Fachkraft für Kreislauf- und Abfallwirtschaft Ausbildung nach Schwerpunkten – Logistik, Sammlung und Vertrieb
Wichtiger Hinweis
Für die verschiedenen Fachrichtungen zur Ausbildung als „Fachkraft für Kreislauf- und Abfallwirtschaft“ wurden ein gemeinsames HGM, ein IP und eine FS erstellt. Das IP umfasst alle berufsprofilgebenden Berufsbildpositionen der grundständigen Ausbildung aller Fachrichtungen, nicht die Spezialisierung der Fachrichtungen.
Einleitung
BBNE und BNE - Ziele der Projektagentur PA-BBNE
Das Ziel der „Projektagentur Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ (PA-BBNE) ist die Entwicklung von Materialien, die die um Nachhaltigkeit erweiterte neue Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ mit Leben füllen soll. Mit „Leben zu füllen“ deshalb, weil „Nachhaltigkeit“ ein Ziel ist und wir uns den Weg suchen müssen. Wir wissen beispielsweise, dass die Energieversorgung künftig klimaneutral sein muss. Mit welchen Technologien wir dies erreichen wollen und wie unsere moderne Gesellschaft und Ökonomie diese integriert, wie diese mit Naturschutz und Sichtweisen der Gesellschaft auszugestalten sind, ist noch offen.
Um sich mit diesen Fragen zu beschäftigen, entwickelt die PA-BBNE Materialien, die von unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden:
- Zum einen widmen wir uns der beruflichen Ausbildung, denn die nachhaltige Entwicklung der nächsten Jahrzehnte wird durch die jungen Generationen bestimmt werden. Die duale berufliche Ausbildung orientiert sich spezifisch für jedes Berufsbild an den Ausbildungsordnungen (betrieblicher Teil der Ausbildung) und den Rahmenlehrplänen (schulischer Teil der Ausbildung) . Hierzu haben wir dieses Impulspapier erstellt, das die Bezüge zur wissenschaftlichen Nachhaltigkeitsdiskussion praxisnah aufzeigt.
- Zum anderen orientieren wir uns an der Agenda 2030. Die Agenda 2030 wurde im Jahr 2015 von der Weltgemeinschaft beschlossen und ist ein Fahrplan in die Zukunft (Bundesregierung o. J.). Sie umfasst die sogenannten 17 Sustainable Development Goals (SDGs), die jeweils spezifische Herausforderungen der Nachhaltigkeit benennen (vgl. Destatis). Hierzu haben wir ein Hintergrundmaterial (HGM) im Sinne der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE, vgl. BMBF o. J.) erstellt, das spezifisch für unterschiedliche Berufe ist.
Die Materialien der Projektagentur
Die neue Standardberufsbildposition gibt aber nur den Rahmen vor. Selbst in novellierten Ausbildungsordnungen in Berufen mit großer Relevanz für wichtige Themen der Nachhaltigkeit wie z. B. dem Klimaschutz werden wichtige Fähigkeiten, Kenntnissen und Fertigkeiten in den berufsprofilgebenden Berufsbildpositionen nicht genannt – obwohl die Berufe deutliche Beiträge zum Klimaschutz leisten könnten. Deshalb haben wir uns das Ziel gesetzt, Ausbildenden und Lehrkräften Hinweise im Impulspapier zusammenzustellen im Sinne einer Operationalisierung der Nachhaltigkeit für die unterschiedlichen Berufsbilder. Zur Vertiefung der stichwortartigen Operationalisierung wird jedes Impulspapier ergänzt durch eine umfassende Beschreibung derjenigen Themen, die für die berufliche Bildung wichtig sind. Dieses sogenannte Hintergrundmaterial orientiert sich im Sinne von BNE an den 17 SDGs, ist faktenorientiert und wurde nach wissenschaftlichen Kriterien erstellt. Ergänzt werden das Impulspapier und das Hintergrundmaterial durch einen Satz von Folien, die sich den Zielkonflikten widmen, da „Nachhaltigkeit das Ziel ist, für das wir den Weg gemeinsam suchen müssen“. Und dieser Weg ist nicht immer gleich für alle Branchen, Betriebe und beruflichen Handlungen, da unterschiedliche Rahmenbedingungen in den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – Ökonomie, Ökologie und Soziales – gelten können. Wir haben deshalb die folgenden Materialien entwickelt:
- BBNE-Impulspapier (IP): Betrachtung der Schnittstellen von Ausbildungsordnung, Rahmenlehrplan und den Herausforderungen der Nachhaltigkeit in Anlehnung an die SDGs der Agenda 2030. Das Impulspapier ist spezifisch für einen Ausbildungsberuf erstellt, fasst aber teilweise spezifische Ausbildungsgänge zusammen (z. B. den Fachmann und die Fachfrau zusammen mit der Fachkraft sowie die verschiedenen Fachrichtungen)
- BBNE-Hintergrundmaterial (HGM): Betrachtung der SDGs unter einer wissenschaftlichen Perspektive der Nachhaltigkeit im Hinblick auf das Tätigkeitsprofil eines Ausbildungsberufes bzw. auf eine Gruppe von Ausbildungsberufen, die ein ähnliches Tätigkeitsprofil aufweisen;
- BBNE-Foliensammlung (FS) und Handreichung (HR): Folien mit wichtigen Zielkonflikten – dargestellt mit Hilfe von Grafiken, Bildern und Smart Arts für das jeweilige Berufsbild, die Anlass zur Diskussion der spezifischen Herausforderungen der Nachhaltigkeit bieten. Das Material liegt auch als Handreichung (HR) mit der Folie und Notizen vor.
Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung
Zielkonflikte und Widersprüche
Zielkonflikte und Widersprüche sind bei der Suche nach dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit immanent und für einen Interessenausgleich hilfreich. In dem Kapitel 7. werden beispielhafte Zielkonflikte aufgezeigt. Ergänzend werden in dem hierzu gehörigen Dokument auch einige Folien (pptx bzw. pdf) erstellt, die für Lernprozesse verwendet werden können. Ein Beispiel für einen berufsbildbezogenen Zielkonflikt ist der folgende:
- “Niedrige Retouren (wenige Überschüsse von Brot und Backwaren) vs. volle Regale bis Ladenschluss”:
- Betriebe, die Lebensmittelabfälle bzw. Retouren vermeiden wollen, bieten den Kunden kurz vor Betriebsschluss unter Umständen nicht mehr dasselbe umfangreiche Angebot wie Betriebe, die den Kunden bis zum Ladenschluss das komplette Sortiment anbieten, um die Kunden nicht zu verlieren.
- Es ergibt sich somit der Konflikt zwischen der Notwendigkeit, Abfall zu vermeiden und dem Wunsch, die Kunden*innen durch ein jederzeit umfangreiches Angebot zufriedenzustellen.
Die Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) meint eine Bildung, die Menschen zu zukunftsfähigem Denken und Handeln befähigt. Sie ermöglicht jedem Einzelnen, die Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Welt zu verstehen (BMBF o. J.). BBNE ist somit nur ein Teil von BNE, der an alle Bürger*innen adressiert ist. Eine Entwicklung ist dann nachhaltig, wenn Menschen weltweit, gegenwärtig und in Zukunft würdig leben und ihre Bedürfnisse und Talente unter Berücksichtigung planetarer Grenzen entfalten können. … BNE ermöglicht es allen Menschen, die Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Welt zu verstehen und verantwortungsvolle, nachhaltige Entscheidungen zu treffen. (ebd.).
Grundlage für BNE ist heutzutage die Agenda 2030 mit ihren 17 SDG Sustainable Development Goals. Die 17 Ziele bilden den Kern der Agenda und fassen zusammen, in welchen Bereichen nachhaltige Entwicklung gestärkt und verankert werden muss (ebd.). Die Materialien der Projektagentur sollen Lehrkräften an Berufsschulen und Ausbildende dabei helfen, die Ideen der SDG in die Bildungspraxis einzubringen. Sie sind somit ein wichtiges Element insbesondere für das Ziel 4 “Hochwertige Bildung”: “Bis 2030 sicherstellen, dass alle Lernenden die notwendigen Kenntnisse und Qualifikationen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung erwerben, unter anderem durch Bildung für nachhaltige Entwicklung und nachhaltige Lebensweisen, …” (ebd.).
Während die Grundlage in den Impulspapieren die Ausbildungsordnungen und die Rahmenlehrpläne der beruflichen Bildung waren, die mit den SDG vernetzt wurden, geht das Hintergrundpapier den umgekehrten Weg: Wir betrachten die SDG im Hinblick auf ihre Bedeutung für die berufliche Bildung.
Glossar
Folgende Abkürzungen werden in diesem Dokument verwendet:
Abkürzung | Bezeichnung |
AO | Ausbildungsordnung |
BMUV | Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit |
Care | Segment der AHV, hier: Krankenhäuser, Pflegeheime |
CO2-Äq | Kohlendioxid-Äquivalente |
FS | Foliensammlung |
HGM | Hintergrundmaterial (wissenschaftliches Begleitmaterial) |
IP | Impulspapier (didaktisches Begleitmaterial) |
KI | Künstliche Intelligenz |
ÖPNV | Öffentlicher Personennahverkehr |
RLP | Rahmenlehrplan |
SBBP | Standardberufsbildposition |
SDG | Sustainable Development Goals |
THG | Treibhausgase bzw. CO2-Äquivalente (CO2-Äq) |
Quellenverzeichnis
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (2021): Vier sind die Zukunft. Online: www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/show/17281
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (o. J.a): FAQ zu den modernisierten Standardberufsbildpositionen. Online: https://www.bibb.de/de/137874.php
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (o. J.b): Ausbildung gestalten. Online: BIBB / Reihen / Ausbildung gestalten
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: https://www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (o. J.): Was ist BNE? Online: https://www.bne-portal.de/bne/de/einstieg/was-ist-bne/was-ist-bne.html
Bundesregierung (o. J.): Globale Nachhaltigkeitsstrategie – Nachhaltigkeitsziele verständlich erklärt. Online: www.bundesregierung.de/breg-de/themen/nachhaltigkeitspolitik/nachhaltigkeitsziele-verstaendlich-erklaert-232174
Destatis Statistisches Bundesamt (2022): Indikatoren der UN-Nachhaltigkeitsziele. Online: http://sdg-indikatoren.de/
Ausbildungsverträge
Für den Berichtszeitraum 2021 gab es im Ausbildungsberuf Fachkraft für Kreislauf und Abfallwirtschaft keinen Ausbildungsvertrag. Gegenüber dem Vorjahr hat die Anzahl der Ausbildungsverträge damit weder ab- noch zugenommen (ZDH 2021).
SDG 4 Hochwertige Bildung
“Inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten lebenslangen Lernens für alle fördern”
Das SDG zielt primär auf die globale Entwicklung von guten Bildungssystemen ab. Im Berufsbildungssystem ist Deutschland weltweit führend – trotz einiger Defizite wie Personalausstattung, Digitalisierung oder knappe Investitionsbudgets – viele Länder versuchen ein ähnliches Berufsbildungssystem wie in Deutschland aufzubauen. Insofern ist vor allem das Unterziel 4.7 relevant:
Bis 2030 sicherstellen, dass alle Lernenden die notwendigen Kenntnisse und Qualifikationen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung erwerben, unter anderem durch Bildung für nachhaltige Entwicklung und nachhaltige Lebensweisen, Menschenrechte, Geschlechtergleichstellung, eine Kultur des Friedens und der Gewaltlosigkeit, Weltbürgerschaft und die Wertschätzung kultureller Vielfalt und des Beitrags der Kultur zu nachhaltiger Entwicklung
Das SDG 4 spiegelt sich in der fachlichen Unterrichtung der Stichpunkte der anderen SDG wieder, mündet aber in den Positionen e und f der neuen Standardberufsbildposition (BMBF 2022):
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
10 “Goldene Handlungsregeln” für eine BBNE
Die Nachhaltigkeitsforschung und die Bildungswissenschaften haben inzwischen umfassende Erkenntnisse gesammelt, wie eine berufliche Bildung für Nachhaltigkeit gefördert werden kann (vgl. u. a. vgl. Schütt-Sayed u.a. 2021; Kastrup u. a. 2012; Melzig u. a. 2021). Das Ergebnis sind die folgenden 10 didaktischen Handlungsregeln, die das Berufsbildungspersonal dabei unterstützen, Lehr-/Lernprozesse zielgruppengerecht und angemessen zu gestalten. Diese insgesamt 10 Handlungsregeln lassen sich in vier Schritten zuordnen.
Schritt 1 – Richtig anfangen:
Identifizierung von Anknüpfungspunkten für BBNE
1) Ansatzpunkte: Fordern Sie die Verantwortung im eigenen Wirkungsraum heraus, ohne die Berufsschüler und Berufsschülerinnen mit „Megaproblemen“ zu überfordern!
2) Anknüpfungspunkte: Die Curricula sind Grundlage der Lehr-/Lernprozesse – es kommt darauf an, sie im Sinne der Nachhaltigkeit neu zu interpretieren!
3) Operationalisierung: Nachhaltigkeit ist kein „Extra- Thema“, sondern ein integraler Bestandteil des beruflichen Handelns!
Um nachhaltigkeitsorientierte Lehr-/Lernarrangements zu entwickeln, sind zunächst Anknüpfungspunkte für Nachhaltigkeit in den betrieblichen Abläufen zu identifizieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Ausbildungsordnungen und Lehrpläne die rechtliche Grundlage der beruflichen Bildung sind. Es gilt diese im Sinne der Nachhaltigkeit zu interpretieren, sofern nicht bereits konkrete Nachhaltigkeitsbezüge enthalten sind.
Wichtig ist dabei, dass Auszubildende nicht mit den „Megaproblemen“ unserer Zeit überfordert werden, sondern zur Verantwortung im eigenen Wirkungsraum herausgefordert werden – sowohl im Betrieb als auch im Privaten. Denn Auszubildende sind selbst Konsument/-innen, die durch eine angeleitete Reflexion des eigenen Konsumverhaltens die Gelegenheit erhalten, ihre „Wirkungsmacht“ im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit in ihrer eigenen Branche zu verstehen.
Schritt 2 – Selbstwirksamkeit schaffen:
Eröffnung von Nachhaltigkeitsorientierten Perspektiven
4) Handlungsfolgen: Berufliches Handeln ist nie folgenlos: Machen Sie weitreichende und langfristige Wirkungen erkennbar!
5) Selbstwirksamkeit: Bleiben Sie nicht beim „business as usual“, sondern unterstützen Sie Schüler*innen dabei, Alternativen und Innovationen zu entdecken!
6) Zielkonflikte: Verstecken Sie Widersprüche nicht hinter vermeintlich einfachen Lösungen, sondern nutzen Sie sie als Lern- und Entwicklungschancen!!
7) Kompetenzen: Bildung für nachhaltige Entwicklung verbindet Wahrnehmen, Wissen, Werten und Wirken!
Im nächsten Schritt sind nachhaltigkeitsorientierte berufliche Perspektiven für die Auszubildenden zu eröffnen. Diese sollten an einer positiven Zukunftsvision und an Lösungen orientiert sein. Auszubildenden sind dabei die weitreichenden Wirkungen ihres Handelns vor Augen zu führen. Sie sollen verstehen können, warum ihr Handeln nicht folgenlos ist. Das bedeutet gleichzeitig, Auszubildenden die positiven Folgen eines nachhaltigen Handelns vor Augen zu führen. In diesem Zusammenhang ist die Selbstwirksamkeitserfahrung von großer Bedeutung. Sie ist eine der Voraussetzungen, um motiviert zu handeln. Auszubildende dabei zu unterstützen, Alternativen zum nicht-nachhaltigen Handeln zu erkennen und Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung zu entdecken, sollte dabei für Lehrpersonen selbstverständlich sein. Dabei ist immer die individuelle Motivation der Auszubildenden entscheidend, denn zum nachhaltigen Handeln braucht es nicht nur Wissen (Kopf), sondern auch authentisches Wollen (Herz). Wesentlich ist hierbei die Gestaltung ganzheitlicher Lernprozesse, die sowohl den kognitiven als auch den affektiven und psychomotorischen Bereich einbeziehen (vgl. Költze, S.206).
Schritt 3 – Ganzheitlichkeit:
Gestaltung transformativer Lernprozesse
8) Lebendigkeit: Ermöglichen Sie lebendiges Lernen mit kreativen und erfahrungsbasierten Methoden!
9) Beispiele: Nutzen Sie motivierende Beispiele: Sprechen Sie über Erfolgsgeschichten, positive Zukunftsvisionen und inspirierende Vorbilder!
Aber wie können Lernsituationen in der Praxis so gestaltet werden, dass sie ganzheitlich aktivierend für die Auszubildenden sind? Es sollte ein lebendiges Lernen mit Hilfe kreativer, erfahrungsbasierter Methoden ermöglicht werden. Dies ist ein grundlegender (kein neuer) didaktischer Ansatz für die Förderung einer nachhaltigkeitsorientierten Handlungskompetenz. Im Kern bedeutet dies: Lernen mit Lebensweltbezug, welches ausgerichtet ist auf individuelle Lebensentwürfe und das eigene (auch künftige) berufliche Handlungsfeld, z. B. indem Recherchen im eigenen Unternehmen zu Möglichkeiten der Energieeinsparung durchgeführt werden. Lernen soll vor diesem Hintergrund vor allem unter Berücksichtigung der Sinne stattfinden, d. h. mit Körper und Geist erfahrbar sowie sinnlich-stimulierend sein. Die Auszubildenden sollen sich dabei zudem als Teil einer gestalterischen Erfahrungsgemeinschaft erleben. Dies kann durch gemeinsame Reflexionen über das eigene Verhalten und persönliche Erfahrungen gefördert werden, beispielsweise durch die Entwicklung und Verkostung eigener Lebensmittelkreationen unter Nachhaltigkeitsaspekten. Hierfür muss unbestritten immer auch der „Raum“ zur Verfügung stehen (siehe z.B. Hantke 2018 „‘Resonanzräume des Subpolitischen‘ als wirtschaftsdidaktische Antwort auf ökonomisierte (wirtschafts-)betriebliche Lebenssituationen“). Ebenso können motivierende Beispiele helfen – wie z. B. Erfolgsgeschichten und inspirierende Vorbilder.
Schritt 4 – Lernort Betrieb:
Entwicklung nachhaltiger Lernorte
10) Lernende Organisationen: Auch Organisationen können „Nachhaltigkeit lernen“: Entwickeln Sie Ihre Institution Schritt für Schritt zum nachhaltigen Lernort!
Schließlich geht es im vierten Schritt darum, den Lernort in den Blick zu nehmen und diesen als nachhaltigen Lernort zu gestalten. Den gesamten Betrieb nachhaltig auszurichten ist u. a. deshalb entscheidend, da andernfalls die an Nachhaltigkeit orientierten Inhalte der Ausbildung wenig glaubwürdig für Auszubildende sind. Der Betrieb als Institution sollte dafür an einem gemeinschaftlichen Leitbild ausgerichtet sein, welches neben den üblichen ökonomischen auch soziale und ökologische Ziele beinhaltet. So kann BBNE überzeugend in die Organisation integriert und vom betrieblichen Ausbildungspersonal umgesetzt werden.
BBNE für Fachkräfte Kreislauf- und Abfallwirtschaft
Im Rahmen einer guten Unterrichtung von BBNE sollten die Fachkräfte einen guten Überblick über die Herausforderungen des nachhaltigen Handelns in ihrem Berufsbild erhalten. Die Herausforderungen der Abfallwirtschaft liegen also nicht nur darin, entsprechende nachhaltige Angebote der Kreislauf- und Abfallwirtschaft attraktiv und kostengünstig zu gestalten, sondern auch die Abfallerzeuger und -erzeugerinnen so zu beraten, dass sie diese Angebote dauerhaft annehmen:
- Die Bevölkerung verfügt über ein hohes Umweltbewusstsein, denn 65 Prozent der Deutschen halten den Umwelt- und Klimaschutz für ein sehr wichtiges Thema – trotz Corona (Belz et al 2022). Besonders der Klimaschutz bleibt während der Pandemie für 70 Prozent weiterhin genauso wichtig, für 16 Prozent ist er sogar wichtiger geworden. Gut drei Viertel der Befragten sehen ausschließlich (14 Prozent) oder vor allem (63 Prozent) menschliches Handeln als Ursache für den Klimawandel an. Eine erfolgreiche Nachhaltigkeitskommunikation sollte daher dieses bereits vorhandene Umweltbewusstsein nutzen und auf eine sinnstiftende Ansprache achten, um die intrinsischen Motivationslagen zu stärken.
- Aber der Zusammenhang zwischen Abfall und Klimaschutz ist nur einem kleineren Kreis bekannt und deshalb werden manchmal auch die falschen Schwerpunkte genannt und entsprechend gehandelt.
- Zuvorderst geht es bei der Nachhaltigkeitskommunikation in der Abfallwirtschaft darum, Möglichkeiten der Abfallvermeidung aufzuzeigen. Beispiele dafür sind die gemeinsame Nutzung von Produkten, so dass sich deren Nutzungsintensität erhöht und Neuanschaffungen vermieden werden. Ein weiteres Handlungsfeld der Abfallvermeidung ist die Aufarbeitung von Altprodukten und deren Vermarktung als Gebrauchtprodukte, um ebenfalls Lebensdauer zu verlängern und die Anschaffung von neuen Produkten zu vermeiden. Insbesondere die Nutzungsintensität und die Lebensdauer von Elektrogeräten, aber auch von Kleidung und “Sperrmüll” lassen sich dadurch erhöhen. Beim Sperrmüll gibt es hinsichtlich der Wiederverwendbarkeit die größten Potenziale bei den Polster- und Verbundmöbeln, im Besonderen bei den im Bringsystem erfassten Mengen mit bundesweit ca. 14 Gew.-Prozent. Von den Holzmöbeln sind etwa 11 Gew.-Prozent für eine Wiederverwendung geeignet. Bei vollständiger Ausschleusung der als wiederverwendbar eingeschätzten Anteile würde die aktuelle Sperrmüllmenge in Deutschland um ca. 240.000 Mg zurückgehen (UBA Texte 113/2020)
- Dort, wo eine Abfallvermeidung nicht in Gänze möglich ist, z. B. bei Gütern des täglichen Bedarfs der Haushalte, zielt die Nachhaltigkeitskommunikation in der Abfallwirtschaft darauf ab, Abfallerzeuger und -erzeugerinnen über die Möglichkeiten der Abfalltrennung aufzuklären, um möglichst sortenreine Fraktionen für das Recycling und die Verwertung zu gewinnen.
- Eine wichtige Rolle stellt dabei die Reduktion der Restabfälle dar. Dort zielt die Kommunikation sowohl auf die Mengenreduktion aber auch auf die Ausschleusung problematischer Inhaltsstoffe ab.
- Problematisch können entweder besonders umweltschädliche Inhaltsstoffe sein, wie sie sich z. B. in Batterien, Leuchtstoffröhren, Lösungsmittel oder Farben und Lacken finden. Diesbezüglich sind auf die Angebote einer möglichst kostenfreien Annahme derartiger Abfälle im Bringsystem hinzuweisen und über die damit verbundene Reduktion schädlicher Umweltwirkung.
- Ein weiteres erhebliches Reduktionspotential besitzen organische Abfälle im Restabfall. Ihr Anteil am Restmüll liegt bei knapp 40 Prozent (UBA Texte 113/2020). Um dieses Reduktionspotential zu nutzen, bietet sich eine haushaltsnahe, getrennte Sammlung von nativer Organik über eine Biotonne an. Deren positiver Effekt konnte bei Abfallanalysen belastbar belegt werden, denn bei Kommunen mit getrennt gesammelten Bioabfall von > 25 kg/(E*a) über die Biotonne ist die im Restabfall verbleibende Menge an nativer Organik um ca. 20 kg/(E*a) niedriger als bei Kommunen mit weniger als 25 kg/(E*a) getrennt erfasster Bioabfälle (UBA Texte 113/2020). Diesbezüglich spielt jedoch die Kommunikation eine entscheidende Rolle, denn die Akzeptanz einer getrennten Sammlung von Bioabfall in Haushalten kann z. B. durch Geruchsentwicklung, Schädlingsbefall oder nässende Bioabfälle vermindert sein. Hier gilt es mit kommunikativen Mittel den richtigen Umgang mit Bioabfällen zu schulen und auch auf die Problematik nicht nativer Organik wie Essensreste hinzuweisen.
Weiterführende Bildungs- und Unterstützungsangebote
Für alle Berufsschulen und Unternehmen sowie, deren Mitarbeiter*innen und Auszubildenden gibt es viele Möglichkeiten, sich über die in diesem Dokument gegebenen Anregungen hinaus zu informieren und in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung aktiv zu werden. Im Folgenden sind beispielhafte Beratungs- und Unterstützungsangebote aufgeführt, die motivieren und aufzeigen sollen, wie Unternehmen sich in eine nachhaltige Richtung entwickeln können. Entsprechende Beratungs- und Unterstützungsangebote gibt es auf unterschiedlichen Ebenen. So gibt es z. B.
- Unternehmensverbände wie B.A.U.M e.V., https://www.klima-allianz.de/, die sich für ein nachhaltiges Unternehmensmanagement einsetzen.
- Darüber hinaus gibt es in verschiedenen Bundesländern eigene Initiativen, die ihren Mitgliedsunternehmen Foren und Qualifizierungsangebote anbieten. Stellvertretend seien hier z. B. das Netzwerk Umweltunternehmen in Bremen https://www.umwelt-unternehmen.bremen.de/ oder die Transformationsberatung für kleine und mittlere Untrerenehmen (KMU) der Klimaschutz- und Energieagentur in Niedersachsen genannt https://www.klimaschutz-niedersachsen.de/zielgruppen/unternehmen/niedersachsen-allianz-fuer-nachhaltigkeit.php, die von einer Kooperation zwischen niedersächsischen Landesregierung, Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften und Kammern unterstützt wird.
- Auch die Handwerkskammern sowie Industrie- und Handelskammern bieten konkrete Maßnahmenkataloge für Unternehmen an, so z. B. die IHK Berlin mit konkreten Checklisten für eine Analyse des Unternehmens https://www.ihk.de/berlin/nachhaltige-wirtschaft/massnahmen/.
- Konkrete kostenpflichtige Beratungsangebote zur Begleitung von KMUs in Richtung Nachhaltigkeit gibt es z. B. von ÖKOPROFIT https://www.oekoprofit.info/ oder auch staatlich unterstützt wie in NRW mit der Transformationsberatung für KMU https://greendealnrw.de/transformationsberatung.
- Leitfäden und Broschüren helfen Unternehmen dabei, Strategien und Maßnahmen auf dem Weg hin zur Nachhaltigkeit zu entwickeln https://www.renn-netzwerk.de/fileadmin/user_upload/nord/docs/materialien/SDG_KMU_Leitfaden_Okt2018.pdf.
Die hier vorgestellten Tipps erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, mögen Sie als Leser*in jedoch anregen, sich eigenverantwortlich und im Sinne einer zukunftsfähigen Entwicklung eines Unternehmens auf den Weg zu machen. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg dabei!
Quellenverzeichnis
ARD (2020): Ungenießbar. Online: https://programm.ard.de/TV/Themenschwerpunkte/Dokus–Reportagen/Alle-Dokumentationen/Startseite/?sendung=287252703317494
Belz, Janina; Follmer, Robert; Hölscher, Jana; Stieß, Immanuel; Sunderer, Georg; Birzle-Harder, Barbara (2022): Umweltbewusstsein in Deutschland 2020 – Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (Hrsg.) Januar 2022. Online: www.bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Pools/Broschueren/umweltbewusstsein_2020_bf.pdf
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (2020): Empfehlung des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung vom 17. November 2020 zur „Anwendung der Standardberufsbildpositionen in der Ausbildungspraxis“. BAnz AT 22.12.2020 S4. Online: https://www.bibb.de/dokumente/pdf/HA172.pdf
DESTATIS-Statistisches Bundesamt (2022): Indikatoren der UN-Nachhaltigkeitsziele 2022. Online unter: http://sdg-indikatoren.de/
Kastrup, Julia; Kuhlmeyer, Werner; Nölle-Krug, Marie (2022): Aus- und Weiterbildung des betrieblichen Bildungspersonals zur Verankerung einer Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. In: MICHAELIS, Christian; BERDING, Florian (Hrsg.): Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Umsetzungsbarrieren und interdisziplinäre Forschungsfragen. Bielefeld 2022, S. 173-189
Kearney (2019): Was hilft wirklich – Persönliche Klimaschutzmaßnahmen und ihre Wirkung. Repräsentative Befragung von erwachsenen Deutschen. Online: www.de.kearney.com/documents/1117166/5477168/CO2+Aufklärung.pdf/d5fba425-3aec-6a4e-fb2d-9b537c7dd20b?t=1583241728000
Költze, Horst (1993): Lehrerbildung im Wandel. Vom technokratischen zum humanen Ausbildungskonzept. In Cohn, Ruth C.; Terfurth, Christina (Hrsg.): Lebendiges Lehren und Lernen. TZI macht Schule. Klett-Cotta. S. 192 – 212
Handke, Harald (2018): „Resonanzräume des Subpolitischen“ als wirtschaftsdidaktische Antwort auf ökonomisierte (wirtschafts-)betriebliche Lebenssituationen – eine Forschungsheuristik vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeitsidee. In bwp@Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online (Nr. 35), 2018, S. 1-23.
Melzig, Christian; Kuhlmeyer, Werner; Kretschmer, Susanne (Hrsg. 2021): Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Die Modellversuche 2015–2019 auf dem Weg vom Projekt zur Struktur. Bonn 2021. Online: https://www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/show/16974
Scharp, Michael (Hrsg. 2019): Das KEEKS-Projekt – Eine klimafreundliche Schulküche. Online: www.keeks-projekt.de (Materialien: https://elearning.izt.de/course/view.php?id=118)
Schütt-Sayed, Sören; Casper, Marc; Vollmer, Thomas (2021): Mitgestaltung lernbar machen – Didaktik der Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. In: Melzig, Christian; Kuhlmeier, Werner; Kretschmer, Susanne (Hrsg.): Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Die Modellversuche 2015–2019 auf dem Weg vom Projekt zur Struktur. S. 200-227. Online: https://www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/show/16974
Statista; Pawlik, V. (2022): Interesse der Bevölkerung in Deutschland an gesunder Ernährung und gesunder Lebensweise von 2018 bis 2022. Online; https://de.statista.com/statistik/daten/studie/170913/umfrage/interesse-an-gesunder-ernaehrung-und-lebensweise/
UBA Umweltbundesamt (2022): Umweltbewusstsein in Deutschland. Online: https://www.umweltbundesamt.de/themen/nachhaltigkeit-strategien-internationales/umweltbewusstsein-in-deutschland
UBA Texte 113/2020 Heinz-Josef Dornbusch, Lara Hannes, Manfred Santjer, Ahlen Carsten Böhm, Susanne Wüst, Bertram Zwisele, Michael Kern, Hans-Jörg Siepenkothen, Manfred Kanthak (2020): Vergleichende Analyse von Siedlungsrestabfällen aus repräsentativen Regionen in Deutschland zur Bestimmung des Anteils an Problemstoffen und verwertbaren Materialien. Umweltbundesamt (Hrsg.) Abschlussbericht FKZ 3717 35 344 0 Dessau-Roßlau April 2020. Online: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/479/publikationen/texte_113-2020_analyse_von_siedlungsrestabfaellen_abschlussbericht.pdf
SDG 7 Bezahlbare und saubere Energie
“Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und moderner Energie für alle sichern”
Das SDG 7 beinhaltet soziale und ökologische Anforderungen an den Klimaschutz. Für die Kreislauf- und Abfallwirtschaft sind daher vor allem drei Unterziele wichtig (Destatis 2022):
SDG 7.1 “Bis 2030 den allgemeinen Zugang zu bezahlbaren, verlässlichen und modernen Energiedienstleistungen sichern.”
SDG 7.2 “Bis 2030 den Anteil erneuerbarer Energie am globalen Energiemix deutlich erhöhen.”
SDG 7.3 “Bis 2030 die weltweite Steigerungsrate der Energieeffizienz verdoppeln.”
Beim SDG 7 “Bezahlbare und saubere Energie” geht es im wesentlichen um den “allgemeinen Zugang zu bezahlbaren, verlässlichen und modernen Energiedienstleistungen” sowie darum den “Anteil erneuerbarer Energie zu erhöhen”(Destatis 2022) , da ökologische und das Klima schützende Anforderungen schon durch andere SDGs (insbesondere 13, 14 und 15) abgedeckt werden.
“Saubere Energie”, wie dies in SDG 7 genannt wird, bedeutet heute für den Klimaschutz grundsätzlich der Umstieg auf erneuerbare Energien (EE) sowie eine höhere Energieeffizienz. Weitere Probleme der Energieerzeugung mit der Nachhaltigkeit betreffen
- Umweltschutz und Arbeitsbedingungen bei der Rohstoffgewinnung
- Ökologische und Gesundheitsfolgen der Energienutzung, insbesondere bei der Verbrennung
- Flächenkonkurrenzen bei dem Anbau von Energiepflanzen (Mais, Zuckerrohr u.a.)
Die Schnittmenge für das SDG 7 ergibt sich aus den Nummern a und b der Standardberufsbildposition (BIBB 2020):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
Dieses Kapitel beschreibt die Grundlagen einer nachhaltigen Energiewende. Aufgezeigt werden die verschiedenen regenerativen Energieträger und die technischen Möglichkeiten der Erzeugung regenerativer Energie, deren stationären und mobilen Einsatzmöglichkeiten sowie Hinweise zur rationellen Energieverwendung. Ferner wird auf einige für die Kreislauf- und Abfallwirtschaft relevante Aspekte zur energiebedingten Rohstoffgewinnung hingewiesen.
Die menschliche Entwicklung ist weltweit auf Energie angewiesen. Bisher wurde die Energie vor allem aus fossilen Energieträgern erzeugt, bei deren Verbrennung Treibhausgase in die Atmosphäre freigesetzt werden und dort den Klimawandel bewirken. Um weitere erhebliche Schäden des Klimawandels mit enorme Zerstörungen und Kosten in weiten Teilen der Welt entgegenzuwirken, ist die Decarbonisierung der Wirtschaft und insbesondere des Energiesystems zwingend notwendig für das Überleben auf diesem Planeten.
Erneuerbare Energien
Die einfachste Maßnahme zur Transformation des Energiesystems ist der Umstieg auf erneuerbare Energien. Die Technologien sind mehr als ausgereift und der Energiegehalt in der Sonneneinstrahlung übersteigt den menschlichen Energiebedarf um ein Vielfaches (vgl. DLR 2010). In der Praxis muss jedoch berücksichtigt werden, dass sich durch Drehung und Kugelgestalt der Erde der Einstrahlungswinkel ändert, ein Teil der Sonnenenergie durch die Erdatmosphäre abgelenkt oder absorbiert wird und die Wandlung in nutzbare Energie teilweise mit erheblichen Verlusten verbunden ist. In Deutschland schreitet der Ausbau der erneuerbaren Energieerzeugung zwar langsam aber, vor allem beim Strom, stetig voran. Allerdings fehlen bisher zwei große Nutzungsgruppen: Raum- und Prozesswärme für Wohnungen, öffentliche Gebäude, Gewerbe und Industrie sowie Treibstoffe für Fahrzeuge. Während 2021 die erneuerbare Stromerzeugung bei ca. 41 Prozent der Gesamtstromerzeugung lag, betrug die erneuerbare Wärmeerzeugung lediglich 16,5 Prozent und der Anteil an erneuerbaren Kraftstoffen knapp 7 Prozent (UBA 2022).
Wichtig sind hinsichtlich des Ziel “bezahlbarer Energie” vor allem die Kosten von Strom und Wärme. Die Stromgestehungskosten waren in 2021 wie folgt (ISE 2021, gerundet): Dachkleinanlagen 6-11 Cent/kWh, große Dachanlagen 5-10 Cent/kWh, Freiflächenanlagen 3-6 Cent/kWh. Die Stromgestehungskosten fossiler Stromerzeugung lagen in 2021 zwischen 8-13 Cent/kWh für Gas- und Dampfkraftwerke, zwischen 11-28 Cent/kWh bei Gaskraftwerken, 10-15 Cent/kWh Braunkohlekraftwerke sowie 11-20 Cent/kWh bei Steinkohlekraftwerken. Für Kernkraft, mit Rückbau und Endlagerung werden die Stromgestehungskosten auf 50 bis 100 Cent/kWh geschätzt (Siemens-Stiftung 2015). Die konkreten Stromgestehungskosten sind von einer Reihe von Faktoren abhängig. Dazu zählen der Standort (z. B. Entfernung zwischen Kraftwerk und Abbaugebiet), Größe und Alter der Anlagen, Subventionen, Wartung, Abschreibungen sowie die verbaute Erzeugungstechnologien.
Allerdings ist auch der Ausbau der Erneuerbaren mit Energie- und Ressourcenaufwand verbunden und ein häufiges Gegenargument. Mit Hilfe von Ökobilanzen lässt sich dieser Aufwand und seine ökologischen Wirkungen jedoch bilanzieren (vgl. Quaschning o. J.). Bei der Photovoltaik ist z. B. für die Herstellung des hochreinen Siliziums ein erheblicher Energieaufwand in Höhe von ca. 2.000 bis 19.000 kWh/kWp. und im Mittel von ca. 10.000 kWh/kWp notwendig. Hinzu kommen noch die Energiebedarfe für andere Materialien wie z. B. Aluminium für die Montage und Kupfer für die Leitungen sowie weitere notwendige Anlagenbestandteile (Wechselrichter, Zähler u.a.). Bei einer durchschnittlichen Lebensdauer einer PV-Anlage von ca. 25 Jahren (ebd.) liegt die energetische Amortisation, also die Zeit, in der die Anlage die zu ihrer Herstellung eingesetzte Energie wieder erzeugt hat, zwischen 1 und 3 Jahren.
Im Folgenden werden die verschiedenen Systeme der erneuerbaren Energieerzeugung und deren Herausforderungen kurz dargestellt:
Strom
Die einfachste Maßnahme zum Umstieg auf erneuerbare Energien ist der Bezug von Ökostrom. Der Wechsel des Stromanbieters zu einem Versorger mit Ökostrom im Angebot ist mit einem geringen Aufwand verbunden und kann in wenigen Minuten vollzogen werden. Der Strom wird dabei nicht aus fossilen Energieträgern wie Kohle, Öl, Gas oder Uran erzeugt, sondern aus regenerativen Energieträgern wie Sonne, Wind, Wasser oder Biomasse.
Im ersten Halbjahr 2022 lag der Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen bei ca. 52 Prozent des ins Netz eingespeisten Stroms. Da die Stromproduktion aus verschiedenen Quellen schwankend ist, zeigt erst die Jahresendbilanz, wie die Verteilung sein wird. In 2021 stammten 23 Prozent der gesamten Stromproduktion aus Windkraft, 9,8 Prozent aus der Photovoltaik, 8,8 Prozent aus Biomasse und 4 Prozent aus Wasserkraft. Braun- und Steinkohle lieferten 20,7 Prozent des Stroms, Erdgas 10,5 Prozent und die Kernenergie gut 13,3 Prozent (Stromreport 2022).
Die Kosten pro Kilowattstunde erzeugten Strom sind je nach Anlagentyp unterschiedlich (ISE 2021). Sie liegen in etwa zwischen 3 (PV-Freiflächenanlagen) und 12 Cent (Wind Offshore). Zum Vergleich: Braunkohlekraftwerke erzeugen Strom für 10 bis 15 Cent/kWh, modernste Gaskraftwerke haben Kosten von 8 bis 13 Cent/kWh. Mit anderen Worten: Die Erneuerbaren Energien sind großtechnisch kostengünstiger als fossile Kraftwerke zumal deren Stromgestehungskosten aufgrund steigender CO2 Preise in der Zukunft noch zunehmen werden, währen die Stromgestehungskosten von regenerativ erzeugten Strom durch technologische Verbesserung z. B. beim Wirkungsgrad und aufgrund von Massenfertigung weiter sinken.
Aus heutiger Sicht ist in Deutschland der weitere Ausbau nur bei Sonnen- und Windenergie nachhaltig. Wasserkraft ist im Wesentlichen erschöpft, weitere Stauseen sollten aus Landschaftsschutzgründen nicht angelegt werden. Allerdings bedingt die Fluktuation der erneuerbaren Energieträger auch die Herausforderung, Energiespeicher zu bauen. Die kostengünstigste Möglichkeit wären Pumpspeicherkraftwerke, allerdings ist der Flächenbedarf und der Landschaftsverbrauch dafür enorm und auch die notwendigen geomorphologischen Voraussetzungen wie Höhenunterschied und WirthKessellage für das Speicherbecken aber auch der Zugang zu Fließgewässern sind limitiert. Inzwischen gibt es jedoch erste Ansätze, als Alternativen sehr groß dimensionierte Batteriesysteme mit einer Leistung von 100 (Power und Storage 2019) bis 200 MW Leistung (China – Erneuerbare Energie 2021) zu errichten Kapitel Speicherung.
Photovoltaik
Die Photovoltaik wandelt die Strahlungsenergie des Sonnenlichts direkt in elektrischen Strom um. Dazu werden einzelne oder mehrere Solarzellen aus elektrischen Halbleitern in Modulen eingekapselt und je nach verfügbarer Fläche und gewünschter Leistung zusammen geschaltet und mit dem Stromnetz verbunden.
Die Photovoltaik ist mit einem Anteil von gut 21 Prozent an der erneuerbaren Stromproduktion (Stromreport 2022) seit 2007 stark ausgebaut worden und damit die jüngste breit genutzte Stromquelle (vgl. die Graphik auf Wikimedia 2020). Ab 2013 stagnierte der Zuwachs von Photovoltaik, weil die Konditionen der Einspeisung verschlechtert wurden. Der Anteil der Photovoltaik an der gesamten Stromerzeugung ist jedoch gestiegen: Lag er im 1.Quartal 2018 noch bei 3,5, betrug er im Vergleichsquartal 2021 bereits bei 4,7/ und im ersten Quartal 2022 bei 6,5 Prozent (Destatis 2022d). Aus heutiger Sicht ist die Photovoltaik neben der Windenergie und der Erdwärme eine der drei Technologien, die zukünftig die Energieversorgung sicherstellen muss.
Stromgestehungskosten (ISE 2021, gerundet): Dachkleinanlagen 6-11 Cent/kWh, große Dachanlagen 5-10 Cent/kWh, Freiflächenanlagen 3-6 Cent. Die Stromgestehungskosten fossiler Stromerzeugung liegen aktuell zwischen 4 und 15 Cent/kWh. Diese werden jedoch, im Gegensatz zur erneuerbarer Stromerzeugung, aufgrund steigender CO2-Preise zukünftig steigen. Für Braunkohle wird für das Jahr 2040 ein Stromgestehungspreis von bis über 20 Cent/kWh prognostiziert (ISE 2021). Die Kosten der PV-Technologie sinken zunehmend, denn neben den Kosten der Anlagenerrichtung ist auch der Flächenbedarf deutlich gesunken. Jetzt können auch auf kleineren Dächern nennenswerte Anlagengrößen erreicht werden. Ausnahmslos jede gut dimensionierte Eigenverbrauchsanlage lohnt sich wirtschaftlich. Das gesetzliche Förderregime, etablierte Technik und Branchenstandards sorgen dafür, dass diese Investition risikoarm ist. So können sich Unternehmen gegen hohe Strompreise absichern.
Kunden, Geschäftspartner, Mitarbeiter und auch Geschäftsführer legen zudem immer mehr Wert auf Nachhaltigkeit und darauf, einen echten Beitrag zur Energiewende zu leisten. Eine PV-Anlage ist eine einfache und effektive Maßnahme, die auch über Pressemitteilungen und die PR-Abteilung hinaus eine Wirkung entfaltet. PV-Anlagen nutzen bislang brachliegende Ressourcen und sichern durch die Erzeugung von Solarstrom ein zukünftiges Betriebseinkommen. Schon seit einiger Zeit haben sich die relevanten Rahmenbedingungen hin zu einer Stärkung der Photovoltaik entwickelt, denn durch die deutlich gesunkenen Errichtungskosten ist Photovoltaik die günstigste Energieform in beinahe jedem Markt der Welt; auch in Deutschland. Hieraus ergeben sich neue Chancen und Geschäftsmodelle für Immobilienbesitzer und Gewerbetreibende. Zudem kommt die Solardachpflicht. In einigen Bundesländern ist sie bereits geregelt – für die Bundesebene hat sie der Bundeswirtschaftsminister am 11. Januar 2022 ebenfalls angekündigt.
Eignung der Dachfläche
Eigenerzeugung von Solarstrom
Da Betriebsgebäude in der Regel über große Dachflächen verfügen, besitzen sie ein hohes Potential zur Eigenerzeugung von Solarenergie. Laut der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) sind bisher lediglich 13,2 Prozent der installierten Anlagenleistung aus Erneuerbaren Energien in Besitz von Gewerbetreibenden (AEE 2021). In Frage kommen dabei sowohl thermische Solaranlagen zur Erzeugung von Warmwasser, aber auch für Prozesswärme im Niedertemperaturbereich als auch photovoltaische Anlagen zur Erzeugung von elektrischen Strom. Neben den Dachflächen können auch Fassadenflächen zur Erzeugung sowohl von thermischer als auch elektrischer Solarenergie genutzt werden.
Technische Eignung
Bei der Prüfung der technischen Eignung ist sicherzustellen, dass Statik (inklusive Schneelast) und Brandschutz einer Anlagenerrichtung nicht entgegenstehen. Zudem ist eine sog. Netzverträglichkeitsprüfung durchzuführen. Dabei prüft der zuständige Netzbetreiber, ob im lokalen Verteilnetz genug Kapazität für die avisierte PV-Anlage vorhanden ist oder ob das Verteilnetz neue Einspeiselasten nicht verträgt und zunächst ausgebaut werden muss.
Rechtliche Eignung
Die rechtliche Eignung der Dachfläche richtet sich nach dem öffentlichen Baurecht. Aufdach-PV-Anlagen sind bauliche Anlage im Sinne des Bauordnungsrechts und bedürfen daher einer Baugenehmigung. Allerdings haben fast alle Bundesländer diese Genehmigungspflicht in ihren Bauordnungen bereits abgeschafft. Relevanz kann auch das Bauplanungsrecht nach dem Baugesetzbuch haben, falls die Anlage einem Bebauungsplan z. B. hinsichtlich der Gebäudehöhe widerspricht. Neben dem Bauplanungsrecht kann auch der Denkmalschutz der Errichtung einer PV-Anlage entgegenstehen und die rechtliche Eignung der Dachfläche ausschließen.
Betriebsmodelle
Dachverpachtung und Contracting-Modelle
Die einfachste Möglichkeit, von einem geeigneten Dach zu profitieren, ist die Verpachtung der Dachfläche an Dritte. Diese sind dann an Stelle des Immobilien- eigentümers Betreiber der Anlage. Stadtwerke, Energieversorgungsunternehmen und Projektentwickler bieten bereits „schlüsselfertige“ Dachpachtlösungen an. Dabei baut der Betreiber auf seine Kosten die Anlage, bewirtschaftet sie und übernimmt das unternehmerische Risiko. Nachdem der Pachtvertrag abgelaufen ist, wird die Anlage rückgebaut und das Dach in seinen Ursprungszustand zurückgegeben. Vorteil dieser Lösung ist, dass keine Kapitalinvestitionen des Gebäudeeigentümers nötig sind. Sofern der Gebäudeeigentümer seinen Eigenverbrauch mit der PV-Anlage abdecken will, zugleich aber nicht weiter in den Anlagenbetrieb involviert werden möchte, bietet sich eine Dachverpachtung mit Contracting-Modell an. Dabei kann gegen eine monatliche Gebühr eine Eigenverbrauchslösung realisiert werden.
Eigenverbrauch mit Überschusseinspeisung
Besonders attraktiv ist die Gestaltung des Eigenverbrauchs. Hintergrund ist, dass der Strommarkt sich in einer anhaltenden Hochpreisphase mit nie dagewesenen Letztverbraucherpreisen befindet. Dies wird sich auf absehbare Zeit voraussichtlich nicht ändern. Demgegenüber sind die PV-Gestehungskosten auf einem Allzeittief und im Leistungsbereich über 30 kWp sogar niedriger als die statistischen mittleren Gewerbe- und Industriekundentarife. Die betrachteten Stromgestehungskosten aus PV-Anlagen sind teilweise sogar niedriger als die Stromgroßhandelspreise. Jede selbstverbrauchte Kilowattstunde Solarstrom verdrängt teureren Strombezug aus dem Netz. Häufig ist die Einsparung je kWh hierbei höher als die Einspeisevergütung bei einer Volleinspeisung, weshalb die Erhöhung des Eigenverbrauchsanteils die Wirtschaftlichkeit erhöht. Der Eigenverbrauch wird deshalb vom Gesetzgeber gefördert, indem bestimmte Kosten wie Netzentgelte, Konzessionsabgabe, Stromsteuer sowie die Netzumlagen ganz oder teilweise entfallen. Falls mehr Strom erzeugt als selbst verbraucht wird, kann dieser Anteil in das Netz der allgemeinen Versorgung eingespeist werden (Überschusseinspeisung). Dafür erhält der Anlagenbetreiber eine Einspeisevergütung.
Volleinspeisung
In diesem Fall ist der Dacheigentümer auch Betreiber der PV-Anlage. Der gesamte erzeugte Strom wird in das Netz der Allgemeinen Versorgung eingespeist und der Anlagenbetreiber erhält für jede eingespeiste kWh die sog. Einspeisevergütung. Allerdings sinkt diese garantierte Vergütung mit zunehmender Größe der Anlage, denn mit steigender Anlagengröße sinken die Systemkosten. Anlagen ab 100 kWp sind im Regelfall zur Direktvermarktung verpflichtet. Der erzeugte Strom wird hierbei direkt an der Strombörse verkauft und der Betreiber erhält die erzielten Erlöse abzüglich eines Vermarktungsentgelts (Sokianos et al 2022, Uhland et al 2021, ERLP 2017).
Technologien
Solarzellen aus kristallinem Silizium
Solarzellen aus kristallinem Silizium werden mit über 90 Prozent am häufigsten verbaut. Als Ausgangsmaterial für ihre Herstellung dient Siliziumdioxid (SiO2) das als Quarzsand oder Quarzkristall abgebaut wird
Aus SiO2 wird in einem mehrstufigen und sehr energieaufwendigen Verfahren hochreines polykristallines Silizium (poly-Si) mit einer Reinheit von 99, 99999 Prozent hergestellt. Die Herstellung erfolgt in einem Lichtbogenofen bei Temperaturen von etwa 2.000 °C. Entsprechend ist die Errichtung von Anlagen zur Herstellung von hochreinem Solarsilizium besonders kapitalintensiv. In Blöcke gegossen dient das Solarsilizium als Ausgangsmaterial für poly-Si-Solarzellen. Aus eingeschmolzenen poly-Si können in einem weiteren Schritt Silizium-Einkristalle (mono-Si) gezogen werden. Die gewonnenen poly-Si-Blöcke oder mono-Si-Blöcke (Si-Einkristalle) werden in etwa 0,2 mm dicke Scheiben («Wafer») gesägt und in einer Abfolge von mehreren Prozessschritten zu Solarzellen weiterverarbeitet Häberle (2010). Solarmodule aus monokristallinem bzw. polykristallinem Silizium haben als bereits lange bewährte Technologie die höchsten Marktanteile. Ihre Vorteile sind die hohen Wirkungsgrade und die gute Verfügbarkeit des Ausgangsmaterials. Nachteilig ist ihr hohes Gewicht und Einschränkungen hinsichtlich der Modulgeometrie.
Dünnschicht-Solarmodule
Der Herstellungsprozess der Dünnschicht-Solarmodule unterscheidet sich grundsätzlich von dem der Solarmodule aus kristallinem Silizium. Zwar bestehen die Solarzellen ebenfalls aus elektrischen Kontakten und einem absorbierenden Material, in dem im Zusammenspiel mit weiteren Schichten auch die Trennung der Ladungsträger stattfindet. Diese Schichtstapel werden aber direkt aus einem Trägermaterial hergestellt. Die Dicke der Schichtstapel liegt in der Regel unter 5 µm, wobei die -lichtabsorbierende Schicht nur 1-3 µm einnimmt, also etwa hundertmal weniger als bei den Solarzellen aus kristallinem Silizium. Damit sinkt nicht nur der Materialaufwand deutlich, sondern auch die für die Herstellung benötigte Energie. Dadurch lassen sich auch Dünnschichtmodule deutlich einfacher und kostengünstiger produzieren als ein übliches kristallines Photovoltaikmodul
Als Trägermaterial können, je nach Technologie, Glas, Metall- oder Kunststofffolien eingesetzt werden. Werden flexible Trägermaterialien verwendet, lassen sich schnelle Rolle-zu-Rolle-Verfahren für die Herstellung der Schichten in der Fertigung nutzen. Als Schichtmaterialien kommen insbesondere Halbleitermaterialien wie Galiumarsenid (GaAs), Cadmiumtellurid (CdTe) oder Kupfer-Indium-Gallium-Diselenid (CIGS) zum Einsatz. Vorteile der Dünnschichtzellen sind ihr geringes Gewicht, ihre guten Erträge bei diffusem und schlechtem sowie die schnelle energetische Amortisation aufgrund des geringen Energieeinsatzes bei ihrer Herstellung. Ein weiterer Vorteil ist ihre Flexibilität, welche bei entsprechenden Substraten flexible sowie weitgehend beliebige Modulformen erlauben, was sie besonders für die Fassadenintegration geeignet macht. Nachteilig ist der im Vergleich zu kristallinen Zellen geringere Wirkungsgrad, der wiederum einen erhöhten Flächenbedarf bedingt. Zudem ist der alterungsbedingte Leistungsabfall höher. Nachteilig sind ferner die teilweise nur begrenzten Rohstoffe wie z. B. Indium sowie die eingeschränkte Recyclierbarkeit des Schichtmaterials.
Weitere Technologien mit hohem Potenzial
Andere Technologien, die auf dem PV-Markt noch nicht messbar sind, aber ein hohes Potenzial haben, sind Farbstoffsolarzellen (auch Grätzel-Solarzellen genannt), organische Solarzellen, Hybridkollektoren und hocheffiziente Solarzellen in Kombination mit einer Optik, die das Sonnenlicht auf die Solarzellen bündelt (Konzentrator-Solarzellen).
Anlagenarten
Hauptsächlich gibt es zwei Arten für Photovoltaikanlagen:
- Aufdachmontage
- Bodenmontage (Freiflächenmontage)
Als dritte Art kann die gebäudeintegrierte Photovoltaik aufgefasst werden, bei der die Module direkt in ein Gebäude z. B. als Fassade integriert sind.
Aufdach Anlagen
Aufdach-Photovoltaikanlagen sind eine weit verbreitete Möglichkeit für Eigenheime, Unternehmen und öffentliche Gebäude ihren eigenen Strom zu erzeugen. Inzwischen sind PV-Anlagen nicht nur weit verbreitet, sondern auch zu einer Art Symbol für grüne Energie, zukunftsorientiertes Denken und Energiebewusstsein geworden. Nicht zuletzt steigert eine Photovoltaikanlage auf dem Hausdach auch den Wert eines Gebäudes. Vorteilig ist insbesondere
- Das vorhandene Dach kann optimal genutzt werden.
- Das Dach wird vor eventuellen Umwelteinwirkungen zusätzlich geschützt.
- Aufdachmontierte Anlagen sind meist schnell und einfach zu installieren
- Geringer Wartungsaufwand
Nachteilig ist demgegenüber
- Erstinstallationskosten
- Mögliche Dachmodifikationen, bevor die Installation überhaupt durchgeführt werden kann.
- Platzbeschränkungen, abhängig von der Größe und Beschaffenheit des Daches
- Der unveränderbare Winkel und die Ausrichtung der Dachebenen
Bodenmontierte Anlagen
Bodenmontierte Photovoltaikanlagen sind inzwischen ebenfalls weit verbreitet, werden aber vorwiegend von großen Unternehmen bzw. Energieanbietern genutzt. Diese Anlagen arbeiten oftmals mit einer Nachführung. Diese sorgt dafür, dass die Ausrichtung der Solarmodule dem Lauf der Sonne folgt. Somit kann mehr Sonnenlicht erfasst werden, als mit herkömmlichen und fest installierten Photovoltaikanlagen. Vorteile bodenmontierter Anlagen sind (Wirth, 2022; Ritter et al, 2021):
- Aufgrund ihrer Größe ist auch eine größer dimensionierte Stromerzeugung möglich.
- Bodenmontierte Anlagen haben die Möglichkeit die festen Winkelbeschränkungen – wie sie bei der Aufdachmontage gegeben sind – zu umgehen
- Einfache Wartung aufgrund des leichteren Zuganges
Nachteilig ist demgegenüber:
- Bodenmontierte Anlagen nehmen sehr viel Fläche ein, die möglicherweise umgewidmet werden muss.
- Riesige Freiflächenanlagen sind optisch auffällig, was zu Konflikten mit dem gewünschten Landschaftsbild führen kann.
Windkraft
Unter Windkraft wird die großtechnische Nutzung der Bewegungsenergie des Windes verstanden. Unterschieden wird zwischen der Offshore (auf dem Meer) und der Onshore (an Land) Nutzung der Windenergie. Die typischen Komponenten einer Windkraftanale ist der Turm, die Rotoren und die Gondel in der die Bewegungsenergie der Rotoren mit Hilfe eines Generators in elektrischen Strom umgewandelt wird. Im Jahr 2021 betrug der Anteil der Windkraft ca. 50 Prozent am gesamten in Deutschland erzeugten erneuerbaren Strom (Stromreport 2022). Der Ausbau hat wesentlich in den Jahren von 2000 bis 2017 stattgefunden. Seitdem ist der Zuwachs geringer, weil sich lokal viele Menschen gegen Windkraftanlagen wehren. Seit Ausbruch des Ukraine-Krieges und dem damit verbundenen Gaslieferstopp Rußlands, sowie seit den deutlichen Auswirkungen der Klimakrise (Waldbrände, Flut), werden wieder höhere Ausbauziele der Windenergie genannt.
Wärme
Solarwärme
Für die Bereitstellung und Nutzung von Solarwärme kommen verschiedene Techniken bis hin zu Solarkraftwerken (BINE 2013) in Frage. Letztere konzentrieren großflächig das Sonnenlicht und die konzentrierte Solarwärme wird zur Verdampfung von Wasser genutzt das anschließend mit Turbinen und Generator Strom erzeugt. Eine Besonderheit stellen Aufwindkraftwerke dar. Sie bestehen aus hohen Hohltürmen in denen durch die natürliche Konvektion wie in einem Kamin ein solar erwärmter Aufwind entsteht, der über eine Turbine Strom erzeugt (Kruse 2008). Allerdings sind derartige Solarkraftwerke auf eine starke Sonneneinstrahlung über 1.500 W/m2 angewiesen. In der mitteleuropäischen Strahlungszone mit 700–900 W/m² werden zur Erzeugung solarer Wärme Kollektoranlagen genutzt. Sie wandeln das die Strahlungsenergie des Sonnenlichts in Wärme um, die wiederum an ein flüssiges Medium abgegeben wird. (vgl. Viessmann o. J.). Es gibt Flachkollektoren mit Kupferschlangen als Absorber und Vakuum-Röhrenkollektoren mit Kupferbändern als Absorber. Kleine Anlagen dienen zur Warmwassererzeugung und Heizungsunterstützung für Wohnungen (insbesondere Eigenheime), große Anlagen können auch ausreichende Wärme für gewerbliche Objekte bereitstellen.
Die wichtigsten Komponenten einer Kollektoranlage sind die eigentlichen Kollektoren, das Speichergefäß und die Einbindung.
Kollektortechnologien
Je nachdem, wofür Solarwärme genutzt werden soll und bei welchem Temperaturniveau dies erfolgt, können unterschiedliche Kollektoren genutzt werden. Zusammen mit einem Wärmespeicher kann dann insbesondere in den Sommermonaten ein erheblicher Teil des Wärmebedarfs mit Solarenergie CO2-frei bereitgestellt werden.
- Niedertemperatur-Absorber: Bei der einfachsten Kollektorart, dem Niedertemperatur-Absorber, werden Absorbermatten aus speziellen organischen Materialien (Kunststoffe, EPDM) genutzt, um das Solarfluid zu erwärmen. Der Temperaturbereich, bei dem diese Kollektoren sinnvoll eingesetzt werden können, geht bis etwa 40 °C und ist demnach gut zur Vorwärmung kalter Flüssigkeiten bis auf Umgebungstemperatur oder als Wärmequelle in Kombination mit Wärmepumpen geeignet.
- Flachkollektoren: Bei Flachkollektoren ist der metallische Solarabsorber zwischen einer transparenten Abdeckung und einer Wärmedämmung eingefasst. Dies minimiert die Wärmeverluste des Kollektors, wodurch in Abhängigkeit der Bauart Nutztemperaturen bis 100 °C effizient bereitgestellt werden können. Das Spektrum reicht von kompakten Kollektormodulen mit ca. 2 m² bis hin zu Großflächenkollektoren mit 10 bis 12 m²
- Vakuumröhrenkollektoren: Bei Vakuumröhrenkollektoren können die Wärmeverluste durch Konvektion und Wärmeleitung deutlich reduziert werden, wodurch bei höheren Temperaturen teils deutlich höhere Erträge erzielt werden können. Je nachdem ob diese Kollektorbauart mit einem rückseitigen Spiegel versehen ist (CPC-Kollektor) oder nicht, liegt der sinnvolle Einsatzbereich dieser Kollektoren bei bis zu 80..130 °C. Vakuumröhrenkollektoren können direkt durchströmt sein oder nach dem Heat-Pipe-Prinzip funktionieren.
- Luftkollektoren: Luftkollektoren verzichten auf ein flüssiges Wärmeträgermedium und eignen sich daher besonders für Trocknungsanwendungen. Luftkollektoren sind als Röhrenkollektoren (beidseitig offene Sydney-Röhren) oder Flachkollektoren mit offenen Stirnseiten erhältlich.
- Konzentrierende Kollektoren: Für Regionen mit hoher Direktstrahlung können konzentrierende Kollektoren verwendet werden, die mittels Spiegel (wie bei dem hier abgebildeten Fresnelkollektor) oder Linsen die eintreffende Sonnenstrahlung auf einen Absorber konzentrieren. Hierzu müssen die Spiegelflächen kontinuierlich der Sonne nachgeführt werden. Der Temperaturbereich dieser Kollektorbauart liegt typischerweise bei 150-400 °C.
Speicherung
In der Regel ist ein Pufferspeicher zentraler Bestandteil einer solaren Prozesswärmeanlage, da das Solarangebot nicht immer mit dem Wärmebedarf der zu versorgenden Verbrauchsstellen zeitlich übereinstimmt. Neben sogenannten Schwachlastphasen innerhalb eines Produktionstages können dies auch ganze Tage ohne Wärmebedarf, z. B. am Wochenende sein. Da bei den meisten Anwendungsfällen in Industrie und Gewerbe am Wochenende kein oder nur ein sehr geringer Wärmebedarf vorhanden ist, sollte ein Pufferspeicher derart dimensioniert werden, dass er den Solarertrag von mindestens einem Tag speichern kann.
Je nach Kollektorfläche und spezifischen Rahmenbedingungen der Wärmesenke können für einen effizienten Anlagenbetrieb unterschiedlich große Speichervolumina erforderlich sein. Es sollte stets angestrebt werden, das erforderliche Volumen mit einem einzelnen Speicher innerhalb des Gebäudes zu realisieren. Neben der optimalen Be- und Entladung, einer verbesserten Temperaturschichtung und geringen Wärmeverlusten, ist diese Variante im Regelfall auch kostengünstig.
Zur Einbindung des Speichers gibt es mehrere Möglichkeiten: Typischerweise wird der mit einem Wasser-Glykol-Gemisch betriebene Solarkreis durch einen Wärmeübertrager vom Speicherkreis getrennt. Für die Einspeisung des aufgewärmten Wassers in den Speicher werden häufig zwei Anschlüsse an unterschiedlichen Höhen des Speichers vorgesehen.
Einbindung von Solarwärme
Bei der Einbindung von Solarwärme lässt sich grundsätzlich die Versorgungs- von der Prozessebene unterscheiden. Viele Industrie- oder Gewerbebetriebe haben ein zentrales Kesselhaus zur Erzeugung und ein Rohrnetz zur Verteilung der Wärme an die Verbrauchsstellen. Je nach Nutztemperatur wird die Wärme über Dampf (140-200 °C), Heißwasser (90-160 °C) oder Warmwasser (<100 °C) verteilt und direkt oder indirekt über einen Wärmeüberträger an die Wärmesenke abgegeben.
Um vor allem bei größeren Betrieben herauszufinden, an welchem Punkt die Einbindung von Solarwärme am sinnvollsten ist, sollten die vorhandenen Wärmesenken gegenübergestellt und verglichen werden. Die drei wichtigsten Kriterien für einen Vergleich sind dabei die Temperatur, das Lastprofil und der Aufwand zur Einbindung der Solarwärme in das bestehende System (Uni Kassel 2022).
Bioenergie
Unter Bioenergie wird die energetische Nutzung biogener Energieträger verstanden. Biogene Energieträger sind pflanzlicher oder tierischer Herkunft. Zu den typischen biogenen Energieträgern zählen Holz und Stroh sowie ihre Derivate wie Holzschnitzel- oder -pellets aber auch Biogas aus der Vergärung von Bioabfällen, Ernterückständen oder von tierischen Abfällen wie Mist und Gülle Exkremente. Obwohl bei der Verbrennung von Biomasse oder Biogas CO2 frei gesetzt wird, ist die Erzeugung und Nutzung von Bioenergie klimaneutral, denn das freigesetzte CO2 wurde während des Pflanzenwachstums der Atmosphäre entzogen. Allerdings verursacht die Verbrennung von Biomasse auch Emissionen weiterer Luftschadstoffe wie NOX und insbesondere von Feinstaub.
Der typische Einsatz von Biogas zur Energieerzeugung erfolgt über Blockheizkraftwerke (BHKW), die sowohl Wärme als auch Strom erzeugen. Problematisch ist der Anbau von Energiepflanzen wie z. B. Mais, Raps, Futterrüben, Hanf, Chinaschilf, schnellwachsende Bäume (Pappeln, Weiden), Zuckerrohr und Algen. In der Regel erfolgt deren Anbau in schnellwachsenden Monokulturen und haben damit einen erheblichen Einfluss auf Landschaft und Boden. Zudem kann der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zum Verlust von Biodiversität, die Düngung zur Belastung des Grundwassers und der Verbrauch von Trinkwasser zur regionalen Verknappung von Wasser führen (vgl. BUND o. J. ) Des Weiteren ist der energetische Wirkungsgrad der Biomassenproduktion mit 0,5 – 1,5 Prozent (Pflanzenforschung 2020) wesentlich geringer als der von Photovoltaik, der in der Regel 15 – 22 Prozent beträgt (Eigensonne o. J.).
Entsprechend vertritt das Umweltbundesamt die Auffassung, dass die Verbrennung von Biomasse kein Wachstumspotenzial mehr besitzt, sondern viel mehr auf ein „naturverträgliches Maß“ begrenzt werden muss (UBA 2021b).
Hingegen kann die Erzeugung von Biogas aus Gülle und Mist, solange diese aufgrund der hohen Nachfrage nach tierischem Protein in großen Mengen anfallen, einen wichtigen Beitrag vor allem zur Wärmeerzeugung leisten.
Insgesamt ergeben sich jedoch erhebliche Zielkonflikte zwischen Energiegewinnung, Futtermittellanbau und Produktion von Nahrungsmitteln hinsichtlich der begrenzten Ressource “Fläche”.
Damit steht die Energiegewinnung durch den Anbau von Energiepflanzen im Konflikt zum SDG 2 “Kein Hunger”. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Ausbau der energetischen Biomassenutzung aus Agrarpflanzen, die auch der Ernährung dienen können (Mais, Getreide), eine nicht verantwortbare Flächenkonkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion darstellt und damit im direkten Konflikt zum SDG 2 “Kein Hunger” steht. Wenn der Bezug von EE-Strom besonders nachhaltig sein soll, ist daher darauf zu achten, dass er aus möglichst aktuell neuen effizienten Wind- oder Solaranlagen stammt. Dieser Strom wird von von verschiedenen Einrichtungen wie dem TÜV oder dem Grüner Strom Label e.V. zertifiziert (Ökostromanbieter o. J.)
Erd- und Umgebungswärme
Eine Möglichkeit der Wärmeerzeugung ist die Nutzung von Temperaturunterschieden. Dazu werden Wärmepumpen eingesetzt die den Temperaturunterschied die z. B. zwischen Gebäuden und ihrer Umgebung oder dem Erreich ausnutzen. Eine Wärmepumpe funktioniert wie ein Kühlschrank oder einer Klimaanlage (Tagesschau 2022). Die Pumpe entzieht der Umgebung (z. B. dem Erdreich) mit einem Kältemittel Wärme und kühlt sie dabei ab. Ein Kompressor verdichtet das Kältemittel und erhöht dabei dessen Temperatur die dann zur Raumheizung genutzt wird. Das Kältemittel kondensiert dabei und gibt die Wärme frei. In einem Ventil verdampft das Kühlmittel wieder, kühlt sich dabei stark ab und kann aufs Neue der Umgebung Wärme entziehen. Zum Antrieb einer Wärmepumpe wird jedoch elektrischer Strom benötigt. Dieser sollte dann aus Klimaschutzgründen aus erneuerbaren Energieträgern wie Sonne oder Wind erzeugt werden. Bei der Nutzung von Erdwärme wird zwischen Tiefengeothermie und Oberflächennaher Geothermie unterschieden.
Die Oberflächennahe Geothermie nutzt den Untergrund bis zu einer Tiefe von ca. 400 m und Temperaturen von bis zu 25 °C für das Beheizen und Kühlen von Gebäuden, technischen Anlagen oder Infrastruktureinrichtungen. Hierzu wird die Wärme oder Kühlenergie aus den oberen Erd- und Gesteinsschichten oder aus dem Grundwasser gewonnen. Neben klassischen Anwendungsformen zur Bereitstellung von Raumwärme und Warmwasser wird die Oberflächennahe Geothermie auch zur Beheizung von Gewächshäusern sowie zur Enteisung von Weichen oder Parkplätzen eingesetzt. Als Tiefengeothermie bezeichnet man die Nutzung der Erdwärme in Tiefen zwischen 400 und 5.000 Metern. Im Vergleich zur oberflächennahen Geothermie sind dort die Temperaturen weitaus höher. Neben der Wärmeversorgung ist Tiefengeothermie auch für die Stromerzeugung nutzbar. Ab einer Temperatur von etwa 90 Grad Celsius ist eine wirtschaftliche Stromerzeugung möglich. Der Vorteil der Geothermie ist ihre ständige Verfügbarkeit. Die geothermische Stromerzeugung in Deutschland steht noch am Anfang. Bis heute sind nur wenige Anlagen, vor allem in Süd- und Südwestdeutschland in Betrieb.
Umgebungswärme umfasst sowohl Umweltwärme als auch oberflächennahe Geothermie. Umweltwärme schließt die in bodennahen Luftschichten („aerothermische Umweltwärme“) und in Oberflächengewässern („hydrothermische Umweltwärme“) entnommene und technisch nutzbar gemachte Wärme ein. Für die Nutzung werden Sonden ins Erdreich eingeführt oder Matten benutzt, die weniger als 2 Meter unter der Erdoberfläche verlegt werden. Möglich sind auch Luft–Wärmepumpen, die der Umgebungsluft die Wärme entziehen. Die Nutzung von Umgebungswärme erfolgt überwiegend im Wohnungssektor und ist insbesondere bei Ein- und Zweifamilienhäuser verbreitet. Möglich sind aber auch größere Gebäude wie der Bundestag (Deutscher Bundestag o. J.).
Mobilität
Im Rahmen der sogenannten Verkehrswende spielt die Dekarbonisierung der Antriebe eine zentrale Rolle, denn die Treibhausgasemissionen der Mobilität sind, mit rund 149 Mio. t CO2-Äq bzw. fast 20 Prozent aller CO2-Emissionen allein in Deutschland im Jahr 2021, maßgeblich für den Klimawandel verantwortlich (UBA 2022). Differenziert nach verschiedenen Verkehrsarten zeigt sich, dass der Straßengüterverkehr 2020 rund 46 Mio. t CO2-Äq bzw. 30 Prozent der Verkehrsemissionen verursacht (ebd.) hat. Es sind somit zwei Trends wirksam: Zum einen eine Minderung der Emissionen (insbesondere der Schadstoffe), die aber bei LKWs deutlich größer sind (-32 Prozent) als bei PKWs (-5 Prozent). Zum anderen stieg für beide die Zahl der gefahrenen Kilometer – die PKW-Fahrleistung hat sich seit 1995 verdoppelt, die des Güterverkehrs per LKW ist um 74 Prozent gestiegen (ebd.).
Zum anderen ist die Wahl der Verkehrsmittel entlang der Wertschöpfungskette von Relevanz. Die Emissionen aus der Logistik können leicht mit Hilfe kostenloser Online Tools ermittelt werden wie z. B. mit carboncare (ebd. o. J.), welches die Emissionen nach EN16258-Standard berechnet. Darin ist auch der Emissionsanteil des Kraftstoffes selbst enthalten, der bei dessen Förderung, Aufbereitung und Verteilung entsteht, eingeschlossen. Die folgende Tabelle stellt beispielhaft die CO2– Emissionen unterschiedliche Transportmittel dar, die bei einem Transport von einer Tonne Gewicht von Shanghai nach Berlin freigesetzt werden. Die Datenauswertung zeigt deutlich, dass Ferntransporte per Schiff zu den energieeffizientesten Transporten gehören, denn bereits 1.000 km per Lkw emittieren genau so viel CO2 wie bei 20.000 km Schiffstransport freigesetzt werden. Die Daten zeigen auch, dass selbst bei einem Transport von Elektronikbauteilen mit geringem Gewicht per Flugzeug, um ein Vielfaches mehr CO2 freigesetzt wird als ein Transport mit anderen Verkehrsmitteln.
Die Wahl der Transportmittel hat einen unmittelbaren Einfluss auf die Treibhausgasemissionen, wie folgende Tabelle zeigt (Statista 2022b, UBA 2021b, FIS 2012, carboncare o.J):
Transportmittel | Durchschnittliche CO2-Emissionen pro Tonnenkilometer in Gramm |
Hochsee-Massengutfrachter (UBA bzw. carboncare) | 17 bzw. 6-7 |
LKW (alle Quellen) | 105 bis 118 |
Binnenschiff (FIS 2012, Statista 2022b und UBA 2021b) | 30 – 33 |
Güterzug (UBA 2021b und Statista 2022b) | 16 bis 17 |
Im Kern geht es dabei bei der Dekarbonisierung der Mobilität darum, die Verbrennung fossiler Kraftstoffe wie Benzin, Diesel und Kerosin durch biogene Kraftstoffe, Wasserstoff oder elektrischen Strom zu ersetzen. Im Weiteren werden die zentralen Option zur Dekarbonisierung der Mobilität beschrieben:
Biogene Kraftstoffe
Bei biogenen Kraftstoffen handelt es sich um flüssige Energieträger die aus Pflanzen, Pflanzenresten und -abfällen oder Gülle statt aus Erdöl gewonnen werden. Die Antriebstechnik ist vergleichbar mit konventionellen Verbrennungsmotoren mit der Ausnahme, dass das bei der Verbrennung entstehende CO2 klimaneutral ist, denn die bei der Verbrennung freigesetzte CO2-Menge entspricht in etwa derjenigen Menge welche die Pflanze während ihres Wachstums mittels Photosynthese der Atmosphäre entzogen hatte.
Wasserstoff
Bei der Nutzung von Wasserstoff in Fahrzeugen ist von entscheidender Bedeutung, dass dieser mit elektrischem Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt wird, ein sogenannter grüner Wasserstoff- denn nur dann ist sein Einsatz in Fahrzeugen CO2-frei und damit klimaneutral. Die Herstellung von grünem Wasserstoff erfolgt mittels Elektrolyse von Wasser. Bei dem dazu eingesetzten elektrischen Strom handelt es sich oftmals um Strom aus Offshore-Windkraftanlagen, bei dem der Wasserstoff als Speicher genutzt wird und auf diese Weise eine zeitliche und örtliche Entkopplung zwischen Erzeugung und Verbrauch erreicht wird sowie kostenintensive Übertragungsleitungen überflüssig werden. Die Nutzung von grünem Wasserstoff in Fahrzeugen erfolgt in Brennstoffzellen. Diese kann als umgekehrte Elektrolyse aufgefasst werden, bei der der Wasserstoff wieder mit Sauerstoff zu Wasser reagiert und dabei elektrischer Strom entsteht.
Elektromobilität
Als Elektromobilität wird schließlich die Nutzung von elektrischem Strom zum Antrieb von Fahrzeugen bezeichnet. Dabei wird elektrischer Strom in Batterien geladen, die im Fahrbetrieb ihre Energie wiederum an einen Elektromotor abgeben. Von entscheidender Bedeutung ist, dass der elektrische Strom zur Beladung der Fahrzeugbatterie mit erneuerbaren Energien erzeugt wird. Für die Elektromobilität gibt es zahlreiche Mischformen. Im einzelne lassen sich dabei unterscheiden:
- Mild Hybrid: Ein Mild-Hybrid-Fahrzeug (mHEV) wird von einem Verbrennungsmotor angetrieben, der einen Elektromotor mit Energie versorgt. Dieser kann die Energie speichern und in geeigneten Situationen nutzen. Das sorgt für eine Ersparnis von bis zu einem Liter auf 100 Kilometern.
- Vollhybrid: Ein Vollhybrid (sHEV) hat einen Verbrennungs- und einen batteriebetriebenen Motor. Bei niedrigen Geschwindigkeiten bis zu 50 km/h und auf kurzen Strecken bis ca. 3 km ist ein reiner Elektroantrieb möglich. Die für den Betrieb des Elektromotors erforderliche Elektrizität wird vom Verbrennungsmotor erzeugt.
- Plug-in Hybrid: Im Vergleich zum Vollhybrid kann ein Plug-in-Hybridfahrzeug (PHEV) rein elektrisch schneller und weiter fahren. Der Verbrennungsmotor lädt die Batterie auf, wenn die Leistung nicht ausreicht. Der Akku kann über ein externes Netzteil geladen werden.
- Elektrofahrzeuge mit Range Extender: Elektrofahrzeuge mit Range Extender (E-REV) sind batteriebetriebene Fahrzeuge mit zusätzlichem kleinem Verbrennungsmotor und Generator. Diese nennt man Range Extender. Der Verbrennungsmotor springt nur an, um zusätzlichen Strom für die Batterie zu erzeugen. Im Unterschied zum Hybridantrieb treibt er das Fahrzeug aber nicht direkt an.
- Elektroauto mit Batterie: Ein vollelektrisches Fahrzeug (BEV) wird ausschließlich von einem batteriebetriebenen Elektromotor angetrieben. Der wird über das Stromnetz aufgeladen, das heißt: er benötigt keinen fossilen Kraftstoff. Dadurch fährt das Fahrzeug zu 100 Prozent emissionsfrei.
- Elektroauto mit Brennstoffzelle: Ein Brennstoffzellenauto (FCEV) wird ausschließlich von einem Elektromotor angetrieben. Im Gegensatz zum vollelektrischen Fahrzeug wird der Strom nicht mit Batterien, sondern mit Wasserstoffbrennstoffzellen erzeugt. Wasserstoff-Brennstoffzellen erzeugen Strom, indem sie Wasserstoff mit Sauerstoff kombinieren. Auch ein Auto mit Brennstoffzelle ist lokal zu 100 Prozent emissionsfrei.
Geschäftsreisen
Bei Geschäftsreisen besteht vielfach die Wahl zwischen Bahn und Pkw-Nutzung, wobei die PKW-Nutzung im Mittel zum Vier- bis Fünffachen an CO2-Emissionen führt (Mein Klimaschutz o. J.). Bei innerdeutschen Flügen ist man oder Frau aufgrund der langen Check-In-Zeiten im Prinzip kaum schneller als mit der Bahn. Hier kann der UmweltMobilCheck der Deutschen Bahn eine Orientierung geben (Deutsche Bahn o. J.). Eine Fahrt von Berlin nach Hamburg führt bei Pkw-Nutzung zu etwa 54 kg CO2-Äq, bei Bahnnutzung zu 0,03 kg CO2-Äq.
Sollten Geschäftsreisen mit dem Flugzeug gelegentlich unvermeidbar sein, bieten sich Kompensationsmodelle zum Ausgleich der Klimawirkung an, bei denen eine Klimakompensation erfolgt. Hierbei wird ein Geldbetrag entsprechend der verursachten Emissionen überwiesen und dieser wird in Klimaschutzprojekte investiert z. B. in den Moorschutz oder Wiederaufforstung (vgl. atmosfair o. J.). Bei einem Hin-und Rückflug von Berlin nach Shanghai entstehen ca. 4.800 kg CO2 Emissionen. Diese können durch 111 € Ausgleichszahlung kompensiert werden.
Fuhrpark für den motorisierten Individualverkehr
Der motorisierte Individualverkehr (MIV) wird mit PKW´s durchgeführt. Alle Unternehmen besitzen zumindest ein Fahrzeug für den Geschäftsführer, größere Unternehmen stellen Dienstfahrzeuge, große Unternehmen haben ganze Fahrzeugflotten. Laut Statista gab es 2020 mehr als 5 Millionen PKW’s mit einem gewerblichen Fahrzeughalter (ca. 11 Prozent des Fahrzeugbestandes, Statista 2022b). Um die Emissionen im Verkehr deutlich zu reduzieren – dies ist unbedingt notwendig, um die international vereinbarten Klimaziele zu erreichen – muss der Fuhrpark auf emissionsarme Fahrzeuge umgestellt werden. Bei der Umstellung des betrieblichen Fuhrparks von Fahrzeugen mit (fossilen) Verbrennungsmotoren auf alternative Antriebskonzepte stehen derzeit Elektrofahrzeuge mit unterschiedlichen Antriebskonzepten, Wasserstofffahrzeuge mit Brennstoffzellen sowie die Nutzung biogener Kraftstoffe in der Diskussion:
- Hybrid-Fahrzeuge: Es gibt verschiedene Typen wie Mild-Hybrid, Voll-Hybrid, Plug-in-Hybrid oder Range Extender, die einen mehr oder weniger starken Verbrenner mit einem Elektroantrieb kombinieren. Solange die Reichweite reiner E-Autos noch begrenzt ist, wird es auch diese Fahrzeuge geben.
- Elektroauto mit Batterie: Ein vollelektrisches Fahrzeug (BEV) wird ausschließlich von einem batteriebetriebenen Elektromotor angetrieben. Der wird über das Stromnetz aufgeladen, das heißt: er benötigt keinen fossilen Kraftstoff. Dadurch fährt das Fahrzeug zu 100 Prozent emissionsfrei. Allerdings ist hier der Strommix von Bedeutung: Der Anteil von Gas und Kohle führt zu Emissionen bei der Stromerzeugung.
- Elektroauto mit Brennstoffzelle: Ein Brennstoffzellenauto (FCEV) wird ausschließlich von einem Elektromotor angetrieben. Der Strom wird in einer Wasserstoff-Brennstoffzelle erzeugt. Bei der Nutzung von Wasserstoff in Fahrzeugen ist von entscheidender Bedeutung, dass dieser mit elektrischem Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt wird, ein sogenannter grüner Wasserstoff – denn nur dann ist sein Einsatz in Fahrzeugen CO2-frei und damit klimaneutral. Die Herstellung von grünem Wasserstoff erfolgt mittels Elektrolyse von Wasser.
- Biogene Kraftstoffe: Hier wird der Kraftstoff aus Pflanzen erzeugt. Dies können Öl-Pflanzen wie Raps sein, aus denen Biodiesel, oder Zuckerrohr, aus dem Ethanol erzeugt wird. Letzteres ist z. B. in Brasilien eine wichtige Kraftstoffquelle. Die Antriebstechnik ist vergleichbar mit konventionellen Verbrennungsmotoren mit der Ausnahme, dass das bei der Verbrennung entstehende CO2 klimaneutral ist, denn die bei der Verbrennung freigesetzte CO2-Menge entspricht in etwa derjenigen Menge, die die Pflanze während ihres Wachstums mittels Photosynthese der Atmosphäre entzogen hatte.
Wie wird sich die individuelle und die gewerbliche Mobilität der Zukunft gestalten? Vermutlich wird es die Elektromobilität mit Batterien für PKW und kleine Nutzfahrzeuge bis 3,5 Tonnen sein. Von entscheidender Bedeutung ist, dass der elektrische Strom zur Ladung der Fahrzeugbatterie mit erneuerbaren Energien erzeugt wird. Bei LKW in der Klasse ab 7,5 t ist die Frage noch nicht beantwortet – hier konkurrieren Elektromobilität mit Batterien und Fahrzeuge mit Brennstoffzellen noch miteinander.
Nutzungsverhalten
Neben der Umrüstung der Dienstwagen auf elektrische Antriebe sollte auch der individuelle Umgang mit Mobilität überdacht werden. Es können beispielsweise THG-Emissionen eingespart werden, wenn die Mitarbeitenden zu Fuß oder mit dem Rad zum Arbeitsplatz im Handel kommen, sofern aus gesundheitlichen Gründen oder einer zu großen Distanz zum Arbeitsort nichts dagegen spricht. Zudem kann der Betrieb die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel z. B. durch ein Jobticket attraktiver gestalten. Auch die Förderung von Dienstfahrrädern ist in einigen Städten und Kommunen möglich. Zusätzlich ist die Bildung von Fahrgemeinschaften denkbar, wenn es sich von den Arbeitszeiten und den Wegen anbietet. Strecken, die mit dem Auto gefahren werden müssen, sollten optimiert werden (Routenoptimierung), insbesondere gilt dies für den Transport von Waren. Außerdem hat die Fahrgeschwindigkeit einen erheblichen Einfluss auf die ausgestoßenen THG-Emissionen. Laut Umweltbundesamt verursachten im Jahr 2020 Pkw und leichte Nutzfahrzeuge auf Bundesautobahnen in Deutschland THG-Emissionen in Höhe von rund 30,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Durch die Einführung eines generellen Tempolimits von 120 km/h auf Bundesautobahnen würden die Emissionen um jährlich 2,0 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente reduziert und ein Tempolimit von 100 km/h würde sie um 4,3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr mindern (UBA 2022b). Auch ohne generelles Tempolimit kann jede*r die Fahrgeschwindigkeit reduzieren, das spart nicht nur THG-Emissionen sondern auch Kosten ein (mobile.de 2020). Denn bei hohen Geschwindigkeiten verbrauchen Fahrzeuge überdurchschnittlich viel Kraftstoff. Nach Angaben des ADAC verbraucht ein Mittelklasseauto um bis zu zwei Drittel mehr Kraftstoff, wenn es statt 100 km/h mit 160 km/h fährt (ebd.).
Rationelle Energienutzung
Neben dem Einsatz erneuerbarer Energien zählt auch die rationelle Energienutzung zu den Maßnahmen, um das Energiesystem in Richtung Nachhaltigkeit zu transformieren. Typische Handlungsfelder der rationellen Energienutzung sind die Energieeffizienz und das Energiesparen, die beide eng miteinander verknüpft sind.
Energieeffizienz
Bei der Energieeffizienz geht es darum, Geräte und Maschinen zu nutzen, die bei gleicher Funktionserfüllung einen geringeren Energiebedarf haben. Effizienz ist dabei eine relationale Größe, die sich auf mindestens zwei vergleichbare Arten bezieht, Energie zu nutzen. Dann kann bestimmt werden, welche Art effizienter ist. Unter Energieeffizienz wird somit also die rationelle Verwendung von Energie verstanden. Durch optimierte Prozesse sollen „die quantitativen und qualitativen Verluste, die im Einzelnen bei der Wandlung, dem Transport und der Speicherung von Energie“ entstehen, minimiert werden, „um einen vorgegebenen (energetischen) Nutzen bei sinkendem Primär- bzw. Endenergieeinsatz zu erreichen. Nützliche Orientierung, um die Energieeffizienz zu überprüfen, können dabei Kennzeichnungen geben. Im Europäischen Wirtschaftsraum gibt die Energieeffizienzkennzeichnung gemäß Verordnung (EU) 2017/1369 Auskunft über die Energieeffizienz von Elektrogeräten und weiteren Energieverbrauchern. Die Kennzeichnung des Energieverbrauchs erfolgt für verschiedene Gerätegruppen in der EU in Form von Etiketten auf den Geräten und in den Werbematerialien für diese. Ab dem Jahr 2021 erfolgt die Kennzeichnung der Energieeffizienz in Form Effizienzklassen. Deren Skala reicht von „A“ bis „G“, wobei Geräte mit der höchsten Effizienz mit der Kennzeichnung “A” ausgezeichnet werden.
Daneben gibt es zahlreiche weitere Kennzeichen, die auch Auskunft über die Energieeffizienz geben können. Bekannt ist der Energy Star, ein US-amerikanisches Umweltzeichen für energiesparende Geräte, Baustoffe, öffentliche/gewerbliche Gebäude oder Wohnbauten. Der Energy Star bescheinigt z. B. elektrischen Geräten, dass sie die Stromsparkriterien der US-Umweltschutzbehörde EPA und des US-Energieministeriums erfüllen (www.energystar.gov). Auch nationale Umweltzeichen wie der Blaue Engel können, je nach ausgezeichnetem Produkt, auf Grund vergleichsweise besonders hoher Energieeffizienz vergeben werden (www.blauer-engel.de).
Neben der Kennzeichnung von Geräten gibt es noch weitere Kennzeichnungen, die sich an diese anlehnen, so zum Beispiel die Pkw-Energieverbrauchskennzeichnung welche die Bewertung und Kennzeichnung der Energieeffizienz neuer Personenkraftwagen hinsichtlich Kraftstoff- und Stromverbrauch regelt (Pkw-EnVKV 2020).
Energiesparen
Eine weitere Art Energie rationell zu nutzen ist das Energiesparen. Die Abgrenzung des Energiesparens zur Energieeffizienz ist allerdings nicht immer eindeutig, denn die Nutzung eines energieeffizienten Gerätes stellt immer auch eine Energieeinsparung gegenüber einem weniger effizienten Gerät dar. Eine typische Maßnahme, um Energie zu sparen, ist der Verzicht auf den „Stand-by-Betrieb“ von Elektrogeräten. Damit wird vermieden, dass Geräte durchgängig „unter Strom“ stehen und das spart gleichzeitig jährlich mehrere Kilowattstunden ein. Allein in Deutschland kostet der Stromverbrauch durch Leerlaufverluste mehrere Milliarden Euro pro Jahr. EU-weit werden die Leerlaufverluste auf jährlich 51 Mrd. Kilowattstunden geschätzt. Dies entspricht einer Energiemenge, die etwa 14 Großkraftwerke mit jeweils 800 Megawatt Leistung pro Jahr erzeugen und dabei etwa 20 Mio. t CO2 in die Atmosphäre emittieren. Insbesondere elektrische Geräte der Informations- und Kommunikationstechnik, wie sie für die betriebseigene Verwaltung zum Einsatz kommen, aber auch Elektromotoren, Transformatoren, Netzteile und Steckerleisten haben im “Stand-By-Betrieb“ erhebliche Leerlaufverluste die zwischen 8 und bis zu 20 Prozent der elektrischen Nennleistung ausmachen können (UBA o. J.).
Speicherung
Eine zentrale Herausforderung bei der Nutzung erneuerbarer Energie ist ihre Fluktuation, denn Solarstrahlung steht nachts nicht zur Verfügung steht und auch der Wind weht nicht kontinuierlich. Eine ausgeglichene Balance von Stromerzeugung und Stromnachfrage ist aber unabdingbar für die Versorgungssicherheit sowie die Netzstabilität. Um eine gleichmäßige Frequenz im Stromnetz aufrechtzuerhalten, müssen Erzeugung und Nutzung aufeinander abgestimmt werden. Andernfalls muss die Differenz und mögliche Frequenzschwankungen durch die sogenannte Regelenergie ausgeglichen werden. Möglichkeiten dazu sind:
- Abschaltung von EE-Anlagen (geringere Einspeisung)
- Zuschaltung von Speicherkraftwerken (höhere Einspeisung)
- Abschaltung großer Verbraucher (geringere Entnahme)
Die Abschaltung ist aber meist ohne ökologischen Nutzen und zudem unwirtschaftlich. Ferner muss benötigte Regelenergie kostenintensiv im nationalen oder europäischen Verbundnetz eingekauft werden Um dies zu vermeiden, bieten sich Energiespeicher an, die bei Bedarf zugeschaltet werden, wenn nicht genug erneuerbarer Strom zur Verfügung steht. Diese sind:
- Pumpspeicherkraftwerke: Kostengünstig, nur für gebirgige dünn besiedelte Regionen (z. B. Norwegen, Öst. Alpen), benötigen einen Netzanschluss z. B. durch sehr lange und teure DC-Leitungen durch die Ost- und Nordsee
- Druckluft: einfache Technologie, gut nutzbar bei Anbindung an WKA, aber nur begrenztes Speicherpotential und bisher eher ein Forschungsgegenstand
- Schwungräder: einfache Technologie, aber hohe Masse des Rades und noch in der Entwicklung
- chemisch als Wasserstoff: Elektrolyse von Wasser zur Stromerzeugung, gut erforscht für Kleinanlagen, derzeit erfolgt ein großtechnischer Aufbau, wichtiger Zielkonflikt: Wasserstoff ist auch relevant für die Stahl-, Zement- und chemische Industrie sowie zum Antrieb von Lkws (evt. Flugzeuge), teure Technologie
- chemisch als Methan: Elektrolyse von Wasser zur Stromerzeugung, dann Reduktion von CO2 zu Methan (CH4), relevant für Gebäudeheizungen, teuere Technologie
Allen obigen Technologien ist gemeinsam, dass die Umwandlung von Kraft oder innerer Energie immer mit hohen Verlusten verbunden ist, aufgrund der Thermodynamik (Wärmeverluste). Bekannt ist dies auch aus dem geringen Wirkungsgrad von Verbrennungskraftmaschinen (Motoren). Nach derzeitigem Stand der Technik bieten sich als Stromspeicher nur unterschiedliche Batterietypen an. Im Folgenden werden die verschiedenen Technologien besproche und auf Probleme der Nachhaltigkeit eingegangen:
- Lithium-Ionen-Batterien (GRS o. J.) Dieser Batterietyp ist derzeit der wichtigste, sowohl für die Versorgung von Kleingeräten (Mobiltelefone, Tablet, Notebooks, Werkzeuge) als auch für Fahrzeuge und Fahrräder sowie als Hausspeicher (s.a.u.). Batterien im Kleinstbereich und für die Elektromobilität müssen ein geringes Gewicht beim höchsten Energiegehalt haben. Weitere Faktoren sind die Kosten, die Brandsicherheit, die Ladefähigkeit und die Lebensdauer. Bei dieser Batterie übernehmen Lithium-Ionen den Stromtransport, es erfolgt keine chemische Reaktion sondern nur eine Ionen-Einlagerung). Die Kathode enthält Kobalt-Oxid (CoO), die Anode besteht aus Graphit. Als Elektrolyt dienen Li-organische Verbindungen. Die Vorteile sind die höchste Energiedichte aller im großen Maßstab produzierten Batterien, kein Memory- Effekt und eine gute Zyklenfestigkeit. Die Nachteile sind ein hoher Preis, ein aufwändiges Zell-Management aufgrund der geringen Größe und damit verbunden einer hohen Anzahl von Zellen. Aus Sicht der Nachhaltigkeit ist insbesondere die Gewinnung von Cobalt in Sambia und der Demokratischen Republik Kongo, dem wichtigsten aller Lieferländer, sehr gewichtig, da dies meist illegal (FAZ-net 2022, Safe the Children 2022) und unter Zerstörung der Natur abgebaut wird. Lithium hingegen ist ein Salz, das in verschiedenen Ländern in Salzseen vorkommt. Der größte Produzent ist Australien (51.000 t) vor Chile (13.000 t). Hierbei spielt insbesondere die Bereitstellung von Wasser und die Abwasserbehandlung eine gewichtige Rolle, da die Gewinnung meist in ariden Regionen stattfindet. Die bekannten Reserven übersteigen die Bedarfe um ein Vielfaches, Lithium ist somit kein “knappes” Metall (ebd.)
- Lithium-Eisenphosphat-Batterien (Energieexperten 2019; Pylontech o. J.; Chemie-Schule o. J. und RCT Power o. J.): Diese Batterien befinden sich derzeit in einer intensiven Phase der Weiterentwicklung und werden vermutlich ein Ersatz für die Lithium-Ionen-Batterien in vielen Bereichen (Wohnungen, Lkw, gewerbliche Anlagen mit geringeren Stromverbräuchen) sein. Anstelle von Cobalt wird Eisen in der Kathode verwendet, die Anode besteht aus Graphit. Sie benötigen nur Nur 80 g Li (4,5 Gewichts-Prozent, LiCo-Batterien 160 g Li) für 1.000 Wh und haben ein geringes Brandrisiko aufgrund der geringen Energiedichte (<90 Wh/kg) sowie keinen freien Sauerstoff in der Redoxreaktion. Der Memory-Effekt ist vernachlässigbar, der Wirkungsgrad beträgt 93-98 Prozent. Sie haben zudem eine hohe Zyklenfestigkeit (mehr als 6.000) bei geringem Kapazitätsverlust (5 Prozent). Zum Vergleich: Ein Bleiakku hält rund 600 Ladezyklen. Lithium-Phosphat-Batterien werden sowohl für mobile als auch stationäre Anwendungen verwendet, sowohl im Eigenheimbereich als Speicher für PV-Strom bis hin zu Großanlagen. Tesla ist hierbei einer der Vorreiter. Das Unternehmen hat 2017 in Australien den (damaligen) größten Energiespeicher mit Lithium-Batterien errichtet: 100 MW Leistung und 125 MWh Speicherkapazität (Erneuerbare Energien 2021). Inzwischen gibt es aber Speichersystem mit einer Kapazität bis zu 300 MWh (Ingenieur.de 2021).
- Lithium-Mangandioxid (GRS o. J.): Dieser Batterietyp ist besonders wichtig in der Elektronik, da Lithium die größte Kapazität hat (ca. 4 Ah/g). Lithium ist aber auch sehr wasserempfindlich (auch Feuchte), weshalb die Batterien feuchtedicht verkapselt werden müssen. Die Kathode besteht aus Mangandioxid, die Anode aus Lithium, der Elektrolyt ist organisch. Die Vorteile sind eine hohe Energiedichte, sie sind lagerfähig, es findet nur eine geringe Selbstentladung statt und es sind extrem dünne Batterien möglich (0,4 mm). Die Nutzung erfolgt vor allem für Langzeitanwendungen in der Elektronik, bei IKT, in der Messtechnik und der Fotographie. Aus Sicht der Nachhaltigkeit ist anzumerken, dass es Einweg-Batterien sind. Ein Recycling ist prinzipiell möglich, aber die Rückführung ist schwierig weil z. B. Batterien vor allem über Verkaufsstellen gesammelt werden. Mangan ist ein häufiges Metall ohne besondere gefährliche Eigenschaften, es spielt eine wichtige Rolle in der Photosynthese in Pflanzen (ISE o. J.). Es wird aus Erzen gewonnen. Aus der Nachhaltigkeitsperspektive sind derzeit keine besonderen Bedenken vorhanden.
- Redox-Flow-Batterien (RF-Batterie, Batterieforum o. J.; Wikipedia o. J.): Die Basis dieser Batterie ist eine redox-aktive Flüssigkeit in einem Tank, die mit einer zweiten Flüssigkeit in dem anderen Tank (reversibel) reagiert. Ein Beispiel ist eine Vanadium-Salz-Batterie, bei der Vanadium unterschiedliche Oxidationszustände einnimmt. Die Leistung ist unabhängig von der Kapazität von Anolyt und Katolyt, sie ist skalierbar durch das Volumen und den Salzgehalt. Zentral ist eine Ionen-selektive Membran, die den ganzen Prozess erst möglich macht (im Unterschied zu obigen Batterietypen). Der Wirkungsgrad erster Großanlagen soll bei größer 60 Prozent liegen, die Zyklenfestigkeit bei größer 10.000. Vorteile sind die Millisekunden-Ansprechbarkeit, keine Selbstentladung, und die geringen Wartungsaufwand. Der Nachteil ist die geringe Energiedichte (10 – 25 Wh/l). Anwendungsmöglichkeiten sind das Lastmanagement und Möglichkeit für “Back-up-Power”, d.h. die Stabilisierung des Stromnetzes. Die bisher größte Batterie dieses Typs wurde 2013 in China errichtet aus zehn Einheiten a 20 MW und einer Speicherkapazität von 800 MWh (Erneuerbare Energien 2021). Zum Vergleich: Das größte Pumpspeicherkraftwerk in Deutschland (Markersbach) hat eine Speicherkapazität von 4.000 MWh und eine Leistung von 1.050 MW (Vattenfall o. J.). Vanadium ist ein häufiges Metall ohne besondere gefährliche Eigenschaften, es spielt eine wichtige Rolle in der Phosphorylierung in allen Lebewesen. Es wird aus Erzen und Erdölrückständen gewonnen. Aus der Nachhaltigkeitsperspektive sind derzeit keine besonderen Bedenken vorhanden.
Umweltschutz und Arbeitsbedingungen bei der Rohstoffgewinnung
Ohne Frage führt die Nutzung fossiler Energieträger aufgrund des verursachten Klimawandels aber auch der Atomkraft aufgrund der ungelösten Endlagerfrage zu wesentlich größeren Problemen als die Nutzung erneuerbarer Energieträger. Beispielhaft sollen einige wichtige Themen kurz vorgestellt werden.
Fracking
Fracking wird bei der Erdgas- und Erdölgewinnung und zur Erschließung von Tiefengeothermie eingesetzt. Unter hohem Druck wird Wasser mit Zusatzstoffen in das Speichergestein gepumpt, da es von sich aus nicht durchlässig genug ist. Es können Verunreinigungen von Grund- und Trinkwasser sowie Luftemissionen auftreten und es besteht ein hoher Flächen- und Wasserverbrauch. Kritisch sind besonders die eingesetzten Chemikalien, die deshalb in Deutschland stark reglementiert sind. Besonders kritisch ist der Prozess bei der Erdgasförderung, weshalb “die Erdgasgewinnung in Schiefer-, Ton-, Mergel- und Kohleflöz-Gestein (sogenannte unkonventionelle Fracking-Vorhaben) aufgrund der fehlenden Erfahrungen und Kenntnisse in Deutschland grundsätzlich verboten ist.” (UBA 2017).
Feinstaub
Bis Ende des letzten Jahrhunderts waren Smog und saurer Regen mit ihren gesundheitlichen Folgen (Atemwegserkrankungen) bzw. Umweltfolgen (Baumsterben und Versauerung von Gewässern) eine offensichtliche Wirkung der Nutzung fossiler Brennstoffe. Durch Rußfilter, Verwendung schwefelarmer Brennstoffe und der Entschwefelung von Rauchgasen wurden diese Probleme in der EU weitgehend gelöst. Geblieben sind Gesundheitsfolgen durch Feinstaub und Stickoxiden, denen mit neuen Filteranlagen, Katalysatoren, AdBlue und strengen Abgasnormen begegnet wird. Seit 1995 haben sich die als besonders gefährlich geltenden Feinstaubemissionen fast halbiert von ca. 345.000 t auf 180.000 t (Statista 2022). Ein wirksame Alternative gegen Feinstaub ist vor allem der Umstieg auf E-Mobilität, da diese in Elektromotoren nicht entstehen. Allerdings gibt es eine neue konterkarierende Entwicklung: Es werden immer mehr Kaminöfen in Betrieb genommen: Mehr als 11 Millionen (tagesschau 2022). Das Umweltbundesamt sieht diesen Trend sehr kritisch (ebd.): “Die Kaminöfen, die sich immer stärkerer Beliebtheit erfreuen, belasten die Luftqualität beachtlich …Die Feinstaubemissionen aus der Holzverbrennung übersteigen in Deutschland die Auspuffemissionen von Lkw und Pkw bei weitem”.
Flächenkonkurrenz
Flächenkonkurrenz gibt es grundsätzlich für alle Einrichtungen und Aktivitäten. Wo ein Auto prakt, kann kein Fahrrad stehen, wo eine Schule gebaut wird, finden keine Wohngebäude mehr Platz. Bei fossilen Energien ist die im Tagebau gewonnene Braunkohle das offensichtliche Beispiel für Flächenverbrauch und damit Konkurrenz für andere Nutzungen über Jahrzehnte hinweg. Erneuerbare Energien haben eine geringere Energiedichte als (abgebaute) fossile Brennstoffe. Es wird mehr Fläche benötigt, um (pro Jahr) eine bestimmte Menge an Energie zu gewinnen. Deshalb muss beim Umstieg auf die Erneuerbaren besonders auf eine Minimierung des Flächenverbrauchs geachtet werden. Dies geschieht insbesondere durch Doppelnutzung von Flächen, wo immer dies möglich ist (z. B. Solaranlagen auf Hausdächern) und durch die Nutzung biogener Abfallstoffe (Gülle, Mist, Pflanzenreste) zur Biogasgewinnung, die nicht extra angebaut werden müssen. Innerhalb der Erneuerbaren Energien ist Bioenergie besonders flächenintensiv. Ihr Energieertrag liegt zwischen 1,5 und 7 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr [kWhth/m2/a]. Für andere Erneuerbare liegen die Werte z. B. für die bodennahe Geothermie bei 30 – 40 und für Solarwärme bei 100 bis 230 kWhth/m2/a (Dumke, 2017). Photovoltaik liegt mit der Energiedichte in der Nähe von Solarwärme, für Wind ist der Wert noch höher. Hier hängt die Angabe aber davon ab, wie der “Flächenverbrauch” definiert wird. Die Fläche wird zwar bis auf wenige Meter um die Anlage nicht verbraucht, kommt aber bspw. für Wohnnutzung in einem wesentlich größeren Bereich nicht mehr infrage.
Rohstoffe für Akkus
Für den Umstieg auf EE werden allgemein Speichermedien benötigt. Im Strombereich sind dies z. B. Akkus für E-Autos. Bisher erfolgt der Abbau des hierfür meist genutzten Lithiums häufig weder sozial noch umweltverträglich, z. B. in Lateinamerika. Eingesetzte Chemikalien und Schwermetalle werden freigesetzt . Kinderarbeit kommt immer noch vor. Dies muss aber nicht sein. Wie auch in anderen Bereichen des Bergbaus kann Verbot von Kinderarbeit, eine ökologische und soziale Zertifizierung (Fairtrade) zu “besserem” Lithium führen (Schulz, 2020).
Unabhängig davon ist es wichtig, möglichst wenig Lithium zu verbrauchen, was nur durch eine hohe Recyclingrate gewährleistet werden kann. Hierzu wurden bereits unterschiedliche Verfahren entwickelt, die in den nächsten Jahrzehnten einen wachsenden Anteil des weltweiten Lithiumbedarfs decken können (Buchert et al, 2020).
Folgen für Ökologie und Gesundheit der Energienutzung
Bis Ende des letzten Jahrhunderts waren Smog und Saurer Regen mit ihren gesundheitlichen (Atemwegserkrankungen) bzw. Umweltfolgen (Baumsterben und Versauerung von Gewässern) die offensichtlichen Folgen der Nutzung fossiler Brennstoffe. Durch Rußfilter, Verwendung schwefelarmer Brennstoffe und Entschwefelungsanlagen wurden diese Probleme jedenfalls in der EU weitgehend gelöst. Geblieben sind Gesundheitsfolgen durch Feinstaub und Stickoxiden, denen mit Filteranlagen, Katalysatoren, AdBlue und strengen Abgasnormen begegnet wird. Auch der Umstieg auf E-Mobilität trägt zur Reduktion dieser Schadstoffe bei, da diese in Elektromotoren nicht entstehen.
Quellenverzeichnis
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BINE-Themeninfo II/2013 Herausgeber FIZ Karlsruhe GmbH · Leibniz-Institut für Informationsinfrastruktur Online: https://api.deutsche-digitale-bibliothek.de/binary/d12a1876-e90c-4de4-aa5d-6f53b153096d.pdf
Buchert, Matthias und Sutter, Jürgen (2020): Stand und Perspektiven des Recyclings von Lithium-Ionen-Batterien aus der Elektromobilität. Online: https://www.erneuerbar-mobil.de/sites/default/files/2020-09/Strategiepapier-Mercator-Recycling-Batterien.pdf
BUND (o. J.): Mais & Umwelt. Online: http://www.bund-rvso.de/mais-umwelt.html
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DESTATIS-Statistisches Bundesamt (2022): Indikatoren der UN-Nachhaltigkeitsziele 2022. Online unter: http://sdg-indikatoren.de/
DESTATIS-Statistisches Bundesamt (2022d): 2,2 Millionen Photovoltaik-Anlagen in Deutschland installiert. Pressemitteilung Nr. N 037 vom 21. Juni 2022. Online: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/06/PD22_N037_43.html#:~:text=Auch%20der%20Anteil%20der%20Photovoltaik,%2C7%20%25%2C%20im%201
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Die Chemie-Schule (o. J.):Lithium-Eisenphosphat-Akkumulator. https://www.chemie-schule.de/KnowHow/Lithium-Eisenphosphat-Akkumulator
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SDG 8 Menschenwürdige Arbeit
“Dauerhaftes, inklusives und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern”
In der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie wird zum SDG 8 auf das Leitbild „Soziale Marktwirtschaft“ verwiesen (Bunderegierung 2021: 2214):
„Soziales Ziel ist es, unternehmerische Freiheit und funktionierenden Wettbewerb mit sozialem Ausgleich und sozialer Sicherheit zu verbinden. Mit Hilfe der Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft, wie fairer Wettbewerb, Unternehmerverantwortung, Sozialpartnerschaft, Mitbestimmung und gerechte Verteilung des erwirtschafteten Wohlstands, werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass wir auch in Zukunft noch Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung haben.“
Hinsichtlich des SDG 8 sind zwei Ebenen zu betrachten: Eine nationale Ebene und die globale Ebene.
Auf der nationalen Ebene steht Deutschland laut der „European Working Survey” hinsichtlich der Arbeitsbedingungen sehr gut da – 89 Prozent der Befragten geben an, mit ihrem Job zufrieden zu sein und 91 Prozent bestätigen einen fairen Umgang mit ihnen als Arbeitnehmer*innen (Eurofond 2021). Jedoch zeigt der Index “Gute Arbeit” des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB 2022) detailliert, dass es in manchen Branchen, wie dem Gesundheitssektor und bei Beschäftigten in Leiharbeitsverhältnissen noch große Defizite gibt (DGB 2022). Besonders negativ sind hierbei die Kriterien “Arbeitsintensität” und “Einkommen” aufgefallen, die notwendigen Handlungsbedarf in Berufsbildern aufzeigen.
Auch wenn Kinderarbeit und Sklaverei in Deutschland keine Rolle spielen, so ist die Umsetzung der verschiedenen Unterziele des SDG 8 eine dauerhafte Aufgabe im Sinne einer kontinuierlichen Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Noch ein zweites gilt: Aufgrund der komplexen Lieferketten müssen Unternehmen Verantwortung für ihre Produkte auch in den Ländern, wo diese hergestellt werden, übernehmen. An dieser Stelle sollen folgende Unterziele betrachtet werden:
8.5 Bis 2030 produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle Frauen und Männer, einschließlich junger Menschen und Menschen mit Behinderungen, sowie gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit erreichen
8.6 Bis 2020 den Anteil junger Menschen, die ohne Beschäftigung sind und keine Schul- oder Berufsausbildung durchlaufen, erheblich verringern
8.b Bis 2020 eine globale Strategie für Jugendbeschäftigung erarbeiten und auf den Weg bringen und den GLOBALEN BESCHÄFTIGUNGSPAKT DER INTERNATIONALEN ARBEITSORGANISATION umsetzen (ILO o. J.; Destatis o. J.)
8.7 Sofortige und wirksame Maßnahmen ergreifen, um Zwangsarbeit abzuschaffen, moderne Sklaverei und Menschenhandel zu beenden und das Verbot und die Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit, einschließlich der Einziehung und des Einsatzes von Kindersoldaten, sicherstellen und bis 2025 jede Form von Kinderarbeit ein Ende setzen
8.8 Die Arbeitsrechte schützen und sichere Arbeitsumgebungen für alle Arbeitnehmer, einschließlich der Wanderarbeitnehmer, insbesondere der Wanderarbeitnehmerinnen, und der Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen, fördern.
Die Schnittstellen zur neuen Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ ergibt sich über die Beachtung der gesellschaftlichen Folgen des beruflichen sowie der zu entwickelnden Beiträge für ein nachhaltiges Handeln (BMBF 2022)
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Menschenwürdige Arbeit
Menschenwürdige Arbeit in Deutschland bedeutet vor allem Arbeit, die sich zumindest an internationalen Standards orientiert. Formuliert sind diese in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Vereinte Nationen 1948; UN-Charta, Artikel 23 und 24). Als “menschenunwürdige Arbeit” werden Kinderarbeit, Sklavenarbeit und teilweise Leiharbeit bezeichnet sowie Merkmale bei den Beschäftigungsverhältnissen, die sich nicht an den o. g. Regelwerken orientieren, wie “fehlende soziale Sicherheit”, “mangelnder Arbeitsschutz”, “Ausnutzung von Scheinselbstständigen” und “Ungleichbehandlung von Frauen”.
Saisonarbeit
Alle bei einem in Deutschland ansässigen Unternehmen befristet angestellte Arbeitnehmer: innen aus anderen Ländern werden als Saisonarbeiter bezeichnet. Laut Definition in den relevanten Vorschriften üben sie eine Tätigkeit aus die “aufgrund eines immer wiederkehrenden saisonbedingten Ereignisses oder einer immer wiederkehrenden Abfolge saisonbedingter Ereignisse an eine Jahreszeit gebunden sind, während der Bedarf an Arbeitskräften den für gewöhnlich durchgeführte Tätigkeiten erforderlichen Bedarf in erheblichem Maße übersteigt” (Zoll 2022). Folgende Bereiche setzen Saisonarbeitskräfte ein:
- Tourismus: Gaststätten, Hotels für Kellner: innen, Küchenpersonal, Zimmerservice und in Betrieben, die nicht ganzjährig geöffnet sind, wie Biergärten und Skihütten, oder auch zur Abdeckung von Arbeitsspitzen in Ausflugslokalen.
- Schaustellergewerbe auf Volksfesten, Jahrmärkten etc.
- In der Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau (Erntehilfen in Sonderkulturbetrieben wie Obst-, Gemüse- oder Weinbau).
DGB Index Gute Arbeit
Die Qualität von Arbeitsbedingungen wird seit 2012 aufgrund von 42 standardisierten Fragen in einer bundesweiten repräsentativen Erhebung ermittelt (DGB 2022). Elf Kriterien der Arbeitsqualität werden abgefragt. Im November 2022 wurde der DGB-Index Gute Arbeit 2022 veröffentlicht. Wie schon in den vorangegangenen Jahren gibt es zu den Kriterien „Arbeitsintensität“ und „Einkommen“ erheblich kritische Bewertungen.
Der Index 2022 zeigt z. B. für die Branchen „Metallerzeugung und –bearbeitung“ (64), „Ver- und Entsorgung“ (69), „Baugewerbe“ (66), „Gastgewerbe“ (62), „Information und Kommunikation“ (69), „Finanz- und Versicherungsdienstleistungen“ (68) und „Gesundheitswesen“ (62) auf, dass die Arbeitsbedingungen noch weit entfernt sind vom Anspruch „Gute Arbeit“.
In der ausführlichen Debatte über die Detailergebnisse für 2022 sticht hervor, dass Beschäftigte in Leiharbeitsverhältnissen ihre Situation auffällig schlecht bewerten (ebd.).
„Auf Branchenebene kommen Beschäftigte aus dem Gastgewerbe und dem Gesundheitswesen auf die niedrigsten Indexwerte (jeweils 62 Punkte). In der Informations- und Kommunikationsbranche (IuK) liegt der Wert dagegen bei 69 Punkten. Auch in den Branchen treten auf Ebene der Teilindizes zum Teil sehr große Unterschiede zutage. Beim Teilindex „Ressourcen“ kommen IuK-Beschäftigte auf 75 Indexpunkte, Arbeitnehmer*innen aus der Metallerzeugung und -bearbeitung dagegen lediglich auf 68 Punkte. Die höchsten Belastungen finden sich im Bereich Erziehung und Unterricht (54 Punkte) sowie im Gesundheitswesen (56 Punkte), wo häufig sowohl physische als auch psychische Belastungsfaktoren auftreten. Die größte Diskrepanz auf Branchenebene zeigt sich bei der Bewertung von „Einkommen und Sicherheit“. Hier liegen die Befragten aus dem Gastgewerbe mit 54 Punkten um 16 Punkte unter dem Wert der Beschäftigten aus der öffentlichen Verwaltung (70 Punkte).“ (a.a.O., S. 13)
Darüber hinaus zeigt der Blick in einzelne Branchen und Berufsgruppen, dass noch immer körperliche Belastungen in vielen Bereichen sehr verbreitet sind (ebd.:S. 19).
Einen wesentlichen Einfluss auf die Bewertung der eigenen Arbeitsbedingungen haben die Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten im Arbeitskontext. Im Zusammenhang mit nachhaltiger Entwicklung ist das Kriterium „Sinn der Arbeit“ eine wesentliche Ressource zur Beurteilung der eigenen Arbeitsbedingungen. Dazu führt der Bericht „Index Gute Arbeit 2022“ aus: „Der Sinngehalt von Arbeit ist eine Ressource, die sich aus unterschiedlichen Quellen speisen kann. Dazu gehört, dass die Produkte bzw. Dienstleistungen, die produziert oder erbracht werden, als nützlich erachtet werden. Häufig ist dies mit der Einschätzung verbunden, ob die Arbeit einen gesellschaftlichen Mehrwert erzeugt. Sinnhaftigkeit kann dadurch entstehen, dass die Arbeit einen Nutzen für Andere hat. Und wichtig für Sinnempfinden ist auch, dass die eigenen, ganz konkreten Arbeitsaufgaben und -merkmale nicht sinnlos erscheinen. Wird Arbeit als sinnvoll empfunden, wirkt sich das positiv auf die Motivation und das Wohlbefinden der Beschäftigten aus. Dauerhaft einer als sinnlos erachteten Arbeit nachzugehen, stellt dagegen eine mögliche psychische Belastung und damit ein gesundheitliches Risiko dar.
BDA - Die Arbeitgeber
Die Arbeitgeber argumentieren mit positiven Statistiken, dass die Arbeitsbedingungen in Deutschland sehr gut sind (BDA o. J.). So sind laut der European Working survey 89 Prozent der in Deutschland Beschäftigten mit ihrem Job zufrieden, 74 Prozent gaben in der Befragung an, dass ihnen ihr Job Spaß macht und 91 Prozent bestätigen einen fairen Umgang am Arbeitsplatz (Eurofond 2021, BDA o. J.). Auch hinsichtlich der Arbeitssicherheit ist die Entwicklung positiv: Sowohl die Arbeitsunfälle, als auch die Unfallquote hat sich seit 1991 halbiert (BDA o. J.). Diese befinden sich seit 2004 unter 1 Mio. und bewegen sich seitdem zwischen 954.000 und 760.000 gemeldeten Fällen (Statista 2021).
Außerdem wird auf die Prävention und den Gesundheitsschutz hingewiesen, für den 2016 ca. fünf Mrd. € ausgegeben wurden, was 40 Prozent der gesamten Ausgaben von 11,7 Mrd. € ausmacht (BDA o. J.). Die betriebliche Gesundheitsförderung, wie Stressmanagement, gesundheitsgerechte Mitarbeiterführung oder Reduktion der körperlichen Belastung kommt dabei sowohl den Beschäftigten als auch den Arbeitgebern zugute. Zuletzt wird noch auf die Eigenverantwortung hingewiesen, die aus selbstverantwortlichen Entscheidungen und flexibleren Arbeitszeiten resultiert.
Prekäre Beschäftigungsverhältnisse
Menschen arbeiten auch in Deutschland teilweise in prekären Beschäftigungsverhältnissen und die “Bedeutung des sogenannten Normalarbeitsverhältnisses nimmt ab, während atypische Formen von Arbeit an Bedeutung zunehmen” (Jakob 2016). Dazu zählen befristete Arbeitsverträge, geringfügige Beschäftigung, Zeitarbeit, (Ketten-)Werkverträge und verschiedene Formen der (Schein-)Selbstständigkeit oder auch Praktika. Durch die Agenda 2010 wurde das Sicherungsniveau für von Arbeitslosigkeit Betroffene deutlich gesenkt (Arbeitslosengeld I in der Regel nur für ein Jahr, danach Arbeitslosengeld II). Menschen sehen sich eher gezwungen, “jede Arbeit zu fast jedem Preis und zu jeder Bedingung anzunehmen. Das hat dazu geführt, dass die Löhne im unteren Einkommensbereich stark gesunken sind” (Jakob 2016). 2015 wurde mit der Einführung des Mindestlohns dagegen gesteuert.
Das Thema betrifft auch das SDG 10 “Ungleichheit”, denn jeder Mensch hat das Recht auf faire und gute Arbeitsverhältnisse, dies ist vielen Menschen jedoch verwehrt. Prekäre Beschäftigung widerspricht dem Leitbild von ”Guter Arbeit“, verbaut Entwicklungsmöglichkeiten von Beschäftigten und verstärkt nachweislich den Trend zu psychischen Belastungen und Erkrankungen sowie deren Folgewirkungen (Jakob 2016) (siehe auch SDG “Gesundheit”) .
Kinderarbeit
Zur Definition und Umsetzung von menschenwürdigen Arbeitsbedingungen sind global große Unterschiede zu verzeichnen. Ein Beispiel hierfür ist die Kinderarbeit, die weltweit noch immer verbreitet ist. 79 Millionen Kinder arbeiten unter ausbeuterischen Bedingungen, vor allem in Fabriken, die wenig qualifiziertes Personal benötigen oder in der Landwirtschaft sowie im Bergbau (BMZ 2021 und 2022). Nach Angaben der ILO müssen weltweit rund 152 Millionen Kinder zwischen fünf und siebzehn Jahren arbeiten, vor allem in der Landwirtschaft, als Hausangestellte oder in Minen. Viele dieser Tätigkeiten sind gesundheitsgefährdend. Die ILO setzt sich schon lange für die Abschaffung von Kinderarbeit ein, sie ist Partnerorganisation in der „Allianz 8.7“, einer globalen Partnerschaft, die sich zum Ziel gesetzt hat, Zwangsarbeit, moderne Sklaverei, Menschenhandel und Kinderarbeit weltweit zu beseitigen, wie es in den Zielen für nachhaltige Entwicklung 2030 formuliert wurde. (ILO 2021) Unter Mitwirkung der deutschen Bundesregierung wird seit 1992 ein von der ILO betriebenes Internationales Programm zur Abschaffung der Kinderarbeit umgesetzt (International Programme on the Elimination of Child Labour, IPEC<, BMZ 2022)
Arbeitsschutz, Gesundheit und Gute Arbeit
Im Bereich “Gesundheit” und “Gute Arbeit” sind durch die Folgen des Klimawandels wesentliche neue Herausforderungen sowohl für die Arbeitskräfte als auch für die Gesellschaft festzustellen. Bei Bauarbeiten im Freien sind alle Arbeitenden durch Extremwetterereignisse wie hohe Temperaturen und lang anhaltende Hitzewellen, oder auch Starkregenereignisse, mit diesen neuen Herausforderungen direkt konfrontiert.
Gender Pay Gap
Unterschiedliche Entlohnung für vergleichbare Tätigkeiten und Qualifikation für Frauen und Männer lassen sich durch die statistischen Erhebungen des Statistischen Bundesamtes aufzeigen. In einer Pressemitteilung vom März 2022 wird betont, dass Frauen pro Stunde noch immer 18 Prozent weniger verdienen als Männer: „Frauen haben im Jahr 2021 in Deutschland pro Stunde durchschnittlich 18 Prozent weniger verdient als Männer. Damit blieb der Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern – der unbereinigte Gender Pay Gap– im Vergleich zum Vorjahr unverändert. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) anlässlich des Equal Pay Day am 7. März 2022 weiter mitteilt, erhielten Frauen mit durchschnittlich 19,12 Euro einen um 4,08 Euro geringeren Bruttostundenverdienst als Männer (23,20 Euro). Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 16.02.2023 müssen Frauen bei gleicher Arbeit auch gleich bezahlt werden, eine individuelle Aushandlung der Lohn- oder Gehaltshöhe ist damit nicht wirksam (Zeit Online 2023).
Deutsches Sorgfaltspflichtengesetz
Um ihrer Verantwortung zum Schutz der Menschenrechte gerecht zu werden, setzt die Bundesregierung die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen mit dem Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte von 2016 (Nationaler Aktionsplan, Bundesregierung 2017; 2021; 2022) in der Bundesrepublik Deutschland mit einem Gesetz um. Das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten ist besser unter dem Namen Lieferkettengesetz oder auch Sorgfaltspflichtengesetz bekannt (BMAS 2022, o. a. “Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz”). Dort ist die Erwartung an Unternehmen formuliert, mit Bezug auf ihre Größe, Branche und Position in der Lieferkette in angemessener Weise die menschenrechtlichen Risiken in ihren Liefer- und Wertschöpfungsketten zu ermitteln, ihnen zu begegnen, darüber zu berichten und Beschwerdeverfahren zu ermöglichen.
Das Lieferkettengesetz tritt 2023 in Kraft und gilt dann zunächst für Unternehmen mit mehr als 3.000, ab 2024 mit mehr als 1.000 Angestellten. Es verpflichtet die Unternehmen, in ihren Lieferketten menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in angemessener Weise zu beachten. Kleine und mittlere Unternehmen werden nicht direkt belastet. Allerdings können diese dann betroffen sein, wenn sie Teil der Lieferkette großer Unternehmen sind.
Unabhängig ob betroffen oder nicht: Es lohnt sich auch für kleinere Unternehmen, sich mit dem Gesetz adressierten Nachhaltigkeitsthemen auseinanderzusetzen, um das eigene Handeln entlang dieser Leitplanken zu überprüfen. Der Nachhaltigkeitsbezug ist unter anderem durch den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) gegeben, er gab einen wichtigen Impuls für das Gesetz. Der NAP wurde gemeinsam von Politik und Unternehmen verabschiedet, um zu einer sozial gerechteren Globalisierung beizutragen (Bundesregierung 2017). Ergebnisse einer 2020 im Rahmen des Nationalen Aktionsplans durchgeführten repräsentativen Untersuchungen zeigten jedoch, dass lediglich zwischen 13 und 17 Prozent der befragten Unternehmen die Anforderungen des Nationalen Aktionsplans erfüllen (VENRO 2021). Der gesetzgeberische Impuls war also erforderlich, um die Einhaltung der Menschenrechte zu fördern und damit auch zu einem fairen Wettbewerb zwischen konkurrierenden Unternehmen beizutragen.
Das Lieferkettengesetz rückt internationale Menschenrechtsabkommen und lieferkettentypische Risiken in den Blick: Dazu zählen bspw. das Verbot von Kinderarbeit, der Schutz vor Sklaverei und Zwangsarbeit, die Vorenthaltung eines gerechten Lohns, der Schutz vor widerrechtlichem Landentzug oder der Arbeitsschutz und damit zusammenhängende Gesundheitsgefahren. Es werden zudem internationale Umweltabkommen benannt. Sie adressieren die Problembereiche Quecksilber, persistente organische Schadstoffe und die grenzüberschreitende Verbringung gefährlicher Abfälle und ihre Entsorgung. Zu den jetzt gesetzlich geregelten Sorgfaltspflichten der Unternehmen gehören Aufgaben wie die Durchführung einer Risikoanalyse, die Verankerung von Präventionsmaßnahmen und das sofortige Ergreifen von Abhilfemaßnahmen bei festgestellten Rechtsverstößen. Die neuen Pflichten der Unternehmen sind nach den tatsächlichen Einflussmöglichkeiten abgestuft, je nachdem, ob es sich um den eigenen Geschäftsbereich, einen direkten Vertragspartner oder einen mittelbaren Zulieferer handelt. Bei Verstößen kann die zuständige Aufsichtsbehörde Bußgelder verhängen. Unternehmen können von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden.
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Öko-Institut (o. J.): Nachhaltige Unternehmensführung: Verantwortung für Gesellschaft und Umwelt. Online: www.oeko.de/forschung-beratung/themen/konsum-und-unternehmen/nachhaltige-unternehmensfuehrung-verantwortung-fuer-gesellschaft-und-umwelt
Schulten, Thorsten; Specht, Johannes (2021): Ein Jahr Arbeitsschutzkontrollgesetz – Grundlegender Wandel in der Fleischindustrie? Online: www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/fleisch-2021/344835/ein-jahr-arbeitsschutzkontrollgesetz/
Springer Gabler (o. J.): Gabler Wirtschaftslexikon: Definition Nachhaltiges Nachhaltigkeit im Personalmanagement. Online: https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/nachhaltiges-personalmanagement-53887
statista (2021): Arbeitsunfälle in Deutschland. Online: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/6051/umfrage/gemeldete-arbeitsunfaelle-in-deutschland-seit-1986/
VENRO Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (2021): Vier Jahre Nationaler Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP). Online: https://venro.org/publikationen/detail/vier-jahre-nationaler-aktionsplan-wirtschaft-und-menschenrechte-nap
Vereinte Nationen (1948): Resolution der Generalversammlung 217 A (III). Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Online: https://www.un.org/depts/german/menschenrechte/aemr.pdf
Vereinte Nationen 2015: Resolution der Generalversammlung „Transformation unserer Welt: die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“. Online: https://www.un.org/depts/german/gv-70/band1/ar70001.pdf
Welthungerhilfe (2020): Indien hält bei der Kinderarbeit den traurigen Spitzenplatz. Online: www.welthungerhilfe.de/welternaehrung/rubriken/wirtschaft-menschenrechte/indien-haelt-bei-kinderarbeit-den-traurigen-spitzenplatz
Zeit Online (2023): Lohnunterschiede bei gleicher Arbeit rechtswidrig. Online: www.zeit.de/arbeit/2023-02/lohngleichheit-bundesarbeitsgericht-frauen-urteil-diskriminierung?
Zoll 2022: Verpflegung und Unterkunft für Saisonarbeitskräfte. Online: https://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Arbeit/Mindestarbeitsbedingungen/Mindestlohn-Mindestlohngesetz/Berechnung-Zahlung-Mindestlohns/Verpflegung-Unterkunft-Saisonarbeitskraefte/verpflegung-unterkunft-saisonarbeitskraefte_node.html
SDG 9 Industrie, Innovation und Infrastruktur
“Eine widerstandsfähige Infrastruktur aufbauen, inklusive und nachhaltige Industrialisierung fördern und Innovationen unterstützen”
SDG 9 zielt im Kern darauf ab, für alle Menschen einen gleichberechtigten Zugang zu einer hochwertigen und verlässlichen Infrastruktur zu gewährleisten. Für die Kreislauf- und Abfallwirtschaft als eine wesentliche Infrastruktur für die Daseinsvorsorge sind vor allem die folgenden Unterziele von Relevanz (Destatis 2022):
SDG 9.1 “Eine hochwertige, verlässliche, nachhaltige und widerstandsfähige Infrastruktur aufbauen, einschließlich regionaler und grenzüberschreitender Infrastruktur, um die wirtschaftliche Entwicklung und das menschliche Wohlergehen zu unterstützen, und dabei den Schwerpunkt auf einen erschwinglichen und gleichberechtigten Zugang für alle legen”
SDG 9.4 “Bis 2030 die Infrastruktur modernisieren und die Industrien nachrüsten, um sie nachhaltig zu machen, mit effizienteren Ressourceneinsatz und unter vermehrter Nutzung sauberer und umweltverträglicher Technologien und Industrieprozesse, wobei alle Länder Maßnahmen entsprechend ihren jeweiligen Kapazitäten ergreifen”
Abfall- und Kreislaufwirtschaft
Die Abfallwirtschaft mit ihrer Sammlung und der Annahme von Abfällen zählt zu den zentralen Infrastrukturen der öffentlichen Hand. Sie entscheidet maßgeblich über die Menge der anfallenden Abfälle und das Abfallverhalten der Bürger und Bürgerinnen. Zu den wesentliche Faktoren der Einflußnahme auf das Abfallverhalten zählen insbesondere die Preisgestaltung für die Abholung der Abfälle, die angebotenen Abfallbehälter für die Getrenntsammlung, aber auch das Behältervolumen selbst und die entsprechend gestaffelten Gebühren haben Einfluß auf das Abfallverhalten. Zudem entscheidet das Angebot, welche Abfälle, z. B. auf Wertstoffhöfen, von Abfallerzeugern angeliefert und an Sammelstellen angenommen werden. Die Kosten, die dabei für den Abfallerzeuger entstehen, und in welchem Maße derartige Angebote wahrgenommen und Abfälle getrennt erfasst werden oder doch über die Restmülltonnen “entsorgt” werden. Entsprechende Anreize stellen die Gebühren für die Restmülltonne dar. Die Gebühren für die Abholung der Getrenntsammlungen sollten deutlich unter denen der Restmülltonne liegen. Um z. B. den Anteil der organischen Abfälle im Restmüll zu verringern, bietet sich an, die Abholung von entsprechenden Abfällen über eine Biotonne kostenfrei anzubieten.
Bei der Transformation von einer linearen Wirtschaft hin zu einer zirkulär organisierten Kreislaufwirtschaft spielt die Infrastruktur der Abfallwirtschaft eine entscheidende Rolle. Das zentrale Ziel einer zirkulär organisierten Kreislaufwirtschaft ist es möglichst viele Anfälle zu vermeiden, indem Altprodukte wieder-oder weiterverwendet, repariert oder aufgearbeitet werden. Um diese Art der Abfallvermeidung zu realisieren kommt den Entsorgungsbetrieben eine zentrale Rolle zu, indem sie z. B. wiederverwendbare Altprodukte aus der gängigen Abfallbehandlung wie der thermischen Verwertung ausschleusen und als Gebrauchsgüter anbieten.
Allerdings ist auch in einer kreislauforientierten Gesellschaft die Entstehung von Reststoffen und Abfall nicht in Gänze vermeidbar. Kreislauffähiges Wirtschaften zielt dabei darauf ab, mittels Recycling unvermeidbarer Abfälle anfallende Reststoffe optimal zu nutzen und Abfallströme ressourceneffizient zu Sekundärrohstoffen aufzubereiten und anschließend in den Produktionskreislauf zurückzuführen. Dabei versteht man unter Recycling die Rückführung von Produktions- und Konsumabfällen in den Wirtschaftskreislauf. Voraussetzung dafür ist jedoch eine Infrastruktur, die über Prozesse und Verfahren verfügt, die in der Lage ist, verschiedenste Materialien sortenrein zu trennen und in unterschiedliche Fraktionen aufzuteilen. Besonders digitale Technologien bergen durch intelligente Datenanalyse, Robotik, Sensorik und Automatisation großes Potenzial, hochwertige Fraktionen zu gewinnen. Mit ihrer Hilfe lassen sich potenzieller Sekundärrohstoffe effektiv und effizient erkennen, abtrennen und fraktionieren.
Quellenverzeichnis
DESTATIS-Statistisches Bundesamt (2022): Indikatoren der UN-Nachhaltigkeitsziele 2022. Online unter: http://sdg-indikatoren.de/
SDG 12 Nachhaltige/r Konsum und Produktion
“Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen”
Das SDG 12 fordert im Kern zu nachhaltigem Konsum und nachhaltigen Produktions- mustern auf („Ensure sustainable consumption and production patterns“). Die Entwicklung einer funktionierenden Abfall- und Kreislaufwirtschaft leistet zudem einen positiven Beitrag zu weiteren Zielen, beispielsweise Gesundheit (SDG 3), menschenwürdige Beschäftigung (SDG 8) und Klimaschutz (SDG 13). Darüber hinaus kann die Kreislaufwirtschaft auch noch zu weiteren Nachhaltigkeitszielen, wie sauberes Wasser (SDG 6), Industrie, Innovation und Infrastruktur (SDG 9), Leben an Land (SDG 15) sowie nachhaltige Städte und Gemeinden (SDG11) führen (BMZ o. J.). SDG 12 wird daher auch als Querschnittsziel bezeichnet. Mit Blick auf die Abfall- und Kreislaufwirtschaft sind folgende Unterziele von SDG 12 von besonderer Relevanz (Destatis 2022):
SDG 12.2 “Bis 2030 die nachhaltige Bewirtschaftung und effiziente Nutzung der natürlichen Ressourcen erreichen.”
SDG 12.4 „Bis 2020 einen umweltverträglichen Umgang mit Chemikalien und allen Abfällen während ihres gesamten Lebenszyklus in Übereinstimmung mit den vereinbarten internationalen Rahmenregelungen erreichen und ihre Freisetzung in Luft, Wasser und Boden erheblich verringern, um ihre nachteiligen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt auf ein Mindestmaß zu beschränken.“
SDG 12.5 „Bis 2030 das Abfallaufkommen durch Vermeidung, Verminderung, Wiederverwertung und Wiederverwendung deutlich verringern.“
Darüber hinaus sind erwähnenswert:
SDG 12.1 “Die Umsetzung des Zehnjahresprogramms für nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster der UNO.”
SDG 12.3 “Bis 2030 die weltweite Nahrungsmittelverschwendung pro Kopf auf Einzelhandels- und Verbraucherebene halbieren.”
SDG 12.6 “Unternehmen zu einer nachhaltigen Unternehmensführung ermutigen.”
SDG 12.7 “Nachhaltigkeitskriterien im öffentlichen Beschaffungswesen fördern.”
“Abfall” ist aber auch eine eigene Position 3d in der Standardberufsbildposition “Umweltschutz und Nachhaltigkeit:
d) Abfälle vermeiden sowie Stoffe und Materialien einer umweltschonenden Wiederverwertung oder Entsorgung zuführen
SDG 12 zielt im Kern auf die nachhaltige und effiziente Nutzung der Ressourcen ab. Ressourcen sind alle Stoffe der Natur (Mineralien und Metalle, biotische Ressourcen wie Holz oder Baumwolle), aber auch Luft, Wasser und Boden (vgl. ProgRess 2016). Abfälle sollen vermieden oder recycelt und gefährliche Abfälle sicher entsorgt werden. Die Nahrungsmittelverschwendung soll verringert werden (s.u.). Weitere Themen sind die nachhaltige Entwicklung von Unternehmen, eine bessere Verbraucher*innen-Bildung, nachhaltige Beschaffung und der umweltverträgliche Umgang mit Chemikalien. Das SDG 12 betrifft daher im Prinzip alle Fähigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten der Standardberufsbildposition. Weitere Verbindungen zwischen den SDG und der Standardberufsbildposition werden bei den jeweiligen SDG beschrieben.
Ressourcenverbrauch
Gegenwärtig steigen sowohl der weltweite Ressourcenverbrauch als auch das globale Abfallaufkommen unvermindert an. Die Gewinnung und Verarbeitung von Ressourcen führen dabei zu hohen Treibhausgasemissionen sowie zu enormen Umweltbelastungen und Biodiversitätsverlusten. Laut Schätzungen des International Ressource Panels der Vereinten Nationen gehen etwa 50 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen direkt oder indirekt auf die Gewinnung und Verarbeitung von fossilen Rohstoffen, Biomasse, Erzen und Mineralien zurück. Deshalb ist es dringend geboten, den Ressourcenverbrauch auf ein zukunftsverträgliches Ausmaß zu reduzieren und das Wirtschaftswachstum mit der Begrenztheit der Ressourcen in Einklang zu bringen. Das erfordert eine Abkehr vom derzeit dominierenden linearen hin zu einem zirkulären Wirtschaftssystem. Auch Deutschland muss sich dieser Herausforderung stellen und den entsprechenden Transformationsprozess durchlaufen (Global Resources Outlook 2019).
Ziel der Transformation ist es, durch Innovation, Technologie und die Betrachtung des gesamten Systems die Basis für eine zirkuläre Wirtschaftsweise bereitzustellen. Das erfordert die Entwicklung neuer und die Verbesserung bestehender Technologien, Systeme und Prozesse. Im Fokus stehen dabei die Beschaffung und Nutzung recycelbarer, unbedenklicher und möglichst biobasierter Materialien, sämtliche Aspekte des Designs (Materialauswahl, Zerlegbarkeit, Reparierbarkeit, Re-Use) sowie die ressourceneffiziente und emissionsarme Herstellung wiederverwendbarer Produkte (Circular Futures o. J.).
Weitere zentrale Handlungsfelder sind die Rohstoffrückgewinnung (Aufbereitung) und sämtliche Aspekte des Recyclings. Überlegungen zu einem entsprechend angepassten Verhalten der Verbraucher und Verbraucherinnen wie Leasing, Sharing, Re-Use, Refurbishment und Repair sind dabei ebenso von entscheidender Bedeutung wie eine durchgängige Erfassung, Nutzung und Bereitstellung von Daten über den gesamten Lebenszyklus (BMWK 2022).
Baurestmassen
Ein besonders hohes Verwertungspotential besitzen Baurestmassen, denn sie machen über die Hälfte des gesamten Abfallaufkommens aus (Destatis 2022b). Jährlich sind es über 80 Millionen Tonnen, die einer Verwertung oder einer Beseitigung zugeführt werden müssen. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um Bauschutt, Straßenaufbruch, Baustellenabfällen sowie die Fraktion Boden und Steine. Dabei sind größere Mengen an Aushubmaterial, wie Boden und Steine, typisch für bauvorbereitende Handlungen im Hoch- und Tiefbau. Abbruchabfälle hingegen sind inhomogene Gemische, die aus einer Vielzahl von Materialien, wie Boden, Sand, Natursteinen, Betonstücken, Keramik, Ziegel, Fliesen, behandelten und unbehandelten Hölzern, Metallteilen oder Asphalt zusammengesetzt sein können. Auch Installationselemente aus dem Elektrobereich wie beispielsweise Kabel und Geräte sowie Isolationsmaterialien und Rohrleitungen gehören dazu.
Die Verwertungsmöglichkeiten für Bau- und Abbruchabfälle und daraus gewonnene Materialien sind vielfältig. Bei guter und gesicherter Qualität können Gesteinskörnungen aus Beton- und Mauerwerksbruch für die Herstellung von Betonen im Hochbau eingesetzt werden. Ansonsten stellen landschaftsbauliche Maßnahmen, Unterbau- und Tragschichtherstellung im Straßen- und Wegebau sowie der Bau von Sicht- und Lärmschutzanlagen gängige Verwertungswege dar. Auch im Deponiebau besteht eine signifikante Nachfrage nach aufbereiteten Baureststoffen.
Trotz dieser guten Verwertungsmöglichkeiten wird eine hochwertige Kreislaufführung unter Weiternutzung der stofflichen-technischen Eigenschaften für die mineralischen Fraktionen noch zu selten praktiziert. Denn nur ein Bruchteil wird wieder als hochwertiger Betonzuschlagstoff eingesetzt. Der überwiegende Teil wird weniger hochwertig bodennah eingesetzt, wie beispielsweise im Landschafts- und Wegebau, als Ausgleichsmaterial, als Verfüllungsmaterial von Aushebungen oder im stillgelegten Bergbau. Der Einsatz von Recycling-Gesteinskörnungen mit definierten technischen Eigenschaften in Anwendungen, die keine besonderen Anforderungen an das Material stellen, entspricht jedoch einem Downcycling.
Eine hochwertige Verwertung von Baurestmassen in anspruchsvollen Anwendungen erfordert allerdings entsprechende Verfahren zur Gewinnung und Herstellung hochwertiger und gütegesicherter mineralischer Rezyklate. Denn die späteren Verwertungsmöglichkeiten werden maßgeblich von den bautechnischen Eigenschaften des Ausgangsmaterials und der Zusammensetzung des Bauschutts bestimmt. Daher sind selektive Rückbau- und Abbruchverfahren, bei denen die Baustofffraktionen bereits an der Abbruchstelle sorgfältig getrennt und Schadstoffe frühzeitig ausgeschleust werden, von zentraler Bedeutung. Denn sortenreine mineralische Bauabfälle lassen sich durch Zerkleinern, Sieben und Klassieren zu Recycling-Baustoffen aufbereiten und können dann im konstruktiven Bau als gleichwertiger Betonzuschlag eingesetzt werden und auf diese Weise dazu beitragen wertvolle Rohstoffvorkommen zu schonen.
Mittelfristig ist es wichtig, die große Abhängigkeit vom Straßen(neu)bau bei der Entsorgung von Abbruchabfällen zu reduzieren, denn der materialintensive Neubau von Straßen wird, vor allem in strukturell benachteiligten Regionen, abnehmen. In Regionen mit eher geringem Neubau von Straßen liegen daher die ökologischen Vorteile, Gesteinskörnungen im Hochbau zu verwerten, auf der Hand.
Elektroaltgeräte
Mechanisierung, Elektrifizierung, Digitalisierung und Automatisierung sind zentrale Entwicklungsaspekte heutiger Gesellschaften und Konsumpraktiken, die annähernd alle gesellschaftlichen Bereiche durchdringen und Kennzeichen einer modernen Welt im Wandel sind. Eine seiner zunehmend sichtbaren Folgen ist die rasant steigende Zunahme der produzierten und in den Verkehr gebrachten Mengen an Elektrogeräten. Damit sind jedoch erhebliche Umweltauswirkungen hinsichtlich Rohstoffentnahme, Produktion und Nutzung, aber auch der Abfallentstehung und Abfallbehandlung verbunden. Insbesondere die Digitalisierung führt bei Elektro(nik)geräten zu Veränderungen, die ein hochwertiges Recycling von Altgeräten vor besondere Herausforderungen stellt. Zu diesen Veränderungen zählen die verkürzten Innovationszyklen mit entsprechend verkürzter Lebensdauer der Geräte, was zu einer steigenden Menge und Vielfalt der Geräte führt. Ferner ist eine zunehmende Elektronisierung klassischer Elektrogeräte aber auch von bisher nicht-elektrischen Geräten wie Möbel oder Kleidung zu beobachten. Dazu kommt eine Miniaturisierung elektronischer Bauteile mit entsprechend sinkenden Materialgehalten bei gleichzeitiger funktionaler Konvergenz der Geräte hinsichtlich LCD-, Sensor-, Sende- und Empfangskomponenten. Werkstofflich ist eine Abnahme von recyclingfreundlichen metallischen Werkstoffen zugunsten von vielfältigen Kunststoffen zu beobachten. Ferner sinken die Gehalte an Edelmetallen, die für die Wirtschaftlichkeit von Recycling entscheidend sind, während bei den Kunststoffen, aufgrund der haptischen Geräteanforderungen, schwer recycelbare Elastomere und beschichtete Kunststoffe zunehmen (Handke et al. 2019).
Getrennte Erfassung
Die bisherige Erfassung von Elektroaltgeräten weist erhebliche Defizite auf. So werden trotz gesetzlicher Sammelquoten seit Jahren weniger als die Hälfte der in den Verkehr gebrachten Elektrogeräte getrennt gesammelt. Der Verbleib der nicht getrennt erfassten Elektroaltgeräte ist ungewiss. Zu vermuten ist jedoch, dass ein Großteil in den Restabfall der Haushalte und damit in die thermische Behandlung gelangt oder in den globalen Süden und insbesondere in afrikanische und asiatische Länder exportiert wird. Zwar gibt es kaum nennenswerte behördlich genehmigte Exporte von Elektroaltgeräten in Länder außerhalb der Europäischen Union. Jedoch werden gebrauchte Elektro(nik)geräte in nennenswerter Menge exportiert, von denen ein wesentlicher Anteil der Geräte nicht voll funktionsfähig ist und lediglich als Quelle für Ersatzteile genutzt wird oder nur noch eine kurze Lebensdauer hat. Weil jedoch die abfallwirtschaftlichen Strukturen in den Empfängerländer weit unterhalb des Standards liegen, der in der EU als Mindestschutzniveau erachtet wird, kommt es zu erheblichen Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt sowie zu Verlusten von wertvollen Ressourcen. Für das Jahr 2008 wird die Gesamtmenge an außerhalb der EU exportierten Elektrogeräte auf 155.000 t geschätzt. Wert- und Warenanalysen deuten darauf hin, dass es sich aufgrund des geringen Preises und dem sehr schlechten Zustand der exportierten Geräte vorwiegend um Elektroaltgeräte handelt (Sander et al. 2010). Mit dem Export einher geht ein erheblicher Verlust insbesondere von kritischen Metallen. Metallen also deren Verfügbarkeit besonders begrenzt ist, die schwer substituierbar und damit technologisch von strategischer Bedeutung sind und deren bergbauliche Gewinnung mit besonders großen Umweltauswirkung sowie teils erheblichen Menschenrechtsverletzungen verbunden ist (Handke et al. 2019).
Zwar ist die Menge der in Deutschland getrennt gesammelten Elektroaltgeräte im Jahr 2021 auf 1,07 Mio. t gestiegen, was gegenüber dem Vorjahr einen Anstieg um 0,3 Mio. t darstellt. Allerdings ist im selben Zeitraum auch die Menge der in den Verkehr gebrachten Elektrogeräte erheblich gestiegen. In der Folge wurden die durch die europäische WEEE-Richtlinie bzw. das deutsche Elektro- und Elektronikgerätegesetz für die Jahre 2016 bis 2018 gültige Anforderung, eine Mindestsammelquote von 45 Prozent zu erreichen, aufgrund der kontinuierlich steigenden Mengen an Geräten, knapp verfehlt bzw. knapp erreicht (UBA 2022).
Mit der Novelle des Elektro- und Elektronikgerätegesetz vom Oktober 2015, müssen ab dem Jahr 2019 mindestens 65 Prozent der in den drei Vorjahren in Verkehr gebrachten Elektro- und Elektronikgeräte getrennt gesammelt werden. Je nach Gerätekategorie sind von den jährlich gesammelten Altgeräten 75 bis 85 Prozent zu verwerten. Die Verwertung umfasst dabei die Vorbereitung zur Wiederverwendung, das Recycling und die sonstige (insbesondere energetische) Verwertung. Je nach Gerätekategorie sind diesbezüglich von den jährlich gesammelten Altgeräten 55 bis 80 Prozent zu verwerten, indem sie zur Wiederverwendung vorbereitet oder recycelt werden (UBA 2022).
Im Jahr 2020 wurden insgesamt 2,84 Mio. t Elektro- und Elektronikgeräte in Deutschland in den Verkehr gebracht. Davon wurden lediglich 1,04 Mio. t getrennt gesammelt, was einer Sammelquote von 36 Prozent entspricht. Bezogen auf die in den letzten drei Vorjahren durchschnittlich in den Verkehr gebrachten Mengen entspricht dies einer Sammelquote von immerhin 41 Prozent. Damit hält Deutschland die gesetzlichen Vorgaben zur getrennten Sammlung von Elektroaltgeräten nicht ein. Hinsichtlich der Verwertungsquoten wurden im Jahr 2020 insgesamt 0,9 Mio. t zur Wiederverwendung vorbereitet oder recycelt. Damit wurden ca. 88 Prozent der getrennt gesammelten Elektroaltgeräte auf diese Weise verwertet.
Zur Erhöhung der Erfassungsquoten ist das Elektro- und Elektronikgerätegesetz im Jahr 2022 erneut novelliert worden (ElektroG 2022). Wesentliche Neuerungen sind die erweiterte Registrierungspflicht für Hersteller, die Einführung von Rücknahmekonzepten und Kennzeichnungspflichten im B2B-Bereich, die Haftung und Prüfpflicht für Marktplatzbetreiber, neue Rücknahme- und Hinweispflichten im Handel sowie die Entnehmbarkeit von Batterien. Zur Förderung eines hochwertigen Recyclings ist im Jahr 2021 zudem die Verordnung über Anforderungen an die Behandlung von Elektro- und Elektronik-Altgeräten in Kraft getreten (EAG-BehandV 2021). Sie konkretisiert Aspekte der Schadstoffentfrachtung und Ressourcenschonung. Außerdem werden erstmals Anforderungen an die Behandlung von Photovoltaik Module eingeführt sowie die manuelle Entfernung von bestimmten Bauteilen und Stoffen vor der mechanischen Zerkleinerung vorgeschrieben.
Recyclingpraxis
Die derzeit übliche Recyclingpraxis umfasst im Wesentlichen eine meist manuelle Schadstoffentfrachtung, eine mehrstufige maschinelle Zerkleinerung mit anschließender Magnetscheidung, Windsichtung und Klassierung. Neben der Schadstoff Fraktion sind Fe- und NE-Metalle eine hochkalorische Kunststoff Fraktion, sowie eine überwiegend mineralische Restfraktion und typische Ausbringungsfraktionen. Die separierten Fe-Metalle werden üblicherweise in der Stahlerzeugung eingesetzt während NE-Metalle in den Kupfer Prozess eingeschleust werden, der auch eine weitere metallurgische Separierung monetär besonders wertstoffhaltige Metalle ermöglicht (Handke et al 2019).
Optimierungspotenziale
Optimierungspotenziale werden insbesondere in der Steigerung der Erfassungsquoten gesehen. Dies betrifft insbesondere die getrennte Erfassung von kleinen mülltonnengängigen Elektroaltgeräten aus den privaten Haushalten sowie ihre Ausschleusung aus dem Restabfall und dessen thermische Behandlung. Zudem können die Erfassungsquoten durch einen verbesserten Vollzug beim Verbot illegaler Exporte von Elektroaltgeräten erhöht werden.
Ein weiteres, dem Recycling vorgelagertes, Optimierungspotential stellt die Reparatur und die Aufarbeitung von funktionsfähigen Geräten und Gerätekomponenten dar. Ebenfalls ein erhebliches Optimierungspotential wird im sogenannten Pre-Shreddering gesehen, das auf eine vertiefte Demontage und Separation vor der maschinellen Zerkleinerung zielt. Optimierungspotenziale werden auch in der spezifischen Rückgewinnung von NE-Metallen (Multi-Metall-Gewinnung) gesehen. Für ein qualitativ hochwertiges Recycling von Kunststoffen liegen Optimierungspotentiale in der sortenreinen Trennung des Materials und der sicheren Ausschleusung von Kunststoffen mit halogenhaltigen Flammschutzmitteln.
Weiterführende Recyclingtechnologien für Metalle zielen insbesondere auf die differente Rückgewinnung von NE-Metallen ab. Als entsprechendes Beispiel mit hoher technologischer Reife kann die Multi-Metall-Gewinnung gelten.
Zu den regulatorischen Optimierungspotentialen zählen Output gesteuerte Recyclingquoten, welche sich nicht an den Sammelmengen, sondern an den tatsächlich wiedergewonnenen Sekundärrohstoffen orientieren. Ein weiteres regulatorisches Optimierungspotential wird in spezifischen Recyclingquoten von Bauteilen gesehen die kritische Metalle und flammgeschützte Kunststoffteile enthalten sowie in spezifischen Separationsquoten für Gerätebatterien und Kondensatoren (Handke et al. 2019).
Kunststoffe
Insgesamt wurden in Deutschland im Jahr 2021 ca. 21,1 Mio. t Kunststoffe produziert. Diese Menge umfasst sowohl Kunststoffe auf fossiler und biogenen Rohstoffbasis als auch Sekundärrohstoffe, Nebenprodukte sowie sonstige Kunststoffe z. B. für Kleber, Farben, Lacke, Fasern etc.). Von dieser Gesamtmenge entfielen mit 18,7 Mio. t. ca. 90 Prozent auf Kunststoffe auf fossiler Rohstoffbasis. Gegenüber dem Jahr 2019 entspricht dies einer Zunahme um 4 Prozent. Der Einsatz von Rezyklaten aus Post-Consumer- und Post-Industrial-Abfällen zur Herstellung von Kunststoffprodukten betrug 2021 ca. 1,65 Mio. t, was einem Rezyklateinsatz von ca. 8 Prozent der Gesamtproduktion entsprach. Der Kunststoffverbrauch beim Endverbraucher stieg in den vergangenen beiden Jahren leicht an und beläuft sich im Jahr 2021 insgesamt auf rund 12,4 Mio. t. Allerdings fällt diese Verbrauchsmenge aber nicht im selben Jahr wieder als Abfall an, denn die Lebens- bzw. Gebrauchsdauer von Produkten differiert dabei von wenigen Tagen (z. B. Verpackungen) bis hin zu 80 Jahren und mehr (z. B. Kunststoffrohre im Baubereich). Zudem wird ein beträchtlicher Teil der Produktionsmenge in Produkten mit einem hohen Exportanteil wie z. B. in Fahrzeugen verbaut und fällt daher nicht in Deutschland als Abfall an. Denn nach einer mittleren Nutzungsdauer von 10-12 Jahren wird ein Großteil der in Deutschland genutzten Fahrzeuge ins Ausland exportiert und dort weiter genutzt (CONVERSIO 2022).
Hinsichtlich der Kunststoffsorten dominierten PE (27 Prozent) und PP(20 Prozent) sowie sonstige Thermoplasten (13 Prozent) die Kunststoffproduktion. Der Anteil von PVC in der Kunststoffproduktion belief sich auf 15 Prozent, während der Anteil von PS und PA lediglich bei jeweils 6 Prozent lag. Sonstige Kunststoffe schlugen mit 13 Prozent zu Buche (CONVERSIO 2022).
Insgesamt fielen im Jahr 2021 in Deutschland 5,7 Mio. t Kunststoffabfälle an. Der Mengenanteil der Post-Consumer-Abfälle betrug rund 5,44 Mio. t, während Post-Industrial-Abfälle rund 0,24 Mio. t ausmachten. 5,67 Mio. t. aller Kunststoffabfälle und damit über 99 Prozent wurden verwertet. Mit knapp 3 Mio t wurde ca. die Hälfte der Kunststoffabfälle in Müllverbrennungsanlagen oder als Ersatzbrennstoff thermisch verwertet. Der Rest in Höhe von ca. 2,5 Mio. t wurde im Wesentlichen werkstofflich verwertet. Die rohstoffliche Verwertung ist mit 0,03 Mio. t weitgehend vernachlässigbar. Lediglich ca. 40.000 t und damit unter einem Prozent aller Kunststoffabfälle wurden durch Deponierung oder durch Verbrennung in Anlagen ohne hinreichende Auskopplung von Energie beseitigt (UBA o. J.c).
Verwertung von Kunststoffen
Es lassen sich vier Verwertungspfade für Kunststoffe unterscheiden: Die thermische, die werkstoffliche, die rohstoffliche und die biologische Verwertung. Welches Verfahren zum Einsatz kommt, wird von der Reinheit sowie der Kunststoffart der entsorgten Kunststoffprodukte beeinflusst. Saubere Erzeugnisse aus nur einer Art Kunststoff werden anders aufbereitet wie verunreinigte Produkte, die zudem aus einer Mischung verschiedener Kunststoffe bestehen (LUBW 2013).
Thermische Verwertung
Bei der thermischen Verwertung wird der Energieinhalt von Kunststoffen genutzt. Dazu werden Restsorten und verunreinigte Kunststoffabfälle verbrannt und dienen als Ersatz für fossile Brennstoffe wie Kohle, Erdöl und Gas. Dabei ist der Energiegehalt einzelner Kunststoffarten sehr verschieden, so können hocheffiziente Kunststoffe bei der thermischen Verwertung doppelt so viel Energie liefern wie Braunkohle (LUBW 2013). Ob es sich bei der Verbrennung von Kunststoffabfällen um eine thermische Verwertung oder eine thermische Beseitigung handelt, wird anhand der Energieeffizienz der Abfallverbrennungsanlagen auf Grundlage bestimmter Kriterien, die in der EU-Abfallrahmenrichtlinie beschrieben sind, festgelegt (UBA o. J.c).
Werkstoffliche Verwertung
Bei der werkstofflichen Verwertung bleibt die Zusammensetzung der Makromoleküle des alten Kunststoffs bestehen. Somit verändert sich die chemische Struktur nicht. Gebrauchte Kunststoffe und Kunststoffverpackungen werden dazu möglichst sortenrein gesammelt, zerkleinert, erneut sortiert und anschließend eingeschmolzen, woraus dann Sekundärrohstoffe gewonnen werden. Dieser Sekundärrohstoff ist in den meisten Fällen das sogenannte Regranulat, das zur Herstellung neuer Produkte verwendet werden kann . Bei Kunststoffprodukten, die aus einer Sorte Kunststoff bestehen, lassen sich durch werkstoffliche Verwertung gleichwertiger Rohmaterialien herstellen. Im Gegensatz dazu ist die werkstoffliche Verwertung von gebrauchten Kunststoffprodukten, die verschmutzt und aus mehreren Arten Kunststoff zusammengesetzt sind, mit Problemen verbunden. Denn die Aufbereitung von solchen Kunststoffabfällen wie das Zerkleinern und Waschen sowie das Abtrennen anhaftender Störstoffe wie Papier, Fremdkunststoffe oder Metalle, ist mit mehr Aufwand verbunden, was sich in einem höheren Preis widerspiegelt (LUBW 2010). Daher wird die werkstoffliche Verwertung für weitgehend sortenreine, saubere und in größeren Mengen anfallende Altkunststoffe angewandt (BVSE o. J.). Damit das werkstoffliche Kunststoffrecycling funktioniert, ist ein Verfahren notwendig, mit dem die Kunststoffe registriert und klassifiziert werden. Im industriellen Bereich erfolgt solch eine Sortierung und auch im privaten Bereich existiert mit dem Dualen System ein System zum Sammeln von Verpackungen (DSD o. J.). Von den insgesamt rund 2,3 Mio. t in der Kunststoffverarbeitung in Deutschland eingesetzten Rezyklaten, wurde in etwa 1,66 Mio. t als Substitution von Kunststoffen basierend auf fossilen Rohstoffen eingesetzt, 0,63 Mio. t als Substitution von Werkstoffen wie Beton, Holz und Stahl sowie 0,023 Mio. t als Reduktionsmittel im Stahlerzeugungsprozess (CONVERSIO 2022). Die werkstoffliche Verwertung erfolgt überwiegend für Kunststoffabfällen aus dem gewerblichen Endverbrauch, denn Kunststoffe in der Industrie sind meist sehr sauber und sortenrein. Im Gegensatz dazu sind sie in Haushalten und bei bestimmten Gewerbebetrieben jedoch verschmutzt und vermischt. Aus Nachhaltigkeitssicht ist es daher sinnvoll, vermehrt Altkunststoffe aus dem Restmüll der Haushalte „abzuschöpfen“ und einer möglichst hochwertigen werkstofflichen Verwertung zuzuführen. Denn diese Verwertung stellt, vorwiegend die umweltgünstigste Entsorgungsvariante dar. Haupteinsatzgebiete von Kunststoffrezyklaten in Neuprodukten sind Bauprodukte und Verpackungen. Im Jahr 2019 wurden rund 67 Prozent der in Deutschland eingesetzten Rezyklate in diesen beiden Anwendungsbereichen verwendet (UBA o. J.c). Typische Produktbeispiele für den Einsatz im Baubereich sind Drainage-, Boden- und Sickerplatten, Rohre, Rinnen, Profile, Leisten, Fensterprofile, Kabelkanäle, Schalungselemente, Gitter, Pfosten, Palisaden, Abstandshalter, Bautextilien, Paneele, Zäune, Paletten und Bodenelemente. Im Bereich der Verpackungen sind Folienbeutel und -säcke, Eimer, Tonnen, Kanister und Abfallbehälter aber auch Blumentöpfe, Komposter, Schraubenkästen, Werkzeugkisten, und Klappkisten typische Produktbeispiele in denen Kunststoffrezyklate eingesetzt werden (BVSE o. J.).
Rohstoffliches Recycling
Während energetisches und werkstoffliches Recycling bei Kunststoffabfällen zu jeweils fast 50 Prozent angewandt wird, kann etwa 1 Prozent aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht verarbeitet werden. Es besteht dann die Möglichkeit, die chemische Struktur der Makromoleküle zu zerlegen und die molekularen Bruchstücke für neue Synthesen zu verwenden (BVSE o. J.). Besonders bei Altprodukten , die aus mehreren Kunststoffarten zusammengesetzt sind, bietet sich die rohstoffliche Verwertung an. Bei dieser Form der Verwertung werden die Polymerketten der Kunststoffe aufgespalten. Somit entstehen aus den Makromolekülen wieder Monomere oder Gase und Öle. Beides kann als Ausgangsstoff für neue Produkte dienen. Häufige Verfahrensweise ist die Pyrolyse. Bei diesem Prozess herrschen Temperaturen zwischen 400 °C und 800 °C sowie eine sauerstofffreie Umgebung. Durch den Ausschluss von Sauerstoff findet keine Verbrennung statt, sondern der Kunststoff zersetzt sich. Die Makromoleküle spalten sich durch die hohen Temperaturen in die Monomere auf und es liegt ein Gemisch verschiedener Monomere vor. Die flüssige Monomermischung wird in einem nachfolgenden Schritt durch eine Destillation getrennt. Diese Art der Verwertung wird größtenteils bei Polyolefinen, wie zum Beispiel Polyethylen (PE) oder Polypropylen (PP), eingesetzt. Dabei wird der unterschiedliche Siedepunkt zur Stofftrennung genutzt. Die Flüssigkeit mit dem niedrigeren Siedepunkt verdampft und kondensiert anschließend in einem separaten Gefäß. Ein weiteres thermisches Verfahren ist die Hydrolyse. Bei dieser auch als Hydrocracken bekannten Methode werden die langen Ketten der Kunststoffe unter hohen Temperaturen und Drücken und unter Anwesenheit eines Katalysators mittels Wasserstoff gespalten. Neben diesen thermischen Methoden der Pyrolyse und Hydrolyse gibt es auch die Möglichkeit, Kunststoffe mittels Lösungsmittel in Monomere zu zersetzen. Diese so genannten solvolytischen Methoden eignen sich besonders für Polykondensate und Polyurethane (LUBW 2013).
Biologische Verwertung
Relativ neu ist der Einsatz von biologisch abbaubaren Kunststoffen. Diese sogenannten Biokunststoffe bestehen aus Polymeren, die unter bestimmten Bedingungen durch Mikroorganismen wie Pilze oder Bakterien mittels Enzyme zersetzt werden können. Als Rohstoffbasis kommen sowohl nachwachsende Rohstoffe wie Stärke z. B. aus Mais, Polymilchsäure (PLA), Polyhydroxyalkanoate oder Polyhydroxyfettsäuren (PHA) als auch fossile petrochemische Rohstoffe wie Polybutylensuccinat (PBS), Polybutylenadipat-terephthalat (PBAT) oder Polycaprolacton (PCL) zum Einsatz (FHG UMSICHT 2022). Allerdings sind die Umweltauswirkungen von Gegenständen und Verpackungen aus Biokunststoffen nicht wesentlich verbessert, wenn die Rohstoffe biobasiert sind statt fossilbasiert, denn oftmals verschieben sich die Auswirkungen lediglich: Während fossilbasierte Kunststoffe mehr klimawirksames CO2 freisetzen, besitzen biobasierter Kunststoffe ein höheres Versauerungs- und Eutrophierungspotential. Zudem beanspruchen sie aufgrund der landwirtschaftlichen Produktion der Rohstoffe einen gewissen Flächenbedarf. Dadurch kann es zu einer Flächenkonkurrenz mit der Lebensmittelproduktion kommen oder Ausgleichs- und Waldflächen können weniger werden (UBA 2009). Ferner besitzen die mehrfache Nutzung und das Recycling von stabilen Produkten ökologische Vorteile gegenüber biologisch abbaubaren Kunststoffen. Zudem ist die Eignung von Biokunststoffen für Lebensmittelkontakt zweifelhaft, da die abbauenden Mikroorganismen zu Kontamination der Lebensmittel führen können (UBA 2019). Ferner wird die chemische Energie bei der angestrebten Kompostierung von Biokunststoffen, anders als z. B. bei der energetischen Verwertung, in der Regel nicht genutzt (Türk 2014). Schließlich steht zu befürchten, dass die biologische Abbaubarkeit von Kunststoffen dazu führt, dass Verbraucher und Verbraucherinnen diese weniger verantwortungsvoll handhaben und eher wegwerfen (UBA 2019).
Verpackungsabfälle
Ein besonderes Potential der Abfallvermeidung findet sich bei den Verpackungsabfällen. Im Jahr 2020 fielen ca. 6,4 Mio. t. Verpackungsabfälle an (Destatis 2022b). Das entspricht ca. 14 Prozent aller haushaltstypischen Siedlungsabfälle (Destatis 2022b). Davon entfielen je ca. 30 Prozent auf Verpackungen aus Glas sowie aus Papier, Pappe und Karton. 20 Prozent entfielen auf Kunststoffverpackungen und ca. 6 Prozent auf Metallverpackungen. Bei dem Rest handelt es sich um Sortierreste und sonstiges Verpackungsmaterial. Seit 2010 ist das Verpackungsaufkommen um 18 Prozent gestiegen. Maßgeblich ursächlich sind die zunehmenden Umverpackungen, die zunehmende Verbreitung von verpackungsintensiven convenience Food, der steigende Anteil von separat verpackten Einzelportionen sowie die zunehmende Nutzung des Onlinehandels und die Inanspruchnahme von Lieferservice. Verpackungen sind oftmals für den Schutz, die Handhabung und Lieferung von Produkten notwendig. Zudem haben die unterschiedlichen Verpackungsarten auch unterschiedliche Besonderheiten bezüglich des Produktes bzw. des Herstellungsprozesses – weshalb eine Optimierung im Sinne der Nachhaltigkeit oftmals schwierig ist. Es gibt jedoch Produkte, die gar keine Verpackung benötigen oder überflüssig materialintensiv verpackt sind. Daher ist es angebotsseitig wichtig, dass Hersteller und Erstinverkehrbringer von Verpackungen auf unnötige Verpackungen verzichten und notwendige Verpackungen möglichst als Mehrweg Lösung konzipieren. Wo dies nicht möglich ist, sollten die Verpackungen möglichst materialsparend und recyclingfreundlich konzipiert sein und soweit möglich Rezyklate enthalten.
Neben den Produktionsprozessen und steigenden Hygieneanforderungen sind es die Endverbraucher und -verbraucherinnen mit ihrem Einkaufsverhalten, welche nachfrageseitig für den Anfall von Verpackungsabfällen ursächlich sind. Damit obliegt ihnen auch maßgeblich die Vermeidung von Verpackungsabfällen. Möglichkeiten dazu sind:
- Sich beim Einkauf für verpackungsarme oder verpackungsfreie Varianten zu entscheiden
- Getränke haben einen hohen Anteil am Verpackungsverbrauch. Getränke sollten daher in Mehrwegflaschen gekauft werden. Zudem gilt, dass regionale Produkte in Mehrwegverpackungen nicht nur Verpackungsabfälle, sondern auch unnötige Belastungen durch weite Transporte vermeiden.
- Obst und Gemüse sollten in loser Form gekauft werden.
- Beim Kauf von Getränken wie Kaffee zum Mitnehmen sollte ein eigener wiederverwendbarer Becher oder ein Mehrwegbechersystem genutzt werden.
- Anstelle von Kunststofftüten sollten zum Einkauf mehrfach verwendbare Taschen und Beutel genutzt werden.
- In Folien vorverpackte Käse- oder Wurstscheiben führen zu mehr Verpackungsabfällen als Stückgut. Hier sollte überlegt werden, ob die kleinen Portionen wirklich benötigt werden oder ob weniger aufwändige Verpackungen und Portionsgrößen gewählt werden können.
- Nachfüllbeutel beispielsweise für Seifen oder Reinigungsmittel reduzieren ebenfalls das Verpackungsaufkommen.
- Viele Verpackungsabfälle entstehen durch Einweg-Versandverpackungen. Sollten Sie die Möglichkeit haben, wählen Sie beim Online-Einkauf eine Mehrwegverpackung aus. Auch mehrere Bestellungen zu bündeln, verringert das Abfallaufkommen.
Quellenverzeichnis
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BMUV – Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (2022): Daten über Elektro- und Elektronikgeräte in Deutschland aus dem Jahr 2020. Bonn/Berlin: 07.09.2022. Online: https://www.bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Abfallwirtschaft/elektronikgeraete_daten_2020_bf.pdfBMZ (o. J.) Abfall- und Kreislaufwirtschaft: Abfall als Thema der Agenda 2030: Online: https://www.bmz.de/de/themen/abfallwirtschaft/agenda-2030-18524
BVSE (o. J.) bvse – Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e. V.-Fachverband Kunststoffrecycling (o. J.): Kunststoffrecycling. Bonn o. J. Online: https://www.bvse.de/themen-kunststoff-recycling/kunststoffaufkommen/kunststoffrecycling.html
Circular Futures (o. J.): – Plattform Kreislaufwirtschaft Österreich: SDGs & Kreislaufwirtschaft. Online: https://www.circularfutures.at/themen/kreislaufwirtschaftspolitik/sdgs-and-kreislaufwirtschaft/
CONVERSIO (2022): Stoffstrombild Kunststoffe in Deutschland 2021: Zahlen und Fakten zum Lebensweg von Kunststoffen. November 2022 CONVERSIO Market und Strategy GmbH Mainz November 2022. Online (Kurzfassung): https://www.bvse.de/dateien2020/2-PDF/03-Themen_Ereignisse/FV_Kunststoffrecycling/Kurzfassung_Stoffstrombild_2021.pdf
DESTATIS-Statistisches Bundesamt (2022): Indikatoren der UN-Nachhaltigkeitsziele 2022. Online unter: http://sdg-indikatoren.de/
DESTATIS-Statistisches Bundesamt (2022b): Abfallbilanz 2020. Online: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Umwelt/Abfallwirtschaft/Publikationen/Downloads-Abfallwirtschaft/abfallbilanz-pdf-5321001.pdf?__blob=publicationFile
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LUBW (2010) LUBW-Landesanstalt für Umwelt, Baden Würtemberg (2010) . Handlungsanleitung zur guten Arbeitspraxis Kunststoffverwertung – Tätigkeiten mit Gefahrstoffen und biologischen Arbeitsstoffen bei der werkstofflichen Verwertung von Kunststoffen. Karlsruhe Januar 2010. Online: https://www.lubw.baden-wuerttemberg.de/documents/10184/62044/handlungsanleitung_kunststoffrecycling.pdf/7a028f87-af9d-4e76-800d-a28472cd1259?version=1.0&download=true
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Sander, Knut; Schilling, Stephanie (2010): Optimierung der Steuerung und Kontrolle grenzüberschreitender Stoffströme bei Elektroaltgeräten /Elektroschrott. Umweltbundesamt. Texte 11/2010. Dessau-Roßlau. März 2010. Online: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/461/publikationen/3769.pdf
Türk, Oliver (2014): Stoffliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe. 1. Auflage. Springer Vieweg, Wiesbaden 2014.
UBA- Umweltbundesamt (2019): Biobasierte und biologisch abbaubare Kunststoffe (3.9). Umweltbundesamt, Dessau-Roßlau 22. April 2019. Online: https://www.umweltbundesamt.de/biobasierte-biologisch-abbaubare-kunststoffe#haufig-gestellte-fragen-faq
UBA-Umweltbundesamt (Hrsg.) (2009): Wolfgang Beier: Biologisch abbaubare Kunststoffe. Dessau-Roßlau August 2009. Online: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/publikation/long/3834.pdf
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UBA- Umweltbundesamt (o. J.c): Kunststoffabfälle. Desssau-Roßlau (o. J.). Online: https://www.umweltbundesamt.de/daten/ressourcen-abfall/verwertung-entsorgung-ausgewaehlter-abfallarten/kunststoffabfaelle#kunststoffe-produktion-verwendung-und-verwertung
SDG 13 Maßnahmen zum Klimaschutz
“Umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen ergreifen”
Das SDG 13, gehört zu den besonders zentralen Nachhaltigkeitszielen und zielt darauf ab den Klimawandel als globale Bedrohung, die bereits heute jedes Land auf allen Kontinenten betrifft und sich negativ auf die Volkswirtschaften und das Leben jedes Einzelnen auswirkt, zu begrenzen.
Für die Kreislauf- und Abfallwirtschaft ist insbesondere das folgende Unterziel von Relevanz (Destatis 2022):
SDG 13.3 “Die Aufklärung und Sensibilisierung sowie die personellen und institutionellen Kapazitäten im Bereich der Abschwächung des Klimawandels, der Klimaanpassung, der Reduzierung der Klimaauswirkungen sowie der Frühwarnung verbessern”
Die Schnittmengen mit der Standardberufsbildposition liegen vor allem in der Reduzierung der direkten und indirekten Emissionen (Belastung der Umwelt) sowie der nachhaltigen Nutzung von Energie (vg.: BIBB 2020):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
Die Auswirkungen des Klimawandels sind bereits heute Realität: Die Wetterverhältnisse ändern sich, der Meeresspiegel steigt, die Wetterereignisse werden immer extremer und die Treibhausgasemissionen erreichen heute die höchsten Werte in der Geschichte. Ohne entsprechende Maßnahmen dürfte die durchschnittliche Oberflächentemperatur der Welt in diesem Jahrhundert 3 Grad Celsius überschreiten. Am stärksten betroffen sind die Ärmsten und die Schwächsten. Doch erschwingliche und ausbaufähige Lösungen sind bereits jetzt verfügbar, denn immer mehr Menschen greifen auf erneuerbare Energien und eine Reihe anderer Maßnahmen zurück, welche die Emissionen von Treibhausgasen reduzieren und die Anpassung an den Klimawandel stärken. Der Klimawandel ist jedoch eine globale Herausforderung, die keine nationalen Grenzen kennt. Für die Lösung dieses globalen Problems ist daher eine Koordination auf internationaler Ebene unverzichtbar (UNRIC o. J.)
Der Klimawandel wird durch die Emission von Treibhausgase verursacht. Zahlreiche Gase sind verantwortlich für den Klimawandel. Ihnen gemeinsam ist ihre Undurchlässigkeit für die (Infrarot-)Wärmestrahlung der Erde. Dies führt bekanntlichermaßen zum Klimawandel. Jedes dieser Gase trägt in unterschiedlichem Maße zum Klimawandel bei. Die Stoffe bleiben zudem unterschiedlich lange in der Atmosphäre, weshalb sie unterschiedlich zum Treibhauseffekt beitragen. Das IPCC (International Panel for Climate Change) definiert deshalb ein GWP Global Warming Potential (Erwärmungswirkung für den Klimawandel) eines Stoffes in hundert Jahren im Vergleich zu Kohlendioxid CCO2 wie folgt (vgl. My Climate o. J.):
- Kohlendioxid CO2: 1 (Bezugswert)
- Methan CH4: 28
- Stickstoffdioxid N2O: 265
- FCKW (verboten) > 12.000
Beitrag der Abfallwirtschaft zum Klimawandel
Der gemäß Klimarahmenkonvention der UN (UNFCCC 1992) und Kyoto-Protokoll (UNFCCC 1997) erstellte nationale Inventarbericht zum Deutschen Treibhausgasinventar (NIR 2022) beziffert die Menge an CO2-Äquivalenten, welche von der Abfallwirtschaft emittiert werden für das Jahr 2020 auf 9 Millionen Tonnen. Das entspricht einem Anteil an den gesamten nationalen Treibhausgas-Emissionen im Jahr 2020 von 1,2 Prozent (UBA 2022b). Darin enthalten sind die Treibhausgas-Emissionen aus der
- der Abfalldeponierung (CRF 5.A),
- der biologischen Abfallbehandlung (Kompostierung, Vergärung) (CRF 5B),
- der mechanisch-biologischen Abfallbehandlung (CRF 5.E) sowie
- der Abwasserbehandlung (CRF 5.D)
Um die nationalen Emissionen von Treibhausgasen zwischen den Ländern vergleichbar zu machen, aber auch um nationale Fort- oder Rückschritte zu erkennen, erfolgt ihre Berichterstattung in einem vorgeschriebenen Format. Dieses Format ist das sogenannte Common reporting format (CRF). Es ordnet jede Emissionsquelle einer Kategorie zu und gibt ihr eine eindeutige Nummerierung. Beispielsweise bezeichnet die Kategorie CRF 1.A.1.a die „Öffentliche Elektrizitäts- und Wärmeversorgung“ und umfasst alle Emissionen aus Fernheizwerken und aus der Strom- und Wärmeerzeugung in öffentlichen Kraftwerken.
Die Emissionen aus der Abfallverbrennung (CRF 5.C) mit energetischer Nutzung sind darin allerdings nicht enthalten, sondern werden in der Energiewirtschaft berichtet, da in Deutschland definitionsgemäß sämtliche Abfallverbrennungen unter energetischer Nutzung erfolgt.
Für das Jahr 2018 betrug die Menge an Abfall, die in Müllverbrennungsanlagen und die Menge an feste, flüssige oder gasförmige Abfälle die als Ersatzbrennstoffen (EBS) die in EBS-Kraftwerken der Industrie verbrannt wurden insgesamt 26,3 Mio. Tonnen (NABU 2019) . Zum Vergleich: Das jährliche Aufkommen an haushaltstypischen Siedlungsabfällen wie Restmüll, Sperrmüll, Bioabfälle, Glas, Papier und Verpackungen betrug in Deutschland im Jahr 2020 insgesamt 46 Mio. Tonnen. Dabei wurden fast 24 Millionen Tonnen CO2 freigesetzt. Davon stammen 13,1 Mio aus fossiler Herkunft und 10,3 aus der Verbrennung von Biomasse (Zero Waste Europe 2020). Für einen maximalen Klima- und Ressourcenschutz sollten Abfälle jedoch in erster Linie vermieden oder recycelt und die enthaltenen Wertstoffe nicht verheizt werden. Die CO2-intensive Abfallverbrennung, bei der zusätzlich giftige Rückstände wie Schlacken und Filterstäube zurückbleiben, erschwert daher die Transformation zu einer Kreislaufwirtschaft. Als Möglichkeiten die Abfallverbrennung zu reduzieren gelten (NABU 2019):
- Festlegung verbindlicher Abfallvermeidungsziele: Bereits jetzt gibt es urbane Räume in Deutschland mit einem Abfallaufkommen von unter 100 kg pro Einwohner und Jahr. Die Stadt Kiel hat sich das ambitionierte Ziel gesetzt, bis 2035 ihre Restmüllmengen zu halbieren und langfristig auf 50 kg pro Einwohner und Jahr zu senken.
- Förderung einer besseren Getrenntsammlung von Kunststoffen, Textilien, Sperrmüll sowie eine flächendeckende Bioabfallsammlung: Die Bereitstellung von nutzungsfreundlichen Sammelsystemen (z. B. Wertstofftonne und Biotonne) und eine umfassende wie auch kontinuierliche Abfallberatung müssen für alle Bürger*innen gewährleistet werden. Die Einführung verursachergerechter Abfallgebührensysteme fördert zusätzlich eine bessere getrennte Erfassung der Abfälle.
- Investitionen in Wertstoffhöfe, Sortier- und Recyclinganlagen sowie Förderung der Nachfrage nach Sekundärrohstoffen: Moderne Wertstoffhöfe mit gutem Service, umfassenden Informationsangeboten und der Förderung der Wiederverwendung von Altprodukten leisten wertvolle Beiträge zum Ressourcen und Klimaschutz, diese sollten verstärkt gefördert werden. Zudem kann die Nutzung von Sekundärrohstoffen durch verbindliche Rezyklateinsatzquoten und einer Besteuerung des Primärrohstoffeinsatzes befördert werden
Zudem birgt der aufwändige Bau von Abfallverbrennungsanlagen das Risiko von langfristigen Abhängigkeiten, die effektive Maßnahmen für mehr Wiederverwendung und Recycling und somit einen größeren Nutzen für den Klimaschutz verzögern. Denn in städtischen Kreisen mit Müllverbrennungsanlage fallen durchschnittlich pro Kopf knapp 190 Kilogramm Restmüll an, während es in städtischen Kreisen ohne Verbrennungsanlage hingegen „nur“ gut 140 Kilogramm sind (NABU 2019).
Gemäß Europäischer Taxonomie für nachhaltige Investitionen (Sustainable Finance-Aktionsplan) zählen Investitionen zur Errichtung von Anlagen zur Abfallverbrennung explizit nicht zu den nachhaltigen Investitionen (EU 2019/2088).
Bei den Treibhausgas-Emissionen aus der Abfallwirtschaft stellen die Emissionen von Methan aus der Abfalldeponierung (CRF 5.A) die mit Abstand bedeutendste Quelle im Sektor dar. Für CH4-Emissionen stellt die Abfalldeponie sowohl der Menge nach als auch dem Trend nach eine sogenannte Hauptquellgruppe dar. Das bedeutet, dass die Abfalldeponierung zu denjenigen Quellgruppen zählt, welche zusammen 95 Prozent aller CH4-Emissionen im Jahr 2020 (Menge) sowie in der Entwicklung des Emissionstrend zwischen dem Basisjahr 1990 und dem letzten berichteten Jahr 2020 ausmachen.
Im Trend nehmen die THG-Emissionen aus Abfalldeponien jedoch stabil ab, während die THG-Emissionen aus den übrigen Quellen des Sektors nahezu stagnieren. Der Grund für diese stabile Abnahme der THG-Emissionen aus der Abfalldeponierung liegt darin, dass die Emissionen ganz überwiegend von den historisch eingebrachten Mengen an biologisch abbaubarem Material verursacht werden. Im Vergleich dazu haben aktuell auf Deponien verbrachte Abfälle nur geringe Anteile biologisch abbaubarer Gehalte und dadurch auch nur einen sehr geringen Anteil an den aktuellen THG-Emissionen aus der Abfalldeponierung (UBA 2022b).
Bei der biologischen Abfallbehandlung (CRF 5.B) entweichen CH4– und N2O- Emissionen aus Kompostierungsanlagen (CRF 5.B.1) und aus der Vergärung von Bioabfall in Biogasanlagen (CRF 5.B.2). Die biologische Abfallbehandlung ist eine Hauptkategorie für CH4– und für N2O-Emissionen nach dem Trend. D.h.: Die CH4– und N2O-Emissionen die aus der biologischen Abfallbehandlung entweichen, bestimmen wesentlich die zeitliche Entwicklung der Gesamtemissionen dieser Schadstoffe
Bei der kommunalen (CRF 5.D.1) wie auch der industriellen (CRF 5.D.2) Abwasserbehandlung entweichen CH4– und N2O-Emissionen. Emissionsquellen sind Kläranlagen, Anaerob-Anlagen zur Abwasserbehandlung sowie Vorfluter bzw. Gewässer. Die kommunale Abwasserbehandlung in der Kategorie Abwasserbehandlung ist für CH4-Emissionen sowie für N2O-Emissionen dem Trend nach eine Hauptquellgruppe.
Bei der mechanisch-biologischen Abfallbehandlung (CRF 5.E.1) wird insbesondere N2O freigesetzt. Die N2O-Emissionen entstehen während des biologischen Umsatzes der organischen Substanz im Zuge der Rotte (primäres Lachgas) aber auch bei der biologischen und der thermischen Abluftreinigung (sekundäres Lachgas, BMLFUW.at 2012)
Insgesamt sanken die Emissionen des Abfallsektors gegenüber dem Vorjahr 2019 um rund 3,8 Prozent auf knapp neun Mio. Tonnen CO2-Äquivalente. Damit bleibt der Abfallsektor unter der im Bundesklimaschutzgesetz festgelegten Jahresemissionsmenge von 9 Mio. Tonnen CO2-Äquivalenten. Der Trend wird im Wesentlichen durch die sinkenden Emissionen der Abfalldeponierung bestimmt. Zudem hat die Einführung eines verstärkten Recyclings von wiederverwertbaren Stoffen (Gelber Sack, Verpackungsverordnung u.a .) sowie die seit Juni 2005 nicht mehr zugelassene Deponierung von biologisch abbaubaren Abfällen (zum überwiegenden Teil realisiert durch die Mechanisch Biologische Abfallbehandlung) zu einer Verringerung der jährlich deponierten Abfallmengen geführt und damit eine Minderung von 80,2 Prozent im Bereich der Deponieemissionen verursacht. Die ebenfalls zu dieser Kategorie gehörenden Emissionen aus der Abwasserbehandlung treten mengenmäßig deutlich hinter den Deponieemissionen zurück, sanken jedoch ebenfalls sehr stark (NIR 2022).
Mobilität
Die Mobilität ist für einen wesentlichen Teil des Klimawandels verantwortlich – in Deutschland verantwortet die Mobilität rund 20 Prozent der Emissionen (Bundesregierung o. J.b). Der Verkehrssektor ist damit nach der Energiewirtschaft und der Industrie mit je rund 20 Prozent CO2-Ausstoß der drittgrößte Verursacher von Treibhausgasemissionen. Den weitaus größten Teil der Verkehrsemissionen verursacht der Straßenverkehr 96 Prozent (Stand 2019). Für etwa 61 Prozent davon sind Benzin- und Diesel-Pkw und für 36 Prozent entsprechende Lkw verantwortlich. Seit 1995 ist der CO2-Ausstoß des Personenverkehrs nicht gesunken, obwohl die Fahrzeuge energieeffizienter sind. Denn es werden fast 60 Prozent mehr Personenkilometer gefahren als Anfang der 90er Jahre. Das hebt den Einspareffekt auf. Auch die Beförderungsleistung auf der Straße nahm erheblich zu: Verglichen mit dem Jahr 2000 haben sich 2021 die zurückgelegten Tonnenkilometer um fast 50 Prozent erhöht (Destatis 2022e). Um die Klimaziele zu erreichen, muss der Anteil der Fahrzeuge mit alternativen Antrieben zunehmen. Im Jahresverlauf 2020 stiegen die Neuzulassungen von Elektroautos deutlich: von Januar 2020 mit drei Prozent auf 14 Prozent Ende des Jahres (KBA 2022).
Eine nach Antriebstechnologie sowie Fahrzeugsegment differenzierte Übersicht über die Neuzulassung zeigt, dass die meisten neu zugelassenen batterieelektrischen Pkws den Segmenten Kleinwagen, Mini und Kompaktklasse angehören und die Plug-in-Hybride vorwiegend dem Segment Kompaktklasse und neben der Mittelklasse auch dem derzeit stark nachgefragten Fahrzeugsegment SUV.
Zum 01.01.2022 waren insgesamt 2.815.122 Fahrzeuge mit alternativen Antrieben angemeldet. Dazu zählen sowohl Fahrzeuge mit Elektroantrieben wie BEV, Brennstoffzellen als auch Fahrzeuge mit Hybrid-Antrieben sowie Gas. Das entspricht 4,7 Prozent aller knapp 60 Mio. Fahrzeuge im Bestand. Davon entfielen 4,5 Prozent alleine auf Pkw´s. Mit großem Abstand folgen Lkws mit 0,13 Prozent und Krafträder mit 0,03 Prozent. Omnibusse, Zugmaschinen und sonstige Kfz haben lediglich einen Anteil von 0,01 Prozent bis 0,007 Prozent an Fahrzeugen mit alternativen Antrieben (KBA 2022).
Schon heute verursacht ein Elektrofahrzeug der Kompaktklasse über den gesamten Lebensweg bis zu 30 Prozent weniger Treibhausgase als ein vergleichbares Benzin- oder Dieselfahrzeug (Bundesregierung o. J.b). Im Betriebsalltag ist das Elektrofahrzeug wesentlich effizienter. Ein Hyundai Kona verbraucht im Stadtverkehr rund 14,5 kWh, dies entspricht bei einem Stromfaktor von 450 g CO2-Äq/kWh rund 65 g THG-Emissionen/km 100 km. Ein vergleichbarer Kona-Diesel verbraucht ca. 4,5 l Diesel, dies entspricht Emissionen von ca. 120 g/km (eigenes Fahrzeug der Autoren, Berechnung nach (vgl. My Climate o. J.).
In der Abfallwirtschaft sind die mit fossilen Treibstoffen wie Diesel betriebenen Verbrennungsmotoren der schweren Nutzfahrzeuge der Sammelfahrzeuge von besonderer Relevanz. Neben der Sammlung der Abfälle beim Abfallerzeuger/in kann auch der schienengebundene Transport von Abfällen z. B. von Umladestationen zu weiterführenden Behandlungsanlagen von Relevanz sein. Des Weiteren verfügen öffentliche Abfallentsorger auch über diesel- oder benzinbetriebene leichte Nutzfahrzeuge für die Abfallsammlung aus öffentlichen Abfallbehältern oder die Durchführung der Straßenreinigung u.ä. sowie über Pkws für den Service.
Elektroantriebe
Emissionsfreie Fahrzeuge mit einem Elektroantrieb sind eine vieldiskutierte Alternative zu fossil betriebenen Antrieben. Während es im PKw-Bereich eher batteriebetriebene Konzepte sind, kommen diese im Bereich der Nutzfahrzeuge aufgrund des schweren und teils voluminösen Elektrostrang mit Batterie weniger in Betracht. Stattdessen bieten immer mehr Hersteller von Nutzfahrzeugen Brennstoffzellen an. Maßgeblicher angeschoben wird dies durch die EU-Klimaziele den CO2-Ausstoß von neuen Pkw bis 2030 um 37,5 Prozent zu senken und dies bereits in fünf Jahren auch auf schwere Nutzfahrzeuge auszudehnen. Um bis zum Jahr 2025 bei schweren Nutzfahrzeugen 15 Prozent CO2-Emissionen und bis 2030 sogar 30 Prozent einzusparen, erscheint die Brennstoffzellentechnologie daher besonders vielversprechend. Denn einerseits sind konventionelle Lkw-Antriebsstränge mit Dieselaggregaten bereits in hohem Maße optimiert und bieten daher nur noch wenig Einsparpotenzial. Andererseits lassen sich bestehende Lösungen zum batterieelektrischen Antrieb von Pkw nicht direkt von Pkw´s auf Lkw´s übertragen, da die benötigte Batterie zu schwer und die Ladezeiten zu lang wären. Bei Fahrzeugen zur Abfallsammlung ist zudem die Nutzlast entscheidend. Diese wird jedoch bei reinen E-Fahrzeuge aufgrund ihrer schweren Akkumulatoren sehr stark herabgesetzt.
Brennstoffzellen
Neben dem Einsatz synthetischer Kraftstoffe wird ein besonders großes Potenzial gesehen, wenn Nutzfahrzeuge über eine Brennstoffzelle durch die Nutzung von Wasserstoff mit Energie versorgt werden. Denn wasserstoffbetriebene Fahrzeuge sind leiser, wartungsärmer und – bei Herstellung des Wasserstoffs aus regenerativen Quellen – CO2-neutral. Umweltzonen und emissionsbedingte Durchfahrungsverbote stellen keine Probleme mehr dar. Zwar sind erste Fahrzeuge bereits auf dem Markt verfügbar, jedoch muss die Brennstoffzellenentwicklung bei einer Einführung bis 2025 deutlich beschleunigt werden. Taktgeber für die Beschleunigung der Brennstoffzellen- entwicklung ist dabei die Produktionstechnik (KIT 2020).
Gleichwohl ist die Entwicklung von Lkw-Antrieben auf Wasserstoffbasis branchenweit auf einem nie dagewesenen Höchststand. Etablierte Unternehmen, darunter Hersteller wie Hyundai oder Daimler Trucks, aber auch völlig neue Anbieter wie die US-amerikanische Firma Nikola, die in Kooperation mit IVECO und Bosch an der Marktreife von Brennstoffzellen-Lkw feilt, überbieten sich im Rennen um Effizienz, Reichweite und Fortschrittlichkeit. Verwunderlich ist diese Entwicklung angesichts der Vorteile von grünem Wasserstoff nicht: Große Tanks ermöglichen hohe Reichweiten mit einer Tankfüllung. Verschiedene Hersteller arbeiten mit Konzepten, die Reichweiten zwischen 400 und über 1000 Kilometern versprechen. Der Tankprozess ähnelt dabei dem bisherigen Ablauf. Ein Umstellen ganzer Prozesse auf längere Lade- und Standzeiten ist daher nicht nötig. Und Innenstädte, die lärm- und feinstaubbelastet sind, können schon in wenigen Jahren deutlich entlastet werden.
Zwischen Pkw und schweren Nutzfahrzeugen liegen leichte Nutzfahrzeuge bis 3,5 t. Genau die nehmen immer mehr Hersteller als Versuchsballon für den Wasserstoffantrieb mit Brennstoffzelle, meist in Verbindung mit einer Plug-in-Ladelösung. So lässt Stellantis, der Mutterkonzern von Opel, Peugeot und Citroën, in den kommenden zwei Jahren in Rüsselsheim eine Kleinflotte von 2000 Fahrzeugen von Elektro auf Wasserstoff umrüsten, jeweils mit einer Reichweite von 400 Kilometern. Welches Potenzial die Brennstoffzellen-Technologie im Segment leichte Nutzfahrzeuge besitzt, zeigte im Frühjahr 2021 die Ingenieurgesellschaft Auto und Verkehr (IAV) mit einer Emissions-Analyse alternativer Antriebe. Dabei wurde der anzunehmende CO2-Fußabdruck in drei Fahrzeugklassen für das Jahr 2030 untersucht. Ein Ergebnis: Bei der Betrachtung des gesamten Lebenszyklus‘ eines Fahrzeugs (von der Rohstoffgewinnung über die Logistikkette, Produktion, Montage und Nutzung bis hin zum Recycling) hatte die Brennstoffzelle bei einem Transporter mit 500 Kilometern Reichweite und 200.000 km Fahrleistung gegenüber dem reinen Batterieantrieb und dem Wasserstoffverbrennungsmotor die Nase vorn (Autobild 2021).
Praxisbeispiele
- Die USB Bochum GmbH (Umweltservice Bochum), ein kommunales Unternehmen der Abfall- und Entsorgungswirtschaft in der nordrhein-westfälischen Stadt Bochum, hat im Juni 2021 das erste mit Wasserstoff angetriebene Abfallsammelfahrzeug in seine Flotte aufgenommen. In der Stadtreinigung sind mittlerweile 4 umgebaute Kehricht Sammelwagen (Lkw-Kipper) unterwegs, die als konventionelle Diesel-Fahrzeuge auf E-Antrieb umgerüstet wurden. Für die Abfallsammlung zum Transport von Kühlgeräten wird ein Orten E 100 (vormals Mercedes Atego) als vollelektrischer Lkw eingesetzt (www.usb-bochum.de)
- Der Zweckverband Abfallwirtschaft Region Hannover (aha) erprobt zur Zeit den Einsatz eines Abfallsammelfahrzeugen mit Brennstoffzellenantrieb im Betriebsalltag (www.aha-region.de)
- Bei den Wirtschaftsbetriebe Duisburg, Anstalt des öffentlichen Rechts und entsorgungspflichtige Körperschaft, kommt seit Mai 2021 ein mit 3Brennstoffzellen ausgestattetes Abfallsammelfahrzeug vom Typ Bluepower in der Hausmüllsammlung zum Einsatz. Es handelt sich hierbei um ein vollelektrisches Fahrgestell mit Batterie und Wasserstoff-Brennstoffzellen. Die Brennstoffzellen wandeln den getankten Wasserstoff in Strom und Wasser um. Über den erzeugten Strom wird zum einen der Fahrantrieb mit Energie versorgt und zum anderen die verbaute Batterie geladen; diese dient dem Fahrzeug zur Abdeckung von „Leistungsspitzen“, zum Beispiel bei der Beschleunigung und beim Anfahren mit einem voll beladenen Fahrzeug. Die Betankung erfolgt an einer zentral in Duisburg gelegenen öffentlichen Tankstelle. Grundsätzlich ist der Aufwand für die Betankung mit dem bei einem konventionellen Fahrzeug gleichzusetzen (www.wb-duisburg.de)
- Der kommunale Entsorgungsbetrieb AWM München setzt seit dem Jahr 2020 den vollelektrischen Abrollkipper Volvo FE Electric (27 Tonnen) im Stadtgebiet für die Containerlogistik der Wertstoffhöfe ein. Das Fahrzeug ist für die Aufnahme verschiedener Arten von Containern ausgelegt. Für diesen speziellen Einsatz hat das Fahrzeug eine Reichweite von ca. 120 Kilometern. Der Lkw verfügt über zwei Synchron-Wechselstrom-Elektromotoren. Vier Lithium-Ionen-Batterien mit je 50 kWh sorgen hierbei für die nötige Energie (www.awm-muenchen.de).
- Die Stadtreinigung Hamburg (SRH) setzt seit 2020 eine vollelektrische Großkehrmaschine zur Reinigung auf dem Gelände des St. Pauli Fischmarkts ein. Zum Einsatz kommt der Maschinentyp VS 6e der Fa. Brock. Die Kehrmaschinen haben, wie die Diesel angetriebene Standard-Maschinen der SRH, ein zulässiges maximales Gesamtgewicht von 15 t. Der Elektro-Antriebsmotor verfügt über eine maximale Leistung von 250 kW und ein maximales Drehmoment von 3.400 Nm. Die CO2-Ersparnis gegenüber einem baugleichen Fahrzeug mit Dieselantrieb beträgt rund 30 Tonnen pro Jahr und darüber hinaus ist dieser Prototyp mit 57 Dezibel um etwa 20 Dezibel leiser als herkömmliche Großkehrmaschinen (ZfK 2020). Die Stadtreinigung Hamburg setzt schon seit vielen Jahren verstärkt auf das Thema E-Mobilität. Dabei lag der Fokus bisher auf umweltfreundlichen und emissionsarmen Pkw’s und Kleintransportern. Die SRH hat aktuell mehr als 90 elektrische Fahrzeuge bis 3,5 Tonnen im Einsatz (www.stadtreinigung.hamburg)
- Das mittelständische Unternehmen FAUN Umwelttechnik entwickelt Abfallsammel- und Kehrfahrzeuge auf Brennstoffzellenbasis. Diese basieren auf herkömmlichen Nutzfahrzeugen, können jedoch modular an die Bedürfnisse der Kunden angepasst werden und sind durch ihren Antrieb emissionsfrei und leise. Im Emsland wird ab Ende 2022 ein erstes, von FAUN hergestelltes Sperrmüllfahrzeug auf Brennstoffzellenbasis unterwegs sein (www.faun.com)
Erneuerbare Energie in der Verfahrens- und Anlagentechnik
Neben der Mobilität kommen insbesondere zur Behandlung von Abfällen in der Abfallwirtschaft auch stationäre Anlagen und Prozesse zum Einsatz für die Energie benötigt werden. Dies kann eine Vielzahl von unterschiedlichen Maschinen und Geräten, z. B. zur Zerkleinerung, Sortierung, Kompaktierung und Lagerung, umfassen. Die technischen Potenziale zur Dekarbonisierung der Industrie sind jedoch erheblich. So decken erneuerbare Energien mit knapp sechs Prozent nur marginal den Energiebedarf in der industriellen Prozesswärme und Prozesskälte ab, obwohl mehr als 20 Prozent des deutschen Endenergieverbrauchs auf industrielle Prozesse zum Wärmen und Kühlen entfallen. Trotz der hohen Bedeutung der Prozesswärme und –kälte für die Energiewende ist bisher keine ausreichende Entwicklung zur Dekarbonisierung und effizienteren Nutzung in industriellen Prozessen erkennbar, obwohl mit der Solarthermie, Geothermie, Biomasse, (Groß-)Wärmepumpen sowie anderen strombasierten Formen der Wärmeerzeugung verschiedene Technologien für die vollständige oder teilweise Dekarbonisierung vieler Industrieprozesse bereit stehen. Das wirtschaftlich zu hebende Effizienzpotenzial allein im Brennstoffbereich der Industrie beläuft sich auf ca. 10 Prozent des gesamten aktuellen Prozesswärmebedarfs. Mit steigenden CO2– oder Energiepreisen wächst dieses Potenzial. Folgende Handlungsmöglichkeiten zur Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energie in der Industrie stehen zur Verfügung (BEE u.a. 2018):
- Nicht in den Betrieben nutzbare Abwärme sollte für Dritte nutzbar gemacht werden, z. B. durch Einspeisung in Fernwärmenetze. Mit Großwärmepumpen können dabei auch die bislang zu wenig beachteten Potenziale der Niedertemperatur-Abwärme genutzt werden.
- Als strategische Option bieten sich im Niedertemperatur-Bereich zwischen 100 bis 150°C (z. B. zur Warmwasserbereitung, zum Waschen, in der Nahrungs- und Genussmittelproduktion) gute Möglichkeiten einer vollständigen Dekarbonisierung durch erneuerbare Energien und begleitende Effizienzmaßnahmen.
- Mit der Digitalisierung ergeben sich aus den neuen Möglichkeiten zur Messung, Steuerung und Vernetzung von Prozessen zusätzliche Effizienzpotenziale. Auf der Erzeugungsseite entstehen neue Märkte für die „klassischen“ erneuerbaren Technologien und neue Optionen an der Schnittstelle von Wärme- und Strommarkt.
- Bei Branchen mit mittleren Temperaturen wie der Abfallwirtschaft und der Grundstoffverarbeitung sollte zunächst auf eine Teil-Dekarbonisierung gezielt werden, bei der erneuerbare Energien in Kombination mit fossilen Energieträgern eingesetzt werden. Abfallentsorger verfügen fast immer über große Dachflächen von Anlagen oder für den Fuhrpark sowie über Freiflächen, die entweder direkt geeignet sind für eine Dach- oder Freiflächen-Fotovolataik. Da sie immer in Gewerbegebieten gelegen sind, eignen sie sich auch für Kleinwindanlagen.
- Um auch Hochtemperatur-Anwendungen zu dekarbonisieren, sind noch verstärkte Forschungs- und Entwicklungsarbeiten nötig. Energieeffizienz- maßnahmen, verstärkte Abwärmenutzung und der Einsatz von Biomasse und Strom in Pilotprojekten können jedoch schon heute begonnen werden.
Quellenverzeichnis
Autobild (2021): Christian Jeß (2021): Wasserstoff-Nutzfahrzeuge: Brennstoffzelle, H2, Transporter- Wasserstoff-Nutzfahrzeuge: das sind saubere Brennstoffzellen – Transporter. Autobild vom 14.12.2021 Online: https://www.autobild.de/artikel/wasserstoff-nutzfahrzeuge-brennstoffzelle-h2-transporter-20700959.html
BEE u.a. (2018): Christian Maaß, Matthias Sandrock, Gerrit Fuß (2018): Kurzgutachten: Strategische Optionen zur Dekarbonisierung und effizienteren Nutzung der Prozesswärme und -kälte. Hamburg Institut. Im Auftrag der HANNOVER MESSE und des Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE). Online: https://www.hamburg-institut.com/wp-content/uploads/2021/07/BEE-Dekarbonisierung_Prozesswaerme.pdf
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (2020): Empfehlung des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung vom 17. November 2020 zur „Anwendung der Standardberufsbildpositionen in der Ausbildungspraxis“. BAnz AT 22.12.2020 S4. Online: https://www.bibb.de/dokumente/pdf/HA172.pdf
Bundesregierung o. J.b: Klimaschonender Verkehr. Online: www.bundesregierung.de/breg-de/themen/klimaschutz/klimaschonender-verkehr-1794672
DESTATIS-Statistisches Bundesamt (2022): Indikatoren der UN-Nachhaltigkeitsziele 2022. Online unter: http://sdg-indikatoren.de/
DESTATIS-Statistisches Bundesamt (2022e): tkm/a in Deutschland: online: www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Transport-Verkehr/Gueterverkehr/Tabellen/gueterbefoerderung-lr.html
EU (2019/2088) Europäisches Parlament und Rat (2020): Verordnung 2020/852 vom 18. Juni 2020 über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen und zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/2088. Online: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32020R0852&from=EN
KBA (2022): Kraftfahrt-Bundesamt: Bestand an Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern nach Bundesländern, Fahrzeugklassen und ausgewählten Merkmalen. FZ 27.8. Flensburg, März 2022. Online:https://www.kba.de/DE/Statistik/Fahrzeuge/Bestand/Vierteljaehrlicher_Bestand/b_vierteljaehrlich_inhalt.html?nn=2601598
KIT – Karlsruher Institut für Technologie (2020): Neue Produktionstechnologie für schwere Nutzfahrzeuge. Online: https://www.kit.edu/kit/pi_2020_108_neue-produktionstechnologie-fur-schwere-nutzfahrzeuge.php-9b537c7dd20b?t=1583241728000
My Climate (o. J.): Was sind CO2-Equivalente. Online: https://www.myclimate.org/de
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NIR (2022): Berichterstattung unter der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen und dem Kyoto-Protokoll 2022 Nationaler Inventarbericht zum Deutschen. Treibhausgasinventar 1990 – 2020. UBA Climate Change 24/2022: Online: https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/berichterstattung-unter-der-klimarahmenkonvention-7
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