Konditor/Konditorin
Einleitung
BBNE und BNE - Ziele der Projektagentur PA-BBNE
Das Ziel der „Projektagentur Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ (PA-BBNE) ist die Entwicklung von Materialien, die die um Nachhaltigkeit erweiterte neue Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ mit Leben füllen soll. Mit „Leben zu füllen“ deshalb, weil „Nachhaltigkeit“ ein Ziel ist und wir uns den Weg suchen müssen. Wir wissen beispielsweise, dass die Energieversorgung künftig klimaneutral sein muss. Mit welchen Technologien wir dies erreichen wollen und wie unsere moderne Gesellschaft und Ökonomie diese integriert, wie diese mit Naturschutz und Sichtweisen der Gesellschaft auszugestalten sind, ist noch offen.
Um sich mit diesen Fragen zu beschäftigen, entwickelt die PA-BBNE Materialien, die von unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden:
- Zum einen widmen wir uns der beruflichen Ausbildung, denn die nachhaltige Entwicklung der nächsten Jahrzehnte wird durch die jungen Generationen bestimmt werden. Die duale berufliche Ausbildung orientiert sich spezifisch für jedes Berufsbild an den Ausbildungsordnungen (betrieblicher Teil der Ausbildung) und den Rahmenlehrplänen (schulischer Teil der Ausbildung) . Hierzu haben wir dieses Impulspapier erstellt, das die Bezüge zur wissenschaftlichen Nachhaltigkeitsdiskussion praxisnah aufzeigt.
- Zum anderen orientieren wir uns an der Agenda 2030. Die Agenda 2030 wurde im Jahr 2015 von der Weltgemeinschaft beschlossen und ist ein Fahrplan in die Zukunft (Bundesregierung o. J.). Sie umfasst die sogenannten 17 Sustainable Development Goals (SDGs), die jeweils spezifische Herausforderungen der Nachhaltigkeit benennen (vgl. Destatis). Hierzu haben wir ein Hintergrundmaterial (HGM) im Sinne der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE, vgl. BMBF o. J.) erstellt, das spezifisch für unterschiedliche Berufe ist.
Die Materialien der Projektagentur
Die neue Standardberufsbildposition gibt aber nur den Rahmen vor. Selbst in novellierten Ausbildungsordnungen in Berufen mit großer Relevanz für wichtige Themen der Nachhaltigkeit wie z. B. dem Klimaschutz werden wichtige Fähigkeiten, Kenntnissen und Fertigkeiten in den berufsprofilgebenden Berufsbildpositionen nicht genannt – obwohl die Berufe deutliche Beiträge zum Klimaschutz leisten könnten. Deshalb haben wir uns das Ziel gesetzt, Ausbildenden und Lehrkräften Hinweise im Impulspapier zusammenzustellen im Sinne einer Operationalisierung der Nachhaltigkeit für die unterschiedlichen Berufsbilder. Zur Vertiefung der stichwortartigen Operationalisierung wird jedes Impulspapier ergänzt durch eine umfassende Beschreibung derjenigen Themen, die für die berufliche Bildung wichtig sind. Dieses sogenannte Hintergrundmaterial orientiert sich im Sinne von BNE an den 17 SDGs, ist faktenorientiert und wurde nach wissenschaftlichen Kriterien erstellt. Ergänzt werden das Impulspapier und das Hintergrundmaterial durch einen Satz von Folien, die sich den Zielkonflikten widmen, da „Nachhaltigkeit das Ziel ist, für das wir den Weg gemeinsam suchen müssen“. Und dieser Weg ist nicht immer gleich für alle Branchen, Betriebe und beruflichen Handlungen, da unterschiedliche Rahmenbedingungen in den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – Ökonomie, Ökologie und Soziales – gelten können. Wir haben deshalb die folgenden Materialien entwickelt:
- BBNE-Impulspapier (IP): Betrachtung der Schnittstellen von Ausbildungsordnung, Rahmenlehrplan und den Herausforderungen der Nachhaltigkeit in Anlehnung an die SDGs der Agenda 2030. Das Impulspapier ist spezifisch für einen Ausbildungsberuf erstellt, fasst aber teilweise spezifische Ausbildungsgänge zusammen (z. B. den Fachmann und die Fachfrau zusammen mit der Fachkraft sowie die verschiedenen Fachrichtungen)
- BBNE-Hintergrundmaterial (HGM): Betrachtung der SDGs unter einer wissenschaftlichen Perspektive der Nachhaltigkeit im Hinblick auf das Tätigkeitsprofil eines Ausbildungsberufes bzw. auf eine Gruppe von Ausbildungsberufen, die ein ähnliches Tätigkeitsprofil aufweisen;
- BBNE-Foliensammlung (FS) und Handreichung (HR): Folien mit wichtigen Zielkonflikten – dargestellt mit Hilfe von Grafiken, Bildern und Smart Arts für das jeweilige Berufsbild, die Anlass zur Diskussion der spezifischen Herausforderungen der Nachhaltigkeit bieten. Das Material liegt auch als Handreichung (HR) mit der Folie und Notizen vor.
Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung
Die Standardberufsbildposition “Umweltschutz und Nachhaltigkeit”
Seit August 2021 müssen auf Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) bei einer Modernisierung von Ausbildungsordnungen die vier neuen Positionen „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“, Digitalisierte Arbeitswelt“, Organisation des Ausbildungsbetriebs, Berufsbildung, Arbeits- und Tarifrecht“ sowie „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“ aufgenommen werden (BIBB 2021). Insbesondere die letzten beiden Positionen unterscheiden sich deutlich von den alten Standardberufsbildpositionen.
Diese Positionen begründet das BIBB wie folgt (BIBB o. J.a): „Unabhängig vom anerkannten Ausbildungsberuf lassen sich Ausbildungsinhalte identifizieren, die einen grundlegenden Charakter besitzen und somit für jede qualifizierte Fachkraft ein unverzichtbares Fundament kompetenten Handelns darstellen“ (ebd.).
Die Standardberufsbildpositionen sind allerdings allgemein gehalten, damit sie für alle Berufsbilder gelten (vgl. BMBF 2022). Eine konkrete Operationalisierung erfolgt üblicherweise durch Arbeitshilfen, die für alle Berufsausbildungen, die modernisiert werden, erstellt werden. Die Materialien der PA-BBNE ergänzen diese Arbeitshilfen mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit und geben entsprechende Anregungen (vgl. BIBB o. J.b). Das Impulspapier zeigt vor allem in tabellarischen Übersichten, welche Themen der Nachhaltigkeit an die Ausbildungsberufe anschlussfähig sind.
Die neue Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ ist zentral für eine BBNE, sie umfasst die folgenden Positionen (BMBF 2022).
a) “Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
c) für den Ausbildungsbetrieb geltende Regelungen des Umweltschutzes einhalten
d) Abfälle vermeiden sowie Stoffe und Materialien einer umweltschonenden Wiederverwertung oder Entsorgung zuführen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren”
Die Schnittstellen zwischen der neuen Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit” werden in
fortlaufend aufgezeigt. Mit Ausnahme der Position c) werden in der Tabelle alle Positionen behandelt. Die Position c) wird nicht behandelt, da diese vor allem ordnungsrechtliche Maßnahmen betrifft, die zwingend zu beachten sind. Maßnahmen zur Nachhaltigkeit hingegen sind meist freiwillige Maßnahmen und können, müssen aber nicht durch das Ordnungsrecht geregelt bzw. umgesetzt werden. In der Tabelle werden die folgenden Bezüge hergestellt:
- Spalte A: Positionen der Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit”;
- Spalte B: Vorschläge für Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten, die im Sinne der nachhaltigen Entwicklung wichtig sind;
- Spalte C: Bezüge zur Nachhaltigkeit;
- Spalte D: Mögliche Aufgabenstellungen für die Ausbildung im Sinne der Position 3e) „Vorschläge für nachhaltiges Handeln entwickeln“;
- Spalte E: Zuordnung zu einem oder mehreren SDGs (Verweis auf das Hintergrundmaterial).
Die Berufsbildpositionen der Ausbildungsordnung und die Lernfelder
Nachhaltigkeit sollte integrativ vermittelt werden, sie sollte auch in den berufsprofilgebenden Berufsbildpositionen verankert werden (BIBB o. J.):
“Die berufsübergreifenden Inhalte sind von den Ausbilderinnen und Ausbildern während der gesamten Ausbildung integrativ, das heißt im Zusammenspiel mit den berufsspezifischen Fertigkeiten, Kenntnissen und Fähigkeiten, zu vermitteln.”
Aus diesem Grund haben wir die jeweiligen Berufsbildpositionen sowie die Lernfelder des gültigen Rahmenlehrplanes gleichfalls betrachtet in
Tabelle 2: Berufsbildpositionen und Lernfelder mit Bezug zur Nachhaltigkeit
Die Betrachtung ist beispielhaft, es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Folgende tabellarische Darstellung wurde gewählt:
Spalte A: Berufsbildposition und Lernfeld(er)
Spalte B: Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten gemäß Ausbildungsordnung (AO) sowie Lernfelder des Rahmenlehrplans (RLP, kursive Zitierung). Explizite Formulierungen des RLP zu Themen der Nachhaltigkeit werden als Zitat wiedergegeben;
Spalte C: Beispielhafte Bezüge zur Nachhaltigkeit;
Spalte D: Referenz auf die jeweilige Position der Standardberufsbildposition (siehe Tabelle 1, Spalte A).
Modulare Rahmenaufgaben
Zur Verbesserung der Anschaulichkeit der integrativen Förderung nachhaltigkeitsorientierter Kompetenzen wird in diesem Impulspapier eine exemplarische Aufgabenstellung für die betriebliche oder berufsschulische Unterrichtung vorgeschlagen:
- Zunächst wird die Herkunft ausgewählter Früchte von Konditoreiprodukten bestimmt und unter Nachhaltigkeitsaspekten beurteilt.
- Vertiefend erfolgt eine Auseinandersetzung mit Pro- und Kontra-Argumenten im Rahmen eines Rollenspiels, um die Kundenberatung bei Produktfragen nachhaltigkeitsorientiert ausrichten zu können und geeignete Verkaufsstrategien zu entwickeln.
Zielkonflikte und Widersprüche
Zielkonflikte und Widersprüche sind bei der Suche nach dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit immanent und für einen Interessenausgleich hilfreich. In dem Kapitel 7. werden beispielhafte Zielkonflikte aufgezeigt. Ergänzend werden in dem hierzu gehörigen Dokument auch einige Folien (pptx bzw. pdf) erstellt, die für Lernprozesse verwendet werden können. Ein Beispiel für einen berufsbildbezogenen Zielkonflikt ist der folgende:
- “Niedrige Retouren (wenige Überschüsse von Brot und Backwaren) vs. volle Regale bis Ladenschluss”:
- Betriebe, die Lebensmittelabfälle bzw. Retouren vermeiden wollen, bieten den Kunden kurz vor Betriebsschluss unter Umständen nicht mehr dasselbe umfangreiche Angebot wie Betriebe, die den Kunden bis zum Ladenschluss das komplette Sortiment anbieten, um die Kunden nicht zu verlieren.
- Es ergibt sich somit der Konflikt zwischen der Notwendigkeit, Abfall zu vermeiden und dem Wunsch, die Kunden*innen durch ein jederzeit umfangreiches Angebot zufriedenzustellen.
Hinweis für handwerkliche, kaufmännische und Industrieberufe
Die in den folgenden Tabellen 1 und 2 im didaktischen Impulspapier (IP), im Hintergrundmaterial (HGM) sowie in den Foliensätzen zu den Zielkonflikten (FS) vorgeschlagenen Hinweise zu Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten bzw. Lernfelder, Aufgabenstellungen und Zielkonflikte bilden den in 2022 aktuellen Stand der Entwicklungen in Hinsicht auf technische Verfahren, Dienstleistungen und Produkte in Bezug auf Herausforderungen der Nachhaltigkeit bzw. deren integrative Vermittlung in den verschiedenen Berufen dar. Sie enthalten Anregungen und Hinweise ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Mit Lesen dieses Textes sind Sie als Ausbilder:innen und Berufsschullehrkräfte eingeladen, eigene Anregungen in Bezug auf die dann jeweils aktuellen Entwicklungen in ihren Unterricht einzubringen. Als Anregungen dient diesbezüglich z. B. folgende hier allgemein formulierte Aufgabenstellung (analog zu IP, Tabelle 1), die Sie in Ihren Unterricht aufnehmen können:
Recherchieren Sie (ggf. jeweils alternativ:) Methoden, Verfahren, Materialien, Konstruktionen, Produkte oder Dienstleistungen, die den aktuellen Stand der (technischen) Entwicklung darstellen und die in Hinblick auf die Aspekte der Nachhaltigkeit (ökologisch, sozial-kulturell und/oder ökonomisch) bessere Wirkungen und/oder weniger negative Wirkungen erzielen als die Ihnen bekannten, eingeführten und „bewährten“ Ansätze.
Beschreiben Sie mögliche positive Wirkungen dieser neuen Methoden, Verfahren, Materialien, Konstruktionen, Produkte und/oder Dienstleistungen auf die Nachhaltigkeit in Ihrem Betrieb.
Folgende Abkürzungen werden in diesem Dokument verwendet:
AO Ausbildungsordnung
BBNE Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung
BNE Bildung für Nachhaltige Entwicklung
CO2-Äq Kohlendioxid-Äquivalente
FS Foliensammlung mit Beispielen für Zielkonflikte
HGM Hintergrundmaterial (wissenschaftliches Begleitmaterial)
IP Impulspapier (didaktisches Begleitmaterial)
RLP Rahmenlehrplan
SBBP Standardberufsbildposition
SDG Sustainable Development Goals
THG Treibhausgase bzw. CO2-Äquivalente (CO2-Äq)
Glossar
Folgende Abkürzungen werden in diesem Dokument verwendet:
Abkürzung | Bezeichnung |
AO | Ausbildungsordnung |
BNE | Bildung für Nachhaltige Entwicklung |
BBNE | Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung |
FS | Foliensammlung mit Beispielen für Zielkonflikte |
HGM | Hintergrundmaterial (wissenschaftliches Begleitmaterial) |
IP | Impulspapier (didaktisches Begleitmaterial) |
RLP | Rahmenlehrplan |
SDG | Sustainable Development Goals |
THG | Treibhausgase bzw. CO2-Äquivalente (CO2-Äq) |
Literatur
BGBl (2022): Verordnung über die Berufsausbildung zum Bäcker/zur Bäckerin vom 21. April 2004 (BGBl. I S. 632), die durch Artikel 1 der Verordnung vom 8. Februar 2016 (BGBl. I S. 179) geändert worden ist. https://www.gesetze-im-internet.de/b_ausbv_2004/BJNR063200004.html
BIBB Bundesinstitut für berufliche Bildung (2021): Vier sind die Zukunft. Online: www.bibb.de/de/pressemitteilung_139814.php
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (o. J.a): FAQ zu den modernisierten Standardberufsbildpositionen. Online: https://www.bibb.de/de/137874.php
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (o. J.b): Ausbildung gestalten. Online: https://www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/series/list/2
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
BIBB Bundesinstitut für berufliche Bildung (o. J.c): Nachhaltigkeit in der Ausbildung. Online: www.bibb.de/de/142299.php
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (o. J.): Was ist BNE. Online: https://www.bne-portal.de/bne/de/einstieg/was-ist-bne/was-ist-bne.html
Bundesregierung (o. J.): Globale Nachhaltigkeitsstrategie – Nachhaltigkeitsziele verständlich erklärt. Online: www.bundesregierung.de/breg-de/themen/nachhaltigkeitspolitik/nachhaltigkeitsziele-verstaendlich-erklaert-232174
Destatis Statistisches Bundesamt (2022): Indikatoren der UN-Nachhaltigkeitsziele. Online: http://sdg-indikatoren.de/
KMK Kultusministerkonferenz (2004): RAHMENLEHRPLAN für den Ausbildungsberuf Bäcker/Bäckerin.
Ritter, G., Friedrich, S., Heitkönig, L. (2015a): Reduktion von Lebensmittelabfällen bei Brot und Backwaren. Ein Konzept für Handwerk, Handel und Verbraucher. https://www.fh-muenster.de/isun/downloads/Reduktion_von_Lebensmittelabfaellen_bei_Brot_und_Backwaren.pdf
Ritter, G., Heitkönig, L., Friedrich, S. (2015b): Endbericht zur Studie „Reduktion von Lebensmittelabfällen bei Brot und Backwaren – Entwicklung eines Konzepts für Handel, Handwerk und Verbraucher“. https://www.fh-muenster.de/isun/downloads/Reduktion_von_Lebensmittelabfaellen_bei_Brot_und_Backwaren.pdf
WWF Deutschland (2018): Unser täglich Brot. Von überschüssigen Brotkanten und wachsenden Brotbergen. https://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/Publikationen-PDF/WWF-Studie-Unser-taeglich-Brot_Von-ueberschuessigen-Brotkanten-und-wachsenden-Brotbergen_102018.pdf
Tabelle 1 - Die Standardberufsbildposition "Umweltschutz und Nachhaltigkeit"
Standardberufsbildposition | Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten | Bezüge zur Nachhaltigkeit | Mögliche Aufgabenstellungen im Rahmen von 3e “Vorschläge für nachhaltiges Handeln entwickeln” | SDG |
3a – Gesellschaft – Ernährung |
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| SDG3 SDG6 |
3a – Gesellschaft – Arbeitsprozesse |
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entscheidungen |
| SDG13 SDG16 |
3a – Gesellschaft – Traditionen |
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| SDG12 |
3a – Umwelt – Ressourcen, Verderbnis und Lagerung |
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abfällen
schonung |
| SDG12 |
3a – Umwelt – Klimawandel |
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| SDG 12 SDG 13 |
3b – Materialien – Rohstoffe |
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| SDG12 |
3b – Materialien – Wasser |
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| SDG6 |
3b –Energie – Verfahren und Geräte |
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| SDG 7 SDG 13 |
3d – Abfälle vermeiden |
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| SDG2 SDG12 |
3f – Nachhaltigkeit kommunizieren |
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| SDG 4 |
Tabelle 2 - Berufsbildpositionen und Lernfelder mit Bezug zur Nachhaltigkeit
Berufsbild- position / Lernfeld | Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten gemäß Ausbildungsordnung (kursiv: Lernfelder des RLP) | Beispielhafte Bezüge zur Nachhaltigkeit | Standard- berufsbildposition |
A7 Qualitätssichernden Maßnahmen Lernfeld 14 | b) zur Verbesserung von Arbeitsvorgängen im eigenen Betrieb beitragen e) frische, vorgefertigte und fertige Erzeugnisse nach vorgegebenen Kriterien beurteilen LF 14: Sie stellen sie her und beurteilen deren Qualität nach sensorischen, ernährungsphysiologischen, ökonomischen und ökologischen Aspekten |
| 3a – Gesellschaft – Traditionen |
A8 Umsetzen von Hygienevorschriften Lernfelder 1, 6 | a) Grundsätze der Personalhygiene und der Arbeitshygiene anwenden b) Lebensmittelhygiene in den betrieblichen Abläufen anwenden c) lebensmittelrechtliche Vorschriften anwenden insbesondere zu Speiseeis, Milch, Ei, Fisch, Fleisch, Meeresfrüchten und deren Produkten LF 1: Für die Anwendung von Hygienemaßnahmen bei Herstellung, Lagerung und Verkauf leiten sie hygienisches Verhalten im Umgang mit Lebensmitteln ab und setzen umweltschonende Verfahren ein LF 6: …wenden sie fachgerecht unter Einhaltung der besonderen Hygienevorschriften an |
| 3a – Umwelt & Gesellschaft 3b – Materialien |
A9 Handhaben von Anlagen, Maschinen und Geräten Lernfeld 4 | a) Anlagen, Maschinen und Geräte pflegen und reinigen LF4: Sie entwickeln Ablaufpläne und setzen Maschinen und Apparate zur rationellen Herstellung und Bevorratung der Teige und Gebäcke auch unter Einbeziehung der Kältetechnik ein |
| 3a – Umwelt & Gesellschaft 3b – Materialien (Energie) |
A10 Lagern und Kontrollieren von Lebensmitteln, Verpackungsmaterialien Lernfelder 8, 5 | a) Lagerverfahren für Rohstoffe, vorgefertigte und fertige Erzeugnisse unter Berücksichtigung von Temperatur, Licht und Feuchtigkeit festlegen und anwenden b) Arten und Eigenschaften von Lebensmitteln, insbesondere ihre wechselseitige Beeinträchtigung bei der Lagerung, berücksichtigen c) Umverpackungen lagern und entsorgen LF 8: Sie wenden geeignete Verfahren zur Bevorratung und Qualitätssicherung an und führen Preisberechnungen durch. Sie entwickeln rationelle Arbeitsabläufe und erfüllen Kundenwünsche kreativ. LF 5: […] beachten die besonderen Anforderungen an die Lagerung der Rohstoffe, die Zwischenlagerung und die Präsentation der fertigen Erzeugnisse |
| 3a – Umwelt & Gesellschaft 3b – Materialien |
A11 Herstellen und Weiterverarbeiten von Massen Lernfeld 2 | a) Zutaten auswählen und nach Rezeptur einsetzen LF: 2 Sie führen Berechnungen durch und begründen das Herstellungsverfahren mit den technologischen Eigenschaften der Rohstoffe und deren Inhaltsstoffe. […] bewerten die Rohstoffqualität sowie die sensorische und ernährungsphysiologische Bedeutung der wesentlichen Nähr- bzw. Inhaltsstoffe. Sie beurteilen die technologische Wirkung der Rohstoffe bzw. deren Inhaltsstoffe auf die Qualität von Teig, Masse und Gebäck. |
| 3a – Umwelt & Gesellschaft 3d – Abfälle vermeiden[MN11] |
A16 Kundenberatung und Verkauf Lernfelder 3, 13 | a) Kundenerwartungen im Hinblick auf Sprache, Körperhaltung, Gestik, Mimik und Kleidung beachten b) Verkaufshandlungen durchführen LF 3: Sie beraten Kundinnen/Kunden und berücksichtigen neben lebensmittelrechtlichen, ökonomischen, ökologischen, sensorischen besonders ernährungsphysiologischen Aspekten und führen Nährwertberechnungen durch. LF 13: Sie gehen auf die Bedürfnisse und Wünsche der Kunden ein, greifen aktuelle Entwicklungen auf und setzen sie kreativ um. |
| 3a – Umwelt & Gesellschaft 3 f – Kooperation & Kommunikation |
Unterrichts- und Ausbildungsmodule
Nachhaltige Ausrichtungen von Konditoreien
Immer mehr Bäckereien/Konditoreien setzen sich mit einer nachhaltigkeitsorientierten Ausrichtung des Betriebs auseinander. Die möglichen Handlungsfelder sind breit: von der Auswahl und Bestellung der Rohwaren bis hin zur Umstrukturierung des gesamten Betriebs.
Recherche
Recherchieren Sie Bäckereien, die sich für eine nachhaltige Ausrichtung des Betriebs bereits auf den Weg gemacht haben. Beschreiben Sie die umgesetzten Maßnahmen und ordnen Sie die Maßnahmen den Kern- und Unterstützungsprozessen,wie in der Abbildung beispielhaft dargestellt, zu.
Abb. 1: Kern- und Unterstützungsprozesse von Bäckereien zur Zuordnung von möglichen nachhaltigkeitsorientierten Maßnahmen
Reflexionsauftrag
- Welchen Beitrag leistet Ihr Betrieb auf dem Weg zur nachhaltigkeitsorientierten Bäckerei/Konditorei?
- Vergleichen Sie Ihre Ideen zu Maßnahmen mit den Maßnahmen Ihres Ausbildungsbetriebes.
Analyse ausgewählter Rohwaren
Einstiegsszenario - Herkunft der Rohwaren bestimmen
Die angehende Konditorin Maya räumt die letzten Bestellungen von Rohwaren und Produkten – von diversen Früchten als Frischobst als auch TK-Ware, über Milchprodukten bis hin zu trockenen Waren wie Schokolade und Kuvertüre – in das Lager ein. Dabei fällt ihr auf, dass viele dieser Bestellungen unterschiedlich gekennzeichnet, verpackt und in verschiedenen Gebindegrößen vorhanden sind. Maya fragt sich: “Woher kommen eigentlich die ganzen Rohwaren, die wir für unsere Back- und Konditorwaren einsetzen? Einige haben wahrscheinlich schon lange Lieferwege hinter sich.”
Aufgabe - Herkünfte von Konditoreiprodukten
- Wählen Sie ein Konditoreiprodukt (Feingebäck, Kuchen oder Torte) aus, das in Ihrem Betrieb hergestellt und verkauft wird.
- Bestimmen Sie für das Produkt die benötigten Rohstoffe und die direkten Lieferanten für die Rohstoffe. Fragen Sie in Ihrem Betrieb nach, wenn Sie nicht weiter wissen.
- Markieren Sie die Lieferanten blau, die die Rohwaren selbst produziert haben und somit Direktvermarkter sind. Diejenigen Lieferanten, die die Rohwaren nicht selbst produziert haben und somit Zwischenhändler sind, markieren Sie in einer anderen Farbe.
- Recherchieren Sie, woher die Rohwaren stammen, die über Zwischenhändler beschafft werden.
- Markieren Sie auf der Weltkarte die recherchierten (oder vermuteten) Herkunftsorte der unterschiedlichen Rohwaren des ausgewählten Produktes.
Tipps und Hinweise
- Gibt es Hinweise auf Verpackungen über die Herkunft der Rohware? (z. B. bei Milchprodukten)
- Stellt der Lieferant weitere Informationen über die Herkunft zur Verfügung?
- Falls keine Informationen über Verpackung oder Lieferant möglich sind, recherchieren Sie (z. B. über lebensmittellexikon.de oder de.wikipedia.org), woher die Rohwaren vermutlich stammen.
- Sie können für Ihre Recherche auch weitere Quellen, wie z. B. das Bestellsystem nutzen, um mehr zur Herkunft zu erfahren.
Herkunft der Rohwaren kritisch beurteilen
Sie haben nun für das ausgewählte Produkt die Herkunftsorte in der oberen Karte festgehalten und sollen dieses Ergebnis nun mit Blick aus der Nachhaltigkeitsbrille kritisch bewerten:
- Diskutieren Sie in der Gruppe, wie sich die Herkunftsorte bei der Herstellung der ausgewählten Produkte auswirken und halten Sie dies in Stichworten fest.
Hinweis an die Lehrkräfte/Ausbilder*innen
Mögliche Themen für die diskursive Auseinandersetzung können sein:
- Fair gehandelte Produkte aus Ländern des globalen Südens – was heißt das?
- Ökologischer Fußabdruck bzw. Transporte und THG-Emissionen der Rohwaren
- Frische und Qualität der Rohwaren
Vegane Konditoreiprodukte
Einführung
Um alle Menschen dieser Erde bis zum Jahr 2050 nachhaltig und gesund zu ernähren, ist eine grundlegende Veränderung unserer Landwirtschaft und Ernährungsweise nötig (BZfE 2020). Mehr pflanzliche und weniger tierische Zutaten empfiehlt die „Planetary Health Diet“, die von einer Kommission bestehend aus 37 Wissenschaftler*innen unterschiedlicher Disziplinen, darunter Klimaforscher*innen und Ernährungswissenschaftler*innen, entwickelt worden ist (ebd.). Des Weiteren liegen vegane Produkte im Trend: die Nachfrage nach veganen Produkten steigt. So ist der Umsatz von veganen Produkten in Deutschland nach Zahlen des Vereins proveg um 97 Prozent (817 Millionen Euro) in den Jahren 2018 bis 2020 gestiegen (proveg o. J.). Nach dem Ernährungsreport 2021 ernähren sich in Deutschland 2 Prozent der Bevölkerung ausschließlich vegan (BMEL 2021).
In Konditoreien können teilweise tierische Produkte durch vegane Alternativen ausgetauscht werden.
Aufgaben
- Recherchieren Sie, welche Ersatzprodukte es für tierische Produkte gibt, die in Betrieben der Konditorei eingesetzt und verarbeitet werden (z. B. Milch, Butter, Sahne, Ei, Gelatine) und welche Eigenschaften die Ersatzprodukte mit sich bringen.
- Erstellen Sie gemeinsam eine Produktliste, in der aufgeführt ist, wie das Austauschverhältnis der tierischen Produkte zu den Ersatzprodukten ist (z. B. 1 Ei = ½ Banane). Notieren Sie sich zudem die Eigenschaften, die das Ersatzprodukt mit sich bringt (z.B. bringt Auqafaba, der vegane Eischnee aus Kichererbsen-, Cannellinibohnen- oder Gartenbohnenwasser, einen Eigengeschmack mit).
- Wählen Sie ein Rezept mit tierischen Zutaten aus. Prüfen Sie, welche Ersatzprodukte sich aufgrund der recherchierten Eigenschaften eignen könnten und ersetzen Sie die tierischen Zutaten mit diesen Ersatzprodukten auf dem Rezept.
- Führen Sie ein Backexperiment durch: Bereiten Sie die ursprüngliche und die neu entwickelte, vegane Rezeptur zu. Notieren Sie sich Ihre Erfahrungen beim Zubereiten, beim Backen und beim Probieren der Rezepturen im Vergleich.
- Tauschen Sie sich mit Ihren gesammelten Erfahrungen aus. Diskutieren Sie, was ein Ersatz der tierischen Produkte bedeuten kann (z. B. backtechnischer Natur oder geschmacklich) und worauf beim Austausch geachtet werden sollte. Machen Sie sich Stichpunkte.
Weiterführende Lehr/- und Lernmaterialien und Hinweise (Auswahl)
Titel oder Themenfeld | Format etc. | Projekt / Institution / Quelle |
Nachhaltiges Handeln in der Ausbildung im Lebensmittelhandwerk rund um’s Korn
| Lehr- und Lernmaterialien
| Projekt Korn-Scout (2018-2021): Vom Getreidekorn und seinen vielfältigen Nutzern – Korn-Kompetenzen für Nachhaltigkeit im Lebensmittelhandwerk stärken https://elearning.izt.de/course/view.php?id=120 |
Global Backen | Lehr- und Lernmaterial und Unterrichtsideen zu den Themen Getreide, Gewürze, Verpackungen | Emprechtinger, M., Kröhn, S., Mogut, D., Taube et. al (2011): G+ Berufe Global Backen. Unterrichtsmaterial für die Ausbildung von BäckerInnen, KonditorInnen, FrischwarenverkäuferInnen, BäckereifachverkäuferInnen. Berlin. |
Zielkonflikte und Widersprüche
Beim Ansteuern von Nachhaltigkeit sind Zielkonflikte und Widersprüche nichts Ungewöhnliches. Dies gilt auch für das Lebensmittelhandwerk, das in einem sehr großen Markt mit vielen Konkurrenten ihre Kundschaft suchen und bedienen muss. Bedingt durch die Marktverhältnisse – die durch Corona in 2021/2022 noch schwieriger geworden sind – ist das Lebensmittelhandwerk, wie andere Wirtschaftsbereiche auch, auf Effizienz ausgerichtet. Klassisch ist der Zielkonflikt zwischen Ökonomie und Ökologie. Ökologische und umweltschonende Produktionsverfahren sind teurer als “herkömmliche”, da diese alle technischen, biologischen und chemischen Verfahren zur Effizienzsteigerung nutzen. Höhere Kosten bedingen höhere Menüpreise. Höhere Menüpreise schrecken kostenbewusste Verbraucher ab. Der Umsatz kann sinken und der Betrieb wird gefährdet. Unternehmen versuchen dies durch mehr “Effizienz” zu kompensieren, aber diese “Effizienz” führt nicht unbedingt zu mehr „Nachhaltigkeit“, wie im Folgenden erläutert wird.
Die Effizienzfalle und Widersprüche
Effizienz beschreibt unter anderem Wirtschaftlichkeit. Wenn so wenig wie möglich von einer notwendigen Ressource verwendet wird, so gilt dies als effizient. So könnte man meinen, dass Effizienzsteigerungen im Unternehmensalltag folglich auch zu einem nachhaltigen Wirtschaften führen. Weniger Abfall oder Energieaufwand bedeutet gleichzeitig weniger Umweltbelastung und längere Verfügbarkeit von endlichen Ressourcen – oder? Nicht unbedingt!
Das Missverständnis hinter dieser Annahme soll anhand eines Beispiels aufgedeckt werden. Seit 1990 hat sich der deutsche Luftverkehr mehr als verdreifacht. Mit Hilfe technischer Innovationen, besserer Raumnutzung und weiterer Maßnahmen konnte der durchschnittliche Kerosinverbrauch pro Person seitdem um 42 Prozent gesenkt werden – eine gute Entwicklung auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick ist jedoch auch zu erkennen, dass das Verkehrsaufkommen im gleichen Zeitraum stark zugenommen hat. Daraus folgt, dass trotz starker Effizienzsteigerungen absolut betrachtet immer mehr Kerosin verbraucht wird – nämlich 85 Prozent mehr seit 1990.
Wissenschaftler sprechen daher auch von einer „Effizienzfalle“. Denn obwohl sich mit Effizienzsteigerung eine relative Umweltentlastung erzeugen lässt, bleibt die Herausforderung des absoluten Produktionswachstums weiterhin bestehen. So ist das effiziente Handeln aus der ökonomischen Perspektive zwar zielführend, aus der ökologischen Perspektive jedoch fraglich. Es lässt sich schlussfolgern, dass Effizienzstreben und Nachhaltigkeitsorientierung zwei eigenständige Rationalitäten darstellen, die von Unternehmen beide gleichermaßen beachtet werden sollten, um zukunftsfähig zu wirtschaften. Eine langfristig erfolgreiche Unternehmensführung würde demnach aus den zur Verfügung stehenden Ressourcen unter Erhalt der Ressourcenbasis möglichst viele ökonomische Werte erschaffen, um somit intergenerational und intragenerational gerecht zu wirtschaften. Somit sollte sich ein zukunftsorientiertes berufliches Handeln sowohl den Herausforderungen der eher kurzfristigen Effizienzrationalität als auch der langfristigen Nachhaltigkeitsrationalität stellen und beide Perspektiven verknüpfen.
Im Rahmen des beruflichen Handelns entstehen jedoch Widersprüche zwischen der Effizienzrationalität („Funktionalität“, „ökonomische Effizienz“ und „Gesetzeskonformität“) und der Nachhaltigkeitsrationalität („ökologische Effizienz“, „Substanzerhaltung“ und „Verantwortung“). Ein zukunftsfähiges berufliches Handeln zeichnet sich dadurch aus, mit diesen Widersprüchen umgehen zu können.
Doch stellt sich nun die Frage, was der Umgang mit Widersprüchen für den Berufsalltag bedeutet. In diesem Zusammenhang kann von so genannten „Trade-offs“ – auch „Zielkonflikte“ oder „Kompromisse“ – gesprochen werden. Grundsätzlich geht es darum, den möglichen Widerspruch zwischen einer Idealvorstellung und dem Berufsalltag zu verstehen und eine begründete Handlungsentscheidung zu treffen. Dabei werden Entscheidungsträger häufig in Dilemma-Situationen versetzt. Im beruflichen Handeln geht es oftmals um eine Entscheidung zwischen knappen Ressourcen, wie Geld, Zeit oder Personal, für die es gilt, Lösungen zu finden.
Beispielhafte Zielkonflikte
Folgende Zielkonflikte sind im Bäckerhandwerk häufig zu finden, die im Rahmen eines Unterrichts- oder Ausbildungsgesprächs diskutiert werden können:
- Betriebe, die eher wirtschaftlich ausgerichtet sind, verkaufen Brote und Backwaren vom Vortag selbst zu geringeren Preisen. Wohingegen sozial ausgerichtete Betriebe diese Backwaren vom Vortag an Tafeln und andere Einrichtungen spenden.
- Attraktivität der Lebensmittel vs. Vermeidung von Lebensmittelabfällen (weil nur „schöne“ Früchte genutzt werden): Unschöne Gemüse- und Obstteile – sog. Misfits – werden häufig aussortiert, anstatt innovative Lösungen hierfür zu finden, sodass keine Abfälle mehr entstehen.
- Der Einsatz von Fertigmehlen/Fertigmischungen und Zusatzstoffen beschleunigt Arbeitsprozesse, gefährdet aber auch den Erhalt traditioneller Rezepturen (Brotvielfalt, Brotkultur).
- Eine nachhaltige Bäckerei nutzt Bio-Produkte. Diese sind in der Regel teurer als konventionelle. Das kann ein Hemmnis insbesondere für einkommensschwächere Kunden sein. Damit wären einkommensschwache Gruppen in sozialer Hinsicht benachteiligt. Diese nutzen dann meist andere Bezugsquellen (wie z. B. integrierte Backshops).
- Kleinere Betriebe, die Wert auf Traditionen und Nähe zum Kunden legen, können ihren Mitarbeitenden im Zweifel nicht so viel Gehalt anbieten wie größere Betriebe, die eher auf „Konkurrenzfähigkeit“ setzen. Das bedeutet für kleine Betriebe, dass sie evtl. keine Mitarbeitenden finden. Dies kann auch Auswirkungen auf die Nachwuchssicherung für das Handwerk haben.
- Immer mehr Betriebe bieten vegane Alternativen in ihrem Sortiment an, um einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten. Dabei muss u.a. viel Zeit in die Entwicklung dieser veganen Produkte investiert werden. Vegane Produkte haben jedoch bei vielen Kunden nicht immer einen guten Ruf (z. B. aufgrund anderer Konsistenz oder nicht identischem Geschmack). Hier ist gute Kommunikation nötig.
- Ökonomisch vorteilhafte Entscheidungen des Betriebes zugunsten billigerer, ständig verfügbarer Rohstoffe/Produkte aus dem Ausland sorgen dafür, dass inländische (regionale) Unternehmen möglicherweise nicht dauerhaft überleben können. Das führt langfristig z.B. auch zu einem Mangel Zwischenlieferanten (z. B. Direktvermarkter für Getreide) und damit an den Ausbildungsbetrieben vor Ort und sorgt damit für noch mehr Rohstoffbedarf aus dem Ausland. Das erhöht gleichzeitig die benötigten Transportwege und den damit verbundenen CO2-Ausstoß (Klimawandel).
- Für regionale Produkte/Backwaren/Torten bedarf es regionaler Rohstoff-Lieferanten. Diese müssen bereits im Vorjahr genügend präzise einschätzen können, welche Rohstoffmengen sie im nächsten Jahr liefern könnten. Wenn eine Bäckerei z. B. drei Tonnen Karotten (für Karottenkuchen) pro Jahr braucht, muss der Bauer diese Menge zuerst anpflanzen und auch ernten können. Es kann zu Unsicherheiten oder Unzuverlässigkeit kommen, die dazu führen, dass doch wieder Produkte “von weiter weg” bestellt werden. Auch Ernteausfälle im Inland führen zu dem Konflikt, dass evtl. für die Planungssicherheit aus dem Ausland bestellt werden muss.