Informationselektroniker/Informationselektronikerin
Wichtiger Hinweis
Die Tabelle 1 „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ und Tabelle 2 der „Berufsprofilgebenden Berufsbildpositionen“ ist für alle Fachrichtungen der Ausbildung zum Elektroniker und zur Elektronikerin gültig, aber sie wurde nicht in Anlehnung an die fachrichtungsspezifischen Ausbildungen sondern in Anlehnung an die Ausbildungsordnung zum Elektroniker und Elektronikerin erstellt (vgl. BGBl 2021 und KMK 2020).
Einleitung
BBNE und BNE - Ziele der Projektagentur PA-BBNE
Das Ziel der „Projektagentur Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ (PA-BBNE) ist die Entwicklung von Materialien, die die um Nachhaltigkeit erweiterte neue Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ mit Leben füllen soll. Mit „Leben zu füllen“ deshalb, weil „Nachhaltigkeit“ ein Ziel ist und wir uns den Weg suchen müssen. Wir wissen beispielsweise, dass die Energieversorgung künftig klimaneutral sein muss. Mit welchen Technologien wir dies erreichen wollen und wie unsere moderne Gesellschaft und Ökonomie diese integriert, wie diese mit Naturschutz und Sichtweisen der Gesellschaft auszugestalten sind, ist noch offen.
Um sich mit diesen Fragen zu beschäftigen, entwickelt die PA-BBNE Materialien, die von unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden:
- Zum einen widmen wir uns der beruflichen Ausbildung, denn die nachhaltige Entwicklung der nächsten Jahrzehnte wird durch die jungen Generationen bestimmt werden. Die duale berufliche Ausbildung orientiert sich spezifisch für jedes Berufsbild an den Ausbildungsordnungen (betrieblicher Teil der Ausbildung) und den Rahmenlehrplänen (schulischer Teil der Ausbildung) . Hierzu haben wir dieses Impulspapier erstellt, das die Bezüge zur wissenschaftlichen Nachhaltigkeitsdiskussion praxisnah aufzeigt.
- Zum anderen orientieren wir uns an der Agenda 2030. Die Agenda 2030 wurde im Jahr 2015 von der Weltgemeinschaft beschlossen und ist ein Fahrplan in die Zukunft (Bundesregierung o. J.). Sie umfasst die sogenannten 17 Sustainable Development Goals (SDGs), die jeweils spezifische Herausforderungen der Nachhaltigkeit benennen (vgl. Destatis). Hierzu haben wir ein Hintergrundmaterial (HGM) im Sinne der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE, vgl. BMBF o. J.) erstellt, das spezifisch für unterschiedliche Berufe ist.
Die Materialien der Projektagentur
Die neue Standardberufsbildposition gibt aber nur den Rahmen vor. Selbst in novellierten Ausbildungsordnungen in Berufen mit großer Relevanz für wichtige Themen der Nachhaltigkeit wie z. B. dem Klimaschutz werden wichtige Fähigkeiten, Kenntnissen und Fertigkeiten in den berufsprofilgebenden Berufsbildpositionen nicht genannt – obwohl die Berufe deutliche Beiträge zum Klimaschutz leisten könnten. Deshalb haben wir uns das Ziel gesetzt, Ausbildenden und Lehrkräften Hinweise im Impulspapier zusammenzustellen im Sinne einer Operationalisierung der Nachhaltigkeit für die unterschiedlichen Berufsbilder. Zur Vertiefung der stichwortartigen Operationalisierung wird jedes Impulspapier ergänzt durch eine umfassende Beschreibung derjenigen Themen, die für die berufliche Bildung wichtig sind. Dieses sogenannte Hintergrundmaterial orientiert sich im Sinne von BNE an den 17 SDGs, ist faktenorientiert und wurde nach wissenschaftlichen Kriterien erstellt. Ergänzt werden das Impulspapier und das Hintergrundmaterial durch einen Satz von Folien, die sich den Zielkonflikten widmen, da „Nachhaltigkeit das Ziel ist, für das wir den Weg gemeinsam suchen müssen“. Und dieser Weg ist nicht immer gleich für alle Branchen, Betriebe und beruflichen Handlungen, da unterschiedliche Rahmenbedingungen in den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – Ökonomie, Ökologie und Soziales – gelten können. Wir haben deshalb die folgenden Materialien entwickelt:
- BBNE-Impulspapier (IP): Betrachtung der Schnittstellen von Ausbildungsordnung, Rahmenlehrplan und den Herausforderungen der Nachhaltigkeit in Anlehnung an die SDGs der Agenda 2030. Das Impulspapier ist spezifisch für einen Ausbildungsberuf erstellt, fasst aber teilweise spezifische Ausbildungsgänge zusammen (z. B. den Fachmann und die Fachfrau zusammen mit der Fachkraft sowie die verschiedenen Fachrichtungen)
- BBNE-Hintergrundmaterial (HGM): Betrachtung der SDGs unter einer wissenschaftlichen Perspektive der Nachhaltigkeit im Hinblick auf das Tätigkeitsprofil eines Ausbildungsberufes bzw. auf eine Gruppe von Ausbildungsberufen, die ein ähnliches Tätigkeitsprofil aufweisen;
- BBNE-Foliensammlung (FS) und Handreichung (HR): Folien mit wichtigen Zielkonflikten – dargestellt mit Hilfe von Grafiken, Bildern und Smart Arts für das jeweilige Berufsbild, die Anlass zur Diskussion der spezifischen Herausforderungen der Nachhaltigkeit bieten. Das Material liegt auch als Handreichung (HR) mit der Folie und Notizen vor.
Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung
Die Standardberufsbildposition “Umweltschutz und Nachhaltigkeit”
Seit August 2021 müssen auf Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) bei einer Modernisierung von Ausbildungsordnungen die vier neuen Positionen „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“, Digitalisierte Arbeitswelt“, Organisation des Ausbildungsbetriebs, Berufsbildung, Arbeits- und Tarifrecht“ sowie „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“ aufgenommen werden (BIBB 2021). Insbesondere die letzten beiden Positionen unterscheiden sich deutlich von den alten Standardberufsbildpositionen.
Diese Positionen begründet das BIBB wie folgt (BIBB o. J.a): „Unabhängig vom anerkannten Ausbildungsberuf lassen sich Ausbildungsinhalte identifizieren, die einen grundlegenden Charakter besitzen und somit für jede qualifizierte Fachkraft ein unverzichtbares Fundament kompetenten Handelns darstellen“ (ebd.).
Die Standardberufsbildpositionen sind allerdings allgemein gehalten, damit sie für alle Berufsbilder gelten (vgl. BMBF 2022). Eine konkrete Operationalisierung erfolgt üblicherweise durch Arbeitshilfen, die für alle Berufsausbildungen, die modernisiert werden, erstellt werden. Die Materialien der PA-BBNE ergänzen diese Arbeitshilfen mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit und geben entsprechende Anregungen (vgl. BIBB o. J.b). Das Impulspapier zeigt vor allem in tabellarischen Übersichten, welche Themen der Nachhaltigkeit an die Ausbildungsberufe anschlussfähig sind.
Die neue Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ ist zentral für eine BBNE, sie umfasst die folgenden Positionen (BMBF 2022).
a) “Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
c) für den Ausbildungsbetrieb geltende Regelungen des Umweltschutzes einhalten
d) Abfälle vermeiden sowie Stoffe und Materialien einer umweltschonenden Wiederverwertung oder Entsorgung zuführen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren”
Die Schnittstellen zwischen der neuen Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit” werden in
fortlaufend aufgezeigt. Mit Ausnahme der Position c) werden in der Tabelle alle Positionen behandelt. Die Position c) wird nicht behandelt, da diese vor allem ordnungsrechtliche Maßnahmen betrifft, die zwingend zu beachten sind. Maßnahmen zur Nachhaltigkeit hingegen sind meist freiwillige Maßnahmen und können, müssen aber nicht durch das Ordnungsrecht geregelt bzw. umgesetzt werden. In der Tabelle werden die folgenden Bezüge hergestellt:
- Spalte A: Positionen der Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit”;
- Spalte B: Vorschläge für Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten, die im Sinne der nachhaltigen Entwicklung wichtig sind;
- Spalte C: Bezüge zur Nachhaltigkeit;
- Spalte D: Mögliche Aufgabenstellungen für die Ausbildung im Sinne der Position 3e) „Vorschläge für nachhaltiges Handeln entwickeln“;
- Spalte E: Zuordnung zu einem oder mehreren SDGs (Verweis auf das Hintergrundmaterial).
Bildung für nachhaltige Entwicklung
Die Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) meint eine Bildung, die Menschen zu zukunftsfähigem Denken und Handeln befähigt. Sie ermöglicht jedem Einzelnen, die Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Welt zu verstehen (BMBF o. J.). BBNE ist somit nur ein Teil von BNE, der an alle Bürger*innen adressiert ist. Eine Entwicklung ist dann nachhaltig, wenn Menschen weltweit, gegenwärtig und in Zukunft würdig leben und ihre Bedürfnisse und Talente unter Berücksichtigung planetarer Grenzen entfalten können. … BNE ermöglicht es allen Menschen, die Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Welt zu verstehen und verantwortungsvolle, nachhaltige Entscheidungen zu treffen (ebd.).
Grundlage für BNE ist heutzutage die Agenda 2030 mit ihren 17 SDG (Sustainable Development Goals). Die 17 Ziele bilden den Kern der Agenda und fassen zusammen, in welchen Bereichen nachhaltige Entwicklung gestärkt und verankert werden muss (ebd.). Die Materialien der Projektagentur sollen Lehrkräften an Berufsschulen und Ausbildende dabei helfen, die Ideen der SDG in die Bildungspraxis einzubringen. Sie sind somit ein wichtiges Element insbesondere für das Ziel vier “Hochwertige Bildung”: “Bis 2030 sicherstellen, dass alle Lernenden die notwendigen Kenntnisse und Qualifikationen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung erwerben, unter anderem durch Bildung für nachhaltige Entwicklung und nachhaltige Lebensweisen, …” (ebd.).
Während die Grundlage in den Impulspapieren die Ausbildungsordnungen und die Rahmenlehrpläne der beruflichen Bildung waren, die mit den SDG vernetzt wurden, geht das Hintergrundpapier den umgekehrten Weg: Wir betrachten die SDG im Hinblick auf ihre Bedeutung für die berufliche Bildung und stellen uns der Frage, welche Anforderungen ergeben sich aufgrund der SDG und deren Unterziele an die Berufsbildung? Die folgenden Beschreibungen haben deshalb immer die gleiche Struktur:
- Es wird das SDG beschrieben.
- Es werden relevante Unterziele benannt.
- Es wird (wissenschaftlich) ausgeführt, was diese Unterziele für das jeweilige Berufsbild bedeuten.
Glossar
Folgende Abkürzungen werden in diesem Dokument verwendet:
Abkürzung | Bezeichnung |
AO | Ausbildungsordnung |
BMUV | Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit |
Care | Segment der AHV, hier: Krankenhäuser, Pflegeheime |
CO2-Äq | Kohlendioxid-Äquivalente |
FS | Foliensammlung |
HGM | Hintergrundmaterial (wissenschaftliches Begleitmaterial) |
IP | Impulspapier (didaktisches Begleitmaterial) |
KI | Künstliche Intelligenz |
ÖPNV | Öffentlicher Personennahverkehr |
RLP | Rahmenlehrplan |
SBBP | Standardberufsbildposition |
SDG | Sustainable Development Goals |
THG | Treibhausgase bzw. CO2-Äquivalente (CO2-Äq) |
Quellenverzeichnis
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (2021): Vier sind die Zukunft. Online: www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/show/17281
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (o. J.a): FAQ zu den modernisierten Standardberufsbildpositionen. Online: https://www.bibb.de/de/137874.php
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (o. J.b): Ausbildung gestalten. Online: BIBB / Reihen / Ausbildung gestalten
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: https://www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (o. J.): Was ist BNE? Online: https://www.bne-portal.de/bne/de/einstieg/was-ist-bne/was-ist-bne.html
Bundesregierung (o. J.): Globale Nachhaltigkeitsstrategie – Nachhaltigkeitsziele verständlich erklärt. Online: www.bundesregierung.de/breg-de/themen/nachhaltigkeitspolitik/nachhaltigkeitsziele-verstaendlich-erklaert-232174
Destatis Statistisches Bundesamt (2022): Indikatoren der UN-Nachhaltigkeitsziele. Online: http://sdg-indikatoren.de/
SDG 2 Kein Hunger
“Den Hunger beenden, Ernährungssicherheit und eine bessere Ernährung erreichen und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern”
Das SDG 2 zielt primär auf die Welternährung im Kampf gegen den Hunger vor allem durch eine nachhaltigere Landwirtschaft ab. Das Unterziel (Destatis 2022):
2.4 Bis 2030 die Nachhaltigkeit der Systeme der Nahrungsmittelproduktion sicherstellen und resiliente landwirtschaftliche Methoden anwenden, die die Produktivität und den Ertrag steigern, zur Erhaltung der Ökosysteme beitragen, die Anpassungsfähigkeit an Klimaänderungen, extreme Wetterereignisse, Dürren, Überschwemmungen und andere Katastrophen erhöhen und die Flächen- und Bodenqualität schrittweise verbessern.
Elektroniker und Elektronikerinnen sind von den SDGs zumeist nur indirekt betroffen. Es gibt durch die Wertschöpfungskette der genutzten Ressourcen einen Bezug zu zwei Positionen der Standardberufsbildposition:
a) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
b) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Elektronik und Ernährungssicherheit
Für die Ernährungssicherheit ist Elektronik auf der ganzen Welt von größter Bedeutung. Ohne sie ist eine Nahrungsversorgung von 8 Milliarden Menschen nicht möglich. Im Ernährungssektor werden Traktoren, Mähdrescher, Melkmaschinen, Agro-Flugzeuge und landwirtschaftliche Aufbereitungstechnik benötigt. Die Produktion von Düngemitteln und Pflanzenschutzmitteln ist ohne Elektronik in Fabriken nicht möglich. Schiffe und Lastkraftwagen machen es überhaupt erst möglich, 8 Milliarden Menschen weltweit zu ernähren. Ohne Futtermittelimporte aus Brasilien oder Argentinien könnten wir uns unsere fleischlastige Ernährung nicht leisten. Die Nahrungsmittelindustrie benötigt vielfältige Antriebe für die Herstellung von Lebensmitteln wie z. B. Elektromotoren für die Kältetechnik oder Fließbänder, für die Flaschenabfüllung, für die Befüllung und das Schließen von Gemüsekonserven.
Auch die effiziente, landwirtschaftliche Bewässerung ist auf Elektronik für Maschinen und Antriebe angewiesen (UBA 2020). Ohne sie wäre nur eine sehr eingeschränkte Wasserversorgung möglich, Grundwasser kann nicht gefördert werden, aus Brunnen könnte nur mit Muskelkraft oder mechanisch mit Windenergie Wasser gepumpt werden. Eine Bewässerung der Felder z. B. für den Gemüseanbau (wie in Europa häufig) wäre im großtechnischen Maßstab kaum möglich.
Elektronik und das SDG 2
Der Bergbau und die Gewinnung der Metalle für die Elektronik haben lokal oder regional negative Folgen, wenn Umweltschutzbestimmungen zu schwach ausgelegt oder erst gar nicht kontrolliert und eingehalten werden. Dies kann zu einer Verschlechterung der Nahrungsmittelproduktion führen, wenn es zu Konkurrenzen zu den dafür relevanten Umweltgütern kommt. Hierzu einige Beispiele:
- Konkurrenz um landwirtschaftliche Flächen: Im Nordosten Sambias liegt die Region Copperbelt auf einem der größten mineralhaltigen Kupferreservoirs der Welt. Aufgrund des feuchten subtropischen Klimas ist die Landwirtschaft die wichtigste Einkommens- und Beschäftigungsquelle des Landes. Die Region ist nach Lusaka das am zweitstärksten besiedelte und dichteste Gebiet in Sambia, 39 Prozent der Bevölkerung leben in städtischen Gebieten. (FAO 2016)
- Eingriffe in die lokale Hydrologie: Zur Erzaufbereitung wird viel Wasser den Fließgewässern oder dem Grundwasser entnommen, rund 70 Prozent des Wasser, was zur Herstellung der Metalle dient, wird allein zur Erzaufbereitung genutzt. Der Bergbau konkurriert damit mit der Landwirtschaft, die gleichfalls auf Wasser angewiesen ist (in Gebieten mit Bergbau). Problematisch für die Landwirtschaft ist zudem die Entwässerung der Gruben und zum Teil die Umleitung von Oberflächengewässern. z. B. in der Konkola Kupfermine in Sambia werden aus der Bergwerksentwässerung 400.000 m3 Wasser pro Tag in Oberflächengewässer eingeleitet (BGR2020:8). Dies ermöglicht einen sicheren und effektiven Abbau, ist gleichzeitig aber eine Belastung für die Gewässer, da Salze und Schwermetalle darin enthalten sind. Diese machen den Anbau von Feldfrüchten in der Umgebung unmöglich. Zudem senkt sich durch diesen Wasserverbrauch der Grundwasserspiegel.
- Schädigung der Biodiversität:
- Moderne Agrosysteme nutzen vielfältige elektronische Systeme und Antriebstechnik. Zukunftsweisend im Sinne eines minimalen Eintrages an Substanzen in die Umwelt sind z. B. Verfahren, die Dünger, Pestizide und Herbizide quasi nach Bedarf den Pflanzen verabreichen. Hierzu ist eine ausgefeilte “intelligente” Sensorik und Steuerung für den sogenannten integrierten Pflanzenschutz notwendig (vgl. agricon o. J.). Durch den verminderten Eintrag wird eine ohnehin belastete Biodiversität möglichst gering zusätzlich belastet.
- Nur mit Hilfe von Elektronik und Maschinen ist es möglich, Ressourcen in allen Regionen der Welt abzubauen und diese nutzbar zu machen. Ein Beispiel ist die Freigabe eines Gebietes namens “Renca” im brasilianischen Urwald (vgl. FAZ 2017). In dem Gebiet sollen große Mengen an Gold, Kupfer, Eisenerz, Mangan und andere Metalle liegen. Die Erschließung dieses Gebietes, ungefähr die Hälfte Baden-Württembergs, wird die dort liegenden Naturschutzgebiete und indigenen Reservate ohne Frage in Mitleidenschaft ziehen. Wenn dort Metalle im Tagebau gefördert werden würden, würde dies zu einem erheblichen Eingriff in die Biodiversität und die Hydrologie aufgrund der hohen Niederschläge im Amazonas(ebd.) führen.
- Belastung von Lebensmitteln durch Transportemissionen: Bis zur Einführung des bleifreien Benzins 1983 gab es eine hohe Belastung von Lebensmitteln mit Blei, welches dem Benzin in einer organischen Form beigemischt wurde um die Verbrennung zu optimieren (UBA 2015:209). Minen und Anlagen zur Verhüttung von Metallen sind außerhalb der hoch entwickelten Länder noch immer eine Quelle für hohe Immissionen in landwirtschaftlichen Produkten. Diese verbleiben nicht nur lokal, sondern werden über die Luftströmungen über alle Kontinente verbreitet, wie sich dies z. B. an den immer noch hohen Bleiwerten in Deutschland zeigt (ebd.).
Elektroniker und Elektronikerinnen können auf die Wertschöpfungskette nur einen geringen Einfluss nehmen. Betriebe ab 3.000 Mitarbeitenden sind jedoch heute schon und ab 2024 Betriebe mit 1.000 Mitarbeitenden (vgl. EQS o. J.) verpflichtet, die Sorgfaltspflichten zu berücksichtigen. Dies bedeutet u. a., sich über die Nachhaltigkeit in ihrer Wertschöpfungskette zu informieren, und bei Missständen (z. B. Kinderarbeit oder Umweltzerstörung) darauf zu reagieren. Sie müssen deshalb global denken und Informationen von ihren Lieferanten einholen. Nachhaltigkeit ist ein globales Ziel, Produkt- und Material“lebensläufe“ können dank moderner und digitaler Technologie transparent gemacht werden. Beispielsweise kann der “ökologische Rucksack” bzw. der “Ressource footprint” hilfreich sein, wie der wupperinst.org/themen/ressourcen/ressourcen-berechnen.
Elektroniker und Landwirtschaft
Der Einsatz digitaler Technologien in der Landwirtschaft findet immer weitere Verbreitung – sowohl im Stall als auch auf dem Feld. Beispiele sind der Einsatz von Sensoren für mehr Tierwohl in der Milchwirtschaft, autonome Fütterungssysteme, die Nutzung von Drohnen für den teilflächenspezifischen Pflanzenschutz oder der Einsatz von Feldrobotern zur Unkrautbekämpfung (Kehl et al. 2021).
Typisch für die Digitalisierung der Landwirtschaft generell sind folgende zwei Eigenschaften: Zum einen kann die landwirtschaftliche Produktion aufgrund der verfügbaren Daten mit einer sehr hohen Präzision erfolgen (teilflächenspezifische Bewirtschaftung / Precision Farming). Zum anderen werden die landwirtschaftlichen Entscheidungen, die früher weitgehend von den Landwirten aufgrund ihres Wissens und ihrer Erfahrungen gefällt wurden, zunehmend von einem vernetzten System übernommen, welches selbstständig Entscheidungsparameter aus mathematischen Modellen zusammenstellt und verarbeitet (Behrendt et al. 2022).
In der Politik wird Digitalisierung als Lösungsansatz angesehen, um den vielfältigen Herausforderungen an die Landwirtschaft (Wettbewerb und Preisdruck auf internationalen Märkten, Arbeitskräftemangel, natürliche Optimierungsgrenzen) erfolgreich zu begegnen. Darüber hinaus werden in der Digitalisierung vielfältige Potenziale für den Umwelt-, Ressourcen- und Klimaschutz gesehen, die den ökologischen Fußabdruck der Landwirtschaft erheblich reduzieren könnten (Kehl et al. 2021). Chancen ergeben sich vor allem in folgenden Bereichen:
- Reduzierter Energieverbrauch: Potenziale zur Reduzierung des Energieverbrauchs ergeben sich u. a. durch teilflächenspezifische Bewirtschaftungsmaßnahmen. Dabei werden Maßnahmen wie Bodenbearbeitung, Pflanzenschutz und Düngung gezielt dort vorgenommen, wo es notwendig ist, und nicht großräumig auf dem gesamten Feld verteilt. Ein solches Vorgehen ermöglicht Kraftstoffeinsparungen und dadurch verringerte Treibhausgasemissionen (Kehl et al. 2021, S. 11). Des Weiteren sind Energieeinsparungen durch den Einsatz von automatischen Lenksystemen möglich. Derartige Lenksysteme nutzen Satellitensignale zur automatischen Übernahme der Traktorsteuerung, wodurch Mehrfachüberfahrten vermieden werden. Dies reduziert den Kraftstoffverbrauch (sowie Arbeitszeit und Ressourceneinsatz) bei der Feldbewirtschaftung (onfarming o. J.).
- Reduzierter Düngemitteleinsatz: Nitrat-Düngemittel zersetzen sich teilweise bakteriell zu N2O, einem Gas mit einer sehr hohen Klimawirksamkeit. Die Menge an eingesetzten Düngemitteln kann durch verschiedene digitale Technologien und Anwendungen verringert werden. Bei Düngestreuern und Gülleverteilern sind Geräte mit einer automatischen Teilbreitenschaltung bereits weit verbreitet. Mit dieser Technologie kann eine dynamische Anpassung von Streubreite und Ausbringmenge vorgenommen werden (z. B. bei schmalen Feldstreifen). Einsparpotenziale lassen sich insbesondere dann realisieren, wenn Düngemaßnahmen teilflächenspezifisch erfolgen, anstatt Düngemittel großflächig auf dem Feld auszubringen. Hierzu werden Applikationskarten erstellt, auf denen festgehalten wird, welche Nährstoffbedarfe in welchen Bereichen eines Feldes vorhanden sind. Die Informationen hierfür werden mittels Bild- und Sensordaten erhoben. Studien gehen davon aus, dass die teilflächenspezifische Düngung einen signifikanten Beitrag zur Minderung des landwirtschaftlichen Zielkonflikts zwischen steigenden Anforderungen an ökonomische Effizienz einerseits und ökologische Nachhaltigkeit andererseits leisten kann (Speckle et al. 2020).
- Reduzierter Pestizideinsatz: Potenziale bestehen auch hier zum Einen bei Geräten mit einer automatischen Teilbreitenschaltung (Möglichkeit der Deaktivierung einzelner Spritzdüsen Segmente), um eine möglichst präzise und sparsame Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln auf dem Feld zu ermöglichen (Motsch et al. 2021). Zum Anderen werden digitale Technologien eingesetzt, um eine teilflächenspezifische Anwendung von Pestiziden zu ermöglichen. So werden beispielsweise Drohnen eingesetzt, um Unkrautnester im Feld zu identifizieren, die dann gezielt bekämpft werden können. Große Chancen werden auch der autonomen Feldrobotik zugerechnet. Dabei fahren Feldroboter autonom über die Fläche. Mithilfe von Sensoren nehmen sie Informationen über den Pflanzenbestand auf, verarbeiten die gesammelten Daten in Echtzeit und können so Nutzpflanzen von Unkräutern unterscheiden. Die auf diese Weise lokalisierten Unkräuter werden daraufhin vom Roboter mechanisch beseitigt. Laut Kehl et al. (2021) haben wissenschaftliche Untersuchungen durchschnittliche Herbizideinsparungen von rund 40 Prozent ermittelt, wenn digitale Technologien verwendet werden.
- Verringerung von Treibhausgasemissionen: Womöglich können digitale Lösungen helfen, Treibhausgase zu verringern. Hervorzuheben sind die automatisierte Fütterung, die durch eine Futteroptimierung zur Methanreduzierung beitragen kann(vgl. UBA 2022), die teilflächenspezifische Bodenbearbeitung und teilflächenspezifische Stickstoffdüngung, die die Bildung von Distickstoffoxid verringern können, sowie automatisierte Lenksysteme, die Kraftstoffeinsparungen und damit die Reduzierung von Kohlendioxidemissionen ermöglichen.
In den letzten Jahren sind eine Vielzahl von Projekten zum Thema Digitalisierung entstanden. Insbesondere wurden vom BMEL 14 digitale Experimentierfelder in der Landwirtschaft eingerichtet. Ziel ist es, digitale Technologien für eine nachhaltige Produktion im Agrarbereich zu fördern. Zu diesem Zweck sollen in landwirtschaftlichen Betrieben unterschiedliche technische Lösungen und Produkte im Zusammenspiel erprobt und bewertet werden (BMEL 2020).
Mit der Weiterentwicklung und der weiteren Verbreitung digitaler Technologien in der Landwirtschaft sind vielfältige positive Umweltwirkungen zu erwarten. Eine Studie von Behrendt et al. (2022) kommt zu dem Schluss, dass Digitalisierung allein jedoch nicht ausreichend ist, um zentrale Umweltprobleme zu lösen. Für eine nachhaltige Transformation der Landwirtschaft sei es notwendig, die Digitalisierung in einen auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Agrarstrukturwandel einzubetten (Behrendt et al. 2022: 31), bei dem Emissionen aus der Rinderhaltung und Agrarabfälle minimiert werden (vgl. Scharp 2019).
Elektroniker und Kein Hunger
Die folgenden Beispiele sollen zum Nachdenken anregen, wie Elektroniker und Elektronikern in diesem SDG tätig werden können:
- Wasserpumpen: Eine einfache Elektronik für Wasserpumpen entwerfen, die auch unter schwierigen Bedingungen (Hitze, Kälte, Staub, Stöße) ohne Wartung Wasserpumpen lange funktionsfähig halten.
- Drohnen: Produkte entwerfen, die selbststeuernd das Pflanzenwachstum und Pflanzenschäden ohne aufwändige IT-Technik bewerten können und robust genug sind, um unter schwierigen Bedingungen zu arbeiten
- Sensorik: Eine einfache und sehr preiswerte Sensorik entwickeln, um wichtige Messwerte der Bodenfruchtbarkeit anzuzeigen, damit Wasser und Dünger sparsam, in Abhängigkeit der jeweiligen Ackerpflanzen, sparsam verwendet werden können.
- Bewässerungsanlagen: Einen robusten, langlebigen, elektronischen Antrieb mit Steuerung für die Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen in ariden und semi-ariden Gebieten entwerfen.
- Unterglasanbau von Gemüse: Eine elektronische Steuerung aller Maßnahmen zur Pflanzenpflege wie Düngung, Bewässerung, Pflanzenschutz entwickeln, die intelligent und ressourcensparend ist.
- PV-Solarkocher: Einen preiswerten Solarkocher entwickeln, der mit einem PV-Modul und Stromspeicher funktioniert.
- PV-Module kombiniert mit Brunnenwasserpumpen, um in Trockenzeiten aus tieferen Wasserständen schöpfen zu können.
- Fahrzeuge: Autonome Kleinfahrzeuge für Liefersysteme in Katastropheneinsätzen entwickeln.
- Drohnen: Ein Drohnensystem entwickeln, mit dem Kleinstbauern ihre Produkte zu lokalen Händlern bringen können.
Quellenverzeichnis
agricon o. J.: Verantwortung übernehmen. Online: https://www.agricon.de/pflanzenschutz
Behrendt, Siegfried; Gegner, Kathrin (2022): Ökologische Effekte smarter Landwirtschaftsmaschinen und Software im landwirtschaftlichen Pflanzenbau. Berlin. (Im Erscheinen)
BGR Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (2020): Kupfer – Informationen zur Nachhaltigkeit. Online: https://www.bgr.bund.de/DE/Gemeinsames/Produkte/Downloads/Informationen_Nachhaltigkeit/kupfer.pdfhttps://www.bgr.bund.de/DE/Gemeinsames/Produkte/Downloads/Informationen_Nachhaltigkeit/kupfer.pdf
BMEL -Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2020): Digitale Experimentierfelder – ein Beitrag zur Digitalisierung in der Landwirtschaft. Online: www.bmel.de/DE/themen/digitalisierung/digitale-experimentierfelder.html
EQS Group (o. J.): Leitfaden zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Online: www.eqs.com/de/landing/leitfaden-lieferketten-sorgfaltspflichtengesetz-lksg
FAO World Food Programme (2016): Online: www.fao.org/3/bl823e/bl823e.pdf, https://www.fao.org/in-action/food-for-cities-programme/pilotcities/kitwe/en/1
FAZ (2017): Riesiger Urwald soll zu Kupfer-, Gold- und Eisenminen werden. Online: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/brasilien-riesiger-urwald-soll-rohstoff-minen-weichen-15166089.html
Kehl, Christoph; Meyer, Rolf; Steiger, Saskia (2021): Digitalisierung der Landwirtschaft: gesellschaftliche Voraussetzungen, Rahmenbedingungen und Effekte. Teil II des Endberichts zum TA-Projekt. TAB-Arbeitsbericht Nr. 194. Hg. v. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag. Online: https://publikationen.bibliothek.kit.edu/1000142951/146338637
onfarming (o. J.): Präzisionslandwirtschaft: Das ganze Betriebspotential nutzen. Online: www.onfarming.at/inhalt/sortiment-ratgeber/ratgeber/landwirte/landtechnik/maschinen-traktoren/automatische-spurfuhrungssysteme-und-lenksysteme-nutzen
Scharp, Michael (2019, Hrsg.): Abschlussbericht zum KEEKS-Projekt. Online: www.keeks-projekt.de
Speckle, Johannes; Angermair, Wolfgang; Brohmeyer, Franziska; Brüggemann, Lena; Spicker, Andreas; Pauli, Sebastian A. (2020): Teilflächenspezifische Düngung als Reaktion auf wachsende gesellschaftliche Anforderungen und als Beitrag zur Entspannung des Widerspruches zwischen Ökonomie und Ökologie. In: Gandorfer et al. (Hrsg.): Informatik in der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft. Fokus: Digitalisierung für Mensch, Umwelt und Tier. 40. GIL-Jahrestagung.
UBA Umweltbundesamt (2015): 30 Jahre Sondergutachten des SRU – Umweltprobleme der Landwirtschaft. Online: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/376/publikationen/umweltprobleme_in_der_landwirtschaft_30_jahre_sru-sondergutachten.pdf
UBA Umweltbundesamt (2020): Effiziente Bewässerungssysteme in der Landwirtschaft. Online: www.umweltbundesamt.de/effiziente-bewaesserungssysteme-in-der-0#undefined
UBA Umweltbundesamt (2022): Lachgas und Methan. Online: www.umweltbundesamt.de/themen/boden-landwirtschaft/umweltbelastungen-der-landwirtschaft/lachgas-methan
SDG 3 Gesundheit und Wohlergehen
“Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern”
Das SDG hat zum Ziel, ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters zu gewährleisten und ihr Wohlergehen zu fördern. Wie schon bereits erwähnt betrifft auch dieses SDG Elektroniker und Elektronikerinnen einerseits indirekt über die Wertschöpfungskette der notwendigen Ressourcen zur Herstellung von Ressourcen bei folgendem Unterziel:
3.9 Bis 2030 die Zahl der Todesfälle und Erkrankungen aufgrund gefährlicher Chemikalien und der Verschmutzung und Verunreinigung von Luft, Wasser und Boden erheblich verringern
Andererseits haben Elektroniker und Elektronikerinnen, die mit Maschinen und Antriebstechnik arbeiten oder eine Haustechnik anlegen, auch eine direkte Beziehung zu Emissionen. Dies spiegelt sich wieder in den beiden nationalen Indikatoren (Hinweis: Die Nummerierung der nationalen Indikatoren geht nicht einher mit den Unterzielen der SDGs):
3.2.a) Emissionen von Luftschadstoffen
3.2.b) Anteil der Bevölkerung mit erhöhter PM10-Feinstaubexposition.
Demzufolge gibt es zwei Positionen der Standardberufsbildposition, die in Verbindung mit dem SDG stehen:
3e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
3f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Elektronik und das SDG 3
Jedes Bauteil des Elektrohandwerks besteht aus zwei Basismaterialien: Metalle und Kunststoffe. Die Gewinnung und Herstellung dieser Basismaterialien ist fast immer mit Gefahren für die Umwelt verbunden: Durch deren Eintrag in Wasser, durch Emission in die Luft und durch Schädigung bzw. Zerstörung von Landflächen oder der biologischen Vielfalt. Gerade bei der Gewinnung von Metallen in Minen und Hütten zur Herstellung von Halbzeugen können auch gesundheitliche Schädigungen der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sowie der regionalen Anwohner verursacht werden. Zwei besonders gravierende Beispiele der letzten Jahre sind ein Dammbruch in Brumdinho (Brasilien, Eisenschlamm-Absetzbecken, DW 2021) und in Kolontar (Ungarn, Aluminiumschlamm-Absetzbecken (Ingenieur.de 2010). Andererseits ermöglichen erst Maschinen und Antriebe uns ein Leben ohne Hunger (industrielle Landwirtschaft), in Wohlstand (Technische Arbeitserleichterungen), in Sicherheit (Feuerwehr- und Rettungsfahrzeuge) und mit einer guten Gesundheitsversorgung (Insulin-Pumpen und Beatmungsgeräte). Im Folgenden soll beispielhaft an Kupfer und PVC, zwei der wichtigsten Basismaterialien für die Elektronik, aufgezeigt werden, welche Risiken die Wertschöpfungskette hat.
Umweltrisiken bei der Kupferherstellung
Der Kupferbergbau, die Verhüttung und die Herstellung von Halbzeugen verursacht Reststoffe. In Abhängigkeit von den lagerstättenspezifischen mineralogischen und geochemischen Eigenschaften der Mineralien, der Art der Aufbereitung sowie den lokalen Bedingungen geht immer Gefahr für die Umwelt aus. Nur Platin, Gold und Silber sind als Edelmetalle “metallisch” im Gestein, alle anderen sind Oxide oder Sulfide mit vielen assoziierten Schwermetallen (z. B. Zink, Blei, Arsen, Antimon). Fast alle Aufbereitungstechnologien, vom Erz zu einem verhüttungsfähigen Zwischenmaterial, nutzen Wasser, entweder als Transportmedium oder als Medium für anschließende chemische Prozesse in Lösungen. Wasser ist häufig für etwa 70 Prozent des Schadstoffaustrags verantwortlich (BGR 2020). Aufgrund der häufig sulfidischen Mineralogie von Kupferlagerstätten ist die Bildung saurer Grubenwässer eine besondere Herausforderung. Die oxidative Verwitterung (eisen)-sulfidischer Minerale führt zur Bildung von Schwefelsäure und daraufhin zur Freisetzung von teilweise toxischen Elementen, die neben Kupfer im Gestein vorhanden sind und von der Schwefelsäure gelöst werden. Viele dieser Elemente sind unter den sauren Bedingungen sehr mobil und können so in die Umwelt gelangen.(ebd. 2020)
Neben den wässrigen Abfällen sind die typischen Brenn- und Schmelzprozesse eine zweite Quelle für Umweltgefährdungen. Abgasemissionen sind bei der Verhüttung und Rösten von Kupfer ein besonders kritischer Punkt, vor allem Schwefeldioxid, welches beim Rösten von sulfidischen Erzen entsteht, muss aus der Abluft abgeschieden werden. Probleme wurden vor allem bei veralteten Kupferhütten, z. B. in Sambia und in Russland, beobachtet. Diese führten zu gesundheitlichen Problemen der Beschäftigten und der örtlichen Bevölkerung. Moderne Abluftfilter filtern bis zu 99 Prozent des Schwefeldioxids aus der Abluft und nutzen diese für die Herstellung von Schwefelsäure. Allerdings finden sich die meisten Minen – außer in den USA und Australien – in Ländern mit niedrigeren Umweltstandards oder in Ländern mit weniger strengen Kontrollen. Rusal – der größte Aluminiumhersteller der Welt – verwendete noch 2011 eine Technologie der Aluminiumschmelze, die aufgrund der Umweltbelastung in Deutschland seit den 80iger-Jahren nicht verwendet wurde (HBS 2011). In Europa hingegen steht dessen größte Kupferhütte im Hamburger Hafen, quasi mitten in der Stadt und in Rotterdam hat Umicor die größten europäischen Aufbereitungsanlagen für Elektroschrott. Diese Beispiele zeigen, dass Verhüttungstechnik mit moderner Aufbereitungstechnik für Abwasser und Luft auch mitten in unserer Gesellschaft möglich ist.
Der Bergbau von Kupfer findet vor allem im globalen Süden statt. Bei der Extraktion im Tagebau entstehen Luftbelastungen durch Schwermetalle in Stäuben, vorwiegend Arsen (ingenier.de 2014), wie am Beispiel der Chuquicamata Mine in Chile kürzlich nachgewiesen werden konnte (NDR 2022). Dort lagen bei Messungen im Jahr 2021 an zwei ausgewählten Orten, einer Schule und einem Sportplatz, die Arsenwerte 200 Prozent über dem nationalen Grenzwert, dieser liegt derzeit 115 Prozent höher als die europäischen Grenzwerte. Schwermetallbelastungen in der Luft können das Krankheitsrisiko erhöhen. Laut einer Studie der Universität Berkeley (ebd. zitiert nach NDR), erkranken in der Region rund um diese Mine 5 bis 6 Mal mehr Menschen an Blasenkrebs als im Rest des Landes, die Sterberate bei Nierenkrebs erhöhte sich in den vergangenen 9 Jahren um 75 Prozent und insgesamt liegen die Krebsraten 5 bis 7 Mal höher als im Rest von Chile. Bezüglich der Belastung von Oberflächengewässern durch den Kupferbergbau siehe SDG 6 “Sauberes Wasser”.
PVC und Weichmacher
Polyvinylchlorid (PVC) ist ein thermoplastisches Polymer, das durch Kettenpolymerisation aus dem Monomer Vinylchlorid hergestellt wird. Vinylchlorid wird über die Reaktion von Ethen (Hergestellt durch Raffination und Cracken von Erdölprodukten ) und Chlor (Herstellung durch Chlor-Alkali-Elektrolyse) im großtechnischen Maßstab hergestellt. Vinylchlorid ist nach IARC ein Karzinogen der Stufe 1. PVC als Isolierung von Leitungen enthält aber bestenfalls noch Spuren von Vinylchlorid (Chemie.de o. J.). Die wichtigste Anwendung von PVC sind Fenster, Rohre, Fußbodenbeläge oder Dachbahnen. Allein diese Beispiele zeigen, dass das Material in verarbeiteter Form schadstofffrei und ungefährlich ist.
PVC-Leitungen enthalten jedoch etwa 20-25 Prozent Weichmacher, in der Regel Diethylhexylphthalat (DEHP, Forum Nachhaltiges Bauen (FNB) o. J.a). Dieser Weichmacher war bis Anfang der 2000er-Jahre der in Europa am häufigsten produzierte Weichmacher. Im Tierversuch war er nachweislich schädlich für die Fortpflanzungsfähigkeit (Stiftung Warentest 2007). Bedenklich war der Einsatz dieses Weichmachers insbesondere in Lebensmittelverpackungen. DEHP gilt als „möglicherweise krebserregend für den Menschen“, wurde jedoch 2001 von der Schwedischen Gesundheitsbehörde (nach FNB o. J.) neu bewertet und als „nicht-klassifizierbar in Bezug auf krebserregende Effekte für den Menschen“ eingestuft. Noch nicht abschließend geklärt ist, ob DEHP Einfluss auf das menschliche Hormonsystem nimmt. Da DEHP in Gewässern längerfristig schädliche Wirkungen hat, schlägt das Umweltbundesamt (UBA 2007) vor, DEHP gemäß Gefahrstoffverordnung als umweltgefährlich einzustufen. Als Stabilisatoren für PVC-Leitungen werden vorwiegend Bleistabilisatoren eingesetzt, die fest in die PVC-Matrix eingebunden sind und nur im Brandfall freigesetzt werden. (Forum Nachhaltiges Bauen o. J.b)
Gesundheitsschutz durch elektronische Systeme
Erst durch die Erfindung der Dampfmaschine durch James Watt – der seine Erfindung auf Vorarbeiten anderer Erfinder entwickelte – wurde das Industriezeitalter und ein breiter Wohlstand möglich. Elektrotechnische Systeme sind unabdingbar für alle industriellen, aber auch für soziale und lebensnotwendige Prozesse: Von der Schifffahrt, die Nahrungsmittel und Rohstoffe aus aller Welt zu uns befördert, über den Flug in weite Urlaubsländer und Windenergieanlagen zur Stromversorgung bis hin zu Herz-Lungen-Maschinen – überall stecken Antriebe in den Maschinen.
Gesundheitliche Risiken gehen eigentlich nur von Maschinen aus, die Verbrennungsprozesse nutzen, die auf den Antrieb angewiesen sind (Tankerunfälle und Flugzeugabstürze) oder bei Störfällen in Großanlagen wie z. B. Atomkraftwerke vorkommen. Eine alltägliche und allgegenwärtige Gesundheitsgefahr sind die Emissionen z. B. aus Pkw-Motoren (Ruß und NOx) oder von Schiffen, die Schweröl – eigentlich ein Abfallprodukt der Erdölraffination von der Konsistenz von Teer – verbrennen.
Im Gesamtprozess der Fertigung von Elektronik entstehen durch verschiedene Verfahren (Schneiden, Bestücken, Löten, Bonden, Kleben, Markieren und Vergießen) luftgetragene Schadstoffe. Diese können schädliche Auswirkungen auf Mitarbeitende und Produktqualität haben. (Meißner 2014). Es gilt verschiedene Emissionen zu bedenken, die nicht in die Umwelt gelangen sollten. Als Beispiel sei Lötrauch benannt: beim Handlöten wurde ermittelt: Konzentration bei bleihaltigem Lot: ca. 1 mg/m³ und Konzentration bei bleifreiem Lot: ca. 1,3 mg/m³. Mengen und Anteile dieser Stoffe sind abhängig von der Zusammensetzung des Lotes sowie der Löttemperatur (ebd.). Bedingt durch die Kombination der Schadstoffe im Lötrauch kommen zur optimalen Abscheidung Kombinationsfilter zum Einsatz. Diese bestehen aus Resublimationsfilter, Partikelfilter in mehreren Stufen sowie Adsorptionsfilter. Bei größeren Wellenlötanlagen erfolgt eine getrennte Filtration von Fluxer und Lötwelle (ebd.). Problematisch wird es, wenn in Fabriken Abluftanlagen und Schutzkleidung fehlen. Die Behandlung von lösemittel- und geruchsbelasteter Abluft kann auch durch chemische oder biologische Abluftreinigung (LFU Brandenburg 2005) geleistet werden. Der Vorgang basiert auf einem natürlichen Prozess. Die Mikroorganismen sind auf der Oberfläche des Filtermaterials angesiedelt. Beim Durchströmen der Abluft durch den Biofilter erfolgt die Ab- bzw. Adsorption der Schadstoffe. Nach dieser Prozessstufe sind die angesiedelten Mikroorganismen in der Lage die Kohlenstoffverbindungen zu verstoffwechseln. Als Endprodukt entstehen Kohlenstoffdioxid und Wasser. Entscheidend für Emissionen ist der Produktionsstandort und die damit verbundenen Emissionsverordnungen sowie die Kontrolle derselben durch die Aufsichtsbehörden. In Deutschland ist die BImSch (dejure.org) der “Goldstandard”, dem sich alle produzierenden Betriebe unterwerfen müssen.
Die Abgasstandards sind manchmal so hoch, dass die Hersteller von Fahrzeugen Schwierigkeiten haben, diese zu erfüllen, wie das Beispiel der Thermo-Fenster oder auch „Diesel-Skandal“ genannt, zeigen. Hierbei wurde von allen namhaften Herstellern von Pkw’s ein System der Abgasreinigung eingebaut, das bei bestimmten (niedrigen) Temperaturen die Abgasreinigung abschaltet (vgl. Spiegel 2022). Der Grund hierfür war das Konzept der Abgasreinigung. Bei zu hohen Schadstoffwerten des Abgases wird ein Teil wieder in den Motor zurückgeleitet und “erneuert verbrannt”. Dies ist nur innerhalb eines bestimmten Temperaturintervalls besonders wirksam, weshalb eine vollständige Abgasreinigung nur zwischen 15 und 33 Grad Celsius elektronisch gesteuert erfolgt. Auf den Prüfständen, wo die Einhaltung der Abgasgrenzwerte gemessen werden, wurden die zulässigen Werte nicht überschritten. Der Europäische Gerichtshof hätte eine Ausnahme nur dann gebilligt, wenn es ohne die Abschaltung zu Motorschäden gekommen wäre.
Elektromotoren hingegen sind im Betrieb emissions- und -risikofrei. Es kommt darauf an, inwieweit man ein gesundheitliches Risiko einer Maschine oder einer Anlage zuordnet. Dies kann man am Beispiel von Windkraftanlagen zeigen. Von einer Windkraftanlage z. B. gehen Schall- und Lichtemissionen (Schattenwurf, Spiegelungen, Lichteffekte des Kollosionsschutzes) aus. Die Schallemissionen entstehen nicht durch den Generator oder die Antriebstechnik zur Ausrichtung der Nabe, sondern durch die Bewegung der Windflügel (FA Windenergie o. J). Ohne Stelltechnik und ohne Generator wäre die Anlagenkonstruktion nur auf dem Niveau einer Windmühle möglich. Dieses Beispiel zeigt, dass Elektronik und Maschinen einerseits essentiell für unser modernes Leben sind. Andererseits führt ihre Nutzung zu direkten Emissionen oder zu indirekten Schäden z. B. durch individuelle Mobilität.
Gesundheitsgefährdung durch Schrottexporte
In Deutschland fallen pro Kopf und Jahr ca. 22 kg Elektroschrott an. Diese Menge umfasst entsorgte Waschmaschinen und Staubsauger, Smartphones und Computer, Fernseher und Videorecorder, Bohrmaschinen und Rasenmäher sowie viele andere elektrische und elektronische Produkte. Im internationalen Vergleich liegt das weit über dem Durchschnitt: Weltweit fallen ca. 6 kg pro Kopf und Jahr an (UN/ITU/ISWA 2017). In Deutschland werden nur 35-40 Prozent des Elektroschrotts in Deutschland recycelt. Pro Jahr werden rund 1 Mio. t Elektrogeräte hierzulande nicht erfasst. Sie landen wahrscheinlich im Restmüll oder werden illegal exportiert, um entweder auf Mülldeponien zu landen oder “recycelt” zu werden (AK Rohstoffe 2020). Eine unsachgemäße Entsorgung der Geräte kann erhebliche Folgen für die Gesundheit und Umwelt haben.
Das Elektro- und Elektronikgerätegesetz, das u. a. auf europäische Vorgaben aus der WEEE-Richtlinie (Elektro- und Elektronikgeräte-Abfall-Richtlinie) zurückgeht, verbietet eigentlich den Export von Elektroschrott in Länder ohne ausgebautes Recyclingsystem. Das Verbot wird jedoch umgangen, indem die Ware als noch funktionstüchtig deklariert wird und in den Häfen der Ankunftsländer kaum kontrolliert wird (welt 2022). Seit Jahren steigt die Menge an illegal in Entwicklungs- und Schwellenländer verschifften Elektroschrotts kontinuierlich an (Global Ewaste Monitor 2017).
Ein Teil wird nach Ghana verschifft, eigentlich um dort recycelt zu werden. Agbogbloshie ist eine sehr große Elektro- und Elektronikschrott Deponie mitten in der Hauptstadt Accra. Geschätzt arbeiten dort etwa 60.000 Menschen mit Familienangehörigen und Kindern (dlf 2019); zum Teil leben diese Menschen mit ihren Familien direkt auf der Deponie und sind großen Gesundheitsrisiken, vor allem durch giftige Dämpfe, ausgesetzt. Um an wertvolle Stoffe wie Aluminium oder Kupfer zu kommen, wird der Schrott, wie Leitungen oder Netzstecker, auf offenem Feuer verbrannt. Hierdurch werden nur die leicht zugänglichen Massenmetalle zurückgewonnen (Aluminium und Kupfer). Die Vielzahl von Elementen, die die eigentliche Funktionsweise von Dioden, Kondensatoren, Chips und Widerständen ermöglichen (Nebengruppen-Elemente), können unter diesen Bedingungen nicht zurückgewonnen werden.
Als Folge stehen die Menschen stundenlang im dunklen Qualm aus verbranntem Plastik, der krebserregende Aromate enthält. Anschließend werden Metallteile zum Teil mit bloßer Hand aus der Asche gesammelt (welt 2022; zdf 2020). Die Rückstände der Verbrennung enthalten Metalle wie Blei, Quecksilber, Cadmium und Arsen aus den Elektronikbauteilen. Diese werden über Stäube eingeatmet oder vom Regen in den Boden und die Gewässer gespült, aus denen Wasser für den alltäglichen Gebrauch entnommen wird (ebd. 2022; 2020).
Die Folge ist eine hohe Schwermetallbelastung der Menschen auf der Deponie und der Menschen, die in der Nähe der Mülldeponie leben. Die gesundheitlichen Auswirkungen betreffen vor allem das Organsystem, besonders die Lunge, Nieren, Schilddrüse und das Herz-Kreislaufsystem (WHO 2021). Des Weiteren steigt die Wahrscheinlichkeit einer Krebserkrankung und kann bei Kindern zusätzlich die DNA und Gehirnentwicklung schädigen (ebd. 2021). Auch schwangere Frauen und damit das ungeborene Kind sind erheblich von den Auswirkungen betroffen. Die WHO nennt eine Vielzahl möglicher Konsequenzen: Tot- und Frühgeburten, Untergewicht, neurologische Beeinträchtigungen, wie Verhaltensprobleme, ADHS und kognitive Einschränkungen (ebd. 2021).
Seitens des Entwicklungshilfeministeriums wurde eine Initiative angestoßen, in Ghana eine moderne Recycling-Wirtschaft auszubauen (Deutschlandfunk 2019). Um die Plastikverbrennung zusätzlich zu stoppen, werden Modelle getestet, Altgeräte vor Ort aufzukaufen und diese fachgerecht zu verwerten (welt 2022).
Quellenverzeichnis
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Spiegel (2022): EuGH erklärt Thermofenster in Dieselfahrzeugen für unzulässig. Online: www.spiegel.de/auto/volkswagen-europaeischer-gerichtshof-erklaert-thermofenster-in-diesel-fahrzeugen-fuer-unzulaessig-a-5be63140-54a8-4455-be7f-8690012d422b
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vinyl (o. J.): Brandverhalten. Online: https://www.vinylplus.de/alles-ueber-pvc/brandverhalten
Welt (2022): 53,6 Millionen Tonnen Elektroschrott im Jahr – unser Müllproblem landet in Afrika. Online: https://www.welt.de/wirtschaft/article238358957/Elektroschrott-Warum-alte-Handys-und-Laptops-in-Afrika-landen.html
WHO (2021): Soaring e-waste affects the health of millions of children. Online: https://www.who.int/news/item/15-06-2021-soaring-e-waste-affects-the-health-of-millions-of-children-who-warns
zdf (2020): Hier landen unsere alten Handys. Online: https://www.zdf.de/nachrichten/video/wirtschaft-fast-phone-ghana-100.html
SDG 4 Hochwertige Bildung
“Inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten lebenslangen Lernens für alle fördern”
Das SDG zielt primär auf die globale Entwicklung von guten Bildungssystemen ab. Im Berufsbildungssystem ist Deutschland weltweit führend – trotz einiger Defizite wie Personalausstattung, Digitalisierung oder knappe Investitionsbudgets – und viele Länder versuchen ein ähnliches Berufsbildungssystem wie in Deutschland aufzubauen. Insofern ist vor allem das Unterziel 4.7 relevant:
Bis 2030 sicherstellen, dass alle Lernenden die notwendigen Kenntnisse und Qualifikationen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung erwerben, unter anderem durch Bildung für nachhaltige Entwicklung und nachhaltige Lebensweisen, ….
Das SDG 4 spiegelt sich in der fachlichen Unterrichtung der Stichpunkte der anderen SDG wieder, mündet aber vor allem in den Positionen e und f der neuen Standardberufsbildposition (BMBF 2022):
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
10 “Goldene Handlungsregeln” für eine BBNE
Die Nachhaltigkeitsforschung und die Bildungswissenschaften haben inzwischen umfassende Erkenntnisse gesammelt, wie eine berufliche Bildung für Nachhaltigkeit gefördert werden kann (vgl. u. a. vgl. Schütt-Sayed u.a. 2021; Kastrup u. a. 2012; Melzig u. a. 2021). Das Ergebnis sind die folgenden 10 didaktischen Handlungsregeln, die das Berufsbildungspersonal dabei unterstützen, Lehr-/Lernprozesse zielgruppengerecht und angemessen zu gestalten. Diese insgesamt 10 Handlungsregeln lassen sich in vier Schritten zuordnen.
Schritt 1 – Richtig anfangen:
Identifizierung von Anknüpfungspunkten für BBNE
1) Ansatzpunkte: Fordern Sie die Verantwortung im eigenen Wirkungsraum heraus, ohne die Berufsschüler und Berufsschülerinnen mit „Megaproblemen“ zu überfordern!
2) Anknüpfungspunkte: Die Curricula sind Grundlage der Lehr-/Lernprozesse – es kommt darauf an, sie im Sinne der Nachhaltigkeit neu zu interpretieren!
3) Operationalisierung: Nachhaltigkeit ist kein „Extra- Thema“, sondern ein integraler Bestandteil des beruflichen Handelns!
Um nachhaltigkeitsorientierte Lehr-/Lernarrangements zu entwickeln, sind zunächst Anknüpfungspunkte für Nachhaltigkeit in den betrieblichen Abläufen zu identifizieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Ausbildungsordnungen und Lehrpläne die rechtliche Grundlage der beruflichen Bildung sind. Es gilt diese im Sinne der Nachhaltigkeit zu interpretieren, sofern nicht bereits konkrete Nachhaltigkeitsbezüge enthalten sind.
Wichtig ist dabei, dass Auszubildende nicht mit den „Megaproblemen“ unserer Zeit überfordert werden, sondern zur Verantwortung im eigenen Wirkungsraum herausgefordert werden – sowohl im Betrieb als auch im Privaten. Denn Auszubildende sind selbst Konsument/-innen, die durch eine angeleitete Reflexion des eigenen Konsumverhaltens die Gelegenheit erhalten, ihre „Wirkungsmacht“ im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit in ihrer eigenen Branche zu verstehen.
Schritt 2 – Selbstwirksamkeit schaffen:
Eröffnung von Nachhaltigkeitsorientierten Perspektiven
4) Handlungsfolgen: Berufliches Handeln ist nie folgenlos: Machen Sie weitreichende und langfristige Wirkungen erkennbar!
5) Selbstwirksamkeit: Bleiben Sie nicht beim „business as usual“, sondern unterstützen Sie Schüler*innen dabei, Alternativen und Innovationen zu entdecken!
6) Zielkonflikte: Verstecken Sie Widersprüche nicht hinter vermeintlich einfachen Lösungen, sondern nutzen Sie sie als Lern- und Entwicklungschancen!!
7) Kompetenzen: Bildung für nachhaltige Entwicklung verbindet Wahrnehmen, Wissen, Werten und Wirken!
Im nächsten Schritt sind nachhaltigkeitsorientierte berufliche Perspektiven für die Auszubildenden zu eröffnen. Diese sollten an einer positiven Zukunftsvision und an Lösungen orientiert sein. Auszubildenden sind dabei die weitreichenden Wirkungen ihres Handelns vor Augen zu führen. Sie sollen verstehen können, warum ihr Handeln nicht folgenlos ist. Das bedeutet gleichzeitig, Auszubildenden die positiven Folgen eines nachhaltigen Handelns vor Augen zu führen. In diesem Zusammenhang ist die Selbstwirksamkeitserfahrung von großer Bedeutung. Sie ist eine der Voraussetzungen, um motiviert zu handeln. Auszubildende dabei zu unterstützen, Alternativen zum nicht-nachhaltigen Handeln zu erkennen und Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung zu entdecken, sollte dabei für Lehrpersonen selbstverständlich sein. Dabei ist immer die individuelle Motivation der Auszubildenden entscheidend, denn zum nachhaltigen Handeln braucht es nicht nur Wissen (Kopf), sondern auch authentisches Wollen (Herz). Wesentlich ist hierbei die Gestaltung ganzheitlicher Lernprozesse, die sowohl den kognitiven als auch den affektiven und psychomotorischen Bereich einbeziehen (vgl. Költze, S.206).
Schritt 3 – Ganzheitlichkeit:
Gestaltung transformativer Lernprozesse
8) Lebendigkeit: Ermöglichen Sie lebendiges Lernen mit kreativen und erfahrungsbasierten Methoden!
9) Beispiele: Nutzen Sie motivierende Beispiele: Sprechen Sie über Erfolgsgeschichten, positive Zukunftsvisionen und inspirierende Vorbilder!
Aber wie können Lernsituationen in der Praxis so gestaltet werden, dass sie ganzheitlich aktivierend für die Auszubildenden sind? Es sollte ein lebendiges Lernen mit Hilfe kreativer, erfahrungsbasierter Methoden ermöglicht werden. Dies ist ein grundlegender (kein neuer) didaktischer Ansatz für die Förderung einer nachhaltigkeitsorientierten Handlungskompetenz. Im Kern bedeutet dies: Lernen mit Lebensweltbezug, welches ausgerichtet ist auf individuelle Lebensentwürfe und das eigene (auch künftige) berufliche Handlungsfeld, z. B. indem Recherchen im eigenen Unternehmen zu Möglichkeiten der Energieeinsparung durchgeführt werden. Lernen soll vor diesem Hintergrund vor allem unter Berücksichtigung der Sinne stattfinden, d. h. mit Körper und Geist erfahrbar sowie sinnlich-stimulierend sein. Die Auszubildenden sollen sich dabei zudem als Teil einer gestalterischen Erfahrungsgemeinschaft erleben. Dies kann durch gemeinsame Reflexionen über das eigene Verhalten und persönliche Erfahrungen gefördert werden, beispielsweise durch die Entwicklung und Verkostung eigener Lebensmittelkreationen unter Nachhaltigkeitsaspekten. Hierfür muss unbestritten immer auch der „Raum“ zur Verfügung stehen (siehe z.B. Hantke 2018 „‘Resonanzräume des Subpolitischen‘ als wirtschaftsdidaktische Antwort auf ökonomisierte (wirtschafts-)betriebliche Lebenssituationen“). Ebenso können motivierende Beispiele helfen – wie z. B. Erfolgsgeschichten und inspirierende Vorbilder.
Schritt 4 – Lernort Betrieb:
Entwicklung nachhaltiger Lernorte
10) Lernende Organisationen: Auch Organisationen können „Nachhaltigkeit lernen“: Entwickeln Sie Ihre Institution Schritt für Schritt zum nachhaltigen Lernort!
Schließlich geht es im vierten Schritt darum, den Lernort in den Blick zu nehmen und diesen als nachhaltigen Lernort zu gestalten. Den gesamten Betrieb nachhaltig auszurichten ist u. a. deshalb entscheidend, da andernfalls die an Nachhaltigkeit orientierten Inhalte der Ausbildung wenig glaubwürdig für Auszubildende sind. Der Betrieb als Institution sollte dafür an einem gemeinschaftlichen Leitbild ausgerichtet sein, welches neben den üblichen ökonomischen auch soziale und ökologische Ziele beinhaltet. So kann BBNE überzeugend in die Organisation integriert und vom betrieblichen Ausbildungspersonal umgesetzt werden.
Quellenverzeichnis
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
Kastrup, Julia; Kuhlmeyer, Werner; Nölle-Krug, Marie (2022): Aus- und Weiterbildung des betrieblichen Bildungspersonals zur Verankerung einer Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. In: MICHAELIS, Christian; BERDING, Florian (Hrsg.): Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Umsetzungsbarrieren und interdisziplinäre Forschungsfragen. Bielefeld 2022, S. 173-189
Költze, Horst (1993): Lehrerbildung im Wandel. Vom technokratischen zum humanen Ausbildungskonzept. In Cohn, Ruth C.; Terfurth, Christina (Hrsg.): Lebendiges Lehren und Lernen. TZI macht Schule. Klett-Cotta. S. 192 – 212
Handke, Harald (2018): „Resonanzräume des Subpolitischen“ als wirtschaftsdidaktische Antwort auf ökonomisierte (wirtschafts-)betriebliche Lebenssituationen – eine Forschungsheuristik vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeitsidee. In bwp@Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online (Nr. 35), 2018, S. 1-23.
Melzig, Christian; Kuhlmeyer, Werner; Kretschmer, Susanne (Hrsg. 2021): Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Die Modellversuche 2015–2019 auf dem Weg vom Projekt zur Struktur. Bonn 2021. Online: https://www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/show/16974
Schütt-Sayed, Sören; Casper, Marc; Vollmer, Thomas (2021): Mitgestaltung lernbar machen – Didaktik der Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. In: Melzig, Christian; Kuhlmeier, Werner; Kretschmer, Susanne (Hrsg.): Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Die Modellversuche 2015–2019 auf dem Weg vom Projekt zur Struktur. S. 200-227. Online: https://www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/show/16974
SDG 6 Sauberes Wasser
“Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärversorgung für alle gewährleisten”
Das SGD 6 “Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen” verfolgt im Prinzip fünf Ziele, von denen drei direkt und eines indirekt mit dem Bergbau von Rohstoffen zusammenhängen können:
6.1 Die Versorgung der Menschen mit Trinkwasser (indirekt durch Nutzungskonkurrenzen);
6.3 die Verringerung der Verschmutzung der Wasserressourcen;
6.4 eine effiziente Nutzung von Wasser
- 6.4.1 Veränderung der Wassernutzungseffizienz im Zeitverlauf
- 6.4.2 Grad an Wasserstress: Süßwasserentnahme im Verhältnis zu den vorhandenen Süßwasserressourcen6.5 den Schutz der Ökosysteme.
Die Schnittmenge für das SDG 6 ergibt sich aus den Nummern a und b der Standardberufsbildposition (BMBF 2022):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
Elektroniker und “Sauberes Wasser”
Elektroniker und Elektronikerinnen aller Fachrichtungen haben die Grundqualifikation an diesem SDG sowohl direkt als auch indirekt mitzuwirken:
Direkt ist ihre Mitwirkung, “Sauberes Wasser” ist ohne Elektronik nicht denkbar. In Pumpwerken, Regenrückhaltebecken und Kläranlagen regeln Elektroschaltanlagen und -Steuerungen das Funktionieren – ein Spezialgebiet für Elektrofachleute (Klärwerk.info o. J.). Nur durch Grundwasser- oder Brunnenpumpen können wir den Wasserbedarf von Milliarden von Menschen nicht decken. Ohne die Elektronik von Pumpen und Maschinen kann Abwasser nicht aufbereitet werden.
Aber gleichzeitig ermöglicht es die Elektronik auch, Pumpen anzutreiben, die ungereinigte oder nur notdürftig gereinigte Industrieabwässer in Oberflächengewässer einzuleiten oder verschmutztes Ballastwasser aus Schiffen ins Meer zu pumpen.
Indirekt führt die bergbauliche Gewinnung und die Verhüttung der notwendigen Ressourcen für die Elektronik zu großen lokalen oder sogar regionalen Wasserproblemen (UBA 2021), wenn die Umweltvorschriften oder deren Umsetzung zur Wassergewinnung und zur Abwasserbehandlung nur unzureichend oder überhaupt nicht beachtet werden. Dies ist in vielen rohstoffreichen Ländern in Südamerika oder Asien häufig der Fall. Deshalb ist hier die Wertschöpfungskette unter dem Aspekt des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (bekannter unter dem Namen “Lieferkettengesetz”) von Relevanz, siehe unter Kapitel SDG 8 “Sorgfaltspflichten.
Elektronik, Wasser und Kupfergewinnung
Die direkten und indirekten Wirkungen lassen sich beispielhaft an der Kupferherstellung erklären, gelten aber auch für viele andere Metalle, ohne die eine Elektronik nicht möglich wäre. Die Kupferherstellung, vom Bergbau einer Mine über die Verhüttung bis hin zur Elektrolyse des Kupfers zur Herstellung der Elektrolyseplatten, (als Ausgangsmaterial für Halbzeuge wie Stangen oder Drähte) benötigt sehr viel Wasser. Wasser ist deshalb immer ein zentraler Aspekt der Nachhaltigkeit in der Kupfergewinnung, ist aber je nach Lokalisation der Gruben, der Hütten und der Verarbeiter bis hin zu den Halbzeugen unterschiedlich gelagert. Die Minen liegen zumeist in ariden Gebieten wie z. B. in Chile oder Australien, hier muss Oberflächenwasser über Pumpsysteme oder Tanklaster herbeigeschafft oder durch Eingriffe in das tiefe Grundwasser gewonnen werden (UBA 2013, BGR 2020). Beides verschärft die Wasserknappheit in den ariden Regionen, es ergeben sich Nutzungskonkurrenzen sowohl für das Trinkwasser der Menschen als auch für die Landwirtschaft. Liegt die Mine hingegen in Gebieten mit periodisch hohen Niederschlägen und zugleich im Tagebau wie z. B. in Sambia, so laufen die Gruben voll und das Wasser muss abgepumpt, aufgrund der Schwermetallbelastung aus der Grube aufbereitet und dann abgeleitet werden (BGR 2020).
Das Kupfer, das für die Elektronik verbaut wird, kann nur mit Wasser als Prozessstoff hergestellt werden. Die Gesamtmenge an Wasser, die schließlich für eine Menge Rohstoff benötigt wird, nennt man entweder den Wasserfußabdruck oder das „virtuelle Wasser”(UBA 2022). Hierbei unterscheidet man “grünes Wasser”, das aus dem Regen, “blaues Wasser” , das aus Flüssen oder Grundwasser stammt. “Graues Wasser” ist die Wassermenge, die benötigt wird, um in der Industrie genutztes Wasser so weit zu verdünnen, dass es den gesetzlichen Qualitätsanforderungen genügt. Der internationale Standard zum Wasser-Fußabdruck (ISO 14046) definiert einen Wasserfußabdruck als „Kennzahl(en) zur quantitativen Bestimmung der potenziellen Umweltwirkungen im Zusammenhang mit Wasser“ (UBA 2022).
Wasser wird bei der Kupferherstellung für die Aufbereitung, das Mahlen und das Flotieren sowie als Transportmedium benötigt, um die Aufbereitungsabgänge in das Absetzbecken zu leiten. Der Wasserbedarf für den Bergbau und die Aufbereitung von Kupfererz ist sehr groß, er kann bis zu 350 m3 pro Tonne Kupfer liegen (BGR 2020). Eine der weltgrößten Minen, die Chuquicamata in Chile, verbraucht pro Jahr 60 Mio m3 Wasser (UBA 2013). Die Minenbetreiber greifen hierbei auf Oberflächengewässer in der Umgebung zurück. Im Ergebnis sind in der Umgebung fast alle Flüsse sowie das Ackerland ausgetrocknet, der lokalen Landwirtschaft fehlt das Wasser und die Felder vertrocknen (NDR 2022). Die regionale Wasserentnahme führt deshalb insbesondere in ariden und auch in semi-ariden Gebieten zu sozialen Konflikten. Die Kupfergewinnung in Chile, Peru oder Sambia erfolgt zudem in Gegenden, die landwirtschaftlich geprägt sind und deren Bevölkerung ein geringes Einkommen hat. Durch die Bergwerke wird das Wasser verknappt für die Landwirtschaft, die Erträge sinken und auch das Einkommen der Landbevölkerung. In Peru haben sich durch den Konflikt mit dem Kupferbergbau – der große Flächenbedarfe hat und regionale Bauern vertreibt – zu Unruhen geführt (DLF 2014).
Neben dem Wasserbedarf ist das Abwasser ein weiteres großes Problem. Die Aufbereitung des Erzes ist nur durch Flotation möglich, bei der das Gestein schlammig gemahlen wird, um Kupferkonzentrat zu erhalten. Hierbei entstehen große Mengen schwermetallhaltiges Abwasser. Aber auch die Stollenentwässerung, die für einen sicheren Abbau nötig ist, erzeugt häufig große Abwassermengen. Im Prinzip können alle Abwässer des Bergbaus und der Aufbereitung zu 70 bis 90 Prozent recycelt (BGR 2020) werden, aber dies bringt ökonomische und ökologische Herausforderungen mit sich. Es ist einfacher, Abwässer in Oberflächengewässer zu leiten, da die Wasseraufbereitung aufwändig und teuer ist. In der Konkola Kupfermine in Sambia sind es ca. 400.000m³ pro Tag (ebd. 2020). Die Abwässer der Chuquicamata-Mine (Kupferbergbau9 in Chile z. B. werden in einen Salzsee geleitet und bilden eine “Ewigkeitslast”, wie es im deutschen Bergbau-Vokabular bezeichnet wird. Die Belastung der verbliebenen Süßgewässer im Umfeld der Mine, aus denen u. a. Ackerland bewässert wird, liegt ungewöhnlich hoch. Arsen ist der größte Faktor von insgesamt 66 Stoffen, die dort gefunden wurden (NDR 2022).
Zielkonflikte durch die Ressourcennutzung
Insgesamt ergibt sich ein Zielkonflikt im Berufsbild „Elektroniker und Elektronikerin” durch die Nutzung vieler Metalle, die in elektronischen Bauteilen enthalten sind. Sowohl die Wasserentnahme als auch die Abwässer beeinflussen die lokale Hydrologie als auch die Ökologie der Gewässer und dessen Nutzbarkeit durch die lokale Bevölkerung (BGR 2020; DW 2019). Auch soziale Konflikte mit der lokalen Bevölkerung können sich ergeben, wenn der Wohlstand nicht, aber die Lasten ungleich verteilt werden. Aber andererseits ist unsere industrielle Wirtschaftsweise auf Elektronik angewiesen. Im Ernährungssektor sind diese Traktoren, Mähdrescher, Melkmaschinen, Agro-Flugzeuge und die landwirtschaftliche Aufbereitungstechnik. Schiffe und Lastkraftwagen machen es überhaupt erst möglich, 8 Milliarden Menschen zu ernähren. Ohne Pumpen ist keine Wasserversorgung möglich, Grundwasser kann nicht gefördert werden, aus Brunnen könnte nur mit Muskelkraft Wasser hochgepumpt werden. Aber gleichzeitig kann die Technik für den Bergbau den Menschen regional die Lebensgrundlage rauben, weil Wasser abgepumpt wird, Dämme mit giftigem Schlamm brechen oder gigantische Abraumhalden angelegt und der schwermetallhaltige Staub die ganze Region belastet. Deshalb sollte ein Betrieb der Nachhaltigkeit auch unabhängig von einer Verpflichtung durch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz nachkommen, indem er seine Wertschöpfungskette wenn möglich unter Nachhaltigkeitsaspekten nachkommt um die schlimmsten Folgen einer nicht-nachhaltigen Wirtschaftsweise zu vermeiden.
Quellenverzeichnis
BGR Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (2020): Kupfer – Informationen zur Nachhaltigkeit. Online: https://www.bgr.bund.de/DE/Gemeinsames/Produkte/Downloads/Informationen_Nachhaltigkeit/kupfer.pdfhttps://www.bgr.bund.de/DE/Gemeinsames/Produkte/Downloads/Informationen_Nachhaltigkeit/kupfer.pdf
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
DLF Deutschlandfunk (2014): Bergbau in Peru – Hunger zerstört ein Land. Online: https://www.deutschlandfunk.de/bergbau-in-peru-hunger-nach-rohstoffen-zerstoert-ein-land-100.html
DW Deutsche Welle (2019):Bergbau und soziale Konflikte in Lateinamerika. Online: https://www.dw.com/de/bergbau-und-soziale-konflikte-in-lateinamerika/a-50403973
ISO 14046 (2014): Environmental management — Water footprint — Principles, requirements and guidelines. Online: www.iso.org/standard/43263.html
Klärwerk.info (o. J.): Energie- und E-Technik, Vorbeugende Instandhaltung elektrischer Anlagen. Online: https://klaerwerk.info/fachwissen/energie-und-e-technik/vorbeugende-instandhaltung-elektrischer-anlagen/
NDR Norddeutscher Rundfunk (2022): Schmutziges Kupfer – Die dunkle Seite der Energiewende, Film von Michael Höft, Ausstrahlungsdatum 25.10.2022. Online: https://www.ardmediathek.de/video/45-min/schmutziges-kupfer-die-dunkle-seite-der-energiewende/ndr/
UBA Umweltbundesamt (2013): Fallstudie Kupfer in Chile. Online: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/dokumente/umsoress_fallstudie_kupfer_chile.pdf
UBA Umweltbundesamt (2021): Ressourcennutzung und ihre Folgen. Online: www.umweltbundesamt.de/themen/abfall-ressourcen/ressourcennutzung-ihre-folgen
UBA Umweltbundesamt (2022): Factsheet Wasserfußabdruck. Online: https://www.umweltbundesamt.de/themen/wasser/wasser-bewirtschaften/wasserfussabdruck#wasserfussabdruck-ein-instrument-zur-bewertung-des-wasserverbrauchs
SDG 7 Bezahlbare und saubere Energie
“Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und moderner Energie für alle sichern”
Das SDG 7 beinhaltet soziale und ökologische Anforderungen an den Klimaschutz. Für Elektroniker und Elektronikerinnen aller Fachrichtungen sind daher vor allem drei Unterziele wichtig (Destatis o. J.):
SDG 7.1 “Bis 2030 den allgemeinen Zugang zu bezahlbaren, verlässlichen und modernen Energiedienstleistungen sichern.”
SDG 7.2 “Bis 2030 den Anteil erneuerbarer Energie am globalen Energiemix deutlich erhöhen.”
SDG 7.3 “Bis 2030 die weltweite Steigerungsrate der Energieeffizienz verdoppeln.”
Beim SDG 7 “Bezahlbare und saubere Energie” geht es im wesentlichen um den “allgemeinen Zugang zu bezahlbaren, verlässlichen und modernen Energiedienstleistungen” sowie darum den “Anteil erneuerbarer Energie zu erhöhen”(Destatis o. J.), da ökologische und das Klima schützende Anforderungen schon durch andere SDGs (insbesondere 13, 14 und 15) abgedeckt werden.
“Saubere Energie”, wie dies in SDG 7 genannt wird, bedeutet heute für den Klimaschutz grundsätzlich den Umstieg auf erneuerbare Energien (EE) sowie eine höhere Energieeffizienz. Weitere Probleme der Energieerzeugung mit der Nachhaltigkeit betreffen
- Umweltschutz und Arbeitsbedingungen bei der Rohstoffgewinnung
- Ökologische und Gesundheitsfolgen der Energienutzung, insbesondere bei der Verbrennung
- Flächenkonkurrenzen bei dem Anbau von Energiepflanzen (Mais, Zuckerrohr u. a.)
Die Schnittmenge für das SDG 7 ergibt sich aus den Nummern a und b der Standardberufsbildposition (BMBF 2022):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
Die menschliche Entwicklung ist weltweit auf Energie angewiesen. Bisher wurde die Energie vor allem aus fossilen Energieträgern erzeugt, bei deren Verbrennung Treibhausgase in die Atmosphäre freigesetzt werden und dort den Klimawandel bewirken. Um weitere erhebliche Schäden des Klimawandels mit enormen Zerstörungen und Kosten in weiten Teilen der Welt entgegenzuwirken, ist die Dekarbonisierung der Wirtschaft und insbesondere des Energiesystems zwingend notwendig für das Überleben auf diesem Planeten.
Dieses Kapitel beschreibt die Grundlagen einer nachhaltigen Energiewende. Aufgezeigt werden die verschiedenen regenerativen Energieträger und die technischen Möglichkeiten der Erzeugung regenerativer Energie, deren stationären und mobilen Einsatzmöglichkeiten sowie Hinweise zur rationellen Energieverwendung. Ferner wird auf einige für Elektroniker und Elektronikerinnen relevante Aspekte zur energiebedingten Rohstoffgewinnung hingewiesen.
Erneuerbare Energien
Die einfachste Maßnahme zur Transformation des Energiesystems ist der Umstieg auf erneuerbare Energien. Die Technologien sind mehr als ausgereift und der Energiegehalt in der Sonneneinstrahlung übersteigt den menschlichen Energiebedarf um ein Vielfaches (vgl. DLR 2010). In der Praxis muss jedoch berücksichtigt werden, dass sich durch Drehung und Kugelgestalt der Erde der Einstrahlungswinkel ändert, ein Teil der Sonnenenergie durch die Erdatmosphäre abgelenkt oder absorbiert wird und die Umwandlung in nutzbare Energie teilweise mit erheblichen Verlusten verbunden ist. In Deutschland schreitet der Ausbau der erneuerbaren Energieerzeugung zwar langsam, aber vor allem beim Strom, stetig voran. Allerdings fehlen bisher zwei große Nutzungsgruppen: Raum- und Prozesswärme für Wohnungen, öffentliche Gebäude, Gewerbe und Industrie sowie Treibstoffe für Fahrzeuge. Während 2021 die erneuerbare Stromerzeugung bei ca. 41 Prozent der Gesamtstromerzeugung lag, betrug die erneuerbare Wärmeerzeugung lediglich 16,5 Prozent und der Anteil an erneuerbaren Kraftstoffen knapp 7 Prozent (UBA 2022).
Wichtig sind hinsichtlich des Ziel “bezahlbarer Energie” vor allem die Kosten von Strom und Wärme. Die Stromgestehungskosten waren in 2021 wie folgt (ISE 2021, gerundet): Dachkleinanlagen 6-11 Cent/kWh, große Dachanlagen 5-10 Cent/kWh, Freiflächenanlagen 3-6 Cent/kWh. Die Stromgestehungskosten fossiler Stromerzeugung lagen in 2021 zwischen 8-13 Cent/kWh für Gas- und Dampfkraftwerke, zwischen 11-28 Cent/kWh bei Gaskraftwerken, 10-15 Cent/kWh Braunkohlekraftwerke sowie 11-20 Cent/kWh bei Steinkohlekraftwerken. Für Kernkraft, mit Rückbau und Endlagerung werden die Stromgestehungskosten auf 50 bis 100 Cent/kWh geschätzt (Siemens-Stiftung 2015). Die konkreten Stromgestehungskosten sind von einer Reihe von Faktoren abhängig. Dazu zählen der Standort (z. B. Entfernung zwischen Kraftwerk und Abbaugebiet), Größe und Alter der Anlagen, Subventionen, Wartung, Abschreibungen sowie die verbaute Erzeugungstechnologien.
Allerdings ist auch der Ausbau der Erneuerbaren mit Energie- und Ressourcenaufwand verbunden und ein häufiges Gegenargument. Mit Hilfe von Ökobilanzen lässt sich dieser Aufwand und seine ökologischen Wirkungen jedoch bilanzieren (vgl. Quaschning o. J.). Bei der Photovoltaik ist z. B. für die Herstellung des hochreinen Siliziums ein erheblicher Energieaufwand in Höhe von ca. 2.000 bis 19.000 kWh/kWp. und im Mittel von ca. 10.000 kWh/kWp notwendig. Hinzu kommen noch die Energiebedarfe für andere Materialien wie z. B. Aluminium für die Montage und Kupfer für die Leitungen sowie weitere notwendige Anlagenbestandteile (Wechselrichter, Zähler u. a.). Bei einer durchschnittlichen Lebensdauer einer PV-Anlage von ca. 25 Jahren (ebd. o. J.) liegt die energetische Amortisation, also die Zeit, in der die Anlage die zu ihrer Herstellung eingesetzte Energie wieder erzeugt hat, zwischen 1 und 3 Jahren.
Im Folgenden werden die verschiedenen Systeme der erneuerbaren Energieerzeugung und deren Herausforderungen kurz dargestellt:
Strom aus Erneuerbaren Energien
Die einfachste Maßnahme zum Umstieg auf erneuerbare Energien ist der Bezug von Ökostrom. Der Wechsel des Stromanbieters zu einem Versorger mit Ökostrom im Angebot ist mit einem geringen Aufwand verbunden und kann in wenigen Minuten vollzogen werden. Der Strom wird dabei nicht aus fossilen Energieträgern wie Kohle, Öl, Gas oder Uran erzeugt, sondern aus regenerativen Energieträgern wie Sonne, Wind, Wasser oder Biomasse.
Im ersten Halbjahr 2022 lag der Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen bei ca. 52 Prozent des ins Netz eingespeisten Stroms. Da die Stromproduktion aus verschiedenen Quellen schwankend ist, zeigt erst die Jahresendbilanz, wie die Verteilung sein wird. In 2021 stammten 23 Prozent der gesamten Stromproduktion aus Windkraft, 9,8 Prozent aus der Photovoltaik, 8,8 Prozent aus Biomasse und 4 Prozent aus Wasserkraft. Braun- und Steinkohle lieferten 20,7 Prozent des Stroms, Erdgas 10,5 Prozent und die Kernenergie gut 13,3 Prozent (Stromreport 2022).
Die Kosten pro Kilowattstunde erzeugten Strom sind je nach Anlagentyp unterschiedlich (ISE 2021). Sie liegen in etwa zwischen 3 (PV-Freiflächenanlagen) und 12 Cent (Wind Offshore). Zum Vergleich: Braunkohlekraftwerke erzeugen Strom für 10 bis 15 Cent/kWh, modernste Gaskraftwerke haben Kosten von 8 bis 13 Cent/kWh. Mit anderen Worten: Die Erneuerbaren Energien sind großtechnisch kostengünstiger als fossile Kraftwerke zumal deren Stromgestehungskosten aufgrund steigender CO2 Preise in der Zukunft noch zunehmen werden, während die Stromgestehungskosten von regenerativ erzeugten Strom durch technologische Verbesserung z. B. beim Wirkungsgrad und aufgrund von Massenfertigung weiter sinken.
Aus heutiger Sicht ist in Deutschland der weitere Ausbau nur bei Sonnen- und Windenergie nachhaltig. Wasserkraft ist im Wesentlichen erschöpft, weitere Stauseen sollten aus Landschaftsschutzgründen nicht angelegt werden. Allerdings bedingt die Fluktuation der erneuerbaren Energieträger auch die Herausforderung, Energiespeicher zu bauen. Die kostengünstigste Möglichkeit wären Pumpspeicherkraftwerke, allerdings ist der Flächenbedarf und der Landschaftsverbrauch dafür enorm und auch die notwendigen geomorphologischen Voraussetzungen wie Höhenunterschied und Kessellage für das Speicherbecken aber auch der Zugang zu Fließgewässern sind limitiert. Inzwischen gibt es jedoch erste Ansätze, als Alternativen sehr groß dimensionierte Batteriesysteme mit einer Leistung von 100 (Australien – Power und Storage 2019) bis 200 MW Leistung (Erneuerbare Energie 2021) zu errichten Kapitel Speicherung.
Photovoltaik
Die Photovoltaik wandelt die Strahlungsenergie des Sonnenlichts direkt in elektrischen Strom um. Dazu werden einzelne oder mehrere Solarzellen aus elektrischen Halbleitern in Modulen eingekapselt und je nach verfügbarer Fläche und gewünschter Leistung zusammengeschaltet und mit dem Stromnetz verbunden.
Die Photovoltaik ist mit einem Anteil von gut 21 Prozent an der erneuerbaren Stromproduktion (Stromreport 2022) seit 2007 stark ausgebaut worden und damit die jüngste breit genutzte Stromquelle (vgl. die Graphik auf Wikimedia 2020). Ab 2013 stagnierte der Zuwachs von Photovoltaik, weil die Konditionen der Einspeisung verschlechtert wurden. Der Anteil der Photovoltaik an der gesamten Stromerzeugung ist jedoch gestiegen: Lag er im 1.Quartal 2018 noch bei 3,5 Prozentbetrug er im Vergleich Quartal 2021 bereits bei 4,7 Prozent und im ersten Quartal 2022 bei 6,5 Prozent(DESTATIS 2022b). Aus heutiger Sicht ist die Photovoltaik neben der Windenergie und der Erdwärme eine der drei Technologien, die zukünftig die Energieversorgung sicherstellen muss.
Stromgestehungskosten (ISE 2021, gerundet): Dachkleinanlagen 6-11 Cent/kWh, große Dachanlagen 5-10 Cent/kWh, Freiflächenanlagen 3-6 Cent. Die Stromgestehungskosten fossiler Stromerzeugung liegen aktuell zwischen 4 und 15 Cent/kWh. Diese werden jedoch, im Gegensatz zur erneuerbaren Stromerzeugung, aufgrund steigender CO2-Preise zukünftig steigen[2]. Für Braunkohle wird für das Jahr 2040 ein Stromgestehungspreis von bis zu über 20 Cent/kWh prognostiziert (ISE 2022). Die Kosten der PV-Technologie sinken zunehmend, denn neben den Kosten der Anlagenerrichtung ist auch der Flächenbedarf deutlich gesunken. Jetzt können auch auf kleineren Dächern nennenswerte Anlagengrößen erreicht werden. Ausnahmslos jede gut dimensionierte Eigenverbrauchsanlage lohnt sich wirtschaftlich. Das gesetzliche Förderregime, etablierte Technik und Branchenstandards sorgen dafür, dass diese Investition risikoarm ist. So können sich Unternehmen gegen hohe Strompreise absichern.
Kunden, Geschäftspartner, Mitarbeiter und auch Geschäftsführer legen zudem immer mehr Wert auf Nachhaltigkeit und darauf, einen echten Beitrag zur Energiewende zu leisten. Eine PV-Anlage ist eine einfache und effektive Maßnahme, die auch über Pressemitteilungen und die PR-Abteilung hinaus eine Wirkung entfaltet. PV-Anlagen nutzen bislang brachliegende Ressourcen und sichern durch die Erzeugung von Solarstrom ein zukünftiges Betriebseinkommen. Schon seit einiger Zeit haben sich die relevanten Rahmenbedingungen hin zu einer Stärkung der Photovoltaik entwickelt, denn durch die deutlich gesunkenen Errichtungskosten ist Photovoltaik die günstigste Energieform in beinahe jedem Markt der Welt; auch in Deutschland. Hieraus ergeben sich neue Chancen und Geschäftsmodelle für Immobilienbesitzer und Gewerbetreibende. Zudem kommt die Solardachpflicht. In einigen Bundesländern ist sie bereits geregelt – für die Bundesebene hat sie der Bundeswirtschaftsminister am 11. Januar 2022 ebenfalls angekündigt.
Technische Eignung der Dachfläche
Eigenerzeugung von Solarstrom
Da Betriebsgebäude in der Regel über große Dachflächen verfügen, besitzen sie ein hohes Potential zur Eigenerzeugung von Solarenergie. Laut der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) sind bisher lediglich 13,2 Prozent der installierten Anlagenleistung aus erneuerbaren Energien im Besitz von Gewerbetreibenden (AEE 2021). In Frage kommen dabei sowohl thermische Solaranlagen zur Erzeugung von Warmwasser, aber auch für Prozesswärme im Niedertemperaturbereich als auch photovoltaische Anlagen zur Erzeugung von elektrischen Strom. Neben den Dachflächen können auch Fassadenflächen zur Erzeugung sowohl von thermischer als auch elektrischer Solarenergie genutzt werden.
Technische Eignung
Bei der Prüfung der technischen Eignung ist sicherzustellen, dass Statik (inklusive Schneelast) und Brandschutz einer Anlagenerrichtung nicht entgegenstehen. Zudem ist eine sog. Netzverträglichkeitsprüfung durchzuführen. Dabei prüft der zuständige Netzbetreiber, ob im lokalen Verteilnetz genug Kapazität für die avisierte PV-Anlage vorhanden ist oder ob das Verteilnetz neue Einspeiselasten nicht verträgt und zunächst ausgebaut werden muss.
Rechtliche Eignung
Die rechtliche Eignung der Dachfläche richtet sich nach dem öffentlichen Baurecht. Aufdach-PV-Anlagen sind bauliche Anlage im Sinne des Bauordnungsrechts und bedürfen daher einer Baugenehmigung. Allerdings haben fast alle Bundesländer diese Genehmigungspflicht in ihren Bauordnungen bereits abgeschafft. Relevanz kann auch das Bauplanungsrecht nach dem Baugesetzbuch haben, falls die Anlage einem Bebauungsplan z. B. hinsichtlich der Gebäudehöhe widerspricht. Neben dem Bauplanungsrecht kann auch der Denkmalschutz der Errichtung einer PV-Anlage entgegenstehen und die rechtliche Eignung der Dachfläche ausschließen.
Betriebsmodelle
Dachverpachtung und Contracting-Modelle
Die einfachste Möglichkeit, von einem geeigneten Dach zu profitieren, ist die Verpachtung der Dachfläche an Dritte. Diese sind dann an Stelle des Immobilieneigentümers Betreiber der Anlage. Stadtwerke, Energieversorgungsunternehmen und Projektentwickler bieten bereits „schlüsselfertige“ Dachpachtlösungen an. Dabei baut der Betreiber auf seine Kosten die Anlage, bewirtschaftet sie und übernimmt das unternehmerische Risiko. Nachdem der Pachtvertrag abgelaufen ist, wird die Anlage rückgebaut und das Dach in ihren Ursprungszustand zurückgegeben. Vorteil dieser Lösung ist, dass keine Kapitalinvestitionen des Gebäudeeigentümers nötig sind. Sofern der Gebäudeeigentümer seinen Eigenverbrauch mit der PV-Anlage abdecken will, zugleich aber nicht weiter in den Anlagenbetrieb involviert werden möchte, bietet sich eine Dachverpachtung mit Contracting-Modell an. Dabei kann gegen eine monatliche Gebühr eine Eigenverbrauchslösung realisiert werden.
Eigenverbrauch mit Überschusseinspeisung
Besonders attraktiv ist die Gestaltung des Eigenverbrauchs. Hintergrund ist, dass der Strommarkt sich in einer anhaltenden Hochpreisphase mit nie dagewesenen Letztverbraucherpreisen befindet. Dies wird sich auf absehbare Zeit voraussichtlich nicht ändern. Demgegenüber sind die PV-Gestehungskosten auf einem Allzeittief und im Leistungsbereich über 30 kWp sogar niedriger als die statistischen mittleren Gewerbe- und Industriekundentarife. Die betrachteten Stromgestehungskosten aus PV-Anlagen sind teilweise sogar niedriger als die Stromgroßhandelspreise. Jede selbst verbrauchte Kilowattstunde Solarstrom verdrängt teureren Strombezug aus dem Netz. Häufig ist die Einsparung je kWh hierbei höher als die Einspeisevergütung bei einer Volleinspeisung, weshalb die Erhöhung des Eigenverbrauchsanteils die Wirtschaftlichkeit erhöht. Der Eigenverbrauch wird deshalb vom Gesetzgeber gefördert, indem bestimmte Kosten wie Netzentgelte, Konzessionsabgabe, Stromsteuer sowie die Netzumlagen ganz oder teilweise entfallen. Falls mehr Strom erzeugt als selbst verbraucht wird, kann dieser Anteil in das Netz der allgemeinen Versorgung eingespeist werden (Überschusseinspeisung). Dafür erhält der Anlagenbetreiber eine Einspeisevergütung.
Volleinspeisung
In diesem Fall ist der Dacheigentümer auch Betreiber der PV-Anlage. Der gesamte erzeugte Strom wird in das Netz der Allgemeinen Versorgung eingespeist und der Anlagenbetreiber erhält für jede eingespeiste kWh die sog. Einspeisevergütung. Allerdings sinkt diese garantierte Vergütung mit zunehmender Größe der Anlage, denn mit steigender Anlagengröße sinken die Systemkosten. Anlagen ab 100 kWp sind im Regelfall zur Direktvermarktung verpflichtet. Der erzeugte Strom wird hierbei direkt an der Strombörse verkauft und der Betreiber erhält die erzielten Erlöse abzüglich eines Vermarktungsentgelts (Sokianos et al 2022, Uhland et al 2021, ERLP 2017).
Technologien
Solarzellen aus kristallinem Silizium
Solarzellen aus kristallinem Silizium werden mit über 90 Prozent am häufigsten verbaut. Als Ausgangsmaterial für ihre Herstellung dient Siliziumdioxid (SiO2) das als Quarzsand oder Quarzkristall abgebaut wird
Aus SiO2 wird in einem mehrstufigen und sehr energieaufwendigen Verfahren hochreines, polykristallines Silizium (poly-Si) mit einer Reinheit von 99, 99999 Prozent hergestellt. Die Herstellung erfolgt in einem Lichtbogenofen bei Temperaturen von etwa 2.000 °C. Entsprechend ist die Errichtung von Anlagen zur Herstellung von hochreinem Solarsilizium besonders kapitalintensiv. In Blöcke gegossen dient das Solarsilizium als Ausgangsmaterial für poly-Si-Solarzellen. Aus eingeschmolzenen poly-Si können in einem weiteren Schritt Silizium-Einkristalle (mono-Si) gezogen werden. Die gewonnenen poly-Si-Blöcke oder mono-Si-Blöcke (Si-Einkristalle) werden in etwa 0,2 mm dicke Scheiben («Wafer») gesägt und in einer Abfolge von mehreren Prozessschritten zu Solarzellen weiterverarbeitet. Solarmodule aus monokristallinem bzw. polykristallinem Silizium haben als bereits lange bewährte Technologie die höchsten Marktanteile. Ihre Vorteile sind die hohen Wirkungsgrade und die gute Verfügbarkeit des Ausgangsmaterials. Nachteilig ist ihr hohes Gewicht und Einschränkungen hinsichtlich der Modulgeometrie.
Dünnschicht-Solarmodule
Der Herstellungsprozess der Dünnschicht-Solarmodule unterscheidet sich grundsätzlich von dem der Solarmodule aus kristallinem Silizium. Zwar bestehen die Solarzellen ebenfalls aus elektrischen Kontakten und einem absorbierenden Material, in dem im Zusammenspiel mit weiteren Schichten auch die Trennung der Ladungsträger stattfindet. Diese Schichtstapel werden aber direkt aus einem Trägermaterial hergestellt. Die Dicke der Schichtstapel liegt in der Regel unter 5 µm, wobei die -lichtabsorbierende Schicht nur 1-3 µm einnimmt, also etwa hundertmal weniger als bei den Solarzellen aus kristallinem Silizium. Damit sinkt nicht nur der Materialaufwand deutlich, sondern auch die für die Herstellung benötigte Energie. Dadurch lassen sich auch Dünnschichtmodule deutlich einfacher und kostengünstiger produzieren als ein übliches kristallines Photovoltaikmodul
Als Trägermaterial können, je nach Technologie, Glas, Metall- oder Kunststofffolien eingesetzt werden. Werden flexible Trägermaterialien verwendet, lassen sich schnelle Rolle-zu-Rolle-Verfahren für die Herstellung der Schichten in der Fertigung nutzen. Als Schichtmaterialien kommen insbesondere Halbleitermaterialien wie Galiumarsenid (GaAs), Cadmiumtellurid (CdTe) oder Kupfer-Indium-Gallium-Diselenid (CIGS) zum Einsatz. Vorteile der Dünnschichtzellen sind ihr geringes Gewicht, ihre guten Erträge bei diffusem und schlechtem sowie die schnelle energetische Amortisation aufgrund des geringen Energieeinsatzes bei ihrer Herstellung. Ein weiterer Vorteil ist ihre Flexibilität, welche bei entsprechenden Substraten flexible sowie weitgehend beliebige Modulformen erlauben, was sie besonders für die Fassadenintegration geeignet macht. Nachteilig ist der im Vergleich zu kristallinen Zellen geringere Wirkungsgrad, der wiederum einen erhöhten Flächenbedarf bedingt. Zudem ist der alterungsbedingte Leistungsabfall höher. Nachteilig sind ferner die teilweise nur begrenzten Rohstoffe wie z. B. Indium sowie die eingeschränkte Recyclierbarkeit des Schichtmaterials.
Weitere Technologien mit hohem Potenzial
Andere Technologien, die auf dem PV-Markt noch nicht messbar sind, aber ein hohes Potenzial haben, sind Farbstoffsolarzellen (auch Grätzel-Solarzellen genannt), organische Solarzellen, Hybridkollektoren und hocheffiziente Solarzellen in Kombination mit einer Optik, die das Sonnenlicht auf die Solarzellen bündelt (Konzentrator-Solarzellen).
Anlagenarten
Hauptsächlich gibt es zwei Arten für Photovoltaikanlagen:
- Aufdachmontage
- Bodenmontage (Freiflächenmontage)
Als dritte Art kann die gebäudeintegrierte Photovoltaik aufgefasst werden, bei der die Module direkt in ein Gebäude z. B. als Fassade integriert sind.
Aufdach Anlagen
Aufdach-Photovoltaikanlagen sind eine weit verbreitete Möglichkeit für Eigenheime, Unternehmen und öffentliche Gebäude ihren eigenen Strom zu erzeugen. Inzwischen sind PV-Anlagen nicht nur weit verbreitet, sondern auch zu einer Art Symbol für grüne Energie, zukunftsorientiertes Denken und Energiebewusstsein geworden. Nicht zuletzt steigert eine Photovoltaikanlage auf dem Hausdach auch den Wert eines Gebäudes. Vorteilig ist insbesondere
- Das vorhandene Dach kann optimal genutzt werden.
- Das Dach wird vor eventuellen Umwelteinwirkungen zusätzlich geschützt.
- Aufdachmontierte Anlagen sind meist schnell und einfach zu installieren
- Geringer Wartungsaufwand
Nachteilig ist demgegenüber
- Erstinstallationskosten
- Mögliche Dachmodifikationen, bevor die Installation überhaupt durchgeführt werden kann.
- Platzbeschränkungen, abhängig von der Größe und Beschaffenheit des Daches
- Der unveränderbare Winkel und die Ausrichtung der Dachebenen
Bodenmontierte Anlagen
Bodenmontierte Photovoltaikanlagen sind inzwischen ebenfalls weit verbreitet, werden aber vorwiegend von großen Unternehmen bzw. Energieanbietern genutzt. Diese Anlagen arbeiten oftmals mit einer Nachführung. Diese sorgt dafür, dass die Ausrichtung der Solarmodule dem Lauf der Sonne folgt. Somit kann mehr Sonnenlicht erfasst werden, als mit herkömmlichen und fest installierten Photovoltaikanlagen. Vorteile bodenmontierter Anlagen sind (Wirth, 2022; Ritter et al, 2021):
- Aufgrund ihrer Größe ist auch eine größer dimensionierte Stromerzeugung möglich.
- Bodenmontierte Anlagen haben die Möglichkeit die festen Winkelbeschränkungen – wie sie bei der Aufdachmontage gegeben sind – zu umgehen
- Einfache Wartung aufgrund des leichteren Zuganges
Nachteilig ist demgegenüber:
- Bodenmontierte Anlagen nehmen sehr viel Fläche ein, die möglicherweise umgewidmet werden muss.
- Riesige Freiflächenanlagen sind optisch auffällig, was zu Konflikten mit dem gewünschten Landschaftsbild führen kann.
Windkraft
Unter Windkraft wird die großtechnische Nutzung der Bewegungsenergie des Windes verstanden. Unterschieden wird zwischen der Offshore (auf dem Meer) und der Onshore (an Land) Nutzung der Windenergie. Die typischen Komponenten einer Windkraftanlage sind der Turm, die Rotoren und die Gondel, in der die Bewegungsenergie der Rotoren mit Hilfe eines Generators in elektrischen Strom umgewandelt wird. Im Jahr 2021 betrug der Anteil der Windkraft ca. 50 Prozent am gesamten in Deutschland erzeugten erneuerbaren Strom (Stromreport 2022). Der Ausbau hat wesentlich in den Jahren von 2000 bis 2017 stattgefunden. Seitdem ist der Zuwachs geringer, weil sich lokal viele Menschen gegen Windkraftanlagen wehren. Seit Ausbruch des Ukraine-Krieges und dem damit verbundenen Gaslieferstopp Rußlands, sowie seit den deutlichen Auswirkungen der Klimakrise (Waldbrände, Flut), werden wieder höhere Ausbauziele der Windenergie genannt.
Solarwärme
Für die Bereitstellung und Nutzung von Solarwärme kommen verschiedene Techniken bis hin zu Solarkraftwerken (BINE 2013) in Frage. Letztere konzentrieren großflächig das Sonnenlicht und die konzentrierte Solarwärme wird zur Verdampfung von Wasser genutzt das anschließend mit Turbinen und Generator Strom erzeugt. Eine Besonderheit stellen Aufwindkraftwerke dar. Sie bestehen aus hohen Hohltürmen in denen durch die natürliche Konvektion wie in einem Kamin ein solar erwärmter Aufwind entsteht, der über eine Turbine Strom erzeugt (Kruse 2008). Allerdings sind derartige Solarkraftwerke auf eine starke Sonneneinstrahlung über 1.500 W/m2 angewiesen. In der mitteleuropäischen Strahlungszone mit 700–900 W/m² werden zur Erzeugung solarer Wärme Kollektoranlagen genutzt. Sie wandeln das die Strahlungsenergie des Sonnenlichts in Wärme um, die wiederum an ein flüssiges Medium abgegeben wird. (vgl. Viessmann o. J.). Es gibt Flachkollektoren mit Kupferschlangen als Absorber und Vakuum-Röhrenkollektoren mit Kupferbändern als Absorber. Kleine Anlagen dienen zur Warmwassererzeugung und Heizungsunterstützung für Wohnungen (insbesondere Eigenheime), große Anlagen können auch ausreichende Wärme für gewerbliche Objekte bereitstellen.
Die wichtigsten Komponenten einer Kollektoranlage sind die eigentlichen Kollektoren, das Speichergefäß und die Einbindung.
Kollektortechnologien
Je nachdem, wofür Solarwärme genutzt werden soll und bei welchem Temperaturniveau dies erfolgt, können unterschiedliche Kollektoren genutzt werden. Zusammen mit einem Wärmespeicher kann dann insbesondere in den Sommermonaten ein erheblicher Teil des Wärmebedarfs mit Solarenergie CO2-frei bereitgestellt werden.
- Niedertemperatur-Absorber: Bei dem einfachsten Kollektortyp, dem Niedertemperatur-Absorber, werden Absorbermatten aus speziellen organischen Materialien (Kunststoffe, EPDM) genutzt, um das Solarfluid zu erwärmen. Der Temperaturbereich, bei dem diese Kollektoren sinnvoll eingesetzt werden können, geht bis etwa 40 °C und ist demnach gut zur Vorwärmung kalter Flüssigkeiten bis auf Umgebungstemperatur oder als Wärmequelle in Kombination mit Wärmepumpen geeignet.
- Flachkollektoren: Bei Flachkollektoren ist der metallische Solarabsorber zwischen einer transparenten Abdeckung und einer Wärmedämmung eingefasst. Dies minimiert die Wärmeverluste des Kollektors, wodurch in Abhängigkeit der Bauart Nutztemperaturen bis 100 °C effizient bereitgestellt werden können. Das Spektrum reicht von kompakten Kollektormodulen mit ca. 2 m² bis hin zu Großflächenkollektoren mit 10..12 m²
- Vakuumröhrenkollektoren: Bei Vakuumröhrenkollektoren können die Wärmeverluste durch Konvektion und Wärmeleitung deutlich reduziert werden, wodurch bei höheren Temperaturen teils deutlich höhere Erträge erzielt werden können. Je nachdem ob diese Kollektorbauart mit einem rückseitigen Spiegel versehen ist (CPC-Kollektor) oder nicht, liegt der sinnvolle Einsatzbereich dieser Kollektoren bei bis zu 80..130 °C. Vakuumröhrenkollektoren können direkt durchströmt sein oder nach dem Heat-Pipe-Prinzip funktionieren.
- Luftkollektoren: Luftkollektoren verzichten auf ein flüssiges Wärmeträgermedium und eignen sich daher besonders für Trocknungsanwendungen. Luftkollektoren sind als Röhrenkollektoren (beidseitig offene Sydney-Röhren) oder Flachkollektoren mit offenen Stirnseiten erhältlich.
- Konzentrierende Kollektoren: Für Regionen mit hoher Direktstrahlung können konzentrierende Kollektoren verwendet werden, die mittels Spiegel (wie bei dem hier abgebildeten Fresnel Kollektor) oder Linsen die eintreffende Sonnenstrahlung auf einen Absorber konzentrieren. Hierzu müssen die Spiegelflächen kontinuierlich der Sonne nachgeführt werden. Der Temperaturbereich dieser Kollektorbauart liegt typischerweise bei 150-400 °C.
Speicherung
In der Regel ist ein Pufferspeicher zentraler Bestandteil einer solaren Prozesswärmeanlage, da das Solarangebot nicht immer mit dem Wärmebedarf der zu versorgenden Verbrauchsstellen zeitlich übereinstimmt. Neben sogenannten Schwachlastphasen innerhalb eines Produktionstages können dies auch ganze Tage ohne Wärmebedarf, z. B. am Wochenende sein. Da bei den meisten Anwendungsfällen in Industrie und Gewerbe am Wochenende kein oder nur ein sehr geringer Wärmebedarf vorhanden ist, sollte ein Pufferspeicher derart dimensioniert werden, dass er den Solarertrag von mindestens einem Tag speichern kann.
Je nach Kollektorfläche und spezifischen Rahmenbedingungen der Wärmesenke können für einen effizienten Anlagenbetrieb unterschiedlich große Speichervolumina erforderlich sein. Es sollte stets angestrebt werden, das erforderliche Volumen mit einem einzelnen Speicher innerhalb des Gebäudes zu realisieren. Neben der optimalen Be- und Entladung, einer verbesserten Temperaturschichtung und geringen Wärmeverlusten, ist diese Variante im Regelfall auch kostengünstig.
Zur Einbindung des Speichers gibt es mehrere Möglichkeiten: Typischerweise wird der mit einem Wasser-Glykol-Gemisch betriebene Solarkreis durch einen Wärmeübertrager vom Speicherkreis getrennt. Für die Einspeisung des aufgewärmten Wassers in den Speicher werden häufig zwei Anschlüsse an unterschiedlichen Höhen des Speichers vorgesehen.
Einbindung von Solarwärme
Bei der Einbindung von Solarwärme lässt sich grundsätzlich die Versorgungs- von der Prozessebene unterscheiden. Viele Industrie- oder Gewerbebetriebe haben ein zentrales Kesselhaus zur Erzeugung und ein Rohrnetz zur Verteilung der Wärme an die Verbrauchsstellen. Je nach Nutztemperatur wird die Wärme über Dampf (140-200 °C), Heißwasser (90-160 °C) oder Warmwasser (<100 °C) verteilt und direkt oder indirekt über einen Wärmeüberträger an die Wärmesenke abgegeben.
Um vor allem bei größeren Betrieben herauszufinden, an welchem Punkt die Einbindung von Solarwärme am sinnvollsten ist, sollten die vorhandenen Wärmesenken gegenübergestellt und verglichen werden. Die drei wichtigsten Kriterien für einen Vergleich sind dabei die Temperatur, das Lastprofil und der Aufwand zur Einbindung der Solarwärme in das bestehende System (Uni Kassel 2022).
Bioenergie für Strom und Wärme
Unter Bioenergie wird die energetische Nutzung biogener Energieträger verstanden. Biogene Energieträger sind pflanzlicher oder tierischer Herkunft. Zu den typischen biogenen Energieträgern zählen Holz und Stroh sowie ihre Derivate wie Holzschnitzel- oder -pellets aber auch Biogas aus der Vergärung von Bioabfällen, Ernterückständen oder von tierischen Abfällen wie Mist und Gülle Exkremente. Obwohl bei der Verbrennung von Biomasse oder Biogas CO2 freigesetzt wird, ist die Erzeugung und Nutzung von Bioenergie klimaneutral, denn das freigesetzte CO2 wurde während des Pflanzenwachstums der Atmosphäre entzogen. Allerdings verursacht die Verbrennung von Biomasse auch Emissionen weiterer Luftschadstoffe wie NOX und insbesondere von Feinstaub.
Der typische Einsatz von Biogas zur Energieerzeugung erfolgt über Blockheizkraftwerke (BHKW), die sowohl Wärme als auch Strom erzeugen. Problematisch ist der Anbau von Energiepflanzen wie z. B. Mais, Raps, Futterrüben, Hanf, Chinaschilf, schnellwachsende Bäume (Pappeln, Weiden), Zuckerrohr und Algen. In der Regel erfolgt der Anbau in schnell wachsenden Monokulturen und hat damit einen erheblichen Einfluss auf Landschaft und Boden. Zudem kann der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zum Verlust von Biodiversität, die Düngung zur Belastung des Grundwassers und der Verbrauch von Trinkwasser zur regionalen Verknappung von Wasser führen (vgl. BUND o. J. ). Des Weiteren ist der energetische Wirkungsgrad der Biomassenproduktion mit 0,5 – 1,5 Prozent (Pflanzenforschung 2020) wesentlich geringer als der von Photovoltaik, der in der Regel 15 – 22 Prozent beträgt (Eigensonne o. J.).
Entsprechend vertritt das Umweltbundesamt die Auffassung, dass die Verbrennung von Biomasse kein Wachstumspotenzial mehr besitzt, sondern vielmehr auf ein „naturverträgliches Maß“ begrenzt werden muss (UBA 2021b). Hingegen kann die Erzeugung von Biogas aus Gülle und Mist, solange diese aufgrund der hohen Nachfrage nach tierischem Protein in großen Mengen anfallen, einen wichtigen Beitrag vor allem zur Wärmeerzeugung leisten. Insgesamt ergeben sich jedoch erhebliche Zielkonflikte zwischen Energiegewinnung, Futtermittellanbau und Produktion von Nahrungsmitteln hinsichtlich der begrenzten Ressource “Fläche”.
Damit steht die Energiegewinnung durch den Anbau von Energiepflanzen im Konflikt zum SDG 1 “Kein Hunger”. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Ausbau der energetischen Biomassenutzung aus Agrarpflanzen, die auch der Ernährung dienen können (Mais, Getreide), eine nicht verantwortbare Flächenkonkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion darstellt und damit im direkten Konflikt zum SDG 1 “Kein Hunger” steht. Wenn der Bezug von EE-Strom besonders nachhaltig sein soll, ist daher darauf zu achten, dass er aus möglichst aktuell neuen effizienten Wind- oder Solaranlagen stammt. Dieser Strom wird von von verschiedenen Einrichtungen wie dem TÜV oder dem Grüner Strom Label e.V. zertifiziert (Ökostromanbieter o. J.)
Erd- und Umgebungswärme
Eine Möglichkeit der Wärmeerzeugung ist die Nutzung von Temperaturunterschieden. Dazu werden Wärmepumpen eingesetzt die den Temperaturunterschied die z. B. zwischen Gebäuden und ihrer Umgebung oder dem Erreich ausnutzen. Eine Wärmepumpe funktioniert wie ein Kühlschrank oder einer Klimaanlage (Tagesschau 2022). Die Pumpe entzieht der Umgebung (z. B. dem Erdreich) mit einem Kältemittel Wärme und kühlt sie dabei ab. Ein Kompressor verdichtet das Kältemittel und erhöht dabei dessen Temperatur die dann zur Raumheizung genutzt wird. Das Kältemittel kondensiert dabei und gibt die Wärme frei. In einem Ventil verdampft das Kühlmittel wieder, kühlt sich dabei stark ab und kann aufs Neue der Umgebung Wärme entziehen. Zum Antrieb einer Wärmepumpe wird jedoch elektrischer Strom benötigt. Dieser sollte dann aus Klimaschutzgründen aus erneuerbaren Energieträgern wie Sonne oder Wind erzeugt werden. Bei der Nutzung von Erdwärme wird zwischen Tiefengeothermie und Oberflächennaher Geothermie unterschieden.
Die oberflächennahe Geothermie nutzt den Untergrund bis zu einer Tiefe von ca. 400 m und Temperaturen von bis zu 25 °C für das Beheizen und Kühlen von Gebäuden, technischen Anlagen oder Infrastruktureinrichtungen. Hierzu wird die Wärme oder Kühlenergie aus den oberen Erd- und Gesteinsschichten oder aus dem Grundwasser gewonnen. Neben klassischen Anwendungsformen zur Bereitstellung von Raumwärme und Warmwasser wird die oberflächennahe Geothermie auch zur Beheizung von Gewächshäusern sowie zur Enteisung von Weichen oder Parkplätzen eingesetzt. Als Tiefengeothermie bezeichnet man die Nutzung der Erdwärme in Tiefen zwischen 400 und 5.000 Metern. Im Vergleich zur oberflächennahen Geothermie sind dort die Temperaturen weitaus höher. Neben der Wärmeversorgung ist Tiefengeothermie auch für die Stromerzeugung nutzbar. Ab einer Temperatur von etwa 90 Grad Celsius ist eine wirtschaftliche Stromerzeugung möglich. Der Vorteil der Geothermie ist ihre ständige Verfügbarkeit. Die geothermische Stromerzeugung in Deutschland steht noch am Anfang. Bis heute sind nur wenige Anlagen, vor allem in Süd- und Südwestdeutschland, in Betrieb.
Umgebungswärme umfasst sowohl Umweltwärme als auch oberflächennahe Geothermie. Umweltwärme schließt die in bodennahen Luftschichten („aerothermische Umweltwärme“) und in Oberflächengewässern („hydrothermische Umweltwärme“) entnommene und technisch nutzbar gemachte Wärme ein. Für die Nutzung werden Sonden ins Erdreich eingeführt oder Matten benutzt, die weniger als 2 Meter unter der Erdoberfläche verlegt werden. Möglich sind auch Luftwärmepumpen, die der Umgebungsluft die Wärme entziehen. Die Nutzung von Umgebungswärme erfolgt überwiegend im Wohnungssektor und ist insbesondere bei Ein- und Zweifamilienhäusern verbreitet. Möglich sind aber auch größere Gebäude wie der Bundestag (Deutscher Bundestag o. J.).
Mobilität
Im Rahmen der sogenannten Verkehrswende spielt die Dekarbonisierung der Antriebe eine zentrale Rolle, denn die Treibhausgasemissionen der Mobilität sind, mit rund 149 Mio. t CO2-Äq bzw. fast 20 Prozent aller CO2-Emissionen allein in Deutschland im Jahr 2021, maßgeblich für den Klimawandel verantwortlich (UBA 2022). Differenziert nach verschiedenen Verkehrsarten zeigt sich, dass der Straßengüterverkehr 2020 rund 46 Mio. t CO2-Äq bzw. 30 Prozent der Verkehrsemissionen verursacht (ebd.) hat. Es sind somit zwei Trends wirksam: Zum einen eine Minderung der Emissionen (insbesondere der Schadstoffe), die aber bei Lkws deutlich größer sind (-32%) als bei Pkws (-5%). Zum anderen stieg für beide die Zahl der gefahrenen Kilometer – die Pkw-Fahrleistung hat sich seit 1995 verdoppelt, die des Güterverkehrs per Lkw ist um 74 Prozent gestiegen (ebd.).
Zum anderen ist die Wahl der Verkehrsmittel entlang der Wertschöpfungskette von Relevanz. Die Emissionen aus der Logistik können leicht mit Hilfe kostenloser Online Tools ermittelt werden wie z. B. mit carboncare (ebd. o. J.), welches die Emissionen nach EN16258-Standard berechnet. Darin ist auch der Emissionsanteil des Kraftstoffes selbst enthalten, der bei dessen Förderung, Aufbereitung und Verteilung entsteht, eingeschlossen. Die folgende Tabelle stellt beispielhaft die CO2– Emissionen unterschiedliche Transportmittel dar, die bei einem Transport von einer Tonne Gewicht von Shanghai nach Berlin freigesetzt werden. Die Datenauswertung zeigt deutlich, dass Ferntransporte per Schiff zu den energieeffizientesten Transporten gehören, denn bereits 1.000 km per Lkw emittieren genau so viel CO2 wie bei 20.000 km Schiffstransport freigesetzt werden. Die Daten zeigen auch, dass selbst bei einem Transport von Elektronikbauteilen mit geringem Gewicht per Flugzeug, um ein Vielfaches mehr CO2 freigesetzt wird als ein Transport mit anderen Verkehrsmitteln.
Die Wahl der Transportmittel hat einen unmittelbaren Einfluss auf die Treibhausgasemissionen, wie folgende Tabelle zeigt (Statista 2022b, UBA 2021b, FIS 2012, carboncare o.J):
Transportmittel | Durchschnittliche CO2-Emissionen pro Tonnenkilometer in Gramm |
Hochsee-Massengutfrachter (UBA bzw. carboncare) | 17 bzw. 6-7 |
Lkw (alle Quellen) | 105 bis 118 |
Binnenschiff (FIS 2012, Statista 2022b und UBA 2021b) | 30 – 33 |
Güterzug (UBA 2021b und Statista 2022b) | 16 bis 17 |
Energieträger für den Antrieb
Im Kern geht es bei der Dekarbonisierung der Mobilität darum, die Verbrennung fossiler Kraftstoffe wie Benzin, Diesel und Kerosin durch biogene Kraftstoffe, Wasserstoff oder elektrischen Strom zu ersetzen. Im Weiteren werden die zentralen Option zur Dekarbonisierung der Mobilität beschrieben:
Biogene Kraftstoffe
Hier wird der Kraftstoff aus Pflanzen erzeugt. Dies können Öl-Pflanzen wie Raps sein, aus denen Biodiesel, oder Zuckerrohr, aus dem Ethanol erzeugt wird. Letzteres ist z. B. in Brasilien eine wichtige Kraftstoffquelle. Die Antriebstechnik ist vergleichbar mit konventionellen Verbrennungsmotoren mit der Ausnahme, dass das bei der Verbrennung entstehende CO2 klimaneutral ist, denn die bei der Verbrennung freigesetzte CO2-Menge entspricht in etwa derjenigen Menge, die die Pflanze während ihres Wachstums mittels Photosynthese der Atmosphäre entzogen hatte. Das Problem der biogenen Kraftstoffe zeigte sich schon Anfang der 2000er-Jahre, als Raps zur Erzeugung von Biodiesel angebaut wurde. Zentral ist der Zielkonflikt zwischen Ernährung und Mobilität: Auf einer Ackerfläche können nur Nahrungsmittel oder Treibstoffe angebaut werden – für beides reicht der Platz nicht (Deutschlandfunk 2012). Wie sich die biogenen Treibstoffe für den Verkehrssektor entwickeln werden und ob sie eine Zukunft haben, ist politisch auch 10 Jahre später noch nicht entschieden (vgl. Deutscher Bundestag 2022). Inzwischen steht auch die Nutzung von Alkohol im E95-Benzin (5% Anteil nachwachsende Treibstoffe) auf dem Prüfstand. Das Bundesumweltministerium und das Landwirtschaftsministerium beabsichtigen, Biokraftstoffe zu verbieten und arbeiten seit 2022 an einem Gesetzentwurf (autobild 2023, Tagesschau 2023). Die Ministerien argumentieren hierbei mit der essentiellen Nutzung von Getreide für die Ernährung, so dass der Verkehrssektor ab 2030 nicht mehr in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion steht. Biokraftstoffe aus Palmöl (Biodiesel) werden seit Anfang 2023 zudem nicht mehr gefördert. Dies wird damit begründet, dass Palmöl in Ostasien vor allem in Plantagen und durch Rodung von Urwäldern und Trockenlegung von Mooren gewonnen wurde. Dies führte zu erheblichen Treibhausgasemissionen, da die Naturflächen diese über Jahrzehnte emittieren (vgl. National Geographic / Voss 2022).
Synthetische Kraftstoffe
Diese werden durch chemische Verfahren hergestellt. Bei ihnen wird nicht Mineralöl als Rohstoffquelle genutzt, sondern andere Energieträger (Umweltbundesamt 2022i). Bei den sogenannten E-Fuels wird zur Herstellung Strom eingesetzt, mit dem Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten wird. In einem Folgeschritt kann der gewonnene Wasserstoff in Verbindung mit anderen Komponenten – hier vor allem Kohlenstoffdioxid – zu sogenannten Power-to-X-Kraftstoffen verarbeitet werden (entweder in Form von Gas als Power-to-Gas (=PtG) oder in Form von flüssigen Kraftstoffen als Power to Liquid (=PtL) . PtL-Kraftstoffe können wie Benzin oder Diesel in Verbrennungsmotoren eingesetzt werden. Das Umweltbundesamt sieht den Einsatz dieser Kraftstoff nur dort als sinnvoll an, wo Strom nicht direkt als Antrieb genutzt werden kann, etwa im Flugverkehr (Umweltbundesamt 2022 j)
Brennstoffzellen-Fahrzeuge
Ein Brennstoffzellenauto (FCEV) wird ausschließlich von einem Elektromotor angetrieben. Der Strom wird in einer Wasserstoff-Brennstoffzelle erzeugt. Bei der Nutzung von Wasserstoff in Fahrzeugen ist von entscheidender Bedeutung, dass dieser mit elektrischem Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt wird, ein sogenannter grüner Wasserstoff – denn nur dann ist sein Einsatz in Fahrzeugen CO2-frei und damit klimaneutral. Die Herstellung von grünem Wasserstoff erfolgt mittels Elektrolyse von Wasser. Das Umweltbundesamt hält den Einsatz von Wasserstoff im Straßenverkehr nur in den Bereichen für sinnvoll, “in denen eine direkte Nutzung von erneuerbarem Strom nicht möglich ist”, etwa aufgrund eines hohen Energiebedarfs oder großer Reichweiten, wie beispielsweise im Seeverkehr, im internationalen Flugverkehr oder unter bestimmten Umständen im Straßengüterfernverkehr (Umweltbundesamt 2022h).
Elektrofahrzeuge
Ein vollelektrisches Fahrzeug (BEV) wird ausschließlich von einem batteriebetriebenen Elektromotor angetrieben. Der wird über das Stromnetz aufgeladen, das heißt: er benötigt keinen fossilen Kraftstoff. Dadurch fährt das Fahrzeug zu 100 Prozent emissionsfrei. Allerdings ist hier der Strommix von Bedeutung: Der Anteil von Gas und Kohle führt zu Emissionen bei der Stromerzeugung. Schon heute verursacht ein Elektrofahrzeug der Kompaktklasse über den gesamten Lebensweg bis zu 30 Prozent weniger Treibhausgase als ein vergleichbares Benzin- oder Dieselfahrzeug (Bundesregierung o. J.b). Beispielsweise verbraucht ein Midi-SUV, wie der Hyundai Kona, elektrisch ca. 14 kWh elektrische Energie und emittiert ca. 64 g CO2-Äq pro km (eigenes Fahrzeug des Autors). Der vergleichbare Benziner verbraucht etwas mehr als 6 Liter Benzin pro 100 km und emittiert 141 g CO2-Äq pro km. Der Diesel-Kona verbraucht knapp 5 Liter Diesel und emittiert 127 g CO2-Äq pro km.
Für die Elektromobilität gibt es zahlreiche Mischformen. Im einzelne lassen sich dabei unterscheiden:
- Mild-Hybrid: Ein Mild-Hybrid-Fahrzeug (mHEV) wird von einem Verbrennungsmotor angetrieben, der einen Elektromotor mit Energie versorgt. Dieser kann die Energie speichern und in geeigneten Situationen nutzen. Das sorgt für eine Ersparnis von bis zu einem Liter auf 100 Kilometern.
- Vollhybrid: Ein Vollhybrid (sHEV) hat einen Verbrennungs- und einen batteriebetriebenen Motor. Bei niedrigen Geschwindigkeiten bis zu 50 km/h und auf kurzen Strecken bis etwa 3 km ist ein reiner Elektroantrieb möglich. Die für den Betrieb des Elektromotors erforderliche Elektrizität wird vom Verbrennungsmotor erzeugt.
- Plug-in-Hybrid: Im Vergleich zum Vollhybrid kann ein Plug-in-Hybridfahrzeug (PHEV) rein elektrisch schneller und weiter fahren. Der Verbrennungsmotor lädt die Batterie auf, wenn die Leistung nicht ausreicht. Der Akku kann über ein externes Netzteil geladen werden.
- Elektrofahrzeuge mit Range Extender: Elektrofahrzeuge mit Range Extender (E-REV) sind batteriebetriebene Fahrzeuge mit zusätzlichem kleinem Verbrennungsmotor und Generator. Diese nennt man Range Extender. Der Verbrennungsmotor springt nur an, um zusätzlichen Strom für die Batterie zu erzeugen. Im Unterschied zum Hybridantrieb treibt er das Fahrzeug aber nicht direkt an.
- Elektroauto mit Batterie: Ein vollelektrisches Fahrzeug (BEV) wird ausschließlich von einem batteriebetriebenen Elektromotor angetrieben. Der wird über das Stromnetz aufgeladen, das heißt: er benötigt keinen fossilen Kraftstoff. Dadurch fährt das Fahrzeug zu 100 Prozent emissionsfrei.
- Elektroauto mit Brennstoffzelle: Ein Brennstoffzellenauto (FCEV) wird ausschließlich von einem Elektromotor angetrieben. Im Gegensatz zum vollelektrischen Fahrzeug wird der Strom nicht mit Batterien, sondern mit Wasserstoffbrennstoffzellen erzeugt. Wasserstoff-Brennstoffzellen erzeugen Strom, indem sie Wasserstoff mit Sauerstoff kombinieren. Auch ein Auto mit Brennstoffzelle ist lokal zu 100 Prozent emissionsfrei.
Nutzfahrzeuge: Elektrisch oder mit Brennstoffzellen?
In der gewerblichen Wirtschaft sind die mit fossilen Treibstoffen wie Diesel betriebenen Verbrennungsmotoren ab 3,5 t bis hin zu den üblichen 40 Tonnen und auch die schweren Nutzfahrzeuge (z. B. Abfall-Sammelfahrzeuge, Schwertransporter, Zementmischer) von besonderer Relevanz. Maßgeblich angeschoben wird die Verkehrswende im Schwerlastverkehr durch die EU-Klimaziele, den CO2-Ausstoß von neuen Pkw’s bis 2030 um 37,5 Prozent zu senken und dies bereits in fünf Jahren auch auf schwere Nutzfahrzeuge auszudehnen. Während es im Pkw-Bereich fast ausschließlich batteriebetriebene Konzepte sind, kommen im Bereich der Nutzfahrzeuge möglicherweise neben Batterie-angetriebenen Fahrzeugen auch Brennstoffzellen in Betracht. Wie sich dies entwickeln wird, ist noch nicht klar.
Batteriefahrzeuge haben zwei Nachteile. Zum einen den schweren und teils voluminösen Elektrostrang. Zum anderen fehlt bisher gänzlich eine Ladeinfrastruktur für Elektro-Lkw’s, so dass diese Langstreckenfahrzeuge nur zwischen zwei definierten Stationen pendeln können, um z. B. beim Abladen erneut geladen zu werden. Alternativ sind jedoch die kleineren Modelle (“7,5-Tonner”), die besonders gut für den innerstädtischen Lieferverkehr geeignet sind. Volvo z. B. bietet seit Mitte 2022 Elektro-Lkws unterschiedlicher Größe an (vgl. Volvo o. J.). Die Volvo-Modelle sind alle für den regionalen Verkehr konstruiert. Der FM Electric hat ein Gesamtzuggewicht von 44 t, eine Leistung von 490 kW, eine Batterieleistung von bis zu 540 kWh (zum Vergleich: Der Hyundai Kona / Midi-SUV hat eine Leistung von 64 kWh) und eine Reichweite von bis zu 390 km (im Sommer). Die Zuladung des Volvo-Lkws beträgt 23 t. Die Vorteile sind der niedrige Geräuschpegel (Anlieferung auch in Nachtstunden) und die Emissionsfreiheit (keine Fahreinschränkungen in städtischen Gebieten mit Emissionsbeschränkungen). Bei Gleichstromladung mit 250 kW ist eine Vollladung in 2,5 h möglich.
Alternativ zum E-Lkw gibt es viele Hersteller von Nutzfahrzeugen mit Brennstoffzellen. Um bis zum Jahr 2025 bei schweren Nutzfahrzeugen 15 Prozent CO2-Emissionen und bis 2030 sogar 30 Prozent einzusparen, erscheint die Brennstoffzellentechnologie daher besonders vielversprechend. Denn einerseits sind konventionelle Lkw-Antriebsstränge mit Dieselaggregaten bereits in hohem Maße optimiert und bieten daher nur noch wenig Einsparpotenzial. Andererseits lassen sich bestehende Lösungen zum batterieelektrischen Antrieb von Pkw nicht direkt von Pkw´s auf Lkw´s übertragen, da die benötigte Batterie zu schwer und die Ladezeiten zu lang wären.
Wasserstoffbetriebene Fahrzeuge sind leiser, wartungsärmer und – bei Herstellung des Wasserstoffs aus regenerativen Quellen – CO2-neutral. Umweltzonen und emissionsbedingte Durchfahrtsverbote stellen keine Probleme mehr dar. Zwar sind erste Fahrzeuge bereits auf dem Markt verfügbar, jedoch muss die Brennstoffzellenentwicklung bei einer Einführung bis 2025 deutlich beschleunigt werden (KIT 2020).
Gleichwohl ist die Entwicklung von Lkw-Antrieben auf Wasserstoffbasis branchenweit auf einem nie dagewesenen Höchststand. Etablierte Unternehmen, darunter Hersteller wie Hyundai oder Daimler Trucks, aber auch völlig neue Anbieter wie die US-amerikanische Firma Nikola, die in Kooperation mit IVECO und Bosch an der Marktreife von Brennstoffzellen-Lkws feilt, überbieten sich im Rennen um Effizienz, Reichweite und Fortschrittlichkeit. Verwunderlich ist diese Entwicklung angesichts der Vorteile von grünem Wasserstoff nicht: Große Tanks ermöglichen hohe Reichweiten mit einer Tankfüllung. Verschiedene Hersteller arbeiten mit Konzepten, die Reichweiten zwischen 400 und über 1000 Kilometern versprechen. Der Tankprozess ähnelt dabei dem bisherigen Ablauf. Ein Umstellen ganzer Prozesse auf längere Lade- und Standzeiten ist daher nicht nötig. Und Innenstädte, die lärm- und feinstaubbelastet sind, können schon in wenigen Jahren deutlich entlastet werden.
Zwischen Pkw und schweren Nutzfahrzeugen liegen leichte Nutzfahrzeuge bis 3,5 t. Genau die nehmen immer mehr Hersteller als Versuchsballon für den Wasserstoffantrieb mit Brennstoffzelle, meist in Verbindung mit einer Plug-in-Ladelösung. So lässt Stellantis, der Mutterkonzern von Opel, Peugeot und Citroën, in den kommenden zwei Jahren in Rüsselsheim eine Kleinflotte von 2000 Fahrzeugen von Elektro auf Wasserstoff, jeweils mit einer Reichweite von 400 Kilometern (bfp 2022) umrüsten. Die Brennstoffzellentechnologie wird sich vermutlich nicht im Pkw-Segment durchsetzen. Eine Studie des österreichischen Umweltbundesamtes kam schon 2014 mit einer Ökobilanz zum Schluss, dass Elektroantriebe die klimafreundlichsten Antriebe noch vor der Brennstoffzellentechnologie sind (Umweltbundesamt 2014). Neuere Untersuchungen zeigen aber, dass die Brennstoffzellentechnologie mit zunehmender Verbesserung der Herstellung von Wasserstoff sich durchaus im Lastverkehr durchsetzen könnte (Reichweite, Tankzeiten, Temperaturstabilität u. a., vgl. Unwerth 2020).
Transport, Logistik, Produkte und Umweltschutz
Im Zuge der Globalisierung erfolgt ein weltweit wachsender Güteraustausch. Dadurch werden Zulieferketten länger und der Güterverkehrsektor hat einen immensen Einfluss auf das Klima. Logistik und Transport verursachen gemäß WEF-Studien derzeit mehr als 5,5 Prozent aller CO2-Emissionen weltweit, Tendenz steigend (Fraunhofer IML o. J.).
“Auch der Anteil der Logistik an den Emissionen des Lebenszyklus von Produkten ist mit 5-15 Prozent nicht vernachlässigbar und bietet folglich hohes Potential. Dies betrifft Beschaffungswege für Rohstoffe und Komponenten. Auch in der Distribution von Fertigwaren zum Kunden lassen sich Klimaschutz-Potenziale heben” (ebd.).
Elektroniker:innen als Verwendende und Bestellende haben bei der Wahl der Transportmittel für ihre Rohstoffe, Materialien und Produkte unmittelbaren Einfluss auf die Treibhausgasemissionen, wie folgende Tabelle belegt (statista 2022, UBA 2021, FIS 2012, carboncare o.J):
Transportmittel | Gramm je Tonnenkilometer |
Frachtschiff | 17 |
Lkw | 68-113 |
Binnenschiff | 30 |
Güterzug | 17-32 |
Der Deutsche Speditions- und Logistikverband e.V. hat bereits 2013 einen Leitfaden zur Berechnung von Treibhausgasemissionen in Spedition und Logistik veröffentlicht (DSLV; 2013). In ihm sind Definitionen, Berechnungsmethoden und Beispiele aus der Branche aufgeführt.
Ferntransporte
Die Mobilität ist für einen wesentlichen Teil des Klimawandels verantwortlich – in Deutschland verantwortet die Mobilität rund 20 Prozent der Emissionen (UBA 2022h). Der Anstieg der Emissionen kommt vor allem durch die höheren Verkehrsleistungen, die Emissionseinsparungen durch mehr Dieselfahrzeuge, Elektromobilität und effizientere Lkw-Motoren zustande. Mobilität für den globalen Handel und die Industrie ist aber unvermeidbar in allen Branchen, die beliefert werden und auch liefern.
In der Diskussion stehen vor allem Ferntransporte aus anderen Kontinenten, aber auch der Lkw-Verkehr innerhalb Europas. Doch wie verhält es sich mit dem Distributionsverkehr – also der Auslieferung an Zwischenhändler. Und wie mit dem Endkundenverkehr? Im Folgenden zeigt eine Modellierung die Relationen von transkontinentalen und nationalen Verkehr. Hierzu kann man ein beliebiges Produkt wie z. B. Elektronikbauteile betrachten, das aus Kalifornien per Schiff in einem Container nach Hamburg geliefert wird (eigene Berechnung mit carboncare o. J., EcoTransIT und NABU o. J.):
- Nehmen wir an, es werden 20 t Elektronikprodukte benötigt, die aus Kalifornien per Schiff importiert werden. Berechnet man nun die Strecke von 12.540 km von San-Franzisko nach Hamburg mit einem 20 Fuß Kontainer, der mit dem Produkten gefüllt ist und 25 t wiegt, so ergibt sich mit 375 g/km Emissionen insgesamt ein Ausstoß von rund 2 t CO2-Äq für den gesamten Transport von San-Francisco nach Hamburg-Hafen.
- Die Emissionen, die bei der Verteilung innerhalb Deutschlands in die verschiedenen Städte anfallen, sind dabei höher: Ein Lkw hat THG-Emissionen von 68 g CO2-Äq pro Tonnenkilometer. Verteilt man die Produkte je 1.000 kg an Großlageristen einmal rund um Deutschland, so fährt der Lkw eine Gesamtstrecke von 3.700 km und beliefert 20 Großhändler. Unter Berücksichtigung geringer werdender Emissionen aufgrund des geringeren Ladegewichts kommt man auf Gesamtemissionen von ca. 17 t CO2-Äq (NABU o. J).
- Nimmt man an, dass diverse Unternehmen, die Elektronikprodukte verkaufen, je 50 kg kaufen und hierfür 50 km mit einem Kleintransporter fahren, so erhält man eine Strecke von 20.000 km für den gewerblichen Einkauf. Die THG-Emissionen belaufen sich ca. 190 g CO2-Äq pro km (Diesel, 150 PS, car-wiki o. J.). Der gewerbliche Einkaufverkehr führt sich zu weiteren 3,8 t CO2-Äq.
Die Modellierung zeigt, dass nicht der internationale Transport das primäre Problem ist, sondern der Schwerlastverkehr und noch mehr der individuelle Verkehr.
Geschäftsreisen
Bei Geschäftsreisen besteht vielfach die Wahl zwischen Bahn und Pkw-Nutzung, wobei die Pkw-Nutzung im Mittel zum Vier- bis Fünffachen an CO2-Emissionen führt (Mein Klimaschutz o. J.). Bei innerdeutschen Flügen ist man oder Frau aufgrund der langen Check-In-Zeiten im Prinzip kaum schneller als mit der Bahn. Hier kann der UmweltMobilCheck der Deutschen Bahn eine Orientierung geben (Deutsche Bahn o. J.). Eine Fahrt von Berlin nach Hamburg führt bei Pkw-Nutzung zu etwa 54 kg CO2-Äq, bei Bahnnutzung zu 0,03 kg CO2-Äq.
Sollten Geschäftsreisen mit dem Flugzeug gelegentlich unvermeidbar sein, bieten sich Kompensationsmodelle zum Ausgleich der Klimawirkung an, bei denen eine Klimakompensation erfolgt. Hierbei wird ein Geldbetrag entsprechend der verursachten Emissionen überwiesen und dieser wird in Klimaschutzprojekte investiert z. B. in den Moorschutz oder Wiederaufforstung (vgl. atmosfair o. J.). Bei einem Hin-und Rückflug von Berlin nach Shanghai entstehen ca. 4.800 kg CO2 Emissionen. Diese können durch 111 € Ausgleichszahlung kompensiert werden.
Nutzungsverhalten
Neben der Umrüstung der Dienstwagen auf elektrische Antriebe sollte auch der individuelle Umgang mit Mobilität überdacht werden. Es können beispielsweise THG-Emissionen eingespart werden, wenn die Mitarbeitenden zu Fuß oder mit dem Rad zum Arbeitsplatz im Handel kommen, sofern aus gesundheitlichen Gründen oder einer zu großen Distanz zum Arbeitsort nichts dagegen spricht. Zudem kann der Betrieb die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel z. B. durch ein Jobticket attraktiver gestalten. Auch die Förderung von Dienstfahrrädern ist in einigen Städten und Kommunen möglich. Zusätzlich ist die Bildung von Fahrgemeinschaften denkbar, wenn es sich von den Arbeitszeiten und den Wegen anbietet. Strecken, die mit dem Auto gefahren werden müssen, sollten optimiert werden (Routenoptimierung), insbesondere gilt dies für den Transport von Waren. Außerdem hat die Fahrgeschwindigkeit einen erheblichen Einfluss auf die ausgestoßenen THG-Emissionen. Laut Umweltbundesamt verursachten im Jahr 2020 Pkw und leichte Nutzfahrzeuge auf Bundesautobahnen in Deutschland THG-Emissionen in Höhe von rund 30,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Durch die Einführung eines generellen Tempolimits von 120 km/h auf Bundesautobahnen würden die Emissionen um jährlich 2,0 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente reduziert und ein Tempolimit von 100 km/h würde sie um 4,3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr mindern (UBA 2022b). Auch ohne generelles Tempolimit kann jede*r die Fahrgeschwindigkeit reduzieren, das spart nicht nur THG-Emissionen sondern auch Kosten ein (mobile.de 2020). Denn bei hohen Geschwindigkeiten verbrauchen Fahrzeuge überdurchschnittlich viel Kraftstoff. Nach Angaben des ADAC verbraucht ein Mittelklasseauto um bis zu zwei Drittel mehr Kraftstoff, wenn es statt 100 km/h mit 160 km/h fährt (ebd.).
Beleuchtung
Beleuchtung ist in allen Berufen ein Handlungsfeld, bei dem viel Energie eingespart werden kann. Der Standard für Energieeffizienz in der Beleuchtung sind LED-Lampen und LED-Röhren. In 2009 wurde die “Glühbirne” aus Initiative der EU vom Markt genommen, anstelle dessen wurde im breiten Umfange die Energiesparlampe bzw. Leuchtstofflampe (Fachbegriff:Kompaktleuchtstofflampen) verwendet, die bei gleiche Lichtstärke wie eine 75 Watt Glühbirne nur rund 10 Watt verbrauchte. Die technische Entwicklung ging jedoch weiter hin zu LED-Lampen, die wiederum im Vergleich zur Glühbirne rund 70 Prozent bis 90 Prozent der Energie einsparen (enterga o. J., energieexperten o. J.). In Haushalten und kleinen Gewerbebetrieben ohne eigene Produktion fallen rund 10 Prozent des Stromverbrauchs für die Beleuchtung an – dies sind zwischen 350 und 600 kWh/a.
Die Bedeutung des technischen Wandel weg von der Glühbirne (und auch der Halogenbirne) hin zu LED-Technik lässt sich im Rückblick zeigen. In 2003 wurden ca. 71 TWh/a (Terawattstunden pro Jahr) Strom für die Beleuchtung verwendet. Dies waren 71.000 Gigawattstunden. Ein Atomkraftwerk erzeugt zwischen 9.000 und 13.000 GWh Strom, rein rechnerisch mussten fast 9 Atomkraftwerke nur die Beleuchtung laufen (in 2003, stromrechner.com o. J.).
Für Gewerbetreibende mit Büro und Werkstatt sind die LED-Leuchtstoffröhren besonders interessant, da bisher immer Leuchtstofflampen installiert wurden. Heutzutage gibt es LED-Röhren, die ohne Umbau in die vorhandenen Lichtkästen eingebaut werden können. Nur das Vorschaltgerät muss ggf. ausgewechselt werden. Die Einsparung liegt bei 50 Prozent des bisher genutzten Stroms (LEDONLINE o. J.). Die Vorteile neben der Energieeinsparung sind offensichtlich: Die Röhren zerbrechen nicht, sie enthalten kein Quecksilber, sie flimmern nicht und haben einen hohen Leistungsfaktor (ebd.).
Eine weitere mögliche Stellschraube bei der Beleuchtung ist die Verwendung von Strom aus regenerativen Energiequellen. Eine eigene PV-Anlage auf dem Bürogebäude oder auf dem Betriebsgelände in Verbindung mit einem Batteriespeicher kann erheblich Strom aus Sonnenlicht bereitstellen. Allerdings ist die Solarstrahlung in den Wintermonaten – gerade dann, wenn die Anzucht stattfindet, nur gering. In diesem Falle sollte zumindest der Strom aus erneuerbaren Energien – im Winter fast ausschließlich aus Windenergie – bezogen werden
Rationelle Energienutzung
Neben dem Einsatz erneuerbarer Energien zählt auch die rationelle Energienutzung zu den Maßnahmen, um das Energiesystem in Richtung Nachhaltigkeit zu transformieren. Typische Handlungsfelder der rationellen Energienutzung sind die Energieeffizienz und das Energiesparen, die beide eng miteinander verknüpft sind.
Energieeffizienz
Bei der Energieeffizienz geht es darum, Geräte und Maschinen zu nutzen, die bei gleicher Funktionserfüllung einen geringeren Energiebedarf haben. Effizienz ist dabei eine relationale Größe, die sich auf mindestens zwei vergleichbare Arten bezieht, Energie zu nutzen. Dann kann bestimmt werden, welche Art effizienter ist. Unter Energieeffizienz wird somit also die rationelle Verwendung von Energie verstanden. Durch optimierte Prozesse sollen „die quantitativen und qualitativen Verluste, die im Einzelnen bei der Umwandlung, dem Transport und der Speicherung von Energie“ entstehen, minimiert werden, „um einen vorgegebenen (energetischen) Nutzen bei sinkendem Primär- bzw. Endenergieeinsatz zu erreichen. Nützliche Orientierung, um die Energieeffizienz zu überprüfen, können dabei Kennzeichnungen geben. Im Europäischen Wirtschaftsraum gibt die Energieeffizienzkennzeichnung gemäß Verordnung (EU) 2017/1369 Auskunft über die Energieeffizienz von Elektrogeräten und weiteren Energieverbrauchern. Die Kennzeichnung des Energieverbrauchs erfolgt für verschiedene Gerätegruppen in der EU in Form von Etiketten auf den Geräten und in den Werbematerialien für diese. Ab dem Jahr 2021 erfolgt die Kennzeichnung der Energieeffizienz in Form Effizienzklassen. Deren Skala reicht von „A“ bis „G“, wobei Geräte mit der höchsten Effizienz mit der Kennzeichnung “A” ausgezeichnet werden.
Daneben gibt es zahlreiche weitere Kennzeichen, die auch Auskunft über die Energieeffizienz geben können. Bekannt ist der Energy Star, ein US-amerikanisches Umweltzeichen für energiesparende Geräte, Baustoffe, öffentliche/gewerbliche Gebäude oder Wohnbauten. Der Energy Star bescheinigt z. B. elektrischen Geräten, dass sie die Stromsparkriterien der US-Umweltschutzbehörde EPA und des US-Energieministeriums erfüllen (www.energystar.gov). Auch nationale Umweltzeichen wie der Blaue Engel können, je nach ausgezeichnetem Produkt, aufgrund vergleichsweiser besonders hoher Energieeffizienz vergeben werden (www.blauer-engel.de).
Neben der Kennzeichnung von Geräten gibt es noch weitere Kennzeichnungen, die sich an diese anlehnen, so zum Beispiel die Pkw-Energieverbrauchskennzeichnung welche die Bewertung und Kennzeichnung der Energieeffizienz neuer Personenkraftwagen hinsichtlich Kraftstoff- und Stromverbrauch regelt (Pkw-EnVKV 2004).
Energiesparen
Eine weitere Art Energie rationell zu nutzen ist das Energiesparen. Die Abgrenzung des Energiesparens zur Energieeffizienz ist allerdings nicht immer eindeutig, denn die Nutzung eines energieeffizienten Gerätes stellt immer auch eine Energieeinsparung gegenüber einem weniger effizienten Gerät dar. Eine typische Maßnahme, um Energie zu sparen, ist der Verzicht auf den „Stand-by-Betrieb“ von Elektrogeräten. Damit wird vermieden, dass Geräte durchgängig „unter Strom“ stehen und das spart gleichzeitig jährlich mehrere Kilowattstunden ein. Allein in Deutschland kostet der Stromverbrauch durch Leerlaufverluste mehrere Milliarden Euro pro Jahr. EU-weit werden die Leerlaufverluste auf jährlich 51 Mrd. Kilowattstunden geschätzt. Dies entspricht einer Energiemenge, die etwa 14 Großkraftwerke mit jeweils 800 Megawatt Leistung pro Jahr erzeugt und dabei etwa 20 Mio. t CO2 in die Atmosphäre emittieren. Insbesondere elektrische Geräte der Informations- und Kommunikationstechnik, wie sie für die betriebseigene Verwaltung zum Einsatz kommen, aber auch Elektromotoren, Transformatoren, Netzteile und Steckerleisten haben im “Stand-By-Betrieb“ erhebliche Leerlaufverluste die zwischen 8 und bis zu 20 Prozent der elektrischen Nennleistung ausmachen können (UBA 2022.).
Energiespeicherung
Eine zentrale Herausforderung bei der Nutzung erneuerbarer Energien ist ihre Fluktuation, denn Solarstrahlung steht nachts nicht zur Verfügung und auch der Wind weht nicht kontinuierlich. Eine ausgeglichene Balance von Stromerzeugung und Stromnachfrage ist aber unabdingbar für die Versorgungssicherheit sowie die Netzstabilität. Um eine gleichmäßige Frequenz im Stromnetz aufrechtzuerhalten, müssen Erzeugung und Nutzung aufeinander abgestimmt werden. Andernfalls muss die Differenz und mögliche Frequenzschwankungen durch die sogenannte Regelenergie ausgeglichen werden. Möglichkeiten dazu sind:
- Abschaltung von EE-Anlagen (geringere Einspeisung)
- Zuschaltung von Speicherkraftwerken (höhere Einspeisung)
- Abschaltung großer Verbraucher (geringere Entnahme)
Energiespeichertypen
Die Abschaltung ist aber meist unökologisch und zudem unwirtschaftlich. Ferner muss benötigte Regelenergie kostenintensiv im nationalen oder europäischen Verbundnetz eingekauft werden. Um dies zu vermeiden, bieten sich Energiespeicher an, die bei Bedarf zugeschaltet werden, wenn nicht genug erneuerbarer Strom zur Verfügung steht. Diese sind:
- Pumpspeicherkraftwerke: Kostengünstig, nur für gebirgige dünn besiedelte Regionen (z. B. Norwegen, Öst. Alpen), benötigen einen Netzanschluss z. B. durch sehr lange und teure DC-Leitungen durch die Ost- und Nordsee
- Druckluft: einfache Technologie, gut nutzbar bei Anbindung an WKA, aber nur begrenztes Speicherpotential und bisher eher ein Forschungsgegenstand
- Schwungräder: einfache Technologie, aber hohe Masse des Rades und noch in der Entwicklung
- chemisch als Wasserstoff: Elektrolyse von Wasser zur Stromerzeugung, gut erforscht für Kleinanlagen, derzeit erfolgt ein großtechnischer Aufbau, wichtiger Zielkonflikt: Wasserstoff ist auch relevant für die Stahl-, Zement- und chemische Industrie sowie zum Antrieb von Lkws (evt. Flugzeuge), teure Technologie
- chemisch als Methan: Elektrolyse von Wasser zur Stromerzeugung, dann Reduktion von CO2 zu Methan (CH4), relevant für Gebäudeheizungen, teure Technologie
Allen obigen Technologien ist gemeinsam, dass die Umwandlung von Kraft oder innerer Energie immer mit hohen Verlusten verbunden ist, aufgrund der Thermodynamik (Wärmeverluste). Bekannt ist dies auch aus dem geringen Wirkungsgrad von Verbrennungskraftmaschinen (Motoren).
Batteriespeicher
Nach derzeitigem Stand der Technik bieten sich als Stromspeicher nur unterschiedliche Batterietypen an. Im Folgenden werden die verschiedenen Technologien besprochen und auf Probleme der Nachhaltigkeit eingegangen.
- Lithium-Ionen-Batterien (GRS o. J., ISE o. J.): Dieser Batterietyp ist derzeit der wichtigste, sowohl für die Versorgung von Kleingeräten (Mobiltelefone, Tablet, Notebooks, Werkzeuge) als auch für Fahrzeuge und Fahrräder sowie als Hausspeicher (s.a.u.). Batterien im Kleinstbereich und für die Elektromobilität müssen ein geringes Gewicht beim höchsten Energiegehalt haben. Weitere Faktoren sind die Kosten, die Brandsicherheit, die Ladefähigkeit und die Lebensdauer. Bei dieser Batterie übernehmen Lithium-Ionen den Stromtransport, es erfolgt keine chemische Reaktion sondern nur eine Ionen-Einlagerung). Die Kathode enthält Cobaltoxid (CoO), die Anode besteht aus Graphit. Als Elektrolyt dienen Li-organische Verbindungen. Die Vorteile sind die höchste Energiedichte aller im großen Maßstab produzierten Batterien, kein Memory Effekt und eine gute Zyklenfestigkeit. Die Nachteile sind ein hoher Preis, ein aufwändiges Zellmanagement aufgrund der geringen Größe und damit verbunden einer hohen Anzahl von Zellen. Aus Sicht der Nachhaltigkeit ist insbesondere die Gewinnung von Cobalt in Sambia und der Demokratischen Republik Kongo, dem wichtigsten aller Lieferländer, sehr gewichtig, da dies meist illegal (FAZ-net 2022, Safe the Children 2022) und unter Zerstörung der Natur abgebaut wird. Lithium hingegen ist Salz, welches in verschiedenen Ländern in Salzseen vorkommt. Der größte Produzent ist Australien (51.000 t) vor Chile (13.000 t; VW o. J.). Hierbei spielt insbesondere die Bereitstellung von Wasser und die Abwasserbehandlung eine wichtige Rolle, da die Gewinnung meist in ariden Regionen stattfindet. Die bekannten Reserven übersteigen die Bedarfe um ein Vielfaches, Lithium ist somit kein “knappes” Metall (ebd.).
- Lithium-Eisenphosphat-Batterien (Energieexperten 2019; Pylontech o. J.; Chemie-Schule o. J. und RCT Power o. J.): Diese Batterien befinden sich derzeit in einer intensiven Phase der Weiterentwicklung und werden vermutlich ein Ersatz für die Lithium-Ionen-Batterien in vielen Bereichen (Wohnungen, Lkw, gewerbliche Anlagen mit geringeren Stromverbräuchen) sein. Anstelle von Cobalt wird Eisen in der Kathode verwendet, die Anode besteht aus Graphit. Sie benötigen nur Nur 80 g Li (4,5 Gewichts-%, LiCo-Batterien 160 g Li) für 1.000 Wh und haben ein geringes Brandrisiko aufgrund der geringen Energiedichte (<90 Wh/kg) sowie keinen freien Sauerstoff in der Redoxreaktion. Der Memory-Effekt ist vernachlässigbar, der Wirkungsgrad beträgt 93-98 Prozent. Sie haben zudem eine hohe Zyklenfestigkeit (mehr als 6.000) bei geringem Kapazitätsverlust (5%). Zum Vergleich: Ein Blei Akku hält rund 600 Ladezyklen. Lithium-Phosphat-Batterien werden sowohl für mobile als auch stationäre Anwendungen verwendet, sowohl im Eigenheim Bereich als Speicher für PV-Strom bis hin zu Großanlagen. Tesla ist hierbei einer der Vorreiter. Das Unternehmen hat 2017 in Australien den (damaligen) größten Energiespeicher mit Lithium-Batterien errichtet: 100 MW Leistung und 125 MWh Speicherkapazität (Erneuerbare Energien 2021). Inzwischen gibt es aber ein Speichersystem mit einer Kapazität bis zu 300 MWh (Ingenieur.de 2021).
- Lithium-Mangandioxid (GRS o. J.): Dieser Batterietyp ist besonders wichtig in der Elektronik, da Lithium die größte Kapazität hat (ca. 4 Ah/g). Lithium ist aber auch sehr wasserempfindlich (auch Feuchte), weshalb die Batterien feuchtedicht verkapselt werden müssen. Die Kathode besteht aus Mangandioxid, die Anode aus Lithium, der Elektrolyt ist organisch. Die Vorteile sind eine hohe Energiedichte, sie sind lagerfähig, es findet nur eine geringe Selbstentladung statt und es sind extrem dünne Batterien möglich (0,4 mm). Die Nutzung erfolgt vor allem für Langzeit Anwendungen in der Elektronik, bei IKT, in der Messtechnik und der Fotographie. Aus Sicht der Nachhaltigkeit ist anzumerken, dass es Einweg-Batterien sind. Ein Recycling ist prinzipiell möglich, aber die Rückführung ist schwierig weil z. B. Batterien vor allem über Verkaufsstellen gesammelt werden. Mangan ist ein häufiges Metall ohne besondere gefährliche Eigenschaften, es spielt eine wichtige Rolle in der Photosynthese in Pflanzen (ISE o. J.). Es wird aus Erzen gewonnen. Aus der Nachhaltigkeitsperspektive sind derzeit keine besonderen Bedenken vorhanden.
- Redox-Flow-Batterien (RF-Batterie)( Batterieforum o. J.; Kim et al., 2000).; Batterieforum o. J.): Die Basis dieser Batterie ist eine redox-aktive Flüssigkeit in einem Tank, die mit einer zweiten Flüssigkeit in dem anderen Tank (reversibel) reagiert. Ein Beispiel ist eine Vanadium-Salz-Batterie, bei der Vanadium unterschiedliche Oxidationszustände einnimmt. Die Leistung ist unabhängig von der Kapazität von Anolyt und Katholyt, sie ist skalierbar durch das Volumen und den Salzgehalt. Zentral ist eine Ionenselektive Membran, die den ganzen Prozess erst möglich macht (im Unterschied zu obigen Batterietypen). Der Wirkungsgrad erster Großanlagen soll bei größer 60 Prozent liegen, die Zyklenfestigkeit bei größer 10.000. Vorteile sind die Millisekunden-Ansprechbarkeit, keine Selbstentladung, und geringer Wartungsaufwand. Der Nachteil ist die geringe Energiedichte (10 – 25 Wh/l). Anwendungsmöglichkeiten sind das Lastmanagement und die Möglichkeit für “Back-up-Power”, d.h. die Stabilisierung des Stromnetzes. Die bisher größte Batterie dieses Typs wurde 2013 in China errichtet aus zehn Einheiten a 20 MW und einer Speicherkapazität von 800 MWh (Erneuerbare Energien 2021). Zum Vergleich: Das größte Pumpspeicherkraftwerk in Deutschland (Markersbach) hat eine Speicherkapazität von 4.000 MWh und eine Leistung von 1.050 MW (Vattenfall o. J.). Vanadium ist ein häufiges Metall ohne besondere gefährliche Eigenschaften, es spielt eine wichtige Rolle in der Phosphorylierung in allen Lebewesen (ISE o. J.). Es wird aus Erzen und Erdölrückständen gewonnen. Aus der Nachhaltigkeitsperspektive sind derzeit keine besonderen Bedenken vorhanden.
Fracking
Fracking wird bei der Erdgas- und Erdölgewinnung und zur Erschließung von Tiefengeothermie eingesetzt. Unter hohem Druck wird Wasser mit Zusatzstoffen in das Speichergestein gepumpt, da es von sich aus nicht durchlässig genug ist. Es können Verunreinigungen von Grund- und Trinkwasser sowie Luftemissionen auftreten und es besteht ein hoher Flächen- und Wasserverbrauch. Kritisch sind besonders die eingesetzten Chemikalien, die deshalb in Deutschland stark reglementiert sind. Besonders kritisch ist der Prozess bei der Erdgasförderung, weshalb “die Erdgasgewinnung in Schiefer-, Ton-, Mergel- und Kohleflöz-Gestein (sogenannte unkonventionelle Fracking-Vorhaben) aufgrund der fehlenden Erfahrungen und Kenntnisse in Deutschland grundsätzlich verboten ist.” (UBA, 2017).
Feinstaub
Bis Ende des letzten Jahrhunderts waren Smog und saurer Regen mit ihren gesundheitlichen Folgen (Atemwegserkrankungen) bzw. Umweltfolgen (Baumsterben und Versauerung von Gewässern) eine offensichtliche Wirkung der Nutzung fossiler Brennstoffe. Durch Rußfilter, Verwendung schwefelarmer Brennstoffe und der Entschwefelung von Rauchgasen wurden diese Probleme in der EU weitgehend gelöst. Geblieben sind Gesundheitsfolgen durch Feinstaub und Stickoxiden, denen mit neuen Filteranlagen, Katalysatoren, AdBlue und strengen Abgasnormen begegnet wird. Seit 1995 haben sich die als besonders gefährlich geltenden Feinstaubemissionen fast halbiert, von ca. 346.000 t auf 180.000 t im Jahr 2020 (Statista 2022). Ein wirksame Alternative gegen Feinstaub ist vor allem der Umstieg auf E-Mobilität, da diese in Elektromotoren nicht entstehen. Allerdings gibt es eine neue konterkarierende Entwicklung: Es werden immer mehr Kaminöfen in Betrieb genommen: Mehr als 11 Millionen (Tagesschau 2022). Das Umweltbundesamt sieht diesen Trend sehr kritisch (ebd.): “Die Kaminöfen, die sich immer stärkerer Beliebtheit erfreuen, belasten die Luftqualität beachtlich. Die Feinstaubemissionen aus der Holzverbrennung übersteigen in Deutschland die Auspuff-Emissionen von Lkws und Pkws bei weitem”.
Flächenkonkurrenz
Flächenkonkurrenz gibt es grundsätzlich für alle Einrichtungen und Aktivitäten. Wo ein Auto prakt, kann kein Fahrrad stehen, wo eine Schule gebaut wird, finden keine Wohngebäude mehr Platz. Bei fossilen Energien ist die im Tagebau gewonnene Braunkohle das offensichtliche Beispiel für Flächenverbrauch und damit Konkurrenz für andere Nutzungen über Jahrzehnte hinweg. Erneuerbare Energien haben eine geringere Energiedichte als (abgebaute) fossile Brennstoffe. Es wird mehr Fläche benötigt, um (pro Jahr) eine bestimmte Menge an Energie zu gewinnen. Deshalb muss beim Umstieg auf die Erneuerbaren besonders auf eine Minimierung des Flächenverbrauchs geachtet werden. Dies geschieht insbesondere durch Doppelnutzung von Flächen, wo immer dies möglich ist (z. B. Solaranlagen auf Hausdächern) und durch die Nutzung biogener Abfallstoffe (Gülle, Mist, Pflanzenreste) zur Biogasgewinnung, die nicht extra angebaut werden müssen. Innerhalb der erneuerbaren Energien ist Bioenergie besonders flächenintensiv. Ihr Energieertrag liegt zwischen 1,5 und 7 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr [kWhth/m2/a]. Für andere Erneuerbare liegen die Werte z. B. für die bodennahe Geothermie bei 30 – 40 und für Solarwärme bei 100 bis 230 kWhth/m2/a (Dumke, 2017). Photovoltaik liegt mit der Energiedichte in der Nähe von Solarwärme, für Wind ist der Wert noch höher. Hier hängt die Angabe aber davon ab, wie der “Flächenverbrauch” definiert wird. Die Fläche wird zwar bis auf wenige Meter um die Anlage nicht verbraucht, kommt aber bspw. für Wohnnutzung in einem wesentlich größeren Bereich nicht mehr infrage.
Flächen- und Wasserverbrauch
Alle mineralischen Ressourcen der Elektronik werden im Bergbau gewonnen. Insbesondere der Tagebau nimmt große Flächen in Anspruch. Aber aufgrund des Abraums, der oberirdisch gelagert wird, beanspruchen auch unterirdische Minen viel Platz. Größere Bergwerke können mit zugehöriger Infrastruktur (z. B. Absetzbecken) 20 bis 30 km2 Fläche umfassen. Aber um dies auch richtig einzuordnen, entspricht dies viel weniger als die Agrarwirtschaft nutzt. In Argentinien wurden Soja-Felder angelegt, die mehr als 1.000 ha groß sind – eine Fläche von 10 km2 (DLF 2008). Im Mittel benötigt man für die Gewinnung einer Tonne Kupfer zwischen 3-6,5 m² Fläche. (BGR 2020). Martens et al. haben einen Flächenverbrauch von 2,3 ha pro Mio t Erz bestimmt (Martens, P. et al 2002). Bedeutsamer ist sicher der Wasserverbrauch und die Emissionen der Verhüttung. Für die Aufbereitung des Kupfers durch wässrige Prozesse (Mahlen und Flotieren) werden im Mittel 74 m2 Wasser pro Tonne Kupfer benötigt (BGR 2020). Immerhin haben viele Minen Aufbereitungsanlagen für das Wasser, so dass in China die Recyclingquote bei 90 Prozent und in Chile die Aufbereitungsquote bei 70 Prozent liegt (ebd.). Hinzu kommen noch große Emissionen, z. B. durch das Rösten des Kupfersulfides entstehen rund 2,8 t CO2-Äq.
Rohstoffbedarfe für erneuerbare Energien
Der Klimawandel kann nur begrenzt werden, wenn fossile Kraftwerke gegen Anlagen zur Erzeugung von erneuerbarer Energie ersetzt werden. Dies führt aber im größten Umfange zum Einsatz von Mineralien, Metallen und Kunststoffen. Diese Situation mag zunächst paradox klingen, ist jedoch angesichts planetarer Grenzen und angestrebter gleicher Entwicklungschancen und globaler Verteilungsgerechtigkeit im Rahmen nachhaltiger Entwicklungsziele eine ernste Herausforderung.
- Um die angestrebten Ziele der Windenergiekapazität bis 2030 zu erreichen, ist ein Nettozubau von 82 GW nötig. Der kumulative Rohstoffbedarf dafür beträgt laut Berechnungen der Deutschen Rohstoffagentur rund 40 Mio. t Beton, Stahl, Glasfaserkunststoff und verschiedene Metalle (DERA 2022)
- Um die angestrebten Ziele der Photovoltaik eines Nettozubaus von 161 GW bis 2030 zu erreichen, liegt der kumulative Rohstoffbedarf rund 32 Mio. t Beton, Stahl, Glas und verschiedene Metalle (DERA 2022):
Die folgende Tabelle zeigt die Bedarfe der Ressourcen, um die Wachstumsziele 2030 für Deutschland zu erreichen (DERA 2022).
Tabelle: Ressourcenbedarf für Windenergie- und Photovoltaik-Anlagen 2030)
Ressourcen für Windenergieanlagen | Ressourcen für Photovoltaik-Anlagen |
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Quellenverzeichnis
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SDG 8 Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum
“Dauerhaftes, inklusives und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern”
In der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie wird zum SDG 8 auf das Leitbild „Soziale Marktwirtschaft“ verwiesen (Bunderegierung 2021: 2214):
„Soziales Ziel ist es, unternehmerische Freiheit und funktionierenden Wettbewerb mit sozialem Ausgleich und sozialer Sicherheit zu verbinden. Mit Hilfe der Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft, wie fairer Wettbewerb, Unternehmerverantwortung, Sozialpartnerschaft, Mitbestimmung und gerechte Verteilung des erwirtschafteten Wohlstands, werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass wir auch in Zukunft noch Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung haben.“
Hinsichtlich des SDG 8 sind zwei Ebenen zu betrachten: Eine nationale Ebene und die globale Ebene.
Auf der nationalen Ebene steht Deutschland laut der „European Working Survey” hinsichtlich der Arbeitsbedingungen sehr gut da – 89 Prozent der Befragten geben an, mit ihrem Job zufrieden zu sein und 91 Prozent bestätigen einen fairen Umgang mit ihnen als Arbeitnehmer*innen (Eurofond 2021). Jedoch zeigt der Index “Gute Arbeit” des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB 2022) detailliert, dass es in manchen Branchen, wie dem Gesundheitssektor und bei Beschäftigten in Leiharbeitsverhältnissen noch große Defizite gibt (DGB 2022). Besonders negativ sind hierbei die Kriterien “Arbeitsintensität” und “Einkommen” aufgefallen, die notwendigen Handlungsbedarf in Berufsbildern aufzeigen.
Auch wenn Kinderarbeit und Sklaverei in Deutschland keine Rolle spielen, so ist die Umsetzung der verschiedenen Unterziele des SDG 8 eine dauerhafte Aufgabe im Sinne einer kontinuierlichen Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Noch ein zweites gilt: Aufgrund der komplexen Lieferketten müssen Unternehmen Verantwortung für ihre Produkte auch in den Ländern, wo diese hergestellt werden, übernehmen. An dieser Stelle sollen folgende Unterziele betrachtet werden:
8.5 Bis 2030 produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle Frauen und Männer, einschließlich junger Menschen und Menschen mit Behinderungen, sowie gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit erreichen
8.6 Bis 2020 den Anteil junger Menschen, die ohne Beschäftigung sind und keine Schul- oder Berufsausbildung durchlaufen, erheblich verringern
8.b Bis 2020 eine globale Strategie für Jugendbeschäftigung erarbeiten und auf den Weg bringen und den GLOBALEN BESCHÄFTIGUNGSPAKT DER INTERNATIONALEN ARBEITSORGANISATION umsetzen (ILO o. J.; Destatis o. J.)
8.7 Sofortige und wirksame Maßnahmen ergreifen, um Zwangsarbeit abzuschaffen, moderne Sklaverei und Menschenhandel zu beenden und das Verbot und die Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit, einschließlich der Einziehung und des Einsatzes von Kindersoldaten, sicherstellen und bis 2025 jede Form von Kinderarbeit ein Ende setzen
8.8 Die Arbeitsrechte schützen und sichere Arbeitsumgebungen für alle Arbeitnehmer, einschließlich der Wanderarbeitnehmer, insbesondere der Wanderarbeitnehmerinnen, und der Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen, fördern.
Die Schnittstellen zur neuen Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ ergibt sich über die Beachtung der gesellschaftlichen Folgen des beruflichen sowie der zu entwickelnden Beiträge für ein nachhaltiges Handeln (BMBF 2022)
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Menschenwürdige Arbeit
Menschenwürdige Arbeit in Deutschland bedeutet vor allem Arbeit, die sich zumindest an internationalen Standards orientiert. Formuliert sind diese in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Vereinte Nationen 1948; UN-Charta, Artikel 23 und 24). Als “menschenunwürdige Arbeit” werden Kinderarbeit, Sklavenarbeit und teilweise Leiharbeit bezeichnet sowie Merkmale bei den Beschäftigungsverhältnissen, die sich nicht an den o.g. Regelwerken orientieren, wie “fehlende soziale Sicherheit”, “mangelnder Arbeitsschutz”, “Ausnutzung von Scheinselbstständigen” und “Ungleichbehandlung von Frauen”.
DGB Index Gute Arbeit
Die Qualität von Arbeitsbedingungen wird seit 2012 aufgrund von 42 standardisierten Fragen in einer bundesweiten repräsentativen Erhebung ermittelt (DGB 2022). Elf Kriterien der Arbeitsqualität werden abgefragt. Im November 2022 wurde der DGB-Index Gute Arbeit 2022 veröffentlicht. Wie schon in den vorangegangenen Jahren gibt es zu den Kriterien „Arbeitsintensität“ und „Einkommen“ erheblich kritische Bewertungen.
Der Index 2022 zeigt z. B. für die Branchen „Metallerzeugung und –bearbeitung“ (64), „Ver- und Entsorgung“ (69), „Baugewerbe“ (66), „Gastgewerbe“ (62), „Information und Kommunikation“ (69), „Finanz- und Versicherungsdienstleistungen“ (68) und „Gesundheitswesen“ (62) auf, dass die Arbeitsbedingungen noch weit entfernt sind vom Anspruch „Gute Arbeit“.
In der ausführlichen Debatte über die Detailergebnisse für 2022 sticht hervor, dass Beschäftigte in Leiharbeitsverhältnissen ihre Situation auffällig schlecht bewerten (ebd.).
„Auf Branchenebene kommen Beschäftigte aus dem Gastgewerbe und dem Gesundheitswesen auf die niedrigsten Indexwerte (jeweils 62 Punkte). In der Informations- und Kommunikationsbranche (IuK) liegt der Wert dagegen bei 69 Punkten. Auch in den Branchen treten auf Ebene der Teilindizes zum Teil sehr große Unterschiede zutage. Beim Teilindex „Ressourcen“ kommen IuK-Beschäftigte auf 75 Indexpunkte, Arbeitnehmer*innen aus der Metallerzeugung und -bearbeitung dagegen lediglich auf 68 Punkte. Die höchsten Belastungen finden sich im Bereich Erziehung und Unterricht (54 Punkte) sowie im Gesundheitswesen (56 Punkte), wo häufig sowohl physische als auch psychische Belastungsfaktoren auftreten. Die größte Diskrepanz auf Branchenebene zeigt sich bei der Bewertung von „Einkommen und Sicherheit“. Hier liegen die Befragten aus dem Gastgewerbe mit 54 Punkten um 16 Punkte unter dem Wert der Beschäftigten aus der öffentlichen Verwaltung (70 Punkte).“ (a.a.O., S. 13)
Darüber hinaus zeigt der Blick in einzelne Branchen und Berufsgruppen, dass noch immer körperliche Belastungen in vielen Bereichen sehr verbreitet sind (ebd.:S. 19).
Einen wesentlichen Einfluss auf die Bewertung der eigenen Arbeitsbedingungen haben die Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten im Arbeitskontext. Im Zusammenhang mit nachhaltiger Entwicklung ist das Kriterium „Sinn der Arbeit“ eine wesentliche Ressource zur Beurteilung der eigenen Arbeitsbedingungen. Dazu führt der Bericht „Index Gute Arbeit 2022“ aus: „Der Sinngehalt von Arbeit ist eine Ressource, die sich aus unterschiedlichen Quellen speisen kann. Dazu gehört, dass die Produkte bzw. Dienstleistungen, die produziert oder erbracht werden, als nützlich erachtet werden. Häufig ist dies mit der Einschätzung verbunden, ob die Arbeit einen gesellschaftlichen Mehrwert erzeugt. Sinnhaftigkeit kann dadurch entstehen, dass die Arbeit einen Nutzen für Andere hat. Und wichtig für Sinnempfinden ist auch, dass die eigenen, ganz konkreten Arbeitsaufgaben und -merkmale nicht sinnlos erscheinen. Wird Arbeit als sinnvoll empfunden, wirkt sich das positiv auf die Motivation und das Wohlbefinden der Beschäftigten aus. Dauerhaft einer als sinnlos erachteten Arbeit nachzugehen, stellt dagegen eine mögliche psychische Belastung und damit ein gesundheitliches Risiko dar.”
BDA - Die Arbeitgeber
Die Arbeitgeber argumentieren mit positiven Statistiken, dass die Arbeitsbedingungen in Deutschland sehr gut sind (BDA o. J.). So sind laut der European Working survey 89 Prozent der in Deutschland Beschäftigten mit ihrem Job zufrieden, 74 Prozent gaben in der Befragung an, dass ihnen ihr Job Spaß macht und 91 Prozent bestätigen einen fairen Umgang am Arbeitsplatz (Eurofound 2021, BDA o. J.). Auch hinsichtlich der Arbeitssicherheit ist die Entwicklung positiv: Sowohl die Arbeitsunfälle, als auch die Unfallquote hat sich seit 1991 halbiert (BDA o. J.). Diese befinden sich seit 2004 unter 1 Mio. und bewegen sich seitdem zwischen 954.000 und 760.000 gemeldeten Fällen (Statista 2021).
Außerdem wird auf die Prävention und den Gesundheitsschutz hingewiesen, für den 2016 ca. 5 Mrd. € ausgegeben wurden, was 40 Prozent der gesamten Ausgaben von 11,7 Mrd. € ausmacht (BDA o. J.). Die betriebliche Gesundheitsförderung, wie Stressmanagement, gesundheitsgerechte Mitarbeiterführung oder Reduktion der körperlichen Belastung kommt dabei sowohl den Beschäftigten als auch den Arbeitgebern zugute. Zuletzt wird noch auf die Eigenverantwortung hingewiesen, die aus selbstverantwortlichen Entscheidungen und flexibleren Arbeitszeiten resultiert (ebd.).
Prekäre Beschäftigungsverhältnisse
Menschen arbeiten auch in Deutschland teilweise in prekären Beschäftigungsverhältnissen und die “Bedeutung des sogenannten Normalarbeitsverhältnisses nimmt ab, während atypische Formen von Arbeit an Bedeutung zunehmen” (Jakob 2016). Dazu zählen befristete Arbeitsverträge, geringfügige Beschäftigung, Zeitarbeit, (Ketten-)Werkverträge und verschiedene Formen der (Schein-)Selbstständigkeit oder auch Praktika. Durch die Agenda 2010 wurde das Sicherungsniveau für von Arbeitslosigkeit Betroffene deutlich gesenkt (Arbeitslosengeld I in der Regel nur für ein Jahr, danach Arbeitslosengeld II). Menschen sehen sich eher gezwungen, “jede Arbeit zu fast jedem Preis und zu jeder Bedingung anzunehmen. Das hat dazu geführt, dass die Löhne im unteren Einkommensbereich stark gesunken sind” (Jakob 2016). 2015 wurde mit der Einführung des Mindestlohns dagegen gesteuert.
Das Thema betrifft auch das SDG 10 “Ungleichheit”, denn jeder Mensch hat das Recht auf faire und gute Arbeitsverhältnisse, dies ist vielen Menschen jedoch verwehrt. Prekäre Beschäftigung widerspricht dem Leitbild von ”Guter Arbeit“, verbaut Entwicklungsmöglichkeiten von Beschäftigten und verstärkt nachweislich den Trend zu psychischen Belastungen und Erkrankungen sowie deren Folgewirkungen (Jakob 2016) (siehe auch SDG “Gesundheit”) .
Kinderarbeit
Zur Definition und Umsetzung von menschenwürdigen Arbeitsbedingungen sind global große Unterschiede zu verzeichnen. Ein Beispiel hierfür ist die Kinderarbeit, die weltweit noch immer verbreitet ist. 79 Millionen Kinder arbeiten unter ausbeuterischen Bedingungen, vor allem in Fabriken, die wenig qualifiziertes Personal benötigen oder in der Landwirtschaft sowie im Bergbau (BMZ 2021 und 2022). Nach Angaben der ILO müssen weltweit rund 152 Millionen Kinder zwischen fünf und siebzehn Jahren arbeiten, vor allem in der Landwirtschaft, als Hausangestellte oder in Minen. Viele dieser Tätigkeiten sind gesundheitsgefährdend. Die ILO setzt sich schon lange für die Abschaffung von Kinderarbeit ein, sie ist Partnerorganisation in der „Allianz 8.7“, einer globalen Partnerschaft, die sich zum Ziel gesetzt hat, Zwangsarbeit, moderne Sklaverei, Menschenhandel und Kinderarbeit weltweit zu beseitigen, wie es in den Zielen für nachhaltige Entwicklung 2030 formuliert wurde. (ILO 2021) Unter Mitwirkung der deutschen Bundesregierung wird seit 1992 ein von der ILO betriebenes Internationales Programm zur Abschaffung der Kinderarbeit umgesetzt (International Programme on the Elimination of Child Labour, IPEC<, BMZ 2022).
Gender Pay Gap
Unterschiedliche Entlohnung für vergleichbare Tätigkeiten und Qualifikation für Frauen und Männer lassen sich durch die statistischen Erhebungen des Statistischen Bundesamtes aufzeigen. In einer Pressemitteilung vom März 2022 wird betont, dass Frauen pro Stunde noch immer 18 Prozent weniger verdienen als Männer: „Frauen haben im Jahr 2021 in Deutschland pro Stunde durchschnittlich 18 Prozent weniger verdient als Männer. Damit blieb der Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern – der unbereinigte Gender Pay Gap– im Vergleich zum Vorjahr unverändert. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis 2022) anlässlich des Equal Pay Day am 7. März 2022 weiter mitteilt, erhielten Frauen mit durchschnittlich 19,12 Euro einen um 4,08 Euro geringeren Bruttostundenverdienst als Männer (23,20 Euro). Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 16.02.2023 müssen Frauen bei gleicher Arbeit auch gleich bezahlt werden, eine individuelle Aushandlung der Lohn- oder Gehaltshöhe ist damit nicht wirksam (Zeit Online 2023).
Deutsches Sorgfaltspflichtengesetz
Um ihrer Verantwortung zum Schutz der Menschenrechte gerecht zu werden, setzt die Bundesregierung die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen mit dem Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte von 2016 (Nationaler Aktionsplan, Bundesregierung 2017; 2021; 2022) in der Bundesrepublik Deutschland mit einem Gesetz um. Das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten ist besser unter dem Namen Lieferkettengesetz oder auch Sorgfaltspflichtengesetz bekannt (BMAS 2022, o. a. “Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz”). Dort ist die Erwartung an Unternehmen formuliert, mit Bezug auf ihre Größe, Branche und Position in der Lieferkette in angemessener Weise die menschenrechtlichen Risiken in ihren Liefer- und Wertschöpfungsketten zu ermitteln, ihnen zu begegnen, darüber zu berichten und Beschwerdeverfahren zu ermöglichen.
Das Lieferkettengesetz tritt 2023 in Kraft und gilt dann zunächst für Unternehmen mit mehr als 3.000, ab 2024 mit mehr als 1.000 Angestellten. Es verpflichtet die Unternehmen, in ihren Lieferketten menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in angemessener Weise zu beachten. Kleine und mittlere Unternehmen werden nicht direkt belastet. Allerdings können diese dann betroffen sein, wenn sie Teil der Lieferkette großer Unternehmen sind.
Unabhängig ob betroffen oder nicht: Es lohnt sich auch für kleinere Unternehmen, sich mit dem Gesetz adressierten Nachhaltigkeitsthemen auseinanderzusetzen, um das eigene Handeln entlang dieser Leitplanken zu überprüfen. Der Nachhaltigkeitsbezug ist unter anderem durch den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) gegeben, er gab einen wichtigen Impuls für das Gesetz. Der NAP wurde gemeinsam von Politik und Unternehmen verabschiedet, um zu einer sozial gerechteren Globalisierung beizutragen (Bundesregierung 2017). Ergebnisse einer 2020 im Rahmen des Nationalen Aktionsplans durchgeführten repräsentativen Untersuchungen zeigten jedoch, dass lediglich zwischen 13 und 17 Prozent der befragten Unternehmen die Anforderungen des Nationalen Aktionsplans erfüllen (VENRO 2021). Der gesetzgeberische Impuls war also erforderlich, um die Einhaltung der Menschenrechte zu fördern und damit auch zu einem fairen Wettbewerb zwischen konkurrierenden Unternehmen beizutragen.
Das Lieferkettengesetz rückt internationale Menschenrechtsabkommen und lieferkettentypische Risiken in den Blick: Dazu zählen bspw. das Verbot von Kinderarbeit, der Schutz vor Sklaverei und Zwangsarbeit, die Vorenthaltung eines gerechten Lohns, der Schutz vor widerrechtlichem Landentzug oder der Arbeitsschutz und damit zusammenhängende Gesundheitsgefahren. Es werden zudem internationale Umweltabkommen benannt. Sie adressieren die Problembereiche Quecksilber, persistente organische Schadstoffe und die grenzüberschreitende Verbringung gefährlicher Abfälle und ihre Entsorgung. Zu den jetzt gesetzlich geregelten Sorgfaltspflichten der Unternehmen gehören Aufgaben wie die Durchführung einer Risikoanalyse, die Verankerung von Präventionsmaßnahmen und das sofortige Ergreifen von Abhilfemaßnahmen bei festgestellten Rechtsverstößen. Die neuen Pflichten der Unternehmen sind nach den tatsächlichen Einflussmöglichkeiten abgestuft, je nachdem, ob es sich um den eigenen Geschäftsbereich, einen direkten Vertragspartner oder einen mittelbaren Zulieferer handelt. Bei Verstößen kann die zuständige Aufsichtsbehörde Bußgelder verhängen. Unternehmen können von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden.
Arbeitsbedingungen bei Elektronikherstellern
Die meisten Produkte und Bauteile für elektronische Kleingeräte und IT importiert Deutschland aus Südostasien. Immer wieder werden Berichte über katastrophale Arbeitsbedingungen und deren Folgen für die Arbeitenden dort öffentlich gemacht. Seit 2008 machen kritische Organisationen (vgl. z. B. Germanwatch 2009) und Medien auf Missstände aufmerksam.
- 2015 berichtete Focus-Online über Arbeits- und Lebensbedingungen in zwei Elektronikfabriken in der südchinesischen Provinz Guangdong. Von dort wurde berichtet, dass bis zu 370 Monatsstunden für einen Lohn unter 80 € geleistet werden mussten. Die Arbeitenden schlafen in dicht nebeneinanderstehenden Betten, Gewerkschaften gibt es nicht. Diverse namhafte Computerhersteller lassen dort produzieren. (Focus-online 2015).
- 2015 berichtete die US-Arbeitsrechts Organisation China Labor Watch über einen taiwanesischen Zulieferer für Apple in Shanghai: Schimmel, Wanzen und 14 Personen in einem Schlafraum. Obwohl der Zustand schon seit 2013 bekannt war, wurde nichts unternommen. Informationen für die Arbeiter und Arbeiterinnen, wo Quecksilber und Arsen in der Produktion eingesetzt werden, lagen nicht vor (Handelsblatt 2015).
- 2019 schrieb die Zeitschrift Südasien über eine vergleichbare Problematik in Indonesien. Das Beispiel zeigt auf, was vielerorts Realität zu sein scheint: Es gibt drei Typen von Beschäftigen: Reguläre oder unbefristete Beschäftigte, Kontraktarbeiter*innen oder befristete Beschäftigte sowie Beschäftigte aus Leiharbeitsfirmen. Trotz gleicher Arbeit erhalten die Beschäftigten unterschiedliche Löhne und Sozialleistungen. Zudem werden Grenzwerte für Industriechemikalien erheblich überschritten, was zu Gesundheitsschäden führt. (Südostasien 2019)
Die großen Elektronikhersteller wie Apple und Samsung stehen unter besonderer Beobachtung, da sie ihre hochpreisigen Produkte zum großen Teil in den westlichen demokratischen Staaten mit Pressefreiheit verkaufen. Deshalb erfolgten auch Veränderungen seitens des Managements. z. B. wurde in 2020 die Zusammenarbeit von Apple mit Pendragon gekündigt, weil das Unternehmen zu wenig gegen zu kritisierende Zustände unternommen hat (Spiegel 2020). Zudem wurde die Wertschöpfungskette stärker überwacht. Im Jahre 2020 konnte das Unternehmen verkünden, dass keine minderjährigen Beschäftigten mehr in Fabriken arbeiten. Trotz einer hohen Zahl von 100 unangekündigten Fabrikbesichtigungen konnte die Zahl der gravierenden Verstöße gegen Firmenrichtlinien deutlich reduziert werden: Von 48 in 2017 auf 9 in 2020.
Dies sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Unternehmen, die nicht im Rampenlicht stehen, gleichfalls für eine menschenwürdige Arbeit sorgen. Dioden und Widerstände sind ja auch nicht sichtbar im Smartphone.
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destatis (o. J.): Internationale Arbeitsorganisation (ILO)-Arbeitsmarktstatistik. Online: https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Arbeitsmarkt/Erwerbstaetigkeit/Methoden/Erlaeuterungen/erlaeterungen-arbeitsmarktstatistik-ilo.html
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DGB Gewerkschaftsbund (2022): Saisonarbeit in der Landwirtschaft: Miserable Bedingungen für Saisonarbeitnehmer*innen beenden. Online:
www.dgb.de/themen/++co++9ae2a64a-728c-11eb-be71-001a4a160123
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Springer Gabler (o. J.): Gabler Wirtschaftslexikon: Definition Nachhaltiges Nachhaltigkeit im Personalmanagement. Online: https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/nachhaltiges-personalmanagement-53887
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Südostasien-Magazin (2019): Toxische Zustände in der Elektronikindustrie. Online: https://suedostasien.net/toxische-zustaende-in-der-elektronikindustrie/
UN Global Compact,World Business Council for Sustainable Development (WBCSD),Global Reporting Initiative (GRI) (2021): SDG-Kompass – Leitfaden für Unternehmensaktivitäten zu den SDGs.
online: https://sdgcompass.org/
UN Global Compact (o. J.): Initiative für nachhaltige und verantwortungsvolle Unternehmensführung. Online: www.globalcompact.de
VENRO Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (2021): Vier Jahre Nationaler Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP). Online: https://venro.org/publikationen/detail/vier-jahre-nationaler-aktionsplan-wirtschaft-und-menschenrechte-nap
Vereinte Nationen (1948): Resolution der Generalversammlung 217 A (III). Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Online: https://www.un.org/depts/german/menschenrechte/aemr.pdf
Vereinte Nationen 2015: Resolution der Generalversammlung „Transformation unserer Welt: die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“. Online: https://www.un.org/depts/german/gv-70/band1/ar70001.pdf
Welthungerhilfe (2020): Indien hält bei der Kinderarbeit den traurigen Spitzenplatz. Online: www.welthungerhilfe.de/welternaehrung/rubriken/wirtschaft-menschenrechte/indien-haelt-bei-kinderarbeit-den-traurigen-spitzenplatz
www.bmas.de/DE/Service/Publikationen/Broschueren/a395-csr-din-26000.html
ZAV Zentrale Auslandsvermittlung (2021): Wichtige Informationen für Saisonarbeitskräfte, Info Saisonarbeitskräfte. Online: www.arbeitsagentur.de/datei/saisonarbeit-in-deutschland_ba146931.pdf
Zeit Online (2023): Lohnunterschiede bei gleicher Arbeit rechtswidrig. Online: https://www.zeit.de/arbeit/2023-02/lohngleichheit-bundesarbeitsgericht-frauen-urteil-diskriminierung?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.ecosia.org%2F
Zoll 2022: Verpflegung und Unterkunft für Saisonarbeitskräfte. Online: https://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Arbeit/Mindestarbeitsbedingungen/Mindestlohn-Mindestlohngesetz/Berechnung-Zahlung-Mindestlohns/Verpflegung-Unterkunft-Saisonarbeitskraefte/verpflegung-unterkunft-saisonarbeitskraefte_node.html
SDG 9 Industrie, Innovation und Infrastruktur
“Eine widerstandsfähige Infrastruktur aufbauen, inklusive und nachhaltige Industrialisierung fördern und Innovationen unterstützen”
In SDG 9 geht es um die Etablierung nachhaltiger und widerstandsfähiger Infrastrukturen und die Förderung einer inklusiven und nachhaltigen Industrialisierung. Industrien sollen nachhaltiger werden – mit einem effizienteren Ressourceneinsatz und unter vermehrter Nutzung sauberer und umweltverträglicher Technologien und Industrieprozesse. Exemplarisch sollen hier zwei Unterziele betrachtet werden: (Destatis o. J.):
9.2 Eine inklusive und nachhaltige Industrialisierung fördern und bis 2030 den Anteil der Industrie an der Beschäftigung und am Bruttoinlandsprodukt entsprechend den nationalen Gegebenheiten erheblich steigern und den Anteil in den am wenigsten entwickelten Ländern verdoppeln.
9.4 Bis 2030 die Infrastruktur modernisieren und die Industrien nachrüsten, um sie nachhaltig zu machen, mit effizienteren Ressourceneinsatz und unter vermehrter Nutzung sauberer und umweltverträglicher Technologien und Industrieprozesse, wobei alle Länder Maßnahmen entsprechend ihren jeweiligen Kapazitäten ergreifen
In den Standardberufsbildpositionen spiegeln sich die Unterziele und nationalen Indikatoren des SDG 9:
a)Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b)bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
e)Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
Auf dem Weg zur nachhaltigen Entwicklung erfordert die nötige Transformation Innovationen auf der technischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Seite.
Unter dem Alltags- und Wirtschaftsdruck der Industrie besteht jedoch die Gefahr, Innovation einfach mit einem neuen Produkt bzw. Verfahren gleichzusetzen. Daraus resultieren teilweise Entscheidungen für technologische Entwicklungen, die den Status Quo erhalten und nicht-nachhaltige Pfadabhängigkeiten zementieren. Ein Beispiel ist die unhinterfragte Übertragung eines Mobilitätskonzeptes, das auf den Individualverkehr setzt. Statt einer Mobilitätswende erleben wir nur eine Antriebswende. Oft stehen hinter den Forschungs- und Innovationsprogrammen Zukunftsvorstellungen, die nur wenige Interessen wie Wirtschaft und technologieorientierte Forschung abbilden. Deshalb ist es so wichtig, möglichst viele gesellschaftliche Perspektiven in einem gemeinsamen Leitbildprozess für nachhaltige Innovationen einzubringen. (Nabu 2017)
Globale Wertschöpfungsketten
Der Elektromarkt ist ein globaler Markt. In 2020 lag das Volumen dieses Marktes bei rund 4.600 Mrd. Euro (ZVEI 2021). Zum Vergleich: Das Bruttoinlandsprodukt von Deutschland lag in 2021 bei rund 4.300 Mrd. Euro (Weltbank 2022). Den größten Anteil am Elektromarkt hat China mit 42 Prozent, gefolgt von den USA mit 13 Prozent (ZVEI 2021). Der Anteil von Deutschland beträgt 3 Prozent, aber mit 17 Prozent für Gesamteuropa ist dieser Markt stärker als der der USA, aber schwächer als des übrigen Asiens (Asien ohne China, inklusive Korea und Japan, zusammen 21%). Afrika, Süd- und Mittelamerika sowie Australien kommen insgesamt nur auf 8 Prozent des Weltmarktanteils.
Die “Fachbereiche” so der ZVEI verteilen sich wie folgt (ZVEI 2021):
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in Deutschland ist die Elektrotechnik- und Elektronikindustrie breit aufgestellt (BMWK o. J.a). In 2020 hatte sie 873.000 Beschäftigte und einen Gesamtumsatz von 182 Mrd. Euro. zum Vergleich: Die größte Branche des verarbeitendes Gewerbes in Deutschland ist die Automobilindustrie. In ihr sind “nur” 786.000 Personen beschäftigt und sie erwirtschaftet einen Umsatz von 411 Mrd. Euro (BMWK o. J.b). Trotz des geringeren Umsatzes ist die Elektrotechnik- und Elektronikindustrie innerhalb der “Wertschöpfungsketten des verarbeitenden Gewerbes als Systemlieferant unverzichtbar (z. B. Automatisierung, Medizintechnik, Signaltechnik, Sicherheitssysteme/Cybersecurity, Halbleiter, Kabelherstellung/Leitungsbau, Elektro-Komponenten, Batterieherstellung sowie jeweils der zugehörige Service und die Wartung)” (ebd.).
Nach der amtlichen Statistik gab es 2020 rund 3.600 Elektrounternehmen, die vor allem mittelständisch waren (90% haben weniger als 500 Mitarbeiter*innen). Die deutsche Elektroindustrie ist vor allem eine “Zulieferindustrie”, denn sie erzielt rund 80 Prozent ihres Umsatzes mit Industriegütern. Nur 12 Prozent des Umsatzes sind Vorleistungsgüter und nur 8 Prozent sind Gebrauchsgüter (ebd.). Hier spiegelt sich die Verschiebung der globalen Produktionsketten der letzten Dekaden wieder: Gebrauchsgüter wie Haushaltsgeräte, Fernseher, Computer und Smartphones, Kameras, Gartengeräte und Werkzeuge sowie vieles andere werden vor allem in Asien aufgrund der niedrigeren Produktionskosten hergestellt. Dennoch ist die Elektroindustrie für die deutsche Wirtschaft insgesamt von großer Bedeutung: 45 Prozent ihres Umsatzes entfallen auf neuartige Produkte und Systeme – sie ist also hochinnovativ (ebd.).
Aus Sicht der Nachhaltigkeit ist die Wertschöpfungskette der Elektro- und Elektronikindustrie kaum zu bewerten: Sie ist zu global und zu komplex. In der Elektroindustrie beginnt diese Kette mit dem Rohstoffabbau und der Verhüttung. Anschließend werden zumeist die reinen Metalle durch vielfältige Prozesse hergestellt (Raffination, Elektrolyse, Lösungs- und Fällungsverfahren u. a.m.). Aus den reinen Elementen werden dann Legierungen und/oder Halbzeuge gefertigt. Im nächsten Schritt werden die Materialien in der industriellen Produktion zu Bauteilen verarbeitet (Drähte, Widerstände, Kondensatoren, Dioden u.v.m), um dann zu Baugruppen verarbeitet zu werden (Leiterplatten, Transformatoren, Speichersysteme, Audio- und Kamerasysteme u.v.m.).
Neben der Komplexität gibt es noch eine zweite Herausforderung für Politik und Industrie, um die Nachhaltigkeit zu fördern: Die Produktionskapazitäten für Schlüsselkomponenten der Elektroindustrie sind aktuell stark beschränkt. Der schnelle Nachfrageanstieg gefährdet daher die Sicherstellung der Versorgungssicherheit mit diesen Komponenten bzw. bedingt eine hohe Importabhängigkeit (ZVEI 2020). Aus der Perspektive nachhaltiger Entwicklung geht es um eine generationsübergreifende Versorgungssicherheit, die zur Sicherung der Grundversorgung unseres Wohlstandes dient.
Um dies zu erreichen, muss einerseits die Sicherung der Rohstoffversorgung für die Wirtschaft erfolgen. Um jedoch eine Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Rohstoffverbrauch zu erreichen, müssen verschiedene Maßnahmen greifen wie z. B. (DERA 2021):
- Ausbau und Effizienzsteigerung von Erzabbau bzw. Metallgewinnung,
- Substitution auf Material- und Technologieebene,
- Ressourceneffizienz in Produktion und Anwendung,
- Recycling, gewährleistet durch recyclinggerechtes Design, Rückführungsstrategien und effiziente Recyclingtechnologien.
Andererseits spielt die Elektrotechnik eine zentrale Rolle für den Klimaschutz und für die Dekarbonisierung, also die Transformation in eine klimaneutrale Wirtschaft und Existenzsicherung. Laut Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e. V. ist zwischen 2005 und 2016 die Bruttowertschöpfung der Industrie um fast 20 Prozent gestiegen. Im selben Zeitraum hat die Stromproduktivität so zugelegt, dass dieser Industriezweig heute weniger Energie verbraucht als noch vor 15 Jahren (ZVEI 2020). Elektrotechnik ist deshalb auch der Schlüssel, der die Tür zu den internationalen Klimaschutzzielen aufschließt. Gleichzeitig benötigt der Klimaschutz und die Energiewende viele Rohstoffe, aber diese werden nicht in Deutschland, nur wenig in Europa, den USA und Australien abgebaut, sondern in Ländern mit geringen Standards für den Umweltschutz und Menschenrechte (vgl. Misereor 2018).
Wertschöpfungsketten und Sorgfaltspflichten
Arbeitsbedingungen im Bergbau und in der Rohstoffverarbeitung im Ausland können sehr belastend und zuweilen ausbeuterisch sein. Ein Beispiel hiefür ist die Kinderarbeit, die weltweit noch immer verbreitet ist: 79 Millionen Kinder arbeiten weltweit unter ausbeuterischen Bedingungen: in Textilfabriken, Steinbrüchen oder auf Kaffeeplantagen – auch für unsere Produkte (BMZ 2021). Indien hält hier den Spitzenplatz laut ILO International Labor Organisation mit 10 Millionen Jungen und Mädchen (vgl. Welthungerhilfe 2020). Die Kinderarbeit ist häufig verbunden mit der Schuldknechtschaft: Wenn ein Kredit nicht zurückgezahlt wird oder er “abgearbeitet” werden muss, müssen die Kinder dafür herhalten.
Das Beispiel der Chuquicamata Mine in Chile, deren Betreiber Codelco (ein staatliches Unternehmen) Lieferant der Aurubis AG (Deutschlands größter Kupferproduzent und -verwerter) ist zeigt: nur 30 Prozent der Mitarbeitenden sind beim Betreiber angestellt, 70 Prozent ebi Subunternehmern, deren Einhaltung von Arbeitsschutz mangelhaft ist. Vereinbarungen zwischen Aurubis und Codelco gelten nur für deren Angestellte. Die Firma Aurubis gilt in Deutschland als transparent; sie hat Kriterien der Nachhaltigkeit und einen Verhaltenskodex auf ihrer Webseite veröffentlicht (NDR 2022).
Da ein Großteil der in Deutschland benötigten mineralischen Rohstoffe und elektronischen Bauteile aus Ländern mit niedrigeren Mindestlohn-Regelungen kommt, sollte auch die Entlohnung und Arbeitsbedingungen in dieser Industrie geschaut werden. Dies steht in Bezug zum SDG 1 “Keine Armut”, nach dem die Widerstandsfähigkeit der Armen und der Menschen in prekären Situationen erhöht und die Verringerung ihrer Exposition und Anfälligkeit gegenüber klimabedingten Extremereignissen und anderen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Schocks und Katastrophen angestrebt wird. Die elektrotechnische Industrie inklusive der Wertschöpfungsketten der Zulieferprodukte stellt global einen wichtigen Wirtschaftsfaktor dar. Sie gibt vielen Menschen einen Arbeitsplatz und damit Einkommen, jedoch liegen Einkommen in Zulieferländern häufig weit unter den Standards in Deutschland. Während in Deutschland 2021 der monatliche Mindestlohn bei brutto 1.895 PPP$ (ILOSTAT transformiert purchasing power parities zwecks Vergleichbarkeit) lag, liegt dieser in der VR China bei 319 PPP$ und in Indonesien bei 111 PPP$ (ILOSTAT 2022).
Die inländische Politik versucht inzwischen seit 2021 dagegen zu steuern z. B. mit dem Gesetz über die unternehmerische Sorgfaltspflicht in Lieferketten (auch Sorgfaltspflichtengesetz bzw. Lieferkettengesetz genannt, BMZ 2021, BGBl 2021): Ziel ist es, den Schutz der Menschenrechte in globalen Lieferketten zu verbessern. Es geht nicht darum, überall in der Welt deutsche Sozialstandards umzusetzen, sondern um die Einhaltung grundlegender Menschenrechtsstandards wie das Verbot von Kinderarbeit und Zwangsarbeit. Die Politik nimmt damit vor allem die Unternehmen in die Pflicht, ihre Lieferketten konform mit den Menschenrechten zu gestalten. Zunächst gilt das Gesetz für Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, wird aber stufenweise auch auf Unternehmen mit geringeren Beschäftigungszahlen ausgeweitet.
Solange es keine allgemeingültigen und international rechtsverbindliche Standards gibt, scheint es pragmatisch in Eigeninitiative Kriterien der Nachhaltigkeit in Lieferverträgen und Kooperationsvereinbarungen aufzunehmen.
Eine Orientierung bei der Auswahl von Lieferanten bieten derweil unabhängige privatwirtschaftliche Plattformen. z. B. die Onlineplattform Ecovadis (ebd. o. J.), die in der Studie des Handelsblatt-Research-Institut erwähnt wird. Die Organisation arbeitet international mit Fachexperten und Nichtregierungsorganisationen zusammen und hat bislang etwa 90.000 Unternehmen bewertet. Sie bewertet Unternehmen nach 21 Nachhaltigkeitskriterien aus den Bereichen:
- Umwelt
- Arbeits-und Menschenrechte
- Ethik
- Nachhaltige Beschaffung
Für die Transparenz derartiger Zertifikate spielen digitale Technologien eine zentrale Rolle. Auch über die Verfügbarkeit von Beurteilungen derartiger Organisationen hinaus können heutzutage digitale Medien eine reichhaltige Informationsressource sein, die Informationen über politische, wirtschaftliche und soziale Lagen in fernen Ländern zugänglich machen.
Ab 1. Januar 2021 gilt für EU Importeure von Zinn, Tantal, Wolfram, deren Erzen und Gold („Konfliktminerale“) zudem die sogenannte EU Konfliktminerale Verordnung (Verordnung (EU) 2017/821). In Deutschland wurde zu deren Umsetzung und Kontrolle die Deutsche Kontrollstelle EU-Sorgfaltspflichten in Rohstofflieferketten (DEKSOR) in der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) bestimmt. Diese hat eine Orientierungshilfe veröffentlicht, die die Aufgaben, Kompetenzanforderungen und Auditverfahren im Detail beschreibt (DEKSOR 2022), außerdem ist hier ein Beschwerdemechanismus integriert, der über eine gut sichtbare Email-Adresse auf der Internetseite zu finden ist (ebd.). Im globalen Kontext beschreibt der Leitfaden der OECD (OECD 2019) Sorgfaltspflichten für Minerale aus Konflikt- und Hochrisikogebieten.
Seitens der beteiligten Unternehmen hat sich die “Responsible Minerals Initiative” gegründet, der sich mehr als 400 Unternehmen angeschlossen haben (RMI o. J). Die Initiative befasst sich mit Fragen der verantwortungsvollen Mineralienbeschaffung in ihren Lieferketten.
Wertschöpfungskette “Lithium-Ionen-Batterie”
Wertschöpfungsstufe | Nachhaltigkeit: Bezug zu den SDGs | |
Rohstoff Lithium | Lithium wird vor allem in Australien (46% Weltmarktanteil, 55.000 t), Chile (24%, 26.000 t) und China (16%, 14.000 t) gewonnen. In Australien wird es im Bergbau (Hartgestein), in Chile aus Sole, in Bolivien aus Salzseen gewonnen. Perspektivisch können Argentinien, Simbabwe und Bolivien wichtige Förderländer sein aufgrund ihrer Vorkommen und Reserven (IG 2022). In Chile und Argentinien wird als unterirdisches Salzwasser (Salare) an die Oberfläche gepumpt und das Wasser in großen flachen Becken auf den Salzseen durch Sonneneinstrahlung verdampft (VW o. J.). Zur Aufbereitung wird kein Trinkwasser genutzt, allerdings führt das Abpumpen dazu, dass Grundwasser in die Salare nachströmt – konsequenterweise sind der Grundwasserspiegel und führt an der Oberfläche zu Trockenheit mit Schäden für die Vegetation und die Landwirtschaft. Das Lithium wird mit Natriumcarbonat aus der Salzlösung gefällt (ISE o. J.). In Australien wird Lithium z. B. im Bergbau aus Hartgestein in Greenbushes gewonnen (⅓ des Weltbedarfes, DLF 2022). Im Tagebau werden die üblichen Bergwerkspraktiken mit Bohren, Sprengen, Mahlen, Flottieren und Entwässerung angewendet, um die Gangart abzutrennen. Das ca. 6% Nasskonzentrat wird unter Druck mit Natriumcarbonat oder Schwefelsäure ausgelaugt. Im Ergebnis erhält man Lithiumcarbonat von 98 und mehr Prozent Reinheit. (Mineral Processing o. J.). Anschließend wird in beiden Fällen das LiCO3 mit Salzsäure in LiCl umgewandelt zu LiCl und dieses abschließend mit Schmelzflusselektrolyse reduziert zu metallischem Lithium (Mineral Processing o. J. und ISE o. J.). | SDG 3 – Gesundheit
SDG 6 – Wasser
SDG 8 – Arbeit und Wachstum
SDG 7 – Saubere Energie
SDG 15 – Leben an Land
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Rohstoff Nickel | Nickel wird vor allem in Indonesien (1,6 Mio. t), Philippinen (0,3 Mio. t), Russland (0,2 Mio. t) und Kanada/Neukaledonien (0,2 Mio. t) und Australien (0,2 Mio. t) im Bergbau von Hartgestein gewonnen (statista 2023). Nickel kommt zumeist zusammen mit Eisen und Kupfer in Gesteinen vor, weshalb die Aufbereitungsprozesse miteinander verwoben sind (ISE o. J.). Durch Flotation wird das gemahlene Nickelerz aufkonzentriert, getrocknet durch Pressung und dann mit Kohle geröstet. Eisensulfid wird hierbei in Eisenoxid umgewandelt. Durch weiter Röstprozesse mit Koks und Silikaten wird Eisenoxid zu Eisensilikat verschlackt. Die Hütte erhält so Kupfer-Nickel-Feinstein mit 80% Kupfer und Nickel sowie 20% Schwefel. Kupfer und Nickel werden mit Natriumdisulfid (Na2S) als zwei Phasen getrennt. Das Nickelsulfid wird geröstet und mit Koks zu Nickel reduziert. | SDG 3 – Gesundheit
SDG 6 – Sauberes Wasser
SDG 7 – Saubere Energie
SDG 8 – Arbeit und Wachstum
SDG 15 – Leben an Land
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Rohstoff Kobalt | Kobalt wird vor allem in der Demokratischen Republik Kongo (DRK, 60% der Weltproduktion, ca. 90-100.000 t von 2019-22), Russland (6.300 t in 2020), Australien (5.700 t, 2019), den Philippinen (4.700 t, 2019) sowie Kanada und Kuba (3.800 bzw. 3.200 t, 2019) gewonnen (elektroniknet / Arnold 2021; ISE o. J.). Eine bergbauliche Besonderheit liegt beim Hauptproduzenten für Cobalt, der DRK vor. In der DRK liegt das Cobalterz oberirdisch in einem sehr weichen Gestein vor. Es wird sowohl von global tätigen Minenkonzernen, von lokalen Genossenschaften oder durch Zwangsarbeit von Milizen abgebaut (kleiner handwerklicher Bergbau, vgl. save the children 2022). Der sogenannte artesiale Kleinbergbau (ASM) ist die Einkommensgrundlage für mehr als 200.000 Menschen in der Region. Er ist jedoch zumeist illegal und nicht reguliert (analog dem Goldrausch in Alaska). Dieser Bergbau ist auch mit Kinderarbeit aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Bedingungen vor Ort verbunden. Kobalt wird aus Kupfer-Nickele-Erz gewonnen (s.o. Nickel). Aus dem Rohstein mit Kobalt, Nickel, Kupfer und Eisen wird mit Natriumcarbonat und Natriumnitrat der Schwefel entfernt und es bilden sich u. a. Arsensulfate und Arsenate, die mit Wasser ausgelaugt werden. Die zurückbleibenden Metalloxide werden mit Schwefel- oder Salzsäure behandelt, Nickel, Cobalt und Eisen gehen in Lösung. Mit Chlorkalk wird Cobalthydroxid gefällt und durch Erhitzen in Cobaltoxid umgewandelt. Mit Koks oder Aluminiumpulver wird es zu Cobalt reduziert. | SDG 3 – siehe Nickel SDG 6 – siehe Nickel SDG 7 – siehe Nickel SDG 8 – siehe Nickel
SDG 15 siehe Nickel SDG 16 – siehe Nickel
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Rohstoff Mangan | Mangan wird im Bergbau in Südafrika, Australien und Gabun gewonnen (ca. 58% der Bergwerksförderung von ca. 22-24 Mio.t, DERA 2019). Mangan ist mit Eisen verschwistert, so dass es bei der Eisenherstellung zwischendurch meist als Ferro-Mangan (78% Mangan) abgetrennt wird (ISE o. J.). Dies erfolgt über die Reduktion oxidischer Eisen-Mangan-Erze mit Koks in elektrischen Öfen zu Ferro-Mangan. Reines Mangan wird durch Hydrometallurgie gewonnen (Oxidation, Laugung und Elektrolyse). Alternativ kann es durch auch Aluminothermie (Verbrennen mit Aluminiumpulver) gewonnen werden. | SDG 3 – siehe Nickel SDG 6 – siehe Nickel SDG 7 – siehe Nickel SDG 8 – siehe Nickel SDG 15 – siehe Nickel SDG 16 – siehe Nickel
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Rohstoff Kupfer | Kupfer wird im Bergbau von Kupfererz abgebaut oder in Verbindung mit anderen Erzen (s.o. Eisen und Nickel). Die größten Produzenten sind (5,7 Mio. t im Mittel von 2014-2018 BGR 2020), gefolgt von Peru (2,0 Mio. t), China (1,7 Mio. t), den USA (1,3 Mio. t) und die Demokratische Republik Kongo (DRK, 1,0 Mio.t). Kupfer wird pyrometallisch und elektrolytisch gewonnen. Die Bergbauprozesse umfassen Bohren und Sprengen, Malen und Flottieren um ein Kupferkonzentrat herzustellen. Bei der Verhüttung wird das Konzentrat geröstet und Einsatz von Kohle zur Oxidation des Eisens. Hierbei entstehen hohe Emissionen (SO2 und CO2 sowie Schwermetalle auf Stäuben). Durch Schmelzen mit Kohle und Koks wird das Eisen verschlackt und es entsteht Kupferstein mit 30-80% Kupfer. Dieser wird mehrfach konvertiert bis eine Reinheit von 94-97% erzeugt und Kupferplatten gegossen sind. Durch Elektrolyse werden Metallverunreinigungen abgeschieden und reines Elektrolytkupfer gewonnen (Auflösung des Kupfers an der Anode und Abscheidung reinen Kupfers an der Kathode. | SDG 3 – Gesundheit
SDG 6 – Sauberes Wasser
SDG 3 – Gesundheit – s. Lithium SDG 7 – Saubere Energie
SDG 8 – Arbeit und Wachstum
SDG 15 – Leben an Land – s. Nickel
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Rohstoff Graphit | Graphit wird nur zum kleinen Teil als Rohstoff über- und unter Tage abgebaut (China, Indien, Brasilien, Mexiko, Ukraine). Hauptsächlich wird er aus Kohle hergestellt. Die Weltjahresproduktion 2022 lag bei rund 1,3 Mio. t (statista 2023). Aus der Kohle werden mit Salpetersäure Graphit-Einlagerungsverbindungen hergestellt und dann durch plötzliche Hitzeentwicklung (3.000 Grad) expandiert (chemie.de o. J., SGL Carbon o. J.). Abschließend wird der Graphit mechanisch zu einer weichen und flexiblen Folie verarbeitet. Synthetischer Graphit wird aus möglichst reiner Kohle gewonnen und Pech als Bindemittel. Nach Mischung wird die Masse Hochtemperaturprozessen unterworfen, die unterschiedlich ausgeführt die Eigenschaften von Graphit bestimmen. Der Kostenanteil von Graphit an einer Batterie liegt bei 3 bis 4%. | SDG 8 – Arbeit und Wachstum
SDG 7 – Saubere Energie
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Kunststoffe | Batterien enthalten auch viele Kunststoffe – vor allem zur Ummantelung von Bauteilen und als Separatoren in den Zellen. Beispiele sind Polyethylen oder Di-n-Octylphthalat. Die meisten Kunststoffe werden zunächst als Pellets produziert. Ihr Gesamtkostenanteil liegt bei 5 bis 6%. Diese werden aus Erdöl in komplexen Crack- und Raffinerieprozessen der chemischen Industrie hergestellt. Nach der Polymerisation in Lösung wird das Lösungsmaterial abgedampft und der Kunststoff zumeist über Extrusionsverfahren zu Pellets verarbeitet, da diese gut lager-, transportier- und weiterverarbeitbar sind. | SDG 6 – Sauberes Wasser
SDG 7 – Saubere Energie
SDG 8 – Arbeit und Wachstum – s. Nickel SDG 14 – Leben im Meer
SDG 15 – Leben an Land
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Drähte und Leitungen | Drähte und Leitungen werden weltweit produziert. Der größte Produzent ist vermutlich China, in 2010 stellte es schon 60% aller Leitungen für die Welt her (evertiq 2015). Die Produktion fand dort vor allem in klein- und mittelständischen Betrieben statt. Statistiken über die nationale Produktion sind nicht verfügbar. Der Umsatz aber der deutschen Produzenten belief sich für alle Leitungen und Drähte auf 6,5 Mrd. Euro in 2020 (ZVEI 2020). Der Materialeinsatz betrug für Kupfer ca. 510.000 t und für Aluminium ca. 90.000 t (ebd.). Der Herstellung von Drähten und Leitungen ist ein mehrstufiger Prozess (Zeno / Widmaier o. J.). Zunächst werden die Kupferplatten der Elektrolyse eingeschmolzen und in Rohblöcke gegossen. (7 bis 8 cm im Querschnitt und 70 bis 90 cm lang). Sie werden gehobelt und dann vor dem Walzen auf 750 bis 850 Grad erhitzt. Das Auswalzen im Drahtwalzwerk erfolgt auf einen Durchmesser von 6 bis 7 mm. Er wird ausgeglüht, mit verdünnter Schwefelsäure gebeizt und mit KaLkwasser abgespült. Anschließend wird der Draht gezogen mit Grob-, Mittel- und Feinzügen je nach gewünschtem Produkt. Nach jedem Ziehprozess werden sie geglüht und gebeizt. Drähte sind die Vorstufe von Leitungen (vgl. Wiley Industrie News 2017). Leitungen bestehen aus vielen Kupfer-Einzeldrähten. Durch Extrusion wird die Litze mit einem Kunststoff ummantelt. Hierbei können auch mehrere Schichten auf die Litzen aufgebracht werden um eine bessere Isolation und gleichzeitig höhere Übertragungsgeschwindigkeiten zu erreichen. Im dritten Schritt werden die isolierten Leiter verseilt. Üblicherweise werden Paare gebildet, die in einem weiteren Schritt mit anderen Paaren verseilt werden können wenn z. B. mehr Daten- oder Stromleitungen benötigt werden. Der letzte Schritt bei Datenleitungen ist die Flechterei. Dünne Drähte aus Kupfer oder verzinnten Kupfer werden um das Adernbündel gewoben. Zweck ist eine Isolation gegen elektromagnetische Störungen. Anschließend erhalten sowohl Stromleitungen als auch Datenleitungen noch eine Ummantelung durch Extrusion eines Kunststoffes. Die Extrusion findet bei 200 Grad statt, so dass die Leitungen im Wasserbad gekühlt werden muss. Zum Abschluss wird die Bezeichnung auf die Kabel gedruckt, auf eine Trommel gewickelt und die Rolle wird verpackt. | SDG 7 – Saubere Energie
SDG 8 – Arbeit und Wachstum
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Elektrolyt- Produktion | Elektrolyte werden von der chemischen Industrie hergestellt. Die Produktion ist ein „High-Tech-Prozess“, der in den Industrieländern erfolgt (vgl. Österreichische Chemie / Fischer 2021) Der Elektrolyt gewährleistet den Ionenfluss. Die Elektrolyt-Produktion macht 1 bis 2% der Batteriekosten aus. Lithium reagiert heftig unter Knallgas-Reaktion mit Lithium, weshalb alle Elektrolyte wasserfrei sein müssen. Es werden deshalb Lithiumsalze wie LiPF6 Lithiumhexafluorophosphat in organischen Lösungsmitteln eingesetzt (Batterieforum o. J.). Basismaterialien für den Elektrolyten sind Flusssäure und Phosphorverbindungen, die beide zu den extrem gefährlichen Chemikalien gehören. Standardzellen haben eine Spannung von 3,6 Volt, aber NMC-Elektroden können eine höhere Spannung leisten. Dies führt dazu, dass weniger Zellen in Reihe geschaltet werden müssen um in den Hochvoltbereich zu kommen. Gleichzeitig wird wird die Sicherheit der Reihenschaltung erhöht: Die Spannung ist nur so hoch, wie das schwächste Glied sie zulässt (ebd.). Besser wären noch Festkörperelektrolyte, um den Brandschutz zu erhöhen. | SDG 3 – Gesundheit
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Separatoren- Folie | Die Herstellung von Separatoren Folien ist ein Hochtechnologie-Prozess. Statistiken über die produzierten Mengen und die produzierenden Länder liegen nicht vor. Die Separatorenfolie ist eine Bandfolie, die mit den üblichen Herstellungsprozessen wie dem Einschmelzen der Pellets und Extrusion hergestellt wird. Die Folie trennt die Anode und Kathode elektrisch voneinander, ist also unverzichtbar (Batterieforum o. J.). Sie ist durchlässig für Ionen, um so den Ionen-Stromfluss zu gewährleisten. Darüber hinaus nimmt die Folie den Elektrolyten auf und die Batterien können kompakter gebaut werden. Shut-Down-Separatoren vermögen auch bei steigender Temperatur den Ionenfluss zu regulieren, indem die Poren der Membran-Folie sich schließen. Hierdurch wird mehr Sicherheit gewährleistet. Die Kosten für die Separatorenfolien machen 5 bis 6% der Gesamtkosten aus. |
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Anoden- Produktion | Die Herstellung von Anoden ist ein Hochtechnologie-Prozess. Die Produktion ist nahezu vollautomatisiert. Statistiken über die produzierten Mengen und die produzierenden Länder liegen nicht vor. Die Kosten für die Anoden betragen 2 bis 3% der Batteriekosten (ohne Rohstoffkosten). Es gibt verschiedene Anoden-Typen für Lithium-Batterien. Konventionell sind Graphit oder siliziumbasierte Anoden (Batterie 2020 o. J.), in denen Lithium-Metall eingelagert ist. Neu hingegen ist die Verwendung von Li-Metall-Anoden. Verwendet man NMC-Kathoden zusammen mit Silicium-Anoden, können die Kapazitäten bis auf 4.000 mAh gesteigert werden (chemie.de o. J.).
| SDG 6 – Saubere Energie
SDG 12 – Konsum und Produktion siehe unten: Batteriefertigung SDG 13 Klimaschutz
Weitere SDGs
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Kathoden- Produktion | Die Herstellung von Kathoden ist ein Hochtechnologie-Prozess. Statistiken über die produzierten Mengen und die produzierenden Länder liegen nicht vor. Die Kosten für die Kathoden betragen 5 bis 6% der Batteriekosten (ohne Rohstoffkosten). Elektroden werden auch in Deutschland hergestellt z. B. bei Litarion in Sachsen. Die häufigsten Kathoden sind NMC-Kathoden [Li(NiCoMn)O2] (Chemie.de o. J.). Batterien mit derartigen Kathoden haben eine hohe Kapazität (z. B. bei 18650er-Zellen 2.800 mAh) und liefern Ströme von 4 bis 5 Ampere, sie können aber auch auf Entladeströme von 20 A optimiert werden. Die Vorteile dieser Kathoden sind eine hohe Energiedichte (durch die Kombination von Mangan und Nickel), relativ geringe Produktionskosten sowie eine gute elektroschemische Leistungsfähigkeit (Performance, chemie.de o. J.). Der Strom wird über einen Aluminiumleiter abgeleitet. Zur Herstellung s.o. “Anoden-Produktion”. (elektroauto-news / SVOLT o. J.). Bei Kathoden wird noch das Aktivmaterial (Lithium, Mangan oder Kobalt) hinzugemischt. Die Produktion von Zellen wird im Abschnitt “Zellproduktion” beschrieben | Relevanz für die SDG: s.o. Anoden-Produktion |
Batterie- fertigung | Die Batteriefertigung ist ein sehr komplexer, teurer und mechanischer Prozess – beinahe vergleichbar mit der Chipfertigung. Weltweit ist Asien führend – vor allem in China (CATL), Korea (Samsung) und Japan (Panasonic). Seit den 2000er Jahren ist noch Tesla mit seinen Standorten in den USA hinzugekommen („Giga-Factories“). Die Investitionskosten für die Batteriefertigung liegen im Milliardenbereich (manager-magazin 2021). Die Leistung der Fabriken wird in GWh angegeben. Deutsche Projekte liegen in der Größenordnung von 100 GWh. Eine Batterie höherer Reichweite hat 64 kWh, so dass die Fabriken rund 1,5 Mio. Batteriesätze dieser Leistung herstellen pro Jahr. Angesichts von rund 48 Mio. Pkw in Deutschland (UBA 2022) wären drei Fabriken dieser Größenordnung notwendig, um in zehn Jahren die deutsche KFZ-Flotte elektrisch zu gestalten. Bei der Batteriefertigung ist die Produktion der Zellen und der Batteriemodule zu unterscheiden. | SDG 6 – Saubere Energie
SDG 12 – Konsum und Produktion
SDG 13 Klimaschutz
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Zellproduktion | Die Zellproduktion macht rund 33 bis 34% der Gesamt-Batteriekosten aus. Roland Berger schätzt die reine Wertschöpfung auf 13 bis 15% für das Jahr 2025. Angesichts der hohen Investitionskosten für Zellfabriken verfolgen die Automobilhersteller unterschiedliche Strategien: Der Zukauf von Zellen oder die Eigenproduktion. Nach der Herstellung der Anoden und Kathoden erfolgt die Zellproduktion wie folgt:
| SDG 6 – Saubere Energie
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Batteriekon- figuration | Die Batterie-Konfiguration ist ein streng gehütetes Firmengeheimnis, da sie entscheidend für die Kosten und die Leistungsfähigkeit einer Batterie sind. Das Prinzip ist einfach: Die Verbindung der Zellen mit der Elektronik, die alle Prozesse analysiert und steuert. Der Anteil an den Gesamt-Batteriekosten liegt zwischen 24 und 25%. Im Prinzip ist es jedoch nur die Stapelung der Zellen und die Installation der Elektronik, die jedoch essentiell für eine gute Batterie ist (elektronauto-news / SVOLT o. J.). Die Elektronik regelt die Lade- und Entladevorgänge. Integriert in die Elektronik ist auch ein Monitoring (Temperatur, Kapazität, Ladezustand und Spannung). Sie steuert die Kühlung und das Heizen, um die Batterien möglichst langlebig zu halten. | Relevanz für die SDG: s.o. Batteriefertigung |
Einbau in Fahrzeugen | Lithium-Ionen-Batterien sind die teuerste Bauteilgruppe für ein E-Fahrzeug. Die Batteriekosten sollen – je nach Leistung – zwischen 3.000 und 10.000 Euro kosten. 2021 lagen die durchschnittlichen Herstellungskosten bei 123 €/kWh (Autobild / Berylls Strategy Advisors / FFB 2022). Bei einem Urban SUV der Mittelklasse mit 64 kWh Batterie würden die Kosten bei 7.800 € liegen (Listenpreis: 43.000 Euro, d.h. 18% des Gesamtpreises) | Relevanz für die SDG: s.o. Batteriefertigung |
EU-Ecodesign in Konstruktion und Herstellung
Die Ökodesign-Vorschriften sind für alle Hersteller und Lieferanten, die ihre Produkte in der EU verkaufen wollen, verbindlich. Die Anwendungsbereiche sind heterogen: vom Antrieb des Kühlgebläses im Computer bis zu großen Motoren in Industrieanlagen. In der EU sind etwa 8 Milliarden Elektromotoren im Einsatz, die fast 50 Prozent des in der EU produzierten Stroms verbrauchen (EU-Kommission 2019). Seit Juli 2021 müssen Drehstrommotoren im Bereich von 750 W bis 1 MW der Effizienzklasse IE3 oder höher entsprechen. Für Motoren mit einer Leistung zwischen 75 kW und 200 kW ist ab Juli 2023 sogar das Effizienzniveau der höchsten Klasse IE4 gefordert. Für den Maschinenbau bedeutet das: Er muss sich unter Umständen auf andere Bauformen einstellen und sowohl mit elektrischen als auch mechanischen Anpassungen rechnen. Dass ein effizienterer Motor über seine Lebensdauer finanzielle, aber auch CO2- Einsparungen bringen kann, liegt auf der Hand. Von der EU-Kommission wird geschätzt, dass unter Berücksichtigung der Gesamtwirkung der neuen Verordnung bis 2030 jährliche Einsparungen von 110 TWh möglich sind, was dem Stromverbrauch der Niederlande entspricht. Dies bedeutet, dass 40 Millionen Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr vermieden werden und dass die jährlichen Energierechnungen der Haushalte und der Industrie in der EU bis 2030 um etwa 20 Milliarden Euro gesenkt werden können (Thomas 2021). Durch den verstärkten Einsatz von Antrieben mit variabler Drehzahl in relevanten Anwendungen, z. B. bei einer Pumpe, die einen zeitlich veränderlichen Wasserdurchfluss liefert, können weitere Einsparungen auf der Anwendungsebene ermöglicht werden. Dies wird durch die Verordnung gefördert, indem die Hersteller sowohl von Motoren als auch von Antrieben verpflichtet werden, relevante Energieeffizienzdaten bei verschiedenen Drehzahlen/Drehmomenten zu liefern.
Bei all dem sollten die Altgeräte nicht vergessen werden. Hier ist jeweils abzuwägen, ob durch Wartung, Instandsetzung und Optimierung aller Einstellungen die Energieeffizienz ausreichend verbessert werden kann, oder ob ein Komplettaustausch sinnvoll ist angesichts des Herstellungsaufwands mit entsprechenden THG Emissionen und Rohstoffbedarf.
Angesichts globalisierter Wirtschaftsverflechtungen und des Geltungsbereichs der SDGs für die ganze Welt ist der Blick auf die jeweiligen Anforderungen in den unterschiedlichen Lieferländern wichtig und durch das Lieferkettengesetz vorgeschrieben. Ein sehr guter Überblick über Effizienzanforderungen global findet sich auf der Webseite von Getriebebau Nord GmbH; eingebettet in eine interaktive Weltkarte werden jeweils regional gültige Standards angezeigt mit Leistungstransformatoren als Beispiel stellvertretend für viele Produkte.
Für die Konstruktion von Transformatoren liegen im Rahmen EU-Ökodesign-Anforderungen (EU Kommission: Verordnung 548/ 2014) konkrete Aktionsvorschläge vor. Gefordert ist deren Optimierung hinsichtlich der Minimierung von Stromverlusten und der Maximierung des Wirkungsgrades. Für die Zwecke der Produktregulierung kommt jedoch nur die Verwendung vorgeschriebener Werte für den Mindestwirkungsgrad oder die maximalen Verluste in Frage. Mit dieser Verordnung verbindet sich die ehrgeizige Erwartung durch die Verwendung energieeffizienterer Transformatoren nach 2020 Energieeinsparungen von jährlich ca. 16 TWh zu erzielen. Dies entspricht 3,7 Millionen Tonnen weniger CO2-Emissionen oder der Hälfte des gesamten jährlichen Stromverbrauchs Dänemarks (32 TWh) (EU-Kommission 2019b).
Die Formulierung und Umsetzung von EU-Ökodesign Vorschriften ist ein fortlaufender Prozess, in dem weitere Produktgruppen jeweils im Detail beschrieben werden (EU 2019c und BMWK o. J.).
Rohstoffverbrauch in Europa
Während auf der Welt der Gesamtmaterialverbrauch steigt, laut UNEP auf 95 Gigatonnen im Jahr 2019 (aktuellste Zahl), sank die inländische Materialverwendung in Deutschland 2018 auf 1.3 Gigatonnen, was nach zwischenzeitlicher Steigerung nur leicht über dem Verbrauch von 2010 lag. Im selben Zeitraum stieg das BIP kontinuierlich an. Das Verhältnis dieser beiden Werte gibt Auskunft über die Effizienz der Wirtschaftsleistung, die höher liegt bei geringerem Materialeinsatz, was wiederum auf einen geringeren Ressourcenverbrauch schließen lässt.
Die globalen Materialströme stehen in vielfacher Hinsicht in Wechselwirkung mit nachhaltiger Entwicklung, mit ökologischen, sozial-kulturellen und wirtschaftlichen Faktoren. Vertiefende Informationen dazu finden sich in einer Zusammenstellung der UNEP,United Nations Environment Programme, 2021: The use of natural resources in economy (UNEP 2021). Darauf näher einzugehen, würde hier den Rahmen sprengen.
Versorgungssicherheit mit “kritischen” Rohstoffen
Bei zahlreichen Metallen und Industriemineralien ist Deutschland stark oder vollständig von Importen abhängig (Tagesschau 20.10.22) Dies wird von Industrie und Politik besonders für den Bereich der sogenannten Zukunftstechnologien, zu denen auch die Komponenten der Digitalisierung zählen als kritisch betrachtet (ebd.). Zur Entwicklung der Rohstoff-Resilienz bestehen Bestrebungen und Aktivitäten, in Europa Vorkommen wirtschaftlich zu erschließen (Hoppenhaus 2022).
Kritische Rohstoffe
Für den Bereich der “Kritischen Rohstoffe” existiert seit 2020 auf EU-Ebene ein Aktionsplan zu kritischen Rohstoffen (EU-Kommission 2020), für die darin enthaltene Liste kritischer Rohstoffe 2020 wurden 83 Materialien dahingehend untersucht, an welcher Stelle der Wertschöpfungskette Kritikalität sichtbar wird: bei der Förderung und/oder Verarbeitung. Die wirtschaftliche Bedeutung und die Versorgungssicherheit in der EU 27 sind hierfür die wichtigsten Parameter (ebd.). In einer Zukunftsstudie über kritische Rohstoffe für strategische Technologien und Sektoren für die Zeiträume bis 2030 und bis 2050 werden Bezüge zwischen wichtigen technischen Produkten und deren Rohstoffbedarfen veranschaulicht (EU-Kommission 2020b). Der Aktionsplan befasst sich mit den derzeitigen und künftigen Herausforderungen. Es werden darin Maßnahmen vorgeschlagen, um die Abhängigkeit Europas von Drittländern zu verringern, die primären und sekundären Versorgungsquellen zu diversifizieren sowie die Ressourceneffizienz zu steigern und die Kreislaufwirtschaft zu stärken. Zudem soll eine verantwortungsvolle Rohstoffbeschaffung weltweit gefördert werden. Die Maßnahmen werden uns beim Übergang zu einer grünen und digitalen Wirtschaft helfen. Zugleich werden sie Europas Widerstandsfähigkeit und die offene strategische Autonomie bei den Schlüsseltechnologien erhöhen, die für einen solchen Wandel notwendig sind. (Europäische Kommission 2020)
Substitution von Seltenen Erden in Magneten
Die Elektromobilität ist auf leistungsfähige Permanentmagneten für die Motoren angewiesen. Meist werden Magneten eingesetzt, die ihre guten magnetischen Eigenschaften den Elementen Neodym und Dysprosium aus der Elementgruppe der Seltenen Erde verdanken. Doch auf dem Weltmarkt sind diese Rohstoffe knapp. Sie gehören zu den “kritischen Rohstoffen”, denn der Ausbau von Zukunftstechnologien hängt davon ab, ob ausreichende Mengen gewonnen (bzw. für Deutschland importiert) werden können (Fraunhofer Gesellschaft o. J.).
Potenzielle Alternativen zu Generatoren mit Permanentmagneten sind mehrpolige Synchrongeneratoren und Kurzschlussläufer-Induktionsgeneratoren. Eine weitere Option ist der Einsatz von Hybridantriebsgeneratoren, bei denen ein kleinerer Permanentmagnet als in Standardsystemen verwendet wird. Dies könnte zu einer Verringerung des Einsatzes von Neodym, Praseodym und Dysprosium um bis zu zwei Drittel pro Turbine führen. In Zukunft könnten auch supraleiterbasierte Generatoren, wie im EU Projekt EcoSwing getestet, eine Alternative darstellen (INEA 2020).
EcoSwing arbeitet an der Demonstration eines supraleitenden, kostengünstigen und leichten Antriebsstrangs für eine moderne 3,6-MW-Windturbine. Ziel ist es, die Vorteile der Verwendung supraleitender Materialien in Windkraftanlagen in Thyborøn in Dänemark zu demonstrieren. Dieser Generator ist der erste direkt angetriebene supraleitende Generator in voller Größe für eine Windturbine und verspricht einen Schrittwechsel in der Generatorentwicklung. Der direkte Vorteil ist eine erwartete Gewichtseinsparung von mehr als 40 Prozent im Vergleich zu konventionellen Direktantriebsgeneratoren. Für die gesamte Gondel bedeutet dies 25 Prozent weniger Gewicht und natürlich auch proportional weniger Materialeinsatz. Ein besonders willkommener Nebeneffekt ist, dass die von EcoSwing entwickelte Technologie nahezu ohne seltene Erden auskommt, d.h. mit Rohstoffen, die nur begrenzt verfügbar sind und deren Preise schwanken (ebd.).
Digitalisierung der Industrie
Sowohl bei der Nachrüstung der Industrie für eine verbesserte nachhaltige Produktion als auch bei der Modernisierung der Infrastruktur ist die Digitalisierung von größter Bedeutung (Unterziel 9.4). Die Steuerung der Infrastrukturnetze, die Strom-, Gas- und Wasserversorgung, Bahnen und Flugzeuge (und zukünftig auch Pkws), die Produktion in Industrie und Gewerbe, das Gebäudemanagement und die Logistik – all dies sind Bereiche, die auf Digitalisierung angewiesen sind. In Politik und Forschung haben hierbei der Begriff Industrie 4.0 geprägt (BMWK o. J.): “Industrie 4.0 bezeichnet die intelligente Vernetzung von Maschinen und Abläufen in der Industrie mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechnologie.”
Auch wenn die Digitalisierung in Deutschland schon ein teilweise hohes Niveau erreicht hat, so sind die Defizite nicht zu leugnen (Unterziel 9.c). So fehlen in Gewerbezentren im ländlichen Raum oft Internetanschlüsse mit ausreichender Übertragungsgeschwindigkeit, Schulen verfügen für hunderte Schüler nur über Anschlüsse im höheren MBit-Bereich, auf vielen Bahnstrecken gibt es keinen Netzempfang und in der Corona-Zeit war das Fax ein unverzichtbares Mittel für die Bekämpfung einer nationalen Notlage.
Mit der Digitalisierung in der Industrie kann u. a. eine bedarfsorientierte und effizientere Produktion angestrebt werden (On-Demand-Produktion), indem durch die digitale Vernetzung mit den Kund*innen nur Produkte hergestellt werden, die auch nachgefragt und abgenommen werden. So können Ressourcen, Energie und Lagerflächen für Produkte eingespart werden.
- Produktionsprozesse können in einem virtuellen Modell („digitaler Zwilling“, s.Bsp. unten) abgebildet werden, um damit Produkte und Prozesse über den gesamten Lebenszyklus zu optimieren.
- Beim Cloud Computing (s.Bsp. unten) werden Prozesse der Datenübertragung, -verarbeitung und -speicherung aus dem Unternehmen in externe Strukturen verlagert. Auf diese Weise können u. a. Investitionskosten optimiert sowie Datensicherung- und -zugriff auf aktuellstem Stand ortsunabhängig organisiert werden.
Digitalisierung und digitale Innovationen bieten in der Industrie sehr große Chancen für Klima und Umwelt, wenn digitale Lösungen für unterschiedliche Anwendungsbereiche genutzt werden. So kann beispielsweise die Netzeffizienz über Smart Grids gesteigert werden, um die fluktuierende Produktion erneuerbarer Energien effizienter zu machen. Wenn Geschäftsreisen wegfallen, weil sich Menschen online treffen, oder wenn Energie eingespart wird, weil Computer virtuell verschaltet werden oder bestimmte Dienste nicht individuell, sondern über Clouds genutzt werden, ergeben sich Chancen zur Energieeffizienz.
Der digitale Branchenverband Bitkom stellt sieben Anwendungsbereiche heraus, in denen durch Digitalisierung die Energieeffizienz gesteigert und der Ressourceneinsatz reduziert werden kann. Genannt werden Fertigung (Industrie und produzierendes Gewerbe), Mobilität, Energie, Gebäude, Arbeit & Business, Landwirtschaft, Gesundheit. So können in der Fertigung durch die Simulation von physischen Produkten und Prozessen (digitaler Zwilling)Ressourcen eingespart werden, oder im Bereich Mobilität durch intelligente Verkehrssteuerung und Optimierung, intelligente Logistik und vernetzter Individualverkehr THG-Emissionen reduziert werden. Durch die Nutzung digitaler Kollaborationsplattformen und digitaler Services lassen sich gefahrene Kilometer reduzieren und der Energieverbrauch in Büroräumen senken. Der Energieverbrauch von Gebäuden lässt sich durch datenbasierte Überwachung und Automatisierung aller energiebezogenen Prozesse (z. B. Heizung, Kühlung und Beleuchtung) deutlich senken (bitkom 2021).
Ein wesentliches Grundelement einer widerstandsfähigen Infrastruktur ist die Energieversorgung, und für die Industrie vor allem ein zuverlässiges Stromsystem. Hier hat sich in den letzten Jahrzehnten ein spürbarer Wandel ergeben. Während die konventionelle Stromerzeugung der Nachfrage folgte, muss das Stromsystem nun zunehmend die wetterabhängige Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen integrieren. Die erforderliche Flexibilisierung des Gesamtsystems wird über den Ausbau und die bessere Auslastung der Stromnetze sowie den Wettbewerb von flexiblen Erzeugern, Verbrauchern und Speichern am Strommarkt erreicht. Für einen großräumigen Ausgleich von Erzeugung und Nachfrage wird der Ausbau der Stromnetze vorangetrieben. Dadurch und durch die verstärkte Anbindung an die Netze der europäischen Nachbarn können die kostengünstigsten Erzeugungsorte erschlossen werden. Damit wird auch die Klimaanpassung des Stromversorgungssystems unterstützt, z. B. wenn es zukünftig zu stärkeren zeitlichen und regionalen Ungleichgewichten von Stromangebot und -nachfrage kommt. Treten Engpässe im Netzbetrieb auf, müssen die Netzbetreiber das jeweils effizienteste Mittel zur Behebung ergreifen und können dazu z. B. auf Erzeuger und Speicher (im Rahmen des Redispatch) und flexible Lasten (im Rahmen der Verordnung zu abschaltbaren Lasten) zugreifen.
Es ist charakteristisch für Elektroniker und Elektronikerinnen, dass sie überall dort arbeiten, wo elektrische und elektronische Systeme genutzt werden. Das heißt eigentlich überall. Hinzu kommt noch ein zweites Merkmal: Sie versuchen, die Bedarfe von Anwender*innen zu übersetzen. Im Folgenden werden deshalb zwei Beispiele – digitale Zwillinge und digitale Landwirtschaft – vorgestellt, um aufzuzeigen, vor welchen Herausforderungen Elektroniker und Elektronikerinnen heutzutage stehen.
Digitale Zwillinge
Verpackungsabfälle sind eine bisher weitgehend ungenutzte Ressource in Deutschland. Von den ca. 19 Mio. t Verpackungsabfällen in 2019 gingen ca. 72 Prozent in das Recycling, insgesamt betrug der Verwertungsquote fast 97 Prozent (UBA 2022). Allerdings wurden ca. 5,3 Mio. energetisch verwertet, d.h. sie dienten als Brennstoffersatz in Müllverbrennungsanlagen. Aber auch die stoffliche Verwertung ist nicht immer hochwertig, wenn z. B. aus Verpackungsmaterial ein anderes “Einwegmaterial” wie z. B. Blumentöpfe hergestellt werden, die nach dem Auspflanzen gleich wieder Abfall werden (GREEN24). Es stellt sich somit die Frage, wie man hochwertige, langlebige Produkte aus Verpackungsabfall herstellen kann. Dabei können digitale Zwillinge und künstliche Intelligenz (oder auch Artificial Intelligence) den Werkzeugbau optimieren. Ihr Einsatz führt zur Einsparung von Material, Energie und Zeit in der Produktion. Außerdem tragen die Technologien dazu bei, Wertstoffkreisläufe zu schließen.
Kunststoffprofile aus PVC
Das Unternehmen Veka AG aus Nordrhein-Westfalen produziert Kunststoffprofile aus PVC für Rollläden oder Schiebetüren. Um die passenden Profile herzustellen, muss ein Extrusionskopf hergestellt werden, der den Kunststoff in die geeignete Form bringt (VDI ZRE 2021). Dies ist allerdings ein langwieriger und Ressourcen intensiver Prozess, es dauert ca. ein halbes Jahr und benötigt bis zu 12 Versuche, das Profil zu optimieren. Dabei wird insgesamt viel Energie und 10t überschüssiges PVC Material verwendet (ebd. 2021). Dieses wird zwar in einen internen Kunststoffkreislauf zurückgeführt, was aber wiederum Energie kostet, die eingespart werden kann. Um das zu reduzieren, wurde eine Lösung mit digitalen Zwillingen des Extrusionskopfes entwickelt. Somit wird nicht mehr mit realen Materialien ausprobiert, wann der Extrusionskopf passt, sondern durch wiederholte Simulationen in einem Computer.
Durch sie konnte der Ressourcenverbrauch in der Fertigungsphase der Werkzeugköpfe halbiert werden. Jährlich werden so rund 1.000 kWh elektrische Energie beim Anfahren neuer Produktionen eingespart, was 408 kg CO2-Äquivalenten entspricht (ebd.2021).
Chemiefässer aus Rezyklat
Die Firma BBM Maschinenbau hat sich auf die Herstellung von Kunststoff-Hohlkörpern spezialisiert. Sie haben die Produktion so weit verbessert, dass bei den Fässern die Innen- und Außenschicht aus neuem Kunststoff, der Rest allerdings zu 80 Prozent aus Recyceltem besteht (VDI ZRE 2021). Das ermöglicht bessere Einsatzmöglichkeiten für die Fässer aus Rezyklat, da sie bisher meist für kurzlebige oder Produkte minderer Qualität verwendet wurden. Durch die innere Beschichtung sind diese aber stabil und können beispielsweise auch mit Chemikalien befüllt werden (ebd. 2021).
Eine KI hat insofern daran mitgewirkt, dass auf wiederholte Versuche verzichtet werden konnte, bei denen durch das häufige Ausprobieren ein geeignetes Fass gefunden werden soll. Dieses Vorgehen kostet sowohl Energie als auch Materialien. Stattdessen werden digitale Kopien des Wendelverteilers erstellt, der die beiden Kunststoffsorten zusammenführt. Diese werden jeweils etwas abgeändert, sodass tausende Variationen und der mögliche Produktionsprozess simuliert werden. Anschließend sucht eine intelligente Software die stabilsten Ergebnisse mit dem höchsten Rezyklat-Anteil heraus und analysiert diese auf Gesetzmäßigkeiten. Schließlich wird nach ungefähr 10 Generationen ein optimaler Wendelverteiler und damit ein ressourceneffiziente Kunststoff-Hohlkörper erstellt (ebd. 2021).
Digitale Landwirtschaft
Der Einsatz digitaler Technologien in der Landwirtschaft findet immer weitere Verbreitung – sowohl im Stall als auch auf dem Feld. Beispiele sind der Einsatz von Sensoren für mehr Tierwohl in der Milchwirtschaft, autonome Fütterungssysteme, die Nutzung von Drohnen für den teilflächenspezifischen Pflanzenschutz oder der Einsatz von Feldrobotern zur Unkrautbekämpfung.
Typisch für die Digitalisierung in der Landwirtschaft generell sind folgende zwei Eigenschaften: Zum einen kann die landwirtschaftliche Produktion aufgrund der verfügbaren Daten mit einer sehr hohen Präzision erfolgen (teilflächenspezifische Bewirtschaftung / Precision Farming). Zum anderen werden die landwirtschaftlichen Entscheidungen, die zuvor weitgehend von den Landwirten aufgrund ihres Wissens und ihrer Erfahrungen gefällt wurden, zunehmend von einem vernetzten System übernommen werden, das selbstständig Entscheidungsparameter aus mathematischen Modellen zusammenstellt und verarbeitet (Smart Farming) (Behrendt et al. 2022).
In der Politik wird Digitalisierung als Lösungsansatz angesehen, um den vielfältigen Herausforderungen an die Landwirtschaft (Wettbewerb und Preisdruck auf internationalen Märkten, Arbeitskräftemangel, natürliche Optimierungsgrenzen) erfolgreich zu begegnen. Darüber hinaus werden in der Digitalisierung vielfältige Potenziale für den Umwelt-, Ressourcen- und Klimaschutz gesehen, die den ökologischen Fußabdruck der Landwirtschaft erheblich reduzieren könnten (Kehl et al. 2021). Chancen ergeben sich vor allem in folgenden Bereichen:
- Reduzierter Energieverbrauch: Potenziale zur Reduzierung des Energieverbrauchs ergeben sich u. a. durch teilflächenspezifische Bewirtschaftungsmaßnahmen. Dabei werden Maßnahmen wie Bodenbearbeitung, Pflanzenschutz und Düngung gezielt dort vorgenommen, wo es notwendig ist, und nicht großräumig auf dem gesamten Feld. Ein solches Vorgehen ermöglicht Kraftstoffeinsparungen und dadurch verringerte Treibhausgasemissionen (Kehl et al. 2021, S. 11). Des Weiteren sind Energieeinsparungen durch den Einsatz von automatischen Lenksystemen möglich. Derartige Lenksysteme nutzen Satellitensignale zur automatischen Übernahme der Traktorsteuerung, wodurch Mehrfachüberfahrten vermieden werden. Dies reduziert den Kraftstoffverbrauch (sowie Arbeitszeit und Ressourceneinsatz) bei der Feldbewirtschaftung.
- Reduzierter Düngemitteleinsatz: Nitrat-Düngemittel zersetzen sich teilweise bakteriell zu N2O, einem Gas mit einer sehr hohen Klimawirksamkeit. Die Menge an eingesetzten Düngemitteln kann durch verschiedene digitale Technologien und Anwendungen verringert werden. Bei Düngestreuern und Gülleverteilern sind Geräte mit einer automatischen Teilbreitenschaltung bereits weit verbreitet. Mit dieser Technologie kann eine dynamische Anpassung von Streubreite und Ausbringmenge vorgenommen werden (z. B. bei schmalen Feldstreifen). Einsparpotenziale lassen sich insbesondere dann realisieren, wenn Düngemaßnahmen teilflächenspezifisch erfolgen, anstatt Düngemittel großflächig auf dem Feld auszubringen. Hierzu werden Applikationskarten erstellt, auf denen festgehalten wird, welche Nährstoffbedarfe in welchen Bereichen eines Feldes vorhanden sind. Die Informationen hierfür werden mittels Bild- und Sensordaten erhoben. Studien gehen davon aus, dass die teilflächenspezifische Düngung einen signifikanten Beitrag zur Minderung des landwirtschaftlichen Zielkonflikts zwischen steigenden Anforderungen an ökonomische Effizienz einerseits und ökologische Nachhaltigkeit andererseits leisten kann (Speckle et al. 2020).
- Reduzierter Pestizideinsatz: Potenziale bestehen auch hier zum Einen bei Geräten mit einer automatischen Teilbreitenschaltung (Möglichkeit der Deaktivierung einzelner Spritzdüsen Segmente), um eine möglichst präzise und sparsame Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln auf dem Feld zu ermöglichen (Motsch et al. 2021). Zum Anderen werden digitale Technologien eingesetzt, um eine teilflächenspezifische Anwendung von Pestiziden zu ermöglichen. So werden beispielsweise Drohnen eingesetzt, um Unkrautnester im Feld zu identifizieren, die dann gezielt bekämpft werden können. Große Chancen werden auch der autonomen Feldrobotik zugerechnet. Dabei fahren Feldroboter autonom über die Fläche. Mithilfe von Sensoren nehmen sie Informationen über den Pflanzenbestand auf, verarbeiten die gesammelten Daten in Echtzeit und können so Nutzpflanzen von Unkräutern unterscheiden. Die auf diese Weise lokalisierten Unkräuter werden daraufhin vom Roboter mechanisch beseitigt. Laut Kehl et al. (2021) haben wissenschaftliche Untersuchungen durchschnittliche Herbizideinsparungen von rund 40 Prozent ermittelt, wenn digitale Technologien verwendet werden.
- Verringerung von Treibhausgasemissionen: Mittels digitaler Lösungen können Treibhausgase verringert werden. Hervorzuheben sind die automatisierte Fütterung, die durch eine Futteroptimierung zur Methanreduzierung beitragen kann, die teilflächenspezifische Bodenbearbeitung und teilflächenspezifische Stickstoffdüngung, die die Bildung von Distickstoffoxid verringern können, sowie automatisierte Lenksysteme, die Kraftstoffeinsparungen und damit die Reduzierung von Kohlendioxidemissionen ermöglichen.
In den letzten Jahren sind eine Vielzahl von Projekten zum Thema Digitalisierung entstanden. Insbesondere wurden vom BMEL 14 digitale Experimentierfelder in der Landwirtschaft eingerichtet. Ziel ist es, digitale Technologien für eine nachhaltige Produktion im Agrarbereich zu fördern. Zu diesem Zweck sollen in landwirtschaftlichen Betrieben unterschiedliche technische Lösungen und Produkte im Zusammenspiel erprobt und bewertet werden (BMEL 2020).
Mit der Weiterentwicklung und der weiteren Verbreitung digitaler Technologien in der Landwirtschaft sind vielfältige positive Umweltwirkungen zu erwarten. Eine Studie von Behrendt et al. (2022) kommt zu dem Schluss, dass Digitalisierung allein jedoch nicht ausreichend ist, um zentrale Umweltprobleme zu lösen. Für eine nachhaltige Transformation der Landwirtschaft sei es notwendig, die Digitalisierung in einen auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Agrarstrukturwandel einzubetten (Behrendt et al. 2022: 31), bei dem Emissionen aus der Rinderhaltung minimiert und Agrarabfälle minimiert werden (vgl. Scharp 2019).
Cloud Computing
Unter Cloud Computing wird die Bereitstellung von IT-Infrastruktur (Hard- und Software) verstanden, auf die eine Person durch ein Netzwerk zugreifen kann, ohne selbst eine ähnlich umfangreiche lokale IT-Infrastruktur zu nutzen. In der Cloud (meistens im Internet) werden Rechenleistung, Speicherkapazität, Anwendungssoftware oder Datenbankdienste zur Verfügung gestellt. Diese müssen nicht lokal bei den Anwendern installiert sein, sondern können über das Internet abgerufen werden. Es handelt sich also um ein Modell, bei dem IT-Ressourcen über das Internet zur Verfügung gestellt werden.
Die Berkeley Open Infrastructure for Network Computing (BOINC) beispielsweise ist eine Plattform, für die Nutzer*innen ihre Rechenkapazität zur Verfügung stellen, um Radiosignale aus dem All zu untersuchen. In Deutschland hat sich hierfür das Projekt SETI.Germany zusammengefunden, das größte deutsche BOINC-Team für verteiltes Rechnen. Da die Auswertung der Radiosignale dem Computer gigantische Leistungen abverlangt, wird sie normalerweise von einem Supercomputer durchgeführt, der direkt an das Radioteleskop angeschlossen ist (SETI.Germany 2022). Das Internet besteht aus einer Vielzahl von Rechnern mit enormen Speicherkapazitäten. In der Regel sind die Speicherkapazitäten nicht vollständig ausgelastet. Cloud Computing stellt den Nutzer*innen diese Ressourcen zur Verfügung oder Nutzer*innen stellen ihre Rechenkapazitäten wie beim Projekt SETI.Germany bereit. Dabei werden nicht die eigenen Ressourcen genutzt, sondern die Infrastruktur eines Cloud-Anbieters. Man greift dann über das Internet auf diese Dienste zu und kann direkt auf den Servern der Anbieter arbeiten. Der Vorteil in den Diensten ist, dass sie ortsunabhängig verwendet werden können. Daten werden nicht zentral auf einem PC abgelegt, sondern befinden sich in der Cloud (UBA / Druschke et al., 2021).
Als Cloud Computing Beispiele sind die Apple iCloud, Google Drive, Microsoft OneDrive, Amazon Web Services und Open Telekom Cloud etc. zu nennen. Auch werden beispielsweise Software-Anwendungen zur Zeiterfassung, Buchhaltung usw., als Cloud Dienste angeboten.
Cloud-Computing und Innovationen
Digitalisierung und digitale Innovationen bieten sehr große Chancen für Klima und Umwelt, wenn digitale Lösungen für unterschiedliche Anwendungsbereiche genutzt werden. So kann beispielsweise die Netzeffizienz über Smart Grids gesteigert werden, um die fluktuierende Produktion erneuerbarer Energien effizienter zu machen. Wenn Geschäftsreisen wegfallen, weil sich Menschen online treffen, oder wenn Energie eingespart wird, weil Computer virtuell verschaltet werden oder bestimmte Dienste nicht individuell, sondern über Clouds genutzt werden, ergeben sich Chancen zur Energieeffizienz.
Der digitale Branchenverband Bitkom stellt sieben Anwendungsbereiche heraus, in denen durch Digitalisierung die Energieeffizienz gesteigert und der Ressourceneinsatz reduziert werden kann. Genannt werden Fertigung, Mobilität, Energie, Gebäude, Arbeit & Business, Landwirtschaft, Gesundheit. So können in der Fertigung durch die Simulation von physischen Produkten und Prozessen (digitaler Zwilling)Ressourcen eingespart werden, oder im Bereich Mobilität durch intelligente Verkehrssteuerung und Optimierung, intelligente Logistik und vernetzter Individualverkehr THG-Emissionen reduziert werden. Durch die Nutzung digitaler Kollaborationsplattformen und digitaler Services lassen sich gefahrene Kilometer reduzieren und der Energieverbrauch in Büroräumen senken. Der Energieverbrauch von Gebäuden lässt sich durch datenbasierte Überwachung und Automatisierung aller energiebezogenen Prozesse (z. B. Heizung, Kühlung und Beleuchtung) deutlich senken (bitkom 2021).
Ökologische Risiken des Cloud Computing
Zu den ökologischen Wirkungen zählen beispielsweise der steigende Energieverbrauch für die erforderliche Infrastruktur, der hohe Ressourcenverbrauch bei der Herstellung der Komponenten, der Elektroschrott nach der Produktnutzung (je nachdem wie das Recycling gehandhabt wird) sowie die Rebound-Effekte im Zuge von Effizienzgewinnen. Cloud Computing macht IKT-Leistungen verfügbar, die vorher nicht (oder nicht mobil) in diesem Umfang und zu diesen geringen Kosten zugänglich waren. Laut einer Studie des Umweltbundesamtes zu den Umweltwirkungen des Cloud Computing (UBA 2021) sind als wesentliche ökologische Wirkungen von Rechenzentren insbesondere genannt:
- deren Energiebedarf
- die Treibhausgasemissionen (bei der Herstellung und bei der Nutzung)
- deren Rohstoffbedarf (Mehrverbrauch an wertvollen und kritischen Rohstoffen, deren Gewinnung zu erheblichen Umweltproblemen führen)
- das damit verbundene Elektroschrottaufkommen (durch ausgediente Geräte, deren Entsorgung und sachgerechtes Recycling derzeit nicht gewährleistet werden können)
Der steigende Energiebedarf von Rechenzentren entsteht zunächst durch die enormen Datenströme, die über Endgeräte gesendet und empfangen werden, für die die Daten verarbeitet werden. Gleichzeitig müssen die Server, auf denen Daten verarbeitet bzw. gespeichert werden, sehr aufwändig gekühlt werden, da jede Datenverarbeitung mit einer Wärmeentwicklung verbunden ist. Ursache ist das Stromwärmegesetz von Joule und Lenz (Erstes Joulesches Gesetz, vgl. ). Durch die Beschleunigung in einem elektrischen Feld durch Anlegen einer Spannung kommt es zu elastischen Stößen, die Energie abgeben und gestreut werden. Die Stöße erhöhen die Eigenschwingung der metallischen Atome und die Schwingung äußert sich als Wärme.
Laut Borderstep (2015) steigt der Energiebedarf von Rechenzentren, in denen Cloud-Dienste gehostet werden, kontinuierlich an. Durch einen wachsenden Markt von Videodiensten, Tools für Online-Zusammenarbeit oder Online-Shopping steigt der Strombedarf in Rechenzentren. Der Bedarf an elektrischer Energie stieg zwischen 2010 (5,8 Mrd. kWh) und 2020 (10 Mrd. kWh) um ca. 75 Prozent für wesentliche Cloud-Computing-Komponenten (Server, Storage und Netzwerk), insbesondere auch durch den Schub der Corona-Pandemie und damit verbundenen Einschränkungen für das öffentliche Leben. Die Energieeffizienz nahm in den letzten Jahren ebenfalls deutlich zu, durch eine effizientere Infrastruktur (z. B. effizientere Kühlkonzepte für eine unterbrechungsfreie Stromversorgung) und hohe Einsparpotenziale (mehr als 25 Prozent) bei der Kühlung, Klimatisierung und Lüftung (ebd. 2015).
Die steigende Nachfrage nach Cloud-Diensten führte jedoch auch zu einem starken Ausbau von Rechenzentren (Rebound-Effekt). Im Abschlussbericht von Borderstep und Fraunhofer IZM (ebd. 2015) wurde ermittelt, dass zwar der jährliche Energiebedarf der IKT in Deutschland im Zeitraum von 2010 bis 2015 von 56,0 TWh auf 47,8 TWh um etwa 15 Prozent gesunken ist, sich dieser Trend bis zum Jahr 2020 noch fortsetzen und dann von 45,2 TWh wieder leicht auf 46,2 TWh im Jahr 2025 ansteigen wird. Im Bericht wird diese Absenkung insbesondere auf deutlich energieeffizientere Endgeräte zurückgeführt und mit der europäischen Regulierung zu Standby und Produktkennzeichnung in Verbindung gebracht. Es wurde jedoch eine Verlagerung des Energiebedarfs festgestellt, da sich der Verbrauch von den Endgeräten in die Rechenzentren und Netze verlagert. So wird ein Anstieg des Energiebedarfs der Netze um 34 Prozent auf 8,6 Mrd. kWh und der Rechenzentren sogar um 56 Prozent auf 16,4 Mrd. kWh zwischen 2010 und 2025 ausgegangen. Der Bundestagsausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (Deutscher Bundestag Drucksache 2022) fasst zusammen, dass im Jahr 2019 in Deutschland rund 14,9 Terawattstunden pro Jahr an Strom für die IKT verbraucht wurden, also ein Anstieg um 45 Prozent im Vergleich zu 2010. Der Strombedarf für Telekommunikationsnetzwerke lag bei 7,1 Terawattstunden pro Jahr gegenüber 6,5 im Jahr 2010. Im Zuge der Digitalisierung findet demnach ein erheblicher Ausbau an Rechenzentrumskapazitäten statt und laut IZM und Borderstep (ebd. 2015) für Deutschland werden Rechenzentren mit 16,4 TWh den größten Einzelbeitrag zum IKT bedingten Strombedarf von insgesamt 46 TWh ausmachen. Zum Betrieb dieser Rechenzentren wird umgerechnet die erzeugte Energiemenge von rund vier Kohlekraftwerken erforderlich sein) wenn zur Berechnung ein Kohlekraftwerk mit 800 MW elektrische Leistung und einer Jahresproduktion ca. 4 TWh zugrunde gelegt wird (ebd.).
Elektroaltgeräte und Recycling
Mechanisierung, Elektrifizierung, Digitalisierung und Automatisierung sind zentrale Entwicklungsaspekte heutiger Gesellschaften und Konsumpraktiken, die annähernd alle gesellschaftlichen Bereiche durchdringen und Kennzeichen einer modernen Welt im Wandel sind. Eine seiner zunehmend sichtbaren Folgen ist die rasant steigende Zunahme der produzierten und in den Verkehr gebrachten Mengen an Elektrogeräten. Damit sind jedoch erhebliche Umweltauswirkungen hinsichtlich Rohstoffentnahme, Produktion und Nutzung, aber auch der Abfallentstehung und Abfallbehandlung verbunden. Insbesondere die Digitalisierung führt bei Elektro(nik)geräten zu Veränderungen, die ein hochwertiges Recycling von Altgeräten vor besondere Herausforderungen stellt. Zu diesen Veränderungen zählen die verkürzten Innovationszyklen mit entsprechend verkürzter Lebensdauer der Geräte, was zu einer steigenden Menge und Vielfalt der Geräte führt. Ferner ist eine zunehmende Elektronisierung klassischer Elektrogeräte aber auch von bisher nicht-elektrischen Geräten wie Möbel oder Kleidung zu beobachten. Dazu kommt eine Miniaturisierung elektronischer Bauteile mit entsprechend sinkenden Materialgehalten bei gleichzeitiger funktionaler Konvergenz der Geräte hinsichtlich LCD-, Sensor-, Sende- und Empfangskomponenten. Werkstofflich ist eine Abnahme von recyclingfreundlichen metallischen Werkstoffen zugunsten von vielfältigen Kunststoffen zu beobachten. Ferner sinken die Gehalte an Edelmetallen, die für die Wirtschaftlichkeit von Recycling entscheidend sind, während bei den Kunststoffen, aufgrund der haptischen Geräteanforderungen, schwer recycelbare Elastomere und beschichtete Kunststoffe zunehmen (Handke et al. 2019).
Getrennte Erfassung
Die bisherige Erfassung von Elektroaltgeräten weist erhebliche Defizite auf. So werden trotz gesetzlicher Sammelquoten seit Jahren weniger als die Hälfte der in den Verkehr gebrachten Elektrogeräte getrennt gesammelt. Der Verbleib der nicht getrennt erfassten Elektroaltgeräte ist ungewiss. Zu vermuten ist jedoch, dass ein Großteil im Restabfall der Haushalte und damit in die thermische Behandlung gelangt oder in den globalen Süden und insbesondere in afrikanische und asiatische Länder exportiert wird. Zwar gibt es kaum nennenswerte behördlich genehmigte Exporte von Elektroaltgeräten in Länder außerhalb der Europäischen Union. Jedoch werden gebrauchte Elektro(nik)geräte in nennenswerter Menge exportiert, von denen ein wesentlicher Anteil der Geräte nicht voll funktionsfähig ist und lediglich als Quelle für Ersatzteile genutzt wird oder nur noch eine kurze Lebensdauer hat. Weil jedoch die abfallwirtschaftlichen Strukturen in den Empfängerländer weit unterhalb des Standards liegen, der in der EU als Mindestschutzniveau erachtet wird, kommt es zu erheblichen Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt sowie zu Verlusten von wertvollen Ressourcen. Für das Jahr 2008 wird die Gesamtmenge an außerhalb der EU exportierten Elektrogeräte auf 155.000 t geschätzt. Wert- und Warenanalysen deuten darauf hin, dass es sich aufgrund des geringen Preises und dem sehr schlechten Zustand der exportierten Geräte vorwiegend um Elektroaltgeräte handelt (Sander et al. 2010). Mit dem Export einher geht ein erheblicher Verlust insbesondere von kritischen Metallen. Metallen also deren Verfügbarkeit besonders begrenzt ist, die schwer substituierbar und damit technologisch von strategischer Bedeutung sind und deren bergbauliche Gewinnung mit besonders großen Umweltauswirkung sowie teils erheblichen Menschenrechtsverletzungen verbunden ist (Handke et al. 2019).
Zwar ist die Menge der in Deutschland getrennt gesammelten Elektroaltgeräte im Jahr 2021 auf 1,07 Mio. t gestiegen, was gegenüber dem Vorjahr einen Anstieg um 0,3 Mio. t darstellt. Allerdings ist im selben Zeitraum auch die Menge der in den Verkehr gebrachten Elektrogeräte erheblich gestiegen. In der Folge wurden die durch die europäische WEEE-Richtlinie bzw. das deutsche Elektro- und Elektronikgerätegesetz für die Jahre 2016 bis 2018 gültige Anforderung, eine Mindestsammelquote von 45 Prozent zu erreichen, aufgrund der kontinuierlich steigenden Mengen an Geräten, knapp verfehlt bzw. knapp erreicht (UBA 2022).
Mit der Novelle des Elektro- und Elektronikgerätegesetz vom Oktober 2015, müssen ab dem Jahr 2019 mindestens 65 Prozent der in den drei Vorjahren in Verkehr gebrachten Elektro- und Elektronikgeräte getrennt gesammelt werden. Je nach Gerätekategorie sind von den jährlich gesammelten Altgeräten 75 bis 85 Prozent zu verwerten. Die Verwertung umfasst dabei die Vorbereitung zur Wiederverwendung, das Recycling und die sonstige (insbesondere energetische) Verwertung. Je nach Gerätekategorie sind diesbezüglich von den jährlich gesammelten Altgeräten 55 bis 80 Prozent zu verwerten, indem sie zur Wiederverwendung vorbereitet oder recycelt werden (UBA 2022).
Im Jahr 2020 wurden insgesamt 2,84 Mio. t Elektro- und Elektronikgeräte in Deutschland in den Verkehr gebracht. Davon wurden lediglich 1,04 Mio. t getrennt gesammelt, was einer Sammelquote von 36 Prozent entspricht. Bezogen auf die in den letzten drei Vorjahren durchschnittlich in den Verkehr gebrachten Mengen entspricht dies einer Sammelquote von immerhin 41 Prozent. Damit hält Deutschland die gesetzlichen Vorgaben zur getrennten Sammlung von Elektroaltgeräten nicht ein. Hinsichtlich der Verwertungsquoten wurden im Jahr 2020 insgesamt 0,9 Mio. t zur Wiederverwendung vorbereitet oder recycelt. Damit wurden ca. 88 Prozent der getrennt gesammelten Elektroaltgeräte auf diese Weise verwertet.
Zur Erhöhung der Erfassungsquoten ist das Elektro- und Elektronikgerätegesetz im Jahr 2022 erneut novelliert worden (ElektroG 2022). Wesentliche Neuerungen sind die erweiterte Registrierungspflicht für Hersteller, die Einführung von Rücknahmekonzepten und Kennzeichnungspflichten im B2B-Bereich, die Haftung und Prüfpflicht für Marktplatzbetreiber, neue Rücknahme- und Hinweispflichten im Handel sowie die Entnehmbarkeit von Batterien. Zur Förderung eines hochwertigen Recyclings ist im Jahr 2021 zudem die Verordnung über Anforderungen an die Behandlung von Elektro- und Elektronik-Altgeräten in Kraft getreten (EAG-BehandV 2021). Sie konkretisiert Aspekte der Schadstoffentfrachtung und Ressourcenschonung. Außerdem werden erstmals Anforderungen an die Behandlung von Photovoltaik Module eingeführt sowie die manuelle Entfernung von bestimmten Bauteilen und Stoffen vor der mechanischen Zerkleinerung vorgeschrieben
Recyclingpraxis
Die derzeit übliche Recyclingpraxis umfasst im Wesentlichen eine meist manuelle Schadstoffentfrachtung, eine mehrstufige maschinelle Zerkleinerung mit anschließender Magnetscheidung, Windsichtung und Klassierung. Neben der Schadstoff Fraktion sind Fe- und NE-Metalle eine hochkalorische Kunststoff Fraktion, sowie eine überwiegend mineralische Restfraktion und typische Ausbringungsfraktionen. Die separierten Fe-Metalle werden üblicherweise in der Stahlerzeugung eingesetzt während NE-Metalle in den Kupfer Prozess eingeschleust werden, der auch eine weitere metallurgische Separierung monetär besonders wertstoffhaltige Metalle ermöglicht (Handke et al 2019).
Optimierungspotenziale
Optimierungspotenziale werden insbesondere in der Steigerung der Erfassungsquoten gesehen. Dies betrifft insbesondere die getrennte Erfassung von kleinen mülltonnengängigen Elektroaltgeräten aus den privaten Haushalten sowie ihre Ausschleusung aus dem Restabfall und dessen thermische Behandlung. Zudem können die Erfassungsquoten durch einen verbesserten Vollzug beim Verbot illegaler Exporte von Elektroaltgeräten erhöht werden.
Ein weiteres, dem Recycling vorgelagertes, Optimierungspotential stellt die Reparatur und die Aufarbeitung von funktionsfähigen Geräten und Gerätekomponenten dar. Ebenfalls ein erhebliches Optimierungspotential wird im sogenannten Pre-Shreddering gesehen, das auf eine vertiefte Demontage und Separation vor der maschinellen Zerkleinerung zielt. Optimierungspotenziale werden auch in der spezifischen Rückgewinnung von NE-Metallen (Multi-Metall-Gewinnung) gesehen. Für ein qualitativ hochwertiges Recycling von Kunststoffen liegen Optimierungspotentiale in der sortenreinen Trennung des Materials und der sicheren Ausschleusung von Kunststoffen mit halogenhaltigen Flammschutzmitteln.
Weiterführende Recyclingtechnologien für Metalle zielen insbesondere auf die differente Rückgewinnung von NE-Metallen ab. Als entsprechendes Beispiel mit hoher technologischer Reife kann die Multi-Metall-Gewinnung gelten.
Zu den regulatorischen Optimierungspotentialen zählen Output gesteuerte Recyclingquoten, welche sich nicht an den Sammelmengen, sondern an den tatsächlich wiedergewonnenen Sekundärrohstoffen orientieren. Ein weiteres regulatorisches Optimierungspotential wird in spezifischen Recyclingquoten von Bauteilen gesehen die kritische Metalle und flammgeschützte Kunststoffteile enthalten sowie in spezifischen Separationsquoten für Gerätebatterien und Kondensatoren (Handke et al. 2019).
Beschaffung und Gütesiegel
Vor dem Hintergrund des breiten Tätigkeitsspektrums der Elektroniker:innen können die Schwerpunkte der nachhaltigen Beschaffung sehr unterschiedlich sein. Je nach Produkt- und Tätigkeitsbereich können Handlungsspielräume für einen nachhaltigen Ressourcenverbrauch und die nachhaltige Beschaffung der zum Einsatz kommenden Betriebsmittel sehr unterschiedlich sein . Für staatliche Stellen gelten Vorgaben für die öffentliche Beschaffung (s. a. Unterziel SDG 12.7), während Unternehmen der Privatwirtschaft vielfach zertifizierte Umweltmanagementsysteme (EMAS oder ISO 14001) etabliert haben. Als aktueller Standard für nachhaltige Beschaffung wurde im April 2017 die ISO 20400 (UBA 2017) eingeführt. Dies ist ein Leitfaden zur nachhaltigen Beschaffung, jedoch kein Standard, nach dem sich Organisationen zertifizieren lassen können. Sie ergänzt den Standard ISO 26000 zur gesellschaftlichen Verantwortung (BMAS o. J.). Die nachhaltige Beschaffung privater und öffentlicher Organisationen wird konkret unterstützt, mit dem Anreiz finanzielle, ökologische und Reputationsrisiken entlang der Lieferkette zu vermeiden. Außerdem enthält die ISO 20400 Hinweise, wie die Nachhaltigkeit in Ausschreibungsprozesse integriert, der Lieferant ausgewählt sowie letztlich die Auftragsausführung gestaltet werden können (UBA 2017).
Als Orientierung für ein nachhaltiges Unternehmen und für nachhaltige Produkte können Gütezeichen und Siegel dienen. Maßnahmen zur Verbesserung der Verbraucherinformationen (z. B. ökologische Vorteile von langlebigen Produkten) und Erhöhung der Informationspflichten der Hersteller (z. B. eindeutige Deklaration von Verschleißteilen) sind weitere wichtige Instrumente, um die Kaufentscheidung zu Gunsten von langlebigen und nachhaltigen Produkten zu beeinflussen (BMUV 2016).
Um zwischen “guten”, “besseren” oder “schlechten” Produkten zu entscheiden, können Zertifizierungssiegel Vertrauen schaffen. Leider gibt es im technischen Bereich bislang kein allgemeines Gütesiegel, welches die Nachhaltigkeit in allen Aspekten bescheinigt. Neben den VDE Prüfzeichen für die Produktsicherheit und der ISO 14001 gelten für das Materialspektrum der Elektroniker:innen einige internationale Leitfäden, die auf dem Weg zur Einhaltung internationaler Vorschriften und zur Erreichung der weltweit angestrebten Nachhaltigkeitsziele Orientierung geben (siehe SDG 8).Nachfolgend sind einige relevante Siegel und Normen aufgeführt:
- VDA COSAX: Dies steht für Corporate Sustainability Assessment Exchange, ist der Name des geplanten standardisierten Prüf- und Austauschmechanismus zur Evaluierung von Nachhaltigkeitsanforderungen und Gesellschaftsverantwortung in der automobilen Lieferkette. Vorbild ist das TISAX®-Verfahren, der von der Automobilindustrie definierte Standard für Informationssicherheit. Ethische, soziale und ökologische Aspekte sollen bei COSAX gleichberechtigt nebeneinander stehen – dazu zählen die Bereiche Unternehmensethik, Umweltstandards, Arbeitsbedingungen und Menschenrechte, Löhne und Sozialleistungen sowie Arbeits- und Gesundheitsschutz.
- SMETA, das Audit für Nachhaltigkeit in der Lieferkette nach SEDEX: „SEDEX ist die Abkürzung für Supplier Ethical Data Exchange“. Das Audit dient dazu, die Arbeitsbedingungen und die Umweltleistungen in einem Unternehmen zu verbessern. Zudem wird die Lieferkette untersucht und es werden Möglichkeiten zur Verbesserung aufgezeigt (Sedex o. J.).
- Die DIN ISO 26000 „Leitfaden zur gesellschaftlichen Verantwortung von Organisationen”: Der Leitfaden ist eine Einführung für alle Arten von Organisation, um die Institutionen mit der Struktur DIN ISO 26000 vertraut zu machen. Hierbei geht es um eine gesellschaftliche Verantwortung, die Unternehmen übernehmen müssen (BMUV o. J.). Mit den Kernthemen Organisationsführung, Menschenrechte, Arbeitspraktiken, Umwelt, faire Betriebs- und Geschäftspraktiken, Konsumentenanliegen sowie Einbindung und Entwicklung der Gemeinschaft beinhaltet diese Norm einen umfassenden inhaltlichen Anspruch. Sie stellt unter dem Motto “ganzheitlich, global, freiwillig” einen Leitfaden gesellschaftlicher Verantwortung für Unternehmen dar. Sie ist nicht zertifizierbar (BMAS o. J.).
- ISO 14001 (Quentic o. J.): Die weltweit angewendete und akzeptierte ISO 14001 legt als Standard die Anforderungen an das Umweltmanagement fest. Sie wurde 1996 von der internationalen Organisation für Normen veröffentlicht und ist Teil einer Normenfamilie, die zahlreiche weitere Normen zu verschiedenen Bereichen des Umweltmanagements beinhaltet (z. B. das Energiemanagementsystem nach ISO 50001. Die DIN 14000 beinhaltet Anforderungen an ein Umweltmanagementsystem – inklusive Umweltschutz, Energieeffizienz und Produktqualität. Sie enthält zahlreiche weitere Normen zu verschiedenen Bereichen des Umweltmanagements, unter anderem zu Ökobilanzen und zu Umweltkennzahlen bzw. zur Umweltleistungsbewertung (UBA 2020b).
- Ein Energiemanagementsystem nach ISO 50001 kann unabhängig von der Größe oder Branche in allen Unternehmen eingeführt werden (Quentic o. J.). Damit soll die energiebezogene Leistung kontinuierlich verbessert werden. Mit der Einführung eines Energiemanagementsystems im Unternehmen werden alle energierelevanten Abläufe und Vorgänge analysiert und optimiert. Auf diese Weise führen Sie eine Systematik ein, um die Energieströme transparenter zu machen. Darauf basierend können nun konstant Energieeinsparpotenziale ermittelt werden und diese – wenn möglich bzw. betriebswirtschaftlich sinnvoll – umgesetzt werden.
- Blauer Engel (ebd. o. J.): Der Blaue Engel hat eine Vielzahl von Produkten zertifiziert. Ein Beispiel sind biologisch abbaubare Schmierstoffe und Hydraulikflüssigkeiten (DE-UZ 178). Das Umweltzeichen für biologisch abbaubare Schmierstoffe und Hydraulikflüssigkeiten gibt dem Anwender die Möglichkeit, diejenigen Produkte auszuwählen, die z. B. überwiegend aus nachwachsenden Rohstoffen (pflanzliche oder tierische Öle) bestehen und die sich insbesondere durch eine gute biologische Abbaubarkeit auszeichnen.
- EMAS: Umweltsiegel der europäischen Union EMAS I, II, III und IV Eco-Management and Audit Scheme, kurz EMAS, ist ein internationales und anspruchsvolles System für nachhaltiges Umweltmanagement. EMAS wird als Gütesiegel der Europäischen Union geführt und ist auch bekannt als EU-Öko-Audit oder Öko-Audit (EMAS o. J.). Dieses anspruchsvollste System für nachhaltiges Umweltmanagement beinhaltet automatisch das Umweltmanagementsystem DIN EN ISO 14001:2015, denn inhaltlich geht es darüber hinaus. EMAS-Unternehmen verbessern kontinuierlich ihre Umweltleistung mithilfe eines standardisierten Managementsystems. Über ihre selbst gesteckten Umweltziele und deren Umsetzung berichten sie in der jährlichen EMAS-Umwelterklärung. In dieser Umwelterklärung werden alle innerbetrieblichen, umwelttechnisch relevanten Kennzahlen der jeweiligen Produktionsabläufe dokumentiert und die erreichten und zukünftigen Umweltziele bewertet (bvdm o. J.). Da diese Erklärung öffentlich zugänglich sein muss und deren Überwachung gesetzlich geregelt und durch staatliche und nichtstaatliche Stellen mehrfach abgesichert wird, schafft sie eine hohe Transparenz. Da ein Teil der EMAS-Anforderungen die Einhaltung aller Umweltvorschriften ist, bestätigt der Gutachter auch die Einhaltung dieser sogenannten Rechtskonformität (Legal Compliance).
- ISO 14025 – DIN EN ISO 14025 (häufig kurz: ISO 14025, vgl. ISO o. J.) „Umweltkennzeichnungen und Deklarationen– Typ III Umweltdeklarationen – Grundsätze und Verfahren“ ist die Basis für Umweltkennzeichnungen nach Typ III. Die ISO 14025 regelt unter anderem, wie Typ III-Umweltdeklarationen und Typ III-Umweltdeklaration Programme erstellt werden und legt für deren Erstellung insbesondere die Anwendung der DIN EN ISO 14040-Normenreihe fest. So sollen Vergleiche zwischen Produkten gleicher Funktion – auf Grundlage quantifizierter Umweltinformationen aus dem Lebensweg eines Produktes ermöglicht werden.
- Safety and Health Excellence Recognitions: Im Rahmen seines Engagements für höchste Sicherheits- und Gesundheitsstandards zeichnet worldsteel jedes Jahr im Oktober einige seiner Mitgliedsunternehmen aus, die nachweislich die Sicherheit und den Gesundheitsschutz für alle in der Stahlindustrie Beschäftigten verbessert haben (worldsteel o. J.). Die ausgezeichneten Unternehmen fallen in vier Kategorien: Sicherheitskultur und -führung, Arbeitssicherheitsmanagement, Gesundheitsmanagement am Arbeitsplatz und Prozesssicherheit Management.
- OECD-Leitfaden für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht zur Förderung verantwortungsvoller Lieferketten für Minerale aus Konflikt- und Hochrisikogebieten (OECD 2019).
Zur Recherche nach Siegeln für Konsument*innen empfiehlt sich die Webseite „Siegelklarheit“, eine Initiative der deutschen Bundesregierung, die eine Orientierung zu einer Vielzahl von Gütezeichen gibt (Siegelklarheit o. J.). Auf der Webseite kann nach kann Gütesiegeln für Computer-Hardware und für Mobiltelefone gesucht und recherchiert werden, welche Phasen des Produktlebensweges vom Siegel abgedeckt werden, wobei Rohstoffproduktion, Herstellung, Transportwege, Nutzungsphase und End-of-Life unterschieden werden.
Die Herausforderungen für Elektroniker und Elektronikerinnen liegen also vor allem darin, einen nachhaltigen Einkauf zu organisieren, die die gesamte Wertschöpfungskette wenn möglich beachtet. Bei der Beschaffung sollte vor allem auf die Nachhaltigkeit der Rohstoffe und Produkte Wert gelegt werden. Hierzu ist eine Weiterbildung des Personals zur Vermittlung von Fachkenntnissen sowie auch Kenntnisse und Fähigkeiten zur nachhaltigen Entwicklung des Betriebes und der Ausbildung zu vermitteln. Diese Kompetenzen müssen im wahrsten Sinne des Wortes integrativ vermittelt werden, da die Beschaffung zwar über die Kaufleute des Betriebes erfolgt, aber über das, was beschafft und verkauft wird, viele Abteilungen entscheiden. Zudem ist ein Verständnis des Verhaltens der Endnutzer*innen bzw. der Konsument*innen notwendig, da die Produkte ja auch verkauft werden müssen.
Quellenverzeichnis
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SDG 12 Nachhaltige/r Konsum und Produktion
“Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen”
Dieses SDG 12 zielt auf die nachhaltige und effiziente Nutzung der Ressourcen ab aus der Perspektive der Produzenten und der Konsumenten. Ressourcen sind alle Stoffe der Natur (Mineralien und Metalle, biotische Ressourcen wie Holz oder Baumwolle), aber auch Luft, Wasser und Boden (vgl. ProgRess 2016). Abfälle sollen vermieden oder recycelt und gefährliche Abfälle sicher entsorgt werden. Für die Elektroniker und die Elektronikerin aller Fachrichtungen sind fast alle, aber besonders die folgenden drei Unterziele relevant:
12.2 Bis 2030 die nachhaltige Bewirtschaftung und effiziente Nutzung der natürlichen Ressourcen erreichen
12.3 Bis 2020 einen umweltverträglichen Umgang mit Chemikalien und allen Abfällen während ihres gesamten Lebenszyklus in Übereinstimmung mit den vereinbarten internationalen Rahmenregelungen erreichen und ihre Freisetzung …. auf ein Mindestmaß beschränken
12.3 Bis 2030 das Abfallaufkommen durch Vermeidung, Verminderung, Wiederverwertung und Wiederverwendung deutlich verringern
Die Schnittmenge für das SDG 7 ergibt sich vor allem aus den Nummern a und b der Standardberufsbildposition (BMBF 2022):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
Elektroniker, Elektronikerinnen und das SDG 12
Elektroniker und Elektronikerinnen stellen die Steuerung für Maschinen und Antriebe her, entwickeln Energie-, Gebäude- und Automatisierungstechnik oder installieren Betriebstechnik und Elektroanlagen. Zuverlässigkeit, Präzision und Leistung sind die primären Kriterien, damit eine Maschine z. B. 10.000 Flaschen pro Stunde bruchsicher abfüllen kann oder der Benzinverbrauch eines Motors um 0,1 l im Stadtverkehr gesenkt wird. Gleichzeitig müssen ökonomische Anforderungen erfüllt werden, da jedes Produkt sich am Markt behaupten muss und viele Elektroniker und Elektronikerinnen nach der besten Lösung suchen. Ihre Tätigkeiten sind deshalb verschiedenen Zielkonflikten unterworfen:
- Die Gesellschaft wünscht Dinge, , die eindeutig nicht nachhaltig sind im Vergleich zu alternativen vorhandenen Möglichkeiten. Dies sind z. B. Pkw mit Verbrennungsmotoren anstelle von Elektrofahrzeugen oder nicht-nachhaltigen Konsumprodukten aus Souvenier-Läden (für die Maschinen zur Herstellung gebraucht werden) anstelle von Gegenständen aus Handwerkskunst.
- Die Elektronik von Maschinen und Antrieben nutzt nicht nur Kupfer und Kunststoffe, sondern fast alle Metalle des Periodensystems. Selbst wenn sie auf Dauerhaftigkeit ausgelegt ist, vermögen unsere Recyclingtechnologien noch nicht, die sehr geringen Mengen der meisten Metalle zurückzugewinnen – sie werden verschlackt und sind verloren.
- Relativ neu ist die Verpflichtung aller großer Unternehmen (derzeit für Unternehmen mit 3.000 Mitarbeiter*innen, zukünftig für kleinere Unternehmen), bezüglich des Lieferketten Sorgfalt Gesetzes (kurz: LkSG; BGBL 2021). Es beschreibt, wie Unternehmen ihren Sorgfaltspflichten gegenüber Umwelt und Menschenrechten entlang der globalen Lieferketten nachkommen sollen. Hierbei zeigt sich, dass kaum die notwendigen Informationen vorliegen, um die Wertschöpfungskette nachhaltig gestalten zu können.
- Die Richtung der Nachhaltigkeit für die Industrie hat der Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung 2012 in Rio de Janeiro beschlossen, dort wurde das sogenannte Zehn-Jahres-Rahmen für Programme für nachhaltige Konsummuster und Produktionsmuster (BMUV o. J.) beschlossen. Dessen Fortführung und Ausgestaltung weltweit liegt in den Händen der UNEP – genauer: bei “Department of Trade, Industry and Environment” (UNEP 2022) und national in den Händen der jeweils zuständigen Ministerien, hier dem Wirtschaftsministerium. Alle Stufen der Herstellung und Nutzung von Gütern sollen auf den Prüfstand der Nachhaltigkeit gestellt werden mit ihren jeweiligen Ressourcenverbräuchen, Energiebedarfen, gesellschaftlich-sozialen Vor- und Nachteilen sowie ihren Auswirkungen auf die Natur.
Im Folgenden wird an verschiedenen Beispielen aufgezeigt, inwieweit dieser Rahmen für nachhaltigen Konsum und Produktion in der Realität umgesetzt wird oder werden kann. Dabei bilden manchmal einzelne Werkstoffe den Ausgangspunkt, und ein anderes mal Gesetzesänderungen und Vorschriften, die die Nachhaltigkeit gesetzlich verankern und nachhaltige Produktion in eine transparente, überschaubare Form bringen.
Rohstoffverbrauch der Elektronik und Elektrotechnik
Der Rohstoffverbrauch, z. B. von Erdöl, Holz, Metallen und Seltenen Erden, von Deutschland liegt laut des aktuellen Rohstoffberichts des Umweltbundesamtes fast 30 Prozent über dem weltweiten Durchschnitt (UBA 2022h). Statistisch betrachtet liegen damit pro Bundesbürger und Bundesbürger 16 Tonnen Rohstoffe und Materialien im Jahr in unserem “ökologischen Konsum-Rucksack” (ebd.). Bei den nicht-nachwachsenden Rohstoffen konnte ein Trend zur Verringerung beobachtet werden, während im selben Zeitraum die Entnahme nachwachsender Rohstoffe (Erzeugnisse der Land- und Forstwirtschaft) zunahm (ebd.:18).
Hier stellt sich zuerst die Frage, was Elektroniker:innen in ihren beruflichen Handlungsfeldern mit dem Verbrauch von Rohstoffen zu tun haben. Betriebsintern und bei der Ausführung von Arbeiten sind dies vor allem der Einsatz von Energie – Strom und Kraftstoffen – sowie Fahrzeuge, Werkzeuge, Geräte und Maschinen. Hinzukommen diverse metallische, nicht-metallische und fossile Rohstoffe aus unterschiedlichen Teilen der Welt, die für die Herstellung von Elektronikbauteilen benötigt werden. Rohstoffe, Bauteile und Baugruppen haben oftmals eine lange Lieferkette durchlaufen, bevor sie hier in Deutschland zum Einsatz kommen.
Rohstoffäquivalente und Materialströme
Bei der Berechnung von Rohstoff Äquivalenten werden den untersuchten Endprodukten alle Rohstoffe zugeordnet, die für ihre Produktion über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg weltweit benötigt wurden. So geben zum Beispiel die Exporte in Rohstoff Äquivalenten an, welche Masse an Rohstoffen im In- und Ausland für die Herstellung aller Güter eingesetzt wurde, die in einem bestimmten Jahr von Deutschland ins Ausland exportiert wurden (destatis o. J.). Ziel ist es, den Verbrauch an Erzen, mineralischen Rohstoffen und fossilen Energieträgern zu senken, und den Anteil biotischer Rohstoffe zu steigern.
Im elektrotechnischen Berufsfeld werden viele metallische Rohstoffe, gewonnen aus Erzen, verwendet. Zudem werden erdölbasierte Kunststoffe eingesetzt, also aus einem fossilen Energieträger gewonnen. Besonders interessant für die Konstruktion und Herstellung von elektrotechnischen Maschinen und Anlagen sind die Vorschläge der EU zur Neugestaltung der “Ecodesign Richtlinie”, die am 30.März 2022 veröffentlicht wurde. Der neue „Digitale Produktpass“ wird Informationen über die ökologische Nachhaltigkeit von Produkten liefern. Dies soll Verbrauchern und Unternehmen helfen, beim Kauf von Produkten fundierte Entscheidungen zu treffen, Reparaturen und Recycling zu erleichtern und die Transparenz über die Auswirkungen von Produkten auf die Umwelt während ihres Lebenszyklus zu verbessern. Der Produktpass soll auch den Behörden helfen, Kontrollen und Prüfungen besser durchzuführen. (EU-Kommission 2019) Darin werden benannt: Haltbarkeit, Wiederverwendbarkeit, Aufrüstbarkeit und Reparierbarkeit von Produkten, Vorhandensein von Stoffen, die die Kreislaufwirtschaft behindern, Energie- und Ressourceneffizienz, recycelter Inhalt, Wiederaufbereitung und Recycling, Kohlenstoff- und Umweltfußabdruck und Informationsanforderungen, einschließlich des digitalen Produktpasses. Technisch ist es so möglich, Werkstoffe und Geräte aller Art entlang der Wertschöpfungskette transparent zu machen mittels sogenannter RFID-Tags (Steiner 2008).
Kupfer - nur ersetzbar durch Altmetall
Kupfer ist essentiell für Elektro- und Elektronikprodukte. Es lässt sich nur in seltenen Fällen wirklich ersetzen (z. B. Aluminium für Stromleitungen). Zudem stellt sich immer die Frage, ob das Substitut für Kupfer nachhaltiger ist.
In Deutschland werden 57 Prozent der Kupferhalbzeuge bei der Herstellung von Elektroprodukten genutzt, 15 Prozent in der Bauwirtschaft, 9 Prozent in der Automobilindustrie sowie 8 Prozent im Maschinenbau. Die restlichen 11 Prozent verteilen sich auf den Handel und sonstige nicht näher spezifizierte Leistungen (BGR 2020). Mit der Intention, den Beitrag der Kupferindustrie zu den nachhaltigen Entwicklungszielen der UN aufzuzeigen und zu fördern, hat die International Copper Association (ICA) 2019 die Initiative Copper Mark gegründet (Coppermark 0.J.). Unternehmen können sich hier entlang der Wertschöpfungskette des Kupfers einer Überprüfung ihrer Sorgfaltspflichten unterziehen. Es gibt zudem einige internationale Leitfäden, um verantwortungsvolle, transparente und nachhaltige Gewinnung von Mineralien zu stärken wie z. B.:
- OECD-Leitfaden für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht zur Förderung verantwortungsvoller Lieferketten für Minerale aus Konflikt- und Hochrisikogebieten (OECD 2019)
- Leitfaden der London Metal Exchange (LME) “Responsible Sourcing” (LME o. J.)
Auf jeder Stufe der Wertschöpfungskette kommte es im Allgemeinen zu Verlusten. Außerdem verbleibt ein Großteil im Gebrauch, d.h. in Gebäuden und Infrastruktur und bildet dort Bestandslager. In wissenschaftlicher Analyse konnte gezeigt werden, dass die Sammelquote von kupferhaltigen Schrotten bei ungefähr 65 Prozent liegt, wobei knapp 50 Prozent des insgesamt in obsoleten Produktströmen befindlichen Kupfers als Sekundärkupfer wieder in den Kreislauf eingeführt wird. Das europäische Kupfermodell basiert auf demselben Prinzip wie das globale Modell, allerdings mussten hier Handelsströme auf jeder Stufe der Wertschöpfung berücksichtigt werden. Dabei zeigt sich in Europa eine wesentlich höhere Sammelquote kupferhaltiger Schrotte von durchschnittlich knapp 80 Prozent und eine Recyclingeffizienz der Altschrotte von ca. 65 Prozent. Weiterhin werden ca. 55 Prozent des in Europa verarbeiteten Kupfers aus Schrotten (Neu- und Altschrotte) gewonnen, wobei dieser Wert auf globaler Ebene lediglich bei 35 Prozent liegt (Glöser-Chahoud 2017). Aus der Situationsanalyse lässt sich ableiten, dass der effiziente Einsatz von Kupfer einen hohen Stellenwert hat im Kontext der Energiewende, der Versorgungssicherheit und der nachhaltigen Entwicklung.
Kunststoffe
Kunststoffe werden größtenteils aus fossilen Rohstoffen hergestellt. Der Verbrauch an Kunststoffen in der Elektro- und Elektronikindustrie beträgt ca. 6 Prozent des Europäischen Kunststoffverbrauchs bzw. 3,1 Mio. t in 2019 (ZVEI 2021, Gesamtverbrauch ca. 51 Mio. t Kunststoffe). Rund 40 Prozent werden für Verpackungsmaterialien verwendet und 20 Prozent im Bausektor. Da die Automobilindustrie ca. 9 Prozent der Kunststoffe verbraucht, ist die Elektron- und Elektronikindustrie immer der viertgrößte Verbraucher. Bei einem EU-weiten Aufkommen von ca. 9 Mio. t Altgeräten werden immerhin 560.000 t Altkunststoffe zurückgewonnen (Bezug 2016, ebd.). Das Recycling von Elektroschrott ist jedoch nicht einfach. Vielfach wird der Schrott auf der Metallschiene recycelt – der Kunststoff dient dann gleichzeitig als Brennmaterial. Weiterhin sind insbesondere Leiterplatten oft Flammgeschützt mit Polybromiden. Noch wichtiger sind die Eigenschaften der Kunststoffe z. B. in Drähten und Leitungen, denn die Isolation von Strom muss auch unter aggressiven Bedingungen möglich sein (Hitze, Sonnenlicht mit UV-Strahlung, alkalischem Beton, Meerwasser etc.). Gleichzeitig gibt es vielfältige Anforderungen die Mechanik und werkstofflich-technischen Aspekte (vgl. ZVEI 2021).
Auch wenn die Kunststoffherstellung oder die Verwendung von Plastikmaterialien zur Verpackung keinen großen Beitrag zum Klimawandel leisten, sollte dennoch aus verschiedenen Gründen die Verwendung von Kupfer nachhaltiger gestaltet werden. Verpackungen vermüllen in Ländern ohne funktionierende Abfallentsorgung die Landschaften und gelangen ins Meer, wo sie zu Mikroplastik werden. Und jedes elektrische und elektronische Produkt wird verpackt. Auch in Deutschland ist der vorrangige Recyclingweg die thermische Verwertung – nach einer kurzen Nutzungsphase wird der Kunststoff verbrannt. Fossile Rohstoffe sind endlich, deshalb müssen wir und nachfolgende Generationen sie sorgsam nutzen.
Während viele Branchen, wie die Automobilindustrie oder die Getränkeindustrie (zum Teil) erkannt haben, dass Kunststoffe mehrfach genutzt werden können, ist dies in der elektrotechnischen Industrie noch nicht der Fall. Es werden nur 2 Prozent Kunststoff Recyclate eingesetzt (UBA 2021). Im Fahrzeugbau sind es 4 Prozent. Hohe Anteile erreichen die Landwirtschaft (11%) und die Verpackungsindustrie (24%) allerdings nur deshalb, weil die Anforderungen vor allem z. B. an Reyclingfolien gering sind.
Biobasierte Kunststoffe
Als Ersatz von fossilen Kunststoffen wird intensiv an biobasierten Kunststoffen geforscht. Der Grund hierfür ist die Annahme, dass biobasierte Kunststoffe klimaneutral sind, da die Pflanzen der Atmosphäre Kohlendioxid entziehen und dies nach Verbrennung in Atmosphäre entweicht – also bis auf die Produktionsenergie des Kunststoffen – ein klimaneutraler Prozess ist. Das Umweltbundesamt sieht aber die biobasierten Kunststoffe nicht als vorteilhaft an (UBA 2020c):
“Aus vergleichenden Ökobilanzen einfacher Gegenstände und Verpackungen wissen wir, dass sich die Umweltauswirkungen nicht wesentlich verbessern, wenn die Rohstoffe biobasiert sind statt fossilbasiert. Die Auswirkungen verschieben sich eher: Während konventionelle fossilbasierte Kunststoffe mehr klimawirksames CO2 freisetzen, äußert sich der ökologische Fußabdruck biobasierter Kunststoffe in einem höheren Versauerungs- und Eutrophierungspotential sowie einem gewissen Flächenbedarf. Grund ist die landwirtschaftliche Produktion der Rohstoffe. Es kann zu Konkurrenz um Flächen mit der Lebensmittelproduktion kommen oder Ausgleichs- und Waldflächen können weniger werden.”
Mit Leitungsschutz Wellrohren aus 100 Prozent Polyamid-12-Regenerat setzt REIKU, einer der innovativsten Entwickler und Hersteller hochwertiger Leitungsschutz-Systeme für Robotik und Automation, ein Zeichen in Sachen Nachhaltigkeit. Das Produktprogramm, das auch Wellrohre aus biobasiertem Polyamid 11 umfasst, reicht von 7 mm bis zu 95 mm Nennweite für den gesamten Einsatzbereich von Cobots bis zu großen Industrierobotern. Agriplast, ein Pionier in der Regeneration von technischen Kunststoffcompounds und Entwicklungspartner von REIKU, produziert und liefert das halogenfreie, selbstverlöschende und nicht flammausbreitende Regenerat (RGN by Agriplast) mit hoher, rückverfolgbarer Qualität. REIKU vertreibt die neuen Wellrohre unter der Typbezeichnung PARAB. (Konsens 2019).
Biobasiertes Polyamid (Bio-PA) ist eine nachhaltige Lösung, dem ein aus Pflanzen gewonnenes Biopolymer zugrunde liegt. Die CO2-Emissionen bei der Profilproduktion werden um 62 Prozent und der Verbrauch fossiler Energie um 23 Prozent reduziert, zudem ist es laut Herstelleraussage unbegrenzt recyclingfähig (Technoform o. J.).
Verpackungen von Elektro- und Elektronikprodukten
Jedes Produkt wird und muss verpackt werden. Dies führt unweigerlich zu mehr Verpackungsmüll. Im Jahr 2020 fielen ca. 6,4 Mio. t. Verpackungsabfälle an (Destatis 2022b). Das entspricht ca. 14 Prozent aller haushaltstypischen Siedlungsabfälle (ebd.). Davon entfielen je ca. 30 Prozent auf Verpackungen aus Glas sowie aus Papier, Pappe und Karton. 20 Prozent entfielen auf Kunststoffverpackungen und ca. 6 Prozent auf Metallverpackungen. Bei dem Rest handelt es sich um Sortierreste und sonstiges Verpackungsmaterial. Seit 2010 ist das Verpackungsaufkommen um 18 Prozent gestiegen (ebd.).
Maßgeblich ursächlich sind die zunehmenden Umverpackungen, die zunehmende Verbreitung von verpackungsintensiven Convenience Food (Lieferservices für Essen( sowie die steigende Nutzung des Onlinehandels. Verpackungen sind immer für den Schutz, die Handhabung und Lieferung von Produkten notwendig. Zudem haben die unterschiedlichen Verpackungsarten auch unterschiedliche Besonderheiten bezüglich des Produktes bzw. des Herstellungsprozesses – weshalb eine Optimierung im Sinne der Nachhaltigkeit oftmals schwierig ist. Dies gilt besonders für Elektro- und Elektronikprodukte, insbesondere diejenigen, die gegen Stoß- oder elektromagnetische Felder geschützt werden müssen.
Es gibt jedoch Produkte, die minimal in PE-Folie eingeschweißt werden könnten (z. B. die Rahmen von Lichtschaltern) oder überflüssig materialintensiv mit viel Luft verpackt sind. Die THIMM-Gruppe hat beispielsweise für die Hager Group – einem Unternehmen für elektrotechnische Installationen in Gebäuden – die Umverpackungen von Installationsmaterialien (Schalter, Steckdose, Sicherungen etc.) optimiert (THIMM o. J.). Durch das Optimierungsprojekt der Verpackungen konnten so pro Jahr 300.000 m2 Wellpappe eingespart werden. Der Verpackungsdruck konnte von 60 Prozent auf 10 Prozent reduziert werden.
Die ökologischen Vor- und Nachteile unterscheiden sich jedoch je nach Verpackungsmaterial stark und es ist nicht einfach zu entscheiden, was die umweltfreundlichste Verpackung ist (Innoredux o. J., co2online o. J., Die Umweltberatung o. J.). Manche Materialien können gut recycelt werden können (Pappverpackungen, Aluschalen, Styroporboxen, Styropor-Chips), andere wiederum nicht (Verbundfolien, Klebeetiketten, intensiv gefärbte Verpackungen, mit Kunststoff beschichtete Pappverpackungen, verunreinigte PE-Folien).
Aufgrund des hohen Aufkommens an Verpackungsabfällen aus fossilen Rohstoffen werden deshalb auch vielfältige Anstrengungen unternommen, Plastikverpackungen auf biologischer Basis zu entwickeln. Diese erneuerbaren Verpackungsmaterialien werden aus Zucker, Zellulose oder Stärke gewonnen (ökolandbau o. J.). Allerdings führt die Umweltbilanz von Verpackungen aus nachwachsenden Rohstoffen nicht zwangsläufig zu “besseren” Verpackungen . Polyethylen kann z. B. pflanzlich als Bio-PE gewonnen werden (ifeu 2012). Bio-PE ist wesentlich klimafreundlicher als fossiles PE, dafür hat Bio-PE ein höheres Versauerungspotential und führt mehr zur Eutrophierung von Gewässer (durch die Düngung der Pflanzen). Zudem ist der Flächenbedarf um ein Vielfaches höher und Flächen sind weltweit ein knappes Gut.
Diese Beispiele zeigen, dass jede Handlung auch negative Auswirkungen haben kann und man sich vielfach nur zwischen zwei unterschiedlich wirksamen Folgen entscheiden kann. Daher ist es angebotsseitig wichtig, dass Hersteller und Erstinverkehrbringer von Verpackungen auf unnötige Verpackungen verzichten und notwendige Verpackungen möglichst als Mehrweg Lösung konzipieren. Wenn dies nicht möglich ist, sollten die Verpackungen möglichst materialsparend und recyclingfreundlich konzipiert sein. Wenn Verpackungen auf fossiler Basis eingesetzt werden, sollten sie soweit möglich Rezyklate enthalten.
Beispielhafte Elektronik-Bauteile
Vorhandene oder fehlende Nachhaltigkeit in der Elektronik entscheidet sich häufig bei der Wahl der eingesetzten Bauteile. Im Folgenden werden deshalb Beispiele für die Umstellung bei der Nutzung von Vorprodukten und Betriebsstoffen gegeben.
Lithium- Ionen-Batterien
Lithium-Ionen-Batterien enthalten zahlreiche kritische Materialien. Dazu zählen Nickel, Kobalt und Lithium. Ihr Nachteil: Es gibt nicht unendlich viel von diesen Materialien auf unserer Erde und ihre Gewinnung erfolgt meistens sogar noch unter fragwürdigen Arbeits- und Schutzbedingungen (Ingenieur.de 2019).
Lithiumhaltige Batterien und Akkus besitzen aufgrund des Gefährdungspotentials, der Vielzahl verbauter Stoffe, die oft aufwändig gewonnen werden, sowie wegen stark steigender Verkaufs- und Anwendungszahlen und der daraus resultierenden Abfallmenge eine große Bedeutung für Mensch und Umwelt. Werden beispielsweise im Brandfall einzelne Inhaltsstoffe wie z. B. fluorhaltige oder phosphorhaltige Leitsalze freigesetzt, können reizende, ätzende und giftige gasförmige Stoffe ein erhebliches Risiko sowohl für die Gesundheit als auch für die Umwelt darstellen. (UBA 2016) Recyclingmöglichkeiten sind auf dem Weg der Erforschung, zum Beispiel das Verfahren der Schaumflotation, jedoch gibt es hier noch viel Verbesserungsbedarf bei der Umsetzung.
Graphit ist als Anodenmaterial ein weiterer kritischer Bestandteil einer Lithium-Ionen Batterie, der hier 15 Prozent-20 Prozent ausmacht. Europa importiert aktuell 98 Prozent des Graphitbedarfs, gleichzeitig steckt die Anwendung von Recyclingverfahren für diesen Stoff in den Kinderschuhen. In Deutschland gibt es nur wenige unbedeutende Vorkommen von natürlichem Graphit aus einem rund 150 km² großen Gebiet im südöstlichen Bayerischen Wald zwischen Donau und Hauzenberg, d. h. nordöstlich von Passau in Niederbayern. Dort veredelt ein Unternehmen Naturgraphit aus aller Welt zu Schmierstoffprodukten in Pulverform sowie Graphit Dispersionen und Graphit Formteilen (BGR 2020).
Die Importabhängigkeit von China ist hoch. Anna Vanderbruggen, Absolventin des Emerald-Masters-Programms von EIT Raw Materials, wurde ausgezeichnet, weil sie als erste Wissenschaftlerin das Problem des Recyclings von hochwertigem Graphit aus gebrauchten Lithium-Ionen-Batterien gelöst hat. So können europäische Recycler tonnenweise Graphit zurückgewinnen und so die grüne Energiewende in Europa vorantreiben (innovationnewsnetwork 2022).
Als Alternative zum Import kann synthetischer Graphit in Betracht gezogen werden, jedoch ist das Verfahren sehr energieaufwändig und beinhaltet die Nutzung fossiler Ressourcen (Steinkohle, Braunkohle, Erdöl und Peche). Aus der Kohle werden mit Salpetersäure Graphit-Einlagerungsverbindungen hergestellt und dann durch plötzliche Hitzeentwicklung (3.000 Grad) expandiert (chemie.de o. J., SGL Carbon o. J.). Abschließend wird der Graphit mechanisch zu einer weichen und flexiblen Folie verarbeitet. Auch bei diesem Substitutionsmaterial ist China weltweit mit Abstand der größte Anbieter, gefolgt von Mosambik und Brasilien (DERA 2021).
Mikrokondensatoren
“Kondensatoren sind Bauelemente, die elektrische Ladungen bzw. elektrische Energie speichern können” (Elektronik-Kompendium o. J.). Einfache Kondensatoren bestehen aus zwei Metallplatten und einem dazwischen liegenden Dielektrikum (Isolator). Durch eine Spannung laden sich die Metallplatten auf und es entsteht ein elektrisches Feld, der Kondensator speichert so Energie (Maßeinheit Kapazität C). Kondensatoren finden sich in allen elektronischen Bauteilen genauso wie Widerstände und Dioden. Die kurzfristige Energiespeicherung ermöglicht Lade- und Entladevorgänge, die Gleichrichtung von Strom, Spannung-Frequenz-Wandlung und den Aufbau von Schwingkreisen. Sie finden sich in Sendeeinrichtungen – also in jedem Smartphone, in Solaranlagen, Mikrofonen und in elektronischen Schaltkreisen.
Die kleinsten Mikrokondensatoren nutzen Tantal oder Niob, häufig auch Coltan genannt. Dieser Begriff leitet sich von dem Mineral Columbit-Tantalit ab (vgl. Behrendt und Scharp 2007). Mikrokondensatoren werden für Baugruppen oder Geräte genutzt, bei denen es auf das Volumen ankommt. Beispiele hierfür sind Hörgeräte und Smartphones. Hörgeräte sind deshalb so klein, weil sie unscheinbar sein sollen. Bei Smartphones hingegen soll ein Maximum an Baugruppen auf möglichst kleinem Raum untergebracht werden – jeder Kubikmillimeter zählt hier.
Tantalkondensatoren haben eine lange Lebensdauer und eine hohe Widerstandskraft gegen Temperaturschwankungen (Leuphana 2012). Entscheidend ist aber die (minimale) Größe der Kondensatoren: Sie qualifizieren das Material für die Verwendung in der Mikroelektronik. In einem Smartphone sind z. B. 0,004 Prozent Gewichtsanteile Tantal enthalten (ebd. und Informationszentrum Mobilfunk o. J.). Im Jahr 2022 wurden weltweit rund 1,21 Milliarden Handys verkauft (Statista 2023). Superleichte Smartphones wiegen mindestens 140g (Dein Handy.de o. J.). Hochgerechnet ergibt dies für die Jahresproduktion an Smartphones zwischen 600 und 700 t Tantal – d.h. ein Drittel der Jahresproduktion des Minerals. Darüber hinaus wird Tantal in vielen Elektronikgeräte verbaut, z. B. in Computern, Digitalkameras, Hörgeräten, Herzschrittmachern und der Autoelektronik (ABS, GPS, Zündsysteme, vgl. UBA 2007).
Kritikalität
Neben den begrenzten Reserven ist noch ein zweiter Faktor wichtig: Die so genannte Kritikalität der Mineralien (vgl. Erdmann et al. 2011; Häußler und Mildner 2012). Hierunter wird das Risiko verstanden, dass bestimmte Mineralien aus verschiedenen Gründen nicht unbegrenzt verfügbar sind . Dies kann sein, wenn die Reserven, d.h. die mit der vorhandenen Technologie förderbaren Mineralien, irgendwann aufgebraucht sind und neuen Ressourcen, d.h. die Mineralien, die mit verbesserter Technologie und unter anderen Bedingungen zukünftig erschließbar sind, doch nicht mehr gefördert werden können. Neben der Technologie gehören zu den Indikatoren für die Kritikalität auch z. B. das Länderrisiko, d.h. wie stabil sind die jeweiligen Regierungen und lassen sie den Abbau so zu, dass z. B. Menschenrechte gewahrt werden? Ein weiterer Indikator ist die Marktkonzentration. China und die Demokratische Republik Kongo dominieren viele verschiedene Mineralien wie die Seltenen Erden (China), Cobalt und Tantal (DRK). Beide Regierungen entsprechen nicht dem westlichen Verständnis von Demokratie – es gibt also Ausfallrisiken auf politischer Ebene und bei politischen Problemen der Regierungen untereinander.
Coltan, Reserven und Tantal
Tantal wird vor allem aus dem Mineral Coltan (DRK) sowie aus den Schlacken von Zinn (Australien und Brasilien) gewonnen. Die Jahresproduktion liegt seit 2017 zwischen 1.800 und 2.100 t (Statista 2023). Die Hauptverwendungen von Tantal haben sich seit 2007 kaum verändert, nur die Gewichtung hat sich verschoben: Von hochfesten Stählen z. B. für Turbinenblätter) hin zur Mikroelektronik (vgl. Behrendt und Scharp 2007). Neu hingegen ist die Verwendung für Schmuck.
Tantal wird zwar nicht zur Gruppe der Seltenen Erden gerechnet (die ja nicht unbedingt selten sind), ist aber im eigentlichen Sinne selten. In 2007 wurden die Reserven und die Reservebasis auf 200.000 t geschätzt (ebd.21). Die BGR geht von 260.000 t Ressourcen aus – d.h. von Tantal, welches sich ggf. unter einer verbesserten Technologie in der Zukunft gewinnen lässt (BGR 2018). Somit haben sich die bekannten Reserven von 2007 kaum verändert, obwohl doch immer mehr Tantal benötigt wird u. a. für die Digitalisierung der Kraftfahrzeuge, der Computertechnik (Laptops und Tablets) sowie für Smartphones.
Vorkommen liegen hauptsächlich in Brasilien, Australien, DR-Kongo, Mosambik und Ruanda. Bis 2005 war noch Australien der größte Produzent mit fast 50 Prozent Marktanteil bzw. 850 t Tantal (vgl. DERA 2016), aber nachdem die Abraumhalden der Zinkgewinnung ausgeschöpft waren, ging die Produktion bis 2016 auf 63 t zurück. Im gleichen Jahr stieg der Anteil der Region der großen Seen (DR Kongo, Ruanda, Burundi auf offiziell fast 900 t und der Weltmarktanteil auf etwas mehr als 50 Prozent. Es ist jedoch mit Sicherheit anzunehmen, dass die bergbaulichen Besonderheiten in der DRK im erheblichen Maße zu einem Rohstoffschmuggel führten – denn Länder wie Nigeria, Mozambique oder Äthiopien exportieren fast 10 Prozent des Weltmarktanteils an Tantal – haben aber keine Bergwerke (vgl. Behrendt und Scharp 2007).
Gewinnung von Tantal
Eine bergbauliche Besonderheit liegt beim Hauptproduzenten für Cobalt, der DRK vor. In der DRK liegt das Cobalterz oberirdisch in einem sehr weichen Gestein vor. Es wird sowohl von global tätigen Minenkonzernen, von lokalen Genossenschaften oder durch Zwangsarbeit von Milizen abgebaut (kleiner handwerklicher Bergbau, vgl. save the children 2022). Der sogenannte artesiale Kleinbergbau (ASM) ist die Einkommensgrundlage für mehr als 200.000 Menschen in der Region. Er ist jedoch zumeist illegal und nicht reguliert (analog dem Goldrausch in Alaska). Dieser Bergbau ist auch mit Kinderarbeit aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Bedingungen vor Ort verbunden. Der Abbau des Minerals in der DRK geht mit sozialen Problemen einher. Kleinschürfer arbeiten und leben oft unter besonders schwierigen Bedingungen. Sie haben sehr niedrige Einkommen und können von ihren Verdiensten meist nur von Tag zu Tag überleben – ohne jegliche soziale Sicherheit (D’Souza, 2007 und Elektronik Kompendium o. J. b).
Die Aufbereitung ist nicht mit den üblichen Verfahren der Hüttentechnologie (Oxidieren, Reduzieren, Schmelzen etc.) möglich. Die Gewinnung erfolgt durch eine Lösung als komplexe Fluoride, denn nur so lassen sich die verschwisterten Elemente Tantal und Niob trennen (vgl. ISE o. J.). Die Erze werden in Flusssäure oder auch unter dem Zusatz von Schwefelsäure – beide gehören zu den aggressivsten Säuren überhaupt – gelöst und dann ein Flüssig-Flüssig-Extraktion mit Methylisobutylketon durchgeführt zur Abscheidung anderer Element. Mit Wasser wird der Niobkomplex gefällt und Tantalfluorid bleibt in Lösung. Abschließende Schritte sind die Fällung des Tantalfluorids mit Kaliumfluorid sowie die Reduktion mit Natrium zu elementaren Tantal.
Recycling von Kondensatoren
Tantal-Kondensatoren werden in Europa noch keinem spezifischen Recyclingverfahren unterworfen – sie sind Teil des Elektronikschrotts. Es gibt verschiedene Forschungsvorhaben, die versuchen Tantalkondensatoren einem gezielten Recycling zuführen zu können. Beispielsweise wird versucht, die tantalhaltigen Kondensatoren mit einer optischen Erkennungssoftware von anderem Schrott abzutrennen (EU Recycling 2017). In Indien und Afrika hingegen werden teilweise Tantal-Kondensatoren manuell von Hand von den Platinen geschnitten.
Leuchtdioden
Dioden sind ein Grundelement in der Elektrotechnik. Dioden bilden einen pn-Übergang, sie lassen Strom somit nur in eine Richtung fließen wobei die Stromrichtung von der Polung abhängig ist (vgl. Elektronik Kompendium o. J.). Eine spezielle Form ist die Leuchtdiode: Sie wandelt den Strom in Licht um. Die grundlegende Kenngröße von Dioden – und auch von LEDs – ist in der Halbleiterphysik die Bandlücke, also der Energieabstand zwischen dem Leitungsband und dem Valenzband der Halbleiterstruktur. Je höher der Energieabstand, desto energiereicher ist die Strahlung, die beim Rücksprung eines Elektrons abgestrahlt wird. Und blaues Licht benötigt – als relativ kurzwelliges und energiereiches Licht – daher eine große Bandlücke: Welt der Physik 2015 / Hennig Riechert): „Mit den Halbleitern, die in den 1960er- und 1970er-Jahren verfügbar waren, geht das einfach nicht. Das waren in der Regel Galliumarsenid und ähnliche Materialien. Diese Materialklasse lässt zwar sehr effiziente rote Emission zu. Aber Blau oder Grün gehen einfach nicht.“ Zwar gab es schon vor den 1990er-Jahren erste blaue LEDs aus dem Halbleitermaterial Siliziumkarbid, allerdings waren diese aufgrund ihrer Materialeigenschaften lichtschwach und ineffizient (Welt der Physik, 2015).
Beleuchtungstechnik
Die Erfindung effizienter und leistungsstarker blauer LEDs ebnete den Weg zu energiesparenden weißen Lichtquellen. Dies wurde als eine so entscheidende Weichenstellung angesehen, dass sie den Erfindern Isamu Akasaki, Hiroshi Amano und Shuji Nakamura 2014 den Nobelpreis für Physik einbrachte; für Physik ungewöhnlich, dass direkte Anwenderprodukte ausgezeichnet werden.
Seit der Erfindung blauer, weißer und immer leistungsstärkerer Leuchtdioden (LED) erleben diese einen rasanten Anstieg in vielfältigen Anwendungsbereichen. Neben der klassischen Nutzung für elektronische Anzeigen und Warnlichter, hat die Technologie jetzt Einzug in die Beleuchtungstechnik und z. B. für Bildschirme und hochauflösende Videowände gefunden. Diese sind häufig mit hohen Materialanforderungen verbunden, die wiederum ressourcenrelevant sind. LEDs sind wesentlich energiesparender als die alten Glühlampen und benötigen auch nur die Hälfte der Leistung gleich heller Leuchtstofflampen. Es gibt aber auch Herausforderungen bei der Ausbreitung der LEDs. Aus Nachhaltigkeitssicht stellt der Bedarf an Seltenen Erden, insbesondere Terbium und Europium werden als Lichtemitter genutzt, Yttrium und Cer als Träger der Leuchtschicht. Aktuell findet daher eine Entwicklung statt, die mit immer weniger und bei den Trägermaterialien sogar ganz ohne Seltene Erden auskommt. (ISE, o. J.)
Rohstoffe für Leuchtdioden
Leuchtdioden bestehen aus einem Halbleiterchip, einem Reflektor mit Kontakt zur Kathode, einem Anschluss aus Golddraht für die Anode und einer Linse (vg. Leuchtmittelmarkt 2021). Für ihre Herstellung von Leuchtdioden werden bisher verschiedene Metalle der Halbleitertechnik wie Gallium (Hauptgruppenelement) oder Gadolinium, Yttrium, Cer, Terbium, Europium und Lutetium (Lanthanoide oder sogenannte “Seltene Metalle”, Verwendung als Dotierungs- und Leuchtmittel, vgl. ISE o. J.) in sehr geringen Mengen verwendet. Obwohl diese Mengen (für Leuchtdioden, nicht jedoch für Magneten z. B. in Windenergieanlagen) nur gering sind, führt die große Anzahl der produzierten Leuchtdioden zu einem hohen Anteil des Weltmarkt-Verbrauchs. Darüber hinaus wird die Halbleiterfähigkeit durch den Einsatz von Phosphor (p-Material) hergestellt – und Phosphor ist ebenfalls eine nicht unbegrenzt verfügbare Ressource (vgl. top agrar (2021), die vor allem in der Landwirtschaft als essentieller Dünger benötigt wird.
Die Metalle für die Halbleitertechnik und somit für Leuchtdioden gehören fast alle zu den Metallen mit einer hohen Kritikalität aufgrund der Konzentration des Weltmarktes. Im Jahr 2022 belief sich die Produktion von Seltenen Erden auf 300.000 t (statista 2023). Die Reserven belaufen sich auf geschätzt 120 Mio. t für alle Elemente der Seltenen Erden (ISE o. J.). China dominiert diesen Markt mit fast ⅔ der Weltjahresproduktion (statista 2023). Nach 2010 hat China den Export eingeschränkt bzw. verboten, damit war die Produktion wichtiger Güter wie z. B. die Generatoren für Windenergieanlagen in Europa und den USA stark gefährdet (vgl. Süddeutsche Zeitung 2014).
Gewinnung der Leuchtstoffe
Seltene Erden werden zumeist zusammen mit Zirkonium, Eisen oder Uran, vor allem in China, abgebaut. Die Herstellung der reinen Elemente ist sehr aufwändig, da die Seltenen Erden eine gleiche Elektronenstruktur haben. Die äußerste reaktive Schale liegt bei ihnen “innen” – sie unterscheiden sich also nicht in der chemisch reaktiven obersten Elektronenschale. Zur Abtrennung von anderen Gesteinen werden die Mineralien gemahlen und dann durch aufwendige Prozesse, wie magnetische und elektrostatische Verfahren oder durch Flotation, getrennt. Mit Salzsäure gewinnt man ein Konzentrat von Seltenen Erden (REO-Konzentrat, ISE o. J.). Durch Rösten (Oxidation), Reduktion, Lösung oder Fällung werden immer Gruppen der REO voneinander getrennt. Die eigentliche Gewinnung der reinen Metalle erfolgt dann über Ionenaustauschprozesse an geeigneten Trägermedien.
Gallium ist im Unterschied zu den Seltenen Erden – die nicht wirklich selten sind, sondern in geringem Umfange gewonnen werden – tatsächlich selten. Die größten Anteile sind 0,008 Prozent in Bauxit (dem Grundstoff für Aluminium, ISE o. J.). Es wird vor allem aus den Rückständen der Gewinnung von Aluminium, Zink und Germanium gewonnen. Die Reserven werden auf 1.6 Mio. t geschätzt. Ein Verfahren ist das alkalischen Lösen von Bauxit. Es bilden sich Aluminiumhydroxid und Natriumgallat, welches vom Aluminiumhydroxid abgetrennt werden kann, da es sich in der Natronlauge anreichert und das Aluminiumhydroxid ausfällt. Aus der Lösung wird es dann ausgefällt und elektrolytisch als Metall gewonnen werden (ebd.). Die Jahresproduktion von Gallium betrug 2014 rund 440 t (HZDR 2016).
Rohstoffbedarf für die Beleuchtungsindustrie
Ohne Frage ist die LED-Technik die Zukunft der Beleuchtungstechnik. Es stellt sich aber die Frage, ob die Energieeffizienz der LED-Technologie nicht zu verstärkten Bedarfen an den LED-Metallen führt. Hierzu hat ISE eine modellhafte Kalkulation durchgeführt (ISE o. J.). Hierzu wurden typische LED mit 110 lm/W und 1 Watt Leistung verglichen mit T8 Leuchtstoffröhren mit einer Lichtausbeute von 90 lm/Watt sowie 30 Watt Stromverbrauch. Die LED-Leuchte hat einen Galliumnitrid-Chip mit einer Leuchtstoffbeschichtung von 4 mg/mm2. Die Leuchtstoffröhren hat einen Chip mit 456 cm2 Fläche und etwa 2,5 mg/cm2 Phosphorbeschichtung. Die Leuchtstoffröhre erzeugt demnach 2.700 Lumen Licht und enthält 1.140 mg Phosphor. Um die gleiche Lumenanzahl zu erzeugen, wären 25 Leds mit insgesamt 100 mg Phosphor notwendig. Dies bedeutet für den Einsatz von Seltenen Erden (ISE o. J.): “Es scheint, dass die verwendeten Leuchtstoffe fast genau die gleichen Mengen an Seltenen Erden enthalten, da die Mechanismen zum Erzeugen des sichtbaren Lichts grundsätzlich die gleichen für eine LED und einen Leuchtstofflampe sind. Die erforderliche Menge an Phosphor und damit an Seltenen Erden pro erzeugter Lichtmenge ist für LEDs entschieden niedriger als für Leuchtstoff. Beachten Sie, dass wir hier nicht den Stromverbrauch bei der Beleuchtung diskutieren. Die LED-Leuchten verbrauchen weniger Leistung, aber sie brauchen deutlich weniger seltenen Erden, um dies zu tun.”
Recycling von Leuchtdioden
LED-Technologie ist derzeit die Beleuchtungstechnik der Zukunft. Dies ist insbesondere für Deutschland ein wichtiger Markt, denn hier sitzt der weltweit wichtigste LED-Hersteller Osram mit einem Umsatz von 5 Mrd. Euro im Jahre 2020 (Statista, 2023). Mit technischem Fortschritt und höherer Leistung steigen die Anforderungen an die Materialien, z. B. muss die transparente Kapsel immer höhere Temperaturen aushalten. Gleichzeitig sollen Seltenen Erden eingespart werden. Die Arbeitsgruppe um Prof. Guido Kickelbick an der Saar-Uni hat mit Industriepartnern (Osram, BASF) ein Verkapselungsmaterial entwickelt, das langlebige und günstige LEDs ohne Seltene Erden ermöglicht (Werkstoffe in der Fertigung, o. J.).
Die Materialien der LEDs lassen sich prinzipiell gut recyceln. Im Gegensatz zu Energiesparlampen sind LED quecksilberfrei und müssen deshalb nicht als Sondermüll entsorgt werden. Hauptbestandteile der Leuchten und wertvolle Metalle der Diode wie Indium oder Cadmium können automatisch getrennt, herausgelöst und wiederverwendet werden. Sauberes Glas dient zur Produktion neuer Lampen, während Mischglas dem üblichen Glas Recycling zugeführt wird. Allerdings stellt gerade der mittlerweile erfreulich niedrige Bedarf an Seltenen Erden ein Problem dar. Er erschwert das Recycling dieser Stoffe. Denn die geringen Anteile dieser Elemente pro LED bei gleichzeitig extremer Streuung ihrer Anwendung verhindern die Rückgewinnung in der Praxis in den meisten Fällen (ISE, o. J. und MVV-Partner, 2018). Der Sammel-, Arbeits- und damit finanzielle Aufwand rechnet sich gegenwärtig kaum.
Leitungen
Für alle Leitungen gilt: Häufig ist innen als Leitermaterial Kupfer und außen als Ummantelung Kunststoff (außer bei Freilandstromleitungen, die auch aus Aluminium sein können), oder als klassischer Ummantelung als geschichtetes Dielektrikum aus lagenweise gewickeltem und getränkten Papier, welches aufgrund seiner guten dielektrischen Eigenschaften auch heute noch bei Hochspannungskabeln zum Einsatz kommt (Hradil o. J.).). Kupfer leitet Strom und die Ummantelung/Isolierung schützt diese innenliegende Kupferader vor Witterung, Feuchtigkeit, Hitze und Kälte. Dafür können je nach Anforderungsprofil unterschiedliche Stoffe verwendet werden.
Leitungsaufbau
Der Aufbau von Leitungen ist häufig komplex: Sie können Litzen, Isolationen, Schirmungen, Bandierungen, Geflechte, Verseilungen und verschiedene Ummantelungen umfassen. Die Realität ist deshalb komplex und variantenreich. Leitungen müssen in der Elektronik und Mikroelektronik zudem vielfältige Anforderungen erfüllen:
- Resistenz gegenüber aggressiven Umweltbedingungen wie Hitze, Kälte, Feuchtigkeit, Funkenflug und Chemikalien
- Hohe Lebensdauer bei millionenfachen Biegewechselzyklen
- Trommelbarkeit der Leitungen bei minimalen Radien und bei immer kleineren Leitungsdurchmessern
- Hohe elektromagnetische Verträglichkeit
- Anpassung an den verstärkten Einsatz von Mikroprozessoren und Subminiatur-Bauelementen (Hradil o. J.)
Im Ergebnis werden Verschiedene Isolations- und Mantelmaterialien angeboten für verschiedene Leitungstypen. Dabei sind ergänzend die Beschaffungskosten, der Materialverbrauch und die unterschiedlichen Verarbeitungskosten zu beachten (Hradil o. J.). Am bekanntesten sind thermoplastische Kunststoffe wie Polyethylen (PE) und Polyvinylchlorid (PVC). Aber bei Ummantelungen von Leitungen spielen auch die gummielastischen Elastomere eine Rolle. Folgende Tabelle gibt die verwendeten Materialien wieder (Hradil o. J.):
Thermoplastische Kunststoffe | PVC Polyvinylchlorid PE Polyethylen PP Polypropylen PA Polyamid Fluorpolymere PTFE Polytetrafluorethylen PVDF Polyvinyldenfluorid ETFE Ethylen-Tetrafluorpropylen PFA Tetrafluorpropylen |
Elastomere | EPM Ethylen-Propylen-Kautschuk EPDM Ethylen-Propylen-Terpolymer-Kautschuk NBR Nitril-Butadien-Kautschuk CR Polychloropren CM Chloriertes Polyethylen CSM Chlorsulfoniertes Polyethylen EVA Ethylen Vinylacetat SIR Silikonkautschuk |
Thermoplastische Elastomere | TPE-E Thermoplastisches Polyester Elastomer TPE-A Thermoplastisches Polyamid Elastomer TPE-U Thermoplastisches Polyurethan Elastomer PUR TPE-O und TPE-V Thermoplastisches Polyolefin Elastomer TPE-S Thermoplastisches Polystyrol Elastomer |
Vernetzte Thermoplaste | VPE Vernetztes Polyethylen EVA, EBA und EFA Ethylen-Co-Polymere |
Thermoplastische Kunststoffe PVC und PE
Eine Alternative zu PVC-Leitungen sind PE-ummantelte Leitungen.Technisch-funktional betrachtet sind PVC-Leitungen schwer entflammbar und selbstverlöschend, es können aber zusätzlich Flammschutzmittel eingesetzt werden. PE-Leitungen brennen leichter und müssen deshalb mit Flammschutzmitteln (Aluminiumhydroxid oder Bromhalogene) geschützt werden. Im Zusammenhang mit PVC-Bränden wird häufig die Gefahr der Dioxinbildung betont. Bekannt ist, dass die Chlorverbindungen die Bildung von Dioxinen begünstigen. In Bezug auf die akute Toxizität der Brandgase spielen Dioxine aber nur eine untergeordnete Bedeutung, sie werden vor allem an Brandrückständen gebunden (FNB o. J., VZ 2022). Bei PVC-Leitungsbränden entwickelt sich außerdem eine wesentlich höhere Rauchdichte als bei halogenfreien Leitungen. Dies führt zur Behinderung von Löscharbeiten und damit zu indirekten Gesundheitsgefahren. Aus den genannten Gründen schreibt der Verband der Sachversicherer für Bereiche mit Menschenansammlungen und mit unwiederbringlichen oder hohen Sachwerten halogenfreie Leitungen vor (ebd.).
Im Zentrum der ökologischen Bewertung bei PVC-Leitungen stehen die langfristigen Schädigungspotentiale durch Brände (Dioxine und Salzsäure, VZ 2022), die Weichmacher und die Flammschutzmittel sowie das Recycling. Auf der anderen Seite stehen die beiden anderen Dimensionen der Nachhaltigkeit: Soziales im Sinne der Sicherheit von Leitungen und die ökonomische Dimension. Dies bedeutet, dass nachhaltigere Alternativen nicht zu so hohen Kosten führen dürfen, dass die Nutzung (stark?) eingeschränkt werden müsste oder nicht erschwinglich wäre.
In ihrer Studie “PVC und Nachhaltigkeit” bewertet die Arbeitsgemeinschaft PVC und Umwelt e.V. (KRV 2007) die kürzer- und mittelfristigen Perspektiven (bis 2020) von PVC-Leitungen als günstig. Ausschlaggebend ist dabei der deutlich geringere Preis gegenüber Leitungen aus Polyolefinen (PE). Dem stehen zwar ökologische Risiken (höhere toxische und ökotoxische Emissionen) gegenüber, diese sind aber zu einem Teil durch kurzfristige technische Maßnahmen reduzierbar und unterliegen bereits gesetzlichen Regelungen.
Die mittel- bis langfristigen Perspektiven für PVC-Leitungen werden als ungünstig eingeschätzt. PVC hat gegenüber PE klare Nachteile im ökologischen Bereich. Die Möglichkeiten für eine Verbesserung der Position sind begrenzt: einerseits wegen des höheren Materialgewichts, andererseits lassen sich die Nachteile von PVC-Leitungen im Bereich der potentiellen Risiken durch Brandfolgen, Weichmacher (und ggf. Flammschutzmittel) ebenfalls nur begrenzt verringern, da sie materialspezifisch sind (FNB o. J.). Langfristig, d.h. innerhalb eines Zeithorizonts bis etwa 2050, wird die Verknappung der Rohstoffbasis (Erdöl, Erdgas) relevant. Dies betrifft PVC- und PE-Leitungen in ähnlicher Weise, wobei PVC-Leitungen noch länger auf die fossile Rohstoffbasis setzen könnten, da wegen des Chloranteils nur ca. 50 Prozent des Materials auf Erdölbasis beruhen. (Kolb 2022)
Elastomere
Elastomere (Elaste) sind Kunststoffe, denen eine Gummielastizität eigen ist. Sie finden nach Verformung wieder in ihre ursprüngliche Form zurück, sind aber elastisch. Die Molekülketten von Elasten sind durch Hauptvalenzen weitmaschig und miteinander vernetzt. Sie sind unlöslich gegen Lösungsmittel, können jedoch aufquellen (Maschinenbau-Wissen o. J.). Elastomere werden Fraktionen der Erdölraffination hergestellt unter Nutzung von speziellen Katalysatoren (Ziegler-Natta-Verfahren mit Vanadium-Verbindungen und Aluminium-Alkylchloriden, vgl. Chemie.de o. J.). Aus Sicht der Nachhaltigkeit sind diese Elastomere nur schwer zu bewerten. Zum einen war es ein großer technischer Fortschritt, eine Alternative zum Naturkautschuk zu haben. Würde man heute nur noch diesen verwenden, so würde es mit Sicherheit keinen Amazonas-Regenwald mehr geben. Andererseits wird synthetischer Kautschuk aus Erdöl-Fraktionen hergestellt, einer nicht-erneuerbaren Ressource unter Emissionen von Treibhausgasen.
Recycling von Leitungen
Umgangssprachlich wird häufig von Kabeln gesprochen, Kabel werden jedoch im Erdreich und im Meer verlegt (vgl. Elektronik Kompendium 2012). Beim Recycling hat sich jedoch der Begriff “Kabel” klar durchgesetzt. Eine Google-Suche nach „Kabelrecycling“ ergibt 34.000 Treffer im deutschsprachigen Netz, “Leitungsrecycling” nur einen Treffer. Deshalb wird im Rahmen des Recyclings hier immer von “Kabeln” gesprochen.
In allen elektronischen Geräten sind Kabel bzw. Leitungen enthalten. In Deutschland fallen jährlich etwa 150.000 Tonnen Altleitungen an (IST o. J.). Diese enthalten Kupferlitzen, um den Strom zu leiten. z. B. in Autos stecken viele Leitungen, laut auto.de bis zu acht Kilometer je Fahrzeug (auto.de 2014). Manche Leitungen sind durch Aluminiumumwicklungen vor Stromfeld- und Funkwellen Störungen geschützt. Kupfer lässt sich, sobald es von den Ummantelungen gereinigt wurde, in Kupferhütten einschmelzen und neu formen (Scheideanstalt o. J.). Für das Recycling spielt die sortenreine Trennung von Kupferader und der Ummantelung eine bedeutende Rolle. Beim Kabelrecycling werden die kompletten Kabel zunächst in einer Kabelgranulieranlage, einer Art großem Mahlwerk , “geschreddert”, um anschließend mittels der Verkugelungsmühle Bestandteile der Ummantelung von metallischen Anteil zu trennen (Stokkermill, 2020).
Im Gegensatz zum Kupfer ist das Recycling der isolierenden Ummantelungen wesentlich komplizierter. Ökologische Verbesserungen für die Isolation – im Folgenden am Beispiel PVC dargestellt, was aber auch für die anderen Ummantelungen gilt – könnten insbesondere durch einen geschlossenen Stoffkreislauf erzielt werden. Hier stehen die Entwicklungen aber noch in den Kinderschuhen, z. B. beim „Vinyloop“ Verfahren, mit dem recyceltes PVC wieder für die Leitungsproduktion verfügbar gemacht werden sollte (Kunststoff Web, 2018). Bisher funktioniert bei den Ummantelungen nur “Downcycling”, also die Verwendung der recycelten Kunststoffe für Nutzungen mit geringeren Anforderungen.
Obsoleszenz von Elektro- und Elektronikgeräten
Für jedes energieverbrauchende Gerät wird Energie gebraucht, um es herzustellen. Selbst bei energie- und wassereffizienten Waschmaschinen beträgt die Umweltbelastung durch die Herstellung immer noch 20 Prozent (UBA 2016). Haushaltsgeräte, Maschinen und Geräte werden meist solange genutzt, bis sich Reparaturen nicht mehr lohnen. Allerdings verkürzt sich die Nutzungsdauer vieler Geräte seit einigen Jahren. Schon 2015 zeigte sich die Tendenz (vgl. Öko-Institut 2015). Die Lebensdauer von großen Haushaltsgeräten sank um ein Jahr von 14 auf 13 Jahre. Bei einem Drittel der Geräte war dieses noch funktionstüchtig, bei zwei Dritteln war der Grund ein technischer Defekt (ebd.). Gleichzeitig stieg der Anteil der Geräte, die aufgrund eines Defektes schon nach 5 Jahren ersetzt werden mussten: Von 3,5 auf 8,3 Prozent. Der Verdacht, dass eine geplante Obsoleszenz die Ursache ist (Einbau von minderwertigen Bauteilen zwecks Begrenzung der Lebensdauer) wurde zeitnah durch eine Studie widerlegt (ingenieur.de / UBA 2016): “Eine geplante Obsoleszenz, also ein vom Hersteller in Elektrogeräten eingebauter künstlicher Verschleiß, existiert nicht. „Eine gezielte kurze Produktlebensdauer, die die Hersteller mittels eingebauter Mängel erzeugen – die sogenannte geplante Obsoleszenz – kann in der aktuellen Studie nicht nachgewiesen werden“ (UBA 2016 und ingenieur.de 2016).
Neben der – bisher vermuteten, aber widerlegten – geplanten Obsoleszenz gibt es noch die psychologische und die technische Obsoleszenz (vgl. Öko-Institut o. J.). Psychologische Obsoleszenz liegt vor, wenn Produkte vor allem deshalb gekauft werden, weil sie neu, modern oder angesagt sind. Insbesondere bei Smartphones werden Nachfolgemodelle mit teilweise schwer zu bewertenden funktionalen Verbesserungen wie z. B. der Auflösung der Kameras auf den Markt gebracht, die dann überschwänglich beworben werden (vgl. apple 2022). Diese “hohe” Innovationsgeschwindigkeit bei IKT-Produkten führt möglicherweise zu einer verkürzten Nutzungsdauer, so dass Notebooks oder Smartphones teilweise nur drei Jahre genutzt werden, bevor wieder ein neues Gerät angeschafft wird. Hinzu kommt, dass auch die steuerliche Abschreibung es ermöglicht, Hardware alle drei Jahre abzuschreiben (Handwerk 2022).
Psychologische Obsoleszenz hat große Auswirkungen auf die Ressourcennutzung. Auch wenn Computer und Smartphones tendenziell kleiner und leichter werden, wird die Herstellung kleinerer Technologien noch ressourcenintensiver. Dies gilt insbesondere für die Herstellung von Chips. Vor 2000 lag die Fertigungstechnik noch bei Mikrometern, also 1.000 Nanometern. Anfang der 2000er gelang es Intel mit 90 nm unter die Schwelle von 0,1 Mikrometern zu kommen – es wurde als Aufbruch ins Nanometer-Zeitalter gefeiert (vgl. Neue Zürcher Zeitung 2004). Inzwischen sind die Chiphersteller beim 2 Nanometer-Bereich angekommen – und es wird von einem neuen KI-Zeitalter geträumt (Spektrum 2021).
Die dritte Form der Obsoleszenz – die technische Obsoleszenz – kann verschiedene Gründe haben. Zum einen kann sie werkstofflich bedingt sein. Alltagsprodukte sind keine Produkte der Raumfahrt – für Hersteller ist es ökonomisch nicht möglich, immer die teuersten Materialien zu nutzen. Der Gesetzgeber geht von einer zweijährigen Nutzungszeit im Allgemeinen aus (bei Bauvorhaben von dreißig Jahren) und schreibt eine Garantie vor. Zwei Jahre sind aber z. B. für Haushaltsgüter und für industrielle Maschinen und Geräte eindeutig zu wenig. Inzwischen trauen sich viele Hersteller, lange Garantiezeiten zu geben: Für Kraftfahrzeuge gibt es schon mehrjährige Mobilitätsgarantien oder Garantien für die Lebensdauer einer Lithium-Batterie. Hersteller von PV-Modulen versprechen sogar 20 Jahre Garantie.
Bei IT-Produkten kommt häufig noch der Sonderfall ökonomische Obsoleszenz hinzu (vgl. Öko-Institut). Dies kann zum einen bedeuten, dass die Reparaturkosten nicht im Verhältnis zu einem Neukauf stehen. Ein Beispiel hierfür ist die Apple Watch, wo die Reparatur des Deckglases ca. 140 € kostet und eine neue Uhr für ca. 370 € zu kaufen ist. Gleiches gilt für den Bildschirm des MacBook Pro: Eine Reparatur kostet 800 Euro, ein neues MacBook ca. 2.200 Euro (eigene Recherche der Preise des Autors). Auch Software von IT-Geräten kann funktionstüchtige Geräte unattraktiv machen, wenn sie anfällig für Schadangriffe werden. So listen sowohl Samsung, Microsoft als auch Apple ältere Geräte (Samsung und Apple) oder Betriebssysteme (Windows) aus und vergeben keine Updates mehr. Im Ergebnis gibt es keine neuen Sicherheitspatches oder die Geräte werden nicht mehr zur Reparatur angenommen.
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SDG 13 Maßnahmen zum Klimaschutz
“Umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen ergreifen”
Das SDG 13, gehört zu den besonders zentralen Nachhaltigkeitszielen und zielt darauf ab den Klimawandel als globale Bedrohung, die bereits heute jedes Land auf allen Kontinenten betrifft und sich negativ auf die Volkswirtschaften und das Leben jedes Einzelnen auswirkt, zu begrenzen.
Für jedes Berufsbild ist insbesondere das folgende Unterziel von Relevanz (Destatis 2022):
SDG 13.3 “Die Aufklärung und Sensibilisierung sowie die personellen und institutionellen Kapazitäten im Bereich der Abschwächung des Klimawandels, der Klimaanpassung, der Reduzierung der Klimaauswirkungen sowie der Frühwarnung verbessern”
Die Schnittmengen mit der Standardberufsbildposition liegen vor allem in der Reduzierung der direkten und indirekten Emissionen (Belastung der Umwelt), der nachhaltigen Nutzung von Energie sowie der Reflexion des beruflichen Handelns und der kooperativen Arbeit im Betrieb und mit den Kunden und Kundinnen (vgl.: BIBB 2020):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
c) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
d) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Ursachen des Klimawandels
Der Klimawandel wird durch die Emission von Treibhausgasen verursacht. Zahlreiche Gase (Treibhausgase) sind verantwortlich für den Klimawandel. Ihnen gemeinsam ist ihre Undurchlässigkeit für die (Infrarot-)Wärmestrahlung. Dies führt bekanntlichermaßen zum Klimawandel, denn die Sonne erwärmt die Erde und die Wärme kann nicht als Infrarotstrahlung wieder ins Weltall abgestrahlt werden, da die Treibhausgase diese Strahlung nicht durchlassen, sondern absorbieren. Die verschiedenen Treibhausgase tragen in unterschiedlichem Maße zum Klimawandel bei. Die Stoffe bleiben zudem unterschiedlich lange in der Atmosphäre, weshalb sie unterschiedlich lange zum Treibhauseffekt beitragen. Das IPCC (International Panel for Climate Change) definiert deshalb ein GWP Global Warming Potential (Erwärmungswirkung für den Klimawandel) eines Stoffes in hundert Jahren im Vergleich zu Kohlendioxid CO2 wie folgt (vgl. My Climate (o. J.):
- Kohlendioxid CO2: 1 (Bezugswert)
- Methan CH4: 28
- Stickstoffdioxid N2O: 265
- Lachgas N2O: 298
- FCKW (weltweit verboten) > 12.000
Die Quellen der Emissionen verteilen sich wie folgt (UBA 2021):
- Energiesektor: Wenn man aber Wärme und Strom den Verbrauchern zurechnet, so ist der Energiesektor für rund 29 Prozent aller Emissionen verantwortlich. Betrachtet man nicht die Sektoren, sondern die Prozesse, so ist der gesamte Energiesektor zur Erzeugung von Wärme oder Strom für rund 46 Prozent aller Emissionen verantwortlich, hinzu kommt die Eigenstromerzeugung von Industrie, Deutscher Bahn usw. die den jeweiligen Sektoren zugerechnet wird..
- Verarbeitendes Gewerbe: 16 Prozent entfallen auf das verarbeitende Gewerbe mit seiner sehr großen Spanne an Tätigkeiten. Besonders relevant sind sich das metallverarbeitende Gewerbe (z. B. Gießereien), die Herstellung von Gläsern sowie Gewerbe, die hohen Kühl- und Wärmebedarf haben (Fleisch- und lebensmittelverarbeitendes Gewerbe)
- Verkehr: Dieser Sektor ist für rund 20 Prozent aller Emissionen verantwortlich.
- Industrieprozesse: Die Industrieprozesse gehören zum Verarbeitenden Gewerbe und sind für fast 8 Prozent aller Emissionen verantwortlich. Die größten Anteile entfallen auf die Produktion von Stahl und Zement sowie die chemische Industrie. Hierbei geht es meist nicht um energetische Prozesse, sondern um stoffliche (z. B. Reduktion von Eisenoxid zu Eisen), wo nicht einfach eine andere (erneuerbare) Energiequelle genutzt werden kann.
- Feuerungsanlagen tragen zu rund 17 Prozent der Emissionen bei. Dies sind z. B. Gas- und Ölheizungen.
- Landwirtschaft: Ackerbau und Viehzucht verantworten rund 8 Prozent der THG-Emissionen. Die größte Quelle ist die Methanemission der Rinder (aufgrund des Gärungsprozesses in den Mägen). Aus der Mist- und Güllelagerung entweicht gleichfalls Methan. Stickstoffdünger zersetzt sich auf den Feldern zu Lachgas (N2O), welches noch klimaaktiv ist.
- Fluor-Gase und Lösemittel: Zur Herstellung vieler Produkte werden diese Gase verwendet. Entweder werden die Gase in der Produktion freigesetzt oder sie emittieren aus den Produkten. Beispiele sind Dämmstoffe, Feuerlöscher, Lacke, Schallschutzfenster und Klimaanlagen. Hinzukommen noch Lösemittel z. B. in Klebern, Lacken und Druckfarben. Allein die Fluro-Gase sind für 1,7 Prozent der THG-Emissionen verantwortlich.Die Abfallwirtschaft verursacht nur rund 1 Prozent der Emissionen.
Energieeinsparung durch Energieeffizienz
Energie ist der Schlüssel nicht nur für ein Leben im Wohlstand, sondern auch für die Erfüllung aller Grundbedürfnisse. Die Nutzung von Energie ist aber die Hauptursache für den Klimawandel. Es kommt also darauf an, Energie so zu erzeugen, dass das Klima möglichst wenig belastet wird. Elektroniker und Elektronikerinnen können hierzu einen wesentlichen Beitrag leisten, indem sie Prozesse und Produkte so auslegen oder steuern, dass ein maximaler Wirkungsgrad der Energieerzeugung oder -nutzung erreicht wird.
Die Ladeverluste eines Elektroautos an einer Wallbox in der Garage betragen zwischen 6 und 10 Prozent (ADAC 2022). 1 Mio. Pkws verbrauchen rund 2.000 GWh (BMUV o. J., 2.000 kWh / Pkw*a), es entstehen Verluste bis zu 200 GWh. Nach dem deutschen Strommix verursacht eine Kilowattstunde in 2021 ca. 440 g CO2-Äq (UBA 2022). Durch die Ladeverluste entstehen so bis zu 88.000 t CO2-Äq.
Klimaschutz durch Innovationen
Klimaschutz kann wirkungsvoll durch zwei weitere Ansätze betrieben werden: Die aufgewendete Energie eines Energieträgers zu nahezu 100 Prozent in Nutzenergie umzuwandeln oder den Verbrauch von Energie durch intelligente Steuerung ganz zu vermeiden. Dies zeigen die folgenden Beispiele:
- In Deutschland werden auf ca. 1.300 ha Gemüse unter Glas oder begehbaren Schutzabdeckungen angebaut. Dies entspricht einer Fläche von 13 Mio. m2. Nimmt man an, dass man bei einer Solaranlage für 1 kWp Leistung rund 8 m2 benötigt, so wäre diese Fläche ausreichend für eine Leistung von ungefähr 1,6 Mio. kWp. bzw. einer Spitzenleistung von 1.600 MW. Dies entspricht der Leistung von 320 großen Offshore-Windenergieanlagen von 5 MW. Wenn man diese Gewächshäuser mit PV-Modulen bedecken könnte. Pflanzen benötigen aber Licht zum Wachsen, weshalb die üblichen Module nicht verwendet werden können. Eine Studie der North Carolina State University hat ein Projekt im Tomatenanbau in drei US-Bundesstaaten durchgeführt (RESET 2020). Organische Solarzellen sind sehr leicht, haben sehr geringe Kosten und können halbtransparent ausgeführt werden. Werden sie auf einem Glas befestigt, ersetzen sie das Glasdach, wodurch weitere Kosten eingespart werden. Es ist auch möglich, dass die organischen Solarzellen nur Lichtfrequenzen für die Stromerzeugung nutzen, die die Pflanzen nicht benötigen. Die “richtigen” Lichtfrequenzen werden dann durchgelassen. In der Schweiz wurde von der Firma Voltiris ein ähnliches Verfahren eingesetzt (golem 2022). Hier lenken semitransparente Spiegel bestimmte Wellenlängen des Lichts auf PV-Module, die senkrecht hängen, also nicht verschatten. Der Wirkungsgrad transparenter Solarmodule liegt inzwischen durchaus bei 10 bis 15 Prozent – somit könnte trotzdem eine erhebliche Leistung durch die Dacheindeckung von Gewächshäusern ohne Beeinträchtigung des Pflanzenwachstums bereitgestellt werden (solarenergie 2021).
- Haushalte nutzen besonders viel Energie, wenn sie sich im eigenen Haus oder der eigenen Wohnung aufhalten. Bei Arbeitnehmer*innen ist dies aber viele Stunden am Tag nicht der Fall, wenn sie arbeiten gehen. Trotzdem sind Geräte im Stand-by und auch die Heizung läuft weiter. Die Verbraucherzentrale NRW hat in einem Modellprojekt das Energieeinsparpotential durch smarte Technik evaluiert (VZ NRW 2020). Hierbei wurden die Beleuchtung, Rollläden, die Heizung und smarte Haushaltstechnik (Staubsauger, Kameras, smarte Lautsprecher u. a.) betrachtet. Die Studie kommt zum Ergebnis von einer Energieeinsparung bei Eigenheimen von rund 10 Prozent, bei Wohnungen auf 6 Prozent. In Deutschland gibt es rund 43 Mio. Haushalte bzw. Wohnungen, die sich zu 50 Prozent auf Eigenheime (Einfamilien und Doppelhäuser) und zu 50 Prozent Mehrfamilienhäuser verteilen (destatis 2021). In 2020 verursachten die Haushalte 207 Mio. t THG-Emissionen. Berechnet man die unterschiedlichen Einsparpotenziale (103,5 Mio. t CO2-Äq * 50 Prozent*10 Prozent bzw. 6 Prozent) so könnten bis zu 16 Mio. t CO2-Äq durch smarte Technik eingespart werden.
- Eine vollständige Einführung von smarter Technik wäre wünschenswert, aber angesichts der hohen Bedenken der Bevölkerung gegenüber smarter Technik und noch mehr gegenüber den Herstellern dieser Technik sollten zunächst für Lösungen geworben werden, die auch Vertrauen schaffen. Ein Beispiel hierzu sind smarte Thermostate. Thermostate sind in jedem Haushalt und die allermeisten Nutzer wissen um ihre Funktionalität. Im Unterschied zu Thermostaten, die mit Hand gestellt werden, regulieren sich smarte Thermostate über die Nutzungseinstellungen (Temperatur und Zeit). Sie können aber noch mehr, z. B. mit Geofencing arbeiten (Spiegel 2022; tado o. J.; viessmann o. J.). Geofencing bedeutet z.B, dass ein System erkennt, ob der Nutzer oder die Benutzerin anwesend ist oder nicht. Im Falle der Heizungssteuerung würde die Heizung herunterfahren oder die Thermostate schließen, wenn über das Smartphone das Positionssignal des Nutzers oder der Nutzerin das Verlassen des Hauses gemeldet wird. Mit intelligenten Routinen erkennt die zugehörige App auch, wenn der Nutzer oder die Nutzerin sich auf den Heimweg in die Wohnung macht – und fährt dann die Heizung wieder hoch. Die Heizkostenersparnis wird auf ca. 9 bis 15 Prozent geschätzt (co2online o. J.).
Ressourcensparsamkeit durch Langlebigkeit
Für jedes Gerät wird auch für die Herstellung Energie gebraucht. Selbst bei energie- und wassereffizienten Waschmaschinen beträgt die Umweltbelastung durch die Herstellung immer noch 20 Prozent (UBA 2016 sowie Öko-Institut 2006). Haushaltsgeräte, Maschinen und Geräte werden meist solange genutzt, bis sich Reparaturen nicht mehr lohnen. Allerdings verkürzt sich die Nutzungsdauer seit einigen Jahren. Schon 2015 zeigte sich die Tendenz (vgl. Öko-Institut 2015). Die Lebensdauer von großen Haushaltsgeräten sank um ein Jahr von 14 auf 13 Jahre. Bei einem Drittel der Geräte war dieses noch funktionstüchtig, bei zwei Dritteln war der Grund für den Neukauf ein technischer Defekt (ebd.). Gleichzeitig stieg der Anteil der Geräte, die aufgrund eines Defektes schon nach 5 Jahren ersetzt werden mussten von 3,5 auf 8,3 Prozent. Der Verdacht, dass eine geplante Obsoleszenz die Ursache ist (Einbau von minderwertigen Bauteilen zwecks Begrenzung der Lebensdauer) wurde durch eine Studie widerlegt (ingenieur.de / UBA 2016): “Eine geplante Obsoleszenz, also ein vom Hersteller in Elektrogeräten eingebauter künstlicher Verschleiß, existiert nicht. „Eine gezielte kurze Produktlebensdauer, die die Hersteller mittels eingebauter Mängel erzeugen – die sogenannte geplante Obsoleszenz – kann in der aktuellen Studie nicht nachgewiesen werden“. Der Grund für die frühe Obsoleszenz dürfte daher eher in allgemeiner gewinngetriebener Billigproduktion liegen, ohne das bestimmte Teile „extra früh” kaput gehen.
Hier sind zwei Beispiele für Einsparungen durch längere Haltbarkeit:
- Berechnet man das THG-Potential für die Herstellung und die Nutzungszeit, so zeigen sich deutliche Unterschiede. Das Öko-Institut hat diese z. B. für Waschmaschinen bilanziert (UBA 2016 sowie Öko-Institut 2006). Bei einer Nutzungsdauer von 5 Jahren fallen in 20 Jahren insgesamt (d.h. von dann insgesamt 4 gekauften Waschmaschinen 3,7 t CO2-Äq an. Beträgt die Lebensdauer 10 Jahre, so verteilt sich der Herstellungsanteil der Emissionen auf die doppelte Zeitspanne und in 20 Jahren (der Nutzungsdauer von jetzt 2 Maschinen) sinkt die THG-Emission auf ca. 3 t. Wird eine Waschmaschine über die gesamten 20 Jahre genutzt (eine Waschmaschine der Fa. Miele wird vom Autor seit über 30 Jahren störungsfrei genutzt!), so liegt die THG-Emission in den 20 Jahren bei 2,7 t.
- Die durchschnittliche Nutzungsdauer digitaler Endgeräte beträgt 5 Jahre.
Bei der Herstellung eines Laptop mit SSD-Festplatte werden 311 kg THG-Emissionen verursacht (Öko-Institut 2020) Die Verlängerung der Nutzungszeit bedeutet THG-Einsparung. Ein Beispiel:
Für die Rechner für eine Computer-Schulklasse mit 30 SSD-Laptops werden also bei der Produktion insgesamt 9.330 kg THG emittiert. Bei 5-jähriger Laufzeit beträgt das 1.866 kg /Jahr. Bei 7-jähriger Laufzeit sind das 1.333kg/Jahr, also eine Einsparung 533 kg THG/Jahr. Unabhängig von der Nutzungsdauer der Geräte kommen natürlich noch die Emissionen aus dem Energieverbrauch während der Nutzung hinzu. Diese betragen bei 13 W pro Gerät angenommenen 1.000 Nutzungsstunden pro Jahr und einem CO2-Faktor von 450 g/kWh (und weiterhin 30 Geräten) ca. 175 kg CO2-Äq (Öko-Institut, 2020).
Es ist offensichtlich, dass Elektroniker und Elektronikerinnen einen erheblichen Einfluss auf die Lebensdauer von Produkten haben können. Grundlage für eine lange Lebensdauer wäre es, die üblichen Lebensdauerkennwerte für elektronische Produkte und Bauteile möglichst gut zu nutzen. Beispiele hierfür wären (vgl. UBA 2020): MTTF Mean Time to Failure (statistische Größe der mittleren Ausfallzeit von 63 Prozent), MTTR Mean Time to Repair (Reparaturzeit bis zur Wiederherstellung), Ausfallrate (Wahrscheinlichkeit des Ausfalls in einem bestimmten Zeitintervall), AFR Annual Failure Rate (Anteil der Produkte in Prozent, die innerhalb eines Jahres ausfallen), FIT Failure in Time (Anzahl der Fehler je 1 Mrd. Betriebsstunden) oder die POH Power on Hours / Betriebsstunden (empfohlene Betriebsdauer des Gerätes).
Lebenszyklus und Kreislauffähigkeit
Das zentrale Ziel einer zirkulär organisierten Kreislaufwirtschaft ist es, möglichst viele Abfälle zu vermeiden, indem Altprodukte wieder-oder weiterverwendet, repariert oder aufgearbeitet werden. Allerdings ist auch in einer kreislauforientierten Ökonomie die Entstehung von Reststoffen und Abfall nicht in Gänze vermeidbar. Kreislauffähiges Wirtschaften zielt dabei darauf ab, bereits bei der Planung die spätere Wieder- und Weiterverwendung und danach Materialrecycling mit zu berücksichtigen. Auch nach der Nutzungsdauer der Produkte sollen also keine Abfälle anfallen, die entsorgt werden müssten. Anfallende Reststoffe sind dagegen mittels Recycling optimal zu nutzen und Abfallströme ressourceneffizient zu Sekundärrohstoffen aufzubereiten und anschließend in den Produktionskreislauf zurückzuführen. Dabei versteht man unter Recycling die Rückführung von Produktions- und Konsumabfällen in den Wirtschaftskreislauf. Voraussetzung dafür ist eine Infrastruktur, die über Prozesse und Verfahren verfügt, die in der Lage ist, verschiedenste Materialien sortenrein zu trennen und in unterschiedliche Fraktionen aufzuteilen.
Noch ist Deutschland weit entfernt von einer zirkulären Kreislaufwirtschaft, wie das Beispiel Elektro- und Elektronikschrott zeigt. Im Jahr 2020 wurden insgesamt 2,84 Mio. t Elektro- und Elektronikgeräte in Deutschland in den Verkehr gebracht (UBA 2022). Zwar ist die Menge der in Deutschland getrennt gesammelten Elektroaltgeräte im Jahr 2021 auf 1,07 Mio. t gestiegen, was gegenüber dem Vorjahr einen Anstieg um 0,3 Mio. t darstellt. Allerdings ist im selben Zeitraum auch die Menge der in den Verkehr gebrachten Elektrogeräte erheblich gestiegen.
Am Beispiel Smartphones lässt sich gut zeigen, welche Potentiale für die zirkuläre Kreislaufwirtschaft bestehen. In Deutschland werden jedes Jahr rund 20 Mio. Smartphones verkauft und die alten Geräte wären eine wahre “Goldgrube” für wertvolle und seltene Metalle (ingenieur.de 2020).
- Umicor in Belgien ist eines der weltweit führenden Recyclingunternehmen von elektrischen und elektronischen Geräten, das frühzeitig das Potential von Elektroschrott erkannt hat. Aus einer Vielzahl von Rückständen und Altprodukten (z. B. auch Katalysatoren von KFZ) werden 17 wertvolle Metalle zurückgewonnen (u. a.Gold, Silber, Palladium, Kupfer, Kobalt, Lithium und Nickel, Umicor 2020) . Ein Beispiel ist, dass aus 4 t Smartphones 1 kg Gold zurückgewonnen werden (Umicor o. J.). Um die gleiche Menge Gold zu gewinnen, müssten 200 t Erz mit all seinen Umweltfolgen aufbereitet werden. Allein in Deutschland lagern geschätzt 200 Mio. Althandys in den Schubladen (Statista 2022), dies ist eine Masse von geschätzt. Mit der Bilanzierung der DERA entspräche dies einer Masse von 20 bis 22.000 t (DERA 2020). Könnte man die Daten von Umicor übertragen – die Zusammensetzung der Smartphones ist nur aus Stichproben bekannt – würden sich 5.000 t Gold wiedergewinnen lassen und die Aufbereitung von 1 Mio. t Erz ersparen.
- Ein weiteres Projekt in Japan in 2019 zeigte gleichfalls Erfolg: Aus 5 Millionen alten Smartphones konnten 28 Kilogramm Gold, 3.500 Kilogramm Silber und 2.700 Kilogramm Bronze (Kupfer-Zinn-Legierung) zurückgewonnen werden (ingenieur.de 2020).
Klimaschutz durch digitale Suffizienz
Suffizienz bedeutet, den Konsum auf das zu beschränken, was man wirklich braucht. Angesichts eines sehr hohen Wohlstandsniveaus in den Industrieländern bedeutet dies häufig eine Vollausstattung mit allem an elektrischen und elektronischen Geräten, die für die alltäglichen Bedürfnisse notwendig sind. Zur Zeit gibt es Entwicklungen, die sowohl die “digitale Suffizienz” fördern als auch hemmen.
- Zwang zum Neukauf: Insbesondere bei IT-Geräten wäre eine Suffizienz in dem Sinne, ein Gerät möglichst lange zu nutzen, denkbar, da diese Geräte bei den den meist hochpreisigen Geräten auch eine lange Lebensdauer haben. Smartphones werden im europäischen Schnitt aber nur 40 Monate genutzt (tagesschau 2022) – obwohl sie deutlich länger nutzbar wären: Wenn nicht Updates der Betriebssoftware oder neue Ressourcen aufwändige Apps dies unattraktiv machen würden. Seit 2022 werden das iPhone 6 und 7 von Apple nicht mehr mit Updates von IOS 16 versorgt (Chip 2022). Das iPhone 7 kam 2016 auf den Markt – und könnte noch über 2023 eigentlich hinaus genutzt werden (eigenes Gerät des Autors). Allerdings verhindert ein Software-Update auch die Betriebssicherheit, die den meisten Käufern auch wichtig ist.
- Multifunktionalität: Dies bedeutet, dass ein Gerät die Funktion verschiedener Geräte übernehmen kann. Der Vorteil ist eine unmittelbare Einsparung von stofflichen Ressourcen, die je nach Energieverbrauch durch die Nutzungsphase erheblich sein kann. Wichtige Beispiele sind:
- Smartphone und Tablets: Moderne Smartphones und Tablets ermöglichen die Kommunikation in allen Formen (Telefon, Mail, SMS und ähnliche Nachrichten-Apps, soziale Medien-Apps), die Information (News-Feeds, Online-Magazine, Video-Programme), das Entertainment (Musik, Filme via Streaming), Sport (Fitness-Apps), Bankgeschäfte via Apps oder ein Gesundheitsmonitoring (meist in Verbindung mit einer Smartwatch)
- Smarte Lautsprecher: Diese können die meisten Funktionen eines Smartphones übernehmen. Allerdings ist anzunehmen, dass Smartspeaker eher ein Add-On sein werden, als eine Technik, die man sich zusätzlich zulegt, so dass keine Ressourceneinsparung zu erwarten ist.
- Multifunktionsdrucker: Hierbei werden Geräte wie Kopierer, Drucker und Scanner in einem Gerät zusammengefasst.
- Smart Fernseher: Fernseher werden durch die Internetanbindung zunehmend vielfältiger nutzbar. In der Kombination mit Soundbars können sie die klassische Stereoanlage ersetzen. Durch eine Kopplung mit einem Smartphone erleichtert sich auch die Bedienbarkeit. Durch ihre Bildschirmgröße können sie zudem auch Beamer ersetzen. Handelsübliche Fernseher größer als 60 Zoll eignen sich auch als Konferenzsysteme oder als Werbefläche.
- Mobilität ist ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens. Bisher ist Mobilität immer mit Emissionen durch Transportmittel verbunden und es stellt sich die Frage, wie zumindest die Mobilität, die prinzipiell vermeidbar wäre, auch vermieden werden kann.
Augmented- und Mixed-Reality-Brillen: Derartige Brillen können die meisten Funktionen eines Smartphones übernehmen. Darüber hinaus bieten sie aber einen deutlichen Vorteil: Sie können uns Orte sehen lassen, wie sie vor Ort aussehen, ohne dass wir uns bewegen. Gemäß dem alten Sprichwort “Ein Bild sagt mehr als 1.000 Worte” bedeutet dies, dass z. B. Besichtigungen von Wohnungen, Ferienorten oder Sehenswürdigkeiten vorab vorgenommen werden könnten – um im Falle einer positiven AR-Begutachtung zu entscheiden, ob eine Fahrt überhaupt lohnenswert ist. Eine andere – vielleicht noch wichtigere Möglichkeit – bietet sich mit der “Fernwartung”. Bei Reparaturen kommt es häufig zur Klärung von Fragestellungen hinsichtlich der Ursachen von Fehlern, der Behebung von Störungen oder zu Fragen von Ersatzteilen. Fachleute können derartige Fragen viel einfacher beantworten, wenn Sie die Fragestellung persönlich in Augenschein nehmen. Mit AR ist dies ohne eine physische Mobilität möglich.
Hierbei ist noch nicht abzusehen, wie diese sich verbreiten werden (Statista 2023). In 2021 könnte der Absatz bei ca. 11 Mio. VR- und AR-Brillen gelegen haben, in 2026 sollen es aber schon 31 Mio. VR- und AR-Brillen sein.
Quellenverzeichnis
ADAC (2022): Elektroauto und Ladeverluste: So können Sie Kosten vermeiden. Online: www.adac.de/rund-ums-fahrzeug/elektromobilitaet/laden/ladeverluste-elektroauto-studie/
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: https://www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
BMUV Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (o. J.). Online: https://www.bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Verkehr/emob_strom_ressourcen_bf.pdf
Chip (2022): Support-Aus für mehrere iPhones: So viele Apple-Smartphones flogen noch nie raus. Online: https://www.chip.de/news/iPhones-vor-Support-Aus-Noch-nie-flogen-so-viele-Apple-Smartphones-raus_183139397.html
co2online (o. J.): Digitale Thermostate im Smart Home: volle Funktionsfähigkeit nur im Netzwerk. Online: https://www.co2online.de/modernisieren-und-bauen/smart-home/smarte-heizungssteuerung/#c117731
DERA (2020): Metalle in Smartphones. Online: https://www.deutsche-rohstoffagentur.de/DE/Gemeinsames/Produkte/Downloads/Commodity_Top_News/Rohstoffwirtschaft/65_smartphones.pdf
destatis (2020): CO2-Emissionsintensität der deutschen Wirtschaft 2020. Online: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/10/PD22_437_43.html
destatis (2021): Gesellschaft und Umwelt – Wohnen. Online: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Wohnen/_inhalt.html
Destatis Statistisches Bundesamt (2022): Indikatoren der UN-Nachhaltigkeitsziele. Online: http://sdg-indikatoren.de/