Fachkraft Agrarservice
Einleitung
Ziele der Projektagentur PA-BBNE
Das Ziel der „Projektagentur Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ (PA-BBNE) ist die Entwicklung von Materialien, die die um Nachhaltigkeit erweiterte neue Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ mit Leben füllen soll. Mit „Leben zu füllen“ deshalb, weil „Nachhaltigkeit“ ein Ziel ist und wir uns den Weg suchen müssen. Wir wissen beispielsweise, dass die Energieversorgung künftig klimaneutral sein muss. Mit welchen Technologien wir dies erreichen wollen und wie unsere moderne Gesellschaft und Ökonomie diese integriert, wie diese mit Naturschutz und Sichtweisen der Gesellschaft auszugestalten sind, ist noch offen.
Um sich mit diesen Fragen zu beschäftigen, entwickelt die PA-BBNE Materialien, die von unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden:
- Zum einen widmen wir uns der beruflichen Ausbildung, denn die nachhaltige Entwicklung der nächsten Jahrzehnte wird durch die jungen Generationen bestimmt werden. Die duale berufliche Ausbildung orientiert sich spezifisch für jedes Berufsbild an den Ausbildungsordnungen (betrieblicher Teil der Ausbildung) und den Rahmenlehrplänen (schulischer Teil der Ausbildung). Hierzu haben wir dieses Impulspapier erstellt, das die Bezüge zur wissenschaftlichen Nachhaltigkeitsdiskussion praxisnah aufzeigt.
- Zum anderen orientieren wir uns an der Agenda 2030. Die Agenda 2030 wurde im Jahr 2015 von der Weltgemeinschaft beschlossen und ist ein Fahrplan in die Zukunft (Bundesregierung o. J.). Sie umfasst die sogenannten 17 Sustainable Development Goals (SDGs), die jeweils spezifische Herausforderungen der Nachhaltigkeit benennen (vgl. Destatis 2022). Hierzu haben wir ein Hintergrundmaterial (HGM) im Sinne der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE, vgl. BMBF o. J.) erstellt, das spezifisch für unterschiedliche Berufe ist.
Die Materialien der Projektagentur
Die neue Standardberufsbildposition gibt aber nur den Rahmen vor. Selbst in novellierten Ausbildungsordnungen in Berufen mit großer Relevanz für wichtige Themen der Nachhaltigkeit wie z. B. dem Klimaschutz werden wichtige Fähigkeiten, Kenntnissen und Fertigkeiten in den berufsprofilgebenden Berufsbildpositionen nicht genannt – obwohl die Berufe deutliche Beiträge zum Klimaschutz leisten könnten. Deshalb haben wir uns das Ziel gesetzt, Ausbildenden und Lehrkräften Hinweise im Impulspapier zusammenzustellen im Sinne einer Operationalisierung der Nachhaltigkeit für die unterschiedlichen Berufsbilder. Zur Vertiefung der stichwortartigen Operationalisierung wird jedes Impulspapier ergänzt durch eine umfassende Beschreibung derjenigen Themen, die für die berufliche Bildung wichtig sind. Dieses sogenannte Hintergrundmaterial orientiert sich im Sinne von BNE an den 17 SDGs, ist faktenorientiert und wurde nach wissenschaftlichen Kriterien erstellt. Ergänzt werden das Impulspapier und das Hintergrundmaterial durch einen Satz von Folien, die sich den Zielkonflikten widmen, da „Nachhaltigkeit das Ziel ist, für das wir den Weg gemeinsam suchen müssen“. Und dieser Weg ist nicht immer gleich für alle Branchen, Betriebe und beruflichen Handlungen, da unterschiedliche Rahmenbedingungen in den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – Ökonomie, Ökologie und Soziales – gelten können. Wir haben deshalb die folgenden Materialien entwickelt:
- BBNE-Impulspapier (IP): Betrachtung der Schnittstellen von Ausbildungsordnung, Rahmenlehrplan und den Herausforderungen der Nachhaltigkeit in Anlehnung an die SDGs der Agenda 2030. Das Impulspapier ist spezifisch für einen Ausbildungsberuf erstellt, fasst aber teilweise spezifische Ausbildungsgänge zusammen (z. B. den Fachmann und die Fachfrau zusammen mit der Fachkraft sowie die verschiedenen Fachrichtungen)
- BBNE-Hintergrundmaterial (HGM): Betrachtung der SDGs unter einer wissenschaftlichen Perspektive der Nachhaltigkeit im Hinblick auf das Tätigkeitsprofil eines Ausbildungsberufes bzw. auf eine Gruppe von Ausbildungsberufen, die ein ähnliches Tätigkeitsprofil aufweisen;
- BBNE-Foliensammlung (FS) und Handreichung (HR): Folien mit wichtigen Zielkonflikten – dargestellt mit Hilfe von Grafiken, Bildern und Smart Arts für das jeweilige Berufsbild, die Anlass zur Diskussion der spezifischen Herausforderungen der Nachhaltigkeit bieten. Das Material liegt auch als Handreichung (HR) mit der Folie und Notizen vor.
Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung
Die Standardberufsbildposition “Umweltschutz und Nachhaltigkeit”
Seit August 2021 müssen auf Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) bei einer Modernisierung von Ausbildungsordnungen die vier neuen Positionen „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“, Digitalisierte Arbeitswelt“, Organisation des Ausbildungsbetriebs, Berufsbildung, Arbeits- und Tarifrecht“ sowie „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“ aufgenommen werden (BIBB 2021). Insbesondere die letzten beiden Positionen unterscheiden sich deutlich von den alten Standardberufsbildpositionen.
Diese Positionen begründet das BIBB wie folgt (BIBB o. J.a): „Unabhängig vom anerkannten Ausbildungsberuf lassen sich Ausbildungsinhalte identifizieren, die einen grundlegenden Charakter besitzen und somit für jede qualifizierte Fachkraft ein unverzichtbares Fundament kompetenten Handelns darstellen“ (ebd.).
Die Standardberufsbildpositionen sind allerdings allgemein gehalten, damit sie für alle Berufsbilder gelten (vgl. BMBF 2022). Eine konkrete Operationalisierung erfolgt üblicherweise durch Arbeitshilfen, die für alle Berufsausbildungen, die modernisiert werden, erstellt werden. Die Materialien der PA-BBNE ergänzen diese Arbeitshilfen mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit und geben entsprechende Anregungen (vgl. BIBB o. J.b). Das Impulspapier zeigt vor allem in tabellarischen Übersichten, welche Themen der Nachhaltigkeit an die Ausbildungsberufe anschlussfähig sind.
Die neue Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ ist zentral für eine BBNE, sie umfasst die folgenden Positionen (BMBF 2022).
a) “Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
c) für den Ausbildungsbetrieb geltende Regelungen des Umweltschutzes einhalten
d) Abfälle vermeiden sowie Stoffe und Materialien einer umweltschonenden Wiederverwertung oder Entsorgung zuführen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren”
Die Schnittstellen zwischen der neuen Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit” werden in
fortlaufend aufgezeigt. Mit Ausnahme der Position c) werden in der Tabelle alle Positionen behandelt. Die Position c) wird nicht behandelt, da diese vor allem ordnungsrechtliche Maßnahmen betrifft, die zwingend zu beachten sind. Maßnahmen zur Nachhaltigkeit hingegen sind meist freiwillige Maßnahmen und können, müssen aber nicht durch das Ordnungsrecht geregelt bzw. umgesetzt werden. In der Tabelle werden die folgenden Bezüge hergestellt:
- Spalte A: Positionen der Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit”;
- Spalte B: Vorschläge für Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten, die im Sinne der nachhaltigen Entwicklung wichtig sind;
- Spalte C: Bezüge zur Nachhaltigkeit;
- Spalte D: Mögliche Aufgabenstellungen für die Ausbildung im Sinne der Position 3e) „Vorschläge für nachhaltiges Handeln entwickeln“;
- Spalte E: Zuordnung zu einem oder mehreren SDGs (Verweis auf das Hintergrundmaterial).
Bildung für nachhaltige Entwicklung
Die Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) meint eine Bildung, die Menschen zu zukunftsfähigem Denken und Handeln befähigt. Sie ermöglicht jedem Einzelnen, die Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Welt zu verstehen (BMBF o. J.). BBNE ist somit nur ein Teil von BNE, der an alle Bürger*innen adressiert ist. Eine Entwicklung ist dann nachhaltig, wenn Menschen weltweit, gegenwärtig und in Zukunft würdig leben und ihre Bedürfnisse und Talente unter Berücksichtigung planetarer Grenzen entfalten können. … BNE ermöglicht es allen Menschen, die Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Welt zu verstehen und verantwortungsvolle, nachhaltige Entscheidungen zu treffen (ebd.).
Grundlage für BNE ist heutzutage die Agenda 2030 mit ihren 17 SDG (Sustainable Development Goals). Die 17 Ziele bilden den Kern der Agenda und fassen zusammen, in welchen Bereichen nachhaltige Entwicklung gestärkt und verankert werden muss (ebd.). Die Materialien der Projektagentur sollen Lehrkräften an Berufsschulen und Ausbildende dabei helfen, die Ideen der SDG in die Bildungspraxis einzubringen. Sie sind somit ein wichtiges Element insbesondere für das Ziel vier “Hochwertige Bildung”: “Bis 2030 sicherstellen, dass alle Lernenden die notwendigen Kenntnisse und Qualifikationen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung erwerben, unter anderem durch Bildung für nachhaltige Entwicklung und nachhaltige Lebensweisen, …” (ebd.).
Während die Grundlage in den Impulspapieren die Ausbildungsordnungen und die Rahmenlehrpläne der beruflichen Bildung waren, die mit den SDG vernetzt wurden, geht das Hintergrundpapier den umgekehrten Weg: Wir betrachten die SDG im Hinblick auf ihre Bedeutung für die berufliche Bildung und stellen uns der Frage, welche Anforderungen ergeben sich aufgrund der SDG und deren Unterziele an die Berufsbildung? Die folgenden Beschreibungen haben deshalb immer die gleiche Struktur:
- Es wird das SDG beschrieben.
- Es werden relevante Unterziele benannt.
- Es wird (wissenschaftlich) ausgeführt, was diese Unterziele für das jeweilige Berufsbild bedeuten.
Glossar
Folgende Abkürzungen werden in diesem Dokument verwendet:
Abkürzung | Bezeichnung |
AO | Ausbildungsordnung |
BMUV | Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit |
Care | Segment der AHV, hier: Krankenhäuser, Pflegeheime |
CO2-Äq | Kohlendioxid-Äquivalente |
FS | Foliensammlung |
HGM | Hintergrundmaterial (wissenschaftliches Begleitmaterial) |
IP | Impulspapier (didaktisches Begleitmaterial) |
KI | Künstliche Intelligenz |
ÖPNV | Öffentlicher Personennahverkehr |
RLP | Rahmenlehrplan |
SBBP | Standardberufsbildposition |
SDG | Sustainable Development Goals |
THG | Treibhausgase bzw. CO2-Äquivalente (CO2-Äq) |
Quellenverzeichnis
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (2021): Vier sind die Zukunft. Online: www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/show/17281
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (o. J.a): FAQ zu den modernisierten Standardberufsbildpositionen. Online: https://www.bibb.de/de/137874.php
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (o. J.b): Ausbildung gestalten. Online: BIBB / Reihen / Ausbildung gestalten
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: https://www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (o. J.): Was ist BNE? Online: https://www.bne-portal.de/bne/de/einstieg/was-ist-bne/was-ist-bne.html
Bundesregierung (o. J.): Globale Nachhaltigkeitsstrategie – Nachhaltigkeitsziele verständlich erklärt. Online: www.bundesregierung.de/breg-de/themen/nachhaltigkeitspolitik/nachhaltigkeitsziele-verstaendlich-erklaert-232174
Destatis Statistisches Bundesamt (2022): Indikatoren der UN-Nachhaltigkeitsziele. Online: http://sdg-indikatoren.de/
SDG 2 Kein Hunger
„Den Hunger beenden, Ernährungssicherheit und eine bessere Ernährung erreichen und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern“
SDG 2 zielt darauf ab, die Art und Weise zu verändern, wie wir unsere Lebensmittel anbauen, verteilen und verbrauchen. In der globalen Perspektive geht es vor allem darum, Unterernährung und Hunger zu bekämpfen und genügend Nahrungsmittel für alle Menschen zu produzieren. Es beinhaltet aber auch das Ziel, einen tiefgreifenden Wandel hin zu einem nachhaltigen Ernährungs- und Landwirtschaftssystem herbeizuführen. Mit Blick auf die hiesige Landwirtschaft sind folgende Unterziele besonders relevant (Destatis o. J.):
2.4 „die Nachhaltigkeit der Systeme der Nahrungsmittelproduktion sicherstellen und resiliente landwirtschaftliche Methoden anwenden, die die Produktivität und den Ertrag steigern, zur Erhaltung der Ökosysteme beitragen, die Anpassungsfähigkeit an Klimaänderungen, extreme Wetterereignisse, Dürren, Überschwemmungen und andere Katastrophen erhöhen und die Flächen- und Bodenqualität schrittweise verbessern“
2.5 „die genetische Vielfalt von Saatgut, Kulturpflanzen sowie Nutz- und Haustieren und ihren wildlebenden Artverwandten bewahren“
Schnittstellen zur Standardberufsbildposition bestehen in folgenden Aspekten (vgl. Bundesanzeiger 2020):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
d) Abfälle vermeiden sowie Stoffe und Materialien einer umweltschonenden Wiederverwertung oder Entsorgung zuführen
Ernährungssicherung
Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie hält in Bezug auf SDG 2 fest, dass für die Ernährungssicherung der Weltbevölkerung im 21. Jahrhundert eine nachhaltige Transformation der globalen Agrar- und Ernährungssysteme notwendig ist (Bundesregierung 2021b). Diese Transformation muss auf eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion ebenso abzielen wie auf eine nachhaltige Nutzung und den Schutz der natürlichen Ressourcen. Ein wesentlicher Baustein in der globalen Perspektive ist die gerechte Verteilung der Nahrungsmittel (BMEL 2022e).
Zentrales Ziel von SDG 2 ist die Bekämpfung von Hunger und Unterernährung. Schätzungsweise sind derzeit weltweit etwa 821 Millionen Menschen von Hunger und chronischer Unterernährung betroffen (Bundesregierung 2021b). Im Jahr 2021 hatten ca. 2,3 Milliarden Menschen (ca. 30% der Weltbevölkerung) keinen zuverlässigen und sicheren Zugang zu ausreichenden Nahrungsmitteln (BMEL 2022e). Der Großteil der von Hunger und Ernährungsunsicherheit betroffenen Menschen lebt in Entwicklungsländern. Die Folgen der Corona-Pandemie und des Ukraine-Kriegs haben den Druck auf die Ernährungssituation weiter erhöht.
Die Basis dafür, dass in Zukunft die Ernährung für alle Menschen sichergestellt werden kann, ist eine nachhaltige Landwirtschaft. Der Bereich Landwirtschaft und die Art und Weise, wie diese gestaltet wird, sind besonders eng mit den Nachhaltigkeitszielen verknüpft. Denn Landwirtschaft ist einerseits auf intakte und ausreichende natürliche Ressourcen angewiesen und andererseits greift sie direkt in die Ökosysteme ein und beeinflusst diese (BMUV o. J.). Das SDG 2 ist mit mehreren anderen SDGs verknüpft – insbesondere mit SDG 15 “Leben an Land”, das auf den Schutz von Landökosystemen, von Böden und Gewässern sowie auf den Erhalt der Biodiversität abzielt.
Neben der Frage, wie die Landwirtschaft ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltig gestaltet werden kann, geht es zentral um die Frage, wie Produktivität und Erträge im Rahmen der landwirtschaftlichen Wirtschaftsweise erhöht werden können. In Wissenschaft und Politik werden verschiedene Strategien zur Erhöhung der Ernährungssicherheit diskutiert. Grundlegende Voraussetzung für die Sicherung der Ernährung sind ausreichende Agrarflächen (Bundesregierung 2021b). Nach Berechnungen des Umweltbundesamtes gehen weltweit etwa zehn Millionen Hektar landwirtschaftliche Flächen pro Jahr verloren, z. B. durch Bebauung, anderweitige Nutzung oder aufgrund von Bodendegradation und Klimawandel (UBA 2015b). Diesen Flächenverlusten gilt es entgegenzuwirken. Ein zunehmender Anteil der Anbauflächen wird für die Produktion von Energiepflanzen zur Gewinnung von Biodiesel oder zur Nutzung in Biogasanlagen verwendet. Diese Flächenkonkurrenz wird von vielen Wissenschaftlern sehr kritisch gesehen. Die Entwicklungen im Bereich Bioenergienutzung sollten daher überdacht werden. “Bei den heutigen Nutzungsformen gibt es eine unmittelbare Konkurrenz mit der Verfügbarkeit von Nahrung, die man nicht aus den Augen verlieren darf. Die politische Förderung von Bioenergie, die diese Konkurrenz weiter schürt, sollte mit Blick auf die Welternährung neu bewertet werden.” (Qaim 2014).
Ein weiterer wichtiger Beitrag zur Ernährungssicherung stellt die Produktionssteigerung sowie die Steigerung der Erträge in der Landwirtschaft durch neue Technologien dar (Bundesregierung 2021b). Die Digitalisierung hat dabei große Bedeutung. So können digitale Technologien dazu genutzt werden, Ressourcen wie Saatgut, Dünger und Pflanzenschutzmittel gezielter und effizienter einzusetzen. Eine stärkere Automatisierung trägt dazu bei, dass auf chemische Mittel verzichtet und Prozesse optimiert werden können (zur Digitalisierung siehe SDG 12).
Ein weiterer Ansatz zur Sicherstellung der Ernährungssicherheit – der weltweit außerhalb von Europa verfolgt wird – ist die Nutzung der Gentechnik (Nüsslein-Vollhard 2022). Die Nobelpreisträgerin für Medizin plädiert auf Basis des Erkenntnisstandes von fünfzig Jahren Forschung für die verantwortungsvolle Nutzung der heutigen Möglichkeiten, Pflanzen gezielt resistenter gegen Schädlingsbefall und gegen den Klimawandel zu machen. Hierdurch könne – wie das Beispiel Australien zeigt – der Verbrauch an Pflanzenschutzmittel deutlich reduziert werden. Gleichzeitig würden die heutigen “Kollateralschäden” – die Wirkung von Pflanzenschutzmitteln auf die Biodiversität – deutlich gemindert. Vor dem Hintergrund, dass der ökologische Landbau einerseits auch nicht ohne “natürlichen” Pflanzenschutz auskommt (z. B. Verspritzen von Bt-Bakterien oder ihrer Sporen) oder dem Einsatz von Kupfersulfat (mit einer Belastung von Böden) und andererseits die Erträge des ökologischen Landbaus immer geringer sind – und damit ein weiterer Druck auf die Flächennutzung ausgeübt wird, sieht sie die “Grüne Gentechnik” als einen Weg, der den Erhalt der Biodiversität und die Ernährungssicherheit gewährleisten kann.
Zur Sicherung der Ernährung gehören auch Strategien, um die Nahrungsmittelverluste drastisch zu reduzieren. Weltweit gehen etwa 33 Prozent der produzierten Nahrungsmittel auf allen Stufen der Kette vom Landwirt über den Handel bis zum Verbraucher als Lebensmittelverluste und Abfälle verloren (Bundesregierung 2021b). Daher stellt die Reduzierung dieser Verluste einen wichtigen Ansatzpunkt dar (siehe hierzu ausführlich SDG 12).
Des Weiteren kann eine Reduzierung des Fleischkonsums einen erheblichen Beitrag leisten. Eine Gruppe von WissenschaftlerInnen unter Federführung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) erklärt in einem gemeinsam veröffentlichten Policy Brief, dass eine Wende hin zu mehr pflanzlichen und weniger tierischen Lebensmitteln nötig ist, um die Welternährung zu sichern (Fesenfeld et al. 2022). Sie zeigen auf, dass weltweit etwa 80 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche für die Produktion tierischer Lebensmittel genutzt wird, diese aber nur zu 18 Prozent der globalen Kalorienversorgung beiträgt (ebd.). Wenn ein größerer Teil der Ackerflächen für die Erzeugung von pflanzlichen Lebensmitteln anstatt für Tierfutter genutzt würde, würde sich das Angebot von Lebensmitteln rasch und nachhaltig ausweiten und somit Preisanstiege und Hunger vermindern. Zudem könnte auf diese Weise der Ausstoß von Treibhausgasen im Ernährungs- und Agrarsektor, der zu einem großen Teil mit der Tierhaltung verbunden ist, um ca. 75 Prozent reduziert werden (ebd.).
Die Sicherung der weltweiten Ernährung ist eine globale politische Aufgabe. Landwirtinnen und Landwirte können in verschiedenen Handlungsfeldern in ihrem beruflichen Wirken hierzu einen Beitrag leisten. So können sie Maßnahmen ergreifen, um Lebensmittelverluste auf Ebene der Erzeuger zu reduzieren (siehe hierzu SDG 12). Sie können ihre Bewirtschaftungsweise ökologisch nachhaltig(er) gestalten (siehe SDG 15). Und sie können zum Erhalt der biologischen Vielfalt beitragen (siehe SDG 15).
Ein Unterziel des SDG 2 lautet: “die genetische Vielfalt von Saatgut, Kulturpflanzen sowie Nutz- und Haustieren und ihren wildlebenden Artverwandten bewahren”. Die Landwirtschaft kann hier durch die Nutzung von alten Kulturpflanzen, Saatgut und Nutztierrassen einen Bei
Bewahrung von alten Kulturpflanzen, Saatgut und alten Nutztierrassen
Die Zahl der in der Landwirtschaft genutzten Tier- und Pflanzenarten und -sorten ist stark zurückgegangen. So stehen über 1.000 traditionelle Gemüsesorten in Deutschland auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Kulturpflanzen (BMEL 2018). Dazu gehören seltene Kartoffelsorten wie z. B. “Ackersegen”, “Blauer Schwede” oder “Deodora”, ebenso wie bestimmte Salat- und Rübensorten (ProSpecieRara o. J.). Von den in Deutschland wichtigsten Nutztierarten Rind, Pferd, Schwein, Schaf und Ziegen gelten 52 der 74 heimischen Rassen als gefährdet (BMEL 2019).
“Schon heute werden über 50 Prozent der für die menschliche Ernährung weltweit benötigten Nahrungsenergie aus lediglich drei Pflanzenarten (Mais, Reis, Weizen) erzeugt. Andere Kulturpflanzenarten werden entsprechend weniger genutzt. Vorhandene Ansätze, wie zum Beispiel Initiativen und Agrarumweltmaßnahmen mit dem Ziel, die biologische Vielfalt zu erhalten und nachhaltig zu nutzen, gilt es weiter zu entwickeln.” (BMEL 2019)
Eine möglichst große genetische Vielfalt bei Nutztieren und Kulturpflanzen ist für die Ernährungssicherheit von zentraler Bedeutung. Mit dem Anbau alter Sorten werden pflanzengenetische Ressourcen am Leben erhalten, die wiederum den Grundstein für neue Sorten bilden. Auch in Bezug auf den Klimawandel sind die Potenziale vieler alter Arten und Sorten hervorzuheben. Sie sind oft resistenter gegen extreme Witterungsbedingungen, gegen Schädlingsbefall oder Krankheiten. Da es sich vielfach um lokal gezüchtete Sorten handelt, sind sie oft besser an die jeweiligen lokalen Umweltbedingungen angepasst (BMEL 2018). Dennoch werden sie heute nur noch selten in der Landwirtschaft genutzt. Oft sind sie schwerer anzubauen, eignen sich nicht für eine intensive Landwirtschaft oder liefern weniger Erträge. Eine Schwierigkeit besteht zunächst darin, genügend Saatgut zu erhalten. Alte Sorten sind zwar noch in den Gendatenbanken oder bei Vereinen wie VERN (vern.de) oder ProSpecieRara (prospecierara.ch) zu erhalten. In der Regel erhält man jedoch nur kleine Mengen Saatgut, das zunächst über Jahre weiter vermehrt werden muss, bevor der wirtschaftliche Anbau erfolgen kann (VERN o. J.).
Die Landwirtschaft kann einen erheblichen Beitrag zum Erhalt alter Sorten und Arten leisten. Neben den Potenzialen für Umwelt und Nachhaltigkeit ergeben sich auch wirtschaftliche Potenziale, beispielsweise indem mit alten Sorten besondere kulinarische Angebote geschaffen oder innovative Produkte entwickelt werden. Um alte Sorten und Nutztierrassen erfolgreich einsetzen zu können, ist es für Landwirte wichtig, sich das Wissen über den Umgang anzueignen und Wege für eine erfolgreiche Vermarktung zu entwickeln. Projekte, wie “Vielfalt schmeckt” unterstützen Landwirte, Obst- und Gemüsebaubetriebe dabei, mehr traditionelle, samenfeste Sorten anzubauen und in den Handel zu bringen und somit zu deren Erhalt beizutragen (siehe vielfaltschmeckt.de).
Quellenverzeichnis
BMEL – Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2018): Alte Sorten für neue Vielfalt. Online: www.bmel.de/DE/themen/landwirtschaft/artenvielfalt/alte-sorten-vielfalt-schmeckt.html
BMEL – Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2019): Agro-Biodiversität: Schutz durch Nutzung. Online: www.bmel.de/DE/themen/landwirtschaft/artenvielfalt/agro-biodiversitaet.html
BMEL – Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2022e): Globale Ernährungssicherung. Online: www.bmel.de/DE/themen/internationales/agenda-2030/globale-ernaehrungssicherung.html
BMUV – Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (o. J.): SDG 2: Kein Hunger. Online: www.bmuv.de/WS5616
Bundesanzeiger (2020): Bundesinstitut für Berufsbildung. Empfehlung des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung vom 17. November 2020 zur „Anwendung der Standardberufsbildpositionen in der Ausbildungspraxis“. Online: www.bibb.de/dokumente/pdf/HA172.pdf
Bundesregierung (2021b): Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie. Weiterentwicklung 2021. Online: www.bundesregierung.de/resource/blob/998006/1873516/7c0614aff0f2c847f51c4d8e9646e610/2021-03-10-dns-2021-finale-langfassung-barrierefrei-data.pdf
Destatis (o. J.): Indikatoren der UN-Nachhaltigkeitsziele. Online: sdg-indikatoren.de/
Fesenfeld, Lukas Paul; Pörtner, Lisa M.; Bodirsky, Benjamin Leon et al. (2022): Für Ernährungssicherheit und eine lebenswerte Zukunft. Pflanzenbasierte Ernährungsweisen fördern, Produktion und Verbrauch tierischer Lebensmittel reduzieren. Policy Brief. Online: literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn065419.pdf
Nüsslein-Volhard, Christiane / Spiegel Online (2022) Warum wir Gentechnik auf Acker brauchen. Online: https://www.spiegel.de/wissenschaft/nobelpreistraegerin-ueber-bio-landwirtschaft-warum-wir-gentechnik-auf-dem-acker-brauchen-a-aafcbbe3-83db-4067-91b7-48970cb73495
ProSpecieRara (o. J.): Kartoffeln. Online: https://www.prospecierara.ch/pflanzen/unsere-pflanzen/kartoffeln.html
Qaim, Matin (2014): Verfügbarkeit von Nahrung. Online: www.bpb.de/themen/globalisierung/welternaehrung/192109/verfuegbarkeit-von-nahrung/
UBA Umweltbundesamt (2015b): Weltweit gehen jährlich 10 Millionen Hektar Ackerfläche verloren. Online: www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/weltweit-gehen-jaehrlich-10-millionen-hektar
VERN (o. J.): Das Getreidenetzwerk des VERN e. V. Anbauweise. Online: landsorten.de/sorten/anbauhinweise/
SDG 3 Gesundheit und Wohlergehen
“Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern”
Das SDG 3 zielt darauf ab, Menschen jeden Alters ein gesundes Leben zu ermöglichen und ihr Wohlergehen zu fördern. Das im Rahmen der Landwirtschaft relevante Unterziel 3.9 strebt an,
3.9. Bis 2030 ist die Zahl der Todesfälle und Erkrankungen aufgrund gefährlicher Chemikalien und der Verschmutzung und Verunreinigung von Luft, Wasser und Boden erheblich zu verringern.
Folglich tragen alle Beiträge und Maßnahmen in den Bereichen Luftreinhaltung, Chemikaliensicherheit, Wiederherstellung gesunder Böden und sauberen Wassers dazu bei, die menschliche Gesundheit zu erhalten und das SDG 3 zu erreichen.
Im Zusammenhang mit der landwirtschaftlichen Tätigkeiten sind die gesundheitlichen Risiken eines übermäßigen Eintrags von Nitrat in Böden und Grundwasser von Bedeutung sowie die Risiken der Verwendung von Pestiziden.
Die Schnittmenge für das SDG 3 “Gesundheit und Wohlergehen” ergibt sich aus den folgenden Nummern der Standardberufsbildposition (Bundesanzeiger 2020):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
d) Abfälle vermeiden sowie Stoffe und Materialien einer umweltschonenden Wiederverwertung oder Entsorgung zuführen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Nitrat in Grund- und Trinkwasser
Trinkwasser in Deutschland gilt als Lebensmittel, wird sorgfältig kontrolliert und überwacht und ist in den Wasserversorgungsgebieten flächendeckend von guter bis sehr guter Qualität. Das Rohwasser für die Trinkwassergewinnung kommt zu 68,5 Prozent aus Grundwasser, zu 15,8 Prozent aus Oberflächenwasser und zu 15,7 Prozent aus sonstigen Ressourcen wie z. B. Uferfiltrat (UBA und BMG 2021: 1).
Sowohl für Trinkwasser als auch für Grundwasser gelten gesetzlich festgeschriebene Grenzwerte für Nitrat von 50 mg pro Liter (TrinkwV 2021 und GrwV 2017). Die Messungen des Grundwassers zeigen jedoch, dass dieser Grenzwert oft überschritten wird, insbesondere in Einzugsgebieten, die landwirtschaftlich genutzt werden, z. B. als Ackerflächen, Grünland oder Gemüseanbauflächen. Rund 30 Prozent der Grundwassermessstellen in Deutschland überschreiten den Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat pro Liter (BMUV und BMEL 2020: 5, 10, 21). Da Grundwasser die überwiegend genutzte Ressource für die Trinkwassergewinnung in Deutschland ist, gilt dieser Zustand auch in Fachkreisen als besorgniserregend.
Wie gelangt Nitrat ins Grundwasser? Wird dem Boden über die landwirtschaftliche Düngung mehr Stickstoff zugeführt, als von den Kulturpflanzen aufgenommen werden kann, kommt es zu einem Nitratüberschuss. Nitrat ist leicht löslich und wird mit dem Sickerwasser über tiefere Erdschichten in das Grundwasser transportiert. Die Problematik wird in SDG 6 “Sauberes Wasser” genauer beschrieben. Grundsätzlich kann Nitrat im Grundwasserkörper bis zu einem gewissen Grad mit Hilfe von Bakterien abgebaut werden. Dieses Potenzial ist jedoch begrenzt und je nach Belastungsgrad zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgeschöpft. Steigende Nitratkonzentrationen im Grundwasser sind die Folge.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR 2013) stuft Nitrat als gesundheitlich unbedenklich ein. Gesundheitlich problematisch ist der Stoff Nitrit, der in Lebensmitteln oder während der Verdauung durch die Einwirkung von Bakterien aus Nitrat entstehen kann. Nitrit im Körper sorgt dafür, dass der rote Blutfarbstoff, das Hämoglobin, in Methämoglobin umgewandelt und dadurch die Sauerstoffbindung im Blut unterbunden wird. Die Folge ist eine mangelnde Sauerstoffversorgung des Gewebes und der Organe des menschlichen Körpers. Ein gesundheitliches Risiko durch zu hohe Nitrat- bzw. Nitritaufnahme besteht vor allem für Säuglinge. Ein weiteres Risiko besteht, wenn nitrathaltige Lebensmittel bei einer bakteriellen Infektion des Magen-Darm-Traktes aufgenommen werden, da in diesem Fall Nitrat im Darm verstärkt zu Nitrit umgewandelt wird. Insbesondere bei Kindern wird dann zu nitratarmer Kost geraten (ebd.).
Neben den oben genannten akuten Wirkungen, wird die chronische Wirkung durch die Aufnahme von Nitrat oder Nitrit und die Umwandlung in krebserregende N-Nitrosoverbindungen im menschlichen Körper in der Fachwelt diskutiert. Das BfR empfiehlt daher, die Nitrat- und Nitritzufuhr beim Menschen weitestgehend zu reduzieren, beispielsweise durch entsprechende Ernte- und Anbaumaßnahmen bei nitrathaltigem Gemüse (ebd.).
Die Aufnahme von Nitrat erfolgt in erster Linie über den Verzehr von Frischgemüse, Getreide und Obst sowie über das Trinkwasser. Zu den Gemüsesorten mit hohem Nitratgehalt (1.000–4.000 mg Nitrat/kg Gemüse) zählen (LgL 2021):
- Blattgemüse, z. B. Kopfsalat, Endiviensalat, Eissalat, Feldsalat, Spinat, Stielmangold, Rucola
- Kohlgemüse, z. B. Grünkohl, Weißkohl, Wirsing
- Wurzelgemüse, z. B. Rote Rüben, Radieschen, Rettich
Folgende Gemüsearten weisen niedrigere Nitratgehalte auf (<500 mg Nitrat/ kg Gemüse):
- Fruchtgemüse, z. B. Erbsen, Gurken, Grüne Bohnen, Paprika, Tomate
- Kohlgemüse, z. B. Rosenkohl
- Zwiebelgemüse, z. B. Knoblauch, Zwiebeln
Zu Gemüsearten mit mittleren Nitratgehalt (1.000–500 mg Nitrat/kg Gemüse) zählen:
- Wurzel- und Knollengemüse, z. B. Karotten, Kohlrabi, Sellerie
- Kohlgemüse, z. B. Blumenkohl
- Zwiebelgemüse, z. B. Lauch
Gesundheitliche Risiken und Pestizide
Durch zahlreiche Quellen wird belegt, dass sich die Verwendung von chemischen Pestiziden in der Landwirtschaft und im Gartenbau negativ auf die menschliche Gesundheit, Natur und Umwelt auswirkt (u. a. UBA 2016, Boell Stiftung 2022). Dennoch steigt der Pestizideinsatz weltweit. Im Jahr 2019 wurden in Deutschland über 42.000 Tonnen Pestizide ausgebracht (Boell Stiftung 2022). Im Jahr 2021 wurden in Deutschland 39 Pestizide verwendet, die laut EU-Regularien ersetzt werden sollten, sogenannte Substitutionskandidaten. Bei diesen Pestiziden handelt es sich um Stoffe, die für die Gesundheit oder Umwelt als besonders gefährlich gelten und für die eine ungefährliche Alternative gefunden werden soll (ebd.). Die Zahl der jährlichen Pestizidvergiftungen weltweit ist mittlerweile auf 385 Millionen Fälle gestiegen (Boedeker et al 2020). Neben diesen akuten Schäden werden Pestizide zunehmend mit chronischen Krankheiten wie Parkinson, Leukämie, Leber- und Brustkrebs, Typ-II-Diabetes und Asthma in Verbindung gebracht (Boell Stiftung 2022b).
Die Böll-Stiftung hat sich in einer Studie zu “Pestiziden in Lebensmitteln” intensiv mit der Belastung von Lebensmitteln auseinandergesetzt (ebd. 2022):
Insgesamt war die Hälfte der Lebensmittel auf dem EU-Markt frei von Pestizidbelastungen, 27 Prozent der untersuchten Nahrungsmittel enthielten Mehrfachrückstände. Besonders häufig wurden Mehrfachrückstände in frischen Produkten wie Johannisbeeren, Süßkirschen, Grapefruits, Rucola und Tafeltrauben festgestellt. Trauriger Spitzenreiter war eine Probe Rosinen mit Rückständen von 28 verschiedenen Pestiziden.
Ein besonderer Kritikpunkt von Gesundheitsexperten sind die Mehrfachbelastungen (ebd.), da es keinen summarischen Höchstwert gibt, der alle Belastungen zusammenfasst. Wichtig hierbei ist, dass sich Untersuchungen zur Wirksamkeit und Schadwirkung immer nur auf einzelne Pestizide bezieht, aber nicht auf die Kombination von unterschiedlichen Substanzen. Greenpeace stellte hierzu schon 2003 fest: “ Für die meisten Pestizide gibt es einen erheblichen Mangel an Langzeituntersuchungen. Studien zur Wechselwirkung mehrerer Wirkstoffe existieren kaum” (Greenpeace 2003). Das Umweltbundesamt bestätigte dies im Rahmen einer Untersuchung der Umweltwirkung indirekt erneut in 2021: “Auf unseren Äckern werden oft mehrere Pestizide gleichzeitig oder nacheinander verwendet. Wie die einzelnen Mittel zusammenwirken, wird vorher in der Zulassung nicht überprüft. Dort werden Mittel nur einzeln bewertet. Die Folge: Unerwünschte Kombinationswirkungen von Pestiziden auf die Umwelt bleiben oft unentdeckt.” (UBA 2021). Diese Mehrfachbelastungen finden sich besonders in folgenden Obst- und Gemüsesorten (Boell Stiftung 2022):
- Erdbeeren 98%
- Weintrauben 98%
- Äpfel 96%
- Paprika 87%
- Tomaten 84%
- Eisbergsalat 82%
Der Pestizid-Einsatz sichert derzeit Ernährung weltweit – auch wenn ein Großteil der Pestizide für den Anbau von Futtermitteln verwendet wird. Würde der Fleischkonsum reduziert, könnten die Felder für Futtermittel vermutlich mit erheblich weniger Pestiziden und damit geringeren Erträgen die Ernährung sicherstellen. Nach AMI und BioHandel lag der Ertrag von deutschen Bio-Bauern für Getreide bei rund 3,4 Tonnen je Hektar, während die konventionelle Landwirtschaft rund 7,1 Tonnen je Hektar einfuhren (ca. 50 Prozent mehr bzw. doppelter Ertrag, Zeitraum 2012-2018, AMI zitiert nach BioHandel 2019). Auch wenn der hälftige Ertrag deutlich weniger ist durch Biolandbau, sollte nicht vergessen werden, wie die globale landwirtschaftliche Flächennutzung ist: Die Viehwirtschaft nutzt rund 30 Prozent der eisfreien Landoberfläche. Hierbei wird zwar zu 50 Prozent Grasland genutzt, aber dieses ist “gleichzeitig weiterhin das Epizentrum von Landumwandlungsprozessen” (ebd.).
Vor dem Hintergrund der oben skizzierten Problemfelder wurde bereits im Jahr 2009 die sogenannte Pflanzenschutz-Rahmenrichtlinie (2009/128/EG) verabschiedet. Mit der Unterzeichnung der Richtlinie verpflichten sich die Mitgliedsstaaten zur nachhaltigen Verwendung von Pestiziden in der EU (Europäische Union 2009). Die Richtlinie schreibt weiterhin vor, nationale Aktionspläne aufzustellen, „mit denen quantitative Vorgaben, Ziele, Maßnahmen, Zeitpläne und Indikatoren zur Verringerung der Risiken und Auswirkungen der Verwendung von Pestiziden auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt festgelegt werden und die Entwicklung und Einführung eines integrierten Pflanzenschutzes sowie von alternativen Konzepten oder Techniken zur Verringerung der Abhängigkeit von der Verwendung von Pestiziden gefördert wird.“ (Europäische Union 2009).
Es gibt noch eine weitere Schwachstelle in den Genehmigungsverfahren (Boell Stiftung 2022b): Wenn es sich abzeichnet, dass ein Pestizid seine EU-Zulassung aufgrund der Einstufung als krebserregend zu sein verliert, wird der Rückstandshöchstgehalt automatisch auf 0,01 mg/kg herabgestuft. Dies gilt auch für Importwaren. Wenn die Hersteller aber die Genehmigungen vor der Herabstufung auslaufen lassen, gelten “Importtoleranzen”, die von den Herstellern beantragt werden können und die höher als die EU-Vorgaben liegen (ebd.). In Japan dürfen Mandeln beispielsweise mit einem Milligramm pro Kilogramm und somit um das Zehnfache stärker mit Glyphosat belastet sein als in der EU. Eine Webrecherche zeigt schnell, dass in verschiedenen Geschäften japanische Mandeln verfügbar sind.
Das BMEL hat in 2022 die Initiative ergriffen und ein Exportverbot vorbereitet. Es soll gesundheitsschädliche Pflanzenschutzmittel umfassen, die in Deutschland produziert werden, aber in der EU nicht eingesetzt werden (BMEL 2022). Im Jahr 2021 wurden aus Deutschland insgesamt 53.020 Tonnen Wirkstoffe in Pflanzenschutzmitteln ausgeführt. Davon waren 8.525 Tonnen nicht genehmigte Wirkstoffe (ebd.). Begründet wird dies vor allem mit dem Schutz von Kleinbauern und Kleinbäuerinnen im globalen Süden, aber auch dem fairen Wettbewerb von Agrarprodukten. Angesichts der globalen Produktion auch deutscher Chemieunternehmen muss man sicher die Frage nach der Wirksamkeit einer nationalen Umsetzung stellen, wenn eine Produktion leicht verlagerbar ist oder die Patente der Pflanzenschutzmittel auslaufen. Ziel soll aber ein europäisches Exportverbot sein.
Weitere Aspekte des Integrierten Pflanzenschutzes werden im Zusammenhang mit dem SDG 15 erläutert.
Quellenverzeichnis
BfR Bundesamt für Risikobewertung (2013): Fragen und Antworten zu Nitrat und Nitrit in Lebensmitteln. Online: https://www.bfr.bund.de/de/fragen_und_antworten_zu_nitrat_und_nitrit_in_lebensmitteln-187056.html
BioHandel (2021): Bio-Landbau: Weniger Ertrag, aber besser bei Dürre. Online: https://biohandel.de/markt-branche/bio-landbau-weniger-ertrag-aber-besser-bei-duerre
BMEL (2022): Özdemir: Exportverbot gesundheitsschädlicher Pestizide kommt. Online: https://www.bmel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2022/119-vo-exportverbot-pestizide.html
BMUV und BMEL (2020): Nitratbericht 2020. Gemeinsamer Bericht der Bundesministerien für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit sowie für Ernährung und
Landwirtschaft. Online: www.bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Binnengewaesser/nitratbericht_2020_bf.pdf
Boedeker, W., Watts, M., Clausing, P. et al (2020): The global distribution of acute unintentional pesticide poisoning:estimations based on a systematic review. BMC Public Health 20, 1875 . Online: https://doi.org/10.1186/s12889-020-09939-0.
BoellStiftung (2022): Pestizidatlas. Daten und Fakten zu Giften in der Landwirtschaft. Online: https://www.boell.de/sites/default/files/2022-01/Boell-Pestizidatlas-2022.pdf
BoellStiftung (2022b): Pestizide in Lebensmitteln: Drauf und dran. Online: https://www.boell.de/de/2022/01/12/pestizide-lebensmitteln-pestizidrueckstaende-drauf-und-dran#
Bundesanzeiger (2020): Bundesinstitut für Berufsbildung. Empfehlung des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung vom 17. November 2020 zur „Anwendung der Standardberufsbildpositionen in der Ausbildungspraxis“. Online: www.bibb.de/dokumente/pdf/HA172.pdf
Europäische Union (2009): Richtlinie 2009/128/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für die nachhaltige Verwendung von Pestiziden.
Greenpeace (2003): Pestizide machen krank. Online: https://www.greenpeace.de/biodiversitaet/landwirtschaft/anbau/pestizide-krank
Herrero, Mario; Havlík, Petr; Valin, Hugo; Notenbaert, Ein; Rufino, Marina; Thornton, Philipp; Blümmel, Michael; Weiss, Franz; Grace, Delia; Obersteiner, Michael (2013): Nutzung, Produktion von Biomasse, Futtereffizienz und Treibhausgasemissionen aus globalen Tierhaltungssystemen. Online: https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.1308149110
LgL Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (2021): Nitrat-Gehalt in Gemüse. Online: https://www.lgl.bayern.de/lebensmittel/chemie/kontaminanten/nitrat/index.htm
UBA & BMG Umweltbundesamt und Bundesministerium für Gesundheit (2021): Bericht des Bundesministeriums für Gesundheit und des Umweltbundesamtes an die Verbraucherinnen und Verbraucher über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (Trinkwasser) in Deutschland (2017-2019). Berichtszeitraum: 1. Januar 2017 bis 31. Dezember 2019. Online: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/5750/publikationen/2021-04-06_uug_01-2021_trinkwasserqualitaet_0.pdf
UBA Umweltbundesamt (2016): Leitfaden Nachhaltige Chemikalien. Eine Entscheidungshilfe für Stoffhersteller, Formulierer und Endanwender von Chemikalien. Online: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1968/publikationen/161215_uba_fb_chemikalien_dt_bf.pdf
UBA Umweltbundesamt (2022): Umweltrisiken durch Pestizid-Cocktails werden unterschätzt. Online: https://www.umweltbundesamt.de/themen/umweltrisiken-durch-pestizid-cocktails-werden
SDG 4 Hochwertige Bildung
“Inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten lebenslangen Lernens für alle fördern”
Das SDG zielt primär auf die globale Entwicklung von guten Bildungssystemen ab. Im Berufsbildungssystem ist Deutschland weltweit führend – trotz einiger Defizite wie Personalausstattung, Digitalisierung oder knappe Investitionsbudgets. Viele Länder versuchen ein ähnliches Berufsbildungssystem wie in Deutschland aufzubauen. Insofern ist vor allem das Unterziel 4.7 relevant:
Bis 2030 sicherstellen, dass alle Lernenden die notwendigen Kenntnisse und Qualifikationen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung erwerben, unter anderem durch Bildung für nachhaltige Entwicklung und nachhaltige Lebensweisen, Menschenrechte, Geschlechtergleichstellung, eine Kultur des Friedens und der Gewaltlosigkeit, Weltbürgerschaft und die Wertschätzung kultureller Vielfalt und des Beitrags der Kultur zu nachhaltiger Entwicklung
Das SDG 4 spiegelt sich in der fachlichen Unterrichtung der Stichpunkte der anderen SDG wieder, mündet aber in den Positionen e und f der neuen Standardberufsbildposition (BMBF 2022):
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
10 “Goldene Handlungsregeln” für eine BBNE
Die Nachhaltigkeitsforschung und die Bildungswissenschaften haben inzwischen umfassende Erkenntnisse gesammelt, wie eine berufliche Bildung für Nachhaltigkeit gefördert werden kann (vgl. u. a. vgl. Schütt-Sayed u.a. 2021; Kastrup u. a. 2012; Melzig u. a. 2021). Das Ergebnis sind die folgenden 10 didaktischen Handlungsregeln, die das Berufsbildungspersonal dabei unterstützen, Lehr-/Lernprozesse zielgruppengerecht und angemessen zu gestalten. Diese insgesamt 10 Handlungsregeln lassen sich in vier Schritten zuordnen.
Schritt 1 – Richtig anfangen:
Identifizierung von Anknüpfungspunkten für BBNE
1) Ansatzpunkte: Fordern Sie die Verantwortung im eigenen Wirkungsraum heraus, ohne die Berufsschüler und Berufsschülerinnen mit „Megaproblemen“ zu überfordern!
2) Anknüpfungspunkte: Die Curricula sind Grundlage der Lehr-/Lernprozesse – es kommt darauf an, sie im Sinne der Nachhaltigkeit neu zu interpretieren!
3) Operationalisierung: Nachhaltigkeit ist kein „Extra- Thema“, sondern ein integraler Bestandteil des beruflichen Handelns!
Um nachhaltigkeitsorientierte Lehr-/Lernarrangements zu entwickeln, sind zunächst Anknüpfungspunkte für Nachhaltigkeit in den betrieblichen Abläufen zu identifizieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Ausbildungsordnungen und Lehrpläne die rechtliche Grundlage der beruflichen Bildung sind. Es gilt diese im Sinne der Nachhaltigkeit zu interpretieren, sofern nicht bereits konkrete Nachhaltigkeitsbezüge enthalten sind.
Wichtig ist dabei, dass Auszubildende nicht mit den „Megaproblemen“ unserer Zeit überfordert werden, sondern zur Verantwortung im eigenen Wirkungsraum herausgefordert werden – sowohl im Betrieb als auch im Privaten. Denn Auszubildende sind selbst Konsument/-innen, die durch eine angeleitete Reflexion des eigenen Konsumverhaltens die Gelegenheit erhalten, ihre „Wirkungsmacht“ im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit in ihrer eigenen Branche zu verstehen.
Schritt 2 – Selbstwirksamkeit schaffen:
Eröffnung von Nachhaltigkeitsorientierten Perspektiven
4) Handlungsfolgen: Berufliches Handeln ist nie folgenlos: Machen Sie weitreichende und langfristige Wirkungen erkennbar!
5) Selbstwirksamkeit: Bleiben Sie nicht beim „business as usual“, sondern unterstützen Sie Schüler*innen dabei, Alternativen und Innovationen zu entdecken!
6) Zielkonflikte: Verstecken Sie Widersprüche nicht hinter vermeintlich einfachen Lösungen, sondern nutzen Sie sie als Lern- und Entwicklungschancen!!
7) Kompetenzen: Bildung für nachhaltige Entwicklung verbindet Wahrnehmen, Wissen, Werten und Wirken!
Im nächsten Schritt sind nachhaltigkeitsorientierte berufliche Perspektiven für die Auszubildenden zu eröffnen. Diese sollten an einer positiven Zukunftsvision und an Lösungen orientiert sein. Auszubildenden sind dabei die weitreichenden Wirkungen ihres Handelns vor Augen zu führen. Sie sollen verstehen können, warum ihr Handeln nicht folgenlos ist. Das bedeutet gleichzeitig, Auszubildenden die positiven Folgen eines nachhaltigen Handelns vor Augen zu führen. In diesem Zusammenhang ist die Selbstwirksamkeitserfahrung von großer Bedeutung. Sie ist eine der Voraussetzungen, um motiviert zu handeln. Auszubildende dabei zu unterstützen, Alternativen zum nicht-nachhaltigen Handeln zu erkennen und Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung zu entdecken, sollte dabei für Lehrpersonen selbstverständlich sein. Dabei ist immer die individuelle Motivation der Auszubildenden entscheidend, denn zum nachhaltigen Handeln braucht es nicht nur Wissen (Kopf), sondern auch authentisches Wollen (Herz). Wesentlich ist hierbei die Gestaltung ganzheitlicher Lernprozesse, die sowohl den kognitiven als auch den affektiven und psychomotorischen Bereich einbeziehen (vgl. Költze, S.206).
Schritt 3 – Ganzheitlichkeit:
Gestaltung transformativer Lernprozesse
8) Lebendigkeit: Ermöglichen Sie lebendiges Lernen mit kreativen und erfahrungsbasierten Methoden!
9) Beispiele: Nutzen Sie motivierende Beispiele: Sprechen Sie über Erfolgsgeschichten, positive Zukunftsvisionen und inspirierende Vorbilder!
Aber wie können Lernsituationen in der Praxis so gestaltet werden, dass sie ganzheitlich aktivierend für die Auszubildenden sind? Es sollte ein lebendiges Lernen mit Hilfe kreativer, erfahrungsbasierter Methoden ermöglicht werden. Dies ist ein grundlegender (kein neuer) didaktischer Ansatz für die Förderung einer nachhaltigkeitsorientierten Handlungskompetenz. Im Kern bedeutet dies: Lernen mit Lebensweltbezug, welches ausgerichtet ist auf individuelle Lebensentwürfe und das eigene (auch künftige) berufliche Handlungsfeld, z. B. indem Recherchen im eigenen Unternehmen zu Möglichkeiten der Energieeinsparung durchgeführt werden. Lernen soll vor diesem Hintergrund vor allem unter Berücksichtigung der Sinne stattfinden, d. h. mit Körper und Geist erfahrbar sowie sinnlich-stimulierend sein. Die Auszubildenden sollen sich dabei zudem als Teil einer gestalterischen Erfahrungsgemeinschaft erleben. Dies kann durch gemeinsame Reflexionen über das eigene Verhalten und persönliche Erfahrungen gefördert werden, beispielsweise durch die Entwicklung und Verkostung eigener Lebensmittelkreationen unter Nachhaltigkeitsaspekten. Hierfür muss unbestritten immer auch der „Raum“ zur Verfügung stehen (siehe z.B. Hantke 2018 „‘Resonanzräume des Subpolitischen‘ als wirtschaftsdidaktische Antwort auf ökonomisierte (wirtschafts-)betriebliche Lebenssituationen“). Ebenso können motivierende Beispiele helfen – wie z. B. Erfolgsgeschichten und inspirierende Vorbilder.
Schritt 4 – Lernort Betrieb:
Entwicklung nachhaltiger Lernorte
10) Lernende Organisationen: Auch Organisationen können „Nachhaltigkeit lernen“: Entwickeln Sie Ihre Institution Schritt für Schritt zum nachhaltigen Lernort!
Schließlich geht es im vierten Schritt darum, den Lernort in den Blick zu nehmen und diesen als nachhaltigen Lernort zu gestalten. Den gesamten Betrieb nachhaltig auszurichten ist u. a. deshalb entscheidend, da andernfalls die an Nachhaltigkeit orientierten Inhalte der Ausbildung wenig glaubwürdig für Auszubildende sind. Der Betrieb als Institution sollte dafür an einem gemeinschaftlichen Leitbild ausgerichtet sein, welches neben den üblichen ökonomischen auch soziale und ökologische Ziele beinhaltet. So kann BBNE überzeugend in die Organisation integriert und vom betrieblichen Ausbildungspersonal umgesetzt werden.
Quellenverzeichnis
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
Kastrup, Julia; Kuhlmeyer, Werner; Nölle-Krug, Marie (2022): Aus- und Weiterbildung des betrieblichen Bildungspersonals zur Verankerung einer Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. In: MICHAELIS, Christian; BERDING, Florian (Hrsg.): Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Umsetzungsbarrieren und interdisziplinäre Forschungsfragen. Bielefeld 2022, S. 173-189
Költze, Horst (1993): Lehrerbildung im Wandel. Vom technokratischen zum humanen Ausbildungskonzept. In Cohn, Ruth C.; Terfurth, Christina (Hrsg.): Lebendiges Lehren und Lernen. TZI macht Schule. Klett-Cotta. S. 192-212
Handke, Harald (2018): „Resonanzräume des Subpolitischen“ als wirtschaftsdidaktische Antwort auf ökonomisierte (wirtschafts-)betriebliche Lebenssituationen – eine Forschungsheuristik vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeitsidee. In bwp@Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online (Nr. 35), 2018, S. 1-23.
Melzig, Christian; Kuhlmeyer, Werner; Kretschmer, Susanne (Hrsg. 2021): Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Die Modellversuche 2015–2019 auf dem Weg vom Projekt zur Struktur. Bonn 2021. Online: https://www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/show/16974
Schütt-Sayed, Sören; Casper, Marc; Vollmer, Thomas (2021): Mitgestaltung lernbar machen – Didaktik der Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. In: Melzig, Christian; Kuhlmeier, Werner; Kretschmer, Susanne (Hrsg.): Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Die Modellversuche 2015–2019 auf dem Weg vom Projekt zur Struktur. S. 200-227. Online: https://www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/show/16974
SDG 6 Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen
Das SDG 6 zielt darauf ab, für alle Menschen weltweit den Zugang zu sauberem Wasser sicherzustellen, Krankheiten durch verschmutztes Wasser zu verhindern und die wasserverbundenen Ökosysteme zu schützen.
Die Landwirtschaft betreffende relevante Unterziele sind:
6.3 Bis 2030 die Wasserqualität durch Verringerung der Verschmutzung, Beendigung des Einbringens und Minimierung der Freisetzung gefährlicher Chemikalien und Stoffe … verbessern
6.4 Bis 2030 die Effizienz der Wassernutzung in allen Sektoren wesentlich steigern
6.6 Bis 2020 wasserverbundene Ökosysteme schützen und wiederherstellen, darunter Berge, Wälder, Feuchtgebiete, Flüsse, Grundwasserleiter und Seen
Die Schnittmenge für das SDG 6 ergibt sich aus den Nummern a und b der Standardberufsbildposition (Bundesanzeiger 2020):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
Nitratbelastung von Gewässern
Im Hinblick auf die nationale Perspektive geht es primär um den schonenden Umgang mit Wasser und die Verringerung der Verschmutzung von Gewässern in Deutschland. Ein zentrales Problem im Kontext der Gewässerverschmutzung ist der Eintrag von Nährstoffen. Wenn Nährstoffe (insbesondere Stickstoff und Phosphor) in Meere, Seen, Flüsse und Bäche gelangen, kann es zu Überdüngung kommen, was mit einer Vielzahl schädlicher Auswirkungen verbunden ist. Dies wird als Eutrophierung bezeichnet (EUA 2000). Die Ursachen für die Verschmutzung gehen auf verschiedene Bereiche zurück (Industrie, private Haushalte, Landwirtschaft). Die Landwirtschaft nimmt hierbei eine Hauptrolle ein, wobei die beiden größten Quellen für Stickstoffeinträge aus der Landwirtschaft Mineraldünger und Gülle sind (EUA 2000). Wenn der mit dem Dünger ausgebrachte Stickstoff nicht von den Pflanzen aufgenommen werden kann, gelangt er in Form von Nitraten in Grund- und Oberflächengewässer (UBA 2021). Ein weiterer Teil entweicht in Form von Ammoniak in die Luft.
Der Umweltindikator “Nitrat im Grundwasser” (UBA 2021) zeigt einen kontinuierlich hohen Nitratgehalt, der erst seit 2018 etwas sinkt. Seit 2008 wird der europäische Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter an 17 Prozent der Messstellen in Deutschland überschritten. Bei weiteren 17 Prozent der Messstellen sind Werte zwischen 25 und 50 mg/l festzustellen. Diese Werte liegen zwar unterhalb des Grenzwertes der EU, bedeuten aber auch an diesen Messpunkten eine deutliche Belastung mit Nitrat. Hierfür wurde Deutschland 2018 vom Europäischen Gerichtshof verurteilt. Seit 2018 beginnt der Wert leicht zu sinken. Da die Nitratbelastung nicht wie von den EU-Richtlinien vorgegeben verringert wurde, gilt seit 2020 eine neue Düngeverordnung, die die Möglichkeiten der Düngung ein wenig mehr einschränkt (vgl. Landwirtschaftskammer NRW o. J.).
Eine übermäßige Nitratbelastung von Flüssen, Seen, Meeren sowie des Grundwassers stellt ein Risiko für Mensch und Ökosysteme dar. Einerseits kann eine übermäßige Einnahme von Nitrat das Risiko für eine Krebserkrankung bei Menschen erhöhen, andererseits kann ein erhöhter Nitratgehalt in Böden und Gewässern Ökosysteme schädigen und einen Rückgang der Biodiversität verursachen. Eine Studie des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND 2019) zeigt, dass das Grundwasser in Bereichen, auf denen Landwirtschaft betrieben wird, besonders stark mit Nitrat belastet ist. Hier werden die Grenzwerte der Belastung besonders häufig überschritten.
Grund für diese Umweltbelastung sind Viehhaltung sowie Düngemaßnahmen, welche im Rahmen der landwirtschaftlichen Produktion betrieben werden. Wenn mehr Dünger oder Gülle auf dem Feld ausgebracht wird, als die Kulturpflanzen benötigen, sickert überschüssiges Nitrat in den Boden und gelangt zum Teil in das tieferliegende Grundwasser (BUND 2019). Da die landwirtschaftliche Produktion einen enormen Einfluss auf die Nitratbelastung von Grundwasser und Gewässern hat, liegt in diesem Produktionsbereich ein besonderes Potenzial zum Schutz der Umwelt und der Gewässer. Durch eine zielgenaue, effiziente und an den Bedarf der Kulturpflanzen/Grünflächen angepasste Düngung kann die Nitratbelastung reduziert werden. An dieser Stelle spielen digitale Technologien eine entscheidende Rolle, aber auch ökologische Verfahrens- und Produktionsweisen.
Technische Neuerungen im Bereich der teilflächenspezifischen Düngung ermöglichen eine zielgenaue und bedarfsgerechte Ausbringung von Düngemitteln, die nicht nur übermäßige Nitratbelastungen vermeiden, sondern auch den Ernteertrag erhöhen können. In diesem Kontext werden große Hoffnungen in die Nahinfrarotspektroskopie (NIR) und in Nahinfrarotspektroskopie-Sensoren (NIRS) gesetzt. Die Verwendung eines solchen Sensors ermöglicht es dem Nutzer, Gülleinhaltsstoffe exakt – sowohl bei der Entnahme von Gülle aus Silos als auch bei der Ausbringung der Gülle auf Feldflächen zu bestimmen. Die Verwendung der Sensoren gepaart mit Applikationskarten, welche die unterschiedlichen Bedarfe der Kulturpflanzen auf verschiedenen Bereichen der Fläche darstellen, ermöglicht eine zielgenaue statt großflächige Ausbringung von Gülle und Nährstoffen (Bökle et al. 2020). Vorteilhaft ist hierbei nicht nur, dass die Nitrateinträge im Grundwasser gesenkt werden können, sondern auch, dass Ressourcen und Mittel auf effizientere Weise genutzt werden und die Pflanzen ideal mit Nährstoffen versorgt werden (Henseling et al. 2022).
Darüber hinaus kann auch die Umstellung von konventionellen Verfahrens- und Produktionsweisen auf biologische bzw. ökologische eine Verringerung der Nitrateinträge im Grundwasser in landwirtschaftlich genutzten Regionen erreichen. Ein Beispiel für ein solches Verfahren wäre die Nutzung von Leguminosen auf den Landwirtschaftsflächen. Durch den Anbau dieser Arten kann die Bodenfruchtbarkeit der Flächen verbessert werden. Auf diese Weise kann die Notwendigkeit, Dünger- und Güllemittel auszubringen, verringert werden, ohne dass Ertragseinbußen verzeichnet werden. Auch in diesem Anwendungsfall ist jedoch eine Optimierung des Stickstoffmanagements vorzunehmen, um eine passgenaue Versorgung der Kulturpflanzen sicherzustellen (FiBL 2007). Auch eine balancierte Versorgung der Böden und Flächen mit Gesteinsmehlen, natürlich vorkommenden Mineralien oder Spurenelement-Düngern wird bereits in der Öko-Landwirtschaft betrieben und bietet das Potenzial zur Reduzierung von Nitratbelastung von Gewässern (Smith-Weißmann o. J.).
Belastung von Gewässern mit Pflanzenschutzmitteln
Ein weiteres Problem besteht darin, dass die in der Landwirtschaft eingesetzten chemisch-synthetischen Pestizide durch Abschwemmung nach Regenfällen oder durch Versickerung in die umgebenden Gewässer und das Grundwasser gelangen. Dies kann negative Auswirkungen auf Pflanzen, Tiere aber auch auf die Gesundheit des Menschen mit sich bringen.
Das Umweltbundesamt hat in 2020 die Daten eines gemeinsamen europäischen Projektes veröffentlicht, welches die Datenverfügbarkeit von 180 zugelassenen Pestiziden betrachtet hat (UBA 2020): “In den europäischen Flüssen und Seen wurden bei 5 bis 15 Prozent der Messstellen die Umweltqualitätsstandards für Herbizide und bei 3 bis 8 Prozent die Standards für Insektizide überschritten. Im Grundwasser betrugen die Überschreitungen 7 Prozent für Herbizide und weniger als 1 Prozent für Insektizide.” Das Umweltbundesamt zieht hieraus den Schluss, dass die Einträge weiter reduziert werden müssen.
Quellenverzeichnis
Bökle, S.; Reiser, D.; Griepentrog, H. W. (2020): Automatisierte und digitale Dokumentation der Applikation organischer Düngemittel. In: Gandorfer et al. (Hrsg.): Digitalisierung für Mensch, Umwelt und Tier. 40. GIL-Jahrestagung.
BUND (2019): Nitrat im Trinkwasser: Gülle und synthetischer Dünger aus der Landwirtschaft belasten unser Wasser. Online: www.bund.net/fluesse-gewaesser/nitratstudie
Bundesanzeiger (2020): Bundesinstitut für Berufsbildung. Empfehlung des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung vom 17. November 2020 zur „Anwendung der Standardberufsbildpositionen in der Ausbildungspraxis“. Online: www.bibb.de/dokumente/pdf/HA172.pdf
EUA – Europäische Umweltagentur (2000): Umweltsignale 2000. Online: eea.europa.eu/de/publications/signals-2000
FiBL – Forschungsinstitut für biologischen Landbau (2007): Eignung des ökologischen Landbaus zur Minimierung des Nitrataustrags ins Grundwasser. Online verfügbar unter: https://orgprints.org/id/eprint/13270/1/Studie_Wasserschutz_%C3%96ko-Landbau_KPW_et_al.pdf
Henseling, Christine; Willim, Zoe (2022): NIRS-Technologie zur Ausbringung organischer Düngemittel – Einschätzungen und Anforderungen aus Sicht der Nutzer. Berlin. (im Erscheinen)
Landwirtschaftskammer NRW o.J.: Die neue Düngeverordnung 2020 – was ändert sich? Online: https://www.landwirtschaftskammer.de/landwirtschaft/ackerbau/duengung/duengeverordnung/duev-2020.htm
Smith-Weißmann, Kevin (o.J.): Düngung im Ökolandbau. Online: www.boelw.de/themen/pflanze/duengung/
UBA Umweltbundesamt (2020): Anbau angepasster Pflanzensorten/ Kulturen. Online: www.umweltbundesamt.de/anbau-angepasster-pflanzensorten-kulturen-0
UBA Umweltbundesamt (2021): Indikator – Nitrat im Grundwasser. Online: www.umweltbundesamt.de/daten/umweltindikatoren/indikator-nitrat-im-grundwasser
UBA Umweltbundesamt (2022): Indikator: Nitrat im Grundwasser. Online: https://www.umweltbundesamt.de/daten/umweltindikatoren/indikator-nitrat-im-grundwasser
SDG 7 Bezahlbare und saubere Energie
Das SDG 7 beinhaltet soziale und ökologische Anforderungen an den Klimaschutz. Für die Landwirtschaft sind vor allem drei Unterziele wichtig (Destatis o. J.):
SDG 7.1: “Bis 2030 den allgemeinen Zugang zu bezahlbaren, verlässlichen und modernen Energiedienstleistungen sichern.”
SDG 7.2: “Bis 2030 den Anteil erneuerbarer Energie am globalen Energiemix deutlich erhöhen.”
SDG 7.3: “Bis 2030 die weltweite Steigerungsrate der Energieeffizienz verdoppeln.”
Beim SDG 7 “Bezahlbare und saubere Energie” geht es im wesentlichen um den “allgemeinen Zugang zu bezahlbaren, verlässlichen und modernen Energiedienstleistungen” sowie darum den “Anteil erneuerbarer Energie zu erhöhen”(Destatis o. J.), da ökologische und das Klima schützende Anforderungen schon durch andere SDGs (insbesondere 13, 14 und 15) abgedeckt werden.
Die Schnittmenge für das SDG 7 ergibt sich aus vier Nummern der Standardberufsbildposition (Bundesanzeiger 2020):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Dieses Kapitel beschreibt die Grundlagen der verwendeten Energieformen und eingesetzten Verfahren sowie wichtige Themen aus dem Bereich „Bezahlbare und saubere Energie”. Es ist sozusagen das Basiswissen, welches heute in jeder Ausbildung vermittelt werden sollte, da kein Beruf mehr ohne die nachhaltige Nutzung von Energie auskommen kann. Zum Abschluss wird auf spezielle Themen des Berufsbildes Landwirt hingewiesen.
Erneuerbare Energien
Die einfachste Maßnahme zum Umstieg auf erneuerbare Energien ist der Bezug von Ökostrom. Die Produktion erfolgt dabei in der Regel aus Wind, Sonne, Biomasse und Wasserkraft. Im ersten Halbjahr 2022 lag der Anteil der Erneuerbaren bei 51,6 Prozent. Da die Stromproduktion aus verschiedenen Quellen schwankend ist, zeigt erst die Jahresendbilanz, wie die Verteilung sein wird. In 2021 stammten 23 Prozent der gesamten Stromproduktion aus Windkraft, 9,8 Prozent aus der Photovoltaik, 8,8 Prozent aus Biomasse und 4 Prozent. aus Wasserkraft. Braun- und Steinkohle lieferten 20,7 Prozent des Stroms, Erdgas 10,5 Prozent und die Kernenergie gut 13,3 Prozent (Stromreport 2022).
Im Folgenden werden die verschiedenen Systeme der erneuerbaren Energieerzeugung und deren Herausforderungen dargestellt.
Photovoltaik
Die Photovoltaik wandelt die Strahlungsenergie des Sonnenlichts direkt in elektrischen Strom um. Dazu werden einzelne oder mehrere Solarzellen aus elektrischen Halbleitern in Modulen eingekapselt und je nach verfügbarer Fläche und gewünschter Leistung zusammengeschaltet und mit dem Stromnetz verbunden.
Die Photovoltaik ist mit einem Anteil von gut 21 Prozent an der erneuerbaren Stromproduktion (Stromreport 2022) seit 2007 stark ausgebaut worden und damit die jüngste breit genutzte Stromquelle (vgl. die Graphik auf Wikimedia 2020). Ab 2013 stagnierte der Zuwachs von Photovoltaik, weil die Konditionen der Einspeisung verschlechtert wurden. Der Anteil der Photovoltaik an der gesamten Stromerzeugung ist jedoch gestiegen: Lag er im 1.Quartal 2018 noch bei 3,5 Prozent betrug er im Vergleichsquartal 2021 bereits bei 4,7 Prozent und im ersten Quartal 2022 bei 6,5 Prozent (DESTATIS 2022b). Aus heutiger Sicht ist die Photovoltaik neben der Windenergie und der Erdwärme eine der drei Technologien, die zukünftig die Energieversorgung sicherstellen.
Windkraft
Unter Windkraft wird die großtechnische Nutzung der Bewegungsenergie des Windes verstanden. Unterschieden wird zwischen der Offshore (auf dem Meer) und der Onshore (an Land) Nutzung der Windenergie. Die typischen Komponenten einer Windkraftanlage sind der Turm, die Rotoren und die Gondel, in der die Bewegungsenergie der Rotoren mit Hilfe eines Generators in elektrischen Strom umgewandelt wird. Im Jahr 2021 betrug der Anteil der Windkraft ca. 50 Prozent am gesamten in Deutschland erzeugten erneuerbaren Strom (Stromreport 2022). Der Ausbau hat wesentlich in den Jahren von 2000 bis 2017 stattgefunden. Seitdem ist der Zuwachs geringer, weil sich lokal viele Menschen gegen Windkraftanlagen wehren. Seit Ausbruch des Ukraine-Krieges und dem damit verbundenen Gaslieferstopp Russlands, sowie seit den deutlichen Auswirkungen der Klimakrise (Waldbrände, Flut), werden wieder höhere Ausbauziele der Windenergie genannt.
Bioenergie
Unter Bioenergie wird die energetische Nutzung biogener Energieträger verstanden. Biogene Energieträger sind pflanzlicher oder tierischer Herkunft. Zu den typischen biogenen Energieträgern zählen Holz und Stroh sowie ihre Derivate wie Holzschnitzel- oder -pellets aber auch Biogas aus der Vergärung von Energiepflanzen, Bioabfällen, Ernterückständen oder von tierischen Abfällen wie Mist und Gülle Exkremente. Obwohl bei der Verbrennung von Biomasse oder Biogas CO2 freigesetzt wird, ist die Erzeugung und Nutzung von Bioenergie klimaneutral, denn das freigesetzte CO2 wurde während des Pflanzenwachstums der Atmosphäre entzogen. Allerdings verursacht die Verbrennung von Biomasse auch Emissionen weiterer Luftschadstoffe wie NOX und insbesondere von Feinstaub.
Der typische Einsatz von Biogas zur Energieerzeugung erfolgt über Blockheizkraftwerke (BHKW), die sowohl Wärme als auch Strom erzeugen. Problematisch ist der Anbau von Energiepflanzen wie z. B. Mais, Raps, Futterrüben, Hanf, Chinaschilf, schnellwachsende Bäume (Pappeln, Weiden) und Zuckerrohr. In der Regel erfolgt deren Anbau in schnell wachsenden Monokulturen und hat damit einen erheblichen Einfluss auf Landschaft und Boden. Zudem kann der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zum Verlust von Biodiversität, die Düngung zur Belastung des Grundwassers und der Verbrauch von Trinkwasser zur regionalen Verknappung von Wasser führen (vgl. BUND o. J.). Des Weiteren ist der energetische Wirkungsgrad der Biomassenproduktion mit 0,5-1,5 Prozent (Pflanzenforschung 2020) wesentlich geringer als der von Photovoltaik, der in der Regel 15-22 Prozent beträgt (Eigensonne o. J.).
- Entsprechend vertritt das Umweltbundesamt die Auffassung, dass die Verbrennung von Biomasse kein Wachstumspotenzial mehr besitzt, sondern vielmehr auf ein „naturverträgliches Maß“ begrenzt werden muss (UBA 2021d).
- Hingegen kann die Erzeugung von Biogas aus Gülle und Mist, solange diese aufgrund der hohen Nachfrage nach tierischem Protein in großen Mengen anfallen, einen wichtigen Beitrag vor allem zur Wärmeerzeugung leisten.
- Insgesamt ergeben sich jedoch erhebliche Zielkonflikte zwischen Energiegewinnung, Futtermittelanbau und Produktion von Nahrungsmitteln hinsichtlich der begrenzten Ressource “Fläche”.
Damit steht die Energiegewinnung durch den Anbau von Energiepflanzen im Konflikt zum SDG 2 “Kein Hunger”. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Ausbau der energetischen Biomassenutzung aus Agrarpflanzen, die auch der Ernährung dienen können (Mais, Getreide), eine nicht verantwortbare Flächenkonkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion darstellt und damit im direkten Konflikt zum SDG 2 “Kein Hunger” steht. Wenn der Bezug von EE-Strom besonders nachhaltig sein soll, ist daher darauf zu achten, dass er aus möglichst aktuell neuen effizienten Wind- oder Solaranlagen stammt. Dieser Strom wird von von verschiedenen Einrichtungen wie dem TÜV oder dem Grüner Strom Label e. V. zertifiziert (Ökostromanbieter o. J.)
Erd- und Umgebungswärme
Eine Möglichkeit der Wärmeerzeugung ist die Nutzung von Temperaturunterschieden. Dazu werden Wärmepumpen eingesetzt, die den Temperaturunterschied zwischen Gebäuden und ihrer Umgebung oder dem Erreich ausnutzen. Eine Wärmepumpe funktioniert wie ein Kühlschrank oder eine Klimaanlage (Tagesschau 2022). Die Pumpe entzieht der Umgebung (z. B. dem Erdreich) mit einem Kältemittel Wärme und kühlt sie dabei ab. Ein Kompressor verdichtet das Kältemittel und erhöht dabei dessen Temperatur, die dann zur Raumheizung genutzt wird. Das Kältemittel kondensiert dabei und gibt die Wärme frei. In einem Ventil verdampft das Kühlmittel wieder, kühlt sich dabei stark ab und kann aufs Neue der Umgebung Wärme entziehen. Zum Antrieb einer Wärmepumpe wird allerdings elektrischer Strom benötigt. Dieser sollte dann aus Klimaschutzgründen aus erneuerbaren Energieträgern wie Sonne oder Wind erzeugt werden.
Beleuchtung
Beleuchtung ist in allen Berufen ein Handlungsfeld, bei dem viel Energie eingespart werden kann. Der Standard für Energieeffizienz in der Beleuchtung sind LED-Lampen und LED-Röhren. In 2009 wurde die “Glühbirne” aus Initiative der EU vom Markt genommen, anstelle dessen wurde im breiten Umfange die Energiesparlampe bzw. Leuchtstofflampe (Fachbegriff: Kompaktleuchtstofflampen) verwendet, die bei gleiche Lichtstärke wie eine 75 Watt Glühbirne nur rund zehn Watt verbrauchte. Die technische Entwicklung ging jedoch weiter hin zu LED-Lampen, die wiederum im Vergleich zur Glühbirne rund 70 bis 90 Prozent der Energie einsparen (enterga o. J., energieexperten o. J.). In Haushalten und kleinen Gewerbebetrieben ohne eigene Produktion fallen rund 10 Prozent des Stromverbrauchs für die Beleuchtung an – dies sind zwischen 350 und 600 kWh/a.
Die Bedeutung des technischen Wandel weg von der Glühbirne (und auch der Halogenbirne) hin zu LED-Technik lässt sich im Rückblick zeigen. In 2003 wurden ca. 71 TWh/a (Terrawattstunden pro Jahr) Strom für die Beleuchtung verwendet. Dies waren 71.000 Gigawattstunden. Ein Atomkraftwerk erzeugt zwischen 9.000 und 13.000 GWh Strom, rein rechnerisch mussten fast neun Atomkraftwerke nur die Beleuchtung laufen (in 2003, stromrechner.com o. J.).
Für landwirtschaftliche Betriebe sind die LED-Leuchtstoffröhren besonders interessant, da bisher immer Leuchtstofflampen installiert wurden. Heutzutage gibt es LED-Röhren, die ohne Umbau in die vorhandenen Lichtkästen eingebaut werden können. Nur das Vorschaltgerät muss ggf. ausgewechselt werden. Die Einsparung liegt bei 50 Prozent des bisher genutzten Stroms (LEDONLINE o. J.). Die Vorteile neben der Energieeinsparung sind offensichtlich: Die Röhren zerbrechen nicht, sie enthalten kein Quecksilber, sie flimmern nicht und haben einen hohen Leistungsfaktor (ebd.)
Eine weitere mögliche Stellschraube bei der Beleuchtung ist die Verwendung von Strom aus regenerativen Energiequellen. Eine eigene PV-Anlage auf dem Stalle in Verbindung mit einem Batteriespeicher kann erheblich Strom aus Sonnenlicht in der Nacht bereitstellen.
Mobilität
Im Rahmen der Verkehrswende spielt die Dekarbonisierung der Antriebe eine zentrale Rolle, denn die Treibhausgasemissionen der Mobilität sind maßgeblich für den Klimawandel verantwortlich.
Bei einer Betrachtung der Emissionen aus dem Verkehrssektor wird deutlich, dass in Deutschland 2021 rund 149 Mio. t CO2-Äq bzw. fast 20 Prozent aller CO2-Emissionen aus der Mobilität stammen (UBA 2022). Differenziert nach verschiedenen Verkehrsarten zeigt sich, dass der Straßengüterverkehr 2020 rund 46 Mio. t CO2-Äq bzw. 30 Prozent der Verkehrsemissionen verursacht (UBA 2022) hat. Es sind somit zwei Trends wirksam: Zum einen eine Minderung der Emissionen (insbesondere der Schadstoffe), die aber bei LKWs deutlich größer sind (-32%t) als bei Pkws (-5%). Zum anderen stieg für beide die Zahl der gefahrenen Kilometer – die Pkw-Fahrleistung hat sich seit 1995 verdoppelt, die des Güterverkehrs per LKW ist um 74 Prozent gestiegen (ebd.).
Zum anderen ist die Wahl der Verkehrsmittel entlang der Wertschöpfungskette von Relevanz. Die Emissionen aus der Logistik können leicht mit Hilfe kostenloser Online Tools ermittelt werden wie z. B. mit carboncare (ebd. o. J.), die die Emissionen nach EN 16258-Standard berechnet. Darin ist auch der Emissionsanteil des Kraftstoffes selbst enthalten, der bei dessen Förderung, Aufbereitung und Verteilung entsteht, eingeschlossen. Die folgende Tabelle stellt beispielhaft die CO2- Emissionen unterschiedlicher Transportmittel dar, die bei einem Transport von einer Tonne Gewicht von Shanghai nach Berlin freigesetzt werden. Die Datenauswertung zeigt deutlich, dass Ferntransporte per Schiff zu den energieeffizientesten Transporten gehören. Bereits 1.000 km per Lkw emittieren genauso viel CO2 wie bei 20.000 km Schiffstransport. Die Daten zeigen auch, dass selbst bei einem Transport von Elektronikbauteilen mit geringem Gewicht per Flugzeug, um ein Vielfaches mehr CO2 freigesetzt wird als ein Transport mit anderen Verkehrsmitteln. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die CO2 Intensität unterschiedlicher Transportmittel.
Transportmittel | Strecke (km, gerundet | CO2-Äq |
Schiff Lkw |
19.900 km (Schiff) |
73 kg (nur Schiff) 15 kg (Lkw) 88 kg (gesamt) |
Bahn (im Bau) | 10.400 km | 120 kg |
Flugzeug | 8.500 km | 6.900 kg |
Quelle: eigene Berechnungen mit carboncare (ebd. o. J.)
Bei Geschäftsreisen besteht vielfach die Wahl zwischen Bahn und Pkw-Nutzung, wobei die Pkw-Nutzung im Mittel zum Vier- bis Fünffachen an CO2-Emissionen führt (Mein Klimaschutz o. J.). Sollten Geschäftsreisen mit dem Flugzeug gelegentlich unvermeidbar sein, bieten sich Kompensationsmodelle zum Ausgleich der Klimawirkung an. Hierbei wird ein Geldbetrag überwiesen entsprechend der verursachten Emissionen und dieser wird in Klimaschutzprojekte investiert z. B. in den Moorschutz oder Wiederaufforstung (vgl. atmosfair). Bei einem Hin-und Rückflug von Berlin nach Shanghai entstehen ca. 4.800 kg CO2 Emissionen. Diese können durch 111 Euro Ausgleichszahlung kompensiert werden.
Nutzungsverhalten
Neben der Umrüstung der Dienstwagen auf elektrische Antriebe sollte auch der individuelle Umgang mit Mobilität überdacht werden. Es können beispielsweise THG-Emissionen eingespart werden, wenn die Mitarbeitenden zu Fuß oder mit dem Rad zum Arbeitsplatz im Handel kommen, sofern aus gesundheitlichen Gründen oder einer zu großen Distanz zum Arbeitsort nichts dagegen spricht. Zudem kann der Betrieb die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel z. B. durch ein Jobticket attraktiver gestalten. Auch die Förderung von Dienstfahrrädern ist in einigen Städten und Kommunen möglich. Zusätzlich ist die Bildung von Fahrgemeinschaften denkbar, wenn es sich von den Arbeitszeiten und den Wegen anbietet. Strecken, die mit dem Auto gefahren werden müssen, sollten optimiert werden (Routenoptimierung), insbesondere gilt dies für den Transport von Waren. Außerdem hat die Fahrgeschwindigkeit einen erheblichen Einfluss auf die ausgestoßenen THG-Emissionen. Laut Umweltbundesamt verursachten im Jahr 2020 Pkw und leichte Nutzfahrzeuge auf Bundesautobahnen in Deutschland THG-Emissionen in Höhe von rund 30,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Durch die Einführung eines generellen Tempolimits von 120 km/h auf Bundesautobahnen würden die Emissionen um jährlich 2,0 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente reduziert und ein Tempolimit von 100 km/h würde sie um 4,3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr mindern (UBA 2022b). Auch ohne generelles Tempolimit kann jede*r die Fahrgeschwindigkeit reduzieren, das spart nicht nur THG-Emissionen sondern auch Kosten ein (mobile.de 2020). Denn bei hohen Geschwindigkeiten verbrauchen Fahrzeuge überdurchschnittlich viel Kraftstoff. Nach Angaben des ADAC verbraucht ein Mittelklasseauto um bis zu zwei Drittel mehr Kraftstoff, wenn es statt 100 km/h mit 160 km/h fährt (ebd.).
Biogene Kraftstoffe
Bei biogenen Kraftstoffen handelt es sich um flüssige Energieträger die aus Pflanzen, Pflanzenresten und -abfällen oder Gülle statt aus Erdöl gewonnen werden. Die Antriebstechnik ist vergleichbar mit konventionellen Verbrennungsmotoren mit der Ausnahme, dass das bei der Verbrennung entstehende CO2 klimaneutral ist, denn die bei der Verbrennung freigesetzte CO2-Menge entspricht in etwa derjenigen Menge, die die Pflanze während ihres Wachstums mittels Photosynthese der Atmosphäre entzogen hatte. Das Problem der biogenen Kraftstoffe zeigte sich schon Anfang der 2000er-Jahre, als Raps zur Erzeugung von Biodiesel angebaut wurde. Zentral ist der Zielkonflikt zwischen Ernährung und Mobilität: Auf einer Ackerfläche können nur Nahrungsmittel oder Treibstoffe angebaut werden – für beides reicht der Platz nicht (Deutschlandfunk 2012). Wie sich die biogenen Treibstoffe für den Verkehrssektor entwickeln werden und ob sie eine Zukunft haben, ist politisch auch zehn Jahre später noch nicht entschieden (vgl. Deutscher Bundestag 2022).
Elektromobilität
Die Mobilität ist für einen wesentlichen Teil des Klimawandels verantwortlich. In Deutschland verantwortet die Mobilität rund 20 Prozent der Emissionen (Bundesregierung o.J. b). Der Verkehrssektor ist damit nach der Energiewirtschaft und der Industrie mit je rund 20 Prozent CO2-Ausstoß der drittgrößte Verursacher von Treibhausgasemissionen. Den weitaus größten Teil der Verkehrsemissionen verursacht der Straßenverkehr 96 Prozent (Stand 2019). Für etwa 61 Prozent davon sind Benzin- und Diesel-Pkw und für 36 Prozent entsprechende Lkw verantwortlich. Seit 1995 ist der CO2-Ausstoß des Personenverkehrs nicht gesunken, obwohl die Fahrzeuge energieeffizienter sind. Denn es werden fast 60 Prozent mehr Personenkilometer gefahren als Anfang der 90er Jahre. Das hebt den Einspareffekt auf. Auch die Beförderungsleistung auf der Straße nahm erheblich zu: Verglichen mit dem Jahr 2000 haben sich bis 2021 die zurückgelegten Tonnenkilometer (zurückgelegte Entfernung multipliziert mit beförderten Gütermenge) um fast 50 Prozent erhöht (Destatis 2022e). Um die Klimaziele zu erreichen, muss der Anteil der Fahrzeuge mit alternativen Antrieben zunehmen. Im Schwerlastverkehr sind es jedoch nur wenige Modellprojekte, in denen LKW mit alternativen Antrieben wie Batterien oder Brennstoffzellen fahren. Positiv hingegen ist der Trend bei den Pkw: Im Jahresverlauf 2020 stiegen die Neuzulassungen von Elektroautos deutlich: von Januar 2020 mit 3 Prozent auf 14 Prozent Ende des Jahres (KBA 2022). Auch bei den Kleintransportern gibt es Bewegung (bfp 2022): Nach dem Branchenverband ACEA wurden in 2021 rund 44.600 leichte Nutzfahrzeuge mit reinem Batterieantrieb neu zugelassen (2,9 Prozent der Neuzulassungen).
Derzeit sind die vier wichtigsten Fahrzeugtypen die folgenden (Beispiel Pkw und leichte Nutzfahrzeuge):
- Vollhybrid: Ein Vollhybrid (sHEV) hat einen Verbrennungs- und einen batteriebetriebenen Motor. Bei niedrigen Geschwindigkeiten bis zu 50 km/h und auf kurzen Strecken bis etwa 3 km ist ein reiner Elektroantrieb möglich. Die für den Betrieb des Elektromotors erforderliche Elektrizität wird vom Verbrennungsmotor erzeugt.
- Plug-in-Hybrid: Im Vergleich zum Vollhybrid kann ein Plug-in-Hybridfahrzeug (PHEV) rein elektrisch schneller und weiter fahren. Der Verbrennungsmotor lädt die Batterie auf, wenn die Leistung nicht ausreicht. Der Akku kann über ein externes Netzteil geladen werden.
- Vollelektrisches Fahrzeug: Dieser BEV genannte Typ wird ausschließlich von einem batteriebetriebenen Elektromotor angetrieben. Der wird über das Stromnetz aufgeladen, das heißt: er benötigt keinen fossilen Kraftstoff. Dadurch fährt das Fahrzeug zu 100 Prozent emissionsfrei.
- Elektroauto mit Brennstoffzelle: Ein Brennstoffzellenauto (FCEV) wird ausschließlich von einem Elektromotor angetrieben. Im Gegensatz zum vollelektrischen Fahrzeug wird der Strom nicht mit Batterien, sondern mit Wasserstoff Brennstoffzellen erzeugt. Wasserstoff Brennstoffzellen erzeugen Strom, indem sie Wasserstoff mit Sauerstoff kombinieren. Auch ein Auto mit Brennstoffzelle ist lokal zu 100 Prozent emissionsfrei.
Zum 01.01.2022 waren insgesamt 2.815.122 Fahrzeuge mit alternativen Antrieben angemeldet. Dazu zählen sowohl Fahrzeuge mit Elektroantrieben wie BEV, Brennstoffzellen als auch Fahrzeuge mit Hybrid-Antrieben sowie Gas. Das entspricht 4,7 Prozent aller knapp 60 Mio. Fahrzeuge im Bestand. Davon entfielen 4,5 Prozent alleine auf Pkws. Mit großem Abstand folgen Lkws mit 0,13 Prozent und Krafträder mit 0,03 Prozent. Omnibusse, Zugmaschinen und sonstige Kfz haben lediglich einen Anteil von 0,01 Prozent bis 0,007 Prozent an Fahrzeugen mit alternativen Antrieben (KBA 2022).
Schon heute verursacht ein Elektrofahrzeug der Kompaktklasse über den gesamten Lebensweg bis zu 30 Prozent weniger Treibhausgase als ein vergleichbares Benzin- oder Dieselfahrzeug (Bundesregierung o. J. b). Im Betriebsalltag ist das Elektrofahrzeug wesentlich effizienter. Ein Hyundai Kona verbraucht im Stadtverkehr rund 14,5 kWh, dies entspricht bei einem Stromfaktor von 450 g CO2-Äq/kWh rund 65 g THG-Emissionen/km/100 km. Ein vergleichbarer Kona-Diesel verbraucht ca. 4,5 l Diesel, dies entspricht Emissionen von ca. 120 g/km (eigenes Fahrzeug der Autoren, Berechnung nach (vgl. My Climate o. J.).
Brennstoffzellen
In der gewerblichen Wirtschaft sind die mit fossilen Treibstoffen wie Diesel betriebenen Verbrennungsmotoren ab 3,5 t bis hin zu den üblichen 40 Tonnen und auch die schweren Nutzfahrzeuge (z. B. Abfall-Sammelfahrzeuge, Schwertransporter, Zementmischer) von besonderer Relevanz. Während es im Pkw-Bereich eher batteriebetriebene Konzepte sind, kommen diese im Bereich der Nutzfahrzeuge aufgrund des schweren und teils voluminösen Elektrostrangs mit Batterie weniger in Betracht. Stattdessen bieten immer mehr Hersteller von Nutzfahrzeugen Brennstoffzellen an. Maßgeblich angeschoben wird dies durch die EU-Klimaziele, den CO2-Ausstoß von neuen Pkw bis 2030 um 37,5 Prozent zu senken und dies bereits in fünf Jahren auch auf schwere Nutzfahrzeuge auszudehnen. Um bis zum Jahr 2025 bei schweren Nutzfahrzeugen 15 Prozent CO2-Emissionen und bis 2030 sogar 30 Prozent einzusparen, erscheint die Brennstoffzellentechnologie daher besonders vielversprechend. Denn einerseits sind konventionelle Lkw-Antriebsstränge mit Dieselaggregaten bereits in hohem Maße optimiert und bieten daher nur noch wenig Einsparpotenzial. Andererseits lassen sich bestehende Lösungen zum batterieelektrischen Antrieb von Pkw nicht direkt von Pkw auf Lkw übertragen, da die benötigte Batterie zu schwer und die Ladezeiten zu lang wären.
Wasserstoffbetriebene Fahrzeuge sind leiser, wartungsärmer und – bei Herstellung des Wasserstoffs aus regenerativen Quellen – CO2-neutral. Umweltzonen und emissionsbedingte Durchfahrtsverbote stellen keine Probleme mehr dar. Zwar sind erste Fahrzeuge bereits auf dem Markt verfügbar, jedoch muss die Brennstoffzellenentwicklung bei einer Einführung bis 2025 deutlich beschleunigt werden (KIT 2020).
Gleichwohl ist die Entwicklung von Lkw-Antrieben auf Wasserstoffbasis branchenweit auf einem nie dagewesenen Höchststand. Etablierte Unternehmen, darunter Hersteller wie Hyundai oder Daimler Trucks, aber auch völlig neue Anbieter wie die US-amerikanische Firma Nikola, die in Kooperation mit IVECO und Bosch an der Marktreife von Brennstoffzellen-Lkw feilt, überbieten sich im Rennen um Effizienz, Reichweite und Fortschrittlichkeit. Verwunderlich ist diese Entwicklung angesichts der Vorteile von grünem Wasserstoff nicht: Große Tanks ermöglichen hohe Reichweiten mit einer Tankfüllung. Verschiedene Hersteller arbeiten mit Konzepten, die Reichweiten zwischen 400 und über 1000 Kilometern versprechen. Der Tankprozess ähnelt dabei dem bisherigen Ablauf. Ein Umstellen ganzer Prozesse auf längere Lade- und Standzeiten ist daher nicht nötig. Und Innenstädte, die lärm- und feinstaubbelastet sind, können schon in wenigen Jahren deutlich entlastet werden.
Zwischen Pkw und schweren Nutzfahrzeugen liegen leichte Nutzfahrzeuge bis 3,5 t. Genau die nehmen immer mehr Hersteller als Versuchsballon für den Wasserstoffantrieb mit Brennstoffzelle, meist in Verbindung mit einer Plug-in-Ladelösung. So lässt Stellantis, der Mutterkonzern von Opel, Peugeot und Citroën, in den kommenden zwei Jahren in Rüsselsheim eine Kleinflotte von 2000 Fahrzeugen von Elektro auf Wasserstoff umrüsten, jeweils mit einer Reichweite von 400 Kilometern (bfp 2022). Die Brennstoffzellentechnologie wird sich vermutlich nicht im Pkw-Segment durchsetzen. Eine Studie des österreichischen Umweltbundesamtes kam 2014 mit einer Ökobilanz zum Schluss, dass Elektroantriebe die klimafreundlichsten Antriebe noch vor der Brennstoffzellentechnologie sind (Umweltbundesamt 2014). Neuere Untersuchungen zeigen aber, dass die Brennstoffzellentechnologie mit zunehmender Verbesserung der Herstellung von Wasserstoff sich durchaus im Lastverkehr durchsetzen könnte (Reichweite, Tankzeiten, Temperaturstabilität u. a., vgl. Unwerth 2020).
Elektrofahrzeuge in der Landwirtschaft
Landwirtschaft und Gartenbau sind ähnlich, setzen aber unterschiedlich schwere Maschinen ein. Aufgrund der noch beschränkten Leistung von Batteriesystemen und dem Gewicht der Fahrzeuge, war es für die Fahrzeughersteller naheliegend, sich zunächst auf leichtere Fahrzeuge zu konzentrieren. Die ersten massentauglichen Fahrzeuge waren vermutlich Gabelstapler mit Bleibatterien, die in geschlossenen Umgebungen keine Emissionen ausstoßen durften. Inzwischen hat sich die Batterietechnik aber deutlich weiterentwickelt und es werden mehr und mehr große Maschinen angeboten:
- Im Garten-, Obst- und Weinbau werden vor allem Kleinfahrzeuge genutzt. Es gibt ein großes Angebot an kleineren Transportfahrzeugen (Pritschenfahrzeuge, Kipper, geschlossene Transporter, vgl. ari o. J.; dergartenbau 2013; B_I o. J.). Aber auch Kleinstbagger mit bis zu 3 t Gesamtgewicht sind heute als Elektrobagger verfügbar (vgl. Limbach Minibagger o. J.). Vereinzelt werden aber auch inzwischen Großgeräte wie der Limach Elektrobagger E88.1 angeboten. Hierbei handelt es sich um einen batteriebetriebenen Bagger mit austauschbaren Akkupacks (tecklenborg 2021). Der Vorteil ist, dass nach dem Batteriewechsel die Arbeit nicht eingestellt werden muss.
- Volvo z. B. bietet seit Mitte 2022 Elektro-LKWs unterschiedlicher Größe an (vgl. Volvo o. J.). Die Volvo-Modelle sind alle für den regionalen Verkehr konstruiert. Der FM Electric hat ein Gesamtzuggewicht von 44 t, eine Leistung von 490 kW, eine Batterieleistung von bis zu 540 kWh (zum Vergleich: Der Hyundai Kona / Midi-SUV hat eine Leistung von 64 kWh) und eine Reichweite von bis zu 390 km (im Sommer). Die Zuladung des Volvo-Lkws beträgt 23 t. Die Vorteile sind der niedrige Geräuschpegel (Anlieferung auch in Nachtstunden) und die Emissionsfreiheit (keine Fahreinschränkungen in städtischen Gebieten mit Emissionsbeschränkungen). Bei Gleichstromladung mit 250 kW ist eine Vollladung in 2,5 h möglich.
- Inzwischen bieten auch Landmaschinenhersteller Elektrofahrzeuge (außer Mähdrescher) an:
- Das amerikanische Monarch-Unternehmen hat einen elektrischen Traktor auf den Markt gebracht (agrarheute 2023a). Er ist mit künstlicher Intelligenz (KI) und Sensoren ausgestattet. Das Unternehmen bezeichnet ihn als “Smart Tractor”, der Fahrerlos fahren kann. Die Laufzeit soll bei 14 Stunden liegen, die Batterie ist austauschbar. Die Kosten liegen bei ca. 83.000 Euro.
- Das Unternehmen New Holland hat in 2022 auf der Tech Day in den USA einen Prototypen eines elektrischen Traktors präsentiert (agrarheute 2022a). Er leistet 120 PS (ist stärker als der Monarch) und soll gleichfalls autonom fahren. Die Serienproduktion soll 2023 starten in Kooperation mit Monarch (agrarheute 2021a).
- Radlader werden in verschiedenen Größen angeboten. Tobroco-Giant verkauft einen kleinen Radlader, wie ihn wohl die meisten landwirtschaftlichen Betriebe haben (agrarheute 2021a). Die Kosten liegen bei rund 50.000 Euro. Einen großen Radlader vertreibt Kramer. Die Batterieleistung liegt bei rund 34 kWh, also in der Größenordnung eines kleinen Pkw (Tobroco-Geant o. J.). Die Kipplast (Schaufel) liegt bei 2,5 t (Kramer o. J.). Der eindeutige Vorteil der Elektro-Radlader ist ihre Emissions- und Geräuschlosigkeit: Sie können in jedem Stall fahren.
- Siloking bietet einen Futtermischwagen an. Der Silokin TruckLine e.0 kann zwischen acht und 14 m3 laden. Er ist selbstfahrend. Mit einer starken Mischanlage kann er auch Rundballen zerlegen (siloking o. J.).
Bedeutsam ist auch die Änderung des Energieeinspeisegesetzes EEG in 2022 (solaranlagenportal o. J.). Ziel war es, den Eigenverbrauch zu fördern. Die Einspeisevergütung wurde auf 6,2 Cent pro kWh für Anlagen zwischen 40 und 100 kWp gesenkt. Bei Volleinspeisung erhalten die Betreiber einen Zuschuss z. B. 5,1 Cent pro kWh für derartige Anlagen. Wichtig ist, dass mehrere Anlagen betrieben werden können was technisch durch mehrere Wechselrichter (und Neuverkabelung) kein Problem ist. So kann eine Teilanlage einspeisen, die andere dient dem Eigenverbrauch. Landwirtschaftliche Maschinen können so zum “Nulltarif” fahren oder alle elektrischen Anlagen betrieben werden (z. B. Beleuchtung und Belüftung). Batteriesysteme sind zwar noch recht teuer, werden aber in den nächsten Jahren mit der Massenproduktion preiswerter werden. Im Jahr 2010 hat 1 kWh Speicherkapazität noch 6.000 Euro gekostet, in 2022 lagen die Preise bei 1.200 Euro/kWh (gruenes.haus 2022). Es wird geschätzt, dass sich der Preis langfristig bei 500 bis 600 Euro einpendeln wird.
Rationelle Energienutzung und Energiesparen
Neben dem Einsatz erneuerbarer Energien zählt auch die rationelle Energienutzung zu den Maßnahmen, um das Energiesystem in Richtung Nachhaltigkeit zu transformieren. Typische Handlungsfelder der rationellen Energienutzung sind die Energieeffizienz und das Energiesparen, die beide eng miteinander verknüpft sind.
Energieeffizienz: Bei der Energieeffizienz geht es darum, Geräte und Maschinen zu nutzen, die bei gleicher Funktionserfüllung einen geringeren Energiebedarf haben. Effizienz ist dabei eine relationale Größe, die sich auf mindestens zwei vergleichbare Arten bezieht, Energie zu nutzen. Durch optimierte Prozesse sollen die quantitativen und qualitativen Verluste, die im Einzelnen bei der Umwandlung, dem Transport und der Speicherung von Energie entstehen, minimiert werden, um einen vorgegebenen (energetischen) Nutzen bei sinkendem Primär- bzw. Endenergieeinsatz zu erreichen.
Energieeffizienzkennzeichnung: In der EU gibt die Energieeffizienzkennzeichnung gemäß Verordnung (EU) 2017/1369 Auskunft über die Energieeffizienz von Elektrogeräten und weiteren Energieverbrauchern. Die Kennzeichnung erfolgt für verschiedene Gerätegruppen in Form von Etiketten auf den Geräten und in Werbematerialien. Ab dem Jahr 2021 erfolgt die Kennzeichnung der Energieeffizienz in Form von Effizienzklassen. Deren Skala reicht von „A“ bis „G“, wobei Geräte mit der höchsten Effizienz mit der Kennzeichnung “A” ausgezeichnet werden. Daneben gibt es zahlreiche weitere Kennzeichen. Bekannt ist der amerikanische Energy Star für energiesparende Geräte, Baustoffe, öffentliche/gewerbliche Gebäude oder Wohnbauten. Für Pkw gibt es ein eigenes Kennzeichen, welches die Bewertung und Kennzeichnung der Energieeffizienz neuer Personenkraftwagen hinsichtlich Kraftstoff- und Stromverbrauch regelt (Pkw-EnVKV 2020).
Energiesparen: Die Abgrenzung des Energiesparens zur Energieeffizienz ist allerdings nicht immer eindeutig, denn die Nutzung eines energieeffizienten Gerätes stellt immer auch eine Energieeinsparung gegenüber einem weniger effizienten Gerät dar. Aber unabhängig vom eingesetzten Gerät kann der Nutzer mit seinem Verhalten erheblichen Einfluss darauf nehmen, wie viel Energie verbraucht wird.
Rationelle Energienutzung mit Lenkassistenzsystemen
In der Landwirtschaft ergeben sich Möglichkeiten zur rationellen Energienutzung vor allem durch Kraftstoffeinsparungen bei den Arbeitsmaschinen und dem Transport des Ernteguts. So kann mit Hilfe digitaler Technologien die Befahrstrategie auf dem Acker optimiert werden.
Relativ weit verbreitet sind Lenkassistenzsysteme für Traktoren und Mähdrescher (auch “Parallelfahrsysteme” genannt). Die landwirtschaftliche Feldbearbeitung mit Traktor und Arbeitsgerät erfordert konzentriertes Halten der Fahrspur, um einerseits keine Feldbereiche doppelt zu befahren und andererseits auch keine Bereiche unbearbeitet zu lassen. Zur Unterstützung des Fahrens auf dem Feld bieten verschiedene Hersteller Lenkassistenzsysteme für Traktoren (und weitere landwirtschaftliche Arbeitsmaschinen) an. Diese Systeme greifen mit Hilfe eines elektrischen Motors in der Fahrerkabine in das Lenkrad oder die Lenksäule ein. Sie erleichtern dem Fahrer die Planung von Fahrspuren und das Einhalten dieser Spuren bei Arbeitsmaßnahmen auf dem Feld. Gemeinsam ist den verschiedenen Lenksystemen, dass sie zur Positionsbestimmung Satelliten-Ortungssysteme sowie Korrektursysteme (beispielsweise RTK-Korrektursignale, Real Time Kinematik) zur Erhöhung der Fahrgenauigkeit nutzen. Auf diese Weise erreicht der Traktor eine eine sehr hohe Arbeitsgenauigkeit mit Abweichungen im 2 cm-Bereich (Gegner et al. 2022). Mithilfe eines Anfangspunkts (A) und Endpunkts (B) der ersten Fahrspur wird eine Referenzlinie für die Parallelführung des Traktors erzeugt. Das Lenksystem-Programm errechnet die weiteren Fahrspuren unter Berücksichtigung der Breite des Anbaugeräts durch Parallelverschiebung der Referenzlinie. In der Literatur wird der Nutzung von Lenkassistenzsystemen eine steigende Flächenleistung sowie sinkende variable Kosten zugeschrieben (Treiber-Niemann et al. 2013). Durch die Verkleinerung von Überlappungen und Fehlstellen beim Befahren des Feldes, eine Optimierung der Wendevorgänge und präzise Fahrten auch bei Nacht und schlechter Sicht kann der Kraftstoffverbrauch gesenkt werden.
Das genauere Befahren des Feldes hat darüber hinaus weitere ökologische Vorteile. Dünge- und Pflanzenschutzmittel können eingespart werden. Auch kann die Zahl der Überfahrten und damit der Bodendruck verringert werden. In einer Befragung österreichischer Landwirte gaben 21 Prozent (%) der Befragten an, ein automatisches Lenksystem mit RTK-Korrektursignal zu nutzen, während 63 Prozent den Traktor manuell steuern. Diese Verteilung zeigt ein deutliches Energiesparpotenzial durch verstärkte Nutzung von automatischen Lenksystemen (Motsch et al. 2021: 225).
Rationelle Energienutzung mit teilflächenspezifischer Bewirtschaftung
Potenziale zur Reduzierung des Energieverbrauchs ergeben sich auch durch teilflächenspezifische Bewirtschaftungsmaßnahmen. Dabei werden Maßnahmen wie Bodenbearbeitung, Pflanzenschutz und Düngung gezielt dort vorgenommen, wo es notwendig ist, und nicht großräumig auf dem gesamten Feld, wodurch neben Betriebsmitteln auch Kraftstoffe eingespart werden können. Dies soll am Beispiel der Bodenbearbeitung verdeutlicht werden.
Bodenbearbeitungsverfahren erfordern einen hohen Energiebedarf für die Zugleistung (Herlitzius et al. 2019 nach Kehl et al. 2021: 104). Eine schonende Bodenbearbeitung ohne Pflügen, stattdessen mit flacher, nicht wendender Bodenbearbeitung und Mulchsaat gewinnt zunehmend an Bedeutung, da hierdurch die biologische Vielfalt der Böden gefördert und die Bodenstruktur verbessert werden kann. Bei der schonenden Bodenbearbeitung wird statt dem Pflug ein Grubber oder eine Grubber-Scheibeneggen-Kombinationen eingesetzt (Kehl et al. 2021). Bei der teilflächenspezifischen Bearbeitung werden die Böden – je nachdem wie die Bodenzusammensetzung es auf der jeweiligen Teilfläche erfordert – entweder gepflügt oder (mit dem Grubber) flacher bearbeitet. Die teilflächenspezifische Bodenbearbeitung reduziert durch die geringere Bearbeitungstiefe den Kraftstoffverbrauch pro Flächeneinheit. Bei einem Betrieb in Schleswig-Holstein wurde im Rahmen eines Mulchsaatversuchs, bei dem die Arbeitstiefe von 18 auf zehn cm reduziert wurde, eine Verringerung des Kraftstoffverbrauchs um etwa 30 Prozent erzielt (Wilhelm et al. 2010).
Energiespeicherung
Eine zentrale Herausforderung bei der Nutzung erneuerbarer Energien ist ihre Fluktuation, denn Solarstrahlung steht nachts nicht zur Verfügung und auch der Wind weht nicht kontinuierlich. Eine ausgeglichene Balance von Stromerzeugung und Stromnachfrage ist aber unabdingbar für die Versorgungssicherheit sowie die Netzstabilität. Um eine gleichmäßige Frequenz im Stromnetz aufrechtzuerhalten, müssen Erzeugung und Nutzung aufeinander abgestimmt werden. Andernfalls muss die Differenz und mögliche Frequenzschwankungen durch die sogenannte Regelenergie ausgeglichen werden. Möglichkeiten dazu sind:
- Abschaltung von EE-Anlagen (geringere Einspeisung)
- Zuschaltung von Speicherkraftwerken (höhere Einspeisung)
- Abschaltung großer Verbraucher (geringere Entnahme)
Die Abschaltung ist aber unökologisch und unwirtschaftlich. Um dies zu vermeiden, bieten sich Energiespeicher an, die bei Bedarf zugeschaltet werden. Diese sind:
Pumpspeicherkraftwerke: Kostengünstig, nur für gebirgige dünn besiedelte Regionen (z. B. Norwegen, Öst. Alpen), benötigen einen Netzanschluss z. B. durch sehr lange und teure DC-Leitungen z. B. durch die Ost- und Nordsee bei norwegischen Speichern.
Druckluft: Einfache Technologie, gut nutzbar bei Anbindung an Windkraftanlagen, aber nur begrenztes Speicherpotential und bisher eher ein Forschungsgegenstand.
Schwungräder: Einfache Technologie, aber hohe Masse des Rades und noch in der Entwicklung.
Chemisch als Wasserstoff: Elektrolyse von Wasser zur Stromerzeugung, gut erforscht für Kleinanlagen, derzeit erfolgt ein großtechnischer Aufbau, wichtiger Zielkonflikt: Wasserstoff ist auch relevant für die Stahl-, Zement- und chemische Industrie sowie zum Antrieb von Lkws (evt. Flugzeuge), teure Technologie.
Chemisch als Methan: Elektrolyse von Wasser zur Stromerzeugung, dann Reduktion von CO2 zu Methan (CH4), relevant für Gebäudeheizungen, teure Technologie.
Allen obigen Technologien ist gemeinsam, dass die Umwandlung von Kraft oder innerer Energie immer mit hohen Verlusten aufgrund der Thermodynamik (Wärmeverluste) verbunden ist. Die wichtigste Batterie ist derzeit die Lithium-Ionen-Batterie. (GRS o. J., ISE 2021): Dieser Batterietyp dient sowohl für die Versorgung von Kleingeräten (Mobiltelefone, Tablet, Notebooks, Werkzeuge) als auch für Fahrzeuge und Fahrräder sowie als Hausspeicher (s.a. u.). Batterien im Kleinstbereich und für die Elektromobilität müssen ein geringes Gewicht beim höchsten Energiegehalt haben. Weitere Faktoren sind die Kosten, die Brandsicherheit, die Ladefähigkeit und die Lebensdauer. Die Kathode enthält Kobalt-Oxid (CoO), die Anode besteht aus Graphit. Als Elektrolyt dienen Li-organische Verbindungen. Die Vorteile sind die höchste Energiedichte aller im großen Maßstab produzierten Batterien, kein Memory Effekt und eine gute Zyklenfestigkeit. Die Nachteile sind ein hoher Preis, ein aufwändiges Zellmanagement aufgrund der geringen Größe und damit verbunden mit einer hohen Anzahl von Zellen. Aus Sicht der Nachhaltigkeit ist insbesondere die Gewinnung von Cobalt in Sambia und der Demokratischen Republik Kongo, dem wichtigsten aller Lieferländer, sehr gewichtig, da hier u. a. ein illegaler und umweltzerstörender Abbaus stattfindet (FAZ-net 2022, Safe the Children 2022). Lithium ist ein Salz, das in verschiedenen Ländern in Salzseen vorkommt. Der größte Produzent ist Australien (51.000 t) vor Chile (13.000 t; VW o. J.). Hierbei spielt insbesondere die Bereitstellung von Wasser und die Abwasserbehandlung eine wichtige Rolle, da die Gewinnung meist in ariden Regionen stattfindet. Die bekannten Reserven übersteigen derzeit die Bedarfe um ein Vielfaches, weshalb diskutiert wird, ob Lithium ein “knappes” Metall ist oder nicht (ebd.).
Erneuerbare Energien in der Landwirtschaft
Vor dem Hintergrund, dass Landwirte heute zunehmend mit steigenden Produktionskosten und einem stärkeren Preisdruck im Lebensmitteleinzelhandel konfrontiert sind, kann eine Investition in Erneuerbare Energien Chancen bieten und eine zusätzliche Einnahmemöglichkeit schaffen.
Interessant ist hier insbesondere der Bereich der Photovoltaik-Anlagen. Die Dächer landwirtschaftlicher Gebäude wie Scheunen oder Ställe eignen sich gut für Photovoltaik-Anlagen, da sie eine große Fläche für die Installation bieten (Heimische Landwirtschaft o. J.). Mit dem so produzierten Strom können Landwirtschaftsbetriebe bis zu 100 Prozent ihres Strombedarfs decken, was insbesondere bei den derzeit stark steigenden Stromkosten ein erheblicher Vorteil ist. Es besteht aber auch die Möglichkeit, den erzeugten Strom gegen eine Einspeisevergütung in das öffentliche Netz einzuspeisen.
PV-Freiflächenanlagen
Um die Ausbauziele für Erneuerbare Energien zu erreichen, wird in Deutschland die Errichtung von Photovoltaik-Anlagen nicht nur auf Dächern gefördert, sondern auch auf Äckern und anderen Freiflächen. Diese Freiflächenanlagen machen ca. ein Viertel der installierten Photovoltaik-Leistung aus, bei den übrigen drei Vierteln handelt es sich um Anlagen auf Dachflächen (UBA 2021c). Die Errichtung von PV-Anlagen auf Ackerflächen ist allerdings sehr umstritten. Kritiker weisen darauf hin, dass durch solche Anlagen wertvolle Flächen für die Nahrungsmittelproduktion und für den Naturschutz verloren gehen und Flora und Faune erheblich beeinträchtigt werden (Zinke 2021). Befürworter betonen die Effizienz solcher Anlagen gerade im Vergleich zur Bioenergie bzw. dem Anbau von Energiepflanzen. Die Fläche, die für ein Megawatt Freiflächen-Photovoltaik benötigt wird, geht stetig zurück (UBA 2021c). Während im Jahr 2006 noch 4,1 Hektar pro Megawatt benötigt wurden, waren es 2019 nur noch 1,2 Hektar pro Megawatt. Grund dafür ist vor allem die Entwicklung leistungsfähigerer Module. Dadurch kann auf einer Fläche deutlich mehr Strom gewonnen werden, als dies mit dem Anbau von Energiepflanzen möglich wäre.
Stand 2019 waren in Deutschland insgesamt auf 30.000 Hektar PV-Freiflächenanlagen installiert, etwa 26 Prozent auf Ackerflächen und 14 Prozent auf Randstreifen, die zum Teil ebenfalls zu den Ackerflächen zählen (ebd.) Damit wurden 0,07 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Fläche in Deutschland für Freiflächenanlagen genutzt. Zwar ist der Anteil an der Gesamtfläche gering, dennoch empfiehlt das Umweltbundesamt aufgrund der Flächenkonkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion, PV-Anlagen zukünftig vorrangig auf Dachflächen zu installieren – hier gibt es keine Nutzungskonkurrenzen und auf allen Schrägdächern entfallen auch aufwändige Rahmenkonstruktionen wie den Freiflächenanlagen.
Agri-Photovoltaik
Eine Lösung für die beschriebene Flächenkonkurrenz könnte das System der Agri-Photovoltaik (Agri-PV) sein. Mit Agri-PV wird ein Verfahren bezeichnet, bei dem Flächen gleichzeitig für den landwirtschaftlichen Pflanzenbau und für die Gewinnung von Solarstrom genutzt werden (Fraunhofer ISE 2022b). Dabei werden meist PV-Module auf einer Trägerkonstruktion über der Anbaufläche installiert. Die Aufständerung kann so hoch geplant werden, dass der Landwirt darunter mit seinen Maschinen und Geräten den Acker bestellen, ansäen und ernten kann (oder wo kleine autonome Roboterfahrzeuge die Arbeit verrichten). Auf diese Weise kann die Flächenkonkurrenz durch die doppelte Nutzung entschärft werden.
Agri-PV-Verfahren sind sowohl im Ackerbau als auch im Obstbau möglich. Im Obstbau können Agri-PV Anlagen zusätzlich einen Beitrag dazu leisten, negative Auswirkungen des Klimawandels auf die Ernte zu minimieren. Steigende Temperaturen und immer öfter auftretende extreme Wettergeschehnisse (z. B. Hagel oder Starkregen) stellen für den Obstbau große Herausforderungen dar. Die hoch aufgeständerten halb-transparenten PV-Module fungieren als Hagelschutz und können auch dazu beitragen, die Verdunstung zu senken (Energie & Management 2021).
Die Agri-PV-Technologie hat sich in den letzten Jahren sehr dynamisch entwickelt und in fast allen Regionen der Welt verbreitet. In Deutschland wurden bereits mindestens fünf Agri-PV-Anlagen zu Forschungszwecken in Betrieb genommen (Fraunhofer ISE 2022). Des Weiteren existieren in Deutschland ein gutes Dutzend private Agri-PV-Anlagen. Unter anderem baut die Firma Elektro Guggenmos schon seit 2008 unter Agri-PV in Warmisried (Bayern) Kartoffeln, Weizen und Lauch an.
Biogasanlagen
Eine große Rolle in der Landwirtschaft spielt die Biogasproduktion. Biogas entsteht, indem Biomasse mit Hilfe von Bakterien unter Ausschluss von Sauerstoff (anaerob) abgebaut wird. Als eingesetzte Materialien werden nachwachsende Rohstoffe aus der Landwirtschaft, tierische Produkte oder Reststoffe aus der Lebensmittel- und Agrarwirtschaft verwendet. Je nach eingesetztem Ausgangsstoff produzieren die Bakterien Biogas mit einem Methangehalt von 50 bis 75 Prozent (UBA 2022c). Die Gärreste können als Dünger in der Landwirtschaft genutzt werden. Die bei der Erzeugung von Biogas anfallende Wärme kann vor Ort zur Beheizung von Ställen und Häusern genutzt werden oder über Nahwärmeleitungen zur Wärmeversorgung angrenzende Schulen, Kindergärten oder Schwimmbäder eingesetzt werden. Aus dem Rohbiogas können direkt vor Ort in einem Blockheizkraftwerk Strom und Wärme gewonnen werden. Wenn es auf Erdgasqualität aufbereitet wird, kann es in das Erdgasnetz eingespeist werden, wodurch es dann auch ortsunabhängig für Strom- und Wärmeerzeugung und im Verkehrssektor genutzt werden kann. Mit dem EEG (Energieeinspeisungsgesetz) von 2000 bekamen Biogasanlagen einen erheblichen Aufschwung. Viele Landwirte investierten in die Errichtung einer Biogasanlage als zweites Standbein. Vor allem in den Jahren 2007 bis 2014 wurde eine große Zahl an Biogasanlagen errichtet. Seit der Änderung des EEG im Jahr 2014, mit der die Förderung für Biogasanlagen gesenkt wurde, ist die Zahl der Neuerrichtungen erheblich zurückgegangen (ebd.).
Wie im Kapitel “Biomasse” (siehe oben) dargelegt wurde, ist die Nutzung von Biomasse für den Umstieg auf erneuerbare Energien kritisch zu sehen. Konfliktlinien bestehen vor allem bei der Nutzung von Anbaubiomasse durch die Flächenkonkurrenz zum Anbau von Nahrungsmitteln sowie durch negative Umweltauswirkungen des Energiepflanzen- Anbaus. Doch es gibt neben der problematischen Anbaubiomasse noch weitere Quellen, die für die Gewinnung von Biogas genutzt werden können und die nicht mit solchen ökologischen und sozialen Risiken verbunden sind. Beispielsweise können Gülle und Mist sowie organische Rest- und Abfallstoffe aus der Landwirtschaft sowie Siedlungsabfälle genutzt werden.
Quellenverzeichnis
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SDG 8 Menschenwürdige Arbeit
“Dauerhaftes, inklusives und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und
menschenwürdige Arbeit für alle fördern”
In der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie wird zum SDG 8 auf das Leitbild „Soziale Marktwirtschaft“ verwiesen (Bundesregierung 2021: 2214):
„Soziales Ziel ist es, unternehmerische Freiheit und funktionierenden Wettbewerb mit sozialem Ausgleich und sozialer Sicherheit zu verbinden. Mit Hilfe der Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft, wie fairer Wettbewerb, Unternehmerverantwortung, Sozialpartnerschaft, Mitbestimmung und gerechte Verteilung des erwirtschafteten Wohlstands, werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass wir auch in Zukunft noch Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung haben.“
Hinsichtlich des SDG 8 sind zwei Ebenen zu betrachten: Eine nationale Ebene und die globale Ebene.
Auf der nationalen Ebene steht Deutschland laut der „European Working Survey” hinsichtlich der Arbeitsbedingungen sehr gut da – 89 Prozent der Befragten geben an, mit ihrem Job zufrieden zu sein und 91 Prozent bestätigen einen fairen Umgang mit ihnen als Arbeitnehmer*innen (Eurofond 2021). Jedoch zeigt der Index “Gute Arbeit” des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB 2022) detailliert, dass es in manchen Branchen, wie dem Gesundheitssektor und bei Beschäftigten in Leiharbeitsverhältnissen noch große Defizite gibt (DGB 2022). Besonders negativ sind hierbei die Kriterien “Arbeitsintensität” und “Einkommen” aufgefallen, die notwendigen Handlungsbedarf in Berufsbildern aufzeigen.
Auch wenn Kinderarbeit und Sklaverei in Deutschland keine Rolle spielen, so ist die Umsetzung der verschiedenen Unterziele des SDG 8 eine dauerhafte Aufgabe im Sinne einer kontinuierlichen Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Noch ein zweites gilt: Aufgrund der komplexen Lieferketten müssen Unternehmen Verantwortung für ihre Produkte auch in den Ländern, wo diese hergestellt werden, übernehmen. An dieser Stelle sollen folgende Unterziele betrachtet werden:
8.5 Bis 2030 produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle Frauen und Männer, einschließlich junger Menschen und Menschen mit Behinderungen, sowie gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit erreichen
8.6 Bis 2020 den Anteil junger Menschen, die ohne Beschäftigung sind und keine Schul- oder Berufsausbildung durchlaufen, erheblich verringern
8.b Bis 2020 eine globale Strategie für Jugendbeschäftigung erarbeiten und auf den Weg bringen und den GLOBALEN BESCHÄFTIGUNGSPAKT DER INTERNATIONALEN ARBEITSORGANISATION umsetzen (ILO o. J.; Destatis o.J.)
8.7 Sofortige und wirksame Maßnahmen ergreifen, um Zwangsarbeit abzuschaffen, moderne Sklaverei und Menschenhandel zu beenden und das Verbot und die Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit, einschließlich der Einziehung und des Einsatzes von Kindersoldaten, sicherstellen und bis 2025 jede Form von Kinderarbeit ein Ende setzen
8.8 Die Arbeitsrechte schützen und sichere Arbeitsumgebungen für alle Arbeitnehmer, einschließlich der Wanderarbeitnehmer, insbesondere der Wanderarbeitnehmerinnen, und der Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen, fördern
Die Schnittstellen zur neuen Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ ergibt sich über die Beachtung der gesellschaftlichen Folgen des beruflichen sowie der zu entwickelnden Beiträge für ein nachhaltiges Handeln (BMBF 2022)
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Menschenwürdige Arbeit
Menschenwürdige Arbeit in Deutschland bedeutet vor allem Arbeit, die sich zumindest an internationalen Standards orientiert. Formuliert sind diese in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Vereinte Nationen 1948; UN-Charta, Artikel 23 und 24). Als “menschenunwürdige Arbeit” werden Kinderarbeit, Sklavenarbeit und teilweise Leiharbeit bezeichnet sowie Merkmale bei den Beschäftigungsverhältnissen, die sich nicht an den o. g. Regelwerken orientieren, wie “fehlende soziale Sicherheit”, “mangelnder Arbeitsschutz”, “Ausnutzung von Scheinselbstständigen” und “Ungleichbehandlung von Frauen”.
Saisonarbeit
Alle bei einem in Deutschland ansässigen Unternehmen befristet angestellte Arbeitnehmer: innen aus anderen Ländern werden als Saisonarbeiter bezeichnet. Laut Definition in den relevanten Vorschriften üben sie eine Tätigkeit aus die “aufgrund eines immer wiederkehrenden saisonbedingten Ereignisses oder einer immer wiederkehrenden Abfolge saisonbedingter Ereignisse an eine Jahreszeit gebunden sind, während der Bedarf an Arbeitskräften den für gewöhnlich durchgeführte Tätigkeiten erforderlichen Bedarf in erheblichem Maße übersteigt” (Zoll 2022). Folgende Bereiche setzen Saisonarbeitskräfte ein:
- Tourismus: Gaststätten, Hotels für Kellner: innen, Küchenpersonal, Zimmerservice und in Betrieben, die nicht ganzjährig geöffnet sind, wie Biergärten und Skihütten, oder auch zur Abdeckung von Arbeitsspitzen in Ausflugslokalen.
- Schaustellergewerbe auf Volksfesten, Jahrmärkten etc.
- In der Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau (Erntehilfen in Sonderkulturbetrieben wie Obst-, Gemüse- oder Weinbau).
DGB Index Gute Arbeit
Die Qualität von Arbeitsbedingungen wird seit 2012 aufgrund von 42 standardisierten Fragen in einer bundesweiten repräsentativen Erhebung ermittelt (DGB 2022). Elf Kriterien der Arbeitsqualität werden abgefragt. Im November 2022 wurde der DGB-Index Gute Arbeit 2022 veröffentlicht. Wie schon in den vorangegangenen Jahren gibt es zu den Kriterien „Arbeitsintensität“ und „Einkommen“ erheblich kritische Bewertungen.
Der Index 2022 zeigt z. B. für die Branchen „Metallerzeugung und –bearbeitung“ (64), „Ver- und Entsorgung“ (69), „Baugewerbe“ (66), „Gastgewerbe“ (62), „Information und Kommunikation“ (69), „Finanz- und Versicherungsdienstleistungen“ (68) und „Gesundheitswesen“ (62) auf, dass die Arbeitsbedingungen noch weit entfernt sind vom Anspruch „Gute Arbeit“.
In der ausführlichen Debatte über die Detailergebnisse für 2022 sticht hervor, dass Beschäftigte in Leiharbeitsverhältnissen ihre Situation auffällig schlecht bewerten (ebd.).
„Auf Branchenebene kommen Beschäftigte aus dem Gastgewerbe und dem Gesundheitswesen auf die niedrigsten Indexwerte (jeweils 62 Punkte). In der Informations- und Kommunikationsbranche (IuK) liegt der Wert dagegen bei 69 Punkten. Auch in den Branchen treten auf Ebene der Teilindizes zum Teil sehr große Unterschiede zutage. Beim Teilindex „Ressourcen“ kommen IuK-Beschäftigte auf 75 Indexpunkte, Arbeitnehmer*innen aus der Metallerzeugung und -bearbeitung dagegen lediglich auf 68 Punkte. Die höchsten Belastungen finden sich im Bereich Erziehung und Unterricht (54 Punkte) sowie im Gesundheitswesen (56 Punkte), wo häufig sowohl physische als auch psychische Belastungsfaktoren auftreten. Die größte Diskrepanz auf Branchenebene zeigt sich bei der Bewertung von „Einkommen und Sicherheit“. Hier liegen die Befragten aus dem Gastgewerbe mit 54 Punkten um 16 Punkte unter dem Wert der Beschäftigten aus der öffentlichen Verwaltung (70 Punkte).“ (a.a.O., S. 13)
Darüber hinaus zeigt der Blick in einzelne Branchen und Berufsgruppen, dass noch immer körperliche Belastungen in vielen Bereichen sehr verbreitet sind (ebd.:S. 19).
Einen wesentlichen Einfluss auf die Bewertung der eigenen Arbeitsbedingungen haben die Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten im Arbeitskontext. Im Zusammenhang mit nachhaltiger Entwicklung ist das Kriterium „Sinn der Arbeit“ eine wesentliche Ressource zur Beurteilung der eigenen Arbeitsbedingungen. Dazu führt der Bericht „Index Gute Arbeit 2022“ aus: „Der Sinngehalt von Arbeit ist eine Ressource, die sich aus unterschiedlichen Quellen speisen kann. Dazu gehört, dass die Produkte bzw. Dienstleistungen, die produziert oder erbracht werden, als nützlich erachtet werden. Häufig ist dies mit der Einschätzung verbunden, ob die Arbeit einen gesellschaftlichen Mehrwert erzeugt. Sinnhaftigkeit kann dadurch entstehen, dass die Arbeit einen Nutzen für Andere hat. Und wichtig für Sinnempfinden ist auch, dass die eigenen, ganz konkreten Arbeitsaufgaben und -merkmale nicht sinnlos erscheinen. Wird Arbeit als sinnvoll empfunden, wirkt sich das positiv auf die Motivation und das Wohlbefinden der Beschäftigten aus. Dauerhaft einer als sinnlos erachteten Arbeit nachzugehen, stellt dagegen eine mögliche psychische Belastung und damit ein gesundheitliches Risiko dar.
BDA - Die Arbeitgeber
Die Arbeitgeber argumentieren mit positiven Statistiken, dass die Arbeitsbedingungen in Deutschland sehr gut sind (BDA o. J.). So sind laut der European Working survey 89 Prozent der in Deutschland Beschäftigten mit ihrem Job zufrieden, 74 Prozent gaben in der Befragung an, dass ihnen ihr Job Spaß macht und 91 Prozent bestätigen einen fairen Umgang am Arbeitsplatz (Eurofond 2021, BDA o. J.). Auch hinsichtlich der Arbeitssicherheit ist die Entwicklung positiv: Sowohl die Arbeitsunfälle, als auch die Unfallquote hat sich seit 1991 halbiert (BDA o. J.). Diese befinden sich seit 2004 unter 1 Mio. und bewegen sich seitdem zwischen 954.000 und 760.000 gemeldeten Fällen (Statista 2021).
Außerdem wird auf die Prävention und den Gesundheitsschutz hingewiesen, für den 2016 ca. fünf Mrd. € ausgegeben wurden, was 40 Prozent der gesamten Ausgaben von 11,7 Mrd. € ausmacht (BDA o. J.). Die betriebliche Gesundheitsförderung, wie Stressmanagement, gesundheitsgerechte Mitarbeiterführung oder Reduktion der körperlichen Belastung kommt dabei sowohl den Beschäftigten als auch den Arbeitgebern zugute. Zuletzt wird noch auf die Eigenverantwortung hingewiesen, die aus selbstverantwortlichen Entscheidungen und flexibleren Arbeitszeiten resultiert.
Prekäre Beschäftigungsverhältnisse
Menschen arbeiten auch in Deutschland teilweise in prekären Beschäftigungsverhältnissen und die “Bedeutung des sogenannten Normalarbeitsverhältnisses nimmt ab, während atypische Formen von Arbeit an Bedeutung zunehmen” (Jakob 2016). Dazu zählen befristete Arbeitsverträge, geringfügige Beschäftigung, Zeitarbeit, (Ketten-)Werkverträge und verschiedene Formen der (Schein-)Selbstständigkeit oder auch Praktika. Durch die Agenda 2010 wurde das Sicherungsniveau für von Arbeitslosigkeit Betroffene deutlich gesenkt (Arbeitslosengeld I in der Regel nur für ein Jahr, danach Arbeitslosengeld II). Menschen sehen sich eher gezwungen, “jede Arbeit zu fast jedem Preis und zu jeder Bedingung anzunehmen. Das hat dazu geführt, dass die Löhne im unteren Einkommensbereich stark gesunken sind” (Jakob 2016). 2015 wurde mit der Einführung des Mindestlohns dagegen gesteuert.
Das Thema betrifft auch das SDG 10 “Ungleichheit”, denn jeder Mensch hat das Recht auf faire und gute Arbeitsverhältnisse, dies ist vielen Menschen jedoch verwehrt. Prekäre Beschäftigung widerspricht dem Leitbild von ”Guter Arbeit“, verbaut Entwicklungsmöglichkeiten von Beschäftigten und verstärkt nachweislich den Trend zu psychischen Belastungen und Erkrankungen sowie deren Folgewirkungen (Jakob 2016) (siehe auch SDG “Gesundheit”) .
Kinderarbeit
Zur Definition und Umsetzung von menschenwürdigen Arbeitsbedingungen sind global große Unterschiede zu verzeichnen. Ein Beispiel hierfür ist die Kinderarbeit, die weltweit noch immer verbreitet ist. 79 Millionen Kinder arbeiten unter ausbeuterischen Bedingungen, vor allem in Fabriken, die wenig qualifiziertes Personal benötigen oder in der Landwirtschaft sowie im Bergbau (BMZ 2021 und 2022). Nach Angaben der ILO müssen weltweit rund 152 Millionen Kinder zwischen fünf und siebzehn Jahren arbeiten, vor allem in der Landwirtschaft, als Hausangestellte oder in Minen. Viele dieser Tätigkeiten sind gesundheitsgefährdend. Die ILO setzt sich schon lange für die Abschaffung von Kinderarbeit ein, sie ist Partnerorganisation in der „Allianz 8.7“, einer globalen Partnerschaft, die sich zum Ziel gesetzt hat, Zwangsarbeit, moderne Sklaverei, Menschenhandel und Kinderarbeit weltweit zu beseitigen, wie es in den Zielen für nachhaltige Entwicklung 2030 formuliert wurde. (ILO 2021) Unter Mitwirkung der deutschen Bundesregierung wird seit 1992 ein von der ILO betriebenes Internationales Programm zur Abschaffung der Kinderarbeit umgesetzt (International Programme on the Elimination of Child Labour, IPEC<, BMZ 2022)
Arbeitsschutz, Gesundheit und Gute Arbeit
Im Bereich “Gesundheit” und “Gute Arbeit” sind durch die Folgen des Klimawandels wesentliche neue Herausforderungen sowohl für die Arbeitskräfte als auch für die Gesellschaft festzustellen. Bei Bauarbeiten im Freien sind alle Arbeitenden durch Extremwetterereignisse wie hohe Temperaturen und lang anhaltende Hitzewellen, oder auch Starkregenereignisse, mit diesen neuen Herausforderungen direkt konfrontiert.
Gender Pay Gap
Unterschiedliche Entlohnung für vergleichbare Tätigkeiten und Qualifikation für Frauen und Männer lassen sich durch die statistischen Erhebungen des Statistischen Bundesamtes aufzeigen. In einer Pressemitteilung vom März 2022 wird betont, dass Frauen pro Stunde noch immer 18 Prozent weniger verdienen als Männer: „Frauen haben im Jahr 2021 in Deutschland pro Stunde durchschnittlich 18 Prozent weniger verdient als Männer. Damit blieb der Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern – der unbereinigte Gender Pay Gap– im Vergleich zum Vorjahr unverändert. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) anlässlich des Equal Pay Day am 7. März 2022 weiter mitteilt, erhielten Frauen mit durchschnittlich 19,12 Euro einen um 4,08 Euro geringeren Bruttostundenverdienst als Männer (23,20 Euro). Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 16.02.2023 müssen Frauen bei gleicher Arbeit auch gleich bezahlt werden, eine individuelle Aushandlung der Lohn- oder Gehaltshöhe ist damit nicht wirksam (Zeit Online 2023).
Deutsches Sorgfaltspflichtengesetz
Um ihrer Verantwortung zum Schutz der Menschenrechte gerecht zu werden, setzt die Bundesregierung die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen mit dem Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte von 2016 (Nationaler Aktionsplan, Bundesregierung 2017; 2021; 2022) in der Bundesrepublik Deutschland mit einem Gesetz um. Das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten ist besser unter dem Namen Lieferkettengesetz oder auch Sorgfaltspflichtengesetz bekannt (BMAS 2022, o. a. “Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz”). Dort ist die Erwartung an Unternehmen formuliert, mit Bezug auf ihre Größe, Branche und Position in der Lieferkette in angemessener Weise die menschenrechtlichen Risiken in ihren Liefer- und Wertschöpfungsketten zu ermitteln, ihnen zu begegnen, darüber zu berichten und Beschwerdeverfahren zu ermöglichen.
Das Lieferkettengesetz tritt 2023 in Kraft und gilt dann zunächst für Unternehmen mit mehr als 3.000, ab 2024 mit mehr als 1.000 Angestellten. Es verpflichtet die Unternehmen, in ihren Lieferketten menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in angemessener Weise zu beachten. Kleine und mittlere Unternehmen werden nicht direkt belastet. Allerdings können diese dann betroffen sein, wenn sie Teil der Lieferkette großer Unternehmen sind.
Unabhängig ob betroffen oder nicht: Es lohnt sich auch für kleinere Unternehmen, sich mit dem Gesetz adressierten Nachhaltigkeitsthemen auseinanderzusetzen, um das eigene Handeln entlang dieser Leitplanken zu überprüfen. Der Nachhaltigkeitsbezug ist unter anderem durch den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) gegeben, er gab einen wichtigen Impuls für das Gesetz. Der NAP wurde gemeinsam von Politik und Unternehmen verabschiedet, um zu einer sozial gerechteren Globalisierung beizutragen (Bundesregierung 2017). Ergebnisse einer 2020 im Rahmen des Nationalen Aktionsplans durchgeführten repräsentativen Untersuchungen zeigten jedoch, dass lediglich zwischen 13 und 17 Prozent der befragten Unternehmen die Anforderungen des Nationalen Aktionsplans erfüllen (VENRO 2021). Der gesetzgeberische Impuls war also erforderlich, um die Einhaltung der Menschenrechte zu fördern und damit auch zu einem fairen Wettbewerb zwischen konkurrierenden Unternehmen beizutragen.
Das Lieferkettengesetz rückt internationale Menschenrechtsabkommen und lieferkettentypische Risiken in den Blick: Dazu zählen bspw. das Verbot von Kinderarbeit, der Schutz vor Sklaverei und Zwangsarbeit, die Vorenthaltung eines gerechten Lohns, der Schutz vor widerrechtlichem Landentzug oder der Arbeitsschutz und damit zusammenhängende Gesundheitsgefahren. Es werden zudem internationale Umweltabkommen benannt. Sie adressieren die Problembereiche Quecksilber, persistente organische Schadstoffe und die grenzüberschreitende Verbringung gefährlicher Abfälle und ihre Entsorgung. Zu den jetzt gesetzlich geregelten Sorgfaltspflichten der Unternehmen gehören Aufgaben wie die Durchführung einer Risikoanalyse, die Verankerung von Präventionsmaßnahmen und das sofortige Ergreifen von Abhilfemaßnahmen bei festgestellten Rechtsverstößen. Die neuen Pflichten der Unternehmen sind nach den tatsächlichen Einflussmöglichkeiten abgestuft, je nachdem, ob es sich um den eigenen Geschäftsbereich, einen direkten Vertragspartner oder einen mittelbaren Zulieferer handelt. Bei Verstößen kann die zuständige Aufsichtsbehörde Bußgelder verhängen. Unternehmen können von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden.
Grundsätzliche Vorschriften für die Beschäftigung von Saisonarbeiterinnen und Saisonarbeitern in Deutschland
Alle befristet bei einem in Deutschland ansässigen Unternehmen angestellten Arbeitnehmer:innen aus anderen Ländern werden als Saisonarbeitende bezeichnet. Laut Definition in den relevanten Vorschriften üben sie eine Tätigkeit aus die “aufgrund eines immer wiederkehrenden saisonbedingten Ereignisses oder einer immer wiederkehrenden Abfolge saisonbedingter Ereignisse an eine Jahreszeit gebunden sind, während der der Bedarf an Arbeitskräften den für gewöhnlich durchgeführte Tätigkeiten erforderlichen Bedarf in erheblichem Maße übersteigt”. (Zoll 2022)
Folgende Bereiche setzen Saisonarbeitskräfte ein:
- Tourismus: Gaststätten, Hotels für Kellner:innen, Küchenpersonal, Zimmerservice und in Betrieben, die nicht ganzjährig geöffnet sind, wie Biergärten und Skihütten, oder auch zur Abdeckung von Arbeitsspitzen in Ausflugslokalen.
- Schaustellergewerbe auf Volksfesten, Jahrmärkten etc.
- In der Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau (Erntehilfen in Sonderkulturbetrieben wie Obst-, Gemüse- oder Weinbau).
Grundsätzlich gelten für alle Unternehmen, die Saisonarbeiter:innen beschäftigen, folgende Vorschriften:
Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG)
Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV)
Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG)
Mindestlohngesetz (MiLoG)
Sozialversicherungsentgeltordnung(SvEV)
Gewerbeordnung (GewO)
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
Nachweisgesetz (NachwG)
Zivilprozessordnung (ZPO)
Technische Regeln für Arbeitsstätten-Unterkünfte (ASAR 4.4)
Entsenderichtlinie (Richtlinie 96/71/EG)
Änderungsrichtlinie zur Entsenderichtlinie (Richtlinie (EU)2018/957)
Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung (PfändfreiGrBek)
Durch zahlreiche Verfehlungen von Unternehmen, die während der Coronakrise aufgedeckt wurden, gerieten u. a. die Unterbringung von Saisonbeschäftigten, deren Krankenversicherungen und Besoldungen ins Visier der Öffentlichkeit. Für die Zahlung von Mindestlohn gelten Ausnahmeregelungen zur Anrechnung von Verpflegung und Unterkunft (nach §107 Abs.2 GewO). (Zoll 2022): ““Soweit Arbeitgeber jedoch zur Zahlung eines Mindestentgelts auf der Grundlage des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG) oder des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) verpflichtet sind, ist eine Anrechnung von Sachleistungen nicht zulässig”.
Zur Qualität von Sachleistung – die Unterkünfte von Saisonarbeitskräften sind teilweise katastrophal, siehe unten “Beispiel Obstbetrieb in Baden-Württemberg” – werden auch Vorschriften gemacht (Zoll 2022): “Die vom Arbeitgeber gewährte Sachleistung muss von „mittlerer Art und Güte“ sein; d. h. Unterkunft und Verpflegung dürfen qualitativ nicht zu beanstanden sein. Als Maßstab für die Bewertung können die „Technischen Regeln für Arbeitsstätten – Unterkünfte (ASR A4.4)“ herangezogen werden. Die Anforderungen nach der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) an Unterkünfte, die vom Arbeitgeber für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die von ihrem regelmäßigen Arbeitsplatz entfernt eingesetzt werden, unmittelbar oder mittelbar, entgeltlich oder unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden, sind zwingend einzuhalten.”
Im Bericht “Saisonarbeit in der Landwirtschaft”(Initiative Faire Landarbeit 2021) wird u.a. auf Arbeitsrechtsverletzungen bezüglich fehlender Sozial- und Krankenversicherung aufgrund kurzfristiger Beschäftigung, unvollständige Lohnzahlungen und überhöhte Lohnabzüge, mangelhafte Unterkünfte und Verstöße gegen Infektionsschutzmaßnahmen und gegen den Gesundheitsschutz (Initiative Faire Landarbeit 2021, S.23) hingewiesen.
“Katastrophale Unterbringung bei einem Obstbetrieb in Baden-Württemberg: Durch eine Videoaufzeichnung eines Beschäftigten und einen Presseartikel wurden die Beratungsstelle mira und die Betriebsseelsorge Stuttgart-Rottenburg auf die Situation einer Gruppe von 24 georgischen Saisonarbeiter*innen auf einem Obsthof aufmerksam. Mehrfach suchten sie die Menschen aus Georgien auf dem Betriebsgelände auf. Was sie vorfanden, waren unzumutbare Verhältnisse: Container mit verschimmelten Wänden und Decken, als Toiletten dienten zum Teil Dixie-Kabinen im Freien, Fenster ließen sich nicht öffnen oder waren zugemauert. In einer Toilette war der Bretterboden durchgebrochen, in einigen Containern gab es keine Spinde für Kleidung. Frauen mussten zur Toilette durch den Männer-Container. Kakerlaken und Ungeziefer waren ständige Begleiter. Arbeitskleidung, die ihnen in Georgien zugesichert worden war, bekamen die Beschäftigten nicht, so dass sie mit Sandalen oder Halbschuhen im Matsch und in der Kälte Erdbeeren pflücken mussten. Verpflegung gab es nur abends, obwohl die Beschäftigten zeitweise um fünf Uhr morgens mit der Arbeit beginnen mussten. Den Hof durften die Saisonarbeiter*innen nicht verlassen, da immer wieder kurzfristig Arbeit angeordnet wurde. …..”
Über die Hauptprobleme in der Landwirtschaft gibt auch die Branchenkoordination Landwirtschaft bei “Faire Mobilität” Auskunft. (Europäischer Verein für Wanderarbeiterfragen – EVW; DGB o. J.)
Saisonarbeit in Gemüsebau, Obstbau und Landwirtschaft
Die Saisonarbeit stellt eine wichtige Unterstützung des landwirtschaftlichen Sektors in Deutschland dar. Nach Erhebungen des Statistischen Bundesamtes machten Saisonarbeitskräfte in den Jahren 2019/ 2020 rund 30 Prozent der Arbeitskräfte in der Landwirtschaft aus (Destatis 2022; BMEL 2022). Im Berichtszeitraum März 2019 bis Februar 2020 – also noch vor der Corona-Krise – waren von den bundesweit rund 940.000 Arbeitskräften in der Landwirtschaft 43,4.000 als Familienarbeitskräfte beschäftigt. Von den 504.000 familienfremden Arbeitskräften waren ca. 275.000 als Saisonarbeitskräfte beschäftigt (55 Prozent, BMEL 2022). In Rheinland-Pfalz waren es rund 50 Prozent, in Hamburg 44 Prozent und in Brandenburg 40 Prozent aller landwirtschaftlichen Arbeitskräfte (Destatis 2022).
Somit ist aus Sicht der Arbeitgeber*innen und der Volkswirtschaft die Saisonarbeit eine wichtige Stütze der landwirtschaftlichen Betriebe. Ohne Saisonarbeiter*innen wären, besonders in der Erntezeit von Beeren, Baumobst, Weintrauben und Spargel, die anfallenden Arbeiten kaum zu bewältigen (DGB 2022). In den Anfängen von Covid-19 mussten aufgrund der großen Abhängigkeit von Saisonkräften sogar Sonderregelungen geschaffen werden, um Erntehelfer/innen einreisen lassen zu können (Lechner 2020:5). In Deutschland konnte, anders als in anderen EU-Staaten, die Saisonarbeit mehrheitlich mit EU-Bürger*innen abgedeckt werden (v. a. aus Rumänien und Polen, Lechner 2020:5). Sie benötigen keine Arbeitserlaubnis. Allerdings möchten immer weniger Menschen aus der EU-Saisonarbeit verrichten. Folgedessen wird mit einem wachsenden Bedarf aus Drittstaaten gerechnet (ebd.). Dafür müssen die Voraussetzungen für die Beschäftigung durch die Bundesagentur für Arbeit geprüft werden. Mit Georgien und der Republik Moldau wurde hierfür die Befreiung von der Visapflicht geregelt (BA 2021), weitere Absprachen mit Ländern wie Albanien, Bosnien-Herzegowina und Nord Mazedonien stehen an (Lechner 2020:5).
Zuständig für die Vermittlung der Saisonkräfte aus dem Ausland ist die Zentrale Auslandsvermittlung (ZAV). Sie informiert die ausländischen Beschäftigten in einem Info-Brief über den Mindestlohn, die Arbeitszeiten und Pausen, den Arbeitsschutz, Krankheit, Unterkunft und Sozialversicherungsabgaben und Steuern (ZAV 2021) und weist auf Internetseiten wie www.faire-integration.de/en (IQ o. J.) mit Informationen in z. B. rumänisch hin.
Ein großer Anteil der Saisonarbeiter*innen arbeitet auf der Basis der “kurzfristigen Beschäftigung“ (DGB o. J.). Eine kurzfristige Beschäftigung ist sozialversicherungsfrei und an bestimmte Voraussetzungen gebunden: Sie darf maximal 70 Tage pro Jahr und nicht „berufsmäßig“ ausgeübt werden (ebd.). Diese Form der Beschäftigung führt zu einer Reihe von Nachteilen für die Saisonarbeiter*innen, die über unterschiedliche Kanäle aus Ost- und Südosteuropa rekrutiert werden (DGB o. J.). Eines der Hauptprobleme sind für die Betroffenen nicht nachvollziehbare Lohnkürzungen (ebd.). Weiterhin ist die Unterbringung der Arbeitskräfte aufgrund baulicher Mängel und schlechten Sanitäreinrichtungen teilweise problematisch (ebd.). Mangelhafter Arbeitsschutz, insbesondere fehlender UV-Schutz, erschwert die Arbeitsbedingungen auf dem Feld. Ein fehlender bzw. eingeschränkter Krankenversicherungsschutz von kurzfristig Beschäftigten führt zu Problemen im Krankheitsfall, insbesondere bei der Behandlung chronischer Krankheiten (ebd.).
Auf europäischer Ebene werden zurzeit sowohl Regelungen zur Sozialversicherung bzgl. wandernder Arbeitskräfte als auch die Möglichkeit,für die deutsche Bevölkerung in Bezug auf Sozialleistungen und kurzfristig Beschäftigten diskutiert. Solange diese “Grauzone” besteht, wird im Sinne sozialer Nachhaltigkeit die Sorgfaltspflicht von Unternehmen angesprochen.
Zur Stärkung der arbeitsrechtlichen Situation haben der DGB und die IG BAU Forderungen aufgestellt, die Unternehmen als Leitlinien dienen können (DGB 2022):
- Eine transparente, monatlich ausgehändigte Entgeltabrechnung,
- Aushändigung von schriftlichen Arbeitsverträgen (oder im Fall mündlicher Arbeitsverträge der wichtigsten Arbeitsbedingungen nach § 2 Nachweisgesetz) vor der Abreise im Heimatland, in einer für sie verständlichen Sprache in doppelter Ausführung,
- Schutz vor einer Unterschreitung des Mindestlohnes aufgrund von Akkordvereinbarungen durch Verpflichtung aller Betriebe zur Einrichtung eines verlässlichen, objektiven und manipulationssicheren Zeiterfassungssystems,
- ausreichende, flächendeckende und konzertierte Kontrollen durch die unterschiedlichen zuständigen Behörden, die zumindest in der anstehenden Erntesaison durch eine „Task-Force Faire Arbeit in der Landwirtschaft“ zusammengeführt werden sollten,
- Erleichterung der Zutrittsregelungen der IG BAU und der Beratungsstellen der Initiative Faire Landarbeit zu den Beschäftigten, um diese über ihre Rechte am Arbeitsplatz in Deutschland in ihrer jeweiligen Muttersprache aufzuklären und über die Angebote der Beratungsstellen und Gewerkschaft zu informieren.
Die Bundesagentur für Arbeit sieht in fairen und attraktiven Lohn- und Arbeitsbedingungen auch einen wichtigen Faktor, um im europaweiten Wettbewerb um Saisonarbeitskräfte konkurrenzfähig zu bleiben (Lechner 2020:6).
Beschäftigungsstandards
Menschenwürdige Arbeit in Deutschland bedeutet vor allem Arbeit, die sich zumindest an internationalen Standards orientiert. Formuliert sind diese in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (UN-Charta, Artikel 23, zitiert nach DGB o. J.):
- Jeder hat das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl, auf gerechte und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie auf Schutz vor Arbeitslosigkeit.
- Jeder, ohne Unterschied, hat das Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit.
- Jeder, der arbeitet, hat das Recht auf gerechte und befriedigende Entlohnung, die ihm und seiner Familie eine der menschlichen Würde entsprechende Existenz sichert, gegebenenfalls ergänzt durch andere soziale Schutzmaßnahmen.
- Jeder hat das Recht, zum Schutze seiner Interessen Gewerkschaften zu bilden und solchen beizutreten.
Anlässlich der letzten Fleischskandale und vor dem Hintergrund der Corona-Ausbrüche in Schlachthöfen, wurden für diesen Teil der Lebensmittelindustrie verbesserte Regeln bezüglich Vertragsgestaltung, Entlohnung, Unterbringung und “faire Mobilität” für ausländische Vertragsarbeiter/innen, Absicherung gegen Unfall- und Gesundheitsrisiken sowie verbesserte Kontrollen der Standards von Arbeits- und Tierschutz eingeleitet (BMAS 2020). Die Sicherstellung dieser Maßnahmen ist jedoch nicht einfach, es bedurfte und bedarf einer Vielzahl von Gesetzesinitiativen (z. B. das Arbeitsschutzkontrollgesetz, vgl. Schulten und Specht 2021) sowie der Umsetzung auf Landes- und kommunaler Ebene (wo die Kontrollfunktion beim Ordnungsamt angesiedelt ist). Es muss jetzt zum einen sichergestellt werden, dass diese Maßnahmen auch ernsthaft und dauerhaft umgesetzt werden. Zum anderen gilt es entsprechende Standards auf die gesamte Ernährungswirtschaft auszudehnen, denn die Fleischwirtschaft ist/war die Spitze des Eisbergs bei problematischen Arbeitsbedingungen, hat hier aber leider kein Alleinstellungsmerkmal.
Wesentlich schlimmer sind häufig Arbeitsbedingungen im Ausland. Ein Beispiel hiefür ist die Kinderarbeit, die weltweit noch immer verbreitet ist: 79 Millionen Kinder arbeiten weltweit unter ausbeuterischen Bedingungen: in Textilfabriken, Steinbrüchen oder auf Kaffeeplantagen – auch für unsere Produkte (BMZ 2021). Indien hält hier den Spitzenplatz laut der ILA( International Labor Organisation) mit zehn Millionen Jungen und Mädchen (vgl. Welthungerhilfe 2020). Die Kinderarbeit ist häufig verbunden mit der Schuldknechtschaft: Wenn ein Kredit nicht zurückgezahlt wird oder er “abgearbeitet” werden muss, müssen die Kinder dafür herhalten.
Die Politik versucht inzwischen gegenzusteuern z. B. mit dem Lieferkettengesetz von 2021 (BMZ 2021): Ziel ist es, den Schutz der Menschenrechte in globalen Lieferketten zu verbessern. Es geht nicht darum, überall in der Welt deutsche Sozialstandards umzusetzen, sondern um die Einhaltung grundlegender Menschenrechtsstandards wie das Verbot von Kinderarbeit und Zwangsarbeit. Die Politik nimmt damit vor allem die Unternehmen in die Pflicht, ihre Lieferketten konform mit den Menschenrechten zu gestalten.
Ernährung ist wie viele andere Produktionen inzwischen globalisiert. Deutschland importiert einen großen Teil seiner Lebensmittel aus dem Ausland. Die Nutzung kostengünstiger Produktionsbedingungen mit geringen oder keinen Umwelt- und Beschäftigungsstandards führt dazu, dass in vielen Ländern Löhne gezahlt werden, die kein auskömmliches Leben ermöglichen. Eine Möglichkeit dies zu vermeiden ist die Verwendung von Produkten aus Fairem Handel und die Beachtung von Siegeln (s. o.). Fairtrade ist für das SDG 8 zentral, welches ein eigenes Siegel hat. Das Siegel wird von Fair Trade Deutschland vergeben. Es sichert faire und stabile Preise, gute Arbeitsbedingungen und langfristige Handelsbeziehungen zu. Die Standards enthalten darüber hinaus Kriterien zu demokratischen Organisationsstrukturen, Umweltschutz und sicheren Arbeitsbedingungen.
Unternehmensführung
Nachhaltige Unternehmensführung stellt einen integrativen und holistischen Managementansatz dar, der auf die Berücksichtigung und das Management der Nachhaltigkeit im und durch das Unternehmen fokussiert ist. Dabei werden die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit berücksichtigt:
- Die Ökonomie (Sach- und Finanzkapital)
- die Ökologie (natürliche Ressourcen)
- das Soziale (Humankapital).
5 Grundsätze der Nachhaltigkeit in der Unternehmensführung existieren nach Günther und Ruter (2015):
- Ziel: langfristige Erhaltung des Unternehmens
- Umsetzung der Nachhaltigkeit im strategischen und operativen Geschäft
- Bildung eigener Indikatoren der nachhaltigen Unternehmensführung
- Erfolg der nachhaltigen Unternehmensführung durch Orientierung an Werten und Regeltreue
- Umsetzung der Basisprinzipien nachhaltiger Unternehmensführung: Solidarität, Transparenz und Risikomanagement (öko-Institut o. J.).
Wer seinen Betrieb nachhaltig aufstellen will, hat den Blick nach außen und nach innen zu richten. Der Blick nach außen bezieht sich auf die Gesellschaft und die Umwelt. Der Blick nach innen bezieht sich auf die ressourcen-orientierte Ökonomie und Ökologie, d. h. die Bereiche Beschaffung, Produktion, Absatz und Marketing so zu gestalten, dass die Umwelt geschützt und der Verbrauch von Ressourcen frei nach dem Prinzip so wenig wie möglich, so viel wie nötig, minimiert werden. Kosten für Umweltauswirkungen werden berechnet und in die Preisbildung mit einbezogen. Weiterhin gehören zu dem Blick nach innen die Mitarbeiter*innen.
Es gibt eine Reihe Gemeinwohl-orientierter Wirtschaftsansätze. Dazu zählt die Gemeinwohl-Ökonomie, entwickelt von Christian Felber (ebd. 2015). Dabei basiert das Unternehmen auf gemeinwohl-fördernden Werten wie Kooperation statt auf Konkurrenz und Gewinnmaximierung. Vertrauen, Verantwortung, Teilen und Solidarität sollen gefördert werden. Die Basis des Modells ist die Gemeinwohl-Bilanz, die den unternehmerischen Erfolg nicht nur aus dem monetären Gewinn ableitet (wie in konventionellen Bilanzen), sondern aus den positiven wie negativen Folgen eines Unternehmens für Gesellschaft, Umwelt und Volkswirtschaft. Es geht um das Messen der Punkte, “die wirklich zählen“. Im Vergleich zum jetzigen Wirtschaften seien das sozialer, ökologischer, demokratischer, solidarischer (ebd.).
Personalführung
Nachhaltige Führung baut auf den Erhalt der Arbeitsfähigkeit (Können) und der Motivation (Wollen) der Mitarbeiter*innen auf (gabler o. J., BMBF 2017). Es geht um die Nutzung der Ressourcen bei Erhalt der Arbeitsfähigkeit. Um letztere zu erhalten, kann und sollte der Arbeitgeber in verschiedene Bereiche investieren, z. B. in Weiterbildung, Kommunikationstrainings, Maßnahmen zur Gesundheitsfürsorge und ergonomische Arbeitsmittel. Auch flexible Arbeitszeiten können Stress reduzieren. Qualifizierte Mitarbeiter*innen können besser zum betriebswirtschaftlichen Unternehmenserfolg beitragen.
Die Motivation der Mitarbeiter*innen ist genauso wichtig wie die Arbeitsfähigkeit. Nachhaltig agierende Unternehmenslenker*innen und Vorgesetzte erhalten die Motivation ihrer Mitarbeiter*innen, indem sie daran glauben, dass Menschen von innen motiviert sind und einen sinnvollen Beitrag leisten wollen, indem sie ihnen mit ehrlichem Interesse begegnen. Wird Mitarbeiter*innen zusätzlich zum Lob und Anerkennung in Form von Dank entgegengebracht, können sie das positive Menschenbild noch verstärken. Gesteigert wird die Anerkennung, wenn der Dank individuell und verbal begründet wird. Mitarbeiter*innen können so ihre Arbeit als sinnvoll erleben und motiviert bleiben, denn sie haben das Gefühl, zum Unternehmenserfolg beitragen zu können.
Quellenverzeichnis
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BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2017): Nachhaltigkeit im Personalmanagement. Online: nachhaltig-forschen.de/fileadmin/user_upload/FactSheets_LeNa_Personal.pdf
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Zoll 2022: Verpflegung und Unterkunft für Saisonarbeitskräfte. Online: https://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Arbeit/Mindestarbeitsbedingungen/Mindestlohn-Mindestlohngesetz/Berechnung-Zahlung-Mindestlohns/Verpflegung-Unterkunft-Saisonarbeitskraefte/verpflegung-unterkunft-saisonarbeitskraefte_node.html
SDG 12 Nachhaltige/r Konsum und Produktion
“Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen”
Das SDG 12 zielt auf die nachhaltige und effiziente Nutzung der Ressourcen ab. Ressourcen sind alle Stoffe der Natur (Mineralien und Metalle, biotische Ressourcen wie Holz oder Baumwolle), aber auch Luft, Wasser und Boden (vgl. BMU o.J.). Abfälle sollen vermieden oder recycelt und gefährliche Abfälle sicher entsorgt werden. Die Nahrungsmittelverschwendung soll verringert werden (s.u.). Weitere Themen sind die nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen, eine bessere Verbraucher:innen-Bildung, nachhaltige Beschaffung und der umweltverträgliche Umgang mit Chemikalien.
Folgende Unterziele sind für das Berufsbild Landwirt besonders relevant (Destatis o. J.):
12.2 „die nachhaltige Bewirtschaftung und effiziente Nutzung der natürlichen Ressourcen erreichen“
12.3 „die entlang der Produktions- und Lieferkette entstehenden Nahrungsmittelverluste einschließlich Nachernteverlusten verringern“
12.4 „einen umweltverträglichen Umgang mit Chemikalien und allen Abfällen … erreichen und ihre Freisetzung in Luft, Wasser und Boden erheblich verringern“
12.5 „das Abfallaufkommen durch Vermeidung, Verminderung, Wiederverwertung und Wiederverwendung deutlich verringern“
12.8 „sicherstellen, dass die Menschen überall über einschlägige Informationen und das Bewusstsein für nachhaltige Entwicklung“verfügen
Das SDG 12 betrifft insbesondere vier Aspekte der Standardberufsbildposition (vgl. Bundesanzeiger 2020):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
d) Abfälle vermeiden sowie Stoffe und Materialien einer umweltschonenden Wiederverwertung oder Entsorgung zuführen
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Eine besonders ressourcenschonende, umweltverträgliche und nachhaltige Bewirtschaftungsform, die darüber hinaus zum Erhalt der biologischen Vielfalt und zum Klimaschutz beiträgt, ist der ökologische Landbau. Der Öko-Landbau liefert somit in vielen Bereichen wichtige Ansätze und Strategien, um zu den Zielen des SDG 12 “Nachhaltige/r Konsum und Produktion” beizutragen.
Ein weiteres Thema, das im Zuge der Diskussion um eine effiziente und nachhaltige Nahrungsmittelproduktion relevant ist, ist die Digitalisierung in der Landwirtschaft. Großer Nutzen digitaler Technologien und Anwendungen in der Landwirtschaft wird durch eine Steigerung der Produktivität und der Effizienz des Rohstoffeinsatzes sowie durch Kraftstoffeinsparungen erwartet. Des Weiteren bestehen Potenziale zur Arbeitserleichterung und Einsparung von Arbeitszeit. In vielen Veröffentlichungen werden Potenziale für eine Steigerung der Erträge, für Energieeinsparungen sowie für eine Reduzierung von Düngemitteln und Pestiziden thematisiert (siehe unten, Kapitel “Digitalisierung in der Landwirtschaft”).
Weitere Themen, die für das Berufsbild Landwirt/ Landwirtin im Kontext des SDG 12 relevant sind, sind Vermeidung von Nahrungsmittelverlusten und saisonal-regionale Lebensmittel.
Ökologische Landwirtschaft
Die ökologische Landwirtschaft orientiert sich an den Prinzipien der Nachhaltigkeit und gilt als besonders ressourcenschonende und umweltfreundliche Form der Landbewirtschaftung. Sie folgt dem Prinzip eines weitgehend in sich geschlossenen Betriebskreislaufs. Dementsprechend wird die Bodennutzung und die Tierhaltung den vorhandenen Bedingungen vor Ort angepasst. Oft werden beide Produktionszweige (Tierhaltung und Pflanzenbau) innerhalb eines Betriebes miteinander verbunden. Das Handeln orientiert sich an der nachhaltigen Sicherung und Erhaltung der natürlichen Grundlagen wie Artenvielfalt, Böden, Klima und Gewässer (BÖLW o. J.). Die Regeln für den Öko-Landbau sind in der EU-Verordnung für den ökologischen Landbau festgelegt. Mit Inkrafttreten der neuen Verordnung EU 2018/848 am 1. Januar 2022 wurden die Durchführungsregeln für ökologisch wirtschaftende Betriebe neu aufgestellt. Die bisherigen Grundsätze bleiben auch in der neuen Verordnung bestehen, werden aber um einige Punkte ergänzt, z. B. um Regeln für ökologisch gezüchtete Sorten und Saatgut sowie ein Vorsorgekonzept zur Vermeidung der Verunreinigung von Bio-Waren mit nicht zugelassenen Stoffen (Ökolandbau 2022).
Wichtige Grundsätze des Öko-Landbaus sind:
- der Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel,
- der Verzicht auf Mineraldünger,
- eine schonende Bodenbearbeitung,
- kein Einsatz von Gentechnik,
- mehr Platz für die Tiere als bei konventioneller Tierhaltung, eine vielfältig gestaltete Umgebung mit Tageslicht und frischer Luft sowie
- keine präventive Verabreichung von Antibiotika in der Tierhaltung.
Mit ihrer nachhaltigen Wirtschaftsweise trägt die ökologische Landwirtschaft zu verschiedenen SDGs bei, insbesondere: Sauberes Wasser (SDG 6, Wasserschutz), Leben an Land (SDG 15, Schutz der Böden und Biodiversität), Maßnahmen zum Klimaschutz (SDG 13, auch Klimaanpassung) und Nachhaltige/r Konsum und Produktion (SDG 12). Die positiven Effekte der ökologischen Landwirtschaft in diesen Bereichen wurden in einer Studie des Thünen-Instituts (ebd. 2019) untersucht.
Wasserschutz: Die Studie des Thünen-Instituts zeigt, dass die ökologische Landwirtschaft ein hohes Potenzial zum Schutz von Grund- und Oberflächengewässern aufweist (Thünen 2019). Die positiven Effekte entstehen vor allem dadurch, dass es bei ökologischer Bewirtschaftung zu einer geringeren Stickstoffauswaschung der Böden kommt und somit weniger Nährstoffe in die Gewässer gelangen. Bei einem Vergleich zwischen ökologisch und konventionell bewirtschafteten Flächen zeigt sich, dass bei ökologischen Betrieben die Stickstoffausträge im Mittel um 28 Prozent niedriger sind als bei konventionellen (ebd.: iii). Da der Öko-Landbau komplett auf den Einsatz von chemisch- synthetischen Pestiziden verzichtet, sind auch die aus Pestiziden entstehenden Gewässerbelastungen deutlich geringer als beim konventionellen Anbau (de Schaetzen o. J.).
Bodenfruchtbarkeit: Auch in Bezug auf die Bodenfruchtbarkeit lassen sich messbare Vorteile des ökologischen Landbaus feststellen. Positive Effekte zeigen sich insbesondere in Bezug auf eine geringere Bodenverdichtung, geringere Versauerung und ein höheres Vorkommen von Bodenlebewesen. Beispielsweise sind die Biomassen von Regenwurmpopulationen bei ökologischen Flächen im Durchschnitt um 94 Prozent höher als bei konventionellen (Thünen 2019: iv).
Biodiversität: Der ökologische Landbau weist deutliche Potenziale für den Erhalt und die Förderung der Biodiversität auf (siehe auch SDG 15 Leben an Land). Er wirkt positiv auf die Lebensräume von Pflanzen und Tieren. Diese vorteilhaften Effekte sind auf den Verzicht von Pestiziden, vielfältige Fruchtfolgen, reduzierte Stickstoff-Düngung und die Erhaltung und Pflege naturnaher Flächen zurückzuführen (LfL o. J.).
Klimaschutz: Für den Klimaschutz ist es entscheidend, wie landwirtschaftliche Böden genutzt und bewirtschaftet werden (siehe auch SDG 13 Klimaschutz). In diesem Bereich sind vorteilhafte Effekte der ökologischen Landwirtschaft festzustellen. Bei ökologischer Bewirtschaftung weisen die Böden einen höheren Gehalt an Bodenkohlenstoff und eine höhere Kohlenstoffspeicherungsrate auf als vergleichbare konventionelle Flächen (Thünen 2019).
Klimaanpassung: Der Beitrag der ökologischen Landwirtschaft zur Klimaanpassung zeigt sich u. a. in den Bereichen Erosionsvermeidung und Hochwasserschutz. Durch den erhöhten Humusgehalt und die erhöhte Aggregatstabilität der ökologisch bewirtschafteten Böden, kommt es hier zu einem geringeren Oberflächenabfluss und weniger Bodenabtrag (Kainz et al. 2009).
Die ökologische Landwirtschaft weist vielfältige Potenziale für eine nachhaltige Transformation der Landwirtschaft auf. Vor diesem Hintergrund wird diese Form der Bewirtschaftung von der deutschen Politik besonders gefördert. Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie gibt für das Jahr 2030 das Ziel vor, den Anteil der ökologischen Landwirtschaft auf mindestens 20 Prozent zu erhöhen. Im Koalitionsvertrag 2021 hat sich die Bundesregierung das Ziel gesetzt, den Anteil des Ökolandbaus an der gesamten landwirtschaftlich bewirtschafteten Fläche auf mindestens 30 Prozent zu erhöhen (UBA 2022e). Derzeit liegt der Anteil in Deutschland bei ca. 10 Prozent.
Solidarische Landwirtschaft
Auch neue Formen der Kooperation zwischen Produzenten und Konsumenten leisten einen Beitrag zu nachhaltigen Konsum- und Produktionsmustern und damit zu SDG 12. Ein Beispiel hierfür ist die Solidarische Landwirtschaft. Beim Konzept der Solidarischen Landwirtschaft (SoLaWi) werden die Lebensmittel nicht mehr über öffentliche Vermarktung vertrieben, sondern fließen in einen eigenen überschaubaren Wirtschaftskreislauf, der von den Konsumentinnen und Konsumenten mit organisiert und finanziert wird (vgl. Netzwerk Solidarische Landwirtschaft 2022).
Landwirtschaftliche Betriebe sind in der Regel abhängig von Subventionen und Marktpreisen. Die Betriebe haben keinen Einfluss auf diese Faktoren. Landwirte sind häufig gezwungen, über ihre Belastungsgrenzen hinauszugehen oder durch intensive Bewirtschaftungspraktiken auf Kosten von Natur und Umwelt zu produzieren. Die Solidarische Landwirtschaft versteht sich als innovativen Ansatz, um einen Ausweg aus dem starken Preisdruck zu ermöglichen, die Existenz der in der Landwirtschaft tätigen Personen nachhaltig zu sichern und zu einer nachhaltigen Bewirtschaftung beizutragen. Dazu schließen sich Konsumenten als Abnehmergruppe mit einem landwirtschaftlichen Betrieb zusammen. Die Gruppe der Konsumenten übernimmt die im voraus ermittelten geschätzten Jahreskosten der Erzeugung – in der Regel in Form eines monatlichen Beitrags. Im Gegenzug erhalten die teilnehmenden Konsumenten die gesamte Ernte. Durch dieses Modell ergeben sich eine Reihe von Vorteilen für den Landwirt (ebd.):
- Größere Planungssicherheit und die Möglichkeit der Unterstützung durch eine Gemeinschaft,
- Das Risiko, das die landwirtschaftliche Produktion mit sich bringt (z. B. schlechte Ernte aufgrund von Witterungsbedingungen) wird mit Abnehmern geteilt,
- Sie erhalten ein gesichertes Einkommen und somit die Möglichkeit, sich einer nachhaltigen Form der Landwirtschaft zu widmen,
- Sie erhalten einen größeren Gestaltungsspielraum für ihre Arbeit: z. B. die Anwendung von einer guten landwirtschaftlichen Praxis, die unter marktwirtschaftlichen Sachzwängen nicht immer möglich ist; experimentelle Anbauformen, Förderung der Bodenfruchtbarkeit, Tiergerechte Haltung, Anbau samenfester Sorten,
- Sie wissen, für wen sie die Lebensmittel anbauen.
Besonders für kleine Betriebe scheint diese Wirtschaftsform eine Zukunftsperspektive. Die Konsumenten leben häufig in der nahegelegenen Stadt und beteiligen sich an der Organisation der Verteilung der Ernte sowie auch je nach Möglichkeiten an unterstützenden Außenarbeiten, z. B. im Sommer bei der Entfernung des Beikrauts. So werden sie zu “Prosumenten”, die einen aktiven Beitrag zur Erzeugung ihres eigenen Konsumguts leisten. In Deutschland gab es 2020 bereits ca. 300 SoLaWis (Bioland 2020). In Frankreich ca. 4.000, in den USA 12.000, und in Südkorea werden ca. 1,6 Mio Menschen über das dort heimische “Hansalim”-Projekt – auf deutsch “Alles Lebendige bewahren” – versorgt (ebd. und One-World-Award 2014)
Digitalisierung in der Landwirtschaft
Der Einsatz digitaler Technologien in der Landwirtschaft findet immer weitere Verbreitung – sowohl im Stall als auch auf dem Feld. Beispiele sind der Einsatz von Sensoren für mehr Tierwohl in der Milchwirtschaft, autonome Fütterungssysteme, die Nutzung von Drohnen für den teilflächenspezifischen Pflanzenschutz oder der Einsatz von Feldrobotern zur Unkrautbekämpfung.
Typisch für die Digitalisierung der Landwirtschaft generell sind folgende zwei Eigenschaften: Zum einen kann die landwirtschaftliche Produktion aufgrund der verfügbaren Daten mit einer sehr hohen Präzision erfolgen (teilflächenspezifische Bewirtschaftung/Precision Farming). Zum anderen werden die landwirtschaftlichen Entscheidungen, die zuvor weitgehend von den Landwirten aufgrund ihres Wissens und ihrer Erfahrungen gefällt wurden, zunehmend von einem vernetzten System übernommen, welches selbstständig Entscheidungsparameter aus mathematischen Modellen zusammenstellt und verarbeitet (Smart Farming) (Behrendt et al. 2022).
In der Politik wird Digitalisierung als Lösungsansatz angesehen, um den vielfältigen Herausforderungen an die Landwirtschaft (Wettbewerb und Preisdruck auf internationalen Märkten, Arbeitskräftemangel, natürliche Optimierungsgrenzen) erfolgreich zu begegnen. Darüber hinaus werden in der Digitalisierung vielfältige Potenziale für den Umwelt-, Ressourcen- und Klimaschutz gesehen, die den ökologischen Fußabdruck der Landwirtschaft erheblich reduzieren könnten (Kehl et al. 2021). Chancen ergeben sich vor allem in folgenden Bereichen:
Reduzierter Energieverbrauch: Potenziale zur Reduzierung des Energieverbrauchs ergeben sich u. a. durch teilflächenspezifische Bewirtschaftungsmaßnahmen. Dabei werden Maßnahmen wie Bodenbearbeitung, Pflanzenschutz und Düngung gezielt dort vorgenommen, wo es notwendig ist, und nicht großräumig auf dem gesamten Feld. Ein solches Vorgehen ermöglicht Kraftstoffeinsparungen und dadurch verringerte Treibhausgasemissionen (Kehl et al. 2021, S. 11). Des Weiteren sind Energieeinsparungen durch den Einsatz von automatischen Lenksystemen möglich. Derartige Lenksysteme nutzen Satellitensignale zur automatischen Übernahme der Traktorsteuerung, wodurch Mehrfachüberfahrten vermieden werden. Dies reduziert den Kraftstoffverbrauch (sowie Arbeitszeit und Ressourceneinsatz) bei der Feldbewirtschaftung.
Reduzierter Düngemitteleinsatz: Nitrat-Düngemittel zersetzen sich teilweise bakteriell zu N2O, einem Gas mit einer sehr hohen Klimawirksamkeit. Die Menge an eingesetzten Düngemitteln kann durch verschiedene digitale Technologien und Anwendungen verringert werden. Bei Düngestreuern und Gülleverteilern sind Geräte mit einer automatischen Teilbreitenschaltung bereits weit verbreitet. Mit dieser Technologie kann eine dynamische Anpassung von Streubreite und Ausbringmenge vorgenommen werden (z. B. bei schmalen Feldstreifen). Einsparpotenziale lassen sich insbesondere dann realisieren, wenn Düngemaßnahmen teilflächenspezifisch erfolgen, anstatt Düngemittel großflächig auf dem Feld auszubringen. Hierzu werden Applikationskarten erstellt, auf denen festgehalten wird, welche Nährstoffbedarfe in welchen Bereichen eines Feldes vorhanden sind. Die Informationen hierfür werden mittels Bild- und Sensordaten erhoben. Studien gehen davon aus, dass die teilflächenspezifische Düngung einen signifikanten Beitrag zur Minderung des landwirtschaftlichen Zielkonflikts zwischen steigenden Anforderungen an ökonomische Effizienz einerseits und ökologische Nachhaltigkeit andererseits leisten kann (Speckle et al. 2020).
Reduzierter Pestizideinsatz: Potenziale bestehen auch hier zum Einen bei Geräten mit einer automatischen Teilbreitenschaltung (Möglichkeit der Deaktivierung einzelner Spritzdüsen Segmente), um eine möglichst präzise und sparsame Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln auf dem Feld zu ermöglichen (Motsch et al. 2021). Zum Anderen werden digitale Technologien eingesetzt, um eine teilflächenspezifische Anwendung von Pestiziden zu ermöglichen. So werden beispielsweise Drohnen eingesetzt, um Unkrautnester im Feld zu identifizieren, die dann gezielt bekämpft werden können. Große Chancen werden auch der autonomen Feldrobotik zugerechnet. Dabei fahren Feldroboter autonom über die Fläche. Mithilfe von Sensoren nehmen sie Informationen über den Pflanzenbestand auf, verarbeiten die gesammelten Daten in Echtzeit und können so Nutzpflanzen von Unkräutern unterscheiden. Die auf diese Weise lokalisierten Unkräuter werden daraufhin vom Roboter mechanisch beseitigt. Laut Kehl et al. (2021) haben wissenschaftliche Untersuchungen durchschnittliche Herbizideinsparungen von rund 40 Prozent ermittelt, wenn digitale Technologien verwendet werden.
Verringerung von Treibhausgasemissionen: Mittels digitaler Lösungen können Treibhausgase verringert werden. Hervorzuheben sind die automatisierte Fütterung, die durch eine Futteroptimierung zur Methanreduzierung beitragen kann, die teilflächenspezifische Bodenbearbeitung und teilflächenspezifische Stickstoffdüngung, die die Bildung von Distickstoffoxid verringern können, sowie automatisierte Lenksysteme, die Kraftstoffeinsparungen und damit die Reduzierung von Kohlendioxidemissionen ermöglichen.
In den letzten Jahren sind eine Vielzahl von Projekten zum Thema Digitalisierung entstanden. Insbesondere wurden vom BMEL 14 digitale Experimentierfelder in der Landwirtschaft eingerichtet. Ziel ist es, digitale Technologien für eine nachhaltige Produktion im Agrarbereich zu fördern. Zu diesem Zweck sollen in landwirtschaftlichen Betrieben unterschiedliche technische Lösungen und Produkte im Zusammenspiel erprobt und bewertet werden (BMEL 2020).
Mit der Weiterentwicklung und der weiteren Verbreitung digitaler Technologien in der Landwirtschaft sind vielfältige positive Umweltwirkungen zu erwarten. Eine Studie von Behrendt et al. (2022) kommt zu dem Schluss, dass Digitalisierung allein jedoch nicht ausreichend ist, um zentrale Umweltprobleme zu lösen. Für eine nachhaltige Transformation der Landwirtschaft sei es notwendig, die Digitalisierung in einen auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Agrarstrukturwandel einzubetten (Behrendt et al. 2022: 31), bei dem Emissionen aus der Rinderhaltung minimiert und Agrarabfälle minimiert werden (vgl. Scharp 2019).
Vermeidung von Nahrungsmittelverlusten
Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) schätzt, dass weltweit jährlich etwa 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel verloren gehen – dies entspricht einem Drittel der gesamten landwirtschaftlichen Produktion (LANUV 2022). Betrachtet man die gesamte Kette – von der landwirtschaftlichen Produktion über den Handel bis zum Verbraucher – gehen in Europa gemäß Schätzungen der FAO etwa 280 kg Lebensmittel pro Kopf und Jahr verloren (ebd.). Diese Lebensmittelverluste bedeuten, dass die für die Produktion notwendigen Ressourcen (Saatgut, Düngemittel, Pflanzenschutzmittel), die notwendige Arbeitszeit sowie Energie umsonst eingesetzt wurden, ohne einen Nutzen zu erzielen. Somit wurden auch alle mit der Produktion verursachten Treibhausgase unnötigerweise emittiert. Im Rahmen des SDG 12 hat sich Deutschland verpflichtet, die Nahrungsmittelverluste – einschließlich der Nachernteverluste – entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu verringern.
Zwar liegt der Hauptanteil aller Lebensmittelabfälle in Deutschland im Bereich der privaten Haushalte, dennoch entfällt ein beachtlicher Anteil von 30 Prozent auf den Bereich innerhalb der Wertschöpfungskette von der landwirtschaftlichen Erzeugung bis zum Einzelhandel (Thünen-Institut o. J.). In einer Studie wurde beispielhaft anhand von Obst, Gemüse und Kartoffeln untersucht, wie hoch die Lebensmittelverluste von der Ernte bis zur Lieferung an den Einzelhandel ausfallen, was die Gründe für die Verluste sind und welche Strategien zur Reduzierung von Verlusten zielführend sind (LANUV 2016). Die Studie zeigt, dass bei den meisten Freilandprodukten im Durchschnitt Lebensmittelverluste von 20 Prozent zwischen der Ernte und der Auslieferung an den Einzelhandel zu verzeichnen sind. Dabei gibt es große Unterschiede je nach betrachteten Produkt (z. B. 5% bei Äpfeln, 30% bei einigen Gemüsesorten, ebd.).
Gründe für Lebensmittelverluste gibt es auf verschiedenen Ebenen. Eine Ursache besteht in den hohen Anforderungen von Handel und Verbrauchern an Aussehen, Form und Einheitlichkeit. So wird beispielsweise bei Äpfeln vom Handel eine makellose Schale sowie eine bestimmte Größe verlangt, Erdbeeren mit Druckstellen werden vom Handel nicht akzeptiert. Wenn Obst und Gemüse den Handelsvorgaben nicht entspricht, wird es in der Regel den Erzeugerbetrieben nicht abgenommen. Teilweise wird es dann einer anderweitigen Verarbeitung zugeführt (z. B. Herstellung von Saft oder Joghurt) oder verfüttert. Ein erheblicher Teil wird jedoch auch untergepflügt oder anderweitig entsorgt (UBA 2022b).
Eine weitere wichtige Ursache für Lebensmittelverluste sind – v. a. bei Produkten, die schlecht gelagert werden können – Erntespitzen, für die es keine Nachfrage gibt. Beispiel Erdbeeren: Erdbeeren werden kontinuierlich reif. Bei gutem Wetter ergibt sich durch schnelle Reifung ein hohes Angebot. Wenn dann die Nachfrage sinkt (z. B. aufgrund von Ferienzeiten) ergibt sich ein Überangebot (Thünen-Institut 2019 b). Hinzu kommen weitere Verluste, die direkt bei den landwirtschaftlichen Betrieben entstehen. Zu nennen sind hier v. a. Witterung und Extremwetterereignisse wie Hitze, Frost oder Hagel. Diese können Feldfrüchte, Obst und Gemüse beschädigen, so dass sie nicht mehr vom Handel abgenommen werden. Des Weiteren entstehen Verluste bei der Lagerung, z. B. durch Schädlingsbefall, Krankheiten oder biologische Prozesse (z. B. Verderb, Fäulnis). Auch Beschädigungen bei Ernte und Transport spielen hier eine Rolle.
Landwirte können durch verschiedene Maßnahmen Lebensmittelverluste, die in ihrem Tätigkeitsbereich entstehen, reduzieren (Thünen-Institut 2019b, BMEL 2013):
- Technische Lösungen zur Vorbeugung von Witterungsschäden: Frostschutz, Sommerberegnung und Hagelschutznetze können eingesetzt werden, um Schäden am Erntegut zu vermeiden. Die Vermarktungsfähigkeit der Produkte wird somit verbessert.
- Geschützter Anbau von Obst und Gemüse: Mit dem geschützten Anbau (z. B. Folientunnel, Hydroponik) kann der Anbau besser gesteuert werden, insbesondere Ernte- und Absatzzeitpunkte. So können Erntespitzen besser vermieden werden.
- Kühlung der Ernteprodukte: Bei Obst und Gemüse kann durch eine frühzeitige Kühlung auf Ebene der Erzeuger eine Verbesserung von Qualität und Frische erzielt werden.
- Verbesserung der Lagersysteme und schonende Ernte- und Aufbereitungsverfahren: Verluste bei landwirtschaftlichen Produkten können durch eine Optimierung der Lagerbedingungen (Temperatur, Luftfeuchtigkeit) reduziert werden. Auch schonende Ernte- und Aufbereitungsverfahren können hier einen Beitrag leisten.
Ein zentraler Ansatzpunkt richtet sich an Politik, Handel und Verbraucher. Ein großer Beitrag zur Vermeidung von Lebensmittelverlusten in der frühen Wertschöpfungskette könnte erzielt werden, wenn die hohen Anforderungen von Handel und Verbraucher an Aussehen, Größe und Form von Lebensmitteln deutlich gesenkt würden.
Saisonal-regionale Lebensmittel
Der wichtigste Verbrauchertrend in 2022 ist die “Klimafreundliche und nachhaltige Ernährung” (nutrition hub 2022). Dies verbinden die Befragten auch mit der “Regionalität”. Aber auch die Verbindung mit der Saisonalität in Form von saisonal-regionaler Ernährung ist ein starker neuer Trend, der von vielen Stakeholdern gefördert wird (vgl. LUBW o. J.). Argumente hierfür können sein, dass frische Lebensmittel geschmacksintensiver sind, Energie eingespart wird, da auf eine Kühllagerung und weite Transporte verzichtet werden sowie die lokale-regionale Landwirtschaft gefördert wird. Dem stehen aber auch Nachteile gegenüber: Jedes Gemüse hat seine Saison und für die Versorgung von Großstädten wie Berlin, Hamburg oder München können Landwirte aus der Region kein ausreichendes Angebot produzieren.
Zudem führt ein Umstieg auf saisonal-regionale Lebensmittel aus Sicht des Klimaschutzes nicht bei jedem Produkt zu deutlich weniger THG-Emissionen (IFEU 2020):
- Ein regionaler Apfel hat im Herbst zur Erntezeit einen THG-Wert von ca. 0,3 kg CO2-Äq/kg.
- Bei Kühllagerung hat er im April einen THG-Wert von 0,4 kg CO2-Äq/kg.
- Ein Bio-Apfel hat einen THG-Wert von ca. 0,2 kg CO2-Äq/kg.
- Ein per Schiff importierter Apfel aus Neuseeland hat gleichfalls einen THG-Wert von 0,8 kg CO2-Äq/kg.
Die Schwäche der Saisonalität wird heute in Europa teilweise durch beheizte Gewächshäuser “ausgeglichen”. Eine Produktion im Gewächshaus belastet das Klima aber deutlich (ifeu 2020).
- Saisonale Tomaten in Deutschland haben sehr geringe THG-Emissionen von 0,3 kg/kg.
- Der Transport von Tomaten aus Südeuropa erhöht den THG-Wert nur mäßig auf 0,4 kg/kg.
- Bio-Tomaten (frisch) hingegen haben aufgrund der geringen Erträge und des höheren Wasserbedarfs einen THG-Wert von 1,2 kg CO2-Äq/kg.
- Wintertomaten aus dem beheizten Treibhaus haben einen sehr hohen Wert von 2,9 CO2-Äq/kg, weshalb eine Tomate mit Lkw-Ferntransport aus südlichen Ländern immer noch klimaschonender ist.
Die Nachhaltigkeit dieses Ansatzes hängt somit stark davon ab, um welche Produkte es sich handelt und unter welchen Bedingungen sie angebaut oder produziert werden. Eindeutige Vorteile ergeben sich, wenn die Produkte nicht in einem beheizten Gewächshaus produziert werden und frisch (d. h. ohne längere Lagerung) regional bezogen werden.
Dies zeigt u. a. eine Studie der Universität Rostock, die sich mit den Umwelteffekten von regional vermarkteten Lebensmitteln beschäftigt hat (Kögl/ Tietze 2010). Die Studie hat für einige beispielhafte Produkte ökobilanzielle Abschätzungen durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass beispielsweise bei Vollmilch der regionale Vertrieb im Vergleich zum überregionalen Vertrieb die geringeren Umweltwirkungen aufweist, da die Transportaufwendungen niedrig gehalten werden können. Von allen Alternativen der Milchproduktion und des Vertriebs verursacht Vorzugsmilch per Lieferservice aus regionaler Produktion den geringsten Energieverbrauch und die niedrigsten Klimagasemissionen. Im Vergleich zur überregionalen Produktion von verarbeiteter Vollmilch werden für eine regionale Produktion von Vorzugsmilch nur ca. 40 Prozent an fossilen Energieträgern benötigt (ebd.). Die Studie zeigt aber auch, dass die Ökobilanz von Lebensmitteln nicht nur von den Transportwegen abhängig ist, sondern auch ganz entscheidend vom Produktionsverfahren sowie vom Einkaufsverhalten der Konsument*innen.
Schmidt hat berechnet, dass ein Mensch zur 100 prozentigen Selbstversorgung mit Obst und Gemüse rund 160 m2 braucht (Schmidt/Energievoll 2020/Badenova). Nimmt dieser Mensch noch ca. 1.000 Kalorien durch Brot oder andere Getreidespeisen pro Tag zu sich, so wären weitere 138 m2 nötig (eigene Berechnung: 1 m2 Ackerfläche für 1 kg Weizen bzw. Brot, 265 kcal pro 100 g Brot). Öle wie Rapsöl sind sehr flächenintensiv zu gewinnen (vgl. FiBL 2018) mit 0,77 t Bio-Rapsöl pro Hektar. Nimmt man an, dass zusätzlich zu obigen Obst und Gemüse sowie Brot noch täglich 50 g Rapsöl zum Kochen und Backen verwendet werden, so ergibt dies weitere 237 qm bzw. ca. 450 kcal pro Tag – die Kalorienzahl wäre also mehr als ausreichend für aktive Menschen. Die Flächen summieren sich so auf grob geschätzt 600 m2 für eine spartanische vegane Selbstversorgung. Eine genauere Untersuchung aus der Neuen Zürcher Zeitung ergab einen Flächenbedarf von insgesamt 732 m2, wobei hier Hülsenfrüchte eine große Bedeutung bekommen, um auch eine ausreichende Ernährung mit Eiweißen sicherzustellen (NZZ 2017). Eine Großstadt wie Berlin mit 3,7 Mio. Einwohnern würde somit eine Fläche von 271.000 ha bzw. 2.710 km2 benötigen. Brandenburg hat eine Fläche von rund 2.950.000 ha, die landwirtschaftliche Fläche beträgt 1.300.000 ha (statistik Berlin Brandenburg 2022). Berlin würde somit 20 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche Brandenburgs benötigen für eine regionale Ernährung, da Berlin über nur sehr wenige Ackerbauflächen verfügt. Aber nur knapp 3 Prozent der Ackerbaufläche wird in Brandenburg für Gemüse und Hackfrüchte verwendet (39.000 ha, LfU 2021). Hingegen liegt die Fläche für den Maisanbau – der gemäß LfU zum großen Teil als Futtermittel angebaut wird – bei fast 240.000 ha. Würde Berlin sich regional ernähren wollen, müsste die gesamte Fläche, die derzeit für Mais (als Futtermittel) verwendet wird, für Gemüse, Hülsenfrüchte, Hackfrüchte und Obst verwendet werden. Fleischesser benötigen mit 2.353 m2 pro Person übrigens mehr als das dreifache der Fläche von Veganern. Eine regionale Ernährung mit Fleisch würde dazu führen, dass fast die gesamte landwirtschaftliche Fläche von Brandenburg für Berlin notwendig wäre. Dies zeigt, dass die Globalisierung – in der andere Länder für uns Nahrungsmittel anbauen – nicht zu vermeiden ist.
Es kann jedoch ein weiterer Grund für die saisonal-regionale Ernährung insbesondere im Bereich Bildung und Entwicklung angeführt werden. Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen kann ein Bezug zu den konsumierten Lebensmitteln hergestellt werden, um zu zeigen, wie Ackerbau und Ernährung zusammenhängen. Auch der grundsätzliche Vorteil regionaler Wirtschafts- und Wertschöpfungsketten spricht für regionale Produkte. Kleinräumige Strukturen und Produzenten vor Ort werden unterstützt.
Quellenverzeichnis
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Kögl, H.; Tietze, J. (Hrsg.) (2010): Regionale Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung von Lebensmitteln. Rostock.
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Thünen-Institut (Hrsg.) (2019b): Wege zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen – Pathways to reduce food waste (REFOWAS). Online: www.thuenen.de/media/publikationen/thuenen-report/Thuenen-Report_73_Vol1.pdf
Thünen-Institut (o. J.): Lebensmittelverluste an der Schnittstelle von Primärproduktion und Handel –Ursachen und Handlungsoptionen. Online: www.thuenen.de/de/fachinstitute/marktanalyse/projekte/lebensmittelverluste-an-der-schnittstelle-von-primaerproduktion-und-handel-ursachen-und-handlungsoptionen
UBA Umweltbundesamt (2022e): Ökologischer Landbau. Online: https://www.umweltbundesamt.de/daten/land-forstwirtschaft/oekologischer-landbau#okolandbau-in-deutschland
UBA Umweltbundesamt (2022b): Optisch perfektes Obst und Gemüse belastet Umwelt und Klima. Online: www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/optisch-perfektes-obst-gemuese-belastet-umwelt
SDG 13 Maßnahmen zu Klimaschutz
“Umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels
und seiner Auswirkungen ergreifen”
Relevante Unterziele, die die Landwirtschaft betreffen, sind:
13.1 Die Widerstandskraft und die Anpassungsfähigkeit gegenüber klimabedingten Gefahren und Naturkatastrophen in allen Ländern stärken
13.2 Klimaschutzmaßnahmen in die nationalen Politiken, Strategien und Planungen einbeziehen
13.3 Die Aufklärung und Sensibilisierung sowie die personellen und institutionellen Kapazitäten im Bereich der Abschwächung des Klimawandels, der Klimaanpassung, der Reduzierung der Klimaauswirkungen sowie der Frühwarnung verbessern
Die Schnittmengen mit der Standardberufsbildposition liegen vor allem in der Reduzierung der direkten und indirekten Emissionen (Belastung der Umwelt) sowie der nachhaltigen Nutzung von Energie (vgl. Bundesanzeiger 2020):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
Der Klimawandel wird durch die Emission von Treibhausgasen verursacht. Zahlreiche Gase sind verantwortlich für den Klimawandel. Ihnen gemeinsam ist ihre Undurchlässigkeit für die (Infrarot-)Wärmestrahlung der Erde. Dies führt bekanntermaßen zum Klimawandel. Jedes dieser Gase trägt in unterschiedlichem Maße zum Klimawandel bei. Die Stoffe bleiben zudem unterschiedlich lange in der Atmosphäre, weshalb sie unterschiedlich zum Treibhauseffekt beitragen. Das IPCC (International Panel for Climate Change) definiert deshalb ein GWP Global Warming Potential (Erwärmungswirkung für den Klimawandel) eines Stoffes in hundert Jahren im Vergleich zu Kohlendioxid CO2 wie folgt (vgl. My Climate (o. J.):
- Kohlendioxid CO2: 1 (Bezugswert)
- Methan CH4: 28
- Stickstoffdioxid N2O: 265
- FCKW (verboten) > 12.000
Die Landwirtschaft ist neben dem Energiebereich und der Industrie ebenfalls ein wichtiger Verursacher von Treibhausgasen in Deutschland. In der Landwirtschaft werden neben Kohlendioxid auch Methan und Lachgas freigesetzt, die aufgrund ihrer hohen klimaschädigenden Wirkung besonders problematisch sind. Klimagase entstehen sowohl in der Viehzucht als auch beim Ackerbau. Das Umweltbundesamt hat berechnet, dass die Emissionen aus der Landwirtschaft einen Anteil von etwa 8,2 Prozent an den gesamten Treibhausgasemissionen in Deutschland ausmachen (UBA 2021b). Wiederkäuende Rinder, Mist- und Güllelagerung sowie gedüngte Felder sind wesentliche Quellen für die Freisetzung von Methan, Lachgas und Ammoniak. Weiterhin fallen in der Landwirtschaft Lebensmittelabfälle an, der größte Teil der Energieaufwendungen zur Produktion dieser Lebensmittel geht dabei verloren (es sei denn, die Abfälle können als Viehfutter genutzt werden).
Darüber hinaus trägt auch die Änderung bei der Landnutzung zur Emission klimaschädigender Gase bei. In der Biosphäre stellen Böden und deren Vegetation ein komplexes Speichersystem von Kohlenstoff und dessen Verbindungen dar. Durch intensive landwirtschaftliche Nutzung (z. B. Trockenlegung von Mooren oder Viehzucht bzw. Sojaanbau auf Urwaldflächen) wird ebenfalls Kohlendioxid freigesetzt.
Wiedervernässung von Mooren und nasse Nutzung
In der Landwirtschaft werden zahlreiche entwässerte ehemalige Moorflächen für die Bewirtschaftung genutzt. In Deutschland machen diese Flächen etwa 8Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Fläche aus (BMEL 2022a). Aus Klimaschutzgründen stellt dies ein massives Problem dar, da trockengelegte Moore viel CO2 ausstoßen.
Kohlenstoffsenken spielen eine zentrale Rolle im Klimaschutz, da sie große Mengen CO2 speichern können. Moore speichern weltweit circa ein Drittel des gesamten organischen Kohlenstoffs, obwohl sie nur 3 Prozent der Landfläche der Erde bedecken. Das macht Moore, neben Wäldern und Permafrostböden, zu den wichtigsten Bereichen unter den Kohlenstoffsenken der Landbiosphäre (BMEL 2022b) und damit wertvoll für den Klimaschutz. Der Wert der Moore wird umso deutlicher, wenn man bedenkt, dass eine Torfschicht durchschnittlich nur einen Millimeter pro Jahr wächst und für eine Schicht von zehn Zentimetern 100 Jahre erforderlich sind (UBA & DEHst 2022). Die Moore als CO2-Senken zu erhalten und in der Zukunft zu stärken, ist daher ein wesentlicher Baustein des Klimaschutzes.
Entwässerte Moore setzen in Deutschland jährlich bis zu 53 Millionen Tonnen Kohlendioxid frei. Das entspricht rund 6,7 Prozent der deutschen Treibhausemissionen insgesamt (BMEL 2022a). Diese Menge liegt in einer ähnlichen Größenordnung wie der durch den innerdeutschen Flugverkehr im Jahr 2014 verursachte Kohlendioxidausstoß. Ursache für die Entstehung von Kohlendioxid sind Zersetzungsprozesse, die stattfinden, wenn dem Boden das Wasser entzogen wird und der Torf mit Sauerstoff in Berührung kommt (BUND 2022). Die Bewirtschaftung entwässerter Moore ist somit eine der Hauptquellen von CO2-Emissionen in der Landwirtschaft.
Eine wichtige und schnell wirksame Maßnahme zum Klimaschutz ist die Wiedervernässung der Moore. Auf diese Weise kann die Freisetzung von CO2 gestoppt werden. Des Weiteren fungieren intakte Moore als Kohlenstoffsenken. Die Wiedervernässung und nasse Nutzung von Mooren stellt nach Einschätzung der Studie “Klimaschutz im Agrar- und Ernährungssystem Deutschlands” eines der drei zentralen Handlungsfelder im Bereich des Agrar- und Ernährungssystems zum Erreichen der Klimaneutralität dar (Grethe et al. o. J.) Hierbei spielen zwei Ansätze eine Rolle: Zum einen die Renaturierung von Moorflächen als geschützter Lebensraum, zum Anderen eine schonende landwirtschaftliche Nutzung wiedervernässter Moorböden durch den Anbau spezieller Kulturen oder Beweidung. Diese erhaltene Bewirtschaftung nasser Flächen wird Paludikultur genannt (BUND 2022, MoorWissen 2022). Um nasse Bewirtschaftungsweisen zu erproben und zu entwickeln, werden eine Reihe von Pilotprojekten gefördert, u. a. das Projekt “Paludi-Vorhaben in Mecklenburg- Vorpommern” (ZUG o. J.). Auf nassen Niedermoorböden können beispielsweise Pflanzen wie Schilf, Seggen oder Rohrglanzgras kultiviert werden. Diese Pflanzen können als Energiepflanzen oder als Materialien für Baustoffe genutzt werden. Zum anderen die extensive Beweidung beispielsweise durch Wasserbüffel oder Moorschnucken (siehe www.moorwissen.de/wasserbueffel.html).
Klimagase aus der Tierhaltung
Die Gase, welche im Rahmen der Tierhaltung – insbesondere bei Rindern – entstehen, wirken sich negativ auf die klimatischen Veränderungen des Planeten aus und tragen zur Erderwärmung bei. Vor allem Methan, das während des Verdauungsvorgangs bei Wiederkäuern (Rinder, Schafe, Ziegen, Wild) entsteht und bei der Lagerung von Wirtschaftsdüngern entweicht, stellt ein erhebliches Problem für den Klimaschutz dar.
Berechnungen des Umweltbundesamtes (2022) kommen zu dem Schluss, dass die landwirtschaftliche Tierhaltung in Deutschland im Jahr 2021 zur Emission von insgesamt 36 Mio. t CO2-äquivalenten Treibhausgasen führte. Damit lassen sich zwei Drittel der THG-Emissionen der Landwirtschaft auf die Tierhaltung zurückführen. Anders ausgedrückt: 5 Prozent der THG-Emissionen in Deutschland (CO2-Äquivalente) sind der Tierhaltung direkt zuzuordnen (ebd.).
Zudem sind diese Emissionen fast vollständig auf den Bereich der Rinder- und Milchkuhhaltung zurückzuführen. Ebenso sind Methan-Emissionen zu beachten, die durch die Verwendung und Ausbringung von Wirtschaftsdüngern entstehen (diese machen 20 Prozent der gesamten Methan-Emissionen in der Landwirtschaft aus, UBA 2022). Somit wird deutlich, dass nur mit einem verringerten Tierbestand bzw. einer reduzierten Nachfrage nach Rindfleisch und hoch fetthaltigen Milchprodukten (Butter und Käse) die größten Potentiale für den Klimaschutz erschlossen werden können. Weitere Potenziale können durch die Veränderung von Verfahrens- und Produktionsweisen bei der Tierhaltung und bei der Lagerung, Nutzung und Ausbringung von Wirtschaftsdüngern erreicht werden.
In Hinblick auf die Methan-Emissionen von Wirtschaftsdüngern kann durch eine geschlossene Lagerung und Vergärung von Güllen eine Emissionsreduzierung erreicht werden. Gleichzeitig kann durch die Nutzung der entstehenden Gase in Biogasanlagen eine energetische Verwertung erfolgen. Da zum jetzigen Zeitpunkt nur 25 Prozent des Potenzials zur Wirtschaftsdüngervergärung genutzt wird (DUH 2019), besteht hier eine entscheidende Möglichkeit zur Emissionseinsparung.
Den größten Einfluss auf die Methan-Emissionen hätte eine Verringerung der Anzahl an Wiederkäuern in landwirtschaftlichen Betrieben (ebd.). Bereits seit längerem wird von zahlreichen wissenschaftlichen Experten*innen- und politischen Beratungsgremien eine Reduzierung des Konsums tierischer Produkte in Deutschland vorgeschlagen. In einem Gutachten für die Stiftung Klimaneutralität beziffern die Wissenschaftler das THG-Minderungspotenzial bei einem Rückgang des Konsums tierischer Produkte um 30 Prozent und entsprechender Reduzierung der Tierhaltung mit ca. 14 Mio. t CO2-Äquivalente (Grethe et al. o. J.). Dabei würden sich große Synergien mit weiteren Nachhaltigkeitszielen ergeben, insbesondere durch die geringere Flächeninanspruchnahme bei einer stärker pflanzenbasierten Ernährung. Gemäß dem Gutachten stellt die Reduktion des Konsums und der Produktion tierischer Produkte einen der drei zentralen Hebel zur Verminderung von THG-Emissionen durch die Landwirtschaft da (neben der Verbesserung der Stickstoffeffizienz und der Wiedervernässung der Moore, ebd.). Das KEEKS-Projekt hat gezeigt, dass eine Vermeidung von Rindfleisch (Substitution mit Geflügel) und hoch fetthaltigen Milchprodukten (Käse, Butter, Sahne, Substitution derselben durch pflanzliche Alternativen) eine Reduktion von rund 30 Prozent der Emissionen in Schulküchen erfolgen kann (Scharp 2019).
Da eine solche Strategie sowohl eine Umstellung von lang bestehenden Konsumgewohnheiten bedeuten würde, als auch einen Produktionszweig der Landwirtschaft betrifft, der einen hohen Anteil an der Wertschöpfung hat, handelt es sich um eine grundlegende Transformation, die der Rahmensetzung durch Politik und Gesellschaft bedarf. Ein Ansatz besteht darin, beim Catering von Veranstaltungen öffentlicher Institutionen auf pflanzenbasierte Menüs umzusteigen. Hier sind die Vorgaben des BMUV zu nennen, das Catering auf vom Ministerium geförderten Veranstaltungen nur vegan oder vegetarisch durchzuführen (BMU 2020). Die Bundesregierung empfiehlt dies immerhin (Bundesregierung 2021).
Eine Reihe von Maßnahmen, die bei der Tierhaltung und -produktion ergriffen werden können, bieten die Möglichkeit, den Ausstoß von klimawirksamen Gasen, wie Methan, zu verringern. In der von der Deutschen Umwelthilfe erstellten Methan-Minderungsstrategie wird festgestellt, dass vor allem Anpassungen bei Fütterung und Herdenmanagement einen positiven Nachhaltigkeitseffekt haben: „Je geringer der Anteil faserhaltigen Futters (Gras, Heu, Stroh), umso niedriger ist auch die Methanproduktion im Verdauungstrakt von Wiederkäuern“ (DUH 2019: 17). Interessant könnte auch die Zumischung von Meeresalgen sein (Bild der Wissenschaft 2021). Versuche der University of California haben gezeigt, dass eine Zumischung von Rotalgen die Methan-Emissionen um bis zu 80 Prozent reduzierte (Algenanteil 80g/kg Futter). Auch durch die Erhöhung des Fettanteils beim Futter können die Methan-Emissionen bei der Rinderhaltung reduziert werden. Hinsichtlich des Herdenmanagements wird auch Einsparpotenzial gesehen. So kann u. a. durch eine verlängerte Nutzungsdauer von einzelnen Milchkühen eine Reduktion von Klimagasen erreicht werden (DUH 2019).
Anpassungsfähigkeit an Klimaänderungen
Die Effekte, die mit den klimatischen Veränderungen des Planeten in Folge des Klimawandels einhergehen, sind äußerst komplex und vielschichtig und bedingen sich zum Teil gegenseitig. Es sind eine Reihe von Effekten festzustellen, die einen Einfluss auf die landwirtschaftliche Produktion haben (werden). In erster Linie muss festgestellt werden, dass die Veränderungen, die mit dem Klimawandel einhergehen, in verschiedenen Regionen – sowohl global als auch in Deutschland – sehr unterschiedliche Effekte hervorbringen können. Während Regionen, die zuvor zu kalt oder feucht für eine landwirtschaftliche Nutzung waren, von der klimatischen Erwärmung profitieren, wird in Bereichen, welche schon zuvor warm und trocken waren, eine landwirtschaftliche Bearbeitung immer schwieriger. Mit der Erwärmung des Planeten und den sich verändernden klimatischen Bedingungen steigt auch das Auftreten von Witterungsextremen wie Stürmen oder Dürren. Dies wirkt sich negativ auf die Ertragssicherheit aus und kann zu erheblichen, Ertragsausfällen führen (wie z. B. bei der “Jahrhundert-Flut” in Pakistan 2022). Problematisch könnte auch das Wassermanagement in der Landwirtschaft werden, da der Grundwasserspiegel und die verfügbaren Wassermengen durch langanhaltende Hitzeperioden im Sommer beeinflusst werden. Letztere werden auch durch den Klimawandel begünstigt. Es entstehen zudem Risiken für das Pflanzenwachstum, die Bodenzusammensetzung, Nährstoffhaushalte und für die Gesundheit der (Kultur-)Pflanzen (Deutscher Bundestag 2019).
Zwar gibt es auch positive Effekte, die mit Veränderungen durch den Klimawandel einhergehen (wie etwa die höhere CO2-Konzentration in der Luft, welche sich positiv auf das Pflanzenwachstum auswirken kann), jedoch sollten diese nicht überschätzt werden (Deutscher Bundestag 2019). Auch wenn eine exakte Quantifizierung der Klimawandel-Folgen für die Landwirtschaft kaum möglich ist, geht das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung davon aus, dass die Produktivität der deutschen Landwirtschaft zukünftig um mehr als 20 Prozent abnehmen könnte (ebd.).
Es werden eine Reihe von Maßnahmen diskutiert, die eine Anpassung an den fortschreitenden Klimawandel ermöglichen. An die zuvor erwähnten extremen Witterungsbedingungen können sich landwirtschaftliche Betriebe, beispielsweise durch den Anbau von hitze- und trockenheitsresistenten Kulturpflanzen, anpassen. Hier bieten sich Gewächse mit tiefliegenden Wurzeln oder kräftigen Stängeln an (UBA 2020). „Mehrjährige Fruchtfolgen, erhöhte Vielfalt von Pflanzen- und Tierarten und verstärkter Einsatz von Hecken, Bäumen und Sträuchern schaffen Resilienz und beugen Schäden durch Erosion oder Schädlinge vor“, konstatiert das Umweltbundesamt (2018). Derartige Maßnahmen bieten somit eine Möglichkeit, den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen.
Beispiel Agroforstsysteme
Einen interessanten Ansatz, um die Landwirtschaft resistenter gegenüber Klimaänderungen zu machen, stellen Agroforstsysteme dar. Bei Agroforstsystemen werden Bäume und andere Gehölze in landwirtschaftlich genutzte Flächen integriert. Meist erfolgt dies in parallelen Baumstreifen, damit die Flächen auch weiterhin mit Maschinen bearbeitet werden können. Indem sie Windgeschwindigkeiten und Temperaturextreme reduzieren, können Agroforstsysteme positiv auf das Mikroklima der Pflanzen wirken (Mirck 2017).
Insgesamt weisen Agroforstsysteme eine Reihe von ökologischen und ökonomischen Vorteilen auf (VRD Stiftung 2022):
- Förderung der Artenvielfalt durch Landschaftsstrukturen, ähnlich einem Park mit Wald- und Freilandarten (Ökosystemübergang),
- Klimaschutz durch Kohlenstoffbindung in Gehölzkörpern und durch Erhöhung der Humusbildung (Bindungspotential bzw. Substitutionspotential fossiler Brennstoffe),
- Anpassung an den Klimawandel durch Windbremse mit Feuchtigkeits- und Bodenschutz,
Wasserrückhaltung und Aufnahme von Nährstoffen durch tief wachsende Baumwurzeln, - Beitrag zur wirtschaftlichen Stabilität landwirtschaftlicher Betriebe durch Produktdiversifizierung (Wertholz, Energieholz, Früchte, Nüsse),
- Ertragssteigerung bis zu 120 Prozent der Monokultur (Mitteleuropa) und
ästhetische Aufwertung der Landschaft.
Bislang sind Agroforstsysteme in Deutschland noch wenig verbreitet. In den letzten Jahren hat das Thema jedoch erheblich an Bedeutung gewonnen – nicht zuletzt aufgrund der Diskussionen um Klimaveränderungen und durch die Sommerdürren der letzten drei Jahre. Hierzulande setzt sich der 2019 gegründete Fachverband für Agroforstwirtschaft für das Thema ein (DeFAF o. J.). Der Bundesrat hat im Mai 2021 beschlossen, dass die Agroforstwirtschaft künftig im Agrar Fördersystem fest verankert werden soll, was mit Inkrafttreten der neuen GAP-Förderperiode umgesetzt werden soll (BLE 2021).
Quellenverzeichnis
Bild der Wissenschaft (2021): Algen im Rinderfutter verringern Methanausstoß. Online: https://www.wissenschaft.de/erde-umwelt/algen-im-rinderfutter-verringern-methanausstoss/
BLE – Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (2021): Agroforstwirtschaft – traditionelle Systeme mit Zukunftspotential. Online: www.oekolandbau.de/landwirtschaft/pflanze/grundlagen-pflanzenbau/regenerative-landwirtschaft/agroforstsysteme/
BMEL – Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2022a): Moore schützen – Klimaanpassungen erleichtern. Online: www.bmel.de/DE/themen/landwirtschaft/klimaschutz/moorbodenschutz.html
BMEL – Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2022b): Torffrei gärtnern, Klima schützen. Die Torfminderungsstrategie des BMEL. Online: www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/torfminderungsstrategie.html
BUND (2022): https://www.bund.net/themen/naturschutz/moore-und-torf/klimaschuetzer-moor
Bundesanzeiger (2020): Bundesinstitut für Berufsbildung. Empfehlung des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung vom 17. November 2020 zur „Anwendung der Standardberufsbildpositionen in der Ausbildungspraxis“. Online: www.bibb.de/dokumente/pdf/HA172.pdf
Bundesregierung (2021): Leitfaden für die nachhaltige Organisation von Veranstaltungen. Online: www.bundesregierung.de/resource/blob/998008/1978090/b2785db42148242869e4881b333daffd/2021-10-11-leitfaden-nachhaltige-organisation-veranstaltungen-2021-data.pdf
DeFAF (o. J.): Der Deutsche Fachverband für Agroforstwirtschaft (DeFAF). Online: agroforst-info.de/
Deutscher Bundestag (2019): Dokumentation. Folgen des Klimawandels für die Landwirtschaft in Deutschland. Online: www.bundestag.de/resource/blob/652784/908b20ab5815805e075f2adc41734577/WD-5-052-19-pdf-data.pdf
DUH – Deutsche Umwelthilfe (2019): Methan-Minderungsstrategie für die Landwirtschaft. Online: www.duh.de/fileadmin/user_upload/download/Projektinformation/Verkehr/Methan/MinusMethan_Minderungsstrategie_DUH.pdf
Grethe, Harald; Martinez, José; Osterburg, Bernhard; Taube, Friedhelm; Thom, Ferike (o. J.): Klimaschutz im Agrar- und Ernährungssystem Deutschlands: Die drei zentralen Handlungsfelder auf dem Weg zur Klimaneutralität. Online: https://www.stiftung-klima.de/app/uploads/2021/06/2021-06-01-Klimaneutralitaet_Landwirtschaft.pdf
Grethe, Harald; Martinez, José; Osterburg, Bernhard; Taube, Friedhelm; Thom, Ferike (o. J.): Klimaschutz im Agrar- und Ernährungssystem Deutschlands: Die drei zentralen Handlungsfelder auf dem Weg zur Klimaneutralität. Online: https://www.stiftung-klima.de/app/uploads/2021/06/2021-06-01-Klimaneutralitaet_Landwirtschaft.pdf
Mirck, Jaconette (2017): Ernteertrag und Klimaanpassung durch Agroforstsysteme. Online: www.agroforst.ch/wp-content/uploads/36_Ernteertrag_und_Klimaanpassung_durch_Agroforstsysteme.pdf
MoorWissen (2020): Paludikultur – Land- und Forstwirtschaft auf wiedervernässten Mooren. Online: www.moorwissen.de/de/paludikultur/paludikultur.php
My Climate (o. J.): Was sind CO2-Equivalente. Online: www.myclimate.org/de/website/fEq/detail/was-sind-co2-aequivalente/
UBA & DEHst (2022) – Umweltbundesamt und Deutsche Emissionshandelsstelle: Factsheet Moorschutz ist Klimaschutz. Online: www.dehst.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/Factsheet_Moore.pdf?__blob=publicationFile&v=6
UBA Umweltbundesamt (2020): Anbau angepasster Pflanzensorten/ Kulturen. Online: www.umweltbundesamt.de/anbau-angepasster-pflanzensorten-kulturen-0
UBA Umweltbundesamt (2021b): Emissionsquellen. Online: www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/treibhausgas-emissionen/emissionsquellen#landwirtschaft
UBA Umweltbundesamt (2022): Beitrag der Landwirtschaft zu den Treibhausgas-Emissionen. Online: www.umweltbundesamt.de/daten/land-forstwirtschaft/beitrag-der-landwirtschaft-zu-den-treibhausgas
VRD Stiftung (2022): Klimaschutz und Biomasseerzeugung durch Agroforstsysteme. Online: vrd-stiftung.org/projekte/agroforst/klimaschutz-und-biomasseerzeugung-durch-agroforstsysteme-in-kooperation-mit-der-stiftung-veolia/
ZUG (o. J.): Pilotvorhaben zum Moorbodenschutz in Mecklenburg-Vorpommern. Online: www.z-u-g.org/aufgaben/pilotvorhaben-moorbodenschutz/moorbodenschutz-in-mecklenburg-vorpommern/
SDG 15 Leben an Land
“Landökosysteme schützen, wiederherstellen und ihre nachhaltige Nutzung fördern, Wälder nachhaltig bewirtschaften, Wüstenbildung bekämpfen, Bodendegradation beenden und umkehren und dem Verlust der biologischen Vielfalt ein Ende setzen”
Da die Landwirtschaft unmittelbar auf die Landökosysteme angewiesen ist und in diese eingreift, ist das SDG 15 in vielfacher Hinsicht von Bedeutung. Das SDG beinhaltet verschiedene Ziele, die in diesem Kontext relevant sind:
15.1 „Erhaltung, Wiederherstellung und nachhaltige Nutzung der Land- und Binnensüßwasser-Ökosysteme und ihrer Dienstleistungen“
15.3 „Flächen sanieren und eine bodendegradationsneutrale Welt anstreben“
15.5 „Maßnahmen ergreifen, um die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume zu verringern, dem Verlust der biologischen Vielfalt ein Ende zu setzen und bis 2020 die bedrohten Arten zu schützen und ihr Aussterben zu verhindern“
Bezüge zur Standardberufsbildposition bestehen hier in folgenden Punkten (Bundesanzeiger 2020):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Erhalt der Biodiversität
Während früher eine dezentrale und handwerkliche Landwirtschaft Arten- und Biotopvielfalt garantierte, droht heute das Gegenteil. “Die natürliche, aber auch die vom Menschen geschaffene und genutzte biologische Vielfalt, die so genannte Agrobiodiversität, geht zurück. Diese Entwicklung zeigt sich weltweit – auch in Deutschland. Der Erhalt und die Förderung der Artenvielfalt und Biodiversität sind auch für die Nahrungsmittelerzeugung zentrale Zukunftsaufgaben” (BMEL 2022d)
Eine zentrale Rolle für die Biodiversität spielen Insekten. Im Frühjahr 2022 legte das BfN den neuen dritten Band der Roten Liste der gefährdeten Tierarten vor, in dem der Insektenbestand untersucht wurde (BfN 2022). Demnach sind in Deutschland ein Viertel der insgesamt 6.750 neu bewerteten Insektenarten in ihrem Bestand gefährdet. Darunter haben verschiedene Käferarten den größten Anteil. Aber auch Bienen- und Hummelarten sind bedroht. Von den ca. 550 Bienenarten, darunter Wildbienen, Honigbienen und Hummeln, sind 48 Prozent bestandsgefährdet oder bereits ausgestorben. Weitere 8 Prozent stehen auf der Vorwarnliste (Roteliste-Zentrum 2011).
Als Gründe für den Rückgang der Insektenbestände werden in der Literatur Versiegelung und Bebauung von Flächen, der Eintrag von Schadstoffen und Pflanzenschutzmitteln in die Ökosysteme sowie der Klimawandel genannt. Auch die Landwirtschaft hat daran einen Anteil. Durch Monokulturen, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und den Verlust von artenreichem Grünland, Hecken und Säumen gehen Lebensräume für Insekten, Plätze zur Überwinterung und Nahrungsquellen verloren (BMEL 2022d, BfN 2021). Andererseits ist die Landwirtschaft auf eine intakte Insektenpopulation angewiesen. Insekten übernehmen wichtige Aufgaben, wie die Bestäubung, aber auch die natürliche Schädlingsregulierung und tragen zur Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit bei (BfN 2021).
Verschiedene Maßnahmen im Rahmen der Landwirtschaft können zum Erhalt der biologischen Vielfalt und zu verbesserten Lebensbedingungen für Insekten beitragen (BMEL 2022d, BfN 2021):
- Erhalt von artenreichem Dauergrünland, Hecken, Streuobstwiesen und Säumen
- Anlegen von Blühstreifen mit insektenfreundlichen Pflanzen an den Feldrändern
- Reduktion von chemischen Pflanzenschutzmitteln durch alternative Methoden der Schädlingsbekämpfung, z. B. biologische Schädlingsbekämpfung
- weniger intensive Bewirtschaftungsformen
- reduzierte Düngung
Einen besonderen Beitrag zum Schutz der Artenvielfalt leistet der ökologische Landbau. Eine Studie des Thünen-Instituts zeigt, dass bei ökologischen Bewirtschaftungsformen deutlich positive Effekte für die Biodiversität feststellbar sind (Thünen 2019). Beispielsweise lagen die Artenzahlen der Ackerflora bei den untersuchten ökologisch bewirtschafteten Flächen um 95 Prozent höher als bei konventionellen Flächen. Die Zahl der blütensuchenden Insekten war um etwa ein Viertel höher (ebd.). Die positiven Effekte sind insbesondere auf die geringere Produktionsintensität der ökologischen Landwirtschaft zurückzuführen. Vor allem die kleineren Flächen, die geringeren Düngemittel Mengen und der Verzicht auf Herbizide wirken sich günstig aus.
Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln
Pflanzenschutzmittel sind chemische oder biologische Wirkstoffe, die Pflanzen vor einer Schädigung durch Tiere oder Krankheiten schützen oder zur Bekämpfung von Unkräutern eingesetzt werden.
Pflanzenschutzmittel werden in der Landwirtschaft großflächig und in verhältnismäßig großen Mengen in die Umwelt ausgebracht. Im Jahr 2019 wurden in Deutschland über 42.000 Tonnen Pestizide ausgebracht (Boell Stiftung 2022). Sie wirken toxisch auf die Schadorganismen (Unkräuter, Schädlinge, Pilze oder Bakterien). Allerdings ist die Wirkung der meisten Mittel nicht auf diese beschränkt. Pflanzenschutzmittel können sich auch auf andere Lebewesen und die natürlichen Ressourcen negativ auswirken und diese schädigen. Davon sind vor allem Insekten wie die Wildbienen betroffen. Eine Studie aus Kanada hebt hervor, dass Bienen auf Flächen, deren Böden mit Pestiziden behandelt wurden, im Vergleich zu unbehandelten Flächen deutlich weniger Pollen sammeln und weniger Nester bauen. Auf behandelten Böden bringen Wildbienen 89 Prozent weniger Nachkommen hervor und verringern somit die Bestäubung der Pflanzen (vgl. ökoreich 2021).
Tiere und Pflanzen kommen direkt auf dem Feld mit Pestiziden in Berührung. Aber es kommt auch zum Eintrag von Pflanzenschutzmitteln auf umliegende Felder und Gewässer. Wird ein Pflanzenschutzmittel auf einem Feld ausgebracht, können Spritznebel auf angrenzende Gebiete gelangen. Durch Abschwemmung nach Regenfällen können die Stoffe in Flüsse und Seen gelangen. Durch Versickerung können sie das Grundwasser verunreinigen (UBA 2015, BAFU 2015). Bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln können Umweltprobleme in verschiedenen Bereichen entstehen: Abbaubarkeit und Abbauverhalten in der Umwelt, Verschmutzung von Böden und Gewässern, Rückstände in der Nahrungskette und eine Störung des ökologischen Gleichgewichtes. Studien weisen darauf hin, dass der Einsatz von Pestiziden einer der wesentlichen Gründe für den Rückgang der Biodiversität – vor allem bei Insekten – ist (Geiger et al. 2010).
Im UN-Sonderbericht “Report of the Special Rapporteur on the right to food” (United Nations 2017: 9) heißt es zu den Gefahren von Pestiziden: “Pestizide können in der Umwelt über Jahrzehnte fortbestehen und ein weltweites Risiko für das gesamte Ökosystem darstellen, von dem die Nahrungsmittelproduktion jedoch abhängig ist. Exzessiver Einsatz und Missbrauch von Pestiziden resultiert in der Kontamination von umgebenden Ackerböden und Wasservorkommen, was einen Verlust der Biodiversität bedeutet, nützliche Insektenpopulationen zerstört, die als natürliche Feinde von Schädlingen fungieren und den Nährwert von Nahrungsmitteln reduziert.”
In den SDGs ist das Ziel der Erhaltung, Wiederherstellung und nachhaltigen Nutzung der Ökosysteme festgeschrieben (SDG 15). Parallel dazu gibt es auch in den SDG 2, in dem das Ziel festgelegt ist, bis 2030 die Nachhaltigkeit der Systeme der Nahrungsmittelproduktion sicherzustellen. Eine wesentliche Maßnahme hierfür ist es, den Einsatz und das Risiko von Pestiziden zu reduzieren.
Vor diesem Hintergrund wurde bereits im Jahr 2009 von der EU die sogenannte Pflanzenschutz-Rahmenrichtlinie (2009/128/EG) verabschiedet. Mit der Unterzeichnung der Richtlinie verpflichten sich die Mitgliedsstaaten zur nachhaltigen Verwendung von Pestiziden in der EU (Europäische Union 2009). Die Richtlinie schreibt weiterhin vor, nationale Aktionspläne aufzustellen, „mit denen quantitative Vorgaben, Ziele, Maßnahmen, Zeitpläne und Indikatoren zur Verringerung der Risiken und Auswirkungen der Verwendung von Pestiziden auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt festgelegt werden und die Entwicklung und Einführung eines integrierten Pflanzenschutzes sowie von alternativen Konzepten oder Techniken zur Verringerung der Abhängigkeit von der Verwendung von Pestiziden gefördert wird.“ (Europäische Union 2009).
Wege für einen Pflanzenschutz, der so weit wie möglich auf chemisch-synthetische Mittel verzichtet bzw. diese reduziert, zeigt der Nationale Aktionsplan Pflanzenschutz (NAP) auf (Bundesregierung 2013). Zu den Maßnahmen für einen nachhaltigen Pflanzenschutz zählen folgende Punkte (BMEL 2022c):
- Pflanzenkrankheiten durch ackerbauliche Maßnahmen vorbeugen (z. B. durch Fruchtfolge, Sortenwahl, Schutz und Förderung von Nutzorganismen),
- nachhaltige und wirksame biologische Methoden bei der Bekämpfung von Schadorganismen bevorzugen (z. B. Einsatz von Nützlingen oder bestimmten Mikroorganismen zur Regulierung von Krankheiten und Schädlingen),
- physikalische und andere nicht-chemische Methoden bei der Bekämpfung von Schadorganismen bevorzugen (z. B. mechanische Unkrautbekämpfung mit Geräten wie Hacke oder Striegel, thermische Unkrautbekämpfung mit Hilfe von Abflammgeräten),
- die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln und anderen Bekämpfungsmethoden auf ein notwendiges Maß begrenzen,
- bei der Auswahl von Pflanzenschutzmitteln auf ein enges Wirkungsspektrum und geringe Nebenwirkungen für Mensch und Umwelt achten und
- bekannte Strategien zur Vermeidung von Resistenzen bei Pflanzenschutzmaßnahmen beachten.
Ein Beitrag zu einem möglichst effizienten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln kann mit Hilfe von digitalen Technologien erzielt werden (siehe SDG 12). So können mittels digitaler Technologien (z. B. Einsatz von Drohnen, Nutzung von Satellitendaten) Unkrautnester in einem Feld erkannt werden. Pflanzenschutzmittel können dann an diesen Punkten gezielt ausgebracht werden (Spot Spraying), anstatt das gesamte Feld zu behandeln.
Einen besonders großen Beitrag zum Ziel der Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln leistet der Öko-Landbau, da bei dieser Bewirtschaftungsart komplett auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel verzichtet wird. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der ökologische Landbau auf Maßnahmen zum Pflanzenschutz verzichtet. “Eines der Ziele des ökologischen Landbaus ist es, das Freisetzen gefährdeter Substanzen so weit wie möglich zu vermeiden”, so Ökolandbau.de. Ein optimaler Pflanzenschutz soll durch Fruchtfolge, thermische, optische oder akustische Verfahren erreicht werden. Wenn dies nicht wirkt, sind bestimmte Pflanzenschutzmittel zugelassen. Beispielsweise können Bt-Bakterien oder ihre Sporen gespritzt werden oder Kupfersulfat als Mittel gegen Pilzbefall gespritzt werden (Nüsslein-Vollhard 2022).
Quellenverzeichnis
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BfN – Bundesamt für Naturschutz (2021): Gezielte Insektenförderung für die Landwirtschaft ‒ mit Nützlingen Biodiversität und Produktivität verbinden. Online: biologischevielfalt.bfn.de/bundesprogramm/projekte/projektbeschreibungen/insektenfoerderung-fuer-die-landwirtschaft.html
BfN – Bundesamt für Naturschutz (2022): Neue Rote Liste: Mehr als ein Viertel der Insekten-Arten bestandsgefährdet. Online: https://www.bfn.de/pressemitteilungen/neue-rote-liste-mehr-als-ein-viertel-der-insekten-arten-bestandsgefaehrdet
BMEL – Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2022c): FAQ: EU-Kommissions-Entwurf einer neuen Verordnung zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln https://www.bmel.de/SharedDocs/FAQs/DE/faq-pflanzenschutzmittel-sur/FAQList.html
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Boell Stiftung (2022): Pestizidatlas. Daten und Fakten zu Giften in der Landwirtschaft. Online: https://www.boell.de/sites/default/files/2022-01/Boell-Pestizidatlas-2022.pdf
Bundesanzeiger (2020): Bundesinstitut für Berufsbildung. Empfehlung des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung vom 17. November 2020 zur „Anwendung der Standardberufsbildpositionen in der Ausbildungspraxis“. Online: www.bibb.de/dokumente/pdf/HA172.pdf
Bundesregierung (2013): Nationaler Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (NAP). Online: www.nap-pflanzenschutz.de/
Europäische Union (2009): Richtlinie 2009/128/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für die nachhaltige Verwendung von Pestiziden.
Geiger, Flavia et al. (2010): Persistent negative effects of pesticides on biodiversity and biological control potential on European farmland. Online: www.wur.nl/upload_mm/b/3/8/94e7760f-3dca-4cc1-8365-018832a8d729_Persistent%20negative%20effects%20of%20pesticides%20Geiger%20et%20al%202010.pdf
Nüsslein-Volhard, Christiane / Spiegel Online (2022) Warum wir Gentechnik auf Acker brauchen. Online: https://www.spiegel.de/wissenschaft/nobelpreistraegerin-ueber-bio-landwirtschaft-warum-wir-gentechnik-auf-dem-acker-brauchen-a-aafcbbe3-83db-4067-91b7-48970cb73495
Ökolangbau.de (o.J.): Pflanzenschutzmittel im Öko-Landbau. Online: https://www.oekolandbau.de/landwirtschaft/pflanze/grundlagen-pflanzenbau/pflanzenschutz/grundlagen/pflanzenschutzmittel-im-oeko-landbau/
Ökoreich (2021): Pestizide schaden Wildbienen. Online: www.oekoreich.com/medium/pestizide-schaden-wildbienen-89-prozent-weniger-nachkommen
Roteliste-Zentrum (2011): Bienen (Hymenoptera: Apidae). Online: www.rote-liste-zentrum.de/de/Bienen-Hymenoptera-Apidae-1733.html
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