit ganz einfach über die Fugen sicherstellen. Schon bei 1 cm breiten Fugen, die mit losem Sand und Splitt gefüllt sind, werden gute Versickerungsergebnisse erzielt. Um die Einhaltung der Fugenbreite dauerhaft zu garantieren, kommen bei vielen künstlichen Steinsystemen spezielle Abstandhalter zum Einsatz. Wenn die Flächen ansonsten aus stabilen Betonsteinen oder Natursteinen bestehen, sind sie trotz breiter Fugen sehr belastbar und können zum Beispiel auch mit Wohnmobilen befahren werden.
Damit die Versickerung funktioniert, ist es jedoch erforderlich, die Fugen in ungebundener Bauweise auszuführen, denn bei gebundener Bauweise, bei der das Fugenmaterial aus Mörtel besteht, ist eine Versickerung kaum möglich. Ungebundene Fugen sind allerdings anfällig für unerwünschten Pflanzenbewuchs. Sehr breite Fugen optimieren zwar die Versickerung, bergen aber das Risiko, dass die Fugen ausgeschwemmt werden und dadurch die Stabilität des Pflasterbelags verloren geht.
Die Versickerungsleistung einer Pflasterfläche ließe sich weiter erhöhen, wenn nicht nur die Fugen, sondern auch die Pflastersteine selbst wasserdurchlässig ausgeführt sind. Um das zu erreichen, werden Pflastersteine mit haufwerksporiger Struktur wie zum Beispiel Leicht- oder Dränbeton ausgeführt. Dafür wären Baustoffe mit haufwerksporiger Struktur vonnöten, wie sie zum Beispiel bei Mauerwerk aus Leichtbeton und bei Dränbeton für den Straßen- und Wegebau üblich sind. Tatsächlich gibt es auch für den Garten- und Landschaftsbau solche haufwerksporigen Betonsteinpflaster.Sie werden auch als Filter- oder Porensteine bezeichnet. Porensteine sind allerdings nicht so stark belastbar wie ein normaler Betonstein. Mit einem Pkw sind sie meist noch befahrbar. Haufwerksporige Pflastersteine empfehlen sich daher eher für den Gehwegbereich (Grimm 2018).
Natursteine
Aus ökologischer und sozialer Sicht sind Naturwerksteine aus lokaler Produktion der ideale Baustoff. Im Vergleich zu anderen Baustoffen ist der Abbau von Naturstein energie- und ressourcenschonend, denn nicht mehr benötigte Steine lassen sich gefahrlos in den natürlichen Stoffkreislauf zurückführen. Zudem ist die Lebensdauer von Naturstein mit bis zu mehreren hundert Jahren deutlich länger als Beton mit ca. 30 Jahre. In Deutschland werden jedoch bedeutend weniger Natursteine abgebaut als verbraucht, denn der Großteil des in Deutschland verwendeten Natursteins wird als Rohmaterial oder verarbeitetes Produkt importiert. Im Jahr 2017 lag in Deutschland der Verbrauch an Rohmaterial bei ca. 0,9 t. Davon wurden jedoch lediglich 0,75 Mio. t heimisch produziert, 0,3 Mio. wieder exportiert und 0,4 Mio. t importiert. Für Fertigwaren lag der nationale Verbrauch im selben Jahr bei ca. 1,9 Mio. t. Davon wurden lediglich 0,5 Mio. t heimisch produziert, 0,2 Mio. t wieder exportiert und 1,6 Mio. t importiert. Damit liegt die Importquote des heimischen Verbrauchs für Rohmaterialine bei ca. 47 Prozent und für Fertigware bei 84 Prozent (Markt Naturstein 2019, Montani 2021)
Hintergrund ist eine starke Öffnung für den Import von Natursteinen aus Asien in den 2000er Jahren aufgrund der im Vergleich zur heimischer Produktion geringeren Preise für Importware. Allerdings liegen die Arbeitsrechts-, Sicherheits- und Umweltstandards in den Steinbrüchen und steinverarbeitenden Betrieben der Importländer häufig unterhalb derer in Deutschland. Zudem sind mit dem Transport negative Umweltauswirkungen verbunden.
Zwar verfügt Deutschland über große Mengen und eine reiche Vielfalt abbaufähiger Natursteine. Gleichwohl wird ein Großteil des Bedarfs aber aufgrund des günstigen Preises mit Natursteinen aus Niedriglohnländern gedeckt.
Pflastersteine, Terrassensteine oder auch Grabsteine, die in Deutschland zum Einsatz kommen, stammen zu mehr als 50 Prozent aus China. Jedoch wird die Rückverfolgbarkeit der Steine aufgrund von Dreieckshandel, zwischen Rohstoffgewinnung, Weiterverarbeitung und Endnutzung erschwert. China exportiert vorwiegend bearbeitete Werksteine. Das Rohmaterial bezieht China aber zu einem nicht unerheblichen Teil aus Drittländern wie Indien und der Türkei. Im Straßen- und Tiefbau aber auch im Garten- und Landschaftsbau wird chinesischer Granit in der Regel als Massenware aus chinesischen Steinbrüchen angeboten. Es ist aber davon auszugehen, dass für bearbeitete Werksteine wie Grabsteine oder höherwertige Produkte wie Küchenarbeitsplatten China überwiegend Rohmaterial aus Indien eingesetzt wird.
Die Natursteingewinnung und -verarbeitung erfolgt zunehmend in industrieller Fertigung und die Handarbeit nimmt ab. Dadurch sinkt auch die Kinderarbeit in Steinbrüchen. Sowohl China als auch Indien, verfügen inzwischen über Steinbrüche, die vom Arbeitsstandard mit deutschen oder europäischen Steinbrüchen vergleichbar sind. Allerdings gibt es von Steinbruch zu Steinbruch sowie zwischen den Verarbeitungsbetrieben große Unterschiede. Vor allem für Steine aus Indien ist Kinderarbeit nicht völlig auszuschließen, aber häufig sind Familien auf ein zusätzliches Einkommen der Kinder angewiesen. Daher ist auch die Modernisierung von Betrieben kein Garant für die Beendigung von Kinderarbeit. Denn für Kinder werden neue Arbeitsgebiete geschaffen wie die Weiterverwertung der Blockabfälle, die Herstellung kleiner Blöcke oder das Polieren von Steinen. Aber auch die Arbeitsbedingungen für erwachsene Arbeiter*innen sind alles andere als akzeptabel: niedrige Löhne unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns, unsichere und ungesunde Arbeitsbedingungen durch hohe Staubbelastung, fehlende Sicherheitsmaßnahmen, extreme Temperaturen und ein Mangel an Trinkwasser. In Indien ist zudem moderne Sklaverei durch Schuldknechtschaft verbreitet, die auch auf Kinder übertragen wird.
Die Situation in China, dem größten Anbieter auf dem deutschen Markt, ist besser. Doch auch in vielen chinesischen Unternehmen gibt es erhebliche Missstände, die denen in Indien ähneln. Schwere körperliche Arbeiten werden auch hier meist ohne angemessene Schutzkleidung ausgeübt und die Lebenserwartung liegt aufgrund der tödlich verlaufenden Lungenkrankheit Silikose, die durch eine kontinuierlich hohe Staubbelastung ausgelöst wird, bei nur 40 Jahren.
Seit einigen Jahren geht die chinesische Regierung massiv gegen Steinbrüche und Verarbeitungsbetriebe vor, die nicht den chinesischen Gesetzen entsprechen und gegen Umwelt- und Sozialauflagen verstoßen. Ganze Steinbrüche werden geschlossen. Von daher ist von einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen in China auszugehen. Bezüglich Kinderarbeit gehen wissenschaftliche Studien jedoch auch davon aus, dass auch wenn es keine aktuellen, substanziell belegten Berichte über Kinderarbeit im Natursteinsektor in China gibt, auch Verstöße im Natursteinsektor wahrscheinlich sind. Denn in anderen Sektoren ist belegt, dass es vielfache und schwere Kinderarbeit (einschließlich staatlich organisierter Zwangsarbeit, z. B. für straffällige Jugendliche) gibt (WEED 2019).
Vor diesem Hintergrund gibt es für die Gewinnung und Weiterverarbeitung von Natursteinen Zertifizierungssystem die insbesondere die Einhaltung von Arbeits-, Sozial und Umweltstandards sicherstellen sollen. Die bekanntesten sind:
- Fair Stone Das Siegel wird vom Fair Stone e.V. vergeben. Der zugrundeliegende Standard wurde 2007 von der WiN=WiN GmbH in Zusammenarbeit mit einem deutschen Natursteinhändler, sowie Expert:innen der ISSA (International Social Security Association) und internationalen Arbeitsrechts- und Sozialexpert:innen im Rahmen eines ko-finanzierten DeveloPPP-Projekts entwickelt. Zielsetzung und Schwerpunkt des Siegels ist die Überprüfung und Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Steinbrüchen und steinverarbeitenden Betrieben in Entwicklungs- und Schwellenländern. Fair Stone ist seit 2018 bei der Deutschen Gesellschaft Nachhaltiges Bauen DGNB akkreditiert. Importeure von Natursteinen erhalten das Siegel erst, nachdem die Einhaltung von Mindestkriterien in der Lieferkette durch unabhängige Auditor:innen überprüft wurde. Jährliche Audits, mit steigenden Anforderungen, bereiten die Lieferant:innen auf eine umfangreiche Prüfung der Fair Stone Standardinhalte nach einer Phase von maximal 36 Monaten vor. Die Abgabe einer Selbstverpflichtung oder Eigenbestätigung durch die Lieferant:innen ist nicht ausreichend für die Siegel-Nutzung (vgl. http://fairstone.org)
- XertifiX ist eine NGO die als Verein organisiert ihren Sitz in Hannover hat. Sie setzte sich für bessere Arbeitsbedingungen und Umweltschutz im asiatischen Steinsektor ein. Für die so genannten „Third-Party-Audits“ beauftragt XertifiX in Indien, China und Vietnam Auditor:innen mit den Kontrollen der Lieferketten. Dabei werden regelmäßig Fabriken und Steinbrüche in Indien, China und Vietnam überprüft, um sicherzustellen, dass die Standardkriterien erfüllt werden: Der Standard umfasst die IAO-Kernarbeitsabkommen, darunter das Verbot von Kinderarbeit und Sklaverei, einen besseren Schutz der Gesundheit und Sicherheit von erwachsenen Arbeitnehmer:innen, gerechte Löhne und Arbeitszeiten, Umweltschutz und Rechtmäßigkeit. Neben der Bekämpfung von Kinder- und Sklavenarbeit werden schulische und berufliche Bildung gefördert und die deutschen Öffentlichkeit für sozialverträglich hergestellte Produkte aus Naturstein sensibilisiert. XertifiX versteht seine Audits nicht nur als Prüfinstrument, sondern als langfristig angelegte Bausteine zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und des Umweltschutzes (vgl. http://www.xertifix.de)
- XertifiX ist eine NGO die als Verein organisiert ihren Sitz in Hannover hat. Sie setzte sich für bessere Arbeitsbedingungen und Umweltschutz im asiatischen Steinsektor ein. Für die so genannten „Third-Party-Audits“ beauftragt XertifiX in Indien, China und Vietnam Auditor:innen mit den Kontrollen der Lieferketten. Dabei werden regelmäßig Fabriken und Steinbrüche in Indien, China und Vietnam überprüft, um sicherzustellen, dass die Standardkriterien erfüllt werden: Der Standard umfasst die IAO-Kernarbeitsabkommen, darunter das Verbot von Kinderarbeit und Sklaverei, einen besseren Schutz der Gesundheit und Sicherheit von erwachsenen Arbeitnehmer:innen, gerechte Löhne und Arbeitszeiten, Umweltschutz und Rechtmäßigkeit. Neben der Bekämpfung von Kinder- und Sklavenarbeit werden schulische und berufliche Bildung gefördert und die deutschen Öffentlichkeit für sozialverträglich hergestellte Produkte aus Naturstein sensibilisiert. XertifiX versteht seine Audits nicht nur als Prüfinstrument, sondern als langfristig angelegte Bausteine zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und des Umweltschutzes (vgl. http://www.xertifix.de)
- IGEP Das Siegel wird von der IGEP Consult Pvt. Ltd. vergeben. IGEP steht ursprünglich für Indo German Export Promotion, ein gemeinsames Projekt der deutschen und indischen Regierung, welches bis 2005 von der GIZ (damals GTZ) durchgeführt wurde. Seit 2005 wird IGEP unabhängig als privates Beratungsunternehmen fortgeführt. IGEP setzt sich unverändert für die Förderung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen indischen und deutschen Unternehmen ein. Ziel des Siegels ist es, Kinderarbeit in der Natursteinindustrie in Indien und China zu verhindern und die Eignung für den europäischen Markt sicherzustellen. Dies geschieht durch den ISES 2020-Standard, der zusätzlich zu Kinderarbeit Managementsysteme, Zwangsarbeit, Gesundheit und Sicherheit an Arbeitsplatz, Vereinigungsfreiheit und Recht auf Kollektivverhandlungen, Diskriminierung, Disziplinarpraktiken, Arbeitszeiten, Vergütung, Zulieferer und Umweltaspekte umfasst. Die Gebühr für die IGEP-Zertifizierung fließt nicht nur in die Organisation selbst, sondern wird auch für die Finanzierung sozialer Aktivitäten, wie Ausbildungsinitiativen und Gesundheitsversorgung an Schulen, in ganz Indien verwendet (vgl. http://www.igep.org/)
Neben diesen Zertifikatsystem die speziell für Natursteine angelegt sind, existieren weitere Kennzeichnungs- und Zertifikatsysteme, Lieferketteninitiativen und Richtlinien. Sie lassen sich den CSR-Initiativen (Corporate Social Responsibility) zuordnen und fußen auf der gesellschaftliche Unternehmensverantwortung (unternehmerische Sozialverantwortung) und verstehen sich als freiwilligen Beitrag der Wirtschaft zu einer nachhaltigen Entwicklung. Im Folgenden werden ausgewählte CSR-Initiativen im Zusammenhang mit Natursteinen aufgeführt:
- INTERNATIONAL COUNCIL ON MINING AND METALS (ICMM) Der International Council on Mining and Metals (ICMM) ist seit 2001 der Handelsverband für den Bergbausektor. Als Unternehmen können Sie Mitglied werden, was eine Verpflichtung zur Einhaltung der 10 Grundsätze erfordert. Auf der Website finden Sie auch weitere Informationen und Hilfsmittel. vgl. https://www.icmm.com/en-gb
- VOLUNTARY PRINCIPLES ON SECURITY AND HUMAN RIGHTS Die Voluntary Principles on Security and Human Rights sind freiwillige Richtlinien für die Öl- und Gasindustrie und den Bergbau. Sie entstanden aus Gesprächen zwischen der amerikanischen Regierung, der britischen Regierung, Unternehmen und NGOs. Ziel ist es, die Sicherheit ihrer Operationen zu gewährleisten. Die Einhaltung der Menschenrechte und die Gewährung der Grundfreiheiten durch die Unternehmen ist von zentraler Bedeutung. Die Initiative enthält Leitlinien zur Einschätzung der Auswirkungen auf die Menschenrechte sowie zu Fragen der öffentlichen und privaten Sicherheit. Vgl. http://www.voluntaryprinciples.org/for-companies/
- SPONSIBLE MINERALS INITIATIVE Die Responsible Minerals Initiative wurde von der Responsible Business Alliance und der Global e-Sustainability Initiative gegründet und unterstützt Unternehmen aus einer Reihe von Branchen dabei, sich mit der verantwortungsvollen Mineralienbeschaffung in ihren Lieferketten zu beschäftigen. Ihr „Responsible Minerals Assurance Process“ bietet Unternehmen und ihren Lieferanten eine unabhängige, externe Prüfung, anhand derer festlegt wird, welche Schmelzanlagen und Raffinerien entsprechend der geltenden weltweiten Standards als „Responsibly Sourced“ bestätigt werden können. Die Initiative stellt eine Online-Liste der konformen Hütten und Raffinerien zur Verfügung. http://www.responsiblemineralsinitiative.org/
Darüber hinaus sind noch folgende CSR-bezogene Datenbanken und Information Tools erwähnenswert:
- ITC Standards Map: enthält Informationen zu über 150 Standards, Verhaltenskodizes und Audit-Protokollen, die sich mit Nachhaltigkeits-Hotspots in globalen Lieferketten befassen https://sustainabilitymap.org
- Ecolabel Index: größtes globales Verzeichnis von Umweltzeichen, derzeit 460 Umweltzeichen in 25 Branchen weltweit. http://www.ecolabelindex.com/
- Der Stand der Nachhaltigkeitsinitiativen 2014: Der Bericht „State of Sustainability Initiatives“ gibt einen Überblick über die Markt- und Leistungstrends in 16 der gängigsten Standardinitiativen, die in zehn verschiedenen Rohstoffsektoren durchgeführt werden“. http://www.iisd.org/
Abschließend sei auf den Kompass zur nachhaltigen Beschaffung hingewiesen (Kompass Nachhaltigkeit 2022). Dort finden sich für zahlreiche Produkte ein Gütezeichenfinder, unter anderen auch für eine Reihe von Natursteinen sowie Gestaltungshinweise und Praxisbeispiel für öffentliche Ausschreibungen zur sozial verantwortlichen Beschaffung von Natursteinen (vgl. BA Berlin 2020)
Zudem findet sich dort ein Zugang zum CSR Risiko check. Dabei handelt es sich um ein Online-Tool zur Einschätzung der lokalen Menschenrechtssituation sowie Umwelt-, Sozial- und Governancethemen. Es wurde von MVO Nederland entwickelt und wird vom niederländischen Außenministerium finanziert. Die deutsche Version des CSR Risiko-Check wird von dem Helpdesk Wirtschaft und Menschenrechte der Bundesregierung in der Agentur für Wirtschaft & Entwicklung finanziert. Der CSR Risiko-Check liefert für Unternehmen vertiefte Informationen über länderspezifische CSR-Risiken und deren Vermeidung für ausgewählte Produktgruppen und Wirtschaftsbereiche. Für Natursteine sind insbesondere die Produktgruppe „Steine, Sand und Kies“ sowie der Wirtschaftsbereich „Dienstleistungen für die mineralgewinnende Industrie & Bergbau“ von besonderer Relevanz (CSR Risiko Check 2022).
Nachhaltiger Zement
Beton ist das zentrale Konstruktionsmaterial der deutschen Bauwirtschaft. Er prägt wie kein anderer Baustoff unsere gebaute Umwelt. Mit mehr als 10 Mrd. m³ weltweiter Jahresproduktion ist Beton weltweit der häufigste Baustoff (BFT International 2015). Dafür wurden im Jahr 2021 weltweit geschätzte 4,4 Milliarden Tonnen Zement produziert. Im Vergleich zum Jahr 1995 entspricht dies einer Produktionssteigerung von knapp drei Milliarden Tonnen oder eine Vervierfachung (Statista 2022b).
Zement ist der Kleber im Beton, das hydraulische Bindemittel, das Sand, Wasser und Kies zusammenhält. Um ihn herzustellen, braucht es Zementklinker, der aus Kalkstein, Sand und Ton bei ca. 1.450 Grad gebrannt wird. Genau bei diesem Prozess entsteht allerdings jede Menge klimaschädliches CO2. Unterschieden wird zwischen prozessbedingten und energiebedingten CO2-Emissionen. Die prozessbedingten Emissionen machen ca. 2/3 der Gesamtemissionen aus. Sie stammen aus dem eingesetzten Kalkstein und betragen 530 kg pro produzierte Tonne Zementklinker (NIR 2022). Insgesamt bedeutet 1 t Portlandzement circa 1 t CO2 (BFT International 2018).
Die energiebedingten CO2. Emissionen entstehen aus der Verbrennung fossiler Energieträger wie Stein- oder Braunkohle um den Drehofen auf mehr als 1400°C zu erhitzen. Aufgrund der hohen Temperaturen im Drehofen werden die Kohlen oft durch sogenannte Ersatzbrennstoffe wie Tiermehl, Klärschlamm, Altreifen, Altöl oder Siedlungsabfälle ersetzt, die in ganz unterschiedlicher Höhe CO2 Emissionen freisetzen. Weltweit fallen durch die Herstellung von Zement ca. 2,8 Milliarden Tonnen CO2 an. Das sind fast acht Prozent der weltweiten Emissionen und damit mehr als Flugverkehr und Rechenzentren zusammen ausstoßen. Und angesichts der steigenden Nachfrage in Schwellenländern wie Indien, Asien und Afrika dürfte dieser Wert in den nächsten Jahren sogar noch steigen. Auch in Deutschland wäre eine Bauwirtschaft ohne Beton natürlich undenkbar. Hierzulande wurden 2019 immerhin 34 Millionen Tonnen verbaut – und 20 Millionen Tonnen CO2 emittiert (Handelsblatt 2022).
Weil ein Großteil der CO2 Emissionen aus dem Zement selber stammt, steht der Beton als Baustoff grundsätzlich in Frage. Im Gebäudebereich spielen zwar Holz und Lehm als klimafreundlicher Betonersatz eine zunehmende Rolle, doch eine wirkliche Alternative zu Beton ist noch nicht in Sicht. Eine Möglichkeit die eingesetzte Betonmenge zu reduzieren stellt der sogenannte Carbonbeton dar, bei dem als Bewehrung der Stahl durch Kohlenstofffasern ersetzt wird und sich aufgrund dessen größere Zugfestigkeit (ca. 3000 N/mm² statt der ca. 550 N/mm² des üblichen Bewehrungsstahls) dadurch die Betonmenge reduzieren lässt (Schneider et al 2017).
Eine weitere Möglichkeit um die rohstoffbedingten CO2-Emissionen bei der Zementherstellung zu senken, ist die Substitution des gebrannten Portlandzementklinkers durch Kompositmaterialien. Dabei geht es darum klimaschädliche Umwandlung von Calciumkarbonat – zu verringern. Dazubieten sich neben den traditionellen Materialien wie Hüttensand und Flugasche, deren nutzbare Mengen zukünftig zurückgehen werden, bieten sich insbesondere calcinierte Tone, Gesteinsmehl, Vulkanasche aber auch modifizierte Stahlwerksschlacken an (BFT International 2018).
Möglichkeiten werden auch in neuen CO2-armen Bindersystemen gesehen, die nicht auf klassischem Portlandzementklinker basieren. Viele dieser alternativen Binder weisen allerdings nicht das Potenzial für einen Massenbaustoff auf. Große Potenziale bieten jedoch alternative, hochreaktive Belitzemente (LTBB), die bei deutlich niedrigeren Brenntemperaturen und verbesserter Leistungsfähigkeit eine wesentlich bessere CO2-Bilanz als Portlandzemente aufweisen (BFT International 2018).
Für die deutsche Zementindustrie wird die CO2-Abscheidung im Zementwerk und dessen anschließende Nutzung bzw. Speicherung (CCUS) bei der Dekarbonisierung von Zement und Beton eine entscheidende Rolle spielen. Für eine klimaneutrale Zementindustrie wird es dabei erforderlich sein, nach Ausschöpfung aller übrigen Potenziale ab 2050 jährlich rund 10 Mio. Tonnen CO2 abzuscheiden. Für die Nutzung oder Speicherung des abgeschiedenen CO2 bedarf es jedoch einer entsprechenden CO2-Infrastruktur die insbesondere in Gestalt von Pipelinesystemen und anderen Transportkapazitäten wie Tankwagen, Kesselwagen oder Schiffe erst noch aufzubauen ist. Allerdings wird sich der Strombedarf der Klinkerherstellung bei einem breiten Einsatz von Technologien zur CO2-Abscheidung mehr als verdoppeln, was eine hinreichende Verfügbarkeit von regenerativ erzeugtem Strom und entsprechender elektrischer Übertragungsnetze erfordert (VDZ 2020).
Betonstraßen
Beim Bau nachhaltiger Betonstraßen stehen besonders die Ziele Lärmminderung, Verbesserung des Fahrkomforts und Nachhaltigkeit der Konstruktion im Hinblick auf Planung, Bauausführung und Erhaltung im Mittelpunkt. Sowohl die Nutzenden als auch die Eigentümer :innen erwarten von Betonstraßen hohe Dauerhaftigkeit bei geringem Wartungsaufwand sowie gute Oberflächeneigenschaften (Wolf 2022). Für Straßenoberfläche von Betonstraßen hat sich die sogenannte Grinding-Struktur, die durch eingefräste Rillen erzeugt wird, als eine erfolgversprechende Variante herausgestellt. Vorteilhaft ist nicht nur die Lärmminderung von bis zu 5 dB(A) gegenüber der üblichen Waschbetonstruktur sondern auch Griffigkeit, Herstellung, Verfügbarkeit der Gesteinskörnung und Fahrkomfort stellen weitere Vorteile dar. Doch auch die Dauerhaftigkeit ist verbessert. Bisher werden Straßenkonstruktionen nach geltenden Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen (RStO 12) auf eine Nutzungsdauer von 30 Jahren ausgelegt. Rechnerisch können Betondecken jedoch auf deutlich längere Lebensdauern dimensioniert werden, zumal bereits eine geringe Erhöhung der Betondicke der Decke um zwei Zentimeter die Dauerhaftigkeit um zehn und mehr Jahre verlängern kann. Bei der Waschbetonbauweise ist bereits heute die Verfügbarkeit von Rohstoffen problematisch. Dies betrifft insbesondere die Verfügbarkeit von Gesteinen mit einem hohen Widerstand gegen schädigende Alkali-Kieselsäure-Reaktion. Betonoberflächen mit Grinding-Struktur hingegen ermöglicht die Anwendung neuer Materialien wie zum Beispiel grobe Rundkiese und Splitte und können damit dem Rohstoffmangel entgegenwirken (Wolf 20122).
Asphalt
Im Jahr 2020 wurden in Deutschland 38 Mio Tonnen Asphalt als Mischgut produziert. Der Anteil der Wiederverwendung lag bei 31 Prozent (Dav 2022).
Als Baustoff eignet sich Bitumen wie nur wenige andere Baustoff für eine Mehrfachverwendung, denn die temperaturbedingte Erweichung und Erhärtung ist umkehrbar. Durch diese thermoplastische Eigenschaft des Bindemittels Bitumen kann Asphalt vollständig wiederverwendet werden. Dies geschieht in erster Linie in den Mischwerken durch Zugabe von Ausbauasphalt bei der Herstellung von neuem Asphalt. Daneben gibt es auch Verfahren zum Recycling von Asphalt direkt auf der Baustelle. Die vorhandene alte Deckschicht wird dabei erwärmt, aufgenommen und nach Zugabe von Gesteinskörnungen, Bitumen oder neuem Asphalt qualitativ verbessert und wieder eingebaut.
Warmasphalt
Eine Möglichkeit, den Straßenbau nachhaltiger zu machen, ist die Reduktion des Energieeinsatzes und damit die CO2 Reduktion bei der Herstellung von Asphalt. Denn nahezu zwei Drittel der gesamten CO2 Emissionen aus dem Straßenbau entstehen in Asphaltmischanlagen (Porr o. J.). Eine Möglichkeit ist der sogenannte Warmasphalt. Während beim konventionellen Heißasphalt die Temperatur über 150°C beträgt, liegt sie beim Warmasphalt darunter und der Einbau erfolgt bei 120°C. Zudem wird eine längere Haltbarkeit der Asphaltschicht erwartet, denn durch die niedrigere Mischtemperatur wird das Bitumen weniger stark beansprucht. Zudem profitieren auch Arbeiter*innen und Anlieger*innen der Asphaltmischanlagen und Baumaßnahmen davon, denn die geringere Mich- und Verarbeitungstemperatur führt auch zu einer Reduktion der vom erhitzen Asphalt freigesetzten Dämpfe und Aerosole. Ihre Toxikologie ist in den vergangenen Jahren zunehmend in Verruf geraten und das enthaltene Bitumen steht in dem Verdacht krebserzeugend zu sein. So wurden die Expositionen von oxidierten Bitumina und deren Emissionen bei Dacharbeiten von der internationalen Krebsforschungsagentur IARC im Jahr 2013 in die Gruppe 2A der wahrscheinlich krebserzeugender Stoffe eingestuft, während „Hartbitumina“ und deren Emissionen bei Gussasphaltarbeiten sowie „Straight-Run-Bitumina“ und deren Emissionen im Straßenbau der Gruppe 3 der möglicherweise krebserzeugend zugeordnet wurde (ASU 2020).
Substitution von Asphalt durch Altkunststoffe
Eine Möglichkeit, ganz auf bitumenhaltigen Asphalt zu verzichten, ist deren Substitution durch Kunststoff. Schon länger wird zur Reparatur von Straßen Kunststoff eingesetzt. In Indien ist das seit 2015 sogar Pflicht. Allerdings ersetzt der recycelte Kunststoff nur einen kleinen Teil des Bitumens.
Neu ist, dass ganze Straßen aus Plastik gebaut werden. Dazu werden vorgefertigten Module zusammengesetzt, die aus recycelten Kunststoffen hergestellt werden. Durch die Modulbauweise und weil keine schweren Fundamente und keine aufwendigen Aushubarbeiten benötigt werden, lassen sich insbesondere Geh- und Fußwege deutlich schneller und unkomplizierter herstellen. Zudem sind die leichten Module innen hohl. Dies ermöglicht die einfache Verlegung und spätere Reparatur von Rohren und Leitungen. Ferner kann der Hohlraum bis zu 300 Liter Regenwasser pro Quadratmeter speichern. Dadurch lassen sich Überschwemmungen aufgrund von klimabedingt zunehmenden Starkregenereignissen vermeiden. Das im Hohlraum gespeicherte Wasser wird nach und nach an den Boden abgegeben und erhält damit die biologische Funktion des Bodens und hilft mit, Grundwasserverluste zu verringern (PlasticRoad 2020). Zudem lassen sich mit der Verwendung von Altkunsstoffen im Straßenbau zwei Problem gleichzeitig lösen. Im Straßenbau kann auf den Einsatz von Asphalt mit dem kanzerogenen Bindemittel Bitumen sowie dem Einsatz mineralischer Zuschlagstoffe verzichtet werden. Darüber hinaus wird zudem der Kunststoffabfall einer stofflichen Verwertung zugeführt und braucht nicht verbrannt zu werden. Die maximale CO2-Reduktion soll bei 72 Prozent liegen (Porr o. J.).
Weitere Asphalt-Substitution
Beim Bau von Straßen werden zum größten Teil neue Rohstoffe eingesetzt und nur zu Teilen recycelte Materialien. Straßen sollten daher wie jedes Produkt nach den Regeln der Kreislaufwirtschaft idealerweise aus einem bereits produzierten oder schon geförderten Rohstoff hergestellt werden, sodass der Stoffkreislauf vollständig geschlossen verläuft und keine neuen Rohstoffinputs benötigt werden. Straßen bestehen aus vier Schichten: Dem Untergrund, dem Unterbau, der Tragschicht mitsamt Planum und dem Oberbau. Neben dem Asphalt für den Oberbau besteht der überwiegende Anteil einer Straße aus stets neu geförderten Steinen und Quarzsand. Dies bedeutet letzten Endes, dass eine jede neue, umgebaute oder sanierte Straße in der Gesamtrechnung äußerst viele Rohstoffe verschwendet. Statt auf Rohmaterialien zu setzen, lässt sich jedoch ein Mischmaterial aus Bauschutt und Altreifen herstellen, das sich als Tragschicht für Straßen eignet. Genauso wie Bauschutt, stellen auch alte Reifen ein großes Entsorgungsproblem dar. Jährlich werden weltweit rund eine Milliarde Altreifen „produziert“. In Deutschland werden Altreifen in Zementwerken als Ersatzbrennstoff eingesetzt. Die Möglichkeit zur gemeinsamen Wiederverwendung von Reifen und Bauschutt bietet gleichzeitig eine sehr gute funktionale Performance hinsichtlich der Flexibilität, der Festigkeit und der bleibenden Verformungen. Um maximale Festigkeit und optimale Kohäsion zwischen den beiden Inputmaterialen zu erreichen, liegt das optimale Verhältnis bei 99,5 Prozent Bauschutt und 0,5 Prozent Altreifen, die zuvor zu feinem Gummigranulat verarbeitet werden. Das Mischmaterial ist sehr gut für den Straßenbau geeignet und kann einen Beitrag zu einem nachhaltigen Straßenbau leisten (FCC o. J).
Lärmarmer Asphalt
Zur Bekämpfung von Lärmbelästigung im Straßenverkehr sind Maßnahmen an der Emissionsquelle – im Vergleich zu Lärmschutzmaßnahmen – effektiver. Daher sind sorgenannte Flüsterasphalte bereits seit einiger Zeit in der Anwendung. Dabei handelt es sich um offenporige Asphalte, die auch als Drainasphalt oder lärmoptimierter Asphalt bezeichnet werden. Der offenporige Asphalt ist eine spezielle Art des Asphaltbetons, der bereits in den 1980er Jahren entwickelt wurde. Durch den hohen Anteil an Hohlräumen wird der Schall der Fahrgeräusche absorbiert und verhindert auf diese Weise deren Entstehung durch Luftableitung. Dieser Effekt macht sich besonders bei Straßen bemerkbar, bei denen die Reifen-Fahrbahn-Geräusche die Hauptgeräuschquelle darstellen, wie z. B. bei Autobahnen. Es werden Lärmreduzierungen von rund 5 bis 10 dB(A) erreicht, was für das menschliche Hörempfinden etwa einer Reduzierung um ein Drittel bis zur Halbierung entspricht. Die lärmmindernde Wirkung lässt jedoch nach etwa sechs bis acht Jahren nach, da Straßenschmutz und Reifenabrieb die Poren verstopfen. Die bisher gesammelten Erfahrungen zeigen, dass die mechanischen und akustischen Ergebnisse langfristig meist deutlich abnehmen und dann auch hinter herkömmlichen Deckschichten zurückbleiben: Während «traditionelle» Deckschichten 20 – 25 Jahre halten, haben lärmarme Deckschichten zudem eine verkürzte Lebensdauer von maximal 10 – 15 Jahren (BFH 2021).
Quellenverzeichnis
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BA Berlin (2020): Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin und Bezirksamt Neukölln von Berlin (Hrsg.) (2020): Sozial verantwortliche Beschaffung von Natursteinen. Dokumentation von Pilotausschreibungen und Anregungen für die Praxis. Berlin 2020. Online: https://www.berlin.de/ba-neukoelln/politik-und-verwaltung/beauftragte/nachhaltigkeit/web_bza_leitfaden_201111.pdf
BBR (2007) Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (Hrsg.) (2007). Thomas Preuß, Stephanie Bock, Christa Böhme, Arno Bunzel, Gregor Jekel, Ulrike Meyer, Manuela Rottmann, Uwe Ferber, Peter Rogge, Ariane Ruff, Kilian Bizer, Georg Cichorowski, Fabian Dosch, Peter Jakubowski, Eckhard Bergmann: Perspektive Flächenkreislaufwirtschaft-Kreislaufwirtschaft in der städtischen/stadtregionalen. Flächennutzung – Fläche im Kreis. Ein ExWoSt-Forschungsfeld. Band 2 Was leisten bestehende Instrumente? Bonn, August 2007. Online: https://www.irbnet.de/daten/rswb/07109002616.pdf
BFH (2021): BFH-Berner Fachhochschule (2021): Nachhaltigkeit im Straßenbau: langlebige, lärmarme Asphaltbeläge. News Institut für Siedlungsentwicklung und Infrastruktur ISI News vom 22.09.2021 Online: https://www.bfh.ch/de/aktuell/news/2021/nachhaltigkeit-im-strassenbau/
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BFT International (2018) BFT International (2018): Chancen und Risiken alternativer, nachhaltiger Zemente. Wo bleibt die Zementwende? BFT International Ausgabe 02/2018 Bauverlag BV GmbH Gütersloh 2018 Online: https://www.bft-international.com/de/artikel/bft_Wo_bleibt_die_Zementwende__3118716.html
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NIR (2022): Berichterstattung unter der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen und dem Kyoto-Protokoll 2022 Nationaler Inventarbericht zum Deutschen. Treibhausgasinventar 1990 – 2020. UBA Climate Change 24/2022: Online: https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/berichterstattung-unter-der-klimarahmenkonvention-7
PlasticRoad BV(2020): Circular, lightweight solutions for a sustainable infrastructure Made From Recycled Plastik. Online: https://plasticroad.com/en
PORR AG (o. J.): Nachhaltige Lösung: Straßen aus Plastik. Online: https://worldofporr.com/de/storys/nachhaltige-loesung-strassen-aus-plastik/
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UBA (2012) Umweltbundesamt (Hrsg.) (2012). Kilian Bizer, Jana Bovet, Ralph Henger, Nils Jansen, Stefan Klug, Katrin Ostertag, Joachim Schleich, Stefan Siedentop, Anna Kunath und Carla Schönfelder (2012): Projekt FORUM: Handel mit Flächenzertifikaten Fachliche Vorbereitung eines überregionalen Modellversuchs. UBA-Texte 60/2012. Dessau-Roßlau, Dezember 2012. Online https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/461/publikationen/4388.pdf
VDZ (2020) VDZ – Verein Deutscher Zementwerke e.V. (Hrsg.) (2020) Martin Schneider: Dekarbonisierung von Zement und Beton – Minderungspfade und Handlungsstrategien Eine CO2 – Roadmap für die deutsche Zementindustrie. Düsseldorf November 2020. Online: https://www.vdz-online.de/fileadmin/wissensportal/publikationen/zementindustrie/VDZ-Studie_Dekarbonisierung_von_Zement_und_Beton.pdf
VPG (2021) Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG).Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. März 2021 (BGBl. I S. 540), das durch Artikel 14 des Gesetzes vom 10. September 2021 (BGBl. I S. 4147) geändert worden ist. Online: https://www.gesetze-im-internet.de/uvpg/BJNR102050990.html
WEED (2019) WEED – Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung e.V. (Hrsg.) (2019) Juliane Kühnrich: Handbuch: Sozial verantwortliche Beschaffung am Beispiel von Natursteinen und IT-Produkten. Berlin 2019. Online: https://www2.weed-online.org/uploads/weed_handbuch_sozial_verantwortliche_beschaffung_mobil.pdf
Wolf (2022) Wolf, Thomas (2022): Betonstraßen von heute und morgen. Nachhaltiger Straßenbau. In: Bauingenieur, 2022, Volume 97, Issue 6, pp 24-8. Springer-VDI-Verlag. Online: https://trid.trb.org/view/1998949
SDG 11 Nachhaltige Städte und Gemeinden
“Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig gestalten”
Das SDG 11 zielt darauf Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig zu gestalten.
Für den Bausektor sind dazu die folgenden Unterziele von besonderer Relevanz:
SDG 11.1 “Bis 2030 den Zugang zu angemessenen, sicherem und bezahlbarem Wohnraum und zur Grundversorgung für alle sicherstellen (und Slums sanieren)”
SDG 11.1 “11.2 Bis 2030 den Zugang zu sicheren, bezahlbaren, zugänglichen und nachhaltigen Verkehrssystemen für alle ermöglichen und die Sicherheit im Straßenverkehr verbessern, insbesondere durch den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, mit besonderem Augenmerk auf den Bedürfnissen von Menschen in prekären Situationen, Frauen, Kindern, Menschen mit Behinderungen und älteren Menschen”
SDG 11.1 “11.3 Bis 2030 die Verstädterung inklusiver und nachhaltiger gestalten und die Kapazitäten für eine partizipatorische, integrierte und nachhaltige Siedlungsplanung und -steuerung in allen Ländern verstärken”
SDG 11.1 “11.6 Bis 2030 die von den Städten ausgehende Umweltbelastung pro Kopf senken, unter anderem mit besonderer Aufmerksamkeit auf der Luftqualität und der kommunalen und sonstigen Abfallbehandlung”
Die Schnittmenge von SDG 11 mit der Standardberufsbildposition ergibt sich aus den Nummern b,d,e und f der Standardberufsbildposition (BIBB 2020):
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
d) Abfälle vermeiden sowie Stoffe und Materialien einer umweltschonenden Wiederverwertung oder Entsorgung zuführen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Straßen sind ein wesentliches Merkmal unserer Städte. Daher werden wesentliche Aspekte zum nachhaltigen Straßenbau im SDG 11 dargelegt. Gleichwohl ist der Straßenbau nicht auf Städte beschränkt und hat daher starke Bezüge zu SDG 9 Industrie , Innovations und Infrastruktur aber auch zu SDG 12 Nachhaltiger Konsum und Produktion.
Nachhaltige Baustelle
Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) hat 2021 ein Zertifizierungssystem für nachhaltige Baustellen entwickelt. Es versteht sich als Planungs- und Managementtool und die Zertifizierung soll bei der Qualitätssicherung und Risikominimierung auf der Baustelle helfen. Zertifiziert werden Ressourcenschutz, Gesundheit und Soziales sowie die Kommunikation mit der lokalen Öffentlichkeit. Einsetzbar ist das Zertifikat für Hoch- und Tiefbauprojekten. Es wird prozessbegleitend während der gesamten Baustellenabwicklung angewandt (DGNB 2021).
Über fünf Kriterien werden die wesentlichen Indikatoren abgebildet, die zu einer möglichst hohen Nachhaltigkeitsqualität einer Baustelle beitragen (DGNB 2021):
- Das Kriterium „Baustellenorganisation“ definiert Vorgaben zur Baustellenplanung sowie zum Sicherheits- und Gesundheitsschutz. Hinzu kommen Maßnahmen zur Vermeidung der Belastung der lokalen Umwelt. Dabei geht es um Konzepte für eine lärm-, staub- und abfallarme Baustelle, den Boden- und Grundwasserschutz sowie eine umwelt- und anwohnerorientierte Logistik.
- Das Kriterium „Ressourcenschutz“ bezieht sich auf die Ressourceneinsparung und Emissionsminderung in Bezug auf die genutzte Energie. Insbesondere zum Einsatz erneuerbarer Energie und umweltgerechte Transportmittel. Ferner werden die Wiederverwendung und -verwertung von Baumaterialien, die aktive Beeinflussung der Verwertungs- und Entsorgungswege sowie der Wasserverbrauch adressiert.
- Im Kriterium „Gesundheit und Soziales“ steht die Gesundheitsprävention arbeitenden Personen auf der Baustelle im Mittelpunkt. Ein Arbeits- und Sicherheitsplan für die Bauhauptgewerke sowie eine Gefährdungsbeurteilung durch die beauftragten Unternehmen sind weitere Indikatoren. Hinzu kommen Aspekte wie die Arbeitsplatzqualität oder die Absicherung der Sozialleistungen für alle Beteiligten.
- Das Kriteriums „Kommunikation mit der lokalen Öffentlichkeit“ beurteilt die prozessbegleitende Kommunikation und das Erscheinungsbild der Baustelle für die Öffentlichkeit.
- Im Kriterium „Qualität der Bauausführung“ werden Planverwaltungsmanagement, eine Schnittstellenkoordination oder ein Verbesserungsmanagement positiv bewertet. Auch der Einsatz intelligenter Maschinensteuerung fließen in das Zertifizierungsergebnis ein.
Baumaschinen RAL-UZ 53
Arbeitsgeräusche von Baustellen werden häufig als sehr laut und störend empfunden. Zum Schutz von Arbeitern und Anwohnern ist es wichtig, lärmarme Baumaschinen zu betreiben. Daher werden mit dem Blauen Engel Grenzwerte für den zulässigen Schallpegel von mobilen Geräten und Maschinen festgelegt, die einen lärmarmen Baustellenbetrieb ermöglichen. Durch die Vergabe des Umweltzeichens für lärmarme und emissionsarme Baumaschinen soll eine Reduzierung der Geräusch-, Abgas- und Partikelemissionen erreicht werden. Die meisten Baumaschinen werden durch Verbrennungsmotoren betrieben, die dabei im erheblichen Maße Geräusche, Abgase und Partikel erzeugen. Besonders in städtischen Gebieten werden dadurch die lokale Luftqualität sowie die Gesundheit betroffener Personen stark beeinträchtigt.
Mit dem Blauen Engel RAL UZ 53 können Baumaschinen ausgezeichnet werden die gemäß Anhang I der Richtlinie 2000/14/EG (EU 2000/14/EG) definiert und dort in Tabelle 1 erfasst sind. Grundsätzlich wird unterschieden zwischen Maschinen kleiner 19 kW und alle anderen Baumaschinen. Für Baumaschinen kleiner 19 kW müssen Grenzwerte für Betriebsgeräusche eingehalten werden. Baumaschinen mit mehr als 19kW installierte Nutzleistung müssen zusätzlich Grenzwerte bei der Emission von CO, NOX, HC (flüchtige organische Substanzen) und Feinstaub einhalten.
Der maximaler Prüfwert für den garantierten Schallleistungspegel darf 104 dB nicht überschreiten. In Abhängigkeit vom Baumaschinentypen und deren installierter Nutzleistung gelten unterschiedliche maximale Schallleistungspegel zwischen 87 und 103 dB (RAL-UZ 53 2015).
Arbeitsgeräusche von Baustellen werden häufig als sehr laut und störend empfunden. Zum Schutz von Arbeitern und Anwohnern ist es wichtig, lärmarme Baumaschinen zu betreiben. Daher werden mit dem Blauen Engel Grenzwerte für den zulässigen Schallpegel von mobilen Geräten und Maschinen festgelegt, die einen lärmarmen Baustellenbetrieb ermöglichen. Durch die Vergabe des Umweltzeichens für lärmarme und emissionsarme Baumaschinen soll eine Reduzierung der Geräusch-, Abgas- und Partikelemissionen erreicht werden. Die meisten Baumaschinen werden durch Verbrennungsmotoren betrieben, die dabei im erheblichen Maße Geräusche, Abgase und Partikel erzeugen. Besonders in städtischen Gebieten werden dadurch die lokale Luftqualität sowie die Gesundheit betroffener Personen stark beeinträchtigt.
Mit dem Blauen Engel RAL UZ 53 können Baumaschinen ausgezeichnet werden die gemäß Anhang I der Richtlinie 2000/14/EG (EU 2000/14/EG) definiert und dort in Tabelle 1 erfasst sind. Grundsätzlich wird unterschieden zwischen Maschinen kleiner 19 kW und alle anderen Baumaschinen. Für Baumaschinen kleiner 19 kW müssen Grenzwerte für Betriebsgeräusche eingehalten werden. Baumaschinen mit mehr als 19kW installierte Nutzleistung müssen zusätzlich Grenzwerte bei der Emission von CO, NOX, HC (flüchtige organische Substanzen) und Feinstaub einhalten.
Der maximaler Prüfwert für den garantierten Schallleistungspegel darf 104 dB nicht überschreiten. In Abhängigkeit vom Baumaschinentypen und deren installierter Nutzleistung gelten unterschiedliche maximale Schallleistungspegel zwischen 87 und 103 dB (RAL-UZ 53 2015).
Quellenverzeichnis
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (2020): Empfehlung des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung vom 17. November 2020 zur „Anwendung der Standardberufsbildpositionen in der Ausbildungspraxis“. BAnz AT 22.12.2020 S4. Online: https://www.bibb.de/dokumente/pdf/HA172.pdf
DGNB (2021) Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – DGNB e.V.(2021): Zertifizierung für nachhaltige Baustellen. Stuttgart 10.06.2021. Online: https://www.dgnb.de/de/aktuell/pressemitteilungen/2021/zertifizierung-nachhaltige-baustellen
(EU 2000/14/EG) Richtlinie 2000/14/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Mai 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über umweltbelastende Geräuschemissionen von zur Verwendung im Freien vorgesehenen Geräte und Maschinen. Online: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=LEGISSUM:l28048
RAL-UZ 53 (2015) RAL gGmbH (2015): Vergabegrundlage für Umweltzeichen Baumaschinen RAL-UZ 53. Sank Augustin, Februar 2015. Online: https://produktinfo.blauer-engel.de/uploads/criteriafile/de/DE-UZ%20053-201502-de-Kriterien-V5.pdf
SDG 12 Nachhaltige/r Konsum und Produktion
“Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen”
Das SDG 12 “Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen”, fordert im Kern zu nachhaltigem Konsum und nachhaltigen Produktionsmustern auf („Ensure sustainable consumption and production patterns“). Die Entwicklung einer funktionierenden Abfall- und Kreislaufwirtschaft leistet zudem einen positiven Beitrag zu weiteren Zielen, beispielsweise Gesundheit (SDG 3), menschenwürdige Beschäftigung (SDG 8) und Klimaschutz (SDG 13). Darüber hinaus kann die Kreislaufwirtschaft auch noch zu weiteren Nachhaltigkeitszielen, wie sauberes Wasser (SDG 6), Industrie, Innovation und Infrastruktur (SDG 9, Leben an Land (SDG 15) sowie nachhaltige Städte und Gemeinden (SDG11) führen. (BMZ o. J.) SDG 12 wird daher auch als Querschnittsziel bezeichnet. Mit Blick auf die Abfall- und Kreislaufwirtschaft sind folgende Unterziele von SDG 12 von besonderer Relevanz (Destatis o.J:
SDG 12.2 “Bis 2030 die nachhaltige Bewirtschaftung und effiziente Nutzung der natürlichen Ressourcen erreichen.”
SDG 12.4 „Bis 2020 einen umweltverträglichen Umgang mit Chemikalien und allen Abfällen während ihres gesamten Lebenszyklus in Übereinstimmung mit den vereinbarten internationalen Rahmenregelungen erreichen und ihre Freisetzung in Luft, Wasser und Boden erheblich verringern, um ihre nachteiligen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt auf ein Mindestmaß zu beschränken.“
SDG 12.5 „Bis 2030 das Abfallaufkommen durch Vermeidung, Verminderung, Wiederverwertung und Wiederverwendung deutlich verringern.“
SDG 12.7 “In der öffentlichen Beschaffung nachhaltige Verfahren fördern, im Einklang mit den nationalen Politiken und Prioritäten”
Darüber hinaus sind erwähnenswert:
SDG 12.1 “Die Umsetzung des Zehnjahresprogramms für nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster der UNO.”
SDG 12.3 “Bis 2030 die weltweite Nahrungsmittelverschwendung pro Kopf auf Einzelhandels- und Verbraucherebene halbieren.”
SDG 12.6 “Unternehmen zu einer nachhaltigen Unternehmensführung ermutigen.”
“Abfall” ist aber auch eine eigene Position 3d in der Standardberufsbildposition “Umweltschutz und Nachhaltigkeit”:
d) Abfälle vermeiden sowie Stoffe und Materialien einer umweltschonenden Wiederverwertung oder Entsorgung zuführen
SDG 12 zielt im Kern auf die nachhaltige und effiziente Nutzung der Ressourcen ab. Ressourcen sind alle Stoffe der Natur (Mineralien und Metalle, biotische Ressourcen wie Holz oder Baumwolle), aber auch Luft, Wasser und Boden (vgl. ProgRess 2016). Abfälle sollen vermieden oder recycelt und gefährliche Abfälle sicher entsorgt werden. Die Nahrungsmittelverschwendung soll verringert werden (s.u.). Weitere Themen sind die nachhaltige Entwicklung von Unternehmen, eine bessere Verbraucher*innen-Bildung, nachhaltige Beschaffung und der umweltverträgliche Umgang mit Chemikalien. Das SDG 12 betrifft daher im Prinzip alle Fähigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten der Standardberufsbildposition. Weitere Verbindungen zwischen den SDG und der Standardberufsbildposition werden bei den jeweiligen SDG beschrieben.
Ressourcenverbrauch
Gegenwärtig steigen sowohl der weltweite Ressourcenverbrauch als auch das globale Abfallaufkommen unvermindert an. Die Gewinnung und Verarbeitung von Ressourcen führen dabei zu hohen Treibhausgasemissionen sowie zu enormen Umweltbelastungen und Biodiversitätsverlusten. Laut Schätzungen des International Ressource Panels der Vereinten Nationen gehen etwa 50 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen direkt oder indirekt auf die Gewinnung und Verarbeitung von fossilen Rohstoffen, Biomasse, Erzen und Mineralien zurück. Deshalb ist es dringend geboten, den Ressourcenverbrauch auf ein zukunftsverträgliches Ausmaß zu reduzieren und das Wirtschaftswachstum mit der Begrenztheit der Ressourcen in Einklang zu bringen. Das erfordert eine Abkehr vom derzeit dominierenden linearen hin zu einem zirkulären Wirtschaftssystem. Auch Deutschland muss sich dieser Herausforderung stellen und den entsprechenden Transformationsprozess durchlaufen (Global Resources Outlook 2019).
Ziel der Transformation ist es, durch Innovation, Technologie und die Betrachtung des gesamten Systems die Basis für eine zirkuläre Wirtschaftsweise bereitzustellen. Das erfordert die Entwicklung neuer und die Verbesserung bestehender Technologien, Systeme und Prozesse. Im Fokus stehen dabei die Beschaffung und Nutzung recycelbarer, unbedenklicher und möglichst biobasierter Materialien, sämtliche Aspekte des Designs (Materialauswahl, Zerlegbarkeit, Reparierbarkeit, Re-Use) sowie die ressourceneffiziente und emissionsarme Herstellung wiederverwendbarer Produkte (Circular Futures o. J.).
Weitere zentrale Handlungsfelder sind die Rohstoffrückgewinnung (Aufbereitung) und sämtliche Aspekte des Recyclings. Überlegungen zu einem entsprechend angepassten Verhalten der Verbraucher und Verbraucherinnen wie Leasing, Sharing, Re-Use, Refurbishment und Repair sind dabei ebenso von entscheidender Bedeutung wie eine durchgängige Erfassung, Nutzung und Bereitstellung von Daten über den gesamten Lebenszyklus (BMWK 2022).
Baurestmassen
Ein besonders hohes Verwertungspotential besitzen Baurestmassen, denn sie machen über die Hälfte des gesamten Abfallaufkommens aus (DESTATIS 2022b). Jährlich sind es über 80 Millionen Tonnen, die einer Verwertung oder einer Beseitigung zugeführt werden müssen. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um Bauschutt, Straßenaufbruch, Baustellenabfällen sowie die Fraktion Boden und Steine. Dabei sind größere Mengen an Aushubmaterial, wie Boden und Steine, typisch für bauvorbereitende Handlungen im Hoch- und Tiefbau. Abbruchabfälle hingegen sind inhomogene Gemische, die aus einer Vielzahl von Materialien, wie Boden, Sand, Natursteinen, Betonstücken, Keramik, Ziegel, Fliesen, behandelten und unbehandelten Hölzern, Metallteilen oder Asphalt zusammengesetzt sein können. Auch Installationselemente aus dem Elektrobereich wie beispielsweise Kabel und Geräte sowie Isolationsmaterialien und Rohrleitungen gehören dazu (bbs 2021b).
Die Verwertungsmöglichkeiten für Bau- und Abbruchabfälle und daraus gewonnene Materialien sind vielfältig. Bei guter und gesicherter Qualität können Gesteinskörnungen aus Beton- und Mauerwerksbruch für die Herstellung von Betonen im Hochbau eingesetzt werden. Ansonsten stellen landschaftsbauliche Maßnahmen, Unterbau- und Tragschichtherstellung im Straßen- und Wegebau sowie der Bau von Sicht- und Lärmschutzanlagen gängige Verwertungswege dar. Auch im Deponiebau besteht eine signifikante Nachfrage nach aufbereiteten Baureststoffen (bbs 2021b).
Trotz dieser guten Verwertungsmöglichkeiten wird eine hochwertige Kreislaufführung unter Weiternutzung der stofflichen-technischen Eigenschaften für die mineralischen Fraktionen noch zu selten praktiziert. Denn nur ein Bruchteil wird wieder als hochwertiger Betonzuschlagstoff eingesetzt. Der überwiegende Teil wird weniger hochwertig bodennah eingesetzt, wie beispielsweise im Landschafts- und Wegebau, als Ausgleichsmaterial, als Verfüllungsmaterial von Aushebungen oder im stillgelegten Bergbau. Der Einsatz von Recycling-Gesteinskörnungen mit definierten technischen Eigenschaften in Anwendungen, die keine besonderen Anforderungen an das Material stellen, entspricht jedoch einem Downcycling (UBA 2010).
Eine hochwertige Verwertung von Baurestmassen in anspruchsvollen Anwendungen erfordert allerdings entsprechende Verfahren zur Gewinnung und Herstellung hochwertiger und gütegesicherter mineralischer Rezyklate. Denn die späteren Verwertungsmöglichkeiten werden maßgeblich von den bautechnischen Eigenschaften des Ausgangsmaterials und der Zusammensetzung des Bauschutts bestimmt. Daher sind selektive Rückbau- und Abbruchverfahren, bei denen die Baustofffraktionen bereits an der Abbruchstelle sorgfältig getrennt und Schadstoffe frühzeitig ausgeschleust werden, von zentraler Bedeutung. Denn sortenreine mineralische Bauabfälle lassen sich durch Zerkleinern, Sieben und Klassieren zu Recycling-Baustoffen aufbereiten und können dann im konstruktiven Bau als gleichwertiger Betonzuschlag eingesetzt werden und auf diese Weise dazu beitragen wertvolle Rohstoffvorkommen zu schonen.
Mittelfristig ist es wichtig, die große Abhängigkeit vom Straßen(neu)bau bei der Entsorgung von Abbruchabfällen zu reduzieren, denn der materialintensive Neubau von Straßen wird, vor allem in strukturell benachteiligten Regionen, abnehmen. In Regionen mit eher geringem Neubau von Straßen liegen daher die ökologischen Vorteile, Gesteinskörnungen im Hochbau zu verwerten, auf der Hand (UBA 2010).
Teerhaltiger Straßenaufbruch
Bis zum Ende der 1980er Jahre, konnten im Straßenbau nicht nur Bitumen sondern auch Straßenpech und Gemische aus Straßenpech und Straßenbaubitumen als Bindemittel eingesetzt werden. Seit dem Jahr 19484 ist in Deutschland und seit 1990 auch in den neuen Bundesländern die Anwendung von Teer als Bindemittel im Straßenbau verboten. Denn Pech (früher auch Teer genannt) enthält polycyclische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), von denen einige krebserregend sind.
Europaweit gilt teerhaltiger Straßenaufbruch seit 2002 aufgrund seines hohen PAK-Gehalts als gefährlicher Abfall und ist als besonders überwachungsbedürftig eingestuft. Werden bestimmter Grenzwerte für PAK überschritten wird teerhaltiger Straßenaufbruch als gefährlich eingestuft. Je nach Höhe der PAK-Gehalte und des Phenolindex wird der Straßenaufbruch einer sogenannten Verwertungsklasse zugeordnet und in Abhängigkeit von dieser Klasse entsprechende Verwertungsmöglichkeiten definiert. Allerdings unterscheiden sich die PAK- Grenzwerte, die zur Einstufung als teerhaltiger Abfall führen in den einzelnen Bundesländern teilweise erheblich. Gleichwohl kommen grundsätzlich folgende vier Verwertungsoptionen in Betracht (REMEX 2021):
- Stoffliche Verwertung im Straßenbau –
- Stoffliche Verwertung auf der Deponie
- Thermische Behandlung
- Beseitigung auf der Deponie
In Deutschland fallen jedes Jahr über 3 Mio. t teerhaltiger Straßenaufbruch an (Destatis 2023). Denn die alten teerhaltigen Asphaltschichten sind vielfach noch immer im Straßenkörper vorhanden, weil gerade im kommunalen Straßennetz einige Straßen noch nicht erneuert wurden. Oftmals wird der alte teerhaltige Straßenkörper als Unterbau genutzt und mit einem neuen Straßenkörper überbaut. Allerdings stellt dann jede weitere Baumaßnahme eine erneute Konfrontation mit diesem schadstoffbelasteten Material dar. Das verursacht zusätzliche Kosten. Zudem bleibt das Belastungspotenzial bestehen und das schadstoffbelastete Material wird nicht aus dem Materialkreislauf ausgeschleust (REMEX 2021).
Um jedoch die kreislaufwirtschaftlich gebotene Schadstoffausschleusung zu bewerkstelligen verbleiben anstatt einer Weiterverwendung im Straßenbau lediglich die thermische Behandlung und die Deponierung als mögliche Entsorgungspfade übrig. Bei der Deponierung ist allerdings zu unterscheiden ob es sich um eine einfache Ablagerung (Beseitigung) handelt oder ob der teerhaltige Straßenaufbruch stofflich verwertet wird. Eine stoffliche Verwertung auf der Deponie liegt vor, wenn das Material z. B. zur Modellierung des Deponiekörpers und der Ausgestaltung der endgültigen Kubatur, als Baustoff für den Wegebau, als Schutzlage auf Kunststoff-Dichtungsbahnen, in der Sickerwasserschicht oder als filterstabile Schicht auf der Sickerwasserschicht genutzt wird (Knappe et al 2017).
Mehr als 60 Prozent des anfallenden teerhaltigen Straßenaufbruchs wird auf Deponien verbracht. Davon wiederum werden lediglich knapp 60 Prozent dort lediglich abgelagert. Die darin enthaltenen hochwertigen mineralischen Rohstoffe werden somit nicht als Deponieersatzbaustoff genutzt. (Sutor-Fiedler 2021)
Aus ökologischer Sicht kann der Einsatz von teerhaltigem Straßenaufbruch als Deponiebaustoff im Vergleich zur thermischen Reinigung vorteilhafter sein. Entscheidend sind dabei die Transportwege sowie die Transportart von der Anfallstelle zur Deponie bzw. zur thermischen Behandlungsanlage. Ist die Zusatztransportstrecke zur thermischen Behandlung größer als 60 km per Schiff, ist eine stoffliche Verwertung in Form von Deponiebaustoffen ökologisch vorteilhafter (Knappe et al 2017). Dies ist in Deutschland jedoch überwiegend der Fall, denn in Ermangelung einer entsprechenden Behandlungsanlage in Deutschland, kann das Material derzeit ausschließlich in spezielle thermische Behandlungsanlagen in die Niederlande verbracht werden. Dies führt zu unverhältnismäßig langen Transportwegen, die sich in der Ökobilanz, aber auch wirtschaftlich niederschlagen (Kurth et al 2019).
Betonrecycling
Beton wird im Straßenbau immer dann eingebaut, wenn hohe Belastungen zu erwarten sind, denn bezogen auf die Einbaustärke ist Beton stärker belastbar als Asphalt. Typische Anwendungsfälle sind daher z. B. Lkw-Fahrspuren auf Autobahnen, Parkflächen auf Lkw-Rastplätzen oder Rangierflächen. Zudem sind Betonstraßen deutlich langlebiger als Asphaltstraßen (Baunetzwerk 2019). Allerdings ist der Einbau von Beton deutlich komplizierter als der von Asphalt, denn mit dem Einbau der ersten Lage wird auch direkt die Oberfläche hergestellt, welche beim Asphalt als sogenannte Verschleißdecke erst als letzte Schicht hergestellt wird. Des Weiteren sind Sanierungen aufwändiger und die Zeit zwischen Baubeginn und Nutzung ist erheblich länger als bei Asphaltfahrbahnen (Baunetzwerk 2019).
Im Jahr 2021 wurden in Deutschland etwa 54 Mio. m3 Transportbeton produziert. In den letzten Jahren ist die produzierte Betonmenge kontinuierlich gestiegen. Lag die Produktionsmenge im Jahr 2012 noch bei 46 Mio. m3 kletterte sie im Jahr 2019 bereits auf 53 Mio. m3 (Statista 2022c)
Zum Schutz der natürlichen Rohstoffe werden bereits seit geraumer Zeit als Zuschlagstoffe für Betone sogenannte rezyklierte Gesteinskörnungen anstelle von Kies oder Splitt, die aus natürlichen Lagerstätten gewonnen werden, eingesetzt (IZB o. J.). Beim Betonrecycling wird zwischen dem Recycling von Frischbeton und von Festbeton unterschieden.
Das Recycling von Frischbeton erfolgt in der Regel bereits im Betonmischwerk, wo überzähliger Frischbeton und das sogenannte Restwasser aus der Betonherstellung aufbereitet und fast vollständig der Produktion des Betons wieder zugeführt werden. Frischbeton, der entweder auf der Baustelle zu viel bestellt wurde oder bei der Fertigteilherstellung nicht benötigt wurde, landet in der Recyclinganlage des Betonwerks. Dort werden flüssige und feste Bestandteile effizient getrennt. Die festen Bestandteile werden anschließend den Lagerbeständen der Gesteinskörnungen für die weitere Betonherstellung zugeführt. Das sogenannte Restwasser fällt nicht nur beim Frischbetonrecycling an, sondern auch beim Reinigen des Betonmischers, der Fahrmischertrommel oder der Betonpumpe. Die Verwendung von Restwasser als Zugabewasser für Betone regelt DIN EN 1008.
Beim Recycling von Festbeton werden Betonbauteile am Ende ihrer Lebensdauer zerkleinert und nahezu vollständig als Baustoff wiederverwertet, sei es im Straßenbau oder als rezyklierte Gesteinskörnung bei der Betonherstellung. Die notwendigen technischen Regelwerke für das Betonrecycling liegen vor und sind bauordnungsrechtlich eingeführt (Zementmerkblatt 2021). Doch auch eine Wieder- oder Weiterverwendung nach dem Prinzip „Produktrecycling vor Materialrecycling“ lässt sich bei Betonfertigteilen und Betonwaren oft sehr gut realisieren. Tragende Bauteile aus Beton können im Ganzen demontiert und in anderen Bauwerken wiederverwendet werden. Aufgenommene Wegebefestigungen aus Betonsteinpflaster oder Betonplatten werden z. B. beim Bau von Deichen, Bus- und Straßenbahnhaltestellen wieder eingesetzt.
Andere Betonbauteile werden nach dem Abbruch eines Bauwerks in Brechanlagen zerkleinert und anschließend zu hochwertiger Gesteinskörnung aufbereitet. Allerdings sind ein sorgsamer Abbruch und Rückbau mit getrennter Erfassung der Restbaumassen eine zentrale Voraussetzung für das Recycling von Festbeton (IZB o. J.).
Der Festbeton, der mit rezykliertem Material hergestellt und meist als ressourcenschonender oder R-Beton bezeichnet wird, besitzt praktisch dieselben Festigkeiten wie ein Beton, der vollständig mit natürlichen Gesteinskörnungen hergestellt wurde. Die Herstellung und Verwendbarkeit von Beton mit rezyklierter Gesteinskörnung ist in der DAfStb-Richtlinie „„Beton mit rezyklierter Gesteinskörnung – R-Beton“ geregelt (DAfStb-RiLi B30 2021). Sie legt z. B. Grenzwerte für den Anteil der rezyklierten Gesteinskörnungen im Beton fest, um u.a. die Dauerhaftigkeit des Betons zu gewährleisten. Doch auch die Herstellung von Beton mit bis zu 100 Prozent rezyklierter Gesteinskörnung ist möglich. Dazu muss allerdings die Produkteigenschaft durch bauaufsichtliche Zulassung oder einer Zustimmung als Einzelfall nachgewiesen werden.
Recycling-Baustoffe decken in Deutschland bereits heute fast 13 Prozent des Bedarfs an Gesteinskörnung und ersetzen damit Rohstoffe, die sonst natürlichen Lagerstätten entnommen werden müssten. Angesichts der erschwerten Erschließung weiterer Lagerstätten natürlicher Gesteinskörnungen und Möglichkeiten, Bauschutt zu deponieren, wird das Recycling von Baustoffen in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen (IZB o. J.).
Urban Mining
Die Bauindustrie zählt zu den materialintensivsten Wirtschaftsbereichen. So werden jährlich 560 Millionen Tonnen, also rund 90 Prozent aller in Deutschland verwendeter mineralischer Rohstoffe für die Produktion von Baustoffen verwendet. Insgesamt wurden damit in Deutschland rund 50 Milliarden Tonnen mineralischer Rohstoffe wie Kalk, Gipsstein, Kies, Sand oder Ton für die Errichtung, den Ausbau und die Modernisierung vom Gebäudebestand verwendet. Allein im Jahr 2020 wurden in Deutschland 35,5 Mio. Tonnen Zement produziert. Dafür waren 51,0 Mio. Tonnen Rohstoffe und etwa 30 Terawattstunden Energie notwendig. Von diesen 35,5 Mio. Tonnen Zement wurden wiederum 30,1 Mio. Tonnen für die Herstellung von Mörtel und Beton verbraucht (VDZ 2021). Das entspricht in etwa 55,3 Mio. Kubikmeter an Transportbeton. Um den Materialbedarf zu decken, wurden in Deutschland im Jahr 2018 rund 485 Mio. Tonnen Natursteine, Kiese und Sande gewonnen. Nur 12,5 Prozent des nationalen Gesamtbedarfs an Gesteinskörnungen konnten mit Recycling-Baustoffen und weitere 4,9 Prozent durch industrielle Nebenprodukte gedeckt werden (bbs 2021). Darüber hinaus produziert Deutschland – im Vergleich zu anderen EU-Ländern – mit jährlich etwa 40 Mio. Tonnen die größte Menge an Rohstahl (Wirtschaftsvereinigung Stahl 2022). Die eingesetzte Stahlmenge in der Bauindustrie machten damit ca. 35 Prozent des gesamten deutschen Stahlbedarfs im Jahr 2019 aus (Statista 2022d).
Jährlich fallen etwa 230 Mio. Tonnen an Bau- und Abbruchabfällen an. Damit dominiert die Bauwirtschaft mit über 54 Prozent maßgeblich das gesamte Abfallaufkommen (BBSR 2020).
Der hohe Ressourcenbedarf des Bauwesens birgt jedoch auch große Einsparpotenziale, weshalb dem Bauwesen eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung von Ressourceneffizienz zukommt. Denn der enorme Materialeinsatz hat zur Folge, dass sich Rohstoffe in der gebauten Umwelt (sog. anthropogenes Lager) ansammeln. So fassen deutsche Wohn- und Nichtwohngebäude beispielsweise aktuell etwa 28,4 Milliarden Tonnen Baumaterial. Darin enthalten sind vor allem mineralische Materialien, gefolgt von Stahl, Holz und Kunststoffen (UBA 2022).
Zwar wird bereits heute ein hoher Anteil der Bau- und Abrissabfälle wiederverwertet, doch häufig ausschließlich im sogenannten Downcycling. Dabei wird der beim Gebäudeabriss gewonnene Schutt lediglich als minderwertiges Füllmaterial im Straßen- und Erdbau, sowie für Baugruben verwendet. Ressourceneffizienzpotenziale und Herausforderungen bestehen somit darin, diese Materialmengen auch für höherwertigere Zwecke einzusetzen bzw. Abfälle zu vermeiden (bbs 2021).
Dazu ist es jedoch unerlässlich, beim Rückbau und dem Abriss mit höchstmöglicher Selektivität vorzugehen, um die verschiedenen Baumaterialien möglichst sortenrein zu erfassen. Denn nur so ist eine höherwertige Weiternutzung möglich. Mineralische und biogene Baustoffe sind dabei strikt getrennt zu halten sowie Kunststoffe und Metalle auszusortieren. Eine fortschrittliche Materialtrennung unterscheidet zudem Metall- und Kunststoffsorten und differenziert die mineralische Fraktion nach Korngröße und Bestandteilen.
Während der aktiven Nutzung von Gebäuden und Straßen sind die verbauten Materialien nicht für eine Weiternutzung verfügbar. Jedoch gibt es am Lebenszyklusende durch die Verwertung der verbauten Materialien große Potenziale für mehr Ressourceneffizienz. Denn Städte und Siedlungen mit ihren Ver- und Entsorgungssystemen und ihren Verkehrswegen stellen riesige Rohstofflager dar. Angesichts der Verknappung wichtiger Rohstoffe liegt die Erschließung und Nutzung dieser Rohstofflager auf der Hand. Diese Rohstoffe finden sich in Konsumgütern wie Autos oder elektronischen Geräten, auf Mülldeponien und in Produkten, die wir länger nutzen, wie Häuser und andere Immobilien. Der größte Teil dieser Materialien sind Steine, Beton, Asphalt und Erde. Alleine in Deutschland finden sich über 50 Milliarden Tonnen Material, die nach dem Rückbau von Gebäuden wieder neu eingesetzt werden könnten. Doch in großen Teilen landet dieses Material nach dem Abriss auf Deponien oder sie werden “recycelt” und für minderwertige Funktionen eingesetzt. Die systematische Nutzung dieser verbauten Materialien als Rohstoffquelle wird Urban Mining genannt, was soviel wie “Bergbau im städtischen Bereich” bedeutet. Doch Urban Mining beschränkt sich nicht nur auf städtische Lager, sondern umfasst den gesamten Bestand langlebiger Güter. Ziel des Urban Mining ist also eine Kreislaufwirtschaft, die dadurch erreicht werden soll, dass urbane Umgebungen als Rohstofflager begriffen werden, in denen wertvolle Materialien lagern, die abgebaut und genutzt werden können, wie bei einem Bergwerk.
Zudem lassen sich durch den Ausbau und die direkte Wiederverwendung von Betonteilen die Kosten für die Entsorgung sowie für die Neuproduktion einsparen. Im Plattenbau werden die Kosteneinsparungen bei einer direkten Wiederverwendung von Betonplatten auf bis zu 50 Prozent geschätzt (Garus 2022).
Quellenverzeichnis
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BBSR (2020). Bundesinstitute für Bau-, Stadt- und Raumforschung BBSR im Bundesamt für Bauwesen und Raumentwicklung (2020): Umweltfußabdruck von Gebäuden in Deutschland – Kurzstudie zu sektorübergreifenden Wirkungen des Handlungsfelds ‚Errichtung und Nutzung von Hochbauten‘ auf Klima und Umwelt. BBSR-Online-Publikation Nr. 17/2020.
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Das Kompetenzzentrum Ressourceneffizienz (2022): Ressourcenverbrauch im Bauwesen. Online: https://www.ressource-deutschland.de/themen/bauwesen/ressourcenverbrauch-im-bauwesen/
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Garus, Tom (2022): Beton-Recycling – Neues Leben für die alte Platte. Deutschlandfunk 12.10.2022. Online: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/technologie/plattenbauten-umbau-eu-foerderung-101.html
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Kurth, Peter; Pakleppa, Felix; Babie, Dieter; Bokies, Marco (2019): Gemeinsame Verbändeposition zur kritischen Entsorgungssituation für teer-/pechhaltigen Straßenaufbruch. Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft, Zentralverband des Deutschen Baugewerbes, Hauptverband der Deutschen Bauindustrie und Deutscher Asphaltverband. 09.10.2019
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SDG 13 Maßnahmen zum Klimaschutz
“Umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen ergreifen”
Das SDG 13, gehört zu den besonders zentralen Nachhaltigkeitszielen und zielt darauf ab den Klimawandel als globale Bedrohung, die bereits heute jedes Land auf allen Kontinenten betrifft und sich negativ auf die Volkswirtschaften und das Leben jedes Einzelnen auswirkt, zu begrenzen.
Für den Straßenbau sind insbesondere die folgenden Unterziele von Relevanz (Destatis 2022):
SDG 13.1 “Die Widerstandskraft und die Anpassungsfähigkeit gegenüber klimabedingten Gefahren und Naturkatastrophen in allen Ländern stärken”
SDG 13.2 “Klimaschutzmaßnahmen in die nationalen Politiken, Strategien und Planungen einbeziehen”
SDG 13.3 “Die Aufklärung und Sensibilisierung sowie die personellen und institutionellen Kapazitäten im Bereich der Abschwächung des Klimawandels, der Klimaanpassung, der Reduzierung der Klimaauswirkungen sowie der Frühwarnung verbessern”
Die Schnittmengen mit der Standardberufsbildposition liegen vor allem in der Reduzierung der direkten und indirekten Emissionen von Treibhausgasen sowie der Dekarbonisierung der Energieerzeugung (vg.:BIBB 2020):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
Die Auswirkungen des Klimawandels sind bereits heute Realität: Die Wetterverhältnisse ändern sich, der Meeresspiegel steigt, die Wetterereignisse werden immer extremer und die Treibhausgasemissionen erreichen heute die höchsten Werte in der Geschichte. Ohne entsprechende Maßnahmen dürfte die durchschnittliche Oberflächentemperatur der Welt in diesem Jahrhundert 3 Grad Celsius überschreiten. Am stärksten betroffen sind die Ärmsten und die Schwächsten. Doch erschwingliche und ausbaufähige Lösungen sind bereits jetzt verfügbar, denn immer mehr Menschen greifen auf erneuerbare Energien und eine Reihe anderer Maßnahmen zurück, welche die Emissionen von Treibhausgasen reduzieren und die Anpassung an den Klimawandel stärken. Der Klimawandel ist jedoch eine globale Herausforderung, die keine nationalen Grenzen kennt. Für die Lösung dieses globalen Problems ist daher eine Koordination auf internationaler Ebene unverzichtbar (UNRIC o. J.)
Der Klimawandel wird durch die Emission von Treibhausgase verursacht. Zahlreiche Gase sind verantwortlich für den Klimawandel. Ihnen gemeinsam ist ihre Undurchlässigkeit für die (Infrarot-)Wärmestrahlung der Erde. Dies führt bekanntlichermaßen zum Klimawandel. Jedes dieser Gase trägt in unterschiedlichem Maße zum Klimawandel bei. Die Stoffe bleiben zudem unterschiedlich lange in der Atmosphäre, weshalb sie unterschiedlich zum Treibhauseffekt beitragen. Das IPCC (International Panel for Climate Change) definiert deshalb ein GWP Global Warming Potential (Erwärmungswirkung für den Klimawandel) eines Stoffes in hundert Jahren im Vergleich zu Kohlendioxid CCO2 wie folgt (vgl. My Climate (o. J.):
- Kohlendioxid CO2: 1 (Bezugswert)
- Methan CH4: 28
- Stickstoffdioxid N2O: 265
- FCKW (verboten) > 12.000
Beitrag des Bausektors zum Klimawandel
Das Bauwesen ist einer der größten Treiber des Klimawandels. Im Jahr 2014 entfielen auf den Bausektor rund 40 Prozent der nationalen THG-Emissionen. In ähnlicher Größenordnung gilt dies auch für den weltweiten THG-Ausstoß. Insgesamt entstehen bei der Errichtung und Nutzung von Gebäuden ca. 75 Prozent der THG-Emissionen während der Nutzung und durch den Gebäudebetrieb. Der restliche Anteil entfällt auf die Emissionen der Baustoffindustrie und von weiteren zuliefernden Unternehmen. Diese sogenannten grauen Emissionen entstehen überwiegend durch energieintensive Prozesse in der Herstellung von bei der Herstellung und beim Transport der Baumaterialien wie Beton, Stahl, Zement, Kalk und Gips sowie die Verwendung von Kohle zur Stromproduktion. Auch Rückbau und Entsorgung der Materialien fallen darunter (BBSR 2020).
Emissionen von Treibhausgasen aus dem Straßenbau
Der gemäß Klimarahmenkonvention der UN (UNFCCC 1992) und Kyoto-Protokoll (UNFCCC 1997) erstellte nationale Inventarbericht zum Deutschen Treibhausgasinventar (NIR 2022) beziffert die Menge an CO2-Äquivalenten, welche von Fahrzeuge und mobile Maschinen der Bauwirtschaft emittiert werden für das Jahr 2021 auf 3,8 Millionen Tonnen. Bezogen auf die nationale Emissionsmenge desselben Jahres von 762 Mio.t. CO2-Äquivalenten (UBA 2022c) entspricht diese Menge einem Anteil von 0,5 Prozent.
Bei den Emissionen von klimawirksamen Gasen aus dem Straßenbau sind jedoch die Emissionen aus dem Bau von Straßen und die Emissionen während der Straßennutzung zu unterscheiden.
Während sich die Emissionen von Treibhausgasen und anderen Luftschadstoffen wie NOX oder Feinstaub aus der Straßennutzung über Annahmen zur Fahrzeugflotte und dem Treibstoffverbrauch differenziert sowie relativ richtig und vollständig quantifizieren lassen, ist dies bei den Emissionen aus dem Bau von Straßen weniger der Fall.
In der Systematik der nationalen THG-Emissionen werden die Emissionen aus dem Bau von Straßen in der Kategorie 1.A.2.g vii Bauwirtschaftlicher Verkehr erfasst und umfassen Fahrzeuge und mobile Maschinen der Bauwirtschaft (NIR 2022). Kategorisch ist der Bauwirtschaftliche Verkehr damit zwar der Kategorie Energie (CRF 1) und der Verbrennung von Brennstoffen (CRF 1.A) nicht aber dem Verkehr (CRF 1 A 3) sondern dem Verarbeitenden Gewerbe (CRF 1.A.2) und dort der sonstigen Energieerzeugung (CRF 1.A.2.g) zugeordnet (Harthan et al 2017). Die Kategorie 1.A.2.g Verarbeitendes Gewerbe – Sonstige Energieerzeugung ist für CO2 eine Hauptkategorie nach der Emissionshöhe und dem Trend (NIR 2022: 198).
Als Aktivitätsraten für die Emissionsberechnung wird der Verbrauch von Benzin und Diesel herangezogen. Allerdings wird dabei auf die Energiebilanz zurückgegriffen, die den Treibstoffverbrauch jedoch für den gesamten Sektor Gewerbe, Handel, Dienstleistungen und übrige Verbraucher auf einem höheren Aggregationsniveau berichtet. Daher werden jährlich erzeugte Verteilschlüssel genutzt, die den Gesamtverbrauch auf die verschiedenen Sub-Sektoren wie z. B. mobile Quellen in CRF 1.A.4.a ii, land- (1.A.4.c ii) und forstwirtschaftlicher Verkehr – (1.A.4.c ii) und eben bauwirtschaftlichen Verkehr (1.A.2.g vii) verteilt (NIR 2022:242).
Vor diesem methodischen Hintergrund betrugen die THG-Emissionen aus Fahrzeugen und mobile Maschinen der Bauwirtschaft für das Jahr 2019 ca. 3.500 kt CO2 äq. Lagen sie im Jahr 2010 noch bei ca. 3.000 kt, stiegen sie im Jahr 2017 auf 3.750 kt um bereits im Jahren 2018 auf ca. 3.500 kt zurückfallen NIR (2022:206).
Allerdings sind die CO2-Emissionen aus den zunehmend eingesetzten Biokraftstoffen wie Bioethanol und Biodiesel nicht berücksichtigt. Der THG-relevante fossile CO2-Anteil der Biokraftstoffe bei Verkehr und Maschinen der Bauwirtschaft betrug im Jahr 2019 zusätzliche 230 kt CO2 äq.
Baumaschinen und schweren Nutzfahrzeuge
Die meisten Baumaschinen und schweren Nutzfahrzeuge werden durch Dieselmotoren betrieben, die dabei in erheblichem Maße Geräusche, Abgase und Partikel erzeugen. Besonders in städtischen Gebieten werden dadurch die lokale Luftqualität sowie die Gesundheit betroffener Personen stark beeinträchtigt. Gleichzeitig empfinden viele Betroffene die Geräusche von Baumaschinen und Baustellen als eine erhebliche Lärmbelastung.
Weltweit verursachen Baumaschinen insgesamt rund 400 Tonnen CO2 pro Jahr, was etwa 1,1 Prozent der weltweiten CO2 Emissionen entspricht. Die Dekarbonisierung mobiler Maschinen ist daher ein wichtiger Hebel zur Begrenzung des Klimawandels Dabei ist wird die Elektrifizierung des Antriebsstrangs zu einer Schlüsseltechnologie für emissionsfreie Baumaschinen. Ein zentraler Treiber ist dabei die Verpflichtung einer zunehmenden Anzahl von Ländern zu einer kohlenstofffreien Zukunft. Zudem versuchen viele Städte, durch die Einführung von Umweltzonen den Betrieb von stark umweltbelastenden Fahrzeugen in städtischen Umgebungen entweder zu verbieten oder Gebühren dafür zu erheben. Dies stellt ein Anreiz für emissionsfreie Maschinen dar, indem Bauprojekte, die weiterhin nur auf Dieselausrüstung angewiesen sind, erhebliche Kosten verursachen. In einigen Städten sind darüber hinaus auch explizite Verpflichtungen zur Nutzung elektrischer Baumaschinen erlassen worden. So verlangt beispielsweise die norwegische Stadt Oslo, dass bis 2025 zunächst auf allen kommunalen Baustellen zur Errichtung öffentlicher Gebäude und ab 2030 auf allen Baustellen nur noch emissionsfreie Baufahrzeuge eingesetzt werden dürfen. Ähnliche Verpflichtungen sind Metropolen wie Los Angeles, Budapest und Mexiko-Stadt dazu verpflichtet, die Emissionen bei allen neuen Gebäuden und Infrastrukturprojekten bis zum Jahr 2030 um mindestens die Hälfte zu reduzieren. Bis 2025 wollen diese Städte nur noch emissionsfreie Baumaschinen einsetzen (DW 2021). Die Europäische Kommission setzt ebenfalls Akzente: Derzeit werden Richtlinien im Bereich „Buying green“ (vgl. ICLAI 2016) und “ Green Public Procurement“ (vgl. EC 2016) erstellt, um die Emissionen auf Baustellen zu reduzieren. Allerdings befindet sich der Markt für geländegängige Elektro-Baufahrzeuge in einem viel früheren Entwicklungsstadium als die Märkte für straßentaugliche Elektrofahrzeuge. Daher ist eine Reihe von elektrischen Baumaschinen erst als Prototyp verfügbar. Ausgangspunkt der Entwicklung sind meist kleinere Kompaktmaschinen sein, deren Anforderungen an den Arbeitszyklus relativ gering sind. Dadurch kann der tägliche Energie- und Leistungsbedarf mit einer praktischen Größe der Lithium-Ionen-Batterie, Elektromotoren und einer gut definierten Ladestrategie gedeckt werden. Allerdings wird das Emissionsgeschehen bei Baufahrzeugen eher von großen Maschinen bestimmt. So sind für etwa 46 Prozent der gesamten CO2 Emissionen von Baufahrzeugen Bagger über 10 Tonnen verantwortlich, daher ist es von entscheidender Bedeutung, dass für große Maschinen emissionsfreie Lösungen entwickelt werden
Aufgrund der anstrengenden Arbeitszyklen dieser schweren Fahrzeuge benötigen Fahrzeuge mit einem Gewicht von über 20 Tonnen mehr als 300 kWh Energie für einen vollen 8-Stunden-Arbeitstag. Mögliche Lösungen für diese Herausforderung sind Batteriewechsel und Kabelbetrieb sowie große Batteriesysteme mit einer schnellen Gleichstrom-Schnellladung (bis zu 300 kW) welcher die Ladezeit auf eine Dreiviertelstunde verkürzt (Wyatt 2022).
Für den erfolgreichen Einsatz von Elektromaschinen sind die Gesamtbetriebskosten entscheidend. Im Vergleich zu Dieselmaschinen sind Elektromaschinen aufgrund der Kosten für die großen Batteriepakete teurer. Allerdings können diese Mehrkosten z. B. für einen elektrischen Minibagger so gering sein, dass die Einsparungen beim Dieselkraftstoff und die geringere Wartung aufgrund entfallender Motoröl-, Kraftstofffilter- und Motorölfilterwechsel, den zusätzlichen Aufpreis weitgehend ausgleichen könnten. Bei größeren Maschinen sind die Mehrkosten für die Elektrifizierung jedoch deutlich höher und können bis jetzt noch nicht durch die Einsparungen bei Treibstoff und Wartung vollständig kompensiert werden (Wyatt 2022).
Allerdings ist die Reduktion von THG-Emissionen nicht der einzige Grund zur Elektrifizierung von Maschinen und Fahrzeugen im Bausektor. Vielmehr sind auch Gesundheits- und Sicherheitsaspekte im Zusammenhang mit dem Betrieb von Dieselmotoren auf Baustellen ausschlaggebend. So ist das Baugewerbe maßgeblich für die meisten jährlichen Fälle von berufsbedingten Krebserkrankungen verantwortlich, von denen wiederum ca. ca. 10 Prozent direkt auf die Abgase von Dieselmotoren zurückzuführen sind. Arbeitsbedingte Krebserkrankungen sind Schätzungen zufolge, die Ursache für ca. die Hälfte aller arbeitsbedingten Todesfälle in der EU (OSHA 2022). Doch auch im Hinblick auf Arbeitsunfällen sind das Baugewerbe sowie die dort eingesetzten Maschinen und Fahrzeugen signifikant ursächlich. Im Jahr 2020 ereigneten sich ca. 18 Prozent aller meldepflichtigen und 41 Prozent aller tödlichen Arbeitsunfälle im Baugewerbe. Ortsfeste oder veränderliche Maschinen sowie Förder-, Transport- und Lagereinrichtungen sind für ca. 17 Prozent aller meldepflichtigen Arbeitsunfälle und sogar für ca. 22 Prozent aller tödlichen Arbeitsunfälle verantwortlich (DGUV 2021). Das Baugewerbe ist auch eine Hochrisikobranche für lärmbedingte Krankheiten. Elektrische Maschinen sind wesentlich leiser und bieten das Potenzial für eine verbesserte Kommunikation, Sicherheit und Produktivität auf der Baustelle, während gleichzeitig die Lärmbelästigung für die Umgebung reduziert wird. Die Beseitigung giftiger Abgasemissionen könnte die Luftqualität auf den Baustellen und in der Umgebung verbessern und damit das Arbeitsumfeld für die Bauarbeiter:innen erheblich verbessern Zudem können elektrische Baumaschinen aufgrund ihrer Abgasfreiheit in Innenräumen eingesetzt werden und erleichtern durch ihre geringen Geräuschemissionen auch Bautätigkeiten außerhalb der normalen Tagesarbeit (Wyatt 2022).
Digitalisierung
Elektrische Baumaschinen sind ein wesentlicher Baustein zur Elektrifizierung des Energiesystems auf dem Weg zur sogenannten All-Electric-Society (vgl. VDE 2022, ZVEI 2022, Handke 2016) und ermöglichen eine weitere Digitalisierung von Bauausführungen. Dabei sind nicht nur die unmittelbaren Vorteile elektrischer Baumaschinen wie geringerer Wartungsaufwand, weniger Lärm und Vibrationen, eine geringere vor-Ort-Belastung durch Schadstoffe, eine Reduktion des Verbrauchs fossiler Treibstoffe und entsprechender Minderung von THG-Emissionen zu berücksichtigen. Vielmehr sind elektrifizierte Baumaschinen eine zentrale Voraussetzung zur erfolgreichen Digitalisierung von Baustellen sowie der effizienten Planung und Steuerung der Bauprozesse. Elektrische Baumaschinen lassen sich digital vernetzen und können dadurch digital gesteuert und kontrolliert werden bis hin zu ihrem sensorgestützten autonomen Einsatz.
Im Bereich der Baumaschinen ist die Digitalisierung daher ein wichtiger Trend und auch ein Hebel zu mehr Nachhaltigkeit im Straßenbau.
Denn die Elektrifizierung von Baumaschinen, angefangen von schweren Nutzfahrzeugen bis hin zu Handgeräten, ermöglicht erst Automatisierungslösungen. Bauprozesse lassen sich so sensorgestützt, wireless und in Echtzeit planen, koordinieren, monitoren, steuern und kontrollieren. Ausrüstungen, Kraftstoffe und Energie können effektiv und effizient eingesetzt werden.
Beispielsweise können datengestützte Assistenzsysteme bei Betonierungsprozessen die Betonverdichtung und den Verdichtungsfortschritt in Echtzeit verfolgen und der Einsatz von Verdichtungsmaschinen damit präziser und bedarfsgerechter erfolgen. Dies führt insgesamt zu einer einfacheren Betonfertigung in reproduzierbarer Qualität (Ingenieur.de 2022).
Energetische Effizienzgewinne lassen sich auch durch die digitale Kontrolle und Steuerung der Temperierung von Frischbeton in Echtzeit erzielen. Dazu kommen Eis- und Heißwasseranlagen mit Wärmepumpen zum Einsatz, die je nach Bedarf im Heiz- oder im Kühlbetrieb laufen und sowohl eine sorgfältigere als auch eine energieeffizientere Aushärtung des Betons ermöglichen (Ingenieur.de 2022).
Auch wenn autonom fahrende und arbeitende Maschinen technisch inzwischen prinzipiell möglich sind, bleibt fraglich ob ihr Einsatz aufgrund der komplexen technischen und sicherheitstechnischen Anforderungen in absehbarer Zeit vorstellbar ist. Deutlich realistischer und für die Bauwirtschaft greifbarer ist der Einsatz „intelligenter“ Baumaschinen mit unterstützenden, halbautomatisierten oder automatisierten. Sie lassen sich mit hohem Automatisierungsgrad bei spezifischen Bauprozessen mit gleichbleibenden und wiederholenden Tätigkeiten wie beispielsweise im Erd-, Straßen- oder Spezialtiefbau einsetzen und merkliche Effizienz- und Produktivitätssteigerungen erzielen. Zudem entlasten sie die maschinenführenden Fachkräfte bei monotonen sich wiederholenden und dadurch ermüdenden Tätigkeiten. Intelligente Maschinen ermöglichen zudem eine höhere Unabhängigkeit von individuellen Fähigkeiten der Fachkräfte (Wirtgen 2022).
Darüber hinaus erleichtert der Einsatz intelligenter Baumaschinen die Dokumentation und damit auch die Nachweisführung von erbrachten Bauleistungen. Dazu kommen satellitengestützte Autotracking- und Lenksysteme zur Anwendung die den Einsatz der Baumaschinen zentral erfassen, steuern und in den Gesamtprozess der Baustellensteuerung integrieren (Wirtgen 2022).
Praxisbeispiele
Inzwischen wird eine Reihe von fossilfreien Baumaschinen auf dem Markt angeboten
- Elektrische Kompressoren – Mit der Modellreihe Mobilair e-power bietet das Unternehmen Kaeser Kompressoren in Coburg elektrische Baukompressoren für den stationären Betrieb an. Die beiden Modelle MOBILAIR M250E oder M255E werden anschlussfertig mit Lasttrennschalter ausgeliefert und können mit einem Modem ausgestattet mit dem Plant Control Center oder einem eigenen Telematik-System verbunden werden. Dies ermöglicht den ferngesteuerten Zugriff auf Informationen über den technischen Zustand der Anlage, die Betriebsstundenzahl und die Standortbestimmung inklusive Geoleashing unterstützt aber auch Auswertung der Anlagenauslastung, bei der Wartungsplanung und Ferndiagnose. Der Kompressor läuft mit 400 oder 480V, ist wahlweise mit einem Motorenleistung von 132 oder 160 kW ausgestattet und liefert einen Betriebsüberdruck von 8,6 bis 14 bar bei Volumenströmen von 16 bis 28 m3/min. Der abgaslose und geräuscharme Betrieb erlaubt den Einsatz in Umwelt- oder Lärmschutzzonen und Gebäuden aber auch auch Anwendungen in Tunneln, Baugruben oder Gebäuden sind möglich. Dank des Elektroantriebs entfallen der Motoröl-, Kraftstofffilter- und Motorölfilterwechsel. Dies bedeutet längere Wartungsintervalle und somit weniger Stillstandszeiten der Anlage. Bis zu 25 Prozent Einsparungen bei den Energiekosten gegenüber eines Baukompressor mit Dieselmotor sind möglich.
- Das österreichische Unternehmen Wacker Neuson bietet bereits seit dem Jahr 2015 den elektrischen Vibrationsstampfer AS-50 bzw. AS-60 an und soll die üblichen Benzin-Öl-Gemisch betriebene Stampfer ersetzen. Vibrationsstampfer sind ein vielfach genutztes Handgerät zur Bodenverdichtung das im Landschaftsbau für Gräben und kleine – oftmals verwinkelte und eingeengte – Flächen, z. B. für Fundamente, Leitungen und Tragschichten eingesetzt wird. Der elektrische Stampfer ist mit einem aufladbaren Akku ausgestattet der eine Energiemenge von 614 Wattstunden (Wh) speichern kann mit dem Schnellladegerät bei einem vollständigen Ladezyklus von einer Stunde ca. 800 Wh bei 220 Volt. Inklusive Akku wiegt der AS 50 mit 73,5 kg. Der Akku ist werkzeuglos wechselbar und kann für weiterer Baugeräte von Wacker Neuson verwendet werden. Wartungsarbeiten, wie bei Verbrennungsmotoren nötig, entfallen komplett. Es gibt beispielsweise keine Probleme mit Vergaserverschmutzungen oder minderwertigem Öl. Dies reduziert Wartungsaufwände und Kosten über die Lebensdauer der Maschine erheblich (Wacker 2022).
- Das Unternehmen VOLVO Construction Equipment bietet drei unterschiedliche Ausführungen von elektrisch betriebenen Kleinbaggern (ECR25, ECR18) sowie zwei Radlader (L25 und L20) an. Die ECR Serie ist mit einer 48 V Batterie ausgestattet deren Kapazität zwischen 16 und 20 kWh liegt. Der Motor hat eine Spitzenleistung von 188 kW. Mit einem Einsatzgewicht von zwischen 1,9 und 2,8 Tonnen sind die Abgasfreien sowie Geräusch und Vibrationsarmen Elektrobagger besonders für den Einsatz in engen Gebäudestrukturen, ruhigen Wohngebieten oder vollen Innenstädten geeignet. Bei den Radladern der Modelle L25 und L20 sind ebenfalls 48 V Lithium-Ionen- Batterien allerdings mit einer Kapazität zwischen 33 und 40kWh verbaut. Die Elektromotoren liefern bei beiden Modellen eine Leistung von 22 kW. Das Einsatzgewicht liegt zwischen 4,6 und 5,3 Tonnen und das Schaufelvolumen zwischen 0,8 und 0,9 m3 (VOLVO CE 2022)
- Hyundai Construction Equipment hat im Jahr 2020 einen 14 Tonnen schweren Wasserstoffbagger sowie einen 1,8-Tonnen-Minielektrobagger entwickelt. Darüber hinaus wird Hyundai Doosan Infracore einen 1,7 Tonnen schweren Minibagger mit Elektroantrieb und einen Bagger mit Hybridmotor ausstellen, die beide im Jahr 2023 auf den Markt kommen (Ingenieur.de 2022).
- Das Unternehmen Bobcat Bensheim GmbH in Bensheim bietet mit dem vollelektrischen Kompakt-Raupenlader T7X die erste Maschine anihrer Art, die vollständig ohne hydraulische Komponenten auskommt. DerT7X ist vollständig batteriebetrieben und die hydraulische Arbeitsgruppe wurde vollständig durch ein elektrisches Antriebssystem ersetzt. Dank der vollelektrischen Plattform werden Leistung und Drehmoment versprochen die dreimal höher liegen als bei dieselbetriebenen Ladern. Der Bobcat T7X ist im Januar 2022 auf der Elektronikmesse CES in Las Vegas für den nordamerikanischen Markt präsentiert worden. Für die Region Europa, wird zunächst das Marktpotenzial des elektrischen Kompaktladers ermitteln. Den Strom für den Elektromotor des T7X liefern Lithium-Ionen-Batterien mit 62 kWh Energieinhalt. Zudem arbeitet der T7X emissionsfrei und sehr geräusch- und vibrationsarm – anders als bei herkömmlichen Baumaschinen fallen die Vibrationen und der Geräuschpegel des Dieselmotors und der Hydraulikpumpe weg. Die Baumaschine kann dadurch gut in lärmsensiblen Bereichen und Innenräumen eingesetzt werden. Die laufenden Betriebskosten können durch den Wegfall von Diesel, Motoröl, Dieselabgasflüssigkeit und Hydraulikteilen sowie durch die Reduzierung der jährlichen Wartungskosten erheblich gesenkt werden (Stellmach 2022).
- Synthetische Kraftstoffe Das Unternehmen Liebherr nutzt hydrierte Pflanzenöle (Hydrotreated Vegetable Oil, kurz HVO) die in Reinform oder als Zugabe fossilen Diesel in Baumaschinen, Kränen und Mininggeräten des Unternehmens eingesetzt werden können. HVO gilt als erster kommerziell erwerbbare Kraftstoff, mit dem Verbrennungsmotoren nahezu klimaneutral betrieben werden können. Während des Lebenszyklus einer Maschine lassen sich die Treibhausgasemissionen um bis zu 90 Prozent senken, wenn sie anstelle von fossilem Diesel mit Renewable Diesel (= HVO 100) betankt wird. Im Bereich der alternativen Antriebskonzepte präsentieren die Liebherr-Komponenten den ersten Wasserstoffmotor, den H964, mit hohen Wirkungsgraden und sehr niedrigen NOX-Emissionen bei gleicher Lebensdauer und gleichen Wartungsintervallen wie Dieselmotoren. Zu den Neuentwicklungen des Unternehmens zählt außerdem das mobile Energiespeichersystem, welches zukünftig einen lokal emissionsfreien Betrieb von elektrifizierten oder hybrid versorgten Baustellen mit höchster Leistungsdichte, Effizienz und Qualität sichern wird (Ingenieur.de 2022)
- Das Unternehmen Hilti hat auf der Bauma 2022 seine neue Akku-Plattform Nuron vorgestellt. Die Vereinheitlichung der Akku-Plattform zielt darauf die Nutzung von kabelgebundenen Geräten zu reduzieren sowie der Lagerbestand als auch der Umfang des Geräteparks zu minimieren. Nuron bietet eine kabellose Plattform, die über 70 Akku-Geräte von leichten bis hin zu schweren Anwendungen in allen Gewerken abdeckt, wodurch auf kabelgebundene oder benzinbetriebene Geräte zunehmend verzichtet werden kann. Von der präzisen Befestigung bis hin zum Betonbrechen, arbeiten alle Nuron Geräte mit den gleichen austauschbaren 22 Volt-Akkus und Ladegeräten. Die Nuron Akkus stehen in fünf Größen zur Verfügung und können je nach Leistungs- und Einsatzdauer ausgewählt werden. Alle Nuron Akkus, Ladegeräte und Nuron Geräte sind miteinander kompatibel. Das Akku-Management wird somit einfacher, da das Verwalten von verschiedenen Spannungen und unterschiedlichen Ladegeräten wegfällt. Die Kompatibilität steigert die Produktivität und hilft, die Kosten mit weniger Ladegeräten und Akkus sowie einer geringen Platzauslastung zu verwalten. Die Nuron Akkus und Geräte liefern eine verbesserte Reichweite, als aktuell vergleichbare 18 oder 20 Volt-Plattformen und versprechen eine Leistung wie ein Netzgerät. Die Schnittstelle zwischen Nuron Akku und Gerät ist völlig neu konzipiert, wodurch Nuron Geräte bis zu 50 Prozent mehr Strom aus dem Nuron 22 Volt -Akku ziehen können, um Leistungsspitzen abzudecken. Entwickelt auf Basis der Lithium-Ionen-Akku-Technologie, enthalten die Nuron Akkus starke Zellen die eine hohe Leistungsdichte erzielen (Ingenieur.de 2022b).
Schwere Nutzfahrzeuge
Ein besonders großes Potenzial wird im Einsatz von Wasserstoff betriebenen Brennstoffzellen in großen Nutzfahrzeugen gesehen. Denn dadurch lassen sich der schweren und teils voluminöse Elektrostrang batteriebetriebener Fahrzeuge vermeiden (KIT 2020). Wasserstoffbetriebene Fahrzeuge sind leiser, wartungsärmer und – bei Herstellung des Wasserstoffs aus regenerativen Quellen – CO2-neutral. Umweltzonen und emissionsbedingte Durchfahrungsverbote stellen keine Probleme mehr dar. Zwar sind erste Fahrzeuge bereits auf dem Markt verfügbar, jedoch muss die Brennstoffzellenentwicklung bei einer Einführung bis 2025 deutlich beschleunigt werden. Taktgeber für die Beschleunigung der Brennstoffzellenentwicklung ist dabei die Produktionstechnik (KIT 2020).
Gleichwohl ist die Entwicklung von LKW-Antrieben auf Wasserstoffbasis branchenweit auf einem nie dagewesenen Höchststand. Etablierte Unternehmen, darunter Hersteller wie Hyundai oder Daimler Trucks, aber auch völlig neue Anbieter wie die US-amerikanische Firma Nikola, die in Kooperation mit IVECO und Bosch an der Marktreife von Brennstoffzellen-LKW feilt, überbieten sich im Rennen um Effizienz, Reichweite und Fortschrittlichkeit. Verwunderlich ist diese Entwicklung angesichts der Vorteile von grünem Wasserstoff nicht: Große Tanks ermöglichen hohe Reichweiten mit einer Tankfüllung. Verschiedene Hersteller arbeiten mit Konzepten, die Reichweiten zwischen 400 und über 1000 Kilometern versprechen. Der Tankprozess ähnelt dabei dem bisherigen Ablauf. Ein Umstellen ganzer Prozesse auf längere Lade- und Standzeiten ist daher nicht nötig. Und Innenstädte, die lärm- und feinstaubbelastet sind, können schon in wenigen Jahren deutlich entlastet werden.
Die Elektrifizierung schwerer Nutzfahrzeuge wie sie im Straßenbau insbesondere zur Lieferung von Material wie Boden, Kies und anderer mineralischer Rohstoffe aber auch zum Abtransport von Baggergut und Baurestmassen zum Einsatz kommen, stellt eine besondere Herausforderung dar. Denn für den mobilen Einsatz kommen batteriebetriebene Antriebskonzepte aufgrund des schweren und teils voluminösen Elektrostrang mit Batterien aber auch aufgrund der limitierten Reichweite und der beschränkten Verfügbarkeit von Ladeinfrastruktur weniger in Betracht. Stattdessen bieten immer mehr Hersteller von Nutzfahrzeugen Brennstoffzellen an. Maßgeblicher angeschoben wird dies durch die EU-Klimaziele den CO2-Ausstoß von neuen Pkw bis 2030 um 37,5 Prozent zu senken und dies bereits in fünf Jahren auch auf schwere Nutzfahrzeuge auszudehnen. Um bis zum Jahr 2025 bei schweren Nutzfahrzeugen 15 Prozent CO2-Emissionen und bis 2030 sogar 30 Prozent einzusparen, erscheint die Brennstoffzellentechnologie daher besonders vielversprechend. Denn einerseits sind konventionelle Lkw-Antriebsstränge mit Dieselaggregaten bereits in hohem Maße optimiert und bieten daher nur noch wenig Einsparpotenzial. Andererseits lassen sich bestehende Lösungen zum batterieelektrischen Antrieb von Pkw nicht direkt von Pkw´s auf Lkw´s übertragen, da die benötigte Batterie zu schwer und die Ladezeiten zu lang wären. Bei Fahrzeugen zum Transport von Schüttgütern ist zudem die Nutzlast entscheidend. Diese wird jedoch bei reinen E-Fahrzeuge aufgrund ihrer schweren Akkumulatoren sehr stark herabgesetzt.
Praxisbeispiele
- Die südkoreanische Firma Hyundai Motor bietet seit dem Jahr 2020 das Model Xcient Fuel Cell auf dem Markt an. Es ist der weltweit erste in Serie produzierte elektrische Schwerlast-Lkw mit Wasserstoff-Brennstoffzellen. Das Unternehmen hat bereits 47 Einheiten in der Schweiz eingesetzt, wo sie bis Juli 2022 mehr als vier Millionen Kilometer gefahren sind. Das Traktormodell XCIENT Fuel Cell 6×4 ist mit einem 180-kW-Brennstoffzellensystem und einem E-Motor mit einer maximalen Leistung von 350 kW ausgestattet. Der Wasserstofftank des Traktors kann 67 kg Wasserstoff aufnehmen, wobei die Batterie 72 kWh für ein Gesamtgewicht von 37.200 kg liefert, um eine durchschnittliche Reichweite von über 450 Meilen pro Tank zu liefern. Im vergangenen Jahr kündigte Hyundai Motor auch sein NorCal Zero-Projekt an, das auch als Zero-Emission Regional Truck Operations with Fuel Cell Electric Trucks bekannt ist. Hyundai Motor wird ab dem zweiten Quartal 2023 30 Elektro-Lkw der Klasse 8 XCIENT Fuel Cell in Kalifornien in Betrieb nehmen. Dies wird der größte kommerzielle Einsatz von Elektro-Lkw der Klasse 8 mit Wasserstoff-Brennstoffzellen in den USA sein (Hyundai 2022).
- In der Hyzon HyMax Serie biete der US-amerikanischen Firma Hyzon Motors Inc. drei Fahrzeugtypen mit 24, 46 und 70 Tonnen an. Die Reichweiten liegen zwischen 400 und 680 km und die Tanks fassen zwischen 32 und 95 kg Wasserstoff und treiben Brennstoffzellen an, die im Dauerbetrieb zwischen 160 und 240 kWh leisten. Die Speicherkapazität der Batterien beträgt zwischen 70 und 140 kWh und die Motorleistung liegt zwischen 160 und 450 kW (Hyzon 2022). Die Modellreihe ist seit 2021 auf dem Markt. Hyzon Motors hat im Jahr 2021 Kaufverträge über insgesamt 20 Brennstoffzellen-Lkw mit Tochtergesellschaften der niederländischen Transportunternehmen Jan Bakker und Millenaar & van Schaik abgeschlossen. Bis zu drei wurden noch 2021 und der Rest 2022 ausgeliefert. Millenaar & van Schaik ist eines der größten Asphalttransportunternehmen in den Niederlanden (Electriv.net 2021).
- Mercedes hat Ende 2020 mit seinem Modell GenH2 einen neuen Schwerlast-Lkw mit Brennstoffzelle präsentiert. Bereits 2023 sollen erste Vorserienfahrzeuge in die Kundenerprobung gehen und ab 2026 die Serienproduktion beginnen. Der weiterentwickelte Lkw ist mit zwei E-Motoren mit je 230 kW Dauerleistung und 330 kW Spitzenleistung ausgestattet. Die Brennstoffzellen liefern zweimal 150 kW Strom. Die HV-Batterie unterstützt kurzzeitig – beispielsweise bei Beschleunigungsphasen – mit bis zu 400 kW Energie, die Speicherkapazität beträgt 70 kWh (Electriv.net 2021b).
- Der Fahrzeugbauer IVECO hat zusammen mit dem Unternehmen Nikola auf der IAA Transportation 2022 die europäische Version der batterieelektrischen 4×2 Sattelzugmaschine Nikola Tre BEV vorgestellt. Das Fahrzeug verfügt über 9 Batterien mit einem Gesamtenergiespeicher von bis zu 738 kWh und einer Dauerleistung von 480 kW, die eine Reichweite von bis zu 500 Kilometern ermöglichen. Mit einem 175 kW-Lader beträgt das Aufladen lediglich ca. 160 min. Die Tanks fassen 70 Kg Wasserstoff. Im September 2022 startete am homePORT in Hamburg die Demophase mit den ersten drei batterieelektrischen (BEV) Nikola Tre Sattelzugmaschinen in Europa (ingenieur.de 2022c).
Quellenverzeichnis
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