Zimmerer/Zimmerin
Einleitung
BBNE und BNE - Ziele der Projektagentur PA-BBNE
Das Ziel der „Projektagentur Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ (PA-BBNE) ist die Entwicklung von Materialien, die die um Nachhaltigkeit erweiterte neue Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ mit Leben füllen soll. Mit „Leben zu füllen“ deshalb, weil „Nachhaltigkeit“ ein Ziel ist und wir uns den Weg suchen müssen. Wir wissen beispielsweise, dass die Energieversorgung künftig klimaneutral sein muss. Mit welchen Technologien wir dies erreichen wollen und wie unsere moderne Gesellschaft und Ökonomie diese integriert, wie diese mit Naturschutz und Sichtweisen der Gesellschaft auszugestalten sind, ist noch offen.
Um sich mit diesen Fragen zu beschäftigen, entwickelt die PA-BBNE Materialien, die von unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden:
- Zum einen widmen wir uns der beruflichen Ausbildung, denn die nachhaltige Entwicklung der nächsten Jahrzehnte wird durch die jungen Generationen bestimmt werden. Die duale berufliche Ausbildung orientiert sich spezifisch für jedes Berufsbild an den Ausbildungsordnungen (betrieblicher Teil der Ausbildung) und den Rahmenlehrplänen (schulischer Teil der Ausbildung) . Hierzu haben wir dieses Impulspapier erstellt, das die Bezüge zur wissenschaftlichen Nachhaltigkeitsdiskussion praxisnah aufzeigt.
- Zum anderen orientieren wir uns an der Agenda 2030. Die Agenda 2030 wurde im Jahr 2015 von der Weltgemeinschaft beschlossen und ist ein Fahrplan in die Zukunft (Bundesregierung o. J.). Sie umfasst die sogenannten 17 Sustainable Development Goals (SDGs), die jeweils spezifische Herausforderungen der Nachhaltigkeit benennen (vgl. Destatis). Hierzu haben wir ein Hintergrundmaterial (HGM) im Sinne der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE, vgl. BMBF o. J.) erstellt, das spezifisch für unterschiedliche Berufe ist.
Die Materialien der Projektagentur
Die neue Standardberufsbildposition gibt aber nur den Rahmen vor. Selbst in novellierten Ausbildungsordnungen in Berufen mit großer Relevanz für wichtige Themen der Nachhaltigkeit wie z. B. dem Klimaschutz werden wichtige Fähigkeiten, Kenntnissen und Fertigkeiten in den berufsprofilgebenden Berufsbildpositionen nicht genannt – obwohl die Berufe deutliche Beiträge zum Klimaschutz leisten könnten. Deshalb haben wir uns das Ziel gesetzt, Ausbildenden und Lehrkräften Hinweise im Impulspapier zusammenzustellen im Sinne einer Operationalisierung der Nachhaltigkeit für die unterschiedlichen Berufsbilder. Zur Vertiefung der stichwortartigen Operationalisierung wird jedes Impulspapier ergänzt durch eine umfassende Beschreibung derjenigen Themen, die für die berufliche Bildung wichtig sind. Dieses sogenannte Hintergrundmaterial orientiert sich im Sinne von BNE an den 17 SDGs, ist faktenorientiert und wurde nach wissenschaftlichen Kriterien erstellt. Ergänzt werden das Impulspapier und das Hintergrundmaterial durch einen Satz von Folien, die sich den Zielkonflikten widmen, da „Nachhaltigkeit das Ziel ist, für das wir den Weg gemeinsam suchen müssen“. Und dieser Weg ist nicht immer gleich für alle Branchen, Betriebe und beruflichen Handlungen, da unterschiedliche Rahmenbedingungen in den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – Ökonomie, Ökologie und Soziales – gelten können. Wir haben deshalb die folgenden Materialien entwickelt:
- BBNE-Impulspapier (IP): Betrachtung der Schnittstellen von Ausbildungsordnung, Rahmenlehrplan und den Herausforderungen der Nachhaltigkeit in Anlehnung an die SDGs der Agenda 2030. Das Impulspapier ist spezifisch für einen Ausbildungsberuf erstellt, fasst aber teilweise spezifische Ausbildungsgänge zusammen (z. B. den Fachmann und die Fachfrau zusammen mit der Fachkraft sowie die verschiedenen Fachrichtungen)
- BBNE-Hintergrundmaterial (HGM): Betrachtung der SDGs unter einer wissenschaftlichen Perspektive der Nachhaltigkeit im Hinblick auf das Tätigkeitsprofil eines Ausbildungsberufes bzw. auf eine Gruppe von Ausbildungsberufen, die ein ähnliches Tätigkeitsprofil aufweisen;
- BBNE-Foliensammlung (FS) und Handreichung (HR): Folien mit wichtigen Zielkonflikten – dargestellt mit Hilfe von Grafiken, Bildern und Smart Arts für das jeweilige Berufsbild, die Anlass zur Diskussion der spezifischen Herausforderungen der Nachhaltigkeit bieten. Das Material liegt auch als Handreichung (HR) mit der Folie und Notizen vor.
Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung
Die Standardberufsbildposition “Umweltschutz und Nachhaltigkeit”
Seit August 2021 müssen auf Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) bei einer Modernisierung von Ausbildungsordnungen die vier neuen Positionen „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“, Digitalisierte Arbeitswelt“, Organisation des Ausbildungsbetriebs, Berufsbildung, Arbeits- und Tarifrecht“ sowie „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“ aufgenommen werden (BIBB 2021). Insbesondere die letzten beiden Positionen unterscheiden sich deutlich von den alten Standardberufsbildpositionen.
Diese Positionen begründet das BIBB wie folgt (BIBB o. J.a): „Unabhängig vom anerkannten Ausbildungsberuf lassen sich Ausbildungsinhalte identifizieren, die einen grundlegenden Charakter besitzen und somit für jede qualifizierte Fachkraft ein unverzichtbares Fundament kompetenten Handelns darstellen“ (ebd.).
Die Standardberufsbildpositionen sind allerdings allgemein gehalten, damit sie für alle Berufsbilder gelten (vgl. BMBF 2022). Eine konkrete Operationalisierung erfolgt üblicherweise durch Arbeitshilfen, die für alle Berufsausbildungen, die modernisiert werden, erstellt werden. Die Materialien der PA-BBNE ergänzen diese Arbeitshilfen mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit und geben entsprechende Anregungen (vgl. BIBB o. J.b). Das Impulspapier zeigt vor allem in tabellarischen Übersichten, welche Themen der Nachhaltigkeit an die Ausbildungsberufe anschlussfähig sind.
Die neue Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ ist zentral für eine BBNE, sie umfasst die folgenden Positionen (BMBF 2022).
a) “Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
c) für den Ausbildungsbetrieb geltende Regelungen des Umweltschutzes einhalten
d) Abfälle vermeiden sowie Stoffe und Materialien einer umweltschonenden Wiederverwertung oder Entsorgung zuführen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren”
Die Schnittstellen zwischen der neuen Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit” werden in
fortlaufend aufgezeigt. Mit Ausnahme der Position c) werden in der Tabelle alle Positionen behandelt. Die Position c) wird nicht behandelt, da diese vor allem ordnungsrechtliche Maßnahmen betrifft, die zwingend zu beachten sind. Maßnahmen zur Nachhaltigkeit hingegen sind meist freiwillige Maßnahmen und können, müssen aber nicht durch das Ordnungsrecht geregelt bzw. umgesetzt werden. In der Tabelle werden die folgenden Bezüge hergestellt:
- Spalte A: Positionen der Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit”;
- Spalte B: Vorschläge für Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten, die im Sinne der nachhaltigen Entwicklung wichtig sind;
- Spalte C: Bezüge zur Nachhaltigkeit;
- Spalte D: Mögliche Aufgabenstellungen für die Ausbildung im Sinne der Position 3e) „Vorschläge für nachhaltiges Handeln entwickeln“;
- Spalte E: Zuordnung zu einem oder mehreren SDGs (Verweis auf das Hintergrundmaterial).
Bildung für nachhaltige Entwicklung
Die Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) meint eine Bildung, die Menschen zu zukunftsfähigem Denken und Handeln befähigt. Sie ermöglicht jedem Einzelnen, die Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Welt zu verstehen (BMBF o. J.). BBNE ist somit nur ein Teil von BNE, der an alle Bürger*innen adressiert ist. Eine Entwicklung ist dann nachhaltig, wenn Menschen weltweit, gegenwärtig und in Zukunft würdig leben und ihre Bedürfnisse und Talente unter Berücksichtigung planetarer Grenzen entfalten können. … BNE ermöglicht es allen Menschen, die Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Welt zu verstehen und verantwortungsvolle, nachhaltige Entscheidungen zu treffen (ebd.).
Grundlage für BNE ist heutzutage die Agenda 2030 mit ihren 17 SDG (Sustainable Development Goals). Die 17 Ziele bilden den Kern der Agenda und fassen zusammen, in welchen Bereichen nachhaltige Entwicklung gestärkt und verankert werden muss (ebd.). Die Materialien der Projektagentur sollen Lehrkräften an Berufsschulen und Ausbildende dabei helfen, die Ideen der SDG in die Bildungspraxis einzubringen. Sie sind somit ein wichtiges Element insbesondere für das Ziel vier “Hochwertige Bildung”: “Bis 2030 sicherstellen, dass alle Lernenden die notwendigen Kenntnisse und Qualifikationen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung erwerben, unter anderem durch Bildung für nachhaltige Entwicklung und nachhaltige Lebensweisen, …” (ebd.).
Während die Grundlage in den Impulspapieren die Ausbildungsordnungen und die Rahmenlehrpläne der beruflichen Bildung waren, die mit den SDG vernetzt wurden, geht das Hintergrundpapier den umgekehrten Weg: Wir betrachten die SDG im Hinblick auf ihre Bedeutung für die berufliche Bildung und stellen uns der Frage, welche Anforderungen ergeben sich aufgrund der SDG und deren Unterziele an die Berufsbildung? Die folgenden Beschreibungen haben deshalb immer die gleiche Struktur:
- Es wird das SDG beschrieben.
- Es werden relevante Unterziele benannt.
- Es wird (wissenschaftlich) ausgeführt, was diese Unterziele für das jeweilige Berufsbild bedeuten.
Beitrag des Zimmererhandwerks zu den SDGs
Umwelt- und Klimaschutz ein zunehmend wichtiges Thema. 65 Prozent der Deutschen halten den Umwelt- und Klimaschutz für ein sehr wichtiges Thema – trotz Corona (UBA 2022a). Besonders der Klimaschutz bleibt während der Pandemie für 70 Prozent weiterhin genauso wichtig, für 16 Prozent ist er sogar wichtiger geworden. In Deutschland entfallen von den gesamten jährlichen 11,2 Tonnen THG-Emissionen pro Person im Durchschnitt rund 24 Prozent der THG-Emissionen auf Wohnen und Strom, 19 Prozent auf Mobilität und 15 Prozent auf Ernährung (UBA 2021b). Damit wird deutlich, wie wichtig es ist, dem Gebäudesektor in Bezug auf die Zukunftsfähigkeit von Neubauten, vor allem aber im Bereich der energetischen Modernisierung des vorhandenen Gebäudebestandes, besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Der Zimmerer und die Zimmerin können auf verschiedenen Ebenen im Sinne der SDGs wirken, angefangen bei der Beratung der Kundschaft in Bezug auf einen Dachaufbau unter Berücksichtigung einer optimalen Wärmedämmung, dabei spielt die Auswahl von Produkten, die möglichst umweltschonend und nachhaltig sein sollten, eine zentrale Rolle. Während der Bauausführung sind ein umweltschonendes Baustellenmanagement und eine langlebige handwerkliche Ausführung wichtig. Nicht zuletzt stellt sich die Frage, wie mit den anfallenden Restmaterialien umgegangen wird, ob diese z.B. im Sanierungsfall eines Daches ggf. weiterverwendet werden können (Stichwort: Baustoffbörse), einem Materialienrecycling oder einer Entsorgung zugeführt werden können.
Für Hauseigentümer:innen wird die Gebäudesanierung oder der Gebäudeneubau, auch vor dem Hintergrund steigender Energiepreise, ein immer wichtigerer Aspekt. Ca. 28 Prozent der Endenergie in Deutschland wird nur von Privathaushalten für Wohnen verbraucht (Destatis, 2020). Der größte Energiefresser in privaten Haushalten ist die Heizung; rund 70 Prozent des Endenergieverbrauchs im Bereich Wohnen verbraucht das Heizen. Der Anteil des CO2-Ausstoßes für Heizen am Gesamtausstoß im Bereich Wohnen liegt bei knapp 60 Prozent. Und mehr als die Hälfte der fürs Heizen freigesetzten CO2-Emissionen stammen aus Energie, die für die Heizung bestimmt war, aber entweder nie dort ankam oder dem Gebäude zu schnell entwichen ist. Hier zeigt sich das Einsparpotenzial. Energetische Sanierungen wie Wärmedämmung von Fassaden, Dach und Keller helfen nicht nur, das Klima zu schützen, sondern entlasten auch die Haushaltskasse: Investitionen rechnen sich durch die geringeren Energiekosten (UBA 2016).
Die Zahl der 2020 erteilten Baugenehmigungen für Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern hat um 5 Prozent zugenommen. Demnach wurden 109.000 Wohnungen genehmigt. Insgesamt wurden im o.g. Zeitraum knapp 333.000 Wohnungen und damit fast 14.000 mehr genehmigt worden als im Vorjahreszeitraum genehmigt worden, was einem Plus von 4 Prozent entspricht. Aufgrund verschiedener Faktoren wie z.B. politischen Krisen, Problemen bei den internationalen Lieferketten von Rohstoffen oder Produkten sind Konjunkturentwicklungen dynamisch und wirken sich teilweise massiv auf die Auftragslage der Bauwirtschaft aus. Im Jahr 2021 ist der Umsatz des Zimmererhandwerks im Vergleich zum Vorjahr um 7,6 Prozent auf 9.7 Mrd. Euro gestiegen. Die Anzahl der Wohngebäude ist um 3,8 Prozent angestiegen. Im gleichen Zeitraum wurden 8,5 Prozent mehr Wohngebäude in Holzbauweise errichtet. Die Zahl der Nichtwohngebäude ist um 10,8 Prozent angestiegen, die davon in Holz gebauten haben um 15 Prozent zugelegt. Im zurückliegenden Jahr 2021 entwickelte sich das Zimmerer- und Holzbaugewerbe erneut weiter: Sowohl die Anzahl der tätigen Personen (+ 3,0 %) als auch die der Betriebe (+ 1,3 %) nahm trotz pandemie bedingter Einschränkungen zu. Die jeweiligen Zuwachsraten liegen leicht über denen des Bauhauptgewerbes (+ 2,2 % bzw. + 1,1 %) (Holzbau Deutschland 2022).
Die hohen Auftragsbestände lassen für das deutsche Baugewerbe insgesamt Raum für eine Umsatzsteigerung auf 151 Milliarden Euro in 2022, was einer Steigerung um nominal 5,5 Prozent entspricht Bei den Beschäftigten erwartet die Branche einen weiteren Aufbau um 10.000 auf 915.000 Beschäftigte (Das Deutsche Baugewerbe 2021).
Für das Dachdeckerhandwerk lassen sich bei einer Ausrichtung auf die Nachhaltigkeitsziele folgende zentrale Kriterien zusammenfassen:
Beratung der Kundschaft in Bezug auf Nachhaltigkeitsaspekte der Gewerke und deren Materialien
Materialauswahl gemäß Nachhaltigkeitskriterien
Resscourceneffizienter Einkauf und Verarbeitung > wenig Materialreste und -verschnitt sowie ggf. spätere Demontierbarkeit des Materials
Stoffliches Recycling von Werkstücken – weitere Verwendbarkeit des Materials
Mögliche Vermeidung von Verbundwerkstoffen (Verklebungen unterschiedlicher Materialien), um eine sortenreine Trennung und Wiederverwendbarkeit der Materialien zu ermöglichen
Erreichung einer sehr guten Luftdichtheit und Dämmwirkung
Optimiertes Baustellenmanagement (u.a. Planung, Gewerke übergreifende Abstimmung), um fehlerhafte Ausführungen der Gewerke zu vermeiden
Durchführung qualitätssichernder Maßnahmen
Ausgehend davon stellt sich nun für den Zimmerer, die Zimmerin die Frage, welche der sich aus der bisherigen Darstellung ergebenden Kriterien für die innerbetrieblichen Entscheidungen sowie für die individuelle Entscheidung der Endkunden bei einer Beauftragung von Belang sind.
Alle in einem Dachdeckerbetrieb Tätigen, einschließlich der Auszubildenden, sollten sich nicht nur wichtige Informationen über die genannten Aspekte in Bezug auf ihre handwerkliche Arbeit aneignen, sondern auch gegenüber der Kundschaft bewerten und vermitteln können.
Weiterführende Bildungs- und Unterstützungsangebote
Für alle Berufsschulen und Unternehmen sowie deren Mitarbeiter*innen und Auszubildenden gibt es viele Möglichkeiten, sich über die in diesem Dokument gegebenen Anregungen hinaus zu informieren und in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung aktiv zu werden. Im Folgenden sind beispielhafte Beratungs- und Unterstützungsangebote aufgeführt, die motivieren und aufzeigen sollen, wie Unternehmen sich in eine nachhaltige Richtung entwickeln können. Entsprechende Beratungs- und Unterstützungsangebote gibt es auf unterschiedlichen Ebenen:
Unternehmensverbände wie B.A.U.M e.V., https://www.klima-allianz.de/, die sich für ein nachhaltiges Unternehmensmanagement einsetzen.
Darüber hinaus gibt es in verschiedenen Bundesländern eigene Initiativen, die ihren Mitgliedsunternehmen Foren und Qualifizierungsangebote anbieten. Stellvertretend seien hier z.B. das Netzwerk Umweltunternehmen in Bremen https://www.umwelt-unternehmen.bremen.de/ oder die Transformationsberatung für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) der Klimaschutz- und Energieagentur in Niedersachsen genannt https://www.klimaschutz-niedersachsen.de/zielgruppen/unternehmen/niedersachsen-allianz-fuer-nachhaltigkeit.php, die von einer Kooperation zwischen niedersächsischen Landesregierung, Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften und Kammern unterstützt wird.
Auch die Handwerkskammern sowie Industrie- und Handelskammern bieten konkrete Maßnahmenkataloge für Unternehmen an, so z.B. die IHK Berlin mit konkreten Checklisten für eine Analyse des Unternehmens https://www.ihk.de/berlin/nachhaltige-wirtschaft/massnahmen/.
Konkrete kostenpflichtige Beratungsangebote zur Begleitung von KMUs in Richtung Nachhaltigkeit gibt es z.B. von ÖKOPROFIT https://www.oekoprofit.info/ oder auch staatlich unterstützt wie in NRW mit der Transformationsberatung für KMU https://greendealnrw.de/transformationsberatung.
Leitfäden und Broschüren helfen Unternehmen dabei, Strategien und Maßnahmen auf dem Weg hin zur Nachhaltigkeit zu entwickeln https://www.renn-netzwerk.de/fileadmin/user_upload/nord/docs/materialien/SDG_KMU_Leitfaden_Okt2018.pdf.
Die hier vorgestellten Tipps erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, mögen Sie als Leser*in jedoch anregen, sich eigenverantwortlich und im Sinne einer zukunftsfähigen Entwicklung eines Unternehmens auf den Weg zu machen. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg dabei!
Glossar
Folgende Abkürzungen werden in diesem Dokument verwendet:
Abkürzung | Bezeichnung |
AO | Ausbildungsordnung |
BMUV | Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit |
Care | Segment der AHV, hier: Krankenhäuser, Pflegeheime |
CO2-Äq | Kohlendioxid-Äquivalente |
FS | Foliensammlung |
HGM | Hintergrundmaterial (wissenschaftliches Begleitmaterial) |
IP | Impulspapier (didaktisches Begleitmaterial) |
KI | Künstliche Intelligenz |
ÖPNV | Öffentlicher Personennahverkehr |
RLP | Rahmenlehrplan |
SBBP | Standardberufsbildposition |
SDG | Sustainable Development Goals |
THG | Treibhausgase bzw. CO2-Äquivalente (CO2-Äq) |
Das Deutsche Baugewerbe (2021): Konjunkturprognose. Online: https://www.zdb.de/baukonjunktur/konjunkturprognose-2021
Destatis (2020): Umweltökonomische Gesamtrechnung. Online:
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (2021): Vier sind die Zukunft. Online: www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/show/17281
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (o. J.a): FAQ zu den modernisierten Standardberufsbildpositionen. Online: https://www.bibb.de/de/137874.php
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (o. J.b): Ausbildung gestalten. Online: BIBB / Reihen / Ausbildung gestalten
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: https://www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (o. J.): Was ist BNE? Online: https://www.bne-portal.de/bne/de/einstieg/was-ist-bne/was-ist-bne.html
Bundesregierung (o. J.): Globale Nachhaltigkeitsstrategie – Nachhaltigkeitsziele verständlich erklärt. Online: www.bundesregierung.de/breg-de/themen/nachhaltigkeitspolitik/nachhaltigkeitsziele-verstaendlich-erklaert-232174
Destatis Statistisches Bundesamt (2022a): Indikatoren der UN-Nachhaltigkeitsziele. Online: http://sdg-indikatoren.de
Holzbau Deutschland (2022): Lagebericht 2022. Online: https://www.holzbau-deutschland.de/fileadmin/user_upload/eingebundene_Downloads/Lagebericht_2022.pdf
UBA Umweltbundesamt (2016): Wärmedämmung – Fragen und Antworten. Online: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/376/publikationen/waermedaemmung_fragen_und_antworten_web.pdf
UBA Umweltbundesamt (2022a): Umweltbewusstsein in Deutschland. Online: https://www.umweltbundesamt.de/themen/nachhaltigkeit-strategien-internationales/umweltbewusstsein-in-deutschland
UBA Umweltbundesamt (2021b): Konsum und Umwelt: Zentrale Handlungsfelder. Online: www.umweltbundesamt.de/themen/wirtschaft-konsum/konsum-umwelt-zentrale-handlungsfelder#bedarfsfelder
RENNnord-Regionale Netzstellen Nachhaltigkeitsstrategie (2019): Ziele für nachhaltige Entwicklung. Online: https://www.renn-netzwerk.de/fileadmin/user_upload/nord/docs/materialien/Broschuere_SDG_Unterziele_2019_Web.pdf
Quellenverzeichnis
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Destatis Statistisches Bundesamt (2022): Indikatoren der UN-Nachhaltigkeitsziele. Online: http://sdg-indikatoren.de/
SDG 4 Hochwertige Bildung
“Inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten lebenslangen Lernens
für alle fördern”
Das SDG zielt primär auf die globale Entwicklung von guten Bildungssystemen ab. Im Berufsbildungssystem ist Deutschland weltweit führend – trotz einiger Defizite wie Personalausstattung, Digitalisierung oder knappe Investitionsbudgets – viele Länder versuchen ein ähnliches Berufsbildungssystem wie in Deutschland aufzubauen. Insofern ist vor allem das Unterziel 4.7 relevant:
Bis 2030 sicherstellen, dass alle Lernenden die notwendigen Kenntnisse und Qualifikationen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung erwerben, unter anderem durch Bildung für nachhaltige Entwicklung und nachhaltige Lebensweisen, Menschenrechte, Geschlechtergleichstellung, eine Kultur des Friedens und der Gewaltlosigkeit, Weltbürgerschaft und die Wertschätzung kultureller Vielfalt und des Beitrags der Kultur zu nachhaltiger Entwicklung
Das SDG 4 spiegelt sich in der fachlichen Unterrichtung der Stichpunkte der anderen SDG wieder, mündet aber in den Positionen e und f der neuen Standardberufsbildposition (BMBF 2022):
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
10 “Goldene Handlungsregeln” für eine BBNE
Die Nachhaltigkeitsforschung und die Bildungswissenschaften haben inzwischen umfassende Erkenntnisse gesammelt, wie eine berufliche Bildung für Nachhaltigkeit gefördert werden kann (vgl. u. a. vgl. Schütt-Sayed u.a. 2021; Kastrup u. a. 2012; Melzig u. a. 2021). Das Ergebnis sind die folgenden 10 didaktischen Handlungsregeln, die das Berufsbildungspersonal dabei unterstützen, Lehr-/Lernprozesse zielgruppengerecht und angemessen zu gestalten. Diese insgesamt 10 Handlungsregeln lassen sich in vier Schritten zuordnen.
Schritt 1 – Richtig anfangen:
Identifizierung von Anknüpfungspunkten für BBNE
1) Ansatzpunkte: Fordern Sie die Verantwortung im eigenen Wirkungsraum heraus, ohne die Berufsschüler und Berufsschülerinnen mit „Megaproblemen“ zu überfordern!
2) Anknüpfungspunkte: Die Curricula sind Grundlage der Lehr-/Lernprozesse – es kommt darauf an, sie im Sinne der Nachhaltigkeit neu zu interpretieren!
3) Operationalisierung: Nachhaltigkeit ist kein „Extra- Thema“, sondern ein integraler Bestandteil des beruflichen Handelns!
Um nachhaltigkeitsorientierte Lehr-/Lernarrangements zu entwickeln, sind zunächst Anknüpfungspunkte für Nachhaltigkeit in den betrieblichen Abläufen zu identifizieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Ausbildungsordnungen und Lehrpläne die rechtliche Grundlage der beruflichen Bildung sind. Es gilt diese im Sinne der Nachhaltigkeit zu interpretieren, sofern nicht bereits konkrete Nachhaltigkeitsbezüge enthalten sind.
Wichtig ist dabei, dass Auszubildende nicht mit den „Megaproblemen“ unserer Zeit überfordert werden, sondern zur Verantwortung im eigenen Wirkungsraum herausgefordert werden – sowohl im Betrieb als auch im Privaten. Denn Auszubildende sind selbst Konsument/-innen, die durch eine angeleitete Reflexion des eigenen Konsumverhaltens die Gelegenheit erhalten, ihre „Wirkungsmacht“ im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit in ihrer eigenen Branche zu verstehen.
Schritt 2 – Selbstwirksamkeit schaffen:
Eröffnung von Nachhaltigkeitsorientierten Perspektiven
4) Handlungsfolgen: Berufliches Handeln ist nie folgenlos: Machen Sie weitreichende und langfristige Wirkungen erkennbar!
5) Selbstwirksamkeit: Bleiben Sie nicht beim „business as usual“, sondern unterstützen Sie Schüler*innen dabei, Alternativen und Innovationen zu entdecken!
6) Zielkonflikte: Verstecken Sie Widersprüche nicht hinter vermeintlich einfachen Lösungen, sondern nutzen Sie sie als Lern- und Entwicklungschancen!!
7) Kompetenzen: Bildung für nachhaltige Entwicklung verbindet Wahrnehmen, Wissen, Werten und Wirken!
Im nächsten Schritt sind nachhaltigkeitsorientierte berufliche Perspektiven für die Auszubildenden zu eröffnen. Diese sollten an einer positiven Zukunftsvision und an Lösungen orientiert sein. Auszubildenden sind dabei die weitreichenden Wirkungen ihres Handelns vor Augen zu führen. Sie sollen verstehen können, warum ihr Handeln nicht folgenlos ist. Das bedeutet gleichzeitig, Auszubildenden die positiven Folgen eines nachhaltigen Handelns vor Augen zu führen. In diesem Zusammenhang ist die Selbstwirksamkeitserfahrung von großer Bedeutung. Sie ist eine der Voraussetzungen, um motiviert zu handeln. Auszubildende dabei zu unterstützen, Alternativen zum nicht-nachhaltigen Handeln zu erkennen und Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung zu entdecken, sollte dabei für Lehrpersonen selbstverständlich sein. Dabei ist immer die individuelle Motivation der Auszubildenden entscheidend, denn zum nachhaltigen Handeln braucht es nicht nur Wissen (Kopf), sondern auch authentisches Wollen (Herz). Wesentlich ist hierbei die Gestaltung ganzheitlicher Lernprozesse, die sowohl den kognitiven als auch den affektiven und psychomotorischen Bereich einbeziehen (vgl. Költze, S.206).
Schritt 3 – Ganzheitlichkeit:
Gestaltung transformativer Lernprozesse
8) Lebendigkeit: Ermöglichen Sie lebendiges Lernen mit kreativen und erfahrungsbasierten Methoden!
9) Beispiele: Nutzen Sie motivierende Beispiele: Sprechen Sie über Erfolgsgeschichten, positive Zukunftsvisionen und inspirierende Vorbilder!
Aber wie können Lernsituationen in der Praxis so gestaltet werden, dass sie ganzheitlich aktivierend für die Auszubildenden sind? Es sollte ein lebendiges Lernen mit Hilfe kreativer, erfahrungsbasierter Methoden ermöglicht werden. Dies ist ein grundlegender (kein neuer) didaktischer Ansatz für die Förderung einer nachhaltigkeitsorientierten Handlungskompetenz. Im Kern bedeutet dies: Lernen mit Lebensweltbezug, welches ausgerichtet ist auf individuelle Lebensentwürfe und das eigene (auch künftige) berufliche Handlungsfeld, z. B. indem Recherchen im eigenen Unternehmen zu Möglichkeiten der Energieeinsparung durchgeführt werden. Lernen soll vor diesem Hintergrund vor allem unter Berücksichtigung der Sinne stattfinden, d. h. mit Körper und Geist erfahrbar sowie sinnlich-stimulierend sein. Die Auszubildenden sollen sich dabei zudem als Teil einer gestalterischen Erfahrungsgemeinschaft erleben. Dies kann durch gemeinsame Reflexionen über das eigene Verhalten und persönliche Erfahrungen gefördert werden, beispielsweise durch die Entwicklung und Verkostung eigener Lebensmittelkreationen unter Nachhaltigkeitsaspekten. Hierfür muss unbestritten immer auch der „Raum“ zur Verfügung stehen (siehe z.B. Hantke 2018 „‘Resonanzräume des Subpolitischen‘ als wirtschaftsdidaktische Antwort auf ökonomisierte (wirtschafts-)betriebliche Lebenssituationen“). Ebenso können motivierende Beispiele helfen – wie z. B. Erfolgsgeschichten und inspirierende Vorbilder.
Schritt 4 – Lernort Betrieb:
Entwicklung nachhaltiger Lernorte
10) Lernende Organisationen: Auch Organisationen können „Nachhaltigkeit lernen“: Entwickeln Sie Ihre Institution Schritt für Schritt zum nachhaltigen Lernort!
Schließlich geht es im vierten Schritt darum, den Lernort in den Blick zu nehmen und diesen als nachhaltigen Lernort zu gestalten. Den gesamten Betrieb nachhaltig auszurichten ist u. a. deshalb entscheidend, da andernfalls die an Nachhaltigkeit orientierten Inhalte der Ausbildung wenig glaubwürdig für Auszubildende sind. Der Betrieb als Institution sollte dafür an einem gemeinschaftlichen Leitbild ausgerichtet sein, welches neben den üblichen ökonomischen auch soziale und ökologische Ziele beinhaltet. So kann BBNE überzeugend in die Organisation integriert und vom betrieblichen Ausbildungspersonal umgesetzt werden.
Quellenverzeichnis
ARD (2020): Ungenießbar. Online: https://programm.ard.de/TV/Themenschwerpunkte/Dokus–Reportagen/Alle-Dokumentationen/Startseite/?sendung=287252703317494
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
Bund Deutscher Zimmerer: Lagebericht 2022. Online: https://www.holzbau-deutschland.de/fileadmin/user_upload/eingebundene_Downloads/Lagebericht_2022.pdf
Eurostat (2022): total sawnwood production. Online: https://ec.europa.eu/eurostat/web/main/search/-/search/estatsearchportlet_WAR_estatsearchportlet_INSTANCE_bHVzuvn1SZ8J?p_auth=OONeRRiR&text=Total+sawnwood+production
Kastrup, Julia; Kuhlmeyer, Werner; Nölle-Krug, Marie (2022): Aus- und Weiterbildung des betrieblichen Bildungspersonals zur Verankerung einer Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. In: MICHAELIS, Christian; BERDING, Florian (Hrsg.): Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Umsetzungsbarrieren und interdisziplinäre Forschungsfragen. Bielefeld 2022, S. 173-189
Kearney (2019): Was hilft wirklich – Persönliche Klimaschutzmaßnahmen und ihre Wirkung. Repräsentative Befragung von erwachsenen Deutschen. Online: www.de.kearney.com/documents/1117166/5477168/CO2+Aufklärung.pdf/d5fba425-3aec-6a4e-fb2d-9b537c7dd20b?t=1583241728000
Költze, Horst (1993): Lehrerbildung im Wandel. Vom technokratischen zum humanen Ausbildungskonzept. In Cohn, Ruth C.; Terfurth, Christina (Hrsg.): Lebendiges Lehren und Lernen. TZI macht Schule. Klett-Cotta. S. 192 – 212
Handke, Harald (2018): „Resonanzräume des Subpolitischen“ als wirtschaftsdidaktische Antwort auf ökonomisierte (wirtschafts-)betriebliche Lebenssituationen – eine Forschungsheuristik vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeitsidee. In bwp@Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online (Nr. 35), 2018, S. 1-23.
Melzig, Christian; Kuhlmeyer, Werner; Kretschmer, Susanne (Hrsg. 2021): Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Die Modellversuche 2015–2019 auf dem Weg vom Projekt zur Struktur. Bonn 2021. Online: https://www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/show/16974
Scharp, Michael (Hrsg. 2019): Das KEEKS-Projekt – Eine klimafreundliche Schulküche. Online: www.keeks-projekt.de (Materialien: https://elearning.izt.de/course/view.php?id=118)
Schütt-Sayed, Sören; Casper, Marc; Vollmer, Thomas (2021): Mitgestaltung lernbar machen – Didaktik der Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. In: Melzig, Christian; Kuhlmeier, Werner; Kretschmer, Susanne (Hrsg.): Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Die Modellversuche 2015–2019 auf dem Weg vom Projekt zur Struktur. S. 200-227. Online: https://www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/show/16974
Statista; Pawlik, V. (2022): Interesse der Bevölkerung in Deutschland an gesunder Ernährung und gesunder Lebensweise von 2018 bis 2022. Online: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/170913/umfrage/interesse-an-gesunder-ernaehrung-und-lebensweise/
UBA Umweltbundesamt (2022a): Trotz Corona, Umwelt- und Klimaschutz bleibt für die Deutschen ein Top-Thema. Online: https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/trotz-corona-umwelt-klimaschutz-bleibt-fuer-die
SDG 7 Bezahlbare und saubere Energie
“Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und moderner Energie für alle sichern”
Das SDG 7 beinhaltet soziale und ökologische Anforderungen an den Klimaschutz. Für die Kreislauf- und Abfallwirtschaft sind daher vor allem 3 Unterziele wichtig (Destatis o. J.):
SDG 7.1 “Bis 2030 den allgemeinen Zugang zu bezahlbaren, verlässlichen und modernen Energiedienstleistungen sichern.”
SDG 7.2 “Bis 2030 den Anteil erneuerbarer Energie am globalen Energiemix deutlich erhöhen.”
SDG 7.3 “Bis 2030 die weltweite Steigerungsrate der Energieeffizienz verdoppeln.”
Das SDG 7 “Bezahlbare und saubere Energie” beinhaltet soziale und ökologische Anforderungen an den Klimaschutz. Ökologische und das Klima schützende Anforderungen werden durch andere SDGs (insbesondere 13, 14 und 15) abgedeckt (Destatis o. J.). “Saubere Energie”, wie dies in SDG 7 genannt wird, bedeutet heute für den Klimaschutz grundsätzlich der Umstieg auf erneuerbare Energien (EE), eine höhere Energieeffizienz und Energiesparen. Die Schnittmenge für das SDG 7 ergibt sich aus vier Nummern der Standardberufsbildposition (BIBB 2020):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen.
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Dieses Kapitel beschreibt die Grundlagen der verwendeten Energieformen und eingesetzten Verfahren sowie wichtige Themen aus dem Bereich „Bezahlbare und saubere Energie”. Es ist sozusagen das Basiswissen, welches heute in jeder Ausbildung vermittelt werden sollte, da kein Beruf mehr ohne die nachhaltige Nutzung von Energie auskommen kann. Zum Abschluss wird auf relevante Themen in Bezug auf Zimmereibetriebe hingewiesen.
Erneuerbare Energien
Die einfachste Maßnahme zum Umstieg auf erneuerbare Energien ist der Bezug von Ökostrom. Die Produktion erfolgt dabei in der Regel aus Wind, Sonne, Biomasse und Wasserkraft. Im ersten Halbjahr 2022 lag der Anteil der Erneuerbaren bei 51,6 Prozent. Da die Stromproduktion aus verschiedenen Quellen schwankend ist, zeigt erst die Jahresendbilanz, wie die Verteilung sein wird. In 2021 stammten 23 Prozent der gesamten Stromproduktion aus Windkraft, 9,8 Prozent aus der Photovoltaik, 8,8 Prozent aus Biomasse und 4 Prozent aus Wasserkraft. Braun- und Steinkohle lieferten 20,7 Prozent des Stroms, Erdgas 10,5 Prozent und die Kernenergie gut 13,3 Prozent (Stromreport 2022).
Wichtig sind hinsichtlich des Ziel “bezahlbarer Energie” vor allem die Kosten von Strom und Wärme. Die Stromgestehungskosten waren in 2021 wie folgt (ISE 2021, gerundet): Dachkleinanlagen 6-11 Cent/kWh, große Dachanlagen 5-10 Cent/kWh, Freiflächenanlagen 3-6 Cent/kWh. Die Stromgestehungskosten fossiler Stromerzeugung lagen in 2021 zwischen 8-13 Cent/kWh für Gas- und Dampfkraftwerke, zwischen 11-28 Cent/kWh bei Gaskraftwerken, 10-15 Cent/kWh Braunkohlekraftwerke sowie 11-20 Cent/kWh bei Steinkohlekraftwerken. Für Kernkraft, mit Rückbau und Endlagerung werden die Stromgestehungskosten auf 50 bis 100 Cent/kWh geschätzt (Siemens-Stiftung 2015). Die konkreten Stromgestehungskosten sind von einer Reihe von Faktoren abhängig. Dazu zählen der Standort (z.B. Entfernung zwischen Kraftwerk und Abbaugebiet), Größe und Alter der Anlagen, Subventionen, Wartung, Abschreibungen sowie die verbaute Erzeugungstechnologien.
Im Folgenden wird eine Übersicht über die wichtigsten Technologien zur Nutzung der Erneuerbaren Energien gegeben:
Solarenergie: Solarenergie mit Hilfe von Photovoltaik ist mit gut 21 Prozent der EE-Stromproduktion (Stromreport 2022) seit 2007 stark ausgebaut worden und damit die jüngste breit genutzte erneuerbare Stromquelle (vgl. die Graphik auf Wikimedia 2020). Ab 2013 stagnierte der Zuwachs von Solarenergie, weil die Konditionen der Einspeisung verschlechtert wurden. Insbesondere die Energiekrise im Zuge des Ukraine Krieges zeigt, dass der Ausbau jetzt stark beschleunigt werden muss.
Solarthermie: Es stehen jährlich 1.050 KWh/m2 Solarstrahlung für die Umwandlung von Sonnenenergie in Wärme zur freien Verfügung. Hiermit lassen sich Strom sowie Wärme für Heizung und Warmwasser erzeugen. In Deutschland wird Solarthermie dennoch nur in weniger als 10 Prozent (co2online 2021) der Heizanlagen für Häuser und Wohnungen genutzt.
Windenergie: 50 Prozent des EE-Stromes in Deutschland wurden 2021 aus Windenergie erzeugt (Stromreport 2022). Der Ausbau hat wesentlich in den Jahren von 2000 bis 2017 stattgefunden. Seitdem ist der Zuwachs geringer, weil sich lokal viele Menschen gegen Windkraftanlagen wehren. Seit Ausbruch des Ukraine-Krieges und dem damit verbundenen Gaslieferstopp Rußlands, sowie seit den deutlichen Auswirkungen der Klimakrise (Waldbrände, Flut), werden wieder höhere Ausbauziele der Windenergie genannt.
Wärmeerzeugung: Zur Wärmeerzeugung können Bioenergie (insbesondere Festbrennstoffe wie Holz) sowie die Umgebungs- bzw. bodennahe Erdwärme eingesetzt werden. Wie bei der Stromerzeugung aus Wasserkraft gibt es für die Verbrennung von Biomasse kein Wachstumspotenzial mehr, sondern muss auf “ein naturverträgliches Maß begrenzt” werden (UBA 2021). Im Gegensatz dazu setzt die Bundesregierung auf den Ausbau der Nutzung von Umgebungswärme, wozu auch die bodennahe Erdwärme gehört (Tagesschau 2022).
Photovoltaik
Photovoltaik ist die Umwandlung von Sonnenlicht in Strom. Dies geschieht mit Hilfe von PV-Modulen, in denen die Solarstrahlung Strom erzeugt. Der Strom wird über Leitungen zu einem Wechselrichter geführt, der den Gleichstrom aus den PV-Modulen in Wechselstrom umwandelt. Die Kosten der PV-Technologie sind bei höherer Leistung – trotz Preissteigerungen aufgrund des Krieges – deutlich günstiger als vor 20 Jahren. Für den Betrieb von Photovoltaik-Anlagen gibt es drei Betriebsmodelle:
Dachverpachtung: Die einfachste Möglichkeit, von einem geeigneten Dach zu profitieren, ist die Verpachtung der Dachfläche an Dritte. Diese sind dann Betreiber der Anlage. Stadtwerke, Energieversorgungsunternehmen und Projektentwickler bieten bereits „schlüsselfertige“ Dachpachtlösungen an. Dabei baut der Betreiber auf seine Kosten die Anlage, bewirtschaftet sie und übernimmt das unternehmerische Risiko.
Eigenverbrauch mit Überschusseinspeisung: Besonders attraktiv ist die Gestaltung des Eigenverbrauchs. Der Eigentümer errichtet die Anlage auf eigene Kosten und versucht, seine Stromnutzung so zu gestalten, dass bei Sonnenschein Strom entweder verbraucht oder in Batterien gespeichert wird.
Volleinspeisung: In diesem Fall ist der Dacheigentümer auch Betreiber der PV-Anlage. Der gesamte erzeugte Strom wird in das Netz der allgemeinen Versorgung eingespeist und der Anlagenbetreiber erhält für jede eingespeiste kWh die sog. Einspeisevergütung.
Im Folgenden werden kurz die wichtigsten Technologien zur Solarstromerzeugung vorgestellt:
Solarzellen aus kristallinem Silizium: Solarzellen aus kristallinem Silizium werden mit über 90 Prozent am häufigsten verbaut. Als Ausgangsmaterial für ihre Herstellung dient Siliziumdioxid (SiO2), das als Quarzsand oder Quarzkristall abgebaut wird. Aus SiO2 wird in einem mehrstufigen und sehr energieaufwendigen Verfahren hochreines polykristallines Silizium (poly-Si) mit einer Reinheit von 99,99999 Prozent hergestellt. Die Herstellung erfolgt in einem Lichtbogenofen bei Temperaturen von etwa 2.000 °C. Anschließend werden Silizium-Einkristalle (mono-Si) gezogen. Die gewonnenen Einkristalle werden in etwa 0,2 mm dicke Scheiben («Wafer») gesägt und in einer Abfolge von mehreren Prozessschritten zu Solarzellen und dann zu PV-Modulen weiterverarbeitet.
Dünnschicht-Solarmodule: Die Module bestehen wie die obigen PV-Module ebenfalls aus elektrischen Kontakten und einem absorbierenden Material, allerdings werden auf dem Trägermaterial verschiedene Schichten von Metallen aufgetragen. Die Dicke der lichtabsorbierenden Schicht liegt in der Regel bei 1-3 µm, also etwa hundertmal weniger als bei den Solarzellen aus kristallinem Silizium. Als Trägermaterial können, je nach Technologie, Glas, Metall- oder Kunststofffolien eingesetzt werden. Als Schichtmaterialien kommen insbesondere Halbleitermaterialien wie Galiumarsenid (GaAs), Cadmiumtellurid (CdTe) oder Kupfer-Indium-Gallium-Diselenid (CIGS) zum Einsatz. Vorteile der Dünnschichtzellen sind ihr geringes Gewicht, ihre guten Erträge bei diffusem Sonnenlicht und schlechtem Wetter sowie die schnelle energetische Amortisation aufgrund des geringen Energieeinsatzes bei ihrer Herstellung.
Hauptsächlich gibt es zwei Arten für Photovoltaikanlagen:
Aufdachmontage: Aufdach-Photovoltaikanlagen sind eine weit verbreitete Möglichkeit für Eigenheime, Unternehmen und öffentliche Gebäude um ihren eigenen Strom zu erzeugen. Vorteile sind: Das vorhandene Dach kann optimal genutzt werden; das Dach wird vor eventuellen Umwelteinwirkungen zusätzlich geschützt; aufdach-montierte Anlagen sind meist schnell und einfach sowie mit geringem Wartungsaufwand zu installieren. . Nachteile sind höhere Kosten der Montage, mögliche Probleme bei der Befestigung und Tragfähigkeit, Platzbeschränkungen durch die Dachfläche sowie der unveränderliche Winkel des Daches (der nicht immer optimal zur Nutzung der Solarstrahlung ist).
Bodenmontage (Freiflächenmontage): Bodenmontierte Photovoltaikanlagen sind inzwischen ebenfalls weit verbreitet, werden aber vorwiegend von großen Unternehmen, professionellen Investoren bzw. Energieanbietern genutzt. Vorteile sind: Aufgrund ihrer Größe ist auch eine größer dimensionierte Stromerzeugung möglich; bodenmontierte Anlagen haben die Möglichkeit die festen Winkelbeschränkungen zu umgehen und sie haben einfache Wartungsmöglichkeiten. Nachteilig sind die Flächenbedarfe (“ganze Äcker”) und ihre optische Auffälligkeit (Landschaftsbild).
Solarwärme
Solarthermie erzeugt warmes oder heißes Wasser, zusammen mit einem Wärmespeicher kann dann insbesondere in den Sommermonaten ein erheblicher Teil des Wärmebedarfs mit Solarenergie CO2-frei bereitgestellt werden. Das Prinzip ist ganz einfach: Das Sonnenlicht erwärmt die Solarflüssigkeit (Wasser-Glykol-Gemisch) und über einen Wärmtauscher erwärmt die heiße Solarflüssigkeit Wasser. Im folgenden werden die beiden wichtigsten Kollektortypen sowie die Wärmespeicherung und die Einbindung der Solarwärme vorgestellt:
Flachkollektoren: Bei Flachkollektoren ist der metallische Solarabsorber zwischen einer transparenten Abdeckung und einer Wärmedämmung eingefasst. Dies minimiert die Wärmeverluste des Kollektors, wodurch in Abhängigkeit der Bauart Nutztemperaturen bis 100 °C effizient bereitgestellt werden können. Das Spektrum reicht von kompakten Kollektormodulen mit ca. 2 m² bis hin zu Großflächenkollektoren mit 10 bis 12 m²
Vakuumröhrenkollektoren: Bei Vakuumröhrenkollektoren können die Wärmeverluste durch Konvektion und Wärmeleitung deutlich reduziert und somit mehr Wärme erzeugt werden. Der sinnvolle Einsatzbereich dieser Kollektoren bei 80 bis 130 °C, der höhere Wert wird mit Spiegeln auf der Rückseite erzeugt.
Speicherung: In der Regel ist ein Pufferspeicher zentraler Bestandteil einer solaren Prozesswärmeanlage, da das Solarangebot nicht immer mit dem Wärmebedarf der zu versorgenden Verbrauchsstellen zeitlich übereinstimmt. Zur Einbindung des Speichers gibt es mehrere Möglichkeiten: Typischerweise wird der mit einem Wasser-Glykol-Gemisch betriebene Solarkreis durch einen Wärmeübertrager vom Speicherkreis getrennt.
Einbindung von Solarwärme: Bei der Einbindung von Solarwärme lässt sich grundsätzlich die Versorgungs- von der Prozessebene unterscheiden. Viele Industrie- oder Gewerbebetriebe haben ein zentrales Kesselhaus zur Erzeugung von Wärme und ein Rohrnetz zur Verteilung der Wärme an die Verbrauchsstellen. Je nach Nutztemperatur wird die Wärme über Dampf (140-200 °C), Heißwasser (90-160 °C) oder Warmwasser (<100 °C) verteilt und direkt oder indirekt über einen Wärmeüberträger an die Wärmesenke abgegeben.
Bioenergie
Unter Bioenergie wird die energetische Nutzung biogener Energieträger verstanden. Biogene Energieträger sind pflanzlicher oder tierischer Herkunft. Zu den typischen biogenen Energieträgern zählen Holz und Stroh sowie ihre Derivate wie Holzschnitzel- oder -pellets. Aber auch Biogas aus der Vergärung von Bioabfällen, Ernterückständen oder von tierischen Abfällen wie Mist und Gülle-Exkremente. Obwohl bei der Verbrennung von Biomasse oder Biogas Kohlendioxid freigesetzt wird, wird die Erzeugung und Nutzung von Bioenergie als klimaneutral angesehen, denn das freigesetzte CO2 wurde während des Pflanzenwachstums der Atmosphäre entzogen. Allerdings verursacht die Verbrennung von Biomasse weiterer Luftschadstoffe wie NOX und insbesondere Feinstaub (z.B. bei Kaminen im Eigenheimbereich).
Der typische Einsatz von Biogas zur Energieerzeugung erfolgt über Blockheizkraftwerke (BHKW), die sowohl Wärme als auch Strom erzeugen. Problematisch ist der Anbau von Energiepflanzen wie z.B. Mais, Raps, Futterrüben, Hanf, Chinaschilf, schnellwachsende Bäume (Pappeln, Weiden), Zuckerrohr und Algen. In der Regel erfolgt deren Anbau in schnell wachsenden Monokulturen und haben damit einen erheblichen Einfluss auf Landschaft und Boden. Zudem kann der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zum Verlust von Biodiversität, die Düngung zur Belastung des Grundwassers und der Verbrauch von Trinkwasser zur regionalen Verknappung von Wasser führen. Des Weiteren ist der energetische Wirkungsgrad der Biomassenproduktion mit 0,5 – 1,5 Prozent (Pflanzenforschung 2020) wesentlich geringer als der von Photovoltaik , der in der Regel 15 – 22 Prozent beträgt (Eigensonne o. J.). Zudem gibt es eine Flächenkonkurrenz – anstelle von Energiepflanzen könnten auch Feldfrüchte oder Getreide angebaut werden – im Sinne des SDG 1 “Kein Hunger”.
Erd- und Umgebungswärme
Eine Möglichkeit der Wärmeerzeugung ist die Nutzung von Temperaturunterschieden zwischen Gebäuden und ihrer Umgebung oder dem Erdreich mit Wärmepumpen. Eine Wärmepumpe funktioniert wie ein Kühlschrank oder eine Klimaanlage (Tagesschau 2022). Die Pumpe entzieht der Umgebung (z.B. dem Erdreich) mit einem Kältemittel Wärme und kühlt sie dabei ab. Ein Kompressor verdichtet das Kältemittel und erhöht dabei dessen Temperatur, die dann zur Raumheizung genutzt wird. Das Kältemittel kondensiert und gibt die Wärme frei. In einem Ventil verdampft das Kühlmittel wieder, kühlt sich dabei stark ab und kann aufs Neue der Umgebung Wärme entziehen. Zum Antrieb einer Wärmepumpe wird elektrischer Strom benötigt, der allerdings aus erneuerbaren Quellen stammen sollte. Bei der Nutzung von Erdwärme wird zwischen Tiefengeothermie und oberflächennaher Geothermie unterschieden.
Die oberflächennahe Geothermie nutzt den Untergrund bis zu einer Tiefe von ca. 400 m und Temperaturen von bis zu 25 °C für das Beheizen und Kühlen von Gebäuden, technischen Anlagen oder Infrastruktureinrichtungen. Hierzu wird die Wärme oder Kühlenergie aus den oberen Erd- und Gesteinsschichten oder aus dem Grundwasser gewonnen. Als Tiefengeothermie bezeichnet man die Nutzung der Erdwärme in Tiefen zwischen 400 und 5.000 Metern. Im Vergleich zur oberflächennahen Geothermie sind dort die Temperaturen weitaus höher. Der Vorteil der Geothermie ist ihre ständige Verfügbarkeit. Die geothermische Stromerzeugung in Deutschland steht noch am Anfang und ist noch ausbaufähig
Beleuchtung
Beleuchtung ist in allen Berufen ein Handlungsfeld, bei dem viel Energie eingespart werden kann. Der Standard für Energieeffizienz in der Beleuchtung sind LED-Lampen und LED-Röhren. In 2009 wurde die “Glühbirne” aus Initiative der EU vom Markt genommen, anstelle dessen wurde im breiten Umfange die Energiesparlampe bzw. Leuchtstofflampe (Fachbegriff:Kompaktleuchtstofflampen) verwendet, die bei gleiche Lichtstärke wie eine 75 Watt Glühbirne nur rund 10 Watt verbrauchte. Die technische Entwicklung ging jedoch weiter hin zu LED-Lampen, die wiederum im Vergleich zur Glühbirne rund 70 Prozent bis 90 Prozent der Energie einsparen (enterga o. J., energieexperten o. J.). In Haushalten und kleinen Gewerbebetrieben ohne eigene Produktion fallen rund 10 Prozent des Stromverbrauchs für die Beleuchtung an – dies sind zwischen 350 und 600 kWh/a.
Die Bedeutung des technischen Wandel weg von der Glühbirne (und auch der Halogenbirne) hin zu LED-Technik lässt sich im Rückblick zeigen. In 2003 wurden ca. 71 TWh/a (Terawattstunden pro Jahr) Strom für die Beleuchtung verwendet. Dies waren 71.000 Gigawattstunden. Ein Atomkraftwerk erzeugt zwischen 9.000 und 13.000 GWh Strom, rein rechnerisch mussten fast 9 Atomkraftwerke nur die Beleuchtung laufen (in 2003, stromrechner.com o. J.).
Für Gewerbetreibende mit Büro und Werkstatt sind die LED-Leuchtstoffröhren besonders interessant, da bisher immer Leuchtstofflampen installiert wurden. Heutzutage gibt es LED-Röhren, die ohne Umbau in die vorhandenen Lichtkästen eingebaut werden können. Nur das Vorschaltgerät muss ggf. ausgewechselt werden. Die Einsparung liegt bei 50 Prozent des bisher genutzten Stroms (LEDONLINE o. J.). Die Vorteile neben der Energieeinsparung sind offensichtlich: Die Röhren zerbrechen nicht, sie enthalten kein Quecksilber, sie flimmern nicht und haben einen hohen Leistungsfaktor (ebd.).
Eine weitere mögliche Stellschraube bei der Beleuchtung ist die Verwendung von Strom aus regenerativen Energiequellen. Eine eigene PV-Anlage auf dem Bürogebäude oder auf dem Betriebsgelände in Verbindung mit einem Batteriespeicher kann erheblich Strom aus Sonnenlicht bereitstellen. Allerdings ist die Solarstrahlung in den Wintermonaten – gerade dann, wenn die Anzucht stattfindet, nur gering. In diesem Falle sollte zumindest der Strom aus erneuerbaren Energien – im Winter fast ausschließlich aus Windenergie – bezogen werden.
Rationelle Energienutzung und Energiesparen
Neben dem Einsatz erneuerbarer Energien zählt auch die rationelle Energienutzung zu den Maßnahmen, um das Energiesystem in Richtung Nachhaltigkeit zu transformieren. Typische Handlungsfelder der rationellen Energienutzung sind die Energieeffizienz und das Energiesparen, die beide eng miteinander verknüpft sind.
Energieeffizienz: Bei der Energieeffizienz geht es darum, Geräte und Maschinen zu nutzen, die bei gleicher Funktionserfüllung einen geringeren Energiebedarf haben. Effizienz ist dabei eine relationale Größe, die sich auf mindestens zwei vergleichbare Arten bezieht, Energie zu nutzen. Durch optimierte Prozesse sollen die quantitativen und qualitativen Verluste, die im Einzelnen bei der Umwandlung, dem Transport und der Speicherung von Energie entstehen, minimiert werden, um einen vorgegebenen (energetischen) Nutzen bei sinkendem Primär- bzw. Endenergieeinsatz zu erreichen.
Energieeffizienzkennzeichnung: In der EU gibt die Energieeffizienzkennzeichnung gemäß Verordnung (EU) 2017/1369 Auskunft über die Energieeffizienz von Elektrogeräten und weiteren Energieverbrauchern. Die Kennzeichnung erfolgt für verschiedene Gerätegruppen in Form von Etiketten auf den Geräten und in Werbematerialien. Ab dem Jahr 2021 erfolgt die Kennzeichnung der Energieeffizienz in Form von Effizienzklassen. Deren Skala reicht von „A“ bis „G“, wobei Geräte mit der höchsten Effizienz mit der Kennzeichnung “A” ausgezeichnet werden. Daneben gibt es zahlreiche weitere Kennzeichen. Bekannt ist der amerikanische Energy Star für energiesparende Geräte, Baustoffe, öffentliche/gewerbliche Gebäude oder Wohnbauten. Der Energy Star bescheinigt die jeweiligen Stromsparkriterien der US-Umweltschutzbehörde EPA und des US-Energieministeriums (www.energystar.gov). Auch nationale Umweltzeichen wie der Blaue Engel können, je nach ausgezeichnetem Produkt, aufgrund vergleichsweise hoher Energieeffizienz vergeben werden (www.blauer-engel.de). Für Pkw’s gibt es ein eigenes Kennzeichen, welches die Bewertung und Kennzeichnung der Energieeffizienz neuer Personenkraftwagen hinsichtlich Kraftstoff- und Stromverbrauch regelt (Pkw-EnVKV 2020).
Stromsparen: Die Abgrenzung des Energiesparens zur Energieeffizienz ist allerdings nicht immer eindeutig, denn die Nutzung eines energieeffizienten Gerätes stellt immer auch eine Energieeinsparung gegenüber einem weniger effizienten Gerät dar. Die wichtigsten Stromsparmaßnahmen im Haushalt sind energieeffiziente Geräte (Kühl- und Gefriergeräte, Flachbildschirme u.a.m.) sowie LED-Beleuchtung. Eine Vielzahl von Energiespartipps sind z.B. bei CO2-Online zu finden (ebd. o. J.). Selbst kleine Maßnahmen wie Reduzierung des Standby-Verbrauchs summieren sich im Großen (UBA 2015). EU-weit werden die Leerlaufverluste auf jährlich 51 Mrd. Kilowattstunden geschätzt. Dies entspricht einer Energiemenge, die etwa 14 Großkraftwerke mit jeweils 800 Megawatt Leistung pro Jahr erzeugen und dabei etwa 20 Mio. t CO2 in die Atmosphäre emittieren (ebd.).
Mobilität
Im Rahmen der sogenannten Verkehrswende spielt die Dekarbonisierung der Antriebe eine zentrale Rolle, denn die Treibhausgasemissionen der Mobilität sind, mit rund 149 Mio. t CO2-Äq bzw. fast 20 Prozent aller CO2-Emissionen allein in Deutschland im Jahr 2021, maßgeblich für den Klimawandel verantwortlich. Differenziert nach verschiedenen Verkehrsarten zeigt sich, dass der Straßengüterverkehr 2020 rund 46 Mio. t CO2-Äq bzw. 30 Prozent der Verkehrsemissionen verursacht hat (UBA 2022b). Es sind somit zwei Trends wirksam: Zum einen eine Minderung der Emissionen (insbesondere der Schadstoffe), die aber bei LKWs deutlich größer sind (-32%) als bei Pkws (-5%). Zum anderen stieg für beide die Zahl der gefahrenen Kilometer – die Pkw-Fahrleistung hat sich seit 1995 verdoppelt, die des Güterverkehrs per LKW ist um 74Prozent gestiegen (ebd.).
Nutzungsverhalten
Neben der Umrüstung der Dienstwagen auf elektrische Antriebe sollte auch der individuelle Umgang mit Mobilität überdacht werden. Es können beispielsweise THG-Emissionen eingespart werden, wenn die Mitarbeitenden zu Fuß oder mit dem Rad zum Arbeitsplatz im Handel kommen, sofern aus gesundheitlichen Gründen oder einer zu großen Distanz zum Arbeitsort nichts dagegen spricht. Zudem kann der Betrieb die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel z.B. durch ein Jobticket attraktiver gestalten. Auch die Förderung von Dienstfahrrädern ist in einigen Städten und Kommunen möglich. Zusätzlich ist die Bildung von Fahrgemeinschaften denkbar, wenn es sich von den Arbeitszeiten und den Wegen anbietet. Strecken, die mit dem Auto gefahren werden müssen, sollten optimiert werden (Routenoptimierung), insbesondere gilt dies für den Transport von Waren. Außerdem hat die Fahrgeschwindigkeit einen erheblichen Einfluss auf die ausgestoßenen THG-Emissionen. Laut Umweltbundesamt verursachten im Jahr 2020 Pkw und leichte Nutzfahrzeuge auf Bundesautobahnen in Deutschland THG-Emissionen in Höhe von rund 30,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Durch die Einführung eines generellen Tempolimits von 120 km/h auf Bundesautobahnen würden die Emissionen um jährlich 2,0 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente reduziert und ein Tempolimit von 100 km/h würde sie um 4,3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr mindern (UBA 2023). Auch ohne generelles Tempolimit kann jede*r die Fahrgeschwindigkeit reduzieren, das spart nicht nur THG-Emissionen sondern auch Kosten ein (mobile.de 2020). Denn bei hohen Geschwindigkeiten verbrauchen Fahrzeuge überdurchschnittlich viel Kraftstoff. Nach Angaben des ADAC verbraucht ein Mittelklasseauto um bis zu zwei Drittel mehr Kraftstoff, wenn es statt 100 km/h mit 160 km/h fährt (ebd.).
Logistik
Die Wahl der Verkehrsmittel entlang der Wertschöpfungskette ist von besonderer Relevanz. Die Emissionen aus der Logistik können leicht mit Hilfe kostenloser Online Tools ermittelt werden, wie z.B. mit carboncare (carbonecare o. J.). Hier ist auch der Emissionsanteil für die Erzeugung des Kraftstoffes enthalten. Die folgende Tabelle stellt beispielhaft die CO2– Emissionen unterschiedlicher Transportmittel dar, die bei einem Transport von einer Tonne Gewicht von Shanghai nach Berlin freigesetzt werden.
Tabelle: Emissionen für einen Langstreckentransport – Shanghai nach Berlin.
Transportmittel | Strecke (km, gerundet) | WTW-CO2-Äq |
Schiff LKW | 19.900 km (Schiff) 200 km (LKW) 20.100 km (gesamt) | 73 kg (nur Schiff) 15 kg (LKW) 88 kg (gesamt) |
Bahn (im Bau) | 10.400 km | 120 kg |
Flugzeug | 8.500 km | 6.900 kg |
Quelle: Eigene Berechnungen mit carboncare (ebd. o. J.).
Geschäftsreisen
Bei Geschäftsreisen besteht vielfach die Wahl zwischen Bahn und Pkw-Nutzung, wobei die PKW-Nutzung im Mittel zum Vier- bis Fünffachen an CO2-Emissionen führt (Mein Klimaschutz o.J.). Bei innerdeutschen Flügen ist man oder Frau aufgrund der langen Check-In-Zeiten im Prinzip kaum schneller als mit der Bahn. Hier kann der UmweltMobilCheck der Deutschen Bahn eine Orientierung geben (Deutsche Bahn o.J.). Eine Fahrt von Berlin nach Hamburg führt bei Pkw-Nutzung zu etwa 54 kg CO2-Äq, bei Bahnnutzung zu 0,03 kg CO2-Äq.
Sollten Geschäftsreisen mit dem Flugzeug gelegentlich unvermeidbar sein, bieten sich Kompensationsmodelle zum Ausgleich der Klimawirkung an, bei denen eine Klimakompensation erfolgt. Hierbei wird ein Geldbetrag entsprechend der verursachten Emissionen überwiesen und dieser wird in Klimaschutzprojekte investiert z.B. in den Moorschutz oder Wiederaufforstung (vgl. atmosfair o.J.). Bei einem Hin-und Rückflug von Berlin nach Shanghai entstehen ca. 4.800 kg CO2 Emissionen. Diese können durch 111 € Ausgleichszahlung kompensiert werden.
Fuhrpark für den motorisierten Individualverkehr
Der motorisierte Individualverkehr (MIV) wird mit PKW´s durchgeführt. Alle Unternehmen besitzen zumindest ein Fahrzeug für den Geschäftsführer, größere Unternehmen stellen Dienstfahrzeuge, große Unternehmen haben ganze Fahrzeugflotten. Laut Statista gab es 2020 mehr als 5 Millionen PKW’s mit einem gewerblichen Fahrzeughalter (ca. 11% des Fahrzeugbestandes, Statista 2022b). Um die Emissionen im Verkehr deutlich zu reduzieren – dies ist unbedingt notwendig, um die international vereinbarten Klimaziele zu erreichen – muss der Fuhrpark auf emissionsarme Fahrzeuge umgestellt werden. Bei der Umstellung des betrieblichen Fuhrparks von Fahrzeugen mit (fossilen) Verbrennungsmotoren auf alternative Antriebskonzepte stehen derzeit Elektrofahrzeuge mit unterschiedlichen Antriebskonzepten, Wasserstofffahrzeuge mit Brennstoffzellen sowie die Nutzung biogener Kraftstoffe in der Diskussion:
Hybrid-Fahrzeuge: Es gibt verschiedene Typen wie Mild-Hybrid, Voll-Hybrid, Plug-in-Hybrid oder Range Extender, die einen mehr oder weniger starken Verbrenner mit einem Elektroantrieb kombinieren. Solange die Reichweite reiner E-Autos noch begrenzt ist, wird es auch diese Fahrzeuge geben.
Elektroauto mit Batterie: Ein vollelektrisches Fahrzeug (BEV) wird ausschließlich von einem batteriebetriebenen Elektromotor angetrieben. Der wird über das Stromnetz aufgeladen, das heißt: er benötigt keinen fossilen Kraftstoff. Dadurch fährt das Fahrzeug zu 100% emissionsfrei. Allerdings ist hier der Strommix von Bedeutung: Der Anteil von Gas und Kohle führt zu Emissionen bei der Stromerzeugung.
Elektroauto mit Brennstoffzelle: Ein Brennstoffzellenauto (FCEV) wird ausschließlich von einem Elektromotor angetrieben. Der Strom wird in einer Wasserstoff-Brennstoffzelle erzeugt. Bei der Nutzung von Wasserstoff in Fahrzeugen ist von entscheidender Bedeutung, dass dieser mit elektrischem Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt wird, ein sogenannter grüner Wasserstoff – denn nur dann ist sein Einsatz in Fahrzeugen CO2-frei und damit klimaneutral. Die Herstellung von grünem Wasserstoff erfolgt mittels Elektrolyse von Wasser.
Biogene Kraftstoffe: Hier wird der Kraftstoff aus Pflanzen erzeugt. Dies können Öl-Pflanzen wie Raps sein, aus denen Biodiesel, oder Zuckerrohr, aus dem Ethanol erzeugt wird. Letzteres ist z.B. in Brasilien eine wichtige Kraftstoffquelle. Die Antriebstechnik ist vergleichbar mit konventionellen Verbrennungsmotoren mit der Ausnahme, dass das bei der Verbrennung entstehende CO2 klimaneutral ist, denn die bei der Verbrennung freigesetzte CO2-Menge entspricht in etwa derjenigen Menge, die die Pflanze während ihres Wachstums mittels Photosynthese der Atmosphäre entzogen hatte.
Wie wird sich die individuelle und die gewerbliche Mobilität der Zukunft gestalten? Vermutlich wird es die Elektromobilität mit Batterien für Pkw und kleine Nutzfahrzeuge bis 3,5 Tonnen sein. Von entscheidender Bedeutung ist, dass der elektrische Strom zur Ladung der Fahrzeugbatterie mit erneuerbaren Energien erzeugt wird. Bei LKW in der Klasse ab 7,5 t ist die Frage noch nicht beantwortet – hier konkurrieren Elektromobilität mit Batterien und Fahrzeuge mit Brennstoffzellen noch miteinander.
Energiespeicherung
Eine zentrale Herausforderung bei der Nutzung erneuerbarer Energien ist ihre Fluktuation, denn Solarstrahlung steht nachts nicht zur Verfügung und auch der Wind weht nicht kontinuierlich. Eine ausgeglichene Balance von Stromerzeugung und Stromnachfrage ist aber unabdingbar für die Versorgungssicherheit sowie die Netzstabilität. Um eine gleichmäßige Frequenz im Stromnetz aufrechtzuerhalten, müssen Erzeugung und Nutzung aufeinander abgestimmt werden. Andernfalls muss die Differenz und mögliche Frequenzschwankungen durch die sogenannte Regelenergie ausgeglichen werden. Möglichkeiten dazu sind:
Abschaltung von EE-Anlagen (geringere Einspeisung)
Zuschaltung von Speicherkraftwerken (höhere Einspeisung)
Abschaltung großer Verbraucher (geringere Entnahme)
Die Abschaltung ist aber unökologisch und unwirtschaftlich. Um dies zu vermeiden, bieten sich Energiespeicher an, die bei Bedarf zugeschaltet werden. Diese sind:
Pumpspeicherkraftwerke: Kostengünstig, nur für gebirgige dünn besiedelte Regionen (z.B. Norwegen, Österreichische. Alpen), benötigen einen Netzanschluss z.B. durch sehr lange und teure DC-Leitungen z.B. durch die Ost- und Nordsee bei norwegischen Speichern.
Druckluft: Einfache Technologie, gut nutzbar bei Anbindung an Windkraftanlagen, aber nur begrenztes Speicherpotential und bisher eher ein Forschungsgegenstand.
Schwungräder: Einfache Technologie, aber hohe Masse des Rades und noch in der Entwicklung.
Chemisch als Wasserstoff: Elektrolyse von Wasser zur Stromerzeugung, gut erforscht für Kleinanlagen, derzeit erfolgt ein großtechnischer Aufbau, wichtiger Zielkonflikt: Wasserstoff ist auch relevant für die Stahl-, Zement- und chemische Industrie sowie zum Antrieb von LKWs (evt. Flugzeuge), teure Technologie.
Chemisch als Methan: Elektrolyse von Wasser zur Stromerzeugung, dann Reduktion von CO2 zu Methan (CH4), relevant für Gebäudeheizungen, teure Technologie.
Allen obigen Technologien ist gemeinsam, dass die Umwandlung von Kraft oder innerer Energie immer mit hohen Verlusten aufgrund der Thermodynamik (Wärmeverluste) verbunden ist. Die wichtigste Batterie ist derzeit die Lithium-Ionen-Batterie. (GRS o. J., ISE 2021): Dieser Batterietyp dient sowohl für die Versorgung von Kleingeräten (Mobiltelefone, Tablet, Notebooks, Werkzeuge) als auch für Fahrzeuge und Fahrräder sowie als Hausspeicher (s.a.u.). Batterien im Kleinstbereich und für die Elektromobilität müssen ein geringes Gewicht beim höchsten Energiegehalt haben. Weitere Faktoren sind die Kosten, die Brandsicherheit, die Ladefähigkeit und die Lebensdauer. Die Kathode enthält Kobalt-Oxid (CoO), die Anode besteht aus Graphit. Als Elektrolyt dienen Li-organische Verbindungen. Die Vorteile sind die höchste Energiedichte aller im großen Maßstab produzierten Batterien, kein Memory Effekt und eine gute Zyklenfestigkeit. Die Nachteile sind ein hoher Preis, ein aufwändiges Zellmanagement aufgrund der geringen Größe und damit verbunden mit einer hohen Anzahl von Zellen. Aus Sicht der Nachhaltigkeit ist insbesondere die Gewinnung von Kobalt in Sambia und der Demokratischen Republik Kongo, dem wichtigsten aller Lieferländer, sehr gewichtig, da hier u.a. ein illegaler und umweltzerstörender Abbaus stattfindet (FAZ-net 2022, Safe the Children 2022). Lithium ist ein Salz, das in verschiedenen Ländern in Salzseen vorkommt. Der größte Produzent ist Australien (51.000 t) vor Chile (13.000 t; VW o. J.). Hierbei spielt insbesondere die Bereitstellung von Wasser und die Abwasserbehandlung eine wichtige Rolle, da die Gewinnung meist in ariden Regionen stattfindet. Die bekannten Reserven übersteigen derzeit die Bedarfe um ein Vielfaches, weshalb diskutiert wird, ob Lithium ein “knappes” Metall ist oder nicht (ebd.).
Die oben gegebenen Anregungen zum Thema Energienutzung sollten von Zimmereibetrieben aufgegriffen und auf ihre Machbarkeit hin überprüft werden, da sie auch unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zunehmend Vorteile bringen können.
Quellenverzeichnis
atmosfair gGmbH (o.J.): Flüge kompensieren. Online: https://www.atmosfair.de/de/kompensieren/flug/
BUND (o.J.): Mais & Umwelt. Online: http://www.bund-rvso.de/mais-umwelt.html
Carboncare-Rechner (o.J.): CO2Äq/a für internationale Transporte: Online: https://www.carboncare.org/co2-emissions-rechner
CO2Online (o.J.): Strom sparen im Haushalt: 25 einfache Tipps. Online: https://www.co2online.de/energie-sparen/strom-sparen/strom-sparen-stromspartipps/strom-sparen-tipps-und-tricks/
DESTATIS-Statistisches Bundesamt (2022a): Indikatoren der UN-Nachhaltigkeitsziele 2022. Online unter: http://sdg-indikatoren.de/
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SDG 8 Menschenwürdige Arbeit
“Dauerhaftes, inklusives und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern”
In der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie wird zum SDG 8 auf das Leitbild „Soziale Marktwirtschaft“ verwiesen (Bundesregierung 2021: 2214):
„Soziales Ziel ist es, unternehmerische Freiheit und funktionierenden Wettbewerb mit sozialem Ausgleich und sozialer Sicherheit zu verbinden. Mit Hilfe der Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft, wie fairer Wettbewerb, Unternehmerverantwortung, Sozialpartnerschaft, Mitbestimmung und gerechte Verteilung des erwirtschafteten Wohlstands, werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass wir auch in Zukunft noch Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung haben.“
Hinsichtlich des SDG 8 sind zwei Ebenen zu betrachten: Eine nationale Ebene und die globale Ebene.
Auf der nationalen Ebene steht Deutschland laut der „European Working Survey” hinsichtlich der Arbeitsbedingungen sehr gut da – 89 Prozent der Befragten geben an, mit ihrem Job zufrieden zu sein und 91Prozent bestätigen einen fairen Umgang mit ihnen als Arbeitnehmer:innen (Eurofond 2021). Jedoch zeigt der Index “Gute Arbeit” des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB 2022) detailliert, dass es in manchen Branchen, wie dem Gesundheitssektor und bei Beschäftigten in Leiharbeitsverhältnissen noch große Defizite gibt (DGB 2022). Besonders negativ sind hierbei die Kriterien “Arbeitsintensität” und “Einkommen” aufgefallen, die notwendigen Handlungsbedarf in Berufsbildern aufzeigen.
Auch wenn Kinderarbeit und Sklaverei in Deutschland keine Rolle spielen, so ist die Umsetzung der verschiedenen Unterziele des SDG 8 eine dauerhafte Aufgabe im Sinne einer kontinuierlichen Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Noch ein zweites gilt* Aufgrund der komplexen Lieferketten müssen Unternehmen Verantwortung für ihre Produkte auch in den Ländern, wo diese hergestellt werden, übernehmen. An dieser Stelle sollen folgende Unterziele betrachtet werden*
SDG 8.5 Bis 2030 produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle Frauen und Männer, einschließlich junger Menschen und Menschen mit Behinderungen, sowie gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit erreichen
SDG 8.6 Bis 2020 den Anteil junger Menschen, die ohne Beschäftigung sind und keine Schul- oder Berufsausbildung durchlaufen, erheblich verringern
SDG 8.b Bis 2020 eine globale Strategie für Jugendbeschäftigung erarbeiten und auf den Weg bringen und den GLOBALEN BESCHÄFTIGUNGSPAKT DER INTERNATIONALEN ARBEITSORGANISATION umsetzen (ILO o. J.; Destatis o. J.)
SDG 8.7 Sofortige und wirksame Maßnahmen ergreifen, um Zwangsarbeit abzuschaffen, moderne Sklaverei und Menschenhandel zu beenden und das Verbot und die Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit, einschließlich der Einziehung und des Einsatzes von Kindersoldaten, sicherstellen und bis 2025 jede Form von Kinderarbeit ein Ende setzen
SDG 8.8 Die Arbeitsrechte schützen und sichere Arbeitsumgebungen für alle Arbeitnehmer, einschließlich der Wanderarbeitnehmer, insbesondere der Wanderarbeitnehmerinnen, und der Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen, fördern.
Die Schnittstellen zur neuen Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ ergeben sich über die Beachtung der gesellschaftlichen Folgen des beruflichen sowie der zu entwickelnden Beiträge für ein nachhaltiges Handeln (BMBF 2022)
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Menschenwürdige Arbeit
Menschenwürdige Arbeit in Deutschland bedeutet vor allem Arbeit, die sich zumindest an internationalen Standards orientiert. Formuliert sind diese in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Vereinte Nationen 1948; UN-Charta, Artikel 23 und 24). Als “menschenunwürdige Arbeit” werden Kinderarbeit, Sklavenarbeit und teilweise Leiharbeit bezeichnet sowie Merkmale bei den Beschäftigungsverhältnissen, die sich nicht an den o. g. Regelwerken orientieren, wie “fehlende soziale Sicherheit”, “mangelnder Arbeitsschutz”, “Ausnutzung von Scheinselbstständigen” und “Ungleichbehandlung von Frauen”.
DGB Index Gute Arbeit
Die Qualität von Arbeitsbedingungen wird seit 2012 aufgrund von 42 standardisierten Fragen in einer bundesweiten repräsentativen Erhebung ermittelt. Elf Kriterien der Arbeitsqualität werden abgefragt. Die Werte liegen zwischen 0 und 100 Punkten, wobei 100 Punkte die bestmöglichen Arbeitsbedingungen ausdrücken. Wie schon in den vorangegangenen Jahren gibt es zu den Kriterien „Arbeitsintensität“ und „Einkommen“ erheblich kritische Bewertungen. Der Index 2022 zeigt für das „Baugewerbe“ eine Indexwert von 66 von 100, das zeigt, dass die Arbeitsbedingungen noch weit entfernt sind von dem Anspruch „Gute Arbeit“. Eine Spezifizierung der verschiedenen Bereiche des Baugewerbes liegt nicht vor. In der ausführlichen Debatte über die Detailergebnisse für 2022 sticht hervor, dass Beschäftigte in Leiharbeitsverhältnissen ihre Situation auffällig schlecht bewerten (ebd.).
Darüber hinaus zeigt der Blick in einzelne Branchen und Berufsgruppen, dass noch immer körperliche Belastungen in vielen Bereichen sehr verbreitet sind (ebd.:S. 19). Einen wesentlichen Einfluss auf die Bewertung der eigenen Arbeitsbedingungen haben die Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten im Arbeitskontext. Im Zusammenhang mit nachhaltiger Entwicklung ist das Kriterium „Sinn der Arbeit“ eine wesentliche Ressource zur Beurteilung der eigenen Arbeitsbedingungen. Dazu führt der Bericht „Index Gute Arbeit 2022“ aus: „Der Sinngehalt von Arbeit ist eine Ressource, die sich aus unterschiedlichen Quellen speisen kann. Dazu gehört, dass die Produkte bzw. Dienstleistungen, die produziert oder erbracht werden, als nützlich erachtet werden. Häufig ist dies mit der Einschätzung verbunden, ob die Arbeit einen gesellschaftlichen Mehrwert erzeugt. Sinnhaftigkeit kann dadurch entstehen, dass die Arbeit einen Nutzen für Andere hat. Und wichtig für Sinnempfinden ist auch, dass die eigenen, ganz konkreten Arbeitsaufgaben und -merkmale nicht sinnlos erscheinen. Wird Arbeit als sinnvoll empfunden, wirkt sich das positiv auf die Motivation und das Wohlbefinden der Beschäftigten aus. Dauerhaft einer als sinnlos erachteten Arbeit nachzugehen, stellt dagegen eine mögliche psychische Belastung und damit ein gesundheitliches Risiko dar.
BDA- Die Arbeitgeber
Die Arbeitgeber argumentieren mit positiven Statistiken, dass die Arbeitsbedingungen in Deutschland sehr gut sind (BDA o. J.). So sind laut der European Working survey 89 Prozent der in Deutschland Beschäftigten mit ihrem Job zufrieden, 74 Prozent gaben in der Befragung an, dass ihnen ihr Job Spaß macht und 91% bestätigen einen fairen Umgang am Arbeitsplatz (Eurofond 2021, BDA o. J.). Auch hinsichtlich der Arbeitssicherheit ist die Entwicklung positiv: Sowohl die Arbeitsunfälle, als auch die Unfallquote hat sich seit 1991 halbiert. Diese befinden sich seit 2004 unter 1 Mio. und bewegen sich seitdem zwischen 954.000 und 760.000 gemeldeten Fällen (Statista 2021).
Außerdem wird auf die Prävention und den Gesundheitsschutz hingewiesen, für den 2016 ca. 5 Mrd. € ausgegeben wurden, was 40% der gesamten Ausgaben von 11,7 Mrd. € ausmacht (BDA o. J.). Die betriebliche Gesundheitsförderung, wie Stressmanagement, gesundheitsgerechte Mitarbeiterführung oder Reduktion der körperlichen Belastung kommt dabei sowohl den Beschäftigten als auch den Arbeitgebern zugute. Zuletzt wird noch auf die Eigenverantwortung hingewiesen, die aus selbstverantwortlichen Entscheidungen und flexibleren Arbeitszeiten resultiert.
Prekäre Beschäftigungsverhältnisse
Menschen arbeiten auch in Deutschland teilweise in prekären Beschäftigungsverhältnissen und die “Bedeutung des sogenannten Normalarbeitsverhältnisses nimmt ab, während atypische Formen von Arbeit an Bedeutung zunehmen” (Jakob 2016). Dazu zählen befristete Arbeitsverträge, geringfügige Beschäftigung, Zeitarbeit, (Ketten-)Werkverträge und verschiedene Formen der (Schein-)Selbstständigkeit oder auch Praktika. Durch die Agenda 2010 wurde das Sicherungsniveau für von Arbeitslosigkeit Betroffene deutlich gesenkt (Arbeitslosengeld I in der Regel nur für ein Jahr, danach Arbeitslosengeld II). Menschen sehen sich eher gezwungen, “jede Arbeit zu fast jedem Preis und zu jeder Bedingung anzunehmen. Das hat dazu geführt, dass die Löhne im unteren Einkommensbereich stark gesunken sind” (ebd. 2016). 2015 wurde mit der Einführung des Mindestlohns dagegen gesteuert.
Das Thema betrifft auch das SDG 10 “Ungleichheit”, denn jeder Mensch hat das Recht auf faire und gute Arbeitsverhältnisse, dies ist vielen Menschen jedoch verwehrt. Prekäre Beschäftigung widerspricht dem Leitbild von ”Guter Arbeit“, verbaut Entwicklungsmöglichkeiten von Beschäftigten und verstärkt nachweislich den Trend zu psychischen Belastungen und Erkrankungen sowie deren Folgewirkungen (Jakob 2016) (siehe auch SDG “Gesundheit”).
Gender (pay) gap
Lediglich 13 Prozent der Beschäftigten im Wirtschaftszweig Baugewerbe sind weiblich, im Wirtschaftszweig Bauhauptgewerbe liegt der Anteil sogar nur bei 10 Prozent. In bauhauptgewerblichen Berufen liegt der Anteil nur bei 1,5 Prozent, bei den gewerblichen Auszubildenden in bauhauptgewerblichen Berufen bei 2,1 Prozent. Das Gehaltsniveau von Frauen in leitender Stellung liegt bei 76 Prozent des Niveaus ihrer männlichen Kollegen, Tendenz sinkend (Bauindustrie 2021).
Im Jahr 2021 wurden 2.500 Azubis im 1. Lehrjahr in Deutschland im Zimmererhandwerk ausgebildet, 3,1 Prozent davon waren Frauen. Insgesamt gab es rund 8.800 Lehrlinge (Statista 2022). Hier zeigt sich, dass der bisherige Anteil von Frauen gering ist, er steigt aber in den letzten Jahren verstärkt an (Wirtschaft kompakt 2022). Eine der Ursachen liegt in der unterschiedlichen Entlohnung für vergleichbare Tätigkeiten und Qualifikation für Frauen und Männer, sie lässt sich durch die statistischen Erhebungen des Statistischen Bundesamtes aufzeigen. In einer Pressemitteilung vom März 2022 wird betont, dass Frauen pro Stunde noch immer 18 Prozent weniger verdienen als Männer: „Frauen haben im Jahr 2021 in Deutschland pro Stunde durchschnittlich 18 Prozent weniger verdient als Männer. Damit blieb der Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern – der unbereinigte Gender Pay Gap– im Vergleich zum Vorjahr unverändert. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis 2022) anlässlich des Equal Pay Day am 7. März 2022 weiter mitteilte, erhielten Frauen mit durchschnittlich 19,12 Euro einen um 4,08 Euro geringeren Bruttostundenverdienst als Männer (23,20 Euro). Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 16.02.2023 müssen Frauen bei gleicher Arbeit auch gleich bezahlt werden, eine individuelle Aushandlung der Lohn- oder Gehaltshöhe ist damit nicht wirksam (Zeit Online 2023).
Arbeitsschutz, Gesundheit und Gute Arbeit
Im Bereich “Gesundheit” und “Gute Arbeit” sind durch die Folgen des Klimawandels wesentliche neue Herausforderungen sowohl für die Arbeitskräfte als auch für die Gesellschaft festzustellen. Bei Bauarbeiten im Freien sind alle Arbeitenden durch Extremwetterereignisse wie hohe Temperaturen und lang anhaltende Hitzewellen, oder auch Starkregenereignisse, mit diesen neuen Herausforderungen direkt konfrontiert.
Es ist selbstverständlich, dass die gesetzlichen Arbeitsschutzbedingungen bei jeder Tätigkeit eingehalten werden. Dass hier nun auf das Thema “Arbeitsunfälle” eingegangen wird, begründet sich damit, dass jeder Arbeitsunfall nicht nur mit einer Schädigung eines Menschen und unmittelbaren sozialen Folgen verbunden ist, sondern auch mit hohen Kosten der Wiederherstellung der Arbeitskraft und natürlich der Möglichkeiten des oder der Betroffenen wieder uneingeschränkt sein Leben zu führen. Arbeitsunfälle berühren somit zwei Dimensionen der Nachhaltigkeit – Ökonomie und Soziales – unmittelbar und sind auf jeden Fall zu vermeiden. Insofern muss der Prävention in Hinblick auf die Arbeitssicherheit besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden (vgl. DGUV 2021). In der Unfallstatistik bezogen auf die 10 Berufshauptgruppen liegen die handwerklichen Berufe mit weitem Abstand vorn – über 1/3 aller Unfälle passieren in diesem Berufssektor. Die Baukonstruktions- und verwandte Berufe, “(…) insbesondere Maurerinnen und Maurer, Zimmerleute, Betonbaufachkräfte und andere Baugewerke” (ebd.) stehen hier statistisch ganz vorn: Die Arbeitsunfallstatistik der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung besagt für das Berichtsjahr 2021 insgesamt 49.446 meldepflichtige Arbeitsunfälle von Beschäftigten im Berufsfeld Baukonstruktions- und verwandte Berufe (7,7% aller Unfälle) mit 26 Toten (12,0% aller tödlichen Unfälle) (ebd.).
Aufgrund der Gefährdungspotenziale im Handwerkssektor und der jährlichen Unfallstatistik wird im Folgenden kurz auf die wichtigsten Aspekte eingegangen, die über die rein gesetzliche Ebene der Unfallverhütungsvorschriften hinausgehen. Für den Zimmermann und die Zimmerin kommen neben den üblichen baulichen Risiken (Stürze und Abstürze, herunterfallende Lasten, zu schweres Heben, Sägeunfälle etc.) berufsspezifische Aspekte hinzu. Weitere mögliche Gefährdungsbereiche werden von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin erfasst und können auf der Internetplattform der BG Bau – Berufsgenossenschaft Bauwirtschaft online individuell bewertet werden. (BAUA o. J.) Es sind u.a.:
Hitze
Solare UV-Strahlung
Allergene und Toxigene
Gefahrstoffe
Gesundheitliche Risikostoffe
Asbest
Bei der Sanierung von Gebäuden können Stoffe anfallen, die besonders beachtet werden müssen, da sie als gesundheitsgefährdend eingestuft werden. Zwei Beispiele sind Faserzementplatten und Mineralwolle.
Alle Faserzementplatten, die vor dem Verbot von asbesthaltigen Baumaterialien im Jahre 1993 hergestellt und verbaut wurden, müssen generell als asbesthaltige Werkstoffe beurteilt werden. Asbestfasern wurden bis in die 90ger Jahre in mehr als 3.000 Produkten verwendet (UBA 2022). Festgebundene Asbestplatten enthalten 10 – 15 Prozent Asbestfasern, eine unmittelbare Gefahr geht von diesen Platten nicht aus (ebd.). Bei der Demontage, bei Materialbruch und anderen Arbeiten können allerdings die gefährlichen Asbestfasern freigesetzt werden. Daher dürfen alte Faserzementplatten nicht gesägt, abgeschliffen oder angebohrt werden (GEO o. J.). In Kleinmengen ist die Demontage alter Eternitplatten an Dach und Fassade und die Entsorgung auch durch Privatleute möglich. Über die Demontage und den Umgang und die Entsorgung der alten Platten informiert der örtliche Wertstoffhof.
Mineralwolle
Bis 1996 wurde eine Mineralwolle produziert, deren Verarbeitung und Entsorgung mit einem erhöhten Krebsrisiko verbunden war. Grund waren Fasern, die in die menschliche Lunge eindringen und dort längere Zeit verbleiben konnten. In den 1990er-Jahren geriet Mineralwolle deshalb zunehmend in die Kritik. Asbestfasern wurden aufgrund ihrer krebserzeugenden Wirkung 1993 verboten (UBA 2022). Die Industrie reagierte und brachte ab 1996 eine neue Generation von Mineralwolldämmstoffen auf den Markt, die nun nicht mehr als krebserzeugend gelten (BaustoffWissen 2022). Auch wenn die seit 1996 installierte Mineralwolle nicht mehr als krebserregend eingestuft wird, sollten alle Anwender*innen wissen, dass auch diese Stoffe lungengängigen Mikrofaserstaub erzeugen können und bei der Verarbeitung und Demontage entsprechende Schutzmasken zu tragen sind.
Kleber, Leine
In Betrieben der Holzbranche werden überwiegend Leime/Kleber verarbeitet, deren Inhaltsstoffe während der Verarbeitung auch zu gesundheitlichen Risiken führen können. An dieser Stelle wird auf das Kapitel “Holzprodukte” verwiesen, in dem auf die einzelnen Kleber und Leime und ihre gesundheitlichen Auswirkungen näher eingegangen wird.
Deutsches Sorgfaltspflichtgesetz
Um ihrer Verantwortung zum Schutz der Menschenrechte gerecht zu werden, setzt die Bundesregierung die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen mit dem Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte von 2016 (Nationaler Aktionsplan, Bundesregierung 2017; 2021; 2022) in der Bundesrepublik Deutschland mit einem Gesetz um. Das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten ist besser unter dem Namen Lieferkettengesetz oder auch Sorgfaltspflichtengesetz bekannt (BMAS 2022, o.a. “Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz”). Dort ist die Erwartung an Unternehmen formuliert, mit Bezug auf ihre Größe, Branche und Position in der Lieferkette in angemessener Weise die menschenrechtlichen Risiken in ihren Liefer- und Wertschöpfungsketten zu ermitteln, ihnen zu begegnen, darüber zu berichten und Beschwerdeverfahren zu ermöglichen.
Das Lieferkettengesetz tritt 2023 in Kraft und gilt dann zunächst für Unternehmen mit mehr als 3.000, ab 2024 mit mehr als 1.000 Angestellten. Es verpflichtet die Unternehmen, in ihren Lieferketten menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in angemessener Weise zu beachten. Kleine und mittlere Unternehmen werden nicht direkt belastet. Allerdings können diese dann betroffen sein, wenn sie Teil der Lieferkette großer Unternehmen sind.
Unabhängig ob betroffen oder nicht: Es lohnt sich auch für kleinere Unternehmen, sich mit dem Gesetz adressierten Nachhaltigkeitsthemen auseinanderzusetzen, um das eigene Handeln entlang dieser Leitplanken zu überprüfen. Der Nachhaltigkeitsbezug ist unter anderem durch den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) gegeben, er gab einen wichtigen Impuls für das Gesetz. Der NAP wurde gemeinsam von Politik und Unternehmen verabschiedet, um zu einer sozial gerechteren Globalisierung beizutragen (Bundesregierung 2017). Ergebnisse einer 2020 im Rahmen des Nationalen Aktionsplans durchgeführten repräsentativen Untersuchungen zeigten jedoch, dass lediglich zwischen 13 und 17 Prozent der befragten Unternehmen die Anforderungen des Nationalen Aktionsplans erfüllen (VENRO 2021). Der gesetzgeberische Impuls war also erforderlich, um die Einhaltung der Menschenrechte zu fördern und damit auch zu einem fairen Wettbewerb zwischen konkurrierenden Unternehmen beizutragen.
Das Lieferkettengesetz rückt internationale Menschenrechtsabkommen und lieferkettentypische Risiken in den Blick: Dazu zählen bspw. das Verbot von Kinderarbeit, der Schutz vor Sklaverei und Zwangsarbeit, die Vorenthaltung eines gerechten Lohns, der Schutz vor widerrechtlichem Landentzug oder der Arbeitsschutz und damit zusammenhängende Gesundheitsgefahren. Es werden zudem internationale Umweltabkommen benannt. Sie adressieren die Problembereiche Quecksilber, persistente organische Schadstoffe und die grenzüberschreitende Verbringung gefährlicher Abfälle und ihre Entsorgung. Zu den jetzt gesetzlich geregelten Sorgfaltspflichten der Unternehmen gehören Aufgaben wie die Durchführung einer Risikoanalyse, die Verankerung von Präventionsmaßnahmen und das sofortige Ergreifen von Abhilfemaßnahmen bei festgestellten Rechtsverstößen. Die neuen Pflichten der Unternehmen sind nach den tatsächlichen Einflussmöglichkeiten abgestuft, je nachdem, ob es sich um den eigenen Geschäftsbereich, einen direkten Vertragspartner oder einen mittelbaren Zulieferer handelt. Bei Verstößen kann die zuständige Aufsichtsbehörde Bußgelder verhängen. Unternehmen können von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden.
Unternehmensführung
Nachhaltige Unternehmensführung stellt einen integrativen und holistischen Managementansatz dar, der auf die Berücksichtigung und das Management der Nachhaltigkeit im und durch das Unternehmen fokussiert ist. Dabei werden die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit berücksichtigt:
Die Ökonomie (Sach- und Finanzkapital)
die Ökologie (natürliche Ressourcen)
das Soziale (Humankapital).
5 Grundsätze der Nachhaltigkeit in der Unternehmensführung existieren nach Günther und Ruter (2015):
1) Ziel: langfristige Erhaltung des Unternehmens
2) Umsetzung der Nachhaltigkeit im strategischen und operativen Geschäft
3) Bildung eigener Indikatoren der nachhaltigen Unternehmensführung
4) Erfolg der nachhaltigen Unternehmensführung durch Orientierung an Werten und Regeltreue
5) Umsetzung der Basisprinzipien nachhaltiger Unternehmensführung: Solidarität, Transparenz und Risikomanagement (Öko-Institut o. J.).
Wer seinen Betrieb nachhaltig aufstellen will, hat den Blick nach außen und nach innen zu richten. Der Blick nach außen bezieht sich auf die Gesellschaft und die Umwelt. Der Blick nach innen bezieht sich auf die ressourcen-orientierte Ökonomie und Ökologie, d. h. die Bereiche Beschaffung, Produktion, Absatz und Marketing so zu gestalten, dass die Umwelt geschützt und der Verbrauch von Ressourcen frei nach dem Prinzip so wenig wie möglich, so viel wie nötig, minimiert werden. Kosten für Umweltauswirkungen werden berechnet und in die Preisbildung mit einbezogen. Weiterhin gehören zu dem Blick nach innen die Mitarbeiter*innen.
Es gibt eine Reihe Gemeinwohl-orientierter Wirtschaftsansätze. Dazu zählt die Gemeinwohl-Ökonomie, entwickelt von Christian Felber (ebd. 2015). Dabei basiert das Unternehmen auf gemeinwohl-fördernden Werten wie Kooperation statt auf Konkurrenz und Gewinnmaximierung. Vertrauen, Verantwortung, Teilen und Solidarität sollen gefördert werden. Die Basis des Modells ist die Gemeinwohl-Bilanz, die den unternehmerischen Erfolg nicht nur aus dem monetären Gewinn ableitet (wie in konventionellen Bilanzen), sondern aus den positiven wie negativen Folgen eines Unternehmens für Gesellschaft, Umwelt und Volkswirtschaft. Es geht um das Messen der Punkte, “die wirklich zählen“. Im Vergleich zum jetzigen Wirtschaften seien das sozialer, ökologischer, demokratischer, solidarischer (ebd.).
Personalführung
Nachhaltige Führung baut auf den Erhalt der Arbeitsfähigkeit (Können) und der Motivation (Wollen) der Mitarbeiter*innen auf (gabler o. J., BMBF 2017). Es geht um die Nutzung der Ressourcen bei Erhalt der Arbeitsfähigkeit. Um letztere zu erhalten, kann und sollte der Arbeitgeber in verschiedene Bereiche investieren, z. B. in Weiterbildung, Kommunikationstrainings, Maßnahmen zur Gesundheitsfürsorge und ergonomische Arbeitsmittel. Auch flexible Arbeitszeiten können Stress reduzieren. Qualifizierte Mitarbeiter*innen können besser zum betriebswirtschaftlichen Unternehmenserfolg beitragen.
Die Motivation der Mitarbeiter*innen ist genauso wichtig wie die Arbeitsfähigkeit. Nachhaltig agierende Unternehmenslenker*innen und Vorgesetzte erhalten die Motivation ihrer Mitarbeiter*innen, indem sie daran glauben, dass Menschen von innen motiviert sind und einen sinnvollen Beitrag leisten wollen, indem sie ihnen mit ehrlichem Interesse begegnen. Wird Mitarbeiter*innen zusätzlich zum Lob und Anerkennung in Form von Dank entgegengebracht, können sie das positive Menschenbild noch verstärken. Gesteigert wird die Anerkennung, wenn der Dank individuell und verbal begründet wird. Mitarbeiter*innen können so ihre Arbeit als sinnvoll erleben und motiviert bleiben, denn sie haben das Gefühl, zum Unternehmenserfolg beitragen zu können.
Quellenverzeichnis
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BaustoffWissen (o. J.): Krebsgefahr bei „alter“ Mineralwolle. Online: https://www.baustoffwissen.de/baustoffe/baustoffknowhow/daemmstoffe/krebsrisiko-moderne-mineralwolle-ist-unbedenklich/#:~:text=In%20den%201990er%2DJahren%20geriet,nicht%20mehr%20als%20krebserzeugend%20gelten.
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BMAS Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2022): Sorgfaltspflichtengesetz – Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten. Online: https://www.bmas.de/DE/Service/Gesetze-und-Gesetzesvorhaben/gesetz-unternehmerische-sorgfaltspflichten-lieferketten.html
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Schulten, Thorsten; Specht, Johannes (2021): Ein Jahr Arbeitsschutzkontrollgesetz – Grundlegender Wandel in der Fleischindustrie? Online: https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/fleisch-2021/344835/ein-jahr-arbeitsschutzkontroll-gesetz/
Springer Gabler (o. J.): Gabler Wirtschaftslexikon: Definition Nachhaltiges Nachhaltigkeit im Personalmanagement. Online: https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/nachhaltiges-personalmanagement-53887
Statista (2021): Arbeitsunfälle in Deutschland. Online: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/6051/umfrage/gemeldete-arbeitsunfaelle-in-deutschland-seit-1986/
Statista (2022): Anzahl der Lehrlinge im Bau- und Ausbauhandwerk in Deutschland im Jahr 2021 nach Berufen. Online: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/323480/umfrage/lehrlinge-im-bau-und-ausbauhandwerk-in-deutschland-nach-berufen/
UBA Umweltbundesamt (2015): Was ist krebseerzeugend? Online: https://www.umweltbundesamt.de/themen/gesundheit/umwelteinfluesse-auf-den-menschen/chemische-stoffe/formaldehyd#was-bedeutet-krebserzeugend
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VENRO Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (2021): Vier Jahre Nationaler Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP). Online: https://venro.org/publikationen/detail/vier-jahre-nationaler-aktionsplan-wirtschaft-und-menschenrechte-nap
Vereinte Nationen (1948): Resolution der Generalversammlung 217 A (III). Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Online: https://www.un.org/depts/german/menschenrechte/aemr.pdf
Vereinte Nationen (2015): Resolution der Generalversammlung „Transformation unserer Welt: die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“. Online: https://www.un.org/depts/german/gv-70/band1/ar70001.pdf
Welthungerhilfe (2020): Indien hält bei der Kinderarbeit den traurigen Spitzenplatz. Online: https://www.welthungerhilfe.de/welternaehrung/rubriken/wirtschaft-menschenrechte/indien-haelt-bei-kinderarbeit-den-traurigen-spitzenplatz
Wirtschaft kompakt (2022): Frauen im Zimmererhandwerk. Online: https://wirtschaft-kompakt.de/meldungen/bau-handwerk/frauen-im-zimmererhandwerk/
Zeit Online (2023): Lohnunterschiede bei gleicher Arbeit rechtswidrig. Online: https://www.zeit.de/arbeit/2023-02/lohngleichheit-bundesarbeitsgericht-frauen-urteil-diskriminierung?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.ecosia.org%2F
Zoll (2022): Verpflegung und Unterkunft für Saisonarbeitskräfte. Online: https://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Arbeit/Mindestarbeitsbedingungen/Mindestlohn-Mindestlohngesetz/Berechnung-Zahlung-Mindestlohns/Verpflegung-Unterkunft-Saisonarbeitskraefte/verpflegung-unterkunft-saisonarbeitskraefte_node.html
SDG 12 Nachhaltige/r Konsum und Produktion
“Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen”
Das SDG 12 betrachtet alle Phasen eines Produktes, geht aber auch auf die Ebene der Information und das Bewusstsein aller Beteiligten in diesen Prozessen ein bis hin zu dem sich daraus ableitenden individuellen Verhalten. Folgende 4 Unterziele sind hier vor allem wichtig (Destatis o. J.):
SDG 12.2 “Bis 2030 die nachhaltige Bewirtschaftung und effiziente Nutzung der natürlichen Ressourcen erreichen.”
SDG 12.4 “Bis 2020 einen umweltverträglichen Umgang mit Chemikalien und allen Abfällen während ihres gesamten Lebenszyklus in Übereinstimmung mit den vereinbarten internationalen Rahmenregelungen erreichen und ihre Freisetzung in Luft, Wasser und Boden erheblich verringern, um ihre nachteiligen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt auf ein Mindestmaß zu beschränken.”
SDG 12.5 “Bis 2030 das Abfallaufkommen durch Vermeidung, Verminderung, Wiederverwertung und Wiederverwendung deutlich verringern.”
SDG 12.8 “Bis 2030 sicherstellen, dass die Menschen überall über einschlägige Informationen und das Bewusstsein für nachhaltige Entwicklung und eine Lebensweise in Harmonie mit der Natur verfügen.”
Die Schnittmenge von SDG 12 berührt im Prinzip alle Kenntnisse und Fähigkeiten der Standardberufsbildposition, besonders aber die Nummern b, d, e und f der Standardberufsbildposition (BIBB 2020):
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
d) Abfälle vermeiden sowie Stoffe und Materialien einer umweltschonenden Wiederverwertung oder Entsorgung zuführen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Nachhaltige Produktion in der Zimmerei
Im Durchschnitt entfallen von den gesamten jährlichen 11,2 Tonnen THG-Emissionen eines Deutschen rund 24 Prozent der THG-Emissionen auf Wohnen und Strom, 19 Prozent auf Mobilität und 15 Prozent auf Ernährung (UBA 2021). Vor diesem Hintergrund zielt das SDG 12 u.a. auf die nachhaltige und effiziente Nutzung der Ressourcen ab. Ressourcen sind alle Stoffe der Natur (Mineralien und Metalle, biotische Ressourcen wie Holz oder Baumwolle), aber auch Luft, Wasser und Boden. Abfälle sollen vermieden oder recycelt und gefährliche Abfälle sicher entsorgt werden. Die Verschwendung von Baustoffen für den Zimmereiberuf soll verringert werden. Weitere Themen sind die nachhaltige Entwicklung von Unternehmen, eine bessere Verbraucher*innen-Bildung, nachhaltige Beschaffung und der umweltverträgliche Umgang mit Chemikalien. Wichtig ist die Unterscheidung zu der von SDG 8 “Menschenwürdige Arbeit” unter Unterpunkt 8.4 genannten Perspektive: Die Unterziele in SDG 12 sind über die reine Optimierung bestehender Produktions- und Konsumkreisläufe hinaus auf eine mittel- und langfristige Nachhaltigkeit ausgerichtet.
Die mit den Aspekten des SDG 12 einhergehenden Emissionen werden im nachfolgenden Kapitel SDG 13 “Maßnahmen zum Klimaschutz” beschrieben, da die Art der Nutzung verschiedener Materialien ein wichtiger Schlüssel für mehr Nachhaltigkeit ist.
Für den Zimmereibetrieb selber ist es einfacher, die betriebsbedingten Emissionen durch die Bestelllisten für die benötigten Materialien (inkl. der Lieferwege), die Auswertungen der Energierechnungen (Strom/ Gas etc.) und die Tankrechnungen zu ermitteln.
Die Ermittlung der umweltbelastenden Emissionen aufgrund der Nutzung bestimmter Materialien stellt sich vor dem Hintergrund der oft globalen Lieferketten als schwierig dar. Eine Bestimmung der Nachhaltigkeit der eingekauften Produkte, deren Verpackungen und von den Verbrauchsmaterialien für die handwerklichen Tätigkeiten ist ebenfalls nicht einfach.
Üblicherweise bilden Ökobilanzen vor allem die Umweltwirkungen sehr breit ab, aber diese Breite macht sie auch gleichzeitig unverständlich und somit für die Praxis nicht unbedingt handbar. Aus diesem Grund braucht man einfachere Orientierungshilfen, wie die folgenden Beispiele zeigen.
Nachhaltiges Bauen
Für ein ganzheitlich geplantes Gebäude sind Konzepte erforderlich, mit denen verschiedene Möglichkeiten untersucht und geeignete Maßnahmen ausgewählt werden. Im Zentrum eines umweltschonenden und energieeffizienten Entwurfs stehen folgende Planungskonzepte mit den jeweiligen wesentlichen Punkten (BMWSB o. J.):
Energiekonzept
- Minimierung des Energiebedarfs durch angemessene Nutzervorgaben
- bauliche Maßnahmen (z.B. Wärmeschutz und Lüftung)
- effiziente Energiesysteme und Betrieb (z.B. Wärmerückgewinnung und Nutzung regenerierbarer Kühlquellen)
- Nutzung erneuerbarer Energie, die idealerweise vorwiegend am Gebäude erzeugt wird
Baustoffkonzept
- Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit der Baustoffe und der Konstruktionen
- Ökobilanz / Wirkungen für die globale Umwelt
- Wirkungen für die lokale Umwelt (u.a. Schadstoffarmut)
- Rückbau-, Trennungs- und Verwertungsmöglichkeiten der verwendeten Bauprodukte
Wasserkonzept
- Reduzierung von Trinkwasserverbrauch
- Verwendung von Regenwasser und Grauwasser
- Regenrückhaltung und -versickerung
Leistungen von Zimmerern und Zimmerinnen
In allen folgenden Ausführungen wird ausdrücklich auf die ausschließliche Betrachtung reiner Montagearbeiten verzichtet und primär auf die kleineren und mittelständischen Zimmererbetriebe eingegangen, die mit ihren jeweiligen Leistungen ein breites handwerkliches Spektrum und eine entsprechende Fertigungstiefe abbilden. Diese Betriebe zeichnen sich durch eine hohe Flexibilität und starke Kundennähe aus. Damit können sie kundenorientierte Lösungen entwickeln und haben großen Einfluss auf die Wahl der Materialien und den mit ihnen verbundenen Einflüssen auf die Wohngesundheit und die Umwelt. Folgende Leistungen bilden die Grundlage der weiteren Betrachtungen:
Deinstallation und Entsorgung von alten Elementen
Planen, Konstruieren, Produzieren und Montage von
- Holzhauskonstruktionen
- Böden
- Innenausbauten
- Messe- und Ladeneinrichtungen
Im Folgenden wird auf die für das Zimmererhandwerk wichtigsten Materialien und deren Hauptanwendungsgebiete eingegangen. Die jeweiligen Grundstoffe und ihre Eigenschaften führen zu einer ökologischen Einordnung. Wichtig ist es, die Nutzungszeit von Produkten in den Mittelpunkt zu rücken, da diese entscheidend für eine Bewertung von TGH-Emissionen ist. Damit rücken auch Werkstoffe in den Vordergrund, die isoliert betrachtet (z.B. bei Rohstoffen und Produktion) einen ungünstigen CO2-Fußabdruck haben als andere. Die Emissionen werden im nachfolgenden Kapitel SDG 13: Maßnahmen zum Klimaschutz beschrieben, da die Holzauswahl ein wichtiger Schlüssel für mehr Nachhaltigkeit ist. Die Ermittlung der umweltbelastenden Emissionen aufgrund der Nutzung bestimmter Hölzer stellt sich vor dem Hintergrund der oft globalen Lieferketten als schwierig dar. Für den Zimmereibetrieb ist es einfacher, die betriebsbedingten Emissionen durch die Bestellisten für Holz (inkl. der Lieferwege), die Auswertungen der Energierechnungen (Strom/ Gas etc.) und die Tankrechnungen zu ermitteln.
Eine Bestimmung der Nachhaltigkeit der eingekauften Produkte, deren Verpackungen und von den Verbrauchsmaterialien für die handwerklichen Tätigkeiten ist jedoch wesentlich schwieriger. Nachhaltigkeit wird immer in drei Dimensionen bemessen, nicht nur im Hinblick auf den Klimawandel (und den Emissionen zur Herstellung eines Produktes). Üblicherweise bilden Ökobilanzen vor allem die Umweltwirkungen sehr breit ab, aber diese Breite macht sie auch gleichzeitig unverständlich und somit für die Praxis nicht unbedingt handbar. Aus diesem Grund braucht man einfachere Orientierungshilfen, wie die folgenden Beispiele zeigen.
Ökobilanzierung Werkstoffe
Die Ökobilanzierung hängt von den zu betrachtenden Prozessen, Materialien und Produkten ab. Das Fraunhofer Institut beschreibt die dazu notwendigen Schritte (Fraunhofer Institut o. J.):
1) Festlegung des Ziels und Untersuchungsrahmens (engl.: Goal and Scope)
Der erste Schritt der Ökobilanz legt das Ziel und den Untersuchungsrahmen fest. Dazu gehört beispielsweise die Definition der Systemgrenzen, der Funktion des Systems und der Anforderungen an die Datenqualität.
2) Sachbilanz (engl.: LCI – Life Cycle Inventory)
Die Sachbilanz beinhaltet die Datensammlung aller benötigten eingehenden (Ressourcen, Materialien) und ausgehenden (Emissionen, Abfälle) Stoff- und Energieströme, welche in einer Bilanz erfasst werden.
3) Wirkungsabschätzung (engl.: LCIA – Life Cycle Impact Assessment
Bei der Wirkungsabschätzung werden die potenziellen Umweltwirkungen, Einflüsse auf die menschliche Gesundheit und Ressourcenverfügbarkeit mithilfe der Ergebnisse der Sachbilanz über entsprechende Charakterisierungsmodelle softwaregestützt errechnet.
4) Auswertung und Interpretation (engl.: Results and Interpretation)
Bei der Auswertung werden die Ergebnisse der Sachbilanz und Wirkungsabschätzung in Bezug auf das Ziel der Ökobilanzstudie interpretiert.
Die Ökobilanz eines Werkstoffes hängt von mehreren Faktoren ab (dach24online) o. J.):
Rohstoffgewinnung: Wo und unter welchen Bedingungen werden die benötigten Rohstoffe abgebaut? Müssen diese Rohstoffe über weite Strecken transportiert werden? Unter welchen Bedingungen werden sie schließlich verarbeitet und auf der Baustelle verwendet (ebd.)?
Verarbeitung: Mit welchem Energieaufwand ist die Verarbeitung der Rohstoffe verbunden? Werden zusätzliche Materialien im weiteren Verarbeitungsprozess eingesetzt, die ggf. eine negative Ökobilanz aufweisen? Welche Abfall- und Nebenprodukte fallen bei der Herstellung an (ebd.)?
Verpackung: Mit welchen Materialien werden die Materialien und Produkte für den Transport verpackt? Welche Verpackungsmenge fällt dadurch an (ebd.)?
Lebensdauer: Wie hoch ist die Lebensdauer des Tischlereiproduktes? Nach welchem Zeitraum müssen z.B. Fenster/ Türen/ Fußböden erneuert werden? Wie wird das Material wiederverwendet oder entsorgt (ebd.)?
Sonstige Aspekte: Wie stark sind die Umweltauswirkungen und gesundheitlichen Risiken (ebd.)?
Umweltzertifikat und Testlabel
Aufgrund des vielfältigen Produktangebotes ist es als Handwerksbetrieb wie als Kundin und Kunde nicht einfach, Produkte und ihre Inhaltsstoffe zu recherchieren und auszuwählen, die die verschiedenen relevanten Aspekte der Nachhaltigkeit wie Gesundheit, Umwelt- und Klimaschutz berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund und als Grundlage für eine Produktauswahl werden die relevantesten Zertifizierungssysteme und auch Testzertifikate vorgestellt. Neben unabhängigen Systemen gibt es auch solche, die von Herstellergruppen entwickelt wurden.
Umwelt- und Nachhaltigkeitszertifizierungen für Holz
Holz ist der zentrale Werkstoff für den Zimmerer und die Zimmerin. Auch bei den meisten Verbundwerkstoffen ist Holz ein wesentlicher Bestandteil. Vor diesem Hintergrund werden hier die Zertifizierungssiegel explizit für Holz vorgestellt. Die Holzwirtschaft ist wie viele andere Produktionen inzwischen globalisiert. Deutschland importiert einen großen Teil seines Holzbedarfes für den Bausektor aus dem Ausland. Im Jahr 2018 wurden ca. 7,1 Millionen Kubikmeter Rohholz nach Deutschland importiert. Damit hat sich die Menge innerhalb von 15 Jahren verdreifacht. Der Export in 2018 lag bei 3,5 Mio. Kubikmetern Rohholz und hat sich damit in den letzten Jahren deutlich verringert (statista 2021). Der Holzeinschlag in Deutschland lag in 2021 bei insgesamt ca. 83 Mio. Kubikmeter (BMEL 2022).
Um zwischen “guten”, “besseren” oder “schlechten” Produkten zu entscheiden, kann man auf Zertifizierungssiegel achten. Die europäische Verordnung (EU) Nr. 995/2010 setzt europaweite Standards zur Nutzung von Holz.
Es gibt jedoch inzwischen eine kaum überschaubare Vielfalt an Siegeln – bedingt ist dies durch die Gründung von Organisationen, die ihren Betrieb mit dem Vertrieb von Siegeln finanzieren. Das für das Zimmererhandwerk zentrale Ausgangsmaterial ist Holz. Als natürlicher, nachwachsender Rohstoff bietet er sich für verschiedene Anwendungsgebiete an und ist bei einer entsprechenden Holzbewirtschaftung und den Lieferketten gemäß anerkannter Zertifizierungen als nachhaltig zu bewerten. Im Folgenden wird im Überblick auf die verschiedenen eingeführten Zertifizierungen eingegangen. Die Zertifizierung ist eine freiwillige Selbstverpflichtung u.a. der Forstbetriebe, über die gesetzlichen Mindestanforderungen der Wald- und Naturschutzgesetze hinaus weitere Mindestnormen im ökologischen, ökonomischen und sozialen Bereich einzuhalten. Mit einer Zertifizierung nach einem anspruchsvollen Zertifizierungssystem dokumentieren die Waldbesitzer ihre Bereitschaft, bei der Bewirtschaftung ihrer Flächen Erfordernisse der Nachhaltigkeit sowie des Natur- und Artenschutzes über den gesetzlich vorgegebenen Standard hinaus zu berücksichtigen (UBA 2021).
Im folgenden wird ein Vergleich forstlicher Zertifizierungssysteme vorgestellt (Fraunhofer-Institut 2015):
Beim FSC (Forest Stewardship Council) werden Entscheidungen durch ein 3-Kammern-System (Sozial-,Umwelt-, Wirtschaftskammer) getroffen. In diesen Kammern sind neben weiteren Akteur*innen hauptsächlich Vertreter der Umweltverbände aktiv
Beim PEFC (Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes) werden Entscheidungen durch den Forstzertifizierungsrat, der neben weiteren Akteur*innen hauptsächlich durch Vertreter verschiedener Waldeigentumsarten besetzt ist getroffen
Bei den Systemen DFSZ (Deutschen Forst-Service-Zertifikat), KFP (Kompetente Forst Partner) erfolgt die Entwicklung (erstmalige Ausarbeitung des Standards) mit einer sog. Stakeholderbeteiligung, d.h. unter Einbeziehung verschiedener Interessenvertreter*innen der Branche. Weiterentwicklungen des Standards und der Systembeschreibung werden bei diesen Systemen ausschließlich vom Systemträger selbst und unter Einbeziehung der Zertifizierungsstelle und der Auditor*innen vorgenommen
Entscheidungen zur weiteren Entwicklung des KUQS-Systems (Kompetenznachweis in Umwelt-, Qualitäts- und Sicherheitsmanagement) trifft ein Zertifizierungsbeirat, in dem neben Vertreter*innen weiterer Interessengruppen hauptsächlich (Forst-) Unternehmer*innen ihre Belange einbringen
Beim RAL (Reichsausschuss für Lieferbedingungen) Gütezeichen werden Entscheidungen durch einen Güteausschuss getroffen, in dem neben Vertreter*innen weiterer Interessengruppen hauptsächlich Vertreter*innen der Wissenschaft und Waldeigentümer*innen ihre Anforderungen einbringen
Weitere anerkannte Zertifizierungssysteme:
natureplus-Umweltzeichen: Es bestätigt die Einhaltung hoher Qualitätsnormen auf allen für die Nachhaltigkeit relevanten Gebieten. Das natureplus- Qualitätszeichen wurde bislang an über 600 Bauprodukte in Europa vergeben und verfügt über eine europaweite Anerkennung bei Baufachleuten, Verbraucher*innen, Umweltverbänden, Regierungsorganisationen und Systemen zur Gebäudebewertung. Die Prüfungen zur Verifikation dieser Anforderungen werden von akkreditierten Laboren und Gutachter*innen nach anerkannten internationalen Standards durchgeführt. Damit ist das natureplus-Qualitätszeichen für Bauprodukte das einzige europäische Umweltlabel, dem strenge wissenschaftliche Kriterien zu Grunde liegen (natureplus 2022).
Naturland: Die Naturland Richtlinien zur Ökologischen Waldnutzung regeln Aspekte einer nachhaltigen und naturverträglichen Waldbewirtschaftung. Da die Richtlinie die FSC-Anforderungen übertrifft, kann gleichzeitig ein Naturland und ein FSC-Zertifikat ausgestellt werden. Darüber hinaus hat Naturland mit den „Verarbeitungsrichtlinien für Holz aus ökologischer Waldnutzung“ die Grundlagen für die Zertifizierung verarbeiteter Holzprodukte geschaffen. Diese Richtlinie umfasst neben der Rückverfolgbarkeit auch Aspekte einer ökologischen und gesundheitsverträglichen Produktion (Naturland 2022).
Die Bundesregierung geht bei der Beschaffung mit gutem Beispiel voran: Der Beschaffungserlass fördert eine zertifizierte Forstwirtschaft: Seit 2007 beschaffen die Dienststellen des Bundes nur noch Produkte aus Holz, die nach PEFC, FSC oder vergleichbaren Systemen zertifiziert sind oder denen per Einzelnachweis die Erfüllung entsprechender Standards nachgewiesen wurde (FNR o. J.).
Umweltzertifizierungen für Produktgruppen
Der Blaue Engel
Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit ist Zeicheninhaber und informiert regelmäßig über die Entscheidungen der Jury Umweltzeichen. Das Umweltbundesamt fungiert mit dem Fachgebiet „Ökodesign, Umweltkennzeichnung, Umweltfreundliche Beschaffung“ als Geschäftsstelle der Jury Umweltzeichen und entwickelt die fachlichen Kriterien der Vergabekriterien des Blauen Engel. Die Jury Umweltzeichen ist das unabhängige Beschlussgremium des Blauen Engel mit Vertretern aus Umwelt- und Verbraucherverbänden, Gewerkschaften, Industrie, Handel, Handwerk, Kommunen, Wissenschaft, Medien, Kirchen, Jugend und Bundesländern. Die RAL gGmbH ist die Zeichenvergabestelle. Sie organisiert im Prozess der Kriterienentwicklung die unabhängigen Expertenanhörungen, d.h. die Einbindung der interessierten Kreise (BMU 2023).
RAL-Gütezeichen
Mit dem RAL Gütezeichen können Produkte und Dienstleistungen gekennzeichnet werden. Es zeigt öffentlichen Auftragnehmern, Unternehmen und Verbraucher*innen, dass die geprüften Produkte und Dienstleistungen genauen Qualitätskriterien entsprechen. Für das jeweilige Produktgruppen- und leistungsspezifische Anerkennungsverfahren werden Behörden, Prüfinstitute, Hersteller und Anbieter sowie Handel und Verbraucher einbezogen. Die Kriterien sind öffentlich zugänglich. Die Vergabe des RAL-Gütesiegels geht mit einer regelmäßigen, unabhängigen Überprüfung einher. In der folgenden Tabelle sind die für den Innenbereich wichtigen Produktgruppen mit ihrem jeweiligen RAL -Zeichen für “emissionarm”. Die Produkte werden mit dem Zeichen “Der Blaue Engel – weil emissionsarm” versehen.
Bauprodukte für Innenräume mit dem Umweltzeichen Blauer Engel | |
Emissions- und schadstoffarme Lacke | RAL-UZ 12a |
Emissionsarme Holzwerkstoffplatten | RAL-UZ 76 |
Emissionsarme Wandfarben | RAL-UZ 102 |
Emissionsarme Bodenbelagsklebstoffe und andere Verlegewerkstoffe | RAL-UZ 113 |
Elastische Fußbodenbeläge | RAL-UZ 120 |
Emissionsarme Dichtstoffe für den Innenraum | RAL-UZ 123 |
Emissionsarme textile Bodenbeläge | RAL-UZ 128 |
Emissionsarme Wärmedämmstoffe und Unterdecken für die Anwendung in Gebäuden | RAL-UZ 132 |
Emissionsarme Verlegeunterlagen für Bodenbeläge | RAL-UZ 156 |
Emissionsarme Bodenbeläge, Paneele und Türen aus Holz u. Holzwerkstoffen für Innenräume | RAL-UZ 176 |
Emissionsarme Innenputze | RAL-UZ 198 |
Quelle: Umweltbundesamt. Umwelt- und gesundheitsverträglich Baustoffe; Ratgeber für Architekten, Bauherren und Planer, 2015
Emicode
Die Gemeinschaft Emissionskontrollierte Verlegewerkstoffe, Klebstoffe und Bauprodukte e.V. (GEV) vergibt das Emicode Label. Es werden Anforderungen formuliert, die eine Bewertung von Verlegewerkstoffen, Klebstoffen und Bauprodukten nach GABW 31-Kriterien Umwelt, Hygiene und Gesundheit zulassen und eine Einstufung in Bezug auf Langzeitemissionen ermöglichen. Verantwortlich für die Festlegung der GEV-Einstufungskriterien ist der Technische Beirat der GEV. In 2018 gehörten 154 Hersteller der Gemeinschaft an, der Verein sowie der technische Beirat besteht aus Vertreter*innen der Mitgliedsunternehmen (Emicode 2020).
Das Label kann für Produkte aus folgenden Produktgruppen vergeben werden:
Flüssige Produkte (Vorstriche, Grundierungen, Anti-Rutsch-Beschichtungen, Dicht- oder Sperrgrundierungen),
Pastöse Produkte und solche mit hohem organischem Bindemittelanteil (Bodenbelags-, Parkett- und Fliesenklebstoffe, Fixierungen, Flächen- und
Fugendichtstoffe auf Dispersions- oder Reaktionsharzbasis, Dispersions- und reaktive Spachtelmassen),
Mineralische Produkte mit überwiegend anorganischem Bindemittel (Zement- und Gipsspachtelmassen, Fliesenklebe- und Fugenmörtel, mineralische Dichtschlämmen),
Produkte, die keiner chemischen Reaktion oder physikalischen Trocknung bedürfen (Unterlagen, Dämmunterlagen, haftklebstoffbeschichtete Unterlagen, Klebebänder, Verlegeplatten),
Bei der Anwendung expandierender Fugendämmstoffe (Montage, Orts- und Dämmschäume) sowie imprägnierter Dichtungsbänder aus Schaumkunststoff gemäß DIN 18542
Testlabel
Stiftung Warentest
1964 wurde die Stiftung Warentest vom Deutschen Bundestag gegründet, sie ist eine unabhängige Stiftung bürgerlichen Rechts. Jährlich werden mehr als 30.000 Produkte und Dienstleistungen unabhängig voneinander ausgewählt und geprüft. Die Tests der anonym eingekauften Produkte erfolgen in unabhängigen Laboren, Dienstleistungen werden ebenfalls unabhängig geprüft. Die Ergebnisse werden in Publikationen veröffentlicht (Stiftung Warentest 2023).
Ökotest
Seit 1985 wurden über 100.000 Produkte und Dienstleistungen von Ökotest untersucht. Ziel ist es, ökologisch unbedenkliche Produkte zu befördern, die dabei sozialverträglich und nachhaltig produziert werden. Das Grundprinzip ist ein unabhängiger Umweltschutz und vorbeugender Verbraucherschutz. Produkte werden anonym am Markt eingekauft und durch unabhängige Labore getestet, diese Tests dienen dann zur Einordnung in eine Bewertungsskala, die veröffentlicht wird (Ökotest 2023).
Holzwerkstoff- und Naturfaser-Technologie
Neben den Vollholzmaterialien gibt es eine ganze Reihe von Verbundwerkstoffen aus Holz, die umweltfreundlich, abbaubar und funktional sind. Hierzu gehören Span-, Faser- und Dämmplatten, OSB-Platten, Sperrholz, LVL, wenn sie denn in Bezug auf ihre Rohstoffe und Bindemittel die Nachhaltigkeitsaspekte (s. Zertifizierungen) berücksichtigen. Hinzu kommen hybride Werkstoffe bis hin zu Biokompositen, 3D-Formteilen und Werkstoffverbünden. Die technologische Entwicklung geht stetig voran, bis hin zu formaldehydfreien Bindemitteln, Verklebungs- und Modifikationsverfahren. Hinzu kommen neue Sortierverfahren und Nutzungswege, um Altholz effizienter zu verwerten. (Fraunhofer-Institut 2016).
Hilfsstoffe für Holzprodukte
Grundsätzlich dient der Naturstoff Holz als Ausgangsstoff für verschiedene Anwendungsbereiche und ist somit eines der nachhaltigsten Materialien, das wir für unser Leben verwenden: Stofflich kann es als Bau-, Garten- und Möbelholz genutzt werden. Diese Produkte sind dauerhaft, erfüllen einen wichtigen Zweck und speichern zudem noch für Jahre, Jahrzehnte oder Jahrhunderte (z.B. in Dachstühlen) Kohlendioxid. Kurzlebige Holzprodukte wie Papier erfüllen auch wesentliche zivilisatorische Zwecke und können immerhin – da Papier eigentlich ein “Verbrauchsmaterial” ist – stofflich z.B. als Recyclingpapier oder Zellulosedämmstoff wiederverwertet – oder thermisch zur Energieerzeugung genutzt werden. Kritisch hinsichtlich der Nutzung wird heutzutage das Verbrennen von Holz gesehen. In Deutschland gab es 2018 rund 0,7 Millionen Heizkessel für feste Brennstoffe und etwa 11,7 Millionen so genannter Einzelraumfeuerungsanlagen wie Kamine oder Kachelöfen, die vor allem mit Holz befeuert werden (UBA 2018). Früher wurde die Verbrennung von Holz als umweltfreundliche Alternative zur Öl- und Gasheizung angesehen, aber inzwischen hat sich die wissenschaftliche Meinung durchgesetzt, dass Holz vor dem Hintergrund des Klimawandels besser stofflich als CO2-Speicher als thermisch zur Energieerzeugung zu nutzen ist (ebd.). Zudem ist die energetische Nutzung von Feuerholz aus ökologischen (Monokulturen) und gesundheitlichen Gründen (Feinstaub) nur unter bestimmten technischen Rahmenbedingungen akzeptabel (ebd.).
Jedes der im folgenden vorgestellten Holzprodukte hat seine spezifischen Anwendungsbereiche im Bausektor. Für eine Nachhaltigkeitsbetrachtung spielt hier vor allem die Verwendung von Harzen und Leimen eine zentrale Rolle. Die Stoffe sind in vielen der im folgenden aufgeführten Holzprodukte von Bestandsgebäuden verbaut und werden auch in Holzneubauten weiter verwendet. Hier muss bei einer stofflichen Entsorgung oder bei einer thermischen Verwertung auf die aktuell gültigen gesetzlichen Grundlagen des Gesundheitsschutzes und des Umweltschutzes geachtet werden. Vor diesem Hintergrund sind besonders die folgenden Klebstoffe zu betrachten:
Melaminformaldehydharz
Phenolformaldehydharz
Harnstoff Formaldehydharz
Polyharnstoff
MUPF und Polyharnstoff Mischung
Polyurethanklebstoffe
Im folgenden werden die einzelnen chemischen Grundstoffe für Klebstoffe hinsichtlich ihrer Gesundheitsrisiken beschrieben, anschließend folgt eine Vorstellung der Holzmaterialien, die diese Klebebestandteile enthalten.
Formaldehyd
Der Stoff Formaldehyd diente als Konservierungsmittel früher der Haltbarmachung von Produkten. Die Verwendung nahm mit seinem Einsatz als Klebstoffbestandteil in Holzwerkstoffen, z.B. im Innenausbau, der Fertigbauweise und für Möbel massiv zu. Die Kategorisierung des Umweltbundesamtes von Formaldehyd lautet seit 2014 “kann Krebs erzeugen” (UBA 2015).
Melanin
Melamin ist eine chemische Verbindung, die großtechnisch als Ausgangsmaterial zur Herstellung von Kunststoffen sowie speziellen Harzen und Klebstoffen verwendet wird. Melaminharze entstehen durch die Umsetzung von Melamin mit Formaldehyd, sie werden aufgrund ihrer Feuchtebeständigkeit für die Fertigung von Arbeitsplatten in Küchen oder bei Fassadenelementen eingesetzt. Außerdem werden sie in Lacken und Farben sowie als Komponenten für Flammschutzmittel eingesetzt. Melamin hat eine geringe Toxizität, es reizt aber Schleimhäute, Haut und Augen (Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit 2009).
Phenole
Phenol kommt in der Natur selten vor und wird meist synthetisch hergestellt. Es wird u.a. zur Synthetisierung von Kunstharzen verwendet. Phenol-Formaldehyd-Harz (PF) wird als Bindemittel für Holzwerkstoffe und in einer Vielzahl von Beschichtungen genutzt. Es wird u.a. eingesetzt für Hartfaser-, OSB- und Spanplatten sowie für Produkte wie Holzlacke, Kitt, Gießharz (UBA 2021).
Es verursacht Verätzungen und ist ein Nerven-/Zellgift. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die verfügbaren Daten in Bezug auf gesundheitliche Risiken darauf hindeuten, dass ein potenzielles Risiko für Arbeitnehmer durch die Exposition gegenüber Phenol besteht (echa 2021).
Harnstoff
Die wichtigsten Bindemittel für Holzwerkstoffe sind Harnstoff-Formaldehyd-Harze (UF-Harz). Aufgrund ihrer Eigenschaften und ihres geringen Preises werden in Europa mehr als 90 Prozent aller Spanplatten mit Harnstoffharzen hergestellt. Harnstoff ist eine wasserlösliche Substanz, die in der Leber aus dem Zellgift Ammoniak als relativ ungiftiges Endprodukt des Proteinstoffwechsels aufgebaut wird. Die Gefahr einer Freisetzung von Formaldehyd durch den Einfluss normaler Luftfeuchte besteht und kann zu gesundheitlichen Belastungen führen. Diese Gesundheitsbelastung kann durch eine Beigabe von Melamin und Phenol und eine damit einhergehende Senkung des Formaldehyd-Anteils gesenkt werden (UBA 2021).
Polyharnstoff
Polyharnstoffe werden in reiner Form nur für Spezialanwendungen genutzt. Harnstoffgruppen sind in fast allen technischen Polyurethanen (Hart- und Weichschaumstoffen, PU-Elastomerfasern und Polyurethane aus feuchtigkeitshärtenden Ein- oder Mehrkomponenten-Systemen) enthalten. Aus diesem Grund sind Polyurethane und Polyharnstoffe meist nicht voneinander zu trennen. Viele als Polyurethan bezeichnete Materialien sind Polyurethanpolyharnstoffe. Eingesetzt werden sie als weiche oder harte Schaumstoffe sowie für abriebfeste Beschichtungen. Polyharnstoff hat neben der Stoßbeständigkeit die Eigenschaft, als Isolierstoff Risse sehr gut zu überbrücken (chemgapedia o. J.). Zu Umwelt- und Gesundheitsaspekten s. a. Polyurethan.
MUPF
MUPF-Leim (Melamin-Urea-Phenol-Formaldehyd-Leim) ist ein Leimgemisch, das zur Herstellung von Holzwerkstoffen wie Span- und Grobspanplatten und für die Deckschicht der Werkstoffe eingesetzt wird. Er besteht aus einer Mischung aus Melamin, Harnstoff, Phenol und Formaldehyd; ohne Phenolbeimischung wird er als MUF-Leim genutzt. Gegenüber dem PMDI-Leim (Polymeres Diphenylmethandiisocyanat), der vor allem in der Mittelschicht eingesetzt wird, ist er kostengünstiger (UBA 2022). Zu Umwelt- und Gesundheitsaspekten s .a. Melamin, Phenol, Formaledhyd.
Polyurethan
Bei den Polyurethanen (PUR) handelt es sich um eine Gruppe von Kunststoffen mit unterschiedlichen Ausgangsverbindungen. Dadurch können sie vielfältige Eigenschaften aufweisen. PUR-Klebstoffe können bei der Verarbeitung Augen, Atmungsorgane und Haut reizen sowie eine allergische Reaktion durch Einatmen auslösen (Sensibilisierung). Bei sensibilisierten Personen kann eine Exposition bereits in sehr geringen Konzentrationen zu allergischen Reaktionen führen. Eine Alternative zu Polyurethan-Klebstoffen sind lösemittelfreie oder -arme Dispersions-Klebstoffe. Diese sind in der Verarbeitung einfacher und weisen auch geringere ökologische Risiken auf. Aerosole (feinste Partikel in der Luft) der PUR-Klebstoffe stehen im Verdacht, krebserregend zu sein. Diese Gefährdung ist bei Spritz- oder Sprühvorgängen relevant und erfordert zusätzliche Arbeitsschutzmaßnahmen (UBA 2022).
Holz als Baustoff
Vollholz oder Massivholz
Vollholz ist eines der nachhaltigsten Materialien überhaupt, da es als ein nachwachsender Rohstoff stofflich genutzt wird und über einen langen Zeitraum seine Funktion beibehält, ohne dass er aufwändig hergestellt, bearbeitet oder behandelt werden müsste. Von allen möglichen Baustoffen ist er sicher der Umweltfreundlichste. Einzig seine Gewinnung aus nicht-nachhaltiger Forstwirtschaft oder Urwäldern bzw. sensiblen borealen Regionen (z.B. Sibirien, Skandinavien, Kanada) kann sich negativ auf die Nachhaltigkeitsbilanz auswirken.
Das Gefüge des Massivholzes wird, im Gegensatz zu den unten beschriebenen Holzwerkstoffen, weder in seiner Holzstruktur mechanisch noch chemisch verändert und es erfolgt kein Einsatz von Klebern. Je nach Holzart und damit verbundenem Gehalt an Terpenen unterscheidet sich bei Massivholz (Nadelholz) die Abgabe von Geruchsstoffen und flüchtigen organischen Verbindungen (VOC) an die Innenraumluft. Kiefern- und Zirbenholz emittieren z.B. deutlich mehr Terpene als andere Nadelhölzer. Laubholz emittiert zum Teil geruchsintensive Substanzen (wie z.B. Eiche durch Gerbstoffe) und andere VOC wie organische Säuren, jedoch keine relevanten Mengen an Terpenen. Neben Vollholzprodukten gibt es eine ganze Reihe von Werkstoffen, die im Zimmererhandwerk eingesetzt werden. Die jeweils genannten Produktionsmengen basieren auf Berechnungen der European Panel Federation (EPF). Die einzelnen Holzwerkstoffe werden im folgenden mit ihren umwelt- und gesundheitsrelevanten Eigenschaften vorgestellt:
Holzwerkstoffe
Brettsperr- und Brettschichtholz
Brettsperrholz findet zunehmend Verwendung als Wand- und Deckenbaustoff. In 2021 wurden in Deutschland und Österreich 2,9 Mio m³ Brettschichtholz hergestellt (Holzkurier 2022). Vor dem Hintergrund einer gesundheitlichen Betrachtung dieser Produkte ergeben sich folgende Aspekte: An offenen Schnittkanten und bei Bohrungen ergeben sich deutlich erhöhte Emissionen von Terpenkohlenwasserstoffen und weiteren geruchsintensiven Terpenen. Für Verklebungen von Brettsperrholz und Brettschichtholz werden vorwiegend PU-Leimsysteme verwendet. In einem geringen Umfang werden auch Melamin-oder Phenol-Formaldehydharze eingesetzt. Je nach Art des Leimes sind unterschiedliche Emissionen von Formaldehyd zu erwarten. Stabile Klebstoffe wie Melamin- oder Phenol- Formaldehydharz haben ähnlich niedrige Emissionsraten wie Rohholz. Bei sogenannten „formaldehydfreien“ Platten werden PU-Harze für die Verleimung verwendet, eine Emission von Formaldehyd ist nicht gegeben (BMWSB o. J.).
Plattenwerkstoffe aus Massivholz
Diese Werkstoffe werden primär bei statischer Beanspruchung verwendet. Kostengünstige Harnstoff-Formaldehydharze weisen höhere Emissionsraten auf. Bei der Verleimung von Massivholzplatten im Innenbereich kann Weißleim eingesetzt werden, der formaldehydfrei ist (ebd.).
Sperrholz
Die europaweite Sperrholzproduktion der European Panel Federation (EPF)-Mitglieder belief sich in 2019 auf 2,9 Mio. m3 (Holzkurier 2020). Bei Brettsperrholz werden die Sperrholzlagen mit Harnstoff-Formaldehydharz verleimt, beim Furniersperrholz mit Phenol- oder Melamin Formaldehydharzen. Hier spielt die Leimqualität wie auch bei anderen Holzwerkstoffplatten eine entscheidende Rolle für die Emission von Formaldehyd (BMWSB o. J.).
Spanplatten
Die europaweite Produktion von Spanplatten belief sich auf 34,3 Mio m³ in 2021 (Holzkurier 2022). Für in Feuchtbereichen eingesetzte Spanplatten werden primär Melaminharnstoff- oder Phenolformaldehydharzen verwendet, in Trockenbereichen Harnstoff Formaldehydharze oder Melaminharnstoff-Formaldeydharze. Im Wohnungsbau werden zur Aussteifung und zum Schallschutz zementgebundene Spanplatten verwendet. Die Emission von Formaldehyden aus Spanplatten hat im Laufe der Weiterentwicklung stark nachgelassen. Es gibt Spanplattenmaterial, dessen Formaldehydemission im Bereich von natürlichem Holz liegt. Bezeichnungen für diese Qualitäten sind z.B. E05, ULEF (Ultra Low Emitting Formaldehyde), E Null, NAF (No added Formaldehyde). Stabil aushärtende Phenolharze sowie pMDi werden für formaldehydfreie Platten verwendet, die dann auch kaum Formaldehyd in die Raumluft abgeben. Zementgebundene Spanplatten emittieren keine relevanten Mengen an Formaldehyd in die Raumluft. Problematisch ist, dass ältere Spanplatten auch nach Jahrzehnten noch hohe Konzentrationen an Formaldehyd ausgasen können, das ist besonders bei Sanierungsarbeiten zu berücksichtigen (BMWSB o. J.).
OSB-Platten
Die europäische Produktionsmenge von OSB belief sich in 2021 auf 7,2 Mio. m3 (Holzkurier 2022) OSB-Platten werden als aussteifende und auch als tragende Elemente in Baukonstruktionen (Holzrahmenbau) verwendet. Sie werden aus Holzspänen (Restholz) verschiedener Holzarten (vorwiegend Nadelholz) zusammengeklebt und mit Phenolformaldehydharz oder Gemischen aus Melamin-Urea-Phenol-Formaldehyd-Leim (MUPF) und Polyharnstoff verleimt. Aufgrund des geringeren Leimanteils als bei Spanplatten sind auch die Formaldehyd-Emissionen niedriger. Wahrnehmbare Gerüche entstehen durch Emission von Aldehyden (BMWSB o. J.).
Holzfaserplatten
Die europaweite Produktionsmenge von Holzfaserplatten belief sich in 2021 auf 12,9 Mio. m³ (Holzkurier 2022). Sie werden aus Ligno Zellulose-Fasern von Durchforstungsholz und Sägerestholz unterschiedlicher Baumarten im Trockenverfahren (MDF) oder in energieaufwändigen Nassverfahren (Hartfaserplatten) hergestellt. MDF-Platten und Hartfaserplatten werden zur Aussteifung für Baukonstruktionen, für Schalungen, als Dämmstoff und Windbremse, für Innenausbau, Türen, Möbel und Verpackungen verwendet. Aufgrund des nur geringen Anteils an Bindemitteln sind kaum Emissionen an Formaldehyd gegeben. Bei MDF-Platten sind auch Qualitäten am Markt, deren Formaldehyd-Abgabe so gering ist wie bei natürlichem Holz. Bezeichnungen hierfür sind z.B. “E-Null” oder “NAF” (BMWSB o. J.).
Holzschutz
Konstruktiver Holzschutz
Der konstruktive Holzschutz ist zentraler Bestandteil der Ausbildung zum Zimmermann und zur Zimmerin. Er ist die nachhaltigste Form des Holzschutzes, da kein Einsatz chemischer Holzschutzmittel nötig ist und damit sowohl Umwelt- wie Gesundheitsaspekte in Bezug auf eine mögliche Raumluftbelastung (durch z.B. Pilz- und Fäulnisbefall) berücksichtigt werden. Schon bei der Planung von Konstruktionsdetails können dabei Umwelteinflüsse wie Vermeidung von Bewitterung des Materials, geringe Feuchtekonzentration im Material oder Vermeidung von Schadinsektenbefall berücksichtigt werden, um eine Holzkonstruktion langlebig zu gestalten.
Holzschutz ohne Biozide
Die folgenden Behandlungsmethoden werden bei Befall des Holzes durch Schadinsekten oder Pilze eingesetzt. Sie werden vor allem im Gebäudebestand bei Sanierungsmaßnahmen eingesetzt, um vorhandene Holzkonstruktionen zu schützen.
Heißluftverfahren
Holzzerstörende Insekten können mit dieser biozidfreien Methode bekämpft werden. Es kann für Holz im Innenausbau verwendet werden und ist mit dem Blauen Engel Umweltzeichen ausgezeichnet (UBA o. J.). Dieses Verfahren setzt eine Mindesttemperatur des behandelten Holzes voraus, um die Schadinsekten zu töten.
Hochfrequenztechnik
Bei dieser Methode werden Elektroden an das zu behandelnde Holz gelegt und hochfrequente Ströme durch das Holz geleitet. Sie wirkt wie die Heißluftmethode, ist aber unverträglich mit Metallen und benötigt einen hohen Energieaufwand (ebd.).
Mikrowellenverfahren
Bei diesem Verfahren erhitzt Energie das Wasser im Holz und tötet Schadinsekten sowie Pilze ab. Es wird vor allem in der Sanierung von Fachwerk sowie zur Austrocknung von Balkenköpfen eingesetzt. Allerdings ist der Einsatz bei Dachstühlen technisch sehr aufwändig, sodass dieses Verfahren eher für kleinräumige Anwendungen geeignet ist (ebd.).
Chemischer Holzschutz
Neben den oben genannten Holzschutzmöglichkeiten gibt es den chemischen Holzschutz, der in bestimmten Bereichen Anwendung findet. Bevor der Einsatz chemischer Holzschutzmittel aber in Betracht gezogen wird, sollte der Einsatz der oben genannten Alternativen geprüft werden. Chemische Holzschutzmittel enthalten immer noch – nach dem heutigen Stand der Forschung (2022) – gesundheitsgefährdende biozide Wirkstoffe. Daher sollte ein chemischer Holzschutz nur dort durchgeführt werden, wo er unbedingt erforderlich ist (Holzschutz o. J.).
Holzmaterial für Dachkonstruktionen wird meist mit Salzimprägnierungen (Borsalze) gegen Pilz- und Bakterienbefall behandelt (Holzschutz-Holzbearbeitung o. J.). Auf der Baustelle müssen diese Hölzer vor Auswaschungen durch Regen geschützt werden. Während des Arbeitsprozesses entstehende Schnittflächen sind ebenfalls damit zu imprägnieren. Damit wird ein wesentlicher Beitrag zur Standfestigkeit des Holzes vor Schäden und Alterungsprozessen geleistet. Borsalze sind in gebundener Form und ohne Kontakt zu Innenräumen nicht gesundheitsschädlich, bei Rückbau von Baukonstruktionen muss verhindert werden, dass die dabei entstehenden Salzstäube eingeatmet werden. Das gilt auch für den Rückbau von älteren Fertighäusern aus den 1970-80er Jahren oder in diesen Jahren sanierten Gebäuden, deren Konstruktion ggf. sogar mit hoch toxischen Stoffen wie Lindan, Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT) oder Pentachlorphenol (PCP), imprägniert wurden. Holz, das mit diesen Mittel imprägniert wurde, ist als Sondermüll zu entsorgen. Alle im Handel angebotenen Holzschutzmittel müssen durch das Institut für Bautechnik zugelassen und gekennzeichnet sein und Hinweise zur Verarbeitung tragen (Baunetzwissen o. J.).
Oberflächenbehandlung
Im Jahr 2021 lag der Verbrauch von Lacken, Farben und Druckfarben in Deutschland bei ca. 1,6 Mio. Tonnen (Statista 2022). Zu den Verbräuchen von Ölen und Wachsen gibt es keine statistische Erhebung. Für eine lange Nutzungsdauer von Holzoberflächen im Innen- und Außenbereich (z.B. Holzfassaden) ist es ggf. notwendig, diese mit entsprechenden Lacken, Lasuren, Ölen oder Wachsen zu versehen. Dabei müssen die verschiedenen chemischen, thermischen, mechanischen und witterungsbedingten Beanspruchungen berücksichtigt werden, die sich aus dem Einsatz von Fenstern und Türen, der Nutzung von Fußböden, Treppen, Arbeitsflächen in Küchen sowie Möbeln oder Schränken sowie dem Innenausbau aus Holz ergeben. In den folgenden Ausführungen wird auf die verschiedenen Produkte zur Oberflächenbehandlung von Holz unter dem Gesichtspunkt ihrer gesundheitlich wie ökologisch kritischen Inhaltsstoffe eingegangen.
Öle und Wachse
Die Begrifflichkeiten „Öl“ und „Wachs“ umfassen viele verschiedene Produkte, die keiner normativen Festlegung unterliegen. Wachsbestandteile sind Bienenwachs, Pflanzenwachs oder Paraffinwachs (auf Basis von Erdöl). Neben lösungsmittelfreien gibt es stark lösungsmittelhaltige Wachse, deren Lösemittel aus Erdöl hergestellte Kohlenwasserstoffgemischen, Terpenen und Citrusschalen bestehen. Die Zusammensetzung dieser Produkte werden immer komplexer, als “Wachse” bezeichnete Lack- und lasurähnliche Produkte werden hier nicht betrachtet. Emulsionen aus Wachs werden auch als Pflegemittel klassifiziert. Öle werden häufig auch als “Imprägnieröle” bezeichnet, die aus pflanzlichen Ölen oder ölmodifizierten Kunstharzen bestehen. Leinöl ist das am häufigsten verwendete Öl, es finden aber auch weitere pflanzliche Öle auf Basis von z.B. Holz, Sonnenblumen, Disteln Verwendung. Auf Kunstharzbasis bestehen Imprägnieröle auf ölmodifizierten Alkrydharzen aus Erdöl destillierten Alkoholen, deren Gruppen verestert werden mit pflanzlichen Fettsäuren (z.B. Rizinusöl oder Leinöl). Zu schnelleren Trocknung werden Sikkative auf Basis von Cobalt, Mangan oder Zirconium in Form von Octoaten, Naphthenaten oder auch Salzen von natürlichen Fettsäuren hinzugefügt. Hinzugefügt werden können weitere Zusatzstoffe wie auch Pigmente und Füllstoffe. Als Hautverhinderungsmittel werden den Ölen und Wachsen noch Oxime zugesetzt. Zweikomponentenölen werden Isocyanate als Härter zugefügt, der die oxidative Aushärtung beschleunigt und die Beständigkeit der Beschichtung steigert. Neben lösungsmittelfreien gibt es stark lösungsmittelhaltige Öle, deren Lösemittel aus Erdöl hergestellte Kohlenwasserstoffgemischen, Terpenen und Citrusschalen bestehen. Aufgrund der Bindemittel auf natürlicher Basis von pflanzlichen Ölen dürften die Produkte überwiegend als umweltfreundlich eingestuft werden. Die nachwachsenden Rohstoffe stellen eine geringeres Umweltrisiko im Vergleich zu fossilen Rohstoffen dar. Produkte mit Anteilen chemischer Syntheseprodukte wie Alkydharzen belasten die Umwelt, da Mikroanteile aus diesen Ölen und Wachsen bei der Verarbeitung, Renovierung oder Entsorgung in die Umwelt gelangen können. Mikroplastik in den Meeren ist eine bekannte Problematik, Auswirkungen auf Landbereiche sind bisher nicht untersucht worden. Den synthetischen Produkten beigemengte Additive, vor allem Sikkative und Tenside, sind gewässergefährdend. Die in Wachsen und Ölen enthaltenen Stoffe können während der Verarbeitung Hautreizungen und Allergien auslösen. Weitere Gesundheitsgefahren gehen von Sikkativen und Oximen aus, bestimmte Lösemittel können krebserregend sein. Zweikomponentenöle sollten möglichst nicht eingesetzt werden (BMWSB 2016).
Lasuren
Es gibt lösemittel- sowie wasserbasierte Holzlasuren. Die verwendeten Bindemittel sind meist Acryl-, Alkyd oder Naturharze. Hinzu kommen geringe Mengen an Füllstoffen und Pigmenten. Wasserbasierte Produkte beinhalten einen kleinen Anteil organischer Lösemittel. Lösemittelbasierte Kunstharzlasuren enthalten Bindemittel auf synthetischer Basis aus Erdöl. Wasserbasierte Kunstharze enthalten als Bindemittel meist Acrylate und Alkydharz& Arcylat-Kombinationen. Naturharzlasuren sind aufgrund ihrer höheren Witterungsbeständigkeit meist lösemittelbasiert und nicht wasserbasiert. Meist werden als Bindemittel Kombinationen aus Baumharzen und pflanzlichen Ölen verwendet. Um einen mikrobiellen Befall in den Gebinden zu verhindern, enthalten Systeme auf Wasserbasis Konservierungsmittel. Als “filmgeschützt” bezeichnete Lasuren beinhalten in größeren Mengen Biozide, deren Einsatz auf das technisch notwendige Maß reduziert sein sollte. Bei mit dem “Blauen Engel DE-UZ 12a” bezeichneten Produkten sind Biozide als Filmschutz ausgeschlossen, bestimmte Mengen und Biozide sind zur Topfkonservierung zugelassen. Kunstharzlasuren auf Alkydharzbasis beinhalten Hautverhinderungsmittel, in der Regel Oxime. Einige dieser Oxime wie 2-Butanonoxim sowie Acetonoxim sind als krebsverdächtig eingestuft. Eine Belastung durch Emittieren in die Raumluft ist nicht ausgeschlossen (BMWSB o. J.).
Naturharzlacke und Ölfarben
Naturharzlacke und Ölfarben bestehen primär aus Bindemitteln verschiedener Naturharze und Pflanzenöle, die Lösemittel sind Terpene aus Baumharzen, Citrusschalen sowie Wasser oder Testbenzine, weitere Bestandteile sind Hilfsstoffe, Füllstoffe und Pigmente. Die meisten Bindemittel können als natürlich angesehen werden. Bei chemisch veränderten Harzen und Ölen können die Bindemitteln nicht als natürlich bezeichnet werden. Bei Verwendung leicht flüchtiger Öle kann der Lösemittelanteil reduziert werden. Eine klare Abgrenzung zwischen “künstlichen” und “natürlichen” Bindemitteln ist schwierig (BMWSB o. J.).
Klarlack
Im Gegensatz zu deckenden Lacken enthalten Klarlacke keine Pigmente oder Füllstoffe, allerdings einen höheren Bindemittelanteil. Als Bindemittel werden Natur- oder Kunstharze verwendet. Es gibt lösemittel- und wasserbasierte Systeme. Bei den lösemittelbasierten Klarlacken ist das Bindemittel in organischen Lösemitteln gelöst. Diese bestehen meist aus einer Kombination aus Acrylaten und Isocyanaten, aber auch aus Cellulosenitrat. In lösemittelbasierten Naturharzklarlacken werden meist Kombinationen aus Baumharzen mit pflanzlichen Ölen verwendet. Schellack ist ein weiteres wichtiges Bindemittel mit Alkoholgehalt (Spiritus). Bei höher beanspruchten wasserbasierten Klarlacken werden primär 2K-Polyurethanharze oder polyurethanmodifizierte 1K-Acryldispersionen eingesetzt. Zur Verbesserung der Filmbildung werden geringe Anteile an organischen Lösemitteln verwendet. Mit der zunehmenden Sensibilisierung für den Umweltschutz finden Nitrocellulose-Lacke (NC-Lacke), die Weichmacher erfordern und bis zu 80 Prozent Lösemittel enthalten, seltener Anwendung. Die Zahl der gebräuchlichen Bindemittel für Nitrocellulose-Lacke wie für Polyurethanlacke ist sehr vielfältig und bestimmen deren Gebrauchseigenschaften. Wasserbasierte Lacke benötigen Konservierungsmittel, um in einem Topf/ Gebinde einen mikrobiellen Befall zu verhindern. Um einen mikrobiellen Befall in den Gebinden zu verhindern, enthalten Systeme auf Wasserbasis Konservierungsmittel. Als “filmgeschützt” bezeichnete Lasuren beinhalten in größeren Mengen Biozide, deren Einsatz auf das technisch notwendige Maß reduziert sein sollte. Bei mit dem “Blauen Engel DE-UZ 12a” bezeichneten Produkten sind Biozide als Filmschutz ausgeschlossen, bestimmte Mengen und Biozide sind zur Topfkonservierung zugelassen. Lösemittelbasierte Kunstharzklarlacke auf Alkydharzbasis beinhalten Hautverhinderungsmittel, in der Regel Oxime. Einige dieser Oxime wie 2-Butanonoxim sowie Acetonoxim sind als krebsverdächtig eingestuft. Eine Belastung durch Emittieren in die Raumluft ist nicht ausgeschlossen (BMWSB o. J.).
Acrylharzlackfarben
Diese Kunstharzlacke und sind aufgrund chemischer Modifikationen aus Ölfarben entwickelt worden. Die enthaltenen Fettsäuren bestimmten deren Eigenschaften. Neben Alkydharzen als Bindemittel enthalten sie Lösemittel, Füllstoffe und Pigmente. Hinzu kommen Sikkative und andere Hilfsstoffe. Alkydharze lassen sich mit anderen Bindemitteln wie Vinyl-, Urethanverbindungen und Silikonharzen kombinieren. Vor dem Hintergrund der Luftreinhaltepolitik sind aromatenarme und in Wasser gelöste Alkydharze entwickelt worden. In lösemittel basierten Lacken sind 25-30 Prozent Lösemittel enthalten. Sie enthalten oft Hautverhinderungsmittel, in der Regel Oxime. Einige dieser Oxime wie 2-Butanonoxim sowie Acetonoxim sind als krebsverdächtig eingestuft. Eine Belastung durch Emittieren in die Raumluft ist nicht ausgeschlossen (BMWSB o. J.).
Dispersionslackfarben
Dispersionlackfarben sind wasserverdünnbare oder wasserbasierte Lackfarben, die neben Bindemitteln, Wasser, Lösemittel, Füllstoffen, Pigmenten sowie Hilfsstoffen uach eine geringen Anteil an Lösemitteln enthalten. Die Bindemittel bestehen z.B. aus Acrylat, Vinylpropionat, Alkydharz oder Naturharz und enthalten organische Lösemittel wie auch Wasser. Am häufigsten basieren die Bindemittel aus Harzen auf Acrylatbasis. Die Dispersionslackfarben sind diejenigen Lacksysteme, die zu den am wenigsten umwelt- und gesundheitsbelastenden zählen. Sie benötigen allerdings Konservierungsmittel, um einen mikrobiellen Befall im Topf/ Gebinde zu vermeiden. Als “filmgeschützt” bezeichnete Lacke beinhalten in größeren Mengen Biozide, deren Einsatz auf das technisch notwendige Maß reduziert sein sollte. Bei mit dem “Blauen Engel DE-UZ 12a” bezeichneten Produkten sind Biozide als Filmschutz ausgeschlossen, bestimmte Mengen und Biozide sind zur Topfkonservierung zugelassen. Im Gegensatz zu den lösemittelbasierten Alkydharzlacken benötigen Dispersionslackfarben kein Antihautmittel. Oxime sind hier also normalerweise nicht zu erwarten (BMWSB o. J.).
Epoxidharzfarben
Die Dispersionen von Epoxidharzfarben sind entweder wasserverdünnbar sowie wasserbasiert oder enthalten Lösemittel. Zweikomponenten-Systeme (2K) werden am häufigsten verwendet, Einkomponenten-Systeme (1K) eher selten. Sie enthalten Füllstoffe/Pigmente, Wasser, Bindemittel, Lösemittel sowie Hilfsstoffe. Lösemittelfreie Epoxidharze auf Wasserbasis wie nicht wasserbasiert sind eine neuere Entwicklung. Es gibt eine große Zahl von anwendungsbezogenen chemischen Modifikationsmöglichkeiten von Harz- und Härtertypen, die es erschweren, die spezifischen Eigenschaften eines jeden Produktes objektiv und unabhängig zu beurteilen. Über die Hälfte der weltweit in großen Mengen produzierten Epoxidharze wird in der Lackindustrie verwendet. Expoxidharzfarben beinhalten Einzelkomponenten, die reizend und ätzend wirken. Hautkontakt führt zu Hautallergien, bei regelmäßigen Kontakten können sich die allergischen Reaktionen verstärken (BMWSB o. J.).
Polyurethanharze
Die Bestandteile von Polyurethanharzen (PUR) sind Lösemittel, Bindemittel, Wasser, Pigmente, Füllstoffe und Hilfsstoffe. Sie gehören zu den Reaktionsharzen und werden als DD-Lacke bezeichnet, enthalten Isozyanate kombiniert mit Polyhydroxylen. Es gibt lösemittelhaltige Zweikomponentensysteme (2K), zunehmend werden durch vielfältige Modifikationen Einkomponentensysteme (1K) genutzt. Durch diese Varianz wird eine objektive und unabhängige Beurteilung schwierig. die verwendeten 2K-Polyurethan- Systeme sind sensibilisierend und beinhalten Isocyanatgruppen (MDI, PMDI, TDI), die als möglicherweise krebsauslösend eingestuft werden. Es gibt auf Wasser basierte 1K-Polyurethanharzdispersionen, die mit dem Blauen Engel DE-UZ 12a zertifiziert sind (BMWSB o. J.).
Ökobilanzierung von Holz
Die Ökobilanz ermöglicht eine grundlegende Bewertung der Holznutzung und -anwendung. Im Folgenden wird auf die einzelnen Phasen der Holznutzung und auf die entsprechenden Studien hierzu verwiesen. Die Betrachtung der Einzelschritte für eine Ökobilanz umfassen folgende Punkte:
Holzeinschlagsregion
Holzernte
Entrindung im Wald
Transport von Rundholz
Herstellung von Holzprodukten
Einsatz von Betriebsmitteln
Einsatz von Bindemitteln und weiterer Zusätze
Emissionen bei der Holztrocknung und bei Pressvorgängen
Wiederverwendung
Verbrennung von Holz
Diese Haupteinflussfaktoren ergeben ein Gesamtbild der Nutzung des Holzmaterials, wobei jeder einzelne Punkt ggf. unterschiedlich gewichtet wird. So macht es z.B. einen großen Unterschied, ob man Holzressourcen aus dem europäischen Ausland nutzt oder ob das Holz mit einem hohen Transportaufwand verbunden ist, wenn Holz z.B. aus Kanada oder Sibirien kommt. Für weitere Details sei hier auf wissenschaftliche Studien verwiesen, die die Ökobilanzierung untersucht haben (FNR 2012).
Einsatz von Tropenholz
Holz ist das Basismaterial für die Herstellung von konstruktiven Bauelementen, Einrichtungselementen, Außenwandbekleidungen,Terassendielen, Fußböden etc.. Tropenholz sollte aus folgenden Gründen dafür nicht genutzt werden: Im Jahr 2022 wurden allein im Amazonasgebiet rund 11.568 Quadratkilometer Waldfläche abgeholzt. Seit dem Jahr 1990 wurden somit über 400.000 Quadratkilometer Wald im Amazonasgebiet gerodet. Dies entspricht einer Fläche in etwa so groß wie die der Staatsgebiete von Deutschland und Dänemark zusammen. Allein zwischen den Jahren 2014 – 2021 stieg die Abholzung von 5.012 km² auf 13.038 km², das entspricht einer Steigerung um das 2,6 fache. Der Amazonas ist das größte zusammenhängende Waldgebiet der Welt und hat bisher einen Anteil von 54 Prozent an allen Tropenwäldern weltweit (Statista 2022).
Er steht beispielhaft für den Raubbau auch in anderen Ländern des Äquatorgürtels: Durch Abholzung und Brandrodung werden Monokulturen (z.B. für Sojaanbau) oder Weidefläche für die Export-Viehwirtschaft geschaffen. Auch eine Nutzung eines mit dem FSC-Siegel zertifizierten Tropenholzes (z.B. für Möbel) ist keine Garantie für eine nachhaltige Waldnutzung: Der FSC verspricht zwar „weltweit verantwortungsvolle Waldbewirtschaftung zu fördern“, diese soll „umweltmäßig angemessen, sozial förderlich und wirtschaftlich rentabel“ sein. Was das aber in der Praxis bedeutet, ist umstritten. In der Regel soll der Wirtschaftszweig vor allem rentabel sein. Doch die Artenvielfalt leidet massiv unter dem zertifizierten industriellen Holzeinschlag. Der FSC selbst sieht sich denn auch nicht als „Ökolabel“, wie der Geschäftsführer des FSC Deutschland im Juli 2012 in einem Brief an den Verein “Rettet den Regenwald” betonte: „Ihre Aussage, der FSC sei ein Ökolabel, ist falsch und entbehrt jeder Grundlage.“ (regenwald.org o. J.)
Altholznutzung
Im Jahr 2016 fielen in Deutschland ca. 10 Millionen Tonnen Altholz an, davon ca. 2,6 Millionen Tonnen als Industrierestholz und ca. 0,9 Millionen Tonnen als Gebrauchtholz in Haus- und Sperrmüll. Von den in Deutschland 2016 angefallenen Altholz wurden ca. 1,7 Millionen Tonnen stofflich verwertet (davon 0,2 Millionen Tonnen im Ausland). Im Vergleich dazu wurden ca. 7,7 Millionen Tonnen energetisch verwertet. Die stoffliche Verwertung erfolgt ganz überwiegend bei der Produktion von Spanplatten. Die energetische Verwertung erfolgt in rund 80 Altholzkraftwerken mit einer installierten Leistung von rund 800 Megawatt (BMUV o. J.). Der Anteil der stofflichen Verwertung von Altholz z.B. für die Spanplattenproduktion steigt sukzessive. Um eine möglichst umweltschonende Nutzung von Altholz zu erreichen, sollten Holzreststoffe und -abfälle auf der Baustelle möglichst Sorten rein getrennt werden, um sie einer weitergehenden stofflichen Verwertung zuführen zu können. Altholz ist prädestiniert für eine sogenannte stofflich-energetischen “Kaskadennutzung”. In der Abfallhierarchie des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) ist die stoffliche Verwertung höherwertiger als die energetische (BMUV o. J.).
Bei Sanierungen von Altbauten mit konstruktiven Holzelementen (z.B. Fachwerk), bei einer Entkernung von Altbauten zur architektonischen Neugestaltung von Innenräumen, bei Neubau eines Dachstuhls sowie bei dem Rückbau von Holzvorhangfassaden fallen Holzmaterialien an, die auf unterschiedlicher Ebene weiterverwendet werden können:
Stoffliche Weiterverwendung als Baustoff
- konstruktiver Holzwerkstoff
- Brettholz z.B. für Holzvorhangfassaden (unbewitterte Rückseite nach außen drehen)
Stoffliche Weiterverwendung als
- Holzhackschnitzel sowie Holzspäne (z.B. zu OSB-Platten)
- Holzhackschnitzel für z.B. Gartengestaltung
- Gewinnung von Synthesegas zur weiteren chemischen Nutzung und
- Herstellung von Aktivkohle/Industrieholzkohle;
Thermische Verwertung
- Verbrennung in hocheffizienten Feststofföfen/ Holzvergaseröfen oder Altholzkraftwerken
Für Altholz, welches nicht mit Holzschutzmitteln behandelt wurde, wird der Punkt der vollständigen Abfallbehandlung wie folgt erreicht:
Verwendung für bestimmte Zwecke : Altholz wird nach Altholz Verordnung (ALTHOLZV 2002) vier verschiedenen Kategorien (A I bis A IV) zugeordnet. Des Weiteren legt sie u.a. Grenzwerte für Verunreinigungen von Altholz fest und leitet aus unterschiedlichen Verwendungsbereichen von Holz die daraus resultierenden Altholzkategorien ab. In dieser Untersuchung wurde davon ausgegangen, dass das aus den Holzprodukten resultierende Altholz entsprechend stofflich oder energetisch genutzt werden kann.
Bestehen eines Marktes: Altholz, welches in aufbereiteter Form in den Kategorien A I bis A III vorliegt, wird mit einem positiven Marktwert gehandelt
Erfüllung technischer Anforderungen, Rechtsvorschriften und Normen: Altholz erfüllt die in den AltholzV genannten Anforderungen (Sortierung und Grenzwerte).
Verwendung führt nicht zu schädlichen Umwelt- oder Gesundheitsfolgen: Grundsätzlich richtet sich die Verwendung von Altholz nach den Vorgaben der Altholzverordnung. Es ist davon auszugehen, dass mit der Verwendung von Altholz in Verbindung stehende gesetzliche Auflagen in Bezug auf mögliche Umwelt- und Gesundheitsfolgen eingehalten werden. Nach AltholzV ist für die Klassifizierung in A I ausschließlich „naturbelassenes oder lediglich mechanisch bearbeitetes Altholz, das bei seiner Verwendung nicht mehr als unerheblich mit holzfremden Stoffen verunreinigt wurde“ zugelassen (ALTHOLZV 2002 nach IPA). Dieses wird in der vorliegenden Untersuchung für die stoffliche Wiederverwendung unterstellt. Des Weiteren werden in dieser Studie keine Produkte betrachtet, die mit Holzschutzmitteln behandelt wurden und demzufolge unter die Kategorie A IV fallen würden.
Dämmmaterial
Bei einer Sanierung oder Modernisierung eines Gebäudes sowie bei einem Neubau sind Dämmmaßnahmen heutzutage wichtige Bestandteile, um zukunftssicher zu werden. Jede durch eine gute Dämmmaßnahme eingesparte Kilowattstunde Heizenergie reduziert die Treibhausgasemissionen und trägt damit ganz praktisch zur Umsetzung der vorgegebenen Ziele hin zur Klimaneutralität bei. Hinzu kommt eine Steigerung des Komforts und die Einsparung von Geld für den Energieeinkauf. Je besser die Ökobilanz des verwendeten Dämmstoffes, desto mehr profitieren auch Klima und Umwelt. Dazu gehören der Energie- und Rohstoffaufwand bei der Herstellung und beim Einbau ebenso wie eine spätere stoffliche Wiederverwertungsmöglichkeit oder Entsorgung. Die Nachhaltigkeit der Dämmstoffe gelangt immer mehr in den Fokus bei der Materialauswahl (effizienzhaus online o. J.).
In Deutschland wurden 2021 ca. 824.000 t Dämmstoff produziert (Statista 2022). Dieser war vor allem erdölbasiert, circa 160.000 t waren Mineralwolle. Ca. 50 Prozent der in Deutschland verwendeten Dämmstoffe sind mineralischen Ursprungs wie Stein- und Glaswolle (Stand: 2022). Neben der sogenannten Mineralwolle finden Polystyrol (EPS), Polyurethan und Dämmschäume Verwendung, die als synthetische Dämmstoffe meist aus Erdöl produziert werden. Diese konventionellen Dämmstoffe haben insgesamt einen Marktanteil von ca. 90 Prozent. Alternative Dämmstoffe wie Schafwolle, Hanf, Zellulose/ Papier oder Holzwolle-Dämmplatten kommen auf einen Marktanteil von weniger als 10 Prozent. Konventionelle Dämmstoffe sind auch aufgrund ihres Produktionsvolumens meist kostengünstiger als ökologische aus nachwachsenden Rohstoffen. Betrachtet man den Kosten-Nutzen-Effekt, so ergeben sich bei Dämmstoffen schon nach mehreren Monaten erhebliche Einsparungen von Ressourcen (Energie) sowie eine Verringerung der THG-Emissionen (z.B. CO2). In diesem Punkt unterscheiden sich alle gängigen Dämmstoffe nicht. Bei Dämmung von Holzkonstruktionen (z.B. Zwischensparrendämmung) sind flexible Dämmmaterialien (Klemmfilze, Einblasdämmungen, Stopfmaterial für Fugen) zu verwenden, da diese die auftretenden Verformungen der Holzkonstruktion gut ausgleichen können.
Zertifizierungen Dämmstoffe
Wie schon bei Zertifizierungen für Holz gibt es auch für Dämmmaterial entsprechende Siegel. Das hat u.a. mit dem Rohstoff Holz zu tun, der auch für Dämmmaterialien eingesetzt wird und die damit ebenfalls den Zertifizierungssystemen (z.B. Blauer Engel, FSC, PEFC, RAL, nature plus) unterliegen (UBA 2022).
Rohstoffe Dämmmaterial
Dämmstoffe werden aus verschiedenen Rohstoffen wie Erdöl, Gestein, Glas, Holz, pflanzlichen und tierischen Fasern hergestellt. Sie werden weiterverarbeitet z.B. zu Flocken, Matten, Platten oder Schüttungen und enthalten meistens Zusatzstoffe wie Armierungen, Bindemittel, Biozide, Flammschutzmittel und Hydrophobierungsmittel. (IBU 2007).
Die wichtigsten Eigenschaften in Bezug auf die Nutzung konventioneller, d.h. mineralischer und synthetischer Dämmstoffe (CO2online o. J.):
Sie verfügen über gute bis sehr gute Dämmeigenschaften
Sie sind in der Regel preiswerter als ökologische Dämmstoffe
Sie verbrauchen endliche fossile (Öl) und mineralische Ressourcen
An Recycling / Wiederverwendung wird noch geforscht
Deponierung / thermische Verwertung teuer
Dämmstoffe auf organischer (natürlicher) Basis besitzen demgegenüber folgende Eigenschaften (CO2online o. J.):
ökologische Dämmstoffe sind gut für Umwelt
besonders guter Schutz vor sommerlicher Hitze
sehr gutes Wohnklima durch Naturdämmstoffe
Schonung fossiler und mineralischer Ressourcen
Herstellung und Recycling meist mit wenig Energieaufwand
natürliche Dämmstoffe sind oft teurer als konventionelle Dämmstoffe
Im folgenden wird auf die einzelnen Rohstoffe zur Herstellung von Dämmstoffen und ihre spezifischen Umwelt- und Gesundheitsaspekte eingegangen:
Mineralische Dämmstoffe
Blähton, Caliumsilikat, Glaswolle, Mineralschaum, Perlit, Schaumglas, Steinwolle bestehen aus anorganischen Stoffen wie Stein, Sand oder Kalk. Diese können sowohl synthetischen als auch natürlichen Ursprungs sein. Neben einem guten Wärmeschutz zeichnen sich die Dämmstoffe durch einen natürlichen Brandschutz aus, sodass diesbezüglich keine weitere Behandlung des Stoffs notwendig ist. Darüber hinaus verfügen mineralische Dämmungstoffe über eine ausgezeichnete Feuchtigkeitsregulierung (Energieheld o. J.).
Synthetische Dämmstoffe
Harnstoff-F-Ortsschaum, Melaminharz-Hartschaum, Polyesterfaser, Polystyrol, Polyurethan, Polyisocyanurat Hartschaum und Resol-Hartschaum (Phenolharz) sind aufgrund ihrer Erdölbasis in der Produktion weniger nachhaltig als organische oder mineralische Stoffe, allerdings sind synthetische Dämmstoffe besonders resistent und damit langlebig (ebd.).
Organische Dämmstoffe
Flachs, Getreidegranulat, Hanf, Holzfaser, Holzspäne, Holzfaser, Jute, Kokosfaser, Kork, Schafwolle, Schilfrohr, Seegras, Stroh, Wiesengras, Zellulose bestehen in der Regel aus natürlichen, nachwachsenden Rohstoffen von Tieren oder Pflanzen. Für eine stärkere Bindung sowie einen erhöhten Brandschutz werden sie imprägniert oder mit künstlichen Fasern versehen. Das hat letztendlich auch zur Folge, dass organische Dämmstoffe nicht per se vollkommen nachhaltig und naturbelassen sind – trotzdem sind sie in der Regel umweltfreundlicher als mineralische oder synthetische Materialien (ebd.) .
Lebenszyklusbetrachtung
Wichtiger scheint die Betrachtung des Herstellungsprozesses und der Rohstoffe, aus denen der Dämmstoff hergestellt wird, sowie deren Möglichkeit zu einer weiteren stofflichen (Wieder-)Verwertung (Recyclingfähigkeit) bei einem Rückbau oder einer Sanierung. Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen können hier punkten, da sie praktisch unbegrenzt zur Verfügung stehen und weiterverwendet werden können (Effizienzhaus-online o. J.). Hierzu zählen z.B. Holzfaser, Hanf, Flachs, Kokosfaser, Stroh und Schafwolle. Der Vorteil dieser Dämmstoffe liegt auch darin, dass sie zu ihrer Herstellung keine fossilen Rohstoffe (wie z.B. Erdöl für Polystyrol) und keinen energieintensiver Produktionsprozess benötigen (wie z.B. bei Mineralfasern) und häufig ohne chemische Behandlung auskommen. Ein weiterer nachhaltiger Dämmstoff, der Zellulosedämmstoff, entspringt einer Nachnutzungskaskade: Zellulosedämmstoff wird aus vorhandenem Altpapier (gehäckseltem Zeitungspapier) hergestellt.
Die Ergebnisse einer Studie zur ganzheitlichen Bewertung verschiedener Dämmstoffalternativen belegen die grundsätzliche Sinnhaftigkeit von Dämmmaßnahmen von Gebäuden auch aus ökologischer Sicht. Es gibt aber auch bei der Dämmstoffproduktion noch viel Potenzial hin zu mehr Nachhaltigkeit (ifeu 2019). Zentrale Erkenntnisse dieser Studie bei einer übergreifenden Betrachtung:
Die Dämmstoffauswahl für den Einsatz in den unterschiedlichen Bauteilen sollte zukünftig auch unter dem Aspekt der Umweltfreundlichkeit erfolgen (ebd.).
Die Dämmstoffproduktion muss umweltfreundlicher werden. Es gilt den spezifischen Betriebsmittel- und Energieeinsatz sowie die Emissionen zu minimieren (ebd.).
Spezifische Umweltlasten lassen sich bei allen Dämmstoffen durch eine Optimierung der stofflichen Verwertung (Weiterverwendung) stark vermindern. Daher sind alle Beteiligten im Rahmen des Verarbeitungsprozesses aufgerufen, den Materialkreislauf zu fördern und die Abfallmengen weiter zu verringern (ebd.).
Bei einer Bewertung von Dämmmaterialien sollten daher vor allem folgende Kriterien beachtet werden:
Eine Lebenszyklusbetrachtung des Materials (Nachhaltigkeitsaspekte).
Die spezifischen Einsatzbereiche unterschiedlicher Materialien.
Die bauphysikalischen Eigenschaften bezogen auf den Einsatzzweck.
Mögliche Dämmstärken aufgrund konstruktiver Vorgaben (in Abhängigkeit von der Dämmwirkung).
Die Demontierbarkeit und die Weiterverwendbarkeit bzw. die Entsorgung.
Die verschiedenen Dämmstoffe haben bei gleicher Dämmstärke unterschiedliche Dämmwirkungen und Kosten. Aufgrund der jeweiligen Marktsituation des Bausektors können nicht nur die Baustoffpreise, sondern auch die Dämmstoffpreise stark schwanken. Grundsätzlich sind Dämmstoffe auf mineralischer und fossiler Rohstoffbasis jedoch kostengünstiger als Dämmstoffe auf Naturbasis.
Im Gebäude-Energie-Gesetz ist festgelegt, wie viel Wärmeenergie die jeweiligen Gebäudeteile nach einer Dämmmaßnahme noch durchlassen dürfen. Das bedeutet, dass der vorgesehene Dämmstoff, der eingesetzt werden soll, die gesetzlichen Vorgaben erfüllen muss und in einer entsprechenden Dämmstärke eingesetzt werden muss. (EnEV-online o. J.)
Bei der Planung mit den Kunden sind grundsätzlich immer auch die baulichen Rahmenbedingungen zu beachten – vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, eine Energieberatung durchführen zu lassen, um optimal angepasste Lösungen zu finden (ebd.).
Treibhauspotenzial Dämmstoffe
Eine CO2-freie Bauwirtschaft muss das Ziel verfolgen, das Treibhausgas möglichst lange zu binden und zu „lagern“. Im Baubereich tragen einerseits der Baustoff Holz selber dazu bei, aber auch der Einsatz entsprechender Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen. Das CO2-Äquivalent eines Dämmstoffs gibt an, wie viel CO2 in 1 m³ Dämmstoff enthalten und chemisch gebunden ist. Für eine ökologische Bewertung von Dämmstoffen sollte daher auch folgende Kategorisierung berücksichtigt werden (Deutsche Bauzeitung 2019):
Mineralische Dämmstoffe bestehen aus verschiedenen Mineralien oder Gesteinen, werden mit hohen Temperaturen hergestellt und können nach der Nutzungsphase nur deponiert werden.
Alle organischen Materialien (synthetisch-organisch und nachwachsend-organisch) können nach der Nutzungsphase entweder stofflich wiederverwendet oder thermisch verwertet werden. So wurde zur Wiederverwertung von Polystyrol das CreaSolv-Verfahren entwickelt, das allerdings zurzeit mangels Ausgangsmaterial nicht zur Anwendung kommt.
Chemisch-synthetisch hergestellte Dämmstoffe werden auf Basis von Erdöl hergestellt, einem fossilen Rohstoff.
Für die nachwachsenden Dämmstoffe gilt, dass sie – wie Holz und alle Pflanzen auch – in der Wachstumsphase CO2 aufnehmen, mithin chemisch binden und der Erdatmosphäre entziehen, solange die Nutzungsphase dauert. Pro kg Biomasse gleich welcher Herkunft werden in den pflanzlichen Zellen 1,83 kg CO2 chemisch gebunden. Die Unterschiede sind den unterschiedlichen Dichten der Dämmstoffe geschuldet: Holzfaserplatten haben z. B. eine Dichte von bis zu 160 kg/m³, Holzfaser-Einblasdämmstoff nur 35 kg/m³. Pro kg Dämmstoff ist der gebundene CO2-Wert jedoch derselbe.
Primärenergetische Amortisationszeit
Die gebräuchlichsten Dämmstoffe amortisieren ihre Herstellungsenergie in einem Zeitraum von drei Tagen bis sieben Monaten, mithin in einer Heizperiode. Aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellte Dämmstoffe sparen in ihrer Nutzungsphase durch ihre Dämmwirkung nicht nur Heizenergie, sondern binden CO2 chemisch und stellen somit eine „CO2-Senke“ dar (ebd.).
In der folgenden Tabelle wird die primärenergetische Amortisationszeit verschiedener Dämmstoffe in Monaten dargestellt. Es wird von einem U-Wert von 0,13 W/m²K (Wärmedurchgangskoeffizient) ausgegangen, entsprechend einer Dämmdicke von 24,6 cm bei z.B. Polystyrol (ebd.):
Dämmstoff
| Primärenergetische Amortisationszeit Monate | Dämmstoff | Primärenergetische Amortisationszeit Monat | ||
Zellulose | 040 | 0,3 | Blähperlit Schüttdämmung | 050 | 7,4 |
Stroh-Einblas- dämmung | 043 | 0,4 | Holzfasermatte | 038 | 7,6 |
PUR-Recycling Granulat | 036 | 0,6 | Expandierter Kork | 045 | 9,8 |
Grasfaser | 042 | 0,7 | Mineralschaumplatte | 042 | 9,9 |
Seegras | 045 | 0,7 | Schaumglas | 036 | 12,0 |
Seegrasfaser Einblasdämmung | 045 | 1,8 | Polyurethanplatte alukaschiert | 023 | 12,3 |
Holzfaser Einblasdämmung | 040 | 2,0 | Phenolharzplatte | 021 | 13,2 |
Jutematte | 038 | 2,2 | Steinwollplatte hart | 035 | 14,8 |
Hanffasermatte | 040 | 2,3 | Polyurethan Gießschaum | 027 | 16,3 |
Kokosfaser | 042 | 3,3 | Polystyrol Einblasdämmung | 033 | 17,2 |
Glaswollmatte | 032 | 3,8 | Polyurethan Sprühschaum | 030 | 18,1 |
Steinwolle Einblasdämmung | 035 | 4,3 | Holzweichfaserplatte trocken | 040 | 18,2 |
Steinwolle weich | 035 | 4,3 | Holzweichfaserplatte nass | 040 | 18,6 |
Glaswolle Einblasdämmung | 035 | 4,6 | Polystyrol Hartschaumplatte | 036 | 23,1 |
EPS-Platte | 032 | 6,3 | Polyurethan-Calcium -silikat Verbundplatte | 031 | 34,2 |
Polyesterplatte | 038 | 6,6 | Holzwolleleichtbau- platte | 090 | 46,1 |
Silikatleichtschaum Einblasdämmung | 035 | 6,6 | Calciumsilikatplatte | 062 | 81,4 |
Quelle: IpeG-Institut / Deutsche Bauzeitung 2019
Die Grafik verdeutlicht, dass organische und auch recycelte Dämmstoffe in der Regel einen sehr geringen energetischen Aufwand für ihre Herstellung benötigen. Damit können in der Produktion benötigte fossile Brennstoffe und damit verbundene Emissionen massiv eingespart werden.
Fugendichtungen
Bei der Montage von Fenstern in eine Holzkonstruktion müssen die Anschlüsse zwischen Fensterrahmen und anschließender Hauswand oder Dachkonstruktionen mit dauerhaft flexiblen Fugendichtungen (Fugendichtband/ Kompriband/ Acryl-/ Silikondichtmasse) und Dämmfilzen versehen werden, um das immer auftretenden Schwinden und Quellen sowie Verformungen der Holzkonstruktionen ausgleichen zu können. Bei den Dämmfilzen bieten sich neben mineralischen und synthetischen Dämmfilzen vor allem organische Materialien an. Eine bauphysikalisch korrekte Ausführung der Dichtung vermeidet nicht nur Wärmeverluste des Gebäudes, sondern verhindert Schimmelbildung in der Konstruktion und gesundheitliche Risiken der Nutzer:innen. Die Belastung der Dichtstoffe im Innenbereich mit Schadstoffen muss möglichst gering sein, um aus Umwelt- und Gesundheitssicht möglichst geringe Emissionen aus diesen Produkten zu gewährleisten. Acryl-Dichtungsmassen sind lösungsmittelfrei und mit dem Umweltzeichen “Blauer Engel” zertifiziert und damit umweltschonend (UBA o. J.).
Dampfbremsen
Eine Dampfbremse soll das Eindringen von Wasserdampf in die Dämmschicht verhindern und somit die Bildung von Kondenswasser in der Wandkonstruktion unterbinden, da dies die Baukonstruktion angreifen und zerstören kann. Damit einher gingen eine verringerte Lebensdauer der Holzkonstruktion wie auch mögliche gesundheitliche Nebenwirkungen (Schimmelbildung). Neben einfachen Dampfbremsen gibt es “intelligente” Klimamembranen, die sich unterschiedlichen Feuchtigkeitsbelastungen anpassen können. Hergestellt werden diese Dampfbremsen aus Kunststoffen (Polyethylen, Polypropylen) oder aus speziell verarbeiteten Pappen (Hausjournal o. J.). Einige Produzenten verwenden recycelte Kunststoffe zur Herstellung von Dampfbremsen, die mit dem Umweltzeichen “Blauer Engel” zertifiziert und damit wesentlich umweltschonender sind. (UBA o. J.).
Substitution von fossilen Schmierstoffen und Ölen
In Produktionsprozessen von Holzprodukten bis hin zu Demontage- und Abrissarbeiten werden Schmierstoffe und ggf. Hydrauliköle eingesetzt. Hier können mineralölbasierte bzw. fossile Schmierstoffe und Öle durch biobasierte ersetzt werden. Die Einteilung der verschiedenen Grundölqualitäten orientiert sich u.a. am Viskositätsindex (VI). Die am meisten verbreitete Klassifizierung ist die vom API (American Petroleum Institute). Grundsätzlich können alle Qualitätsklassen auch durch biobasierte Rohstoffe hergestellt werden. Entscheidend ist, dass (ggf. durch spezifisches Processing) am Ende die erforderlichen Spezifikationen erfüllt werden (UBA 2019).
Nachhaltige Baustelle
Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB 2021) hat 2021 ein Zertifizierungssystem für nachhaltige Baustellen entwickelt. Es versteht sich als Planungs- und Management Tool und die Zertifizierung soll bei der Qualitätssicherung und Risikominimierung auf der Baustelle helfen. Zertifiziert werden Ressourcenschutz, Gesundheit und Soziales sowie die Kommunikation mit der lokalen Öffentlichkeit. Einsetzbar ist das Zertifikat für Hoch- und Tiefbauprojekte. Es wird prozessbegleitend während der gesamten Baustellenabwicklung angewandt (ebd.).
Über fünf Kriterien werden die wesentlichen Indikatoren abgebildet, die zu einer möglichst hohen Nachhaltigkeitsqualität einer Baustelle beitragen (ebd.):
Das Kriterium „Baustellenorganisation“ definiert Vorgaben zur Baustellenplanung sowie zum Sicherheits- und Gesundheitsschutz. Hinzu kommen Maßnahmen zur Vermeidung der Belastung der lokalen Umwelt. Dabei geht es um Konzepte für eine lärm-, staub- und abfallarme Baustelle, den Boden- und Grundwasserschutz sowie eine umwelt- und anwohnerorientierte Logistik.
Das Kriterium „Ressourcenschutz“ bezieht sich auf die Ressourceneinsparung und Emissionsminderung in Bezug auf die genutzte Energie. Insbesondere zum Einsatz erneuerbarer Energie und umweltgerechte Transportmittel. Ferner werden die Wiederverwendung und -verwertung von Baumaterialien, die aktive Beeinflussung der Verwertungs- und Entsorgungswege sowie der Wasserverbrauch adressiert.
Im Kriterium „Gesundheit und Soziales“ steht die Gesundheitsprävention arbeitender Personen auf der Baustelle im Mittelpunkt. Ein Arbeits- und Sicherheitsplan für das Bauhauptgewerbe sowie eine Gefährdungsbeurteilung durch die beauftragten Unternehmen sind weitere Indikatoren. Hinzu kommen Aspekte wie die Arbeitsplatzqualität oder die Absicherung der Sozialleistungen für alle Beteiligten.
Das Kriterium „Kommunikation mit der lokalen Öffentlichkeit“ beurteilt die prozessbegleitende Kommunikation und das Erscheinungsbild der Baustelle für die Öffentlichkeit.
Im Kriterium „Qualität der Bauausführung“ werden Planverwaltungsmanagement, eine Schnittstellenkoordination oder ein Verbesserungsmanagement bewertet. Auch der Einsatz von Apps auf der Baustelle und eine intelligente Maschinensteuerung fließen in das Zertifizierungsergebnis ein.
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UBA (2015): Umwelt- und gesundheits- verträgliche Bauprodukte. Online: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen/umwelt-_und_gesundheitsvertraegliche_bauprodukte.pdf
UBA (2022): Däümmstoffe. Online: https://www.umweltbundesamt.de/daemmstoffe
UBA Umweltbundesamt (2015): Was ist krebseerzeugend? Online: https://www.umweltbundesamt.de/themen/gesundheit/umwelteinfluesse-auf-den-menschen/chemische-stoffe/formaldehyd#was-bedeutet-krebserzeugend
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UBA Umweltbundesamt (2019): Implementierung von Nachhaltigkeitskriterien für die stoffliche Nutzung von Biomasse im Rahmen des Blauen Engel. Online: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1410/publikationen/2019-08-19_texte_89-2019_be_biomassenutzung_schmierstoffe.pdf
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UBA Umweltbundesamt (2021): Umweltschutz, Wald und nachhaltige Holznutzung in Deutschland. Online: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/5750/publikationen/2021_hgp_umweltschutzwald_u_nachhaltigeholznutzung_bf.pdf
UBA Umweltbundesamt (2022): Dämmung und Nachhaltigkeit -Dämmstoffe: von der Produktion bis zum Recycling. Online: https://www.umweltbundesamt.de/daemmstoffe
UBA Umweltbundesamt (o. J.): Dampfbremsfolie. Online: https://www.blauer-engel.de/de/produkte/triline-oeko-pe-dampfbremsfolie-verschiedene-ausfuehrungen
UBA Umweltbundesamt (o. J.): Der Blaue Engel. Online: https://www.blauer-engel.de/de
UBA Umweltbundesamt (o. J.): Dichtstoffe. Online: https://www.blauer-engel.de/de/produktwelt/dichtstoffe
UBA Umweltbundesamt (o. J.): Holzschutzmittel. Online: https://www.umweltbundesamt.de/holzschutzmittel#bekampfender-holzschutz-ohne-biozide
SDG 13 Maßnahmen zum Klimaschutz
“Umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen ergreifen”
Das SDG 13 sieht im Wesentlichen die Stärkung der Widerstandskraft und Anpassungsfähigkeit gegenüber klimabedingten Gefahren (13.1), die Einbeziehung von Klimaschutzmaßnahmen in nationale Politiken (13.2) sowie die Verbesserung der personellen und institutionellen Kapazitäten im Bereich der Abschwächung des Klimawandels und der Klimaanpassung (13.3) vor. Auf nationaler Ebene werden diese Ziele in der Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS) gespiegelt (RENN.nord 2019).
Für den Sektor des Hochbaus sind dazu die folgenden Unterziele von besonderer Relevanz (Destatis o. J.):
SDG 13.1 “Die Widerstandskraft und die Anpassungsfähigkeit gegenüber klimabedingten Gefahren und Naturkatastrophen in allen Ländern stärken”
SDG 13.3 “Die Aufklärung und Sensibilisierung sowie die personellen und institutionellen Kapazitäten im Bereich der Abschwächung des Klimawandels, der Klimaanpassung, der Reduzierung der Klimaauswirkungen sowie der Frühwarnung verbessern”
Die Schnittmengen mit der Standardberufsbildposition liegen vor allem in der Reduzierung der direkten und indirekten Emissionen (Belastung der Umwelt) sowie der nachhaltigen Nutzung von Energie (BIBB 2020):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
Der Klimawandel wird durch die Emission von Treibhausgase verursacht. Zahlreiche Gase sind verantwortlich für den Klimawandel. Ihnen gemeinsam ist ihre Undurchlässigkeit für die (Infrarot-)Wärmestrahlung der Erde. Dies führt bekanntlichermaßen zum Klimawandel. Jedes dieser Gase trägt in unterschiedlichem Maße zum Klimawandel bei. Die Stoffe bleiben zudem unterschiedlich lange in der Atmosphäre, weshalb sie unterschiedlich zum Treibhauseffekt beitragen. Das IPCC (International Panel for Climate Change) definiert deshalb ein GWP Global Warming Potential (Erwärmungswirkung für den Klimawandel) eines Stoffes in hundert Jahren im Vergleich zu Kohlendioxid CO2 wie folgt (vgl. My Climate o. J.):
Kohlendioxid CO2: 1 (Bezugswert)
Methan CH4: 28
Stickstoffdioxid N2O: 265
FCKW (verboten) > 12.000
Schutz des Waldes
Heute verstehen wir unter nachhaltiger Waldwirtschaft weit mehr als die Sicherstellung der Holzmengen. Die Ministerkonferenz zum Schutz der Wälder in Europa (FOREST EUROPE) hat 1993 in der Helsinki-Deklaration eine nachhaltige Waldbewirtschaftung definiert als „(…) die Betreuung und Nutzung von Wäldern und Waldflächen auf eine Weise und in einem Ausmaß, welche deren biologische Vielfalt, Produktivität, Regenerationsfähigkeit und Vitalität erhält und ihre Fähigkeit, gegenwärtig und in Zukunft wichtige ökologische, wirtschaftliche und soziale Funktionen auf lokaler, nationaler und globaler Ebene zu erfüllen, gewährleistet, ohne dass dies zu Schäden an anderen Ökosystemen führt“(BMEL 2017).
FOREST EUROPE hat in diesem Zusammenhang sechs übergreifende Kriterien einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung erarbeitet (UBA 2022a):
Erhaltung und angemessene Verbesserung der forstlichen Ressourcen und Sicherung ihres Beitrags zu den globalen Kohlenstoffkreisläufen
Erhaltung der Gesundheit und Vitalität von Waldökosystemen
Erhaltung und Förderung der Produktionsfunktion der Wälder, sowohl für Holz als auch für Nicht-Holzprodukte
Erhaltung, Schutz und adäquate Verbesserung der biologischen Vielfalt in Waldökosystemen
Erhaltung, Schutz und angemessene Verbesserung der Schutzfunktion bei der Waldbewirtschaftung, vor allem in den Bereichen Boden und Wasser
Erhaltung sonstiger sozio-ökonomischer Funktionen und Konditionen
Dies wird aus Sicht des Umweltbundesamtes nur durch eine umweltverträgliche, naturnahe und multifunktionale Waldbewirtschaftung ermöglicht (ebd.).
Treibhausgaspotenzial
Wald als CO2-Speicher
Der Wald kann als CO₂-Speicher dazu beitragen, die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre zu verringern. Diese Speicherfunktion hängt von der Intensität der Waldbewirtschaftung ab. Werden mehr Bäume aus dem Wald entnommen als nachwachsen, reduziert sich die CO₂-Speicherleistung, wachsen mehr Bäume nach als entnommen werden, so steigt die CO₂-Speicherleistung. Die Nutzung von Holz für den Bau von Gebäuden ist damit auch ein Teil der Gesamtrechnung im Rahmen einer Treibhausgasbilanz. Gebäude aus Holzmaterial schneiden gegenüber anderen Materialien gerade vor dem Hintergrund einer Lebenszyklusbetrachtung wesentlich besser ab als konventionelle mineralische Bauweisen. Ohne eine Berücksichtigung der Form der Heizenergie beträgt das CO₂-Einsparungspotenzial von Holzbauvarianten gegenüber einem Massivbau 64 Prozent bis 78 Prozent. Erweitert man die Betrachtung und berücksichtigt mögliche Gutschriften durch das Recycling, wird im Falle der Holzbauvarianten mehr CO₂ eingespart, als während der Bauteilherstellung an CO₂ verursacht wird. Im Vergleich zu den Massivbauweisen ergibt sich dadurch sogar eine Verringerung von 165 Prozent bis 244 Prozent (UBA 2020b).
Energetische Gebäudesanierung
Allein der Wohngebäudebestand in Deutschland umfasst in 2021 ca. 19,4 Mio. Einheiten, unabhängig von der Anzahl der jeweiligen Wohnungen (Destatis 2021). Aufgrund der Altersstruktur dieser Gebäude liegt in der energetischen Sanierung der Gebäudehülle ein großes Potenzial an Treibhausgaseinsparung. Bei den Ein- und Zweifamilienhäusern, die knapp zwei Drittel der Wohngebäude abdecken, verfügen vier Millionen Dächer nur über den Mindestwärmeschutz oder sind ganz ungedämmt. Das entspricht circa 600 Millionen Quadratmeter Dachfläche. Weitere 6,5 Millionen Dächer genügen nur den energetischen Anforderungen der Wärmeschutzverordnung von 1977 bzw. 1984, was circa einer Milliarde Quadratmeter Dachfläche entspricht. Insgesamt weist jedes zweite Wohngebäude in Deutschland einen unzureichenden Wärmeschutz auf. Der Fokus der Sanierung müsste sich dabei vor allem auf das Steildach konzentrieren: Neun von zehn Wohngebäuden in Deutschland haben ein geneigtes Dach (FIW 2018).
Anzahl der Dächer auf Ein- und Zweifamilienhäusern und resultierende Dachfläche in Abhängigkeit vom energetischen Zustand (ebd.):
Energetischer Zustand | Anzahl Dächer in Mio. | Dachfläche in Mio m² |
Mindestwärmeschutz | 4.072.091 | 595 |
WSchV.´77/ ´84 | 6.492.805 | 948 |
WSchV. ´95 / EnEV | 5.086.726 | 743 |
Gesamt | 15.651.622 | 2.286 |
Quelle: FIW 2018
Es gibt mehr als 10 Millionen sanierungsbedürftige Dächer in Deutschland (FIW 2018). Sollte eine energetische Dachsanierungsquote bei Wohngebäuden von 2 Prozent pro Jahr erreicht werden, so würden dadurch 49 Mio. Tonnen CO₂- Emissionen bis 2030 sowie 94 Mio. Tonnen bis 2050 eingespart werden (ebd.). In der Dachsanierung liegt damit ein großes Potenzial, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren.
Aus diesen Zahlen geht hervor, dass der Großteil der vorhandenen Dachflächen im Bestand im Hinblick auf Wärmeschutz, Luftdichtheit und Schallschutz nicht den heutigen gesetzlichen Anforderungen genügen. Die im Zuge einer dringend notwendigen energetischen Sanierung eingebrachte Dämmung verbessert daher nicht nur den sommerlichen und winterlichen Wärmeschutz, sondern gleichzeitig den Schallschutz gegen Außenlärm – eine qualitativ hochwertige Ausführung vorausgesetzt. Somit werden nicht nur der Heizenergiebedarf und damit ökologische sowie ökonomische Aufwendungen reduziert, sondern das Wohlbefinden der Gebäudenutzer in hohem Maße gesteigert (ebd.).
Holznutzung
Vor dem Hintergrund der biologischen Bedeutung von Bäumen und Wäldern als “grünen Lungen” für die Lebenswelt durch die Kohlenstoffbindung (C-Bindung) und die Sauerstoffproduktion (O2-Produktion) ist mit dem “Rohstoff” Holz sehr sorgsam umzugehen. Die schonungslose Rodung borealer Wälder (in der arktischen Zone), in Südosteuropa (z.B. Rumänien) sowie im Bereich der Tropen (Äquatorialzone) für Holzbauprojekte z.B. in Europa führt zu einer spürbaren Belastung des Klimas. Hier können Zimmereibetriebe folgende Punkte beachten:
Marketing: Explizite Bewerbung eigener Nachhaltigkeitsbemühungen z.B. durch Nutzung ausschließlich zertifizierter Hölzer (s. SDG 12 – Nachhaltigkeitssiegel).
Beratung der Endkunden über die Nutzung bestimmter Holzarten und den damit verbundenen Konsequenzen (s. SDG 12 – Nachhaltigkeitssiegel).
Hinzu kommen die schon unter SDG 4 genannten Punkte, die zu einer umweltschonenden Nutzung von Holzprodukten beitragen.
Ressourcen und Energieeffizienz
Folgende Faktoren tragen in einem Arbeitsprozess zu effizientem, sparsamem Einsatz von Energie und Ressourcen bei:
Erhöhung der Energie- und Materialeffizienz durch Prozessstabilität und Steuerungsmaßnahmen. Materialverluste sollten vermieden werden. Maschinen- und anlagenseitig lassen sich durch Grundlastreduzierung und Spitzenlastvermeidung, z. B. durch steuerungsgeregelte Motoren, partielle Systemabschaltungen und Ähnliches, hohe Einsparungen erzielen.
Geschlossene Ressourcenkreisläufe/ Ressourcenvernetzung in Prozessketten und Produktionsgemeinschaften sollten angestrebt werden.
Der Einsatz von Recyclingmaterial aus Produktionsabfällen leistet einen signifikanten Beitrag zur Verbesserung der Energieeffizienz. Dieser Beitrag resultiert vorrangig aus dem deutlich geringeren Energieeinsatz, der zur Erzeugung von Sekundärmaterial erforderlich ist.
Entwicklung von Maßnahmen für eine nachhaltige Energie- und Materialwirtschaft. Hierzu ist eine Erfassung von Energieverbräuchen und Stoffströmen nötig. Dabei kann digitale Unterstützung wertvolle Dienste leisten.
Die hier beschriebene Steigerung der Energieeffizienz in der Produktion kann nur von den Mitarbeiter*innen des Betriebes selbst vorangetrieben und umgesetzt werden. Für diesen Prozess sind drei Einflussfaktoren entscheidend: Wille, Kompetenz und förderliche organisatorische Rahmenbedingungen (Fraunhofer o. J.).
Quellenverzeichnis
BGBl Bundesgesetzblatt (2022): BGBl § 5 Absatz 3 Nummer 3. Online: https://www.bgbl.de/
BMEL Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2017): Forest Resolution H1, 1993: Online: https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Wald/ForestEuropeResolution.pdf
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (2020): Empfehlung des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung vom 17. November 2020 zur „Anwendung der Standardberufsbildpositionen in der Ausbildungspraxis“. BAnz AT 22.12.2020 S4. Online: https://www.bibb.de/dokumente/pdf/HA172.pdf
Destatis (o. J.): Indikatoren der UN- Nachhaltigkeitsziele. Online: http://sdg-indikatoren.de/
FIW Forschungsinstitut für Wärmeschutz (2018): Potenzial Dachsanierung. Online: https://ziegel.de/sites/default/files/2018-10/Das%20wirtschaftliche%20und%20energetische%20Potenzial%20der%20Dachsanierung_FIW-Studie%202018.pdf
Fraunhofer-Institut IUK-Technologie (o. J.): Einsatz mit voller Energie. Online: https://www.fraunhofer-innovisions.de/energie-und-nachhaltigkeit/einsatz-mit-voller-energie/
MyClimate (o. J.): Global Warming Potential. Online: https://www.myclimate.org/de/27/?tx_kesearch_pi1%5Bsword%5D=GWP+Global+Warming+Potential
RENNnord-Regionale Netzstellen Nachhaltigkeitsstrategie (2019): Ziele für nachhaltige Entwicklung. Online: https://www.renn-netzwerk.de/fileadmin/user_upload/nord/docs/materialien/Broschuere_SDG_Unterziele_2019_Web.pdf
UBA Umweltbundesamt (2022a): Nachhaltige Waldwirtschaft. Online: https://www.umweltbundesamt.de/daten/land-forstwirtschaft/nachhaltige-waldwirtschaft#die-vielfaltigen-funktionen-des-waldes
UBA Umweltbundesamt (2020b): Potenziale von Bauen mit Holz. Online: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/5750/publikationen/2020_10_29_texte_192_2020_potenziale_von_bauen_mit_holz_aktualisiert.pdf#page=57&zoom=100,90,158
SDG 15 Leben an Land
“Landökosysteme schützen, wiederherstellen und ihre nachhaltige Nutzung fördern, Wälder nachhaltig bewirtschaften, Wüstenbildung bekämpfen, Bodendegradation beenden und umkehren und dem Verlust der biologischen
Vielfalt ein Ende setzen”
SDG 15 strebt in seinen Unterzielen umfassenden Schutz, Wiederherstellung und nachhaltige Nutzung von Ökosystemen an. Dazu gehören u.a. die Beendigung der Entwaldung, eine nachhaltige Bewirtschaftung von Wäldern sowie der Wiederaufbau geschädigter Wälder. Das ist auch wichtig für den Erhalt der biologischen Vielfalt. Hervorzuheben sind dabei die folgenden Unterziele (Destatis o. J.):
SDG 15.1 “Bis 2020 im Einklang mit den Verpflichtungen aus internationalen Übereinkünften die Erhaltung, Wiederherstellung und nachhaltige Nutzung der Land- und Binnensüßwasser- Ökosysteme und ihrer Dienstleistungen, insbesondere der Wälder, der Feuchtgebiete, der Berge und der Trockengebiete, gewährleisten”
SDG 15.2 “Bis 2020 die nachhaltige Bewirtschaftung aller Waldarten fördern, die Entwaldung beenden, geschädigte Wälder wiederherstellen und die Aufforstung und Wiederaufforstung weltweit beträchtlich erhöhen”
Die Schnittmengen mit der Standardberufsbildposition “Umweltschutz und Nachhaltigkeit” sind nicht unmittelbar, die Bezüge zur Standardberufsbildposition wären dann gem. Kapitel 3 “Umweltschutz und Nachhaltigkeit (vgl. BGBl 2022):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Ökosysteme
Der Wald ist nicht nur Holzlieferant. Er ist in vielerlei Hinsicht wichtig für das Leben auf diesem Planeten. Ohne seine Funktion als “grüne Lunge” würden auch wir Menschen hier nicht leben können. Der Wald ist darüber hinaus ein Erholungsgebiet – er bietet uns an, in ihm zu verweilen oder auch Sport zu treiben. Beides ist wichtig für unser körperliches und mentales Wohlbefinden. Als Ökosystem spielt er eine zentrale Rolle für eine dauerhafte Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes, er beeinflusst durch die Aufnahme von Kohlendioxid und die Freisetzung von Sauerstoff das regionale wie das überregionale Klima, fördert die Fruchtbarkeit und den Wasserhaushalt der Böden, reinigt die Luft und prägt das Landschaftsbild, die Agrar- und Infrastruktur. Wald bedeckt fast ein Drittel der Fläche Deutschlands (vgl. Destatis 2022). Das SDG 15 zielt auf den Schutz der Ökosysteme ab und ist eng mit der Nutzung des Waldes in verschiedenen Erdteilen verknüpft. So werden in einigen Ländern viele Flächen systematisch und großflächig abgeholzt. Der Raubbau in Rumäniens letzten Urwäldern, in Südamerika und im asiatischen Raum, das oft illegal eingeschlagene Holz, das u.a. als “legales” Holz deklariert und nach Deutschland verschifft wird, richtet immense Schäden an den örtlichen Ökosystemen an (Forsterklärt 2022).
Damit einher geht die Bedrohung der Biodiversität durch Monokulturen und Pestizideinsatz, von gesunden Böden mit vielfältiger Flora und Fauna sowie der Fähigkeit Wasser zu speichern, der Regeneration des Grundwassers und Vermeidung seiner Verschmutzung durch Überdüngung, die Schadwirkungen großer Monokulturen und den hohen Wasserbedarf der Landwirtschaft. Nach Studien des Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) könnten die borealen Wälder in diesem Jahrhundert an einen Wendepunkt gelangen, von einem Netto-CO2-Speicher zu einer bedeutenden Quelle des Treibhausgases werden (Der Standard 2015). Die borealen Nadelwälder in Skandinavien, Kanada, Alaska und Russland nehmen enorme Mengen CO2 aus der Atmosphäre auf. Sie speichern mindestens 32 Prozent des weltweit vorhandenen Kohlenstoffes in den Bäumen und in den Permafrostböden. Sollten die dortigen Wälder abgeholzt und der Boden aufgrund des Klimawandels auftauen, würde eine große Menge Methan freigesetzt, das rund 25-mal klimaschädlicher ist als CO2 (UBA 2021).
Holzhandel
Für den Zimmereibetrieb ist der Einkauf des “Rohstoffes” Holz ein zentrales Element seines Handwerks. Die Frage der Herkunft des Holzes mag auf den ersten Blick weniger wichtig erscheinen, unter Nachhaltigkeits-Gesichtspunkten ist sie relevant. Für Importe aus dem europäischen Ausland liegt der Einfluss des Transports auf die Ökobilanz von Gebäuden lediglich im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Länder wie Kanada und die USA, die zwar große zertifizierte Waldflächen aufweisen (ca. 35 % der weltweiten FSC-zertifizierten Waldfläche und ca. 55 % der weltweiten PEFC-zertifizierten Fläche), kommen durch die hohen Transportdistanzen und damit verbundenen negativen Umweltauswirkungen für einen Holzimport nicht in Betracht. Bei Russland wären die Transportwege wegen der großen räumlichen Ausdehnung genau zu untersuchen (UBA 2020b).
Dabei ist auch die Globalisierung der Wertschöpfungsketten zu betrachten. Die hiesige Holzindustrie profitiert beim Holzexport von Schnittholz vor allem von Abnehmern in China und den USA, während große Mengen Rohholz überwiegend nach China verschifft wurden: Im Zeitraum zwischen 2015 und 2020 hat sich die Menge der Holzexporte von Rohholz mehr als verdreifacht (3,8 Millionen Kubikmeter, destatis o. J.). Im gleichen Zeitraum gingen die Holzimporte um ein Drittel zurück (5,9 Mio. Kubikmeter). Der Holzeinschlag in deutschen Wäldern betrug in 2020 rund 80 Mio. Kubikmeter. Dies war der höchste Einschlag wie noch nie. Grund waren Waldschäden durch Trockenheit und Insekten. Dieser “Schadeinschlag” machte rund 55Prozent des gesamten Einschlages aus. Der wichtigste Absatzmarkt der Exporte war China mit 6,4 Mio. Kubikmeter (ca. 51% des Exportes. Nach Österreich gingen 3,4 Mio. Kubikmeter (19%) und nach Belgien 1,2 Mio. Kubikmeter (ca. 9%, ebd.).
In 2021 wurden insgesamt fast 83 Kubikmeter Holz eingeschlagen (ohne Rinde) (destatis 2022). Die Verteilung nach Holzarten war wie folgt:
Tabelle: Holzeinschlag in Deutschland 2020 und 2021 nach Holzsorten
2020 | 2021 | |||||
Gesamt Deutschland | davon | davon | Gesamt Deutschland | davon | davon | |
Bundeswald | Landeswald | Bundeswald | Landeswald | |||
1.000 Kubikmeter ohne Rinde | 1.000 Kubikmeter ohne Rinde | |||||
Insgesamt | 80 420 | 605 | 26 520 | 82 957 | 643 | 21 866 |
Eiche | 1 362 | 16 | 556 | 1 755 | 19 | 559 |
Stammholz | 528 | 4 | 194 | 655 | 6 | 190 |
Industrieholz | 274 | 3 | 137 | 283 | 5 | 135 |
Energieholz | 405 | 6 | 143 | 630 | 7 | 151 |
nicht verwertetes Holz | 155 | 1 | 81 | 187 | 2 | 83 |
Buche und sonstiges Laubholz | 8 847 | 76 | 3 038 | 9 071 | 84 | 2 864 |
Stammholz | 2 229 | 12 | 722 | 2 205 | 11 | 668 |
Industrieholz | 2 118 | 22 | 979 | 2 015 | 30 | 879 |
Energieholz | 3 560 | 35 | 909 | 3 832 | 36 | 877 |
nicht verwertetes Holz | 940 | 7 | 427 | 1 018 | 8 | 440 |
Kiefer und Lärche | 8 044 | 217 | 2 898 | 10 058 | 302 | 3 329 |
Stammholz | 3 765 | 79 | 1 697 | 5 241 | 132 | 2 061 |
Industrieholz | 2 754 | 105 | 936 | 3 142 | 118 | 980 |
Energieholz | 1 235 | 23 | 106 | 1 335 | 39 | 128 |
nicht verwertetes Holz | 290 | 10 | 158 | 340 | 14 | 161 |
Fichte, Tanne, Douglasie und sonstiges Nadelholz | 62 167 | 296 | 20 029 | 62 072 | 237 | 15 134 |
Stammholz | 44 802 | 166 | 14 430 | 44 459 | 142 | 11 213 |
Industrieholz | 8 726 | 92 | 3 535 | 9 229 | 65 | 2 375 |
Energieholz | 5 697 | 23 | 754 | 6 008 | 20 | 584 |
nicht verwertetes Holz | 2 942 | 15 | 1 310 | 2 376 | 11 | 963 |
Grundsätzlich gibt es in Deutschland genug nachwachsenden Wald, der den inländischen Bedarf an Bauholz decken könnte. Grund für den Holzhandel ist auch die weiterverarbeitende Industrie im Ausland. Absurderweise schickt man z.B. Holzstämme nach Indien, verarbeitet sie dort z.B. zu Möbeln weiter und sendet sie dann als Fertigprodukt nach Deutschland zurück. So hat der sonst klimaneutrale Rohstoff Holz schnell einen sehr großen CO2-”Fußabdruck”. Deutschland importiert also auch eine große Menge an Holz. Nicht nur als verarbeitetes Holzprodukt, sondern auch als Rohholz. Die Herkunft ist aber häufig nicht eindeutig zu bestimmen. Die Bewirtschaftung der Wälder läuft fast nirgendwo auf der Welt so nachhaltig und einzelstammweise ab wie in Deutschland. Die Auswirkungen des Klimawandels führen allerdings dazu, dass z.B. durch Borkenkäfer befallene Waldbereiche aktuell auch in Deutschland gerodet und neu aufgeforstet werden müssen. Im Vergleich dazu werden für die Holzernte in einzelnen europäischen Ländern wie z.B. in Russland und Rumänien grundsätzlich größere Flächen abgeholzt und das Holz von dort importiert (Forsterklärt 2022). In den borealen Wäldern (im Norden) hat diese Form der Holzernte, wie beschrieben, fatale ökologische (s. a. Ökosysteme) und auch sozial-kulturelle Auswirkungen auf die z.B. in Finnland lebenden Sami (IBU 2007).
Laut Bundeswaldgesetz ist es das Ziel der Forstpolitik, die vielfältigen Funktionen und Leistungen des Waldes sowie seine ordnungsgemäße Bewirtschaftung nachhaltig zu sichern. Dadurch wird der Wald beispielsweise vor Rodung geschützt, indem Waldbesitzer verpflichtet sind, kahle Waldflächen wieder aufzuforsten. Das alleine würde schon gewährleisten, dass dieses Handlungsprinzip auch umgesetzt wird. Doch der Gedanke der Transparenz und eine erweiterte Definition der Nachhaltigkeit – mittlerweile werden neben ökonomischen auch soziale und ökologische Aspekte berücksichtigt – schuf eine Nachfrage nach Zertifizierung in der Forstwirtschaft (FNR o. J.).
Im Jahr 2021 hat die Bundesregierung mit dem Klimaschutzgesetz konkrete Ziele zur Kohlenstoffspeicherung in den Bereichen Forstwirtschaft, Landnutzung und Landnutzungsänderungen festgelegt, eine zentrale Rolle spielt dabei der Wald. Die Waldstrategie 2050, die Charta für Holz 2.0 sowie die Bioökonomiestrategie sieht gleichzeitig eine Steigerung der Holznutzung für den Baubereich vor. Die Waldgesamtrechnung des Statistischen Bundesamtes verdeutlicht, dass bereits seit 2002 die Holzentnahme erkennbar angestiegen ist und bereits ein Großteil des nutzbaren Holzzuwachses auch eingeschlagen wird (UBA 2022).
Hiervon ausgehend lässt sich abschließend feststellen, dass eine qualitative Bewertung des Einkaufes von Holzmaterialien nach Kriterien erfolgen sollte, die die Nachhaltigkeitsziele unterstützen:
Einkauf von Holz mit anerkannten Zertifizierungen
möglichst ortsnahes, europäisches Holz nutzen
Holzwerkstoffe nutzen und einkaufen, die eine grundsätzliche stoffliche Weiterverwendung ermöglichen
Mit der Umsetzung dieser Schritte werden die Ziele der Nachhaltigkeit entscheidend unterstützt.
Quellenverzeichnis
BGBl Bundesgesetzblatt (2022): BGBl § 5 Absatz 3 Nummer 3. Online: https://www.bgbl.de/
Destatis (2022): Wald und Holz. Online: https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Landwirtschaft-Forstwirtschaft-Fischerei/Wald-Holz/_inhalt.html
Der Standard (2015): Klimawandel macht dem borealen Nadelwald zu schaffen. Online: https://www.derstandard.at/story/2000021042196/klimawandel-macht-dem-borealen-nadelwald-zu-schaffen
Destatis (o. J.): Indikatoren der UN- Nachhaltigkeitsziele. Online: http://sdg-indikatoren.de/
Destatis (2021b): Holzexporte – Holzimporte. Online: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/05/PD21_N031_51.html
Destatis (2022): Holzeinschlag nach Holzartengruppen beziehungsweise Holzsorten und ausgewählten Besitzarten. Online: https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Landwirtschaft-Forstwirtschaft-Fischerei/Wald-Holz/Tabellen/holzeinschlag-deutschland.html
Destatis (2022): Wald-Holz. Online: https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Landwirtschaft-Forstwirtschaft-Fischerei/Wald-Holz/_inhalt.html
Forsterklärt (2022): Der Deutsche Wald im Container – Holzimport und -export. Online: https://forsterklaert.de/holzexport
FNR Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (o. J.): Forstwirtschaft in Deutschland ist nachhaltig und zertifiziert. Online: https://www.kiwuh.de/service/wissenswertes/wissenswertes/forstwirtschaft-in-deutschland-ist-nachhaltig-und-zertifiziert
IBU Österreichisches Institut für Baubiologie und -ökologie GmbH (2007): Planungsleitfaden: Ökologische Baustoffwahl. https://www.ibo.at/fileadmin/ibo/forschung/Planungsleitfaden_Interreg_IIIA.pdf
UBA Umweltbundesamt (2020b): Potenziale von Bauen mit Holz. Online: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/5750/publikationen/2020_10_29_texte_192_2020_potenziale_von_bauen_mit_holz_aktualisiert.pdf#page=57&zoom=100,90,158
UBA Umweltbundesamt (2021): Die Treibhausgase. Online: https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/klimaschutz-energiepolitik-in-deutschland/treibhausgas-emissionen/die-treibhausgase
UBA Umweltbundesamt (2022): Holznutzung. Online: https://www.umweltbundesamt.de/daten/land-forstwirtschaft/nachhaltige-waldwirtschaft#holznutzung-nahe-am-zuwachs
Literatur
ARD (2020): Ungenießbar. Online: https://programm.ard.de/TV/Themenschwerpunkte/Dokus–Reportagen/Alle-Dokumentationen/Startseite/?sendung=287252703317494
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