Fachkraft für Lebensmitteltechnik
Einleitung
BBNE und BNE - Ziele der Projektagentur PA-BBNE
Das Ziel der „Projektagentur Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ (PA-BBNE) ist die Entwicklung von Materialien, die die um Nachhaltigkeit erweiterte neue Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ mit Leben füllen soll. Mit „Leben zu füllen“ deshalb, weil „Nachhaltigkeit“ ein Ziel ist und wir uns den Weg suchen müssen. Wir wissen beispielsweise, dass die Energieversorgung künftig klimaneutral sein muss. Mit welchen Technologien wir dies erreichen wollen und wie unsere moderne Gesellschaft und Ökonomie diese integriert, wie diese mit Naturschutz und Sichtweisen der Gesellschaft auszugestalten sind, ist noch offen.
Um sich mit diesen Fragen zu beschäftigen, entwickelt die PA-BBNE Materialien, die von unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden:
- Zum einen widmen wir uns der beruflichen Ausbildung, denn die nachhaltige Entwicklung der nächsten Jahrzehnte wird durch die jungen Generationen bestimmt werden. Die duale berufliche Ausbildung orientiert sich spezifisch für jedes Berufsbild an den Ausbildungsordnungen (betrieblicher Teil der Ausbildung) und den Rahmenlehrplänen (schulischer Teil der Ausbildung) . Hierzu haben wir dieses Impulspapier erstellt, das die Bezüge zur wissenschaftlichen Nachhaltigkeitsdiskussion praxisnah aufzeigt.
- Zum anderen orientieren wir uns an der Agenda 2030. Die Agenda 2030 wurde im Jahr 2015 von der Weltgemeinschaft beschlossen und ist ein Fahrplan in die Zukunft (Bundesregierung o. J.). Sie umfasst die sogenannten 17 Sustainable Development Goals (SDGs), die jeweils spezifische Herausforderungen der Nachhaltigkeit benennen (vgl. Destatis). Hierzu haben wir ein Hintergrundmaterial (HGM) im Sinne der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE, vgl. BMBF o. J.) erstellt, das spezifisch für unterschiedliche Berufe ist.
Die Materialien der Projektagentur
Die neue Standardberufsbildposition gibt aber nur den Rahmen vor. Selbst in novellierten Ausbildungsordnungen in Berufen mit großer Relevanz für wichtige Themen der Nachhaltigkeit wie z. B. dem Klimaschutz werden wichtige Fähigkeiten, Kenntnissen und Fertigkeiten in den berufsprofilgebenden Berufsbildpositionen nicht genannt – obwohl die Berufe deutliche Beiträge zum Klimaschutz leisten könnten. Deshalb haben wir uns das Ziel gesetzt, Ausbildenden und Lehrkräften Hinweise im Impulspapier zusammenzustellen im Sinne einer Operationalisierung der Nachhaltigkeit für die unterschiedlichen Berufsbilder. Zur Vertiefung der stichwortartigen Operationalisierung wird jedes Impulspapier ergänzt durch eine umfassende Beschreibung derjenigen Themen, die für die berufliche Bildung wichtig sind. Dieses sogenannte Hintergrundmaterial orientiert sich im Sinne von BNE an den 17 SDGs, ist faktenorientiert und wurde nach wissenschaftlichen Kriterien erstellt. Ergänzt werden das Impulspapier und das Hintergrundmaterial durch einen Satz von Folien, die sich den Zielkonflikten widmen, da „Nachhaltigkeit das Ziel ist, für das wir den Weg gemeinsam suchen müssen“. Und dieser Weg ist nicht immer gleich für alle Branchen, Betriebe und beruflichen Handlungen, da unterschiedliche Rahmenbedingungen in den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – Ökonomie, Ökologie und Soziales – gelten können. Wir haben deshalb die folgenden Materialien entwickelt:
- BBNE-Impulspapier (IP): Betrachtung der Schnittstellen von Ausbildungsordnung, Rahmenlehrplan und den Herausforderungen der Nachhaltigkeit in Anlehnung an die SDGs der Agenda 2030. Das Impulspapier ist spezifisch für einen Ausbildungsberuf erstellt, fasst aber teilweise spezifische Ausbildungsgänge zusammen (z. B. den Fachmann und die Fachfrau zusammen mit der Fachkraft sowie die verschiedenen Fachrichtungen)
- BBNE-Hintergrundmaterial (HGM): Betrachtung der SDGs unter einer wissenschaftlichen Perspektive der Nachhaltigkeit im Hinblick auf das Tätigkeitsprofil eines Ausbildungsberufes bzw. auf eine Gruppe von Ausbildungsberufen, die ein ähnliches Tätigkeitsprofil aufweisen;
- BBNE-Foliensammlung (FS) und Handreichung (HR): Folien mit wichtigen Zielkonflikten – dargestellt mit Hilfe von Grafiken, Bildern und Smart Arts für das jeweilige Berufsbild, die Anlass zur Diskussion der spezifischen Herausforderungen der Nachhaltigkeit bieten. Das Material liegt auch als Handreichung (HR) mit der Folie und Notizen vor.
Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung
Die Standardberufsbildposition “Umweltschutz und Nachhaltigkeit”
Seit August 2021 müssen auf Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) bei einer Modernisierung von Ausbildungsordnungen die vier neuen Positionen „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“, Digitalisierte Arbeitswelt“, Organisation des Ausbildungsbetriebs, Berufsbildung, Arbeits- und Tarifrecht“ sowie „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“ aufgenommen werden (BIBB 2021). Insbesondere die letzten beiden Positionen unterscheiden sich deutlich von den alten Standardberufsbildpositionen.
Diese Positionen begründet das BIBB wie folgt (BIBB o. J.a): „Unabhängig vom anerkannten Ausbildungsberuf lassen sich Ausbildungsinhalte identifizieren, die einen grundlegenden Charakter besitzen und somit für jede qualifizierte Fachkraft ein unverzichtbares Fundament kompetenten Handelns darstellen“ (ebd.).
Die Standardberufsbildpositionen sind allerdings allgemein gehalten, damit sie für alle Berufsbilder gelten (vgl. BMBF 2022). Eine konkrete Operationalisierung erfolgt üblicherweise durch Arbeitshilfen, die für alle Berufsausbildungen, die modernisiert werden, erstellt werden. Die Materialien der PA-BBNE ergänzen diese Arbeitshilfen mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit und geben entsprechende Anregungen (vgl. BIBB o. J.b). Das Impulspapier zeigt vor allem in tabellarischen Übersichten, welche Themen der Nachhaltigkeit an die Ausbildungsberufe anschlussfähig sind.
Die neue Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ ist zentral für eine BBNE, sie umfasst die folgenden Positionen (BMBF 2022).
a) “Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
c) für den Ausbildungsbetrieb geltende Regelungen des Umweltschutzes einhalten
d) Abfälle vermeiden sowie Stoffe und Materialien einer umweltschonenden Wiederverwertung oder Entsorgung zuführen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren”
Die Schnittstellen zwischen der neuen Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit” werden in
fortlaufend aufgezeigt. Mit Ausnahme der Position c) werden in der Tabelle alle Positionen behandelt. Die Position c) wird nicht behandelt, da diese vor allem ordnungsrechtliche Maßnahmen betrifft, die zwingend zu beachten sind. Maßnahmen zur Nachhaltigkeit hingegen sind meist freiwillige Maßnahmen und können, müssen aber nicht durch das Ordnungsrecht geregelt bzw. umgesetzt werden. In der Tabelle werden die folgenden Bezüge hergestellt:
- Spalte A: Positionen der Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit”;
- Spalte B: Vorschläge für Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten, die im Sinne der nachhaltigen Entwicklung wichtig sind;
- Spalte C: Bezüge zur Nachhaltigkeit;
- Spalte D: Mögliche Aufgabenstellungen für die Ausbildung im Sinne der Position 3e) „Vorschläge für nachhaltiges Handeln entwickeln“;
- Spalte E: Zuordnung zu einem oder mehreren SDGs (Verweis auf das Hintergrundmaterial).
Die Berufsbildpositionen der Ausbildungsordnung und die Lernfelder
Nachhaltigkeit sollte integrativ vermittelt werden, sie sollte auch in den berufsprofilgebenden Berufsbildpositionen verankert werden (BIBB o. J.):
“Die berufsübergreifenden Inhalte sind von den Ausbilderinnen und Ausbildern während der gesamten Ausbildung integrativ, das heißt im Zusammenspiel mit den berufsspezifischen Fertigkeiten, Kenntnissen und Fähigkeiten, zu vermitteln.”
Aus diesem Grund haben wir die jeweiligen Berufsbildpositionen sowie die Lernfelder des gültigen Rahmenlehrplanes gleichfalls betrachtet in
Tabelle 2: Berufsbildpositionen und Lernfelder mit Bezug zur Nachhaltigkeit
Die Betrachtung ist beispielhaft, es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Folgende tabellarische Darstellung wurde gewählt:
Spalte A: Berufsbildposition und Lernfeld(er)
Spalte B: Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten gemäß Ausbildungsordnung (AO) sowie Lernfelder des Rahmenlehrplans (RLP, kursive Zitierung). Explizite Formulierungen des RLP zu Themen der Nachhaltigkeit werden als Zitat wiedergegeben;
Spalte C: Beispielhafte Bezüge zur Nachhaltigkeit;
Spalte D: Referenz auf die jeweilige Position der Standardberufsbildposition (siehe Tabelle 1, Spalte A).
Modulare Rahmenaufgaben
Zur Verbesserung der Anschaulichkeit der integrativen Förderung nachhaltigkeitsorientierter Kompetenzen wird in diesem Impulspapier eine exemplarische Aufgabenstellung für die betriebliche oder berufsschulische Unterrichtung vorgeschlagen:
- Zunächst wird die Herkunft ausgewählter Früchte von Konditoreiprodukten bestimmt und unter Nachhaltigkeitsaspekten beurteilt.
- Vertiefend erfolgt eine Auseinandersetzung mit Pro- und Kontra-Argumenten im Rahmen eines Rollenspiels, um die Kundenberatung bei Produktfragen nachhaltigkeitsorientiert ausrichten zu können und geeignete Verkaufsstrategien zu entwickeln.
Zielkonflikte und Widersprüche
Zielkonflikte und Widersprüche sind bei der Suche nach dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit immanent und für einen Interessenausgleich hilfreich. In dem Kapitel 7. werden beispielhafte Zielkonflikte aufgezeigt. Ergänzend werden in dem hierzu gehörigen Dokument auch einige Folien (pptx bzw. pdf) erstellt, die für Lernprozesse verwendet werden können. Ein Beispiel für einen berufsbildbezogenen Zielkonflikt ist der folgende:
- “Niedrige Retouren (wenige Überschüsse von Brot und Backwaren) vs. volle Regale bis Ladenschluss”:
- Betriebe, die Lebensmittelabfälle bzw. Retouren vermeiden wollen, bieten den Kunden kurz vor Betriebsschluss unter Umständen nicht mehr dasselbe umfangreiche Angebot wie Betriebe, die den Kunden bis zum Ladenschluss das komplette Sortiment anbieten, um die Kunden nicht zu verlieren.
- Es ergibt sich somit der Konflikt zwischen der Notwendigkeit, Abfall zu vermeiden und dem Wunsch, die Kunden*innen durch ein jederzeit umfangreiches Angebot zufriedenzustellen.
Hinweis für handwerkliche, kaufmännische und Industrieberufe
Die in den folgenden Tabellen 1 und 2 im didaktischen Impulspapier (IP), im Hintergrundmaterial (HGM) sowie in den Foliensätzen zu den Zielkonflikten (FS) vorgeschlagenen Hinweise zu Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten bzw. Lernfelder, Aufgabenstellungen und Zielkonflikte bilden den in 2022 aktuellen Stand der Entwicklungen in Hinsicht auf technische Verfahren, Dienstleistungen und Produkte in Bezug auf Herausforderungen der Nachhaltigkeit bzw. deren integrative Vermittlung in den verschiedenen Berufen dar. Sie enthalten Anregungen und Hinweise ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Mit Lesen dieses Textes sind Sie als Ausbilder:innen und Berufsschullehrkräfte eingeladen, eigene Anregungen in Bezug auf die dann jeweils aktuellen Entwicklungen in ihren Unterricht einzubringen. Als Anregungen dient diesbezüglich z. B. folgende hier allgemein formulierte Aufgabenstellung (analog zu IP, Tabelle 1), die Sie in Ihren Unterricht aufnehmen können:
Recherchieren Sie (ggf. jeweils alternativ:) Methoden, Verfahren, Materialien, Konstruktionen, Produkte oder Dienstleistungen, die den aktuellen Stand der (technischen) Entwicklung darstellen und die in Hinblick auf die Aspekte der Nachhaltigkeit (ökologisch, sozial-kulturell und/oder ökonomisch) bessere Wirkungen und/oder weniger negative Wirkungen erzielen als die Ihnen bekannten, eingeführten und „bewährten“ Ansätze.
Beschreiben Sie mögliche positive Wirkungen dieser neuen Methoden, Verfahren, Materialien, Konstruktionen, Produkte und/oder Dienstleistungen auf die Nachhaltigkeit in Ihrem Betrieb.
Glossar
Folgende Abkürzungen werden in diesem Dokument verwendet:
Abkürzung | Bezeichnung |
AO | Ausbildungsordnung |
BNE | Bildung für Nachhaltige Entwicklung |
BBNE | Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung |
FS | Foliensammlung mit Beispielen für Zielkonflikte |
HGM | Hintergrundmaterial (wissenschaftliches Begleitmaterial) |
IP | Impulspapier (didaktisches Begleitmaterial) |
RLP | Rahmenlehrplan |
SDG | Sustainable Development Goals |
THG | Treibhausgase bzw. CO2-Äquivalente (CO2-Äq) |
Literatur
BGBl (2022): Verordnung über die Berufsausbildung zum Bäcker/zur Bäckerin vom 21. April 2004 (BGBl. I S. 632), die durch Artikel 1 der Verordnung vom 8. Februar 2016 (BGBl. I S. 179) geändert worden ist. https://www.gesetze-im-internet.de/b_ausbv_2004/BJNR063200004.html
BIBB Bundesinstitut für berufliche Bildung (2021): Vier sind die Zukunft. Online: www.bibb.de/de/pressemitteilung_139814.php
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (o. J.a): FAQ zu den modernisierten Standardberufsbildpositionen. Online: https://www.bibb.de/de/137874.php
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (o. J.b): Ausbildung gestalten. Online: https://www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/series/list/2
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
BIBB Bundesinstitut für berufliche Bildung (o. J.c): Nachhaltigkeit in der Ausbildung. Online: www.bibb.de/de/142299.php
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (o. J.): Was ist BNE. Online: https://www.bne-portal.de/bne/de/einstieg/was-ist-bne/was-ist-bne.html
Bundesregierung (o. J.): Globale Nachhaltigkeitsstrategie – Nachhaltigkeitsziele verständlich erklärt. Online: www.bundesregierung.de/breg-de/themen/nachhaltigkeitspolitik/nachhaltigkeitsziele-verstaendlich-erklaert-232174
Destatis Statistisches Bundesamt (2022): Indikatoren der UN-Nachhaltigkeitsziele. Online: http://sdg-indikatoren.de/
KMK Kultusministerkonferenz (2004): RAHMENLEHRPLAN für den Ausbildungsberuf Bäcker/Bäckerin.
Ritter, G., Friedrich, S., Heitkönig, L. (2015a): Reduktion von Lebensmittelabfällen bei Brot und Backwaren. Ein Konzept für Handwerk, Handel und Verbraucher. https://www.fh-muenster.de/isun/downloads/Reduktion_von_Lebensmittelabfaellen_bei_Brot_und_Backwaren.pdf
Ritter, G., Heitkönig, L., Friedrich, S. (2015b): Endbericht zur Studie „Reduktion von Lebensmittelabfällen bei Brot und Backwaren – Entwicklung eines Konzepts für Handel, Handwerk und Verbraucher“. https://www.fh-muenster.de/isun/downloads/Reduktion_von_Lebensmittelabfaellen_bei_Brot_und_Backwaren.pdf
WWF Deutschland (2018): Unser täglich Brot. Von überschüssigen Brotkanten und wachsenden Brotbergen. https://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/Publikationen-PDF/WWF-Studie-Unser-taeglich-Brot_Von-ueberschuessigen-Brotkanten-und-wachsenden-Brotbergen_102018.pdf
Tabelle 1 - Die Standardberufsbildposition "Umweltschutz und Nachhaltigkeit"
Standardberufs-bildposition | Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten | Bezüge zur Nachhaltigkeit | Mögliche Aufgabenstellungen im Rahmen von 3e “Vorschläge für nachhaltiges Handeln entwickeln” | SDG |
3a – Gesellschaft – Gesundheit |
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| SDG 2 |
3a – Gesellschaft – Wertschöpfung |
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| SDG 12 |
3a – Umwelt – Klimawandel |
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| SDG 13 |
3a – Umwelt Wasser- fußabdruck |
| Wasserbedarf für die Herstellung von Lebensmitteln |
| SDG 6 |
3b – Energie – Allgemein |
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| SDG 7 SDG 13 |
3b – Energie – Geräte |
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| SDG 7 SDG 13 |
3b – Energie – Mobilität |
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| SDG 13 |
3b – Materialien – Wasser |
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| SDG 6 SDG 12 |
3b – Materialien – Rohstoffe |
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| SDG 12 |
3d – Abfälle vermeiden |
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| SDG 2 SDG 12 |
3d – Abfälle vermeiden (2) |
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| SDG 2 SDG 12 |
3f – Nachhaltigkeit kommunizieren |
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| SDG 4 |
Tabelle 2 - Berufsbildpositionen und Lernfelder mit Bezug zur Nachhaltigkeit
Berufsbild- position / Lernfeld | Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten gemäß Ausbildungsordnung (kursiv: Lernfelder des RLP) | Beispielhafte Bezüge zur Nachhaltigkeit | Standard- berufsbildposition |
A5 – betriebliche und technische Kommunikation Lernfeld 1 und 3 | c) Informationen beschaffen, bewerten und austauschen Lernfeld 1: Sie bewerten die Inhaltsstoffe ernährungsphysiologisch, berechnen Nährwerte und stellen Regeln für eine gesunde Ernährung auf. Lernfeld 3: … sind mit technologischen Grundverfahren zur Vorbehandlung von Lebensmitteln vertraut und beurteilen die damit verbundenen Stoffveränderungen |
| 3f – Nachhaltigkeit kommunizieren |
A5 – betriebliche und technische Kommunikation Lernfeld 1 | d) betriebliche Informationssysteme nutzen Lernfeld 2: Für die moderne Verwaltung und Kontrolle von Lagerbeständen erwerben sie Kenntnisse und Fertigkeiten und wenden sie an |
| 3a – Energie 3a – Umwelt – Gesellschaft |
A 6 – Qualitätsmanagement Lernfeld 1 | e) Roh-, Zusatz-, Hilfsstoffe, Halbfabrikate und Fertigprodukte auf Menge, Gewicht und Beschaffenheit prüfen Lernfeld 1: Sie bewerten die Inhaltsstoffe ernährungsphysiologisch, berechnen Nährwerte und stellen Regeln für eine gesunde Ernährung auf, …. dabei unterscheiden sie zwischen innerbetrieblichen und lebensmittelrechtlichen Vorgaben |
| 3a – Gesellschaft 3b Materialien – Rohstoffe 3f – Nachhaltigkeit kommunizieren |
A 6 – Qualitätsmanagement Lernfeld 7, 8 10, 11, 12 | g) Arbeitsergebnisse kontrollieren und bewerten Lernfeld 8: Sie unterscheiden physikalische, chemische und biochemische Konservierungsverfahren und bewerten die Auswirkungen … Lernfeld 7: Sie vergleichen Verpackungsprozesse, beschreiben Verpackungskontrollen, führen Verschlusskontrollen durch und dokumentieren die Ergebnisse. Lernfeld 10-12: Sie sind sich der Bedeutung eines verantwortungsvollen Umgangs mit Rohstoffen und Produktionsabfällen zur Schonung von Rohstoffquellen und Ressourcen der Umwelt bewusst. |
| 3a – Gesellschaft 3b – Materialien- Rohstoffe 3d – Abfälle |
A 7 – Auftragsannahme, Arbeitsplanung und -organisation Lernfeld 4 und 6 | c) Materialbedarf ermitteln, bestellen und annehmen Lernfeld 4: Sie beachten … ökologische und ökonomische Gesichtspunkte. Lernfeld 6: Sie wenden analytische und sensorische Methoden zur Untersuchung von Lebensmitteln an |
| 3a – Gesellschaft 3a – Umwelt 3b – Materialien – Rohstoffe |
A 8 – Bereitstellen und Vorbereiten von Roh-, Zusatz-, Hilfsstoffen und Halbfabrikaten Lernfeld 4 | a) Roh-, Zusatz-, Hilfsstoffe und Halbfabrikate unter wirtschaftlichen und fertigungstechnischen Gesichtspunkten bereitstellen Lernfeld 4: Dabei beachten sie ökologische und ökonomische Gesichtspunkte |
| 3b – Materialien – Wasser und Rohstoffe 3d – Abfälle |
A 8 – Bereitstellen und Vorbereiten von Roh-, Zusatz-, Hilfsstoffen und Halbfabrikaten Lernfeld 10, 11 & 12 | b) Roh-, Zusatz-, Hilfsstoffe und Halbfabrikate nach Rezepturen für die Fertigung vorbereiten Lernfeld 10,11 & 12: Sie erwerben Kenntnisse über kohlenhydrat- und fettreiche, eiweißreiche sowie vitamin- und mineralstoffreiche Lebensmittel als Rohstoffe, Halbfertig- und Fertigprodukte und über geeignete Verfahrenstechniken. Sie können unterschiedliche Produktionsverfahren beurteilen und die Möglichkeiten des Einsatzes begründen. Dabei sind sie sich der Bedeutung eines verantwortungsvollen Umgangs mit Rohstoffen und Produktionsabfällen zur Schonung von Rohstoffquellen und Ressourcen der Umwelt bewusst. |
| 3a Umwelt – Gesellschaft 3b – Materialien – Rohstoffe |
A 9 – Steuern von Produktionsprozessen Lernfeld 4 | a/b) Produktionsmaschinen und -anlagen rüsten und umrüsten, in Betrieb nehmen und bedienen Lernfeld 4: Dabei beachten sie ökologische und ökonomische Gesichtspunkte. |
| 3a – Energie 3b – Materialien – Wasser und Rohstoffe 3d – Abfälle |
10 – Bereitstellen und Einsetzen von Verpackungsmaterialien sowie Verpacken von Produkten Lernfeld 1 und 8 | a) Verpackungsmaterialien und Fertigprodukte nach wirtschaftlichen und fertigungstechnischen Gesichtspunkten bereitstellen Lernfeld 1: Sie sind mit lebensmittelrechtlichen Bestimmungen des Qualitätsmanagements vertraut und erkennen dies als grundlegende Voraussetzung für das Herstellen und Inverkehrbringen einwandfreier Produkte an. Lernfeld 8: Sie sind sich der Bedeutung der Konservierung im Hinblick auf sich ändernde Verbrauchererwartungen bewusst |
| 3b – Materialien – Rohstoffe 3d – Abfälle |
10 – Bereitstellen und Einsetzen von Verpackungsmaterialien sowie Verpacken von Produkten Lernfeld 12 | e) Verpackungsprozesse steuern und überwachen Lernfeld 12: Sie wenden ihr Wissen über Methoden zur Steuerung und Regelung, über das Verpacken und Konservieren sowie über das Qualitätsmanagement an. |
| 3a – Energie 3b – Material 3d – Abfälle |
11 – Lagern von Materialien und Produkten Lernfeld 2 | a) Roh-, Zusatz-, Hilfsstoffe, Halbfabrikate und Fertigprodukte qualitätserhaltend nach logistischen Gesichtspunkten lagern Lernfeld 2: Ihnen ist der Zusammenhang zwischen Hygiene, unsachgemäßer Lagerung und Warenverderb bekannt … kennen den Aufbau und die Funktion der Lager- und Fördertechnik … |
| 3b Materialien – Wasser und Rohstoffe 3d – Abfälle |
12 – Reinigen, Pflegen und Warten von Geräten, Maschinen und Anlagen Lernfeld 5 | b) Maschinen und Anlagen begleitend warten Lernfeld 5: Sie erkennen die Bedeutung der vorbeugenden Wartung, können den Einsatz verschiedener Werkstoffe begründen. |
| 3a – Energie |
Unterrichts- und Ausbildungsmodule
Die hier vorgeschlagenen Unterrichts- und Ausbildungsmodule bilden die Rahmenaufgabe: Abfallvermeidung in der Lebensmittelindustrie. Diese sind entstanden im Modellversuch NaReLe. Die insgesamt 3 Module lassen sich aber auch einzeln bearbeiten. Alle Module lassen sich problemlos auch in anderen Bereichen der Lebensmittelindustrie umsetzen.
Rahmenaufgabe Abfallvermeidung in der Lebensmittelindustrie
Die folgenden Aufgaben beziehen sich auf konkrete berufliche Handlungssituationen der Fachkräfte für Lebensmitteltechnik und sind angelehnt an die Berufsbildpositionen 3 “Umweltschutz”, 6 “Qualitätsmanagement”, 10 “Bereitstellen und Einsetzen von Verpackungsmaterialien sowie Verpacken von Produkten” des Ausbildungsrahmenplans sowie die Lernfelder 4 “Lebensmittel verpacken” und 7 “Verpackungsprozesse steuern und kontrollieren” sowie 10 “Kohlenhydrat- und fettreiche Lebensmittel herstellen”, 11 “Eiweißreiche Lebensmittel herstellen” und 12 “Vitamin- und mineralstoffreiche Lebensmittel herstellen” des Rahmenlehrplans.
Kreislaufwirtschaft in der Lebensmittelindustrie
Die Entnahme und der Verbrauch von Rohstoffen sind immer mit einer Beeinträchtigung der Umwelt verbunden. Infolge unserer schnell wachsenden Weltbevölkerung nehmen diese Beeinträchtigungen massiv zu. Energieeinsparung, Reduktion von Treibhausgasemissionen und die maximale Wertschöpfung von Rohstoffen und Abfällen sollten daher ganz oben auf der Agenda von Politik und Wirtschaft stehen. Deshalb wurden im Jahr 2012 beispielsweise mit der Verabschiedung des neuen Kreislaufwirtschaftsgesetzes verbindliche Rahmenbedingungen gesetzt. Neben der Bundesregierung fordert auch die EU-Kommission seit 2015 den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft mit dem Aktionsplan „Den Kreislauf schließen“ ein. Dieser enthält 54 Maßnahmen (EU-Kommission 2015).
Um diesen politischen Forderungen nachgehen zu können, bestehen für Unternehmen in der Lebensmittelindustrie unterschiedliche Möglichkeiten. Um eine ganzheitliche Kreislaufwirtschaft im Unternehmen zu implementieren, bietet sich beispielsweise das „Cradle-to-Cradle“-Designprinzip an. Hierbei wird jede Form von Abfall gleichzeitig ein Nährstoff für die Entwicklung von etwas Neuem und automatisch Teil eines technischen oder eines biologischen Kreislaufs. Das Ergebnis sind ständig zirkulierende Nährstoffe in Produktionsprozessen, die dafür sorgen, dass kein Müll entsteht. Somit werden alle Ressourcen effizient genutzt und Rohstoffe sorgsam und schonend eingesetzt (Braungart & McDonough 2013).
Nennen Sie Beispiele, die Ihnen aus Ihrem Alltag zur Kreislaufwirtschaft einfallen.
Recherchieren Sie in Ihrem Ausbildungsbetrieb, ob das Verfahren der Kreislaufwirtschaft genutzt wird. Wenn ja, dann stellen Sie kurz den Prozess dar.
Ausschussquote in der Lebensmittelproduktion
Im Rahmen der Lebensmittelproduktion entstehen zwangsläufig Erzeugnisse, die für den vorgesehenen Zweck nicht mehr brauchbar sind – sogenannter Ausschuss. Dieser kann meist nicht verkauft werden, da er der idealen Produktqualität nicht entspricht. Häufig wird dieser Ausschuss dann minderwertigen Prozessen zugeführt oder geht in die Lebensmittelentsorgung. Es gibt diverse Ursachen für das Entstehen von Ausschuss, wie z. B.
1) fehlerhafte Lieferung durch Material- und Teile-Lieferanten;
2) Fehlleistungen in der Fertigung, etwa durch fehlerhafte Bearbeitung oder Montage, durch Konstruktions- und Zeichnungsfehler, Transportschäden oder Fehlleistungen der Arbeitsvorbereitung; sowie
3) die fehlerhafte Lagerung des Endproduktes.
Damit der Ausschuss verringert werden kann, muss der Betrieb zunächst analysieren, wo und wie viel Ausschuss im Produktionsprozess anfällt. Dazu kann die Ausschussquote ermittelt werden. Diese gibt an, wie groß der Anteil des Ausschusses an der gesamten Produktion eines Produktes ist. Ihre Aufgaben sind hierzu folgende:
Beschaffen Sie sich Informationen darüber, bei welchem Produkt in Ihrem Ausbildungsbetrieb besonders viel Ausschuss entsteht. Berechnen Sie anschließend die Ausschussquote für dieses Produkt. Die Ausschussquote können Sie folgendermaßen berechnen:
Ausschussquote =( Ausschuss/gesamte Produktion)*100%
Bestimmen Sie die Problembereiche der Ausschussware des ausgewählten Produktes.
- An welchen Stellen der Produktionskette tritt der höchste Ausschuss auf?
- Welche Lebensmittel werden dort jeweils am meisten verschwendet
Ermitteln Sie mögliche Ursachen (z.B. fehlerhafte Lieferung, Fertigung oder Lagerung) für den hohen Ausschuss an diesen Stellen.
Funktionen von Verpackungsmaterialien
Gerade in der Lebensmittelindustrie spielen Verpackungen eine zentrale Rolle, denn die meisten Lebensmittel werden nicht lose im Verkaufsregal angeboten, sondern sind auf unterschiedliche Arten und Weisen verpackt. Dabei sind Verpackungen nur zum Teil notwendig. Denn sie verfügen neben Primär- (Schutzfunktion, Lagerfunktion, Lade- und Transportfunktion) auch über Sekundär- (Verkaufsfunktion, Werbefunktion, Dienstleistungsfunktion, Garantiefunktion) sowie über Tertiärfunktionen (Zusatzfunktion).
Bevor Sie sich mit den konkreten Funktionen von Verpackungsmaterialien tiefgreifender auseinandersetzen, bietet es sich an folgende Fragen zu diskutieren:
1) Was muss eine Verpackung von Lebensmitteln können?
2) Welche nachhaltigen Verpackungslösungen kennen Sie?
Verpackungen haben verschiedene Funktionen:
1) Im Bereich der Primärfunktionen sorgt die Schutzfunktion durch ihre Festigkeit, Dichtheit und Beständigkeit für die wechselseitige Abschirmung der Ware gegenüber der Außenwelt und dient somit deren Werterhaltung. Ferner schützt eine ordnungsgemäße Verpackung und – sofern erforderlich – auch eine oder mehrere Umverpackungen während der Lagerung und des Transports vor Zerstörung, Diebstahl, meteorologischen, dynamischen und statischen Einflüssen (Temperatur, Sonneneinstrahlung, Nässe, Druck u.a.). Andersherum kann die Verpackung auch explizit die Umwelt vor dem Verpackungsinhalt schützen, wie zum Beispiel beim Transport von gefährlichen Gütern. Die Lagerfunktion stellt sicher, dass bei Umverpackungsprozessen das Verpackungs- und Füllmaterial ohne Einschränkungen gelagert werden kann. Und die Lade- und Transportfunktion erleichtert das feste Greifen und sachgemäße Übereinanderstapeln, die raumsparende Lagerung sowie den effektiven Umschlag und Transport der jeweiligen Waren (GDV 2022).
2) Im Bereich der Sekundärfunktionen sollen die Verkaufsfunktion (z. B. durch aufgedruckte Bilder, Form- und Farbwahl) und die Werbefunktion den Endverbraucher hingegen zum Kauf der Waren durch entsprechende Informationen und Werbebotschaften anregen. Durch die Dienstleistungsfunktion erhält der Verbraucher über die Verpackung außerdem zusätzliche Informationen über Nutzung, Anleitung (z. B. Back- oder Kochvorgänge), Inhaltsstoffe (z. B. Nährwertangaben) und Verwendung der Ware sowie über die Verpackung nach Verbrauch (z. B. Weiterverwendung als Vorratsbehältnis). Mit der Garantiefunktion garantiert der Hersteller bei einwandfreier Verpackung die Übereinstimmung von Verpackungsinhalt mit den aufgedruckten Informationen. Diese Informationen sind gesetzlich reguliert und unterliegen den Bestimmungen zum Verbraucherschutz und der Produkthaftung (Haltbarkeit, Menge, Gewicht, Zusammensetzung etc.).
3) Im Bereich der Tertiärfunktionen ist der Hinweis zum Recycling von Papier und Pappe zu Altpapier ein Beispiel für Zusatzfunktionen von Verpackungen (ebd.).
Um einen Überblick über die Funktionen der Verpackungsmaterialien zu bekommen, die in Ihrem Ausbildungsbetrieb genutzt werden, wählen Sie zunächst ein Produkt mit umfangreicher Verpackung aus, welches Ihr Betrieb herstellt.
Zählen Sie die verschiedenen Verpackungsbestandteile des Produkts nach Material getrennt auf.
Erklären Sie die Funktionen der jeweiligen Verpackungsbestandteile.
Im folgenden werden typische Beispiele beschrieben:
Eintopf in Mikro- wellenbecher | Eintopf in einer Dose | Milch in Glasflasche | Milch in Verbund- karton (1 l) | |
Material | Kunststoff | Weißblech (mit Zinn beschichteter Walzstahl) | Glas und Weißblechdeckel (mit Kunststoff ausgekleidet) | Verbundkarton (Kartonpapier und Kunststofffolien) |
Gewicht(e) | 10 g | 50 g | ca. 400-600 g | 20g |
Primär- funktionen | Einfachheit der Zubereitung | Beständigkeit | Dichtheit | Dichtheit |
Sekundär- funktionen | Verkaufs- informationen | Lagerfähigkeit Verkaufs- | Tradition Verkaufs- | Verkaufs- informationen |
Tertiär- funktionen | Informationen | Robustheit, hochwertiges Recycling | Wiederverend- barkreit | stapelbar, klimaeffiziente Verpackung |
(Wieder-)Verwertung von Verpackungsmaterialien
Neben den nützlichen Funktionen von Verpackungen, besteht allerdings das immense Problem des Verpackungsmülls. Dieser stieg in den letzten Jahren in Deutschland kontinuierlich an. Im Jahr 2019 fielen in Deutschland ca. 19 Millionen Tonnen Verpackungsabfälle an. Pro Kopf sind es im Durchschnitt ca. 230 Kilogramm (UBA 2022). Aufgrund der Corona-Pandemie stiegen die Verpackungsabfälle in den Folgejahren weiter an (Statistisches Bundesamt 2022).
Diese hohe Menge an Verpackungsabfall hat hauptsächlich zwei Gründe:
1) Ein Großteil der heute verwendeten Kunststoffverpackungen ist weder ökologisch abbaubar noch recyclingfähig, weil sie in sogenannten Verbundstoffen – also einem Mix aus diversen Kunststoffarten – und nicht in Reinform vorkommen, wodurch sie nicht eindeutig einem Stoffkreislauf zugeordnet werden können. Neben den Problemen im Hinblick auf Abbaubarkeit und Recycling stellen Kunststoffverpackungen auch eine potenzielle Gefahr für die menschliche Gesundheit dar, insbesondere wenn sie sogenannte Weichmacher wie Bisphenol A (BPA) und Phthalate enthalten. Diese haben eine hormonähnliche Wirkung und können damit zu Krankheiten und Entwicklungsstörungen führen, wenn kleine Kunststoffpartikel – so genanntes Mikroplastik – von der Verpackung in das verpackte Lebensmittel (z. B. bei Käse in Plastikverpackungen) und damit über den Konsum des Lebensmittels in den menschlichen Organismus gelangt.
2) Es gibt zwar neben den herkömmlichen Kunststoffverpackungen auch Verpackungen, die biologisch abbaubare und kompostierbare Sorten enthalten. Diese werden jedoch meist aufgrund fehlender Aufklärungen der Verbraucher*innen, fehlender Spezialkompostieranlagen sowie aufgrund von fehlenden logistischen Strukturen zur sortenreinen Trennung verbrannt und nicht – wie ursprünglich angedacht – dem Wertstoffkreislauf zugeführt. Deshalb tragen diese alternativen Plastiksorten derzeit nicht wesentlich zu einer Verbesserung des ökologischen Fußabdrucks von Verpackungen bei.
Ein erster großer Fortschritt wäre beispielsweise die Verwendung sortenreiner Kunststoffverpackungen, um Recyclingprozesse zu erleichtern. So bietet es sich im Betrieb und entlang der Wertschöpfungskette an, die unterschiedlich verwendeten (Um-)Verpackungsarten auf ihre Zusammensetzung und Notwendigkeit zu prüfen. Dies könnte sich nicht nur positiv auf die Umwelt-, sondern auch auf die Kostenbilanz auswirken. Denn besonders auf Umverpackungen kann häufig gänzlich verzichtet werden. Hierzu ist es notwendig, dass die bestehenden Verpackungsmaterialien, die im Betrieb eingesetzt werden, auf ihre Rohstoffe untersucht werden.
Ermitteln Sie, welche Rohstoffe den in Ihrem Betrieb verwendeten Verpackungsmaterialien zugrunde liegen.
Hierzu ein Beispiel: Ein handelsüblicher Joghurtbecher besteht aus einem Aluminiumdeckel, einem Kunststoffbecher und einer Papp-Ummantelung. Der Rohstoff des Aluminiumdeckels ist Aluminium, der des Kunststoffbechers ist Erdöl und der Rohstoff von Pappe ist Holz.
Bestimmen Sie nun, welche Verpackungsmaterialien recyclingfähig, biologisch abbaubar oder wiederverwendbar sind und welche nicht.
Recherchieren Sie anschließend, welche nachhaltigen Alternativen höhere Recyclingquoten erreicht und wie Verpackungsmaterialien biologisch abgebaut oder wiederverwertet werden können.
Diskutieren Sie anschließend darüber, welche Lösung für Ihren Betrieb realisierbar ist.
Zielkonflikte und Wiedersprüche
Beim Ansteuern von Nachhaltigkeit sind Zielkonflikte bzw. Widersprüche nichts Ungewöhnliches. Dies gilt auch für die Lebensmittelindustrie, die in einem sehr großen Markt mit hoher Konkurrenz ihre Kundschaft suchen und bedienen muss. Bedingt durch die Marktverhältnisse – die durch Corona in 2021/2022 noch schwieriger geworden sind – ist die Lebensmittelindustrie, wie andere Wirtschaftsbereiche auch, auf Effizienz ausgerichtet. Klassisch ist der Zielkonflikt zwischen Ökonomie und Ökologie. Ökologische und umweltschonende Produktionsverfahren sind teurer als “herkömmliche”, da diese alle technischen, biologischen und chemischen Verfahren zur Effizienzsteigerung nutzen. Höhere Kosten bedingen höhere Endverkaufspreise, die kostenbewusste Verbraucher*innen abschrecken. Der Umsatz kann sinken und der Betrieb wird gefährdet. Unternehmen versuchen dies durch mehr “Effizienz” zu kompensieren, aber diese “Effizienz” führt nicht unbedingt zu mehr „Nachhaltigkeit“, wie im Folgenden erläutert wird.
Die Effizienzfalle und Wiedersprüche
Effizienz beschreibt unter anderem Wirtschaftlichkeit. Wenn so wenig wie möglich von einer notwendigen Ressource verwendet wird, so gilt dies als effizient. So könnte man meinen, dass Effizienzsteigerungen im Unternehmensalltag folglich auch zu einem nachhaltigen Wirtschaften führen. Weniger Abfall oder Energieaufwand bedeutet gleichzeitig weniger Umweltbelastung und längere Verfügbarkeit von endlichen Ressourcen – oder? Nicht unbedingt!
Das Missverständnis hinter dieser Annahme soll anhand eines Beispiels aufgedeckt werden. Seit 1990 hat sich der deutsche Luftverkehr mehr als verdreifacht. Mit Hilfe technischer Innovationen, besserer Raumnutzung und weiterer Maßnahmen konnte der durchschnittliche Kerosinverbrauch pro Person seitdem um 42 Prozent gesenkt werden – eine gute Entwicklung auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick ist jedoch auch zu erkennen, dass das Verkehrsaufkommen im gleichen Zeitraum stark zugenommen hat. Daraus folgt, dass trotz starker Effizienzsteigerungen absolut betrachtet immer mehr Kerosin verbraucht wird – nämlich 85 Prozent mehr seit 1990.
Wissenschaftler sprechen daher auch von einer „Effizienzfalle“. Denn obwohl sich mit Effizienzsteigerung eine relative Umweltentlastung erzeugen lässt, bleibt die Herausforderung des absoluten Produktionswachstums weiterhin bestehen. So ist das effiziente Handeln aus der ökonomischen Perspektive zwar zielführend, aus der ökologischen Perspektive jedoch fraglich. Es lässt sich schlussfolgern, dass Effizienzstreben und Nachhaltigkeitsorientierung zwei eigenständige Rationalitäten darstellen, die von Unternehmen beide gleichermaßen beachtet werden sollten, um zukunftsfähig zu wirtschaften. Eine langfristig erfolgreiche Unternehmensführung würde demnach aus den zur Verfügung stehenden Ressourcen unter Erhalt der Ressourcenbasis möglichst viele ökonomische Werte erschaffen, um somit intergenerational und intragenerational gerecht zu wirtschaften. Somit sollte sich ein zukunftsorientiertes berufliches Handeln sowohl den Herausforderungen der eher kurzfristigen Effizienzrationalität als auch der langfristigen Nachhaltigkeitsrationalität stellen und beide Perspektiven verknüpfen.
Im Rahmen des beruflichen Handelns entstehen jedoch Widersprüche zwischen der Effizienzrationalität („Funktionalität“, „ökonomische Effizienz“ und „Gesetzeskonformität“) und der Nachhaltigkeitsrationalität („ökologische Effizienz“, „Substanzerhaltung“ und „Verantwortung“). Ein zukunftsfähiges berufliches Handeln zeichnet sich dadurch aus, mit diesen Widersprüchen umgehen zu können.
Doch stellt sich nun die Frage, was der Umgang mit Widersprüchen für den Berufsalltag bedeutet. In diesem Zusammenhang kann von so genannten „Trade-offs“ – auch „Zielkonflikte“ oder „Kompromisse“ – gesprochen werden. Grundsätzlich geht es darum, den möglichen Widerspruch zwischen einer Idealvorstellung und dem Berufsalltag zu verstehen und eine begründete Handlungsentscheidung zu treffen. Dabei werden Entscheidungsträger häufig in Dilemma-Situationen versetzt. Im beruflichen Handeln geht es oftmals um eine Entscheidung zwischen knappen Ressourcen, wie Geld, Zeit oder Personal, für die es gilt, Lösungen zu finden.
Im Folgenden werden einige Zielkonflikte aufgezeigt.
Beispielhafte Zielkonflikte
Folgende Zielkonflikte sind in der Lebensmittelindustrie häufig zu finden, die im Rahmen eines Unterrichts- oder Ausbildungsgesprächs diskutiert werden können:
Ernährungssicherheit vs. Nachhaltigkeit: Obwohl die Förderung einer nachhaltigen Lebensmittelproduktion von entscheidender Bedeutung ist, darf dies nicht auf Kosten der Ernährungssicherheit gehen. Die Lebensmittelindustrie muss sicherstellen, dass ausreichend Nahrungsmittel produziert werden, um die Bedürfnisse der wachsenden Bevölkerung zu erfüllen, ohne dabei die natürlichen Ressourcen zu erschöpfen oder den Klimawandel zu beschleunigen.
Die Lebensmittelindustrie stellt mit Fertigbackwaren, Tiefkühlkost, Lebensmittelkonserven usw. hauptsächlich Convenience-Produkte her, die oft eine lange Liste an Zusatzstoffen aufweisen. Diese müssen zwar durch die EU zugelassen werden (EG Nr. 1333/2008), allerdings können die langfrisitge Einnahme oder durch Kombination mehrerer Zusatzstoffe negative gesundheitlicher Wirkungen entstehen.
Viele der Convenience-Produkte enthalten zusätzlich einen hohen Zucker, Fett oder Salzgehalt, sodass diese Produkte grundsätzlich einer gesunden Ernährung entgegenstehen.
Palmöl gilt derzeit als eines der wichtigsten und ertragseffizientesten Pflanzenfette der Erde. Die Lebensmittelindustrie ist dementsprechend auf Palmöl als wichtigen Roh- bzw. Hilfsstoff angewiesen. Die Gewinnung von Palmöl erfolgt meistens aber aufgrund umweltschädlicher und menschenunwürdigen Bedingungen (z.B. Rodung des Regenwaldes, Bepflanzung als Monokultur, Kinderarbeit).
Die Lebensmittelindustrie ist oft auf intensive Landwirtschaft und Massenproduktion ausgerichtet, was zu negativen Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesellschaft führen kann. Die Verwendung von Pestiziden, Düngemitteln und anderen chemischen Substanzen kann beispielsweise zu Boden- und Wasserverschmutzung führen, während die Überproduktion und Verschwendung von Lebensmitteln die Ressourcen verschwendet und das Klima belastet.
Die Landwirtschaft und die Lebensmittelindustrie sind oft mit dem Verlust von natürlichen Lebensräumen und der Abholzung von Wäldern verbunden. Gleichzeitig ist es jedoch wichtig, die biologische Vielfalt zu schützen, um eine nachhaltige Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion zu gewährleisten.
Durch die Massenfertigung ist die Lebensmittelindustrie auf eine hohe Menge an tierischen Produkten angewiesen, deren Ursprung überwiegend aus konventioneller Massentierhaltung stammt. Hier besteht ein hoher Einsatz von Antibiotika, wodurch auch multiresistente Keime entstehen können, die über die Zunahme tierischer Lebensmittel auf den Menschen übertragen und im schlimmsten Fall schwere Krankheitsverläufe verursachen, die sogar tödlich sein können.
Die benötigten Rohproteinmengen für die Lebensmittelindustrie können derzeit in der EU sowohl hinsichtlich quantitativer als auch qualitativer Aspekte nicht bereitgestellt werden. Die Nutzung von Alternativproteinequellen wie Insekten, steckt noch in der Entwicklungsphase. Deshalb wird in erheblichem Umfang auf Sojaimporte zurückgegriffen, die keineswegs nachhaltige Aspekte erfüllen (z. B. Rodung von Urwäldern in Südamerika und Asien für den Sojaanbau).
Die Einsparung bzw. effiziente Nutzung von Energie spielt eine wichtige Rolle für eine nachhaltige Lebensmittelindustrie. Aus Sicherheitsgründen müssen viele Industriebetriebe allerdings ihre Flächen und Hallen dauerhaft beleuchten oder Maschinen für die Sicherstellung der Produktion kontinuierlich laufen lassen. Natürlich haben Sicherheitsmaßnahmen immer Priorität, sodass hier der spezifische Kontext über das mögliche Maß an Energieeinsparpotenzialen entscheidet.
Bei der Suche nach nachhaltigen Verpackungsmaterialien können Lebensmittelproduzenten u. a. auf Alternativen aus Getreidefasern zurückgreifen. Diese bestehen jedoch häufig nicht aus Abfallmaterialien, sondern müssen für die Verpackung extra neu angebaut werden. Die dafür verwendeten Ackerflächen können dann nicht für die Ernährung der Menschen verwendet werden.
Darüber hinaus können kompostierbare Verpackungsalternativen derzeit nur für einen eingeschränkten Kreis von Produkten genutzt werden. Denn kompostierbare Verpackungen könnten sich beispielsweise bei längerer Lagerung noch vor dem Konsum des Produkts selbst zersetzen. Damit sind die Schutzfunktion und der Verwendungsrahmen dieser Alternative eingeschränkt.
Recyclingfähige Verpackungsmaterialien wie Glas oder Papier gelten als nachhaltige Alternative zu herkömmlichen Kunststoffverpackungen. Einerseits können diese aber durch die Reinigung, die Recyclingprozesse und die verwendeten Druckfarben Giftstoffe (Mineralöl und Weichmacher) enthalten. Andererseits weisen sie durch das vergleichsweise hohe Transportgewicht – vor allem bei Einmalverwendung – einen höheren CO2-Fußabdruck als Kunststoffe aus.
Die Kreislaufwirtschaft ist ein bedeutendes Thema für unternehmerische Zukunftsfähigkeit, basiert meist jedoch auf anderen Designprinzipien als bestehende Produkte und Prozesse, sodass es ein schrittweises Umdenken und ggf. Investitionen in zusätzliche Expertisen für Produkt- und Prozessinnovationen erfordert.
Der regionale Bezug von Roh-, Zusatz- und Hilfsstoffen kann eine nachhaltige Lebensmittelproduktion ermöglichen, da so lange Transportwege mit einem hohen CO2-Ausstoß vermieden werden. Die Problematik der hohen Treibhausgasemissionen und die damit verbundene Erderwärmung trägt allerdings dazu bei, dass extreme Wettersituationen wie Überschwemmungen, Dürren, Stürme oder Schwankungen in Niederschlagsmengen, Sonneneinstrahlung und Temperaturen zunehmen. Diese können zu einer Veränderung von Vegetationszonen und somit zu regionalen Ernteausfällen führen, sodass die erforderlichen Produktionsmengen bei einer rein regionalen Produktion nicht erzielt werden können und Betriebe Lebensmittel aus dem Ausland zukaufen müssen, um ihre Produktion sicherzustellen.
Eine nachhaltige Lebensmittelindustrie achtet auf den sinnvollen Umgang mit Trinkwasser. Es werden z.B. Zisternen zur Nutzung von Regenwasser genutzt und die Effizienz der Produktionsmaschinen wird ständig zu Gunsten der Wassereinsparung gesteigert. Dies hat jedoch häufig die paradox erscheinende Folge, dass der Wasserpreis steigt. Begründet wird der Preisanstieg dadurch, dass rund zwei Drittel der Aufwendungen für die Wasserversorgung Festkosten sind. Hinzu kommt noch, dass die Verteilungsnetze in Deutschland inzwischen teilweise zu groß sind. Wasserversorger müssen ihre Zu- und Ableitungen aufwendig reinigen, da durch die zu großen Anlagen zu wenig Wasser fließt.
Die Lebensmittelindustrie ist weltweit tätig und muss sich mit kulturellen und sozialen Unterschieden auseinandersetzen. Die Umsetzung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen kann daher aufgrund unterschiedlicher Wertvorstellungen und Bedürfnisse in verschiedenen Regionen und Ländern schwierig sein.