Chemielaborant/Chemielaborantin
Einleitung
BBNE und BNE - Ziele der Projektagentur PA-BBNE
Das Ziel der „Projektagentur Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ (PA-BBNE) ist die Entwicklung von Materialien, die die um Nachhaltigkeit erweiterte neue Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ mit Leben füllen soll. Mit „Leben zu füllen“ deshalb, weil „Nachhaltigkeit“ ein Ziel ist und wir uns den Weg suchen müssen. Wir wissen beispielsweise, dass die Energieversorgung künftig klimaneutral sein muss. Mit welchen Technologien wir dies erreichen wollen und wie unsere moderne Gesellschaft und Ökonomie diese integriert, wie diese mit Naturschutz und Sichtweisen der Gesellschaft auszugestalten sind, ist noch offen.
Um sich mit diesen Fragen zu beschäftigen, entwickelt die PA-BBNE Materialien, die von unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden:
- Zum einen widmen wir uns der beruflichen Ausbildung, denn die nachhaltige Entwicklung der nächsten Jahrzehnte wird durch die jungen Generationen bestimmt werden. Die duale berufliche Ausbildung orientiert sich spezifisch für jedes Berufsbild an den Ausbildungsordnungen (betrieblicher Teil der Ausbildung) und den Rahmenlehrplänen (schulischer Teil der Ausbildung) . Hierzu haben wir dieses Impulspapier erstellt, das die Bezüge zur wissenschaftlichen Nachhaltigkeitsdiskussion praxisnah aufzeigt.
- Zum anderen orientieren wir uns an der Agenda 2030. Die Agenda 2030 wurde im Jahr 2015 von der Weltgemeinschaft beschlossen und ist ein Fahrplan in die Zukunft (Bundesregierung o. J.). Sie umfasst die sogenannten 17 Sustainable Development Goals (SDGs), die jeweils spezifische Herausforderungen der Nachhaltigkeit benennen (vgl. Destatis). Hierzu haben wir ein Hintergrundmaterial (HGM) im Sinne der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE, vgl. BMBF o. J.) erstellt, das spezifisch für unterschiedliche Berufe ist.
Die Materialien der Projektagentur
Die neue Standardberufsbildposition gibt aber nur den Rahmen vor. Selbst in novellierten Ausbildungsordnungen in Berufen mit großer Relevanz für wichtige Themen der Nachhaltigkeit wie z. B. dem Klimaschutz werden wichtige Fähigkeiten, Kenntnissen und Fertigkeiten in den berufsprofilgebenden Berufsbildpositionen nicht genannt – obwohl die Berufe deutliche Beiträge zum Klimaschutz leisten könnten. Deshalb haben wir uns das Ziel gesetzt, Ausbildenden und Lehrkräften Hinweise im Impulspapier zusammenzustellen im Sinne einer Operationalisierung der Nachhaltigkeit für die unterschiedlichen Berufsbilder. Zur Vertiefung der stichwortartigen Operationalisierung wird jedes Impulspapier ergänzt durch eine umfassende Beschreibung derjenigen Themen, die für die berufliche Bildung wichtig sind. Dieses sogenannte Hintergrundmaterial orientiert sich im Sinne von BNE an den 17 SDGs, ist faktenorientiert und wurde nach wissenschaftlichen Kriterien erstellt. Ergänzt werden das Impulspapier und das Hintergrundmaterial durch einen Satz von Folien, die sich den Zielkonflikten widmen, da „Nachhaltigkeit das Ziel ist, für das wir den Weg gemeinsam suchen müssen“. Und dieser Weg ist nicht immer gleich für alle Branchen, Betriebe und beruflichen Handlungen, da unterschiedliche Rahmenbedingungen in den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – Ökonomie, Ökologie und Soziales – gelten können. Wir haben deshalb die folgenden Materialien entwickelt:
- BBNE-Impulspapier (IP): Betrachtung der Schnittstellen von Ausbildungsordnung, Rahmenlehrplan und den Herausforderungen der Nachhaltigkeit in Anlehnung an die SDGs der Agenda 2030. Das Impulspapier ist spezifisch für einen Ausbildungsberuf erstellt, fasst aber teilweise spezifische Ausbildungsgänge zusammen (z. B. den Fachmann und die Fachfrau zusammen mit der Fachkraft sowie die verschiedenen Fachrichtungen)
- BBNE-Hintergrundmaterial (HGM): Betrachtung der SDGs unter einer wissenschaftlichen Perspektive der Nachhaltigkeit im Hinblick auf das Tätigkeitsprofil eines Ausbildungsberufes bzw. auf eine Gruppe von Ausbildungsberufen, die ein ähnliches Tätigkeitsprofil aufweisen;
- BBNE-Foliensammlung (FS) und Handreichung (HR): Folien mit wichtigen Zielkonflikten – dargestellt mit Hilfe von Grafiken, Bildern und Smart Arts für das jeweilige Berufsbild, die Anlass zur Diskussion der spezifischen Herausforderungen der Nachhaltigkeit bieten. Das Material liegt auch als Handreichung (HR) mit der Folie und Notizen vor.
Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung
Die Standardberufsbildposition “Umweltschutz und Nachhaltigkeit”
Seit August 2021 müssen auf Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) bei einer Modernisierung von Ausbildungsordnungen die vier neuen Positionen „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“, Digitalisierte Arbeitswelt“, Organisation des Ausbildungsbetriebs, Berufsbildung, Arbeits- und Tarifrecht“ sowie „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“ aufgenommen werden (BIBB 2021). Insbesondere die letzten beiden Positionen unterscheiden sich deutlich von den alten Standardberufsbildpositionen.
Diese Positionen begründet das BIBB wie folgt (BIBB o. J.a): „Unabhängig vom anerkannten Ausbildungsberuf lassen sich Ausbildungsinhalte identifizieren, die einen grundlegenden Charakter besitzen und somit für jede qualifizierte Fachkraft ein unverzichtbares Fundament kompetenten Handelns darstellen“ (ebd.).
Die Standardberufsbildpositionen sind allerdings allgemein gehalten, damit sie für alle Berufsbilder gelten (vgl. BMBF 2022). Eine konkrete Operationalisierung erfolgt üblicherweise durch Arbeitshilfen, die für alle Berufsausbildungen, die modernisiert werden, erstellt werden. Die Materialien der PA-BBNE ergänzen diese Arbeitshilfen mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit und geben entsprechende Anregungen (vgl. BIBB o. J.b). Das Impulspapier zeigt vor allem in tabellarischen Übersichten, welche Themen der Nachhaltigkeit an die Ausbildungsberufe anschlussfähig sind.
Die neue Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ ist zentral für eine BBNE, sie umfasst die folgenden Positionen (BMBF 2022).
a) “Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
c) für den Ausbildungsbetrieb geltende Regelungen des Umweltschutzes einhalten
d) Abfälle vermeiden sowie Stoffe und Materialien einer umweltschonenden Wiederverwertung oder Entsorgung zuführen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren”
Die Schnittstellen zwischen der neuen Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit” werden in
fortlaufend aufgezeigt. Mit Ausnahme der Position c) werden in der Tabelle alle Positionen behandelt. Die Position c) wird nicht behandelt, da diese vor allem ordnungsrechtliche Maßnahmen betrifft, die zwingend zu beachten sind. Maßnahmen zur Nachhaltigkeit hingegen sind meist freiwillige Maßnahmen und können, müssen aber nicht durch das Ordnungsrecht geregelt bzw. umgesetzt werden. In der Tabelle werden die folgenden Bezüge hergestellt:
- Spalte A: Positionen der Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit”;
- Spalte B: Vorschläge für Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten, die im Sinne der nachhaltigen Entwicklung wichtig sind;
- Spalte C: Bezüge zur Nachhaltigkeit;
- Spalte D: Mögliche Aufgabenstellungen für die Ausbildung im Sinne der Position 3e) „Vorschläge für nachhaltiges Handeln entwickeln“;
- Spalte E: Zuordnung zu einem oder mehreren SDGs (Verweis auf das Hintergrundmaterial).
Bildung für nachhaltige Entwicklung
Die Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) meint eine Bildung, die Menschen zu zukunftsfähigem Denken und Handeln befähigt. Sie ermöglicht jedem Einzelnen, die Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Welt zu verstehen (BMBF o. J.). BBNE ist somit nur ein Teil von BNE, der an alle Bürger*innen adressiert ist. Eine Entwicklung ist dann nachhaltig, wenn Menschen weltweit, gegenwärtig und in Zukunft würdig leben und ihre Bedürfnisse und Talente unter Berücksichtigung planetarer Grenzen entfalten können. … BNE ermöglicht es allen Menschen, die Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Welt zu verstehen und verantwortungsvolle, nachhaltige Entscheidungen zu treffen (ebd.).
Grundlage für BNE ist heutzutage die Agenda 2030 mit ihren 17 SDG (Sustainable Development Goals). Die 17 Ziele bilden den Kern der Agenda und fassen zusammen, in welchen Bereichen nachhaltige Entwicklung gestärkt und verankert werden muss (ebd.). Die Materialien der Projektagentur sollen Lehrkräften an Berufsschulen und Ausbildende dabei helfen, die Ideen der SDG in die Bildungspraxis einzubringen. Sie sind somit ein wichtiges Element insbesondere für das Ziel vier “Hochwertige Bildung”: “Bis 2030 sicherstellen, dass alle Lernenden die notwendigen Kenntnisse und Qualifikationen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung erwerben, unter anderem durch Bildung für nachhaltige Entwicklung und nachhaltige Lebensweisen, …” (ebd.).
Während die Grundlage in den Impulspapieren die Ausbildungsordnungen und die Rahmenlehrpläne der beruflichen Bildung waren, die mit den SDG vernetzt wurden, geht das Hintergrundpapier den umgekehrten Weg: Wir betrachten die SDG im Hinblick auf ihre Bedeutung für die berufliche Bildung und stellen uns der Frage, welche Anforderungen ergeben sich aufgrund der SDG und deren Unterziele an die Berufsbildung? Die folgenden Beschreibungen haben deshalb immer die gleiche Struktur:
- Es wird das SDG beschrieben.
- Es werden relevante Unterziele benannt.
- Es wird (wissenschaftlich) ausgeführt, was diese Unterziele für das jeweilige Berufsbild bedeuten.
Glossar
Folgende Abkürzungen werden in diesem Dokument verwendet:
Abkürzung | Bezeichnung |
AO | Ausbildungsordnung |
BMUV | Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit |
Care | Segment der AHV, hier: Krankenhäuser, Pflegeheime |
CO2-Äq | Kohlendioxid-Äquivalente |
FS | Foliensammlung |
HGM | Hintergrundmaterial (wissenschaftliches Begleitmaterial) |
IP | Impulspapier (didaktisches Begleitmaterial) |
KI | Künstliche Intelligenz |
ÖPNV | Öffentlicher Personennahverkehr |
RLP | Rahmenlehrplan |
SBBP | Standardberufsbildposition |
SDG | Sustainable Development Goals |
THG | Treibhausgase bzw. CO2-Äquivalente (CO2-Äq) |
Quellenverzeichnis
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (2021): Vier sind die Zukunft. Online: www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/show/17281
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (o. J.a): FAQ zu den modernisierten Standardberufsbildpositionen. Online: https://www.bibb.de/de/137874.php
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (o. J.b): Ausbildung gestalten. Online: BIBB / Reihen / Ausbildung gestalten
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: https://www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (o. J.): Was ist BNE? Online: https://www.bne-portal.de/bne/de/einstieg/was-ist-bne/was-ist-bne.html
Bundesregierung (o. J.): Globale Nachhaltigkeitsstrategie – Nachhaltigkeitsziele verständlich erklärt. Online: www.bundesregierung.de/breg-de/themen/nachhaltigkeitspolitik/nachhaltigkeitsziele-verstaendlich-erklaert-232174
Destatis Statistisches Bundesamt (2022): Indikatoren der UN-Nachhaltigkeitsziele. Online: http://sdg-indikatoren.de/
SDG 3 Gesundheit und Wohlergehen
“Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern”
SDG 3 steht dafür, allen Menschen jeden Alters ein gesundes Leben zu gewährleisten und ihr Wohlergehen zu fördern. Für die Berufsbilder Chemielaborant/Chemielaborantin sowie Biologielaborant/Biologielaborantin sind vor allem die diese zwei Unterziele relevant (Destatis o. J.):
3.8 Die allgemeine Gesundheitsversorgung, einschließlich der Absicherung gegen finanzielle Risiken, den Zugang zu hochwertigen grundlegenden Gesundheitsdiensten und den Zugang zu sicheren, wirksamen, hochwertigen und bezahlbaren unentbehrlichen Arzneimitteln und Impfstoffen für alle erreichen.
3.9 Bis 2030 wird sich die Zahl der Todesfälle und Erkrankungen aufgrund gefährlicher Chemikalien und der Verschmutzung und Verunreinigung von Luft, Wasser und Boden erheblich verringern.
Die Schnittmenge für das SDG 3 ergibt sich aus den Nummern a, b und c der Standardberufsbildposition (BMBF 2022):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
c) für den Ausbildungsbetrieb geltende Regelungen des Umweltschutzes einhalten
Chemielaboranten/Chemielaborantinnen und Biologielaboranten/Biologielaborantinnen gehen täglich mit umwelt- und gesundheitsgefährlichen Stoffen um, indem sie sie erforschen, anwenden, herstellen und Inverkehrbringen.
Gesundheitsbelastungen am Arbeitsplatz
Die Anwendung von Gefahrstoffen ist entsprechend der für die Substanz zutreffenden H- und EUH-Sätze mit möglichen Gesundheitsgefahren der Anwenderinnen und Anwender verbunden. Dies betrifft sowohl die Menschen, welche die Gefahrstoffe produzieren, als auch die Menschen, die sie anwenden. Das heißt also, dass mögliche Gesundheitsbelastungen am Arbeitsplatz durch Gefahrstoffe nicht nur für Chemielaboranten/Chemielaborantinnen sowie Biologielaboranten/Biologielaborantinnen bestehen, sondern auch für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weiterverarbeitender Wirtschaftszweige oder privater Endverbraucherinnen und Endverbraucher. Einige typische Gesundheitsbelastungen aus verschiedenen Wirtschafts- bzw. Konsum Zweigen sollen hier beispielhaft aufgezeigt werden.
Der eigene Arbeitsplatz
In chemisch-pharmazeutischen und biotechnologischen Laboren werden von den Laborantinnen und Laboranten täglich vielfältige Gefahrenstoffe produziert und angewendet. Daher müssen in diesen Laboren räumliche und einrichtungstechnische Voraussetzungen für das sichere Arbeiten gegeben sein. Je nach Art des Labors unterscheiden sich die dafür relevanten Anlagen und Vorkehrungen, wie beispielsweise Laborabzüge, Sicherheitswerkbänke, Glove Boxes, Lüftungsanlagen, Brandschutzvorkehrungen und Notstromaggregate bzw. Not-Aus-Schalter, sichere Lager für Gefahrstoffen (Sicherheitsschränke und Gefahrstofflager für die Lagerung von entzündbaren Flüssigkeiten, Säuren und Laugen). Um die gesundheitliche Belastung des Laborpersonals sowie weiterer Menschen, die von Tieren und mögliche Umweltfolgen zu reduzieren, müssen verschiedene Regeln und Richtlinien befolgt werden, darunter die technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS 526), technische Regeln für biologische Arbeitsstoffe (TRBA 100) und Grundlagen und Handlungshilfen für sicheres Arbeiten in Laboratorien (DGUV-I 213-850). Die Hauptverantwortung für die Sicherheit im Labor tragen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber (Betreiber) oder weisungsbefugte Vorgesetzte, wie die Laborleitung. Der Betreiber des Labors muss unter anderem die folgenden Vorschriften umsetzen:
- Beurteilung von Gefährdungen
- Unterweisung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Umgang mit Stoffen und Geräten
- Einweisen von Dritten, die nicht für die Laborarbeit zuständig sind (Hausmeisterei, Reinigung etc.)
- Hygienemaßnahmen (Hautschutzpläne etc.)
- arbeitsmedizinische Vorkehrungen
- Kennzeichnung von gefährdenden Stoffen
- Notfallpläne
Fachkundiges Personal wie Laborleitungen kennen sich mit Gefahrgutklassen, Arbeitsschutz, Umweltauflagen und dem Thema Gefahrstofflagerung hervorragend aus: Gefahrstoffe müssen als solche eingeordnet und gekennzeichnet werden. Weiterhin wird der Umgang mit diesen Stoffen hinsichtlich des jeweiligen Risikos eingestuft, einer Schutzstufe zugeordnet und mit konkreten Schutzmaßnahmen versehen.
Die Labor Mitarbeiterinnen und -mitarbeiter selbst sind wiederum dazu verpflichtet:
- den Anweisungen des oder der Vorgesetzten nachzukommen, etwa bereitgestellte persönliche Schutzausrüstung zu benutzen
- Laborordnung und Betriebsanweisung zu beachten
- Mängel umgehend dem oder der Vorgesetzten zu melden
- regelmäßig an Unterweisungen teilzunehmen
Um Gefahren vorzubeugen, müssen alle Laborantinnen und Laboranten also Verantwortung für sich selbst und andere übernehmen. Wird eine Laborantin auf das Fehlverhalten eines Kollegen oder einer Kollegin aufmerksam, so sollte sie auf dieses Fehlverhalten hinweisen und beispielsweise daran erinnern, dass Laborkittel und feste, geschlossene oder trittsichere Schuhe getragen werden müssen sowie Schutzbrille und Schutzhandschuhe beim Umgang mit Chemikalien zu tragen sind. Es ist außerdem darauf zu achten, dass Chemikalien nicht von der Hand in den Mund gelangen. Um das Risiko zu verringern, dass Gefahrstoffe verschluckt werden, sollte das eigene Gesicht nicht berührt werden, wenn Schutzhandschuhe getragen werden. Aus demselben Grund sollten sich nach dem Ausziehen der Schutzhandschuhen die Hände gewaschen werden und weiterhin im Labor auch nicht gegessen, getrunken oder gar geraucht werden.
Zwar kommt es nur zu wenigen Arbeitsunfällen im Labor, diese sind aber trotz aller Sicherheitsvorkehrungen immer wieder auf menschliches Fehlverhalten durch Nichtwissen und fehlende Achtsamkeit zurückzuführen. Gefahrensituationen gehören zum Laboralltag. Diese andauernde Präsenz kann jedoch zu einer Abnahme der Aufmerksamkeit gegenüber Gefahrensituationen führen: Begünstigen Routinen einerseits, dass Sicherheitsmaßnahmen durch Wiederholungen in richtiger Reihenfolge korrekt und effizient umgesetzt werden, können sie andererseits zu geistesabwesendem Verhalten führen. Labor Mitarbeiterinnen und -mitarbeiter müssen sich immer wieder daran erinnern, dass stets höchste Aufmerksamkeit geboten ist (Laborpraxis 2022). Unfallberichte lesen sich beispielsweise so (DGUV 2021, S.1):
“Beim Umfüllen einer Glasflasche mit einem Gemisch extrem entzündbarer Flüssigkeiten in einen Abfallbehälter entgleitet der Laborantin die Glasflasche. Diese zerbricht auf dem Fußboden. Einige Liter des Lösemittels breiten sich auf dem Boden aus. Während die Laborantin Baumwolltücher zur Aufnahme der Lache holt, kommt es zur Explosion und einem Nachfolgebrand im Laborraum.”
“Ein Laborant wird einige Minuten vor dem Ende seiner Schicht durch eine kleine Menge Methyl-4-toluolsulfonat aus einem Schlauch seitlich am Körper getroffen.“ Da er keine Beschwerden verspürt, beendet er seine Arbeit. Am Abend bemerkt er eine kleine Hautrötung, ignoriert sie aber. Ein fataler Fehler: Denn am nächsten Tag muss er ins Krankenhaus, da sich die Hautrötung zu einer massiven Zerstörung des Gewebes entwickelt hat. „Auf den Laboranten kommt eine langwierige, sehr unangenehme Behandlung zu.”
In chemischen Laboren drohen vor allem Gefährdungen durch Gefahrstoffe, etwa:
- Brand- und Explosionsgefahren
- Gefahren durch Kontakt mit sensibilisierenden, reizenden und ätzenden Stoffen, Gasen, Dämpfen oder Stäuben
- Umweltgefahren
Um Gesundheitsrisiken durch heftige chemische Reaktionen oder direkten Kontakt mit gefährlichen Substanzen zu verhindern, etwa das Einatmen von Gasen, Dämpfen und Stäuben in gefährlicher Konzentration, müssen sich Labor Mitarbeiterinnen und -mitarbeiter konsequent an die Regeln halten sowie stets konzentriert, aufmerksam und vorausschauend arbeiten (DGUV 2021, S.5):
- Erste Schutzmaßnahme im Umgang mit gefährlichen Stoffen ist der Blick aufs Etikett und die Betriebsanweisung, um sich über die Einstufung in Gefahrenklassen (H-Sätze) und Kennzeichnung (Gefahrenpiktogramme, Signalwörter, P-Sätze) zu informieren.
- Labor Mitarbeitende müssen die Laborabzüge richtig benutzen: Nach dem Motto „Je tiefer, desto besser“ den Frontschieber des Abzugs möglichst weit nach unten schieben, um größtmöglichen
- Atem-, Augen- und Gesichtsschutz zu erreichen. Bei Arbeiten im Abzug auf angemessene Beleuchtung achten. Frontschieber nach Beenden der Tätigkeit immer schließen.
- Chemikalien nicht vergeuden oder verschütten. Mengenbegrenzungen einhalten und nur die benötigte Stoffmenge verwenden.
- Kleine Mengen verschütteter Flüssigkeiten oder Feststoffe immer sofort fachgerecht beseitigen. Bei verschütteten brennbaren Flüssigkeiten zuvor alle Zündquellen beseitigen.
- Am Arbeitsplatz Ordnung halten. Hier sollte nur das stehen, was wirklich gebraucht wird. Für alles andere sichere Aufbewahrungs- und Abstellmöglichkeiten benutzen.
- Gefahrstoffe so aufbewahren, dass Mensch und Umwelt nicht gefährdet werden, etwa in verschlossenen, bruchsicheren Gebinden und an dauer abgesaugten Orten. Druckgasflaschen gehören in gut verschlossene Sicherheitsschränke.
- Beim Umfüllen oder Transportieren von Gefahrstoffen die vorgeschriebene persönliche Schutzausrüstung tragen, Sicherheitseinrichtungen und Hilfsmittel benutzen, konzentriert arbeiten und sich nicht ablenken lassen.
- Chemikalien niemals einfach wegschütten oder wegwerfen. Um Mensch und Umwelt nicht zu belasten, Abfälle getrennt voneinander an geeigneten, dafür vorgesehenen Orten sammeln und sachgemäß entsorgen, zum Beispiel durch Weitergabe an eine geeignete Abfallbeseitigung Stelle.
Ausführliche Informationen zum sicheren Arbeiten im Labor hat die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung in den Informationen 213-850 und 213-853 zusammengestellt (DGUV 2020, DGUV 2015).
Es gibt zahlreiche Entwicklungen innerhalb der chemisch-pharmazeutischen Industrie und der Biotechnologie, welche die Nachhaltigkeit adressieren. Diese werden näher im Unterkapitel “Nachhaltige Produktion, Reduktion und Recycling von Abfällen” des SDG 12 beschrieben.
Gesundheitsbelastungen an nachgelagerten Arbeitsplätzen
Viele Gefahren, denen Chemielaborant/Chemielaborantin sowie Biologielaborant/Biologielaborantin ausgesetzt sind, betreffen auch Arbeiter/Arbeiterinnen, die in nachgelagerten Wirtschaftszweigen arbeiten, da sie die Produkte aus der chemisch-pharmazeutischen oder biotechnologischen Produktion anwenden. Beispielhaft werden einige von diesen Arbeitsplätzen hier beleuchtet, um die Wirkung der chemisch-pharmazeutischen Industrie in die Gesamtwirtschaft und schließlich Gesamtgesellschaft hinein zu verdeutlichen. Jedes Jahr sterben weltweit ca. 1,6 Millionen Menschen an den Auswirkungen gefährlicher Chemikalien (Oxenfarth 2022).
Chemikalien der Textilindustrie
Chemikalien werden entweder bei der Fertigung eingesetzt, um die Verarbeitung von Textilfasern zu erleichtern. Hierbei werden die Chemikalien im Laufe des Prozesses wieder ausgewaschen. Weniger als 10 Prozent der organischen Chemikalien und Hilfsmittel in der Vorbehandlung und Färbung bleiben auf dem Textil, ca. 90 Prozent dieser Chemikalien gelangen ins Abwasser. Chemikalien kommen aber auch als Ausrüstungsmaterial zum Einsatz, um dem Textil eine bestimmte Eigenschaft oder Farbe zu verleihen. In diesem Fall verbleiben die eingesetzten Chemikalien im Produkt. In der Textilherstellung und -veredlung können Substanzen mit umwelt- und gesundheitsgefährdenden Eigenschaften eingesetzt werden. Dazu gehören 80 krebserzeugende, erbgutverändernde oder fortpflanzungsgefährdende Substanzen, persistente und bioakkumulierende Substanzen und solche mit allergenen Eigenschaften (Antony et al. 2020).
In Schneiderei Berufen kann es aufgrund der Textilchemikalien zu Belastungen und Erkrankungen kommen, denn die Beschäftigten in Änderungs- und Maßschneidereien sowie Textil- und Modeschneider/innen haben intensiven Kontakt zu Stoffen. Beim Zuschneiden und Nähen werden kleine Partikel und beim Bügeln flüchtige Substanzen freigesetzt, die die Atemwege reizen können. Allergene Farbstoffe und andere textile Inhaltsstoffe können beim direkten Hautkontakt ein Kontaktekzem auslösen (Voß 2000). Im Laufe ihrer Herstellung werden Stoffe und Bekleidung mit zahlreichen Chemikalien behandelt. Etwa 3.500 Substanzen werden in der Textilproduktion eingesetzt, darunter 750, die für Menschen schädlich sind und 440, die der Umwelt schaden (EUA 2019). Betroffen sind in erster Linie die Textilarbeiter und Textilarbeiterinnen, die diese Stoffe herstellen, insbesondere im Niedriglohnsektor und in Schwellenländern, wo es geringere Schutzvorschriften und Umweltauflagen gibt.
Chemikalien der Landwirtschaft
Durch zahlreiche Quellen wird belegt, dass sich die Verwendung von chemischen Pestiziden in der Landwirtschaft und im Gartenbau negativ auf die menschliche Gesundheit, Natur und Umwelt auswirkt (u. a. UBA 2016a, Boell Stiftung 2022). Dennoch steigt der Pestizideinsatz weltweit. Im Jahr 2019 wurden in Deutschland über 42.000 Tonnen Pestizide ausgebracht (ebd. 2022). Im Jahr 2021 wurden in Deutschland 39 Pestizide verwendet, die laut EU-Regularien ersetzt werden sollten, sogenannte Substitutionskandidaten. Bei diesen Pestiziden handelt es sich um Stoffe, die für die Gesundheit oder Umwelt als besonders gefährlich gelten und für die eine ungefährliche Alternative gefunden werden soll (ebd.). Die Zahl der jährlichen Pestizidvergiftungen weltweit ist mittlerweile auf 385 Millionen Fälle gestiegen (Boedeker et al 2020). Neben diesen akuten Schäden werden Pestizide zunehmend mit chronischen Krankheiten wie Parkinson, Leukämie, Leber- und Brustkrebs, Typ-II-Diabetes und Asthma in Verbindung gebracht (Boell Stiftung 2022).
Gesundheitsbelastungen im Alltag
Nicht nur die Angestellten in anderen Wirtschaftsbereichen sind gesundheitlich von chemisch-pharmazeutischen oder auch biotechnologischen Produkten betroffen. Gesundheitsbelastende Folgen diffundieren bis zu den privaten Endverbraucherinnen und Endverbrauchern, wie die folgenden Beispiele kurz zeigen sollen.
Gefahrstoffe in Textilien
In verkaufsfertigen Stoffen und Kleidungsstücken sind die meisten Hilfs Chemikalien und Farbstoffe herausgewaschen, die im Produktionsprozess der Stoffe eingesetzt wurden. Dennoch können Restmengen bei Beschäftigten in Schneidereien, Verkaufspersonal sowie Verbraucherinnen und Verbrauchern Allergien und Atemwegsreizungen verursachen. Innerhalb des Spektrums der gesundheitsschädlichen Fasern und Faserzusätze wie Elastomere, Kunstharze als Appreturen, Duft-, UV-Schutz- oder andere Zusätze, haben Textilfarben eine besondere Bedeutung. Hierunter wurden einige als allergen eingestuft. Manche, wie Dispers Blau 106 und 124, dürfen in der EU in Textilien nicht eingesetzt werden. Sie gelangen wahrscheinlich über Import Textilien auf den deutschen Markt (Schnuch et al. 2004). Verschiedene Formaldehydharze, die für die Bügelfrei-Ausrüstung eingesetzt werden, aber auch Chemikalien aus Gummibändern (ebd.) haben Sensibilisierungen ausgelöst. Insgesamt lassen sich Allergien auf Textilchemikalien oft nicht leicht auf ein Kleidungsstück zurückführen, denn die Hautreaktionen können Tage später nach dem Kontakt auftreten, wobei bereits ein anderes Kleidungsstück getragen wird. Zudem werden Erkrankungen durch Textilchemikalien nicht systematisch untersucht. Farbstoffe und Farbstoffe wie z.B. Nickel in Reißverschlüssen und Knöpfen und viele andere umwelt- und gesundheitsschädliche Substanzen werden in den Kriterienkatalogen von Nachhaltigkeitssiegeln ausgeschlossen.
Anders als in vielen anderen Ländern soll in Deutschland eine zu große Belastung der Kleidung mit Schadstoffen durch Gesetze verhindert werden. Dazu gehören das Produktionssicherheitsgesetz, die Gefahrstoffverordnung und die REACH-Verordnung (Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien). Zudem untersuchen die Verbraucherschutzbehörden in Deutschland in Stichproben, ob die festgelegten Grenzen für Schadstoffe in der Kleidung auch eingehalten werden. Dennoch ist die Kleidung in Deutschland nicht frei von Schadstoffen. Das liegt vor allem daran, dass nicht alle potenziellen Schadstoffe gesetzlich verboten sind. Denn die Zahl der Farb- und Hilfsstoffe, die in der Textilindustrie verwendet werden und schädlich sind, geht in die Tausende (siehe Abschnitt Chemikalien in der Textilindustrie) und die Bewertung durch die REACH-Verordnung ist ein noch nicht abgeschlossener Prozess. Das Risiko für belastete Kleidung ist besonders hoch bei Textilien, die aus außereuropäischen Ländern importiert werden.
Mit der „Detox“-Kampagne 2011 von Greenpeace erklärten sich 80 internationale Markenfirmen und Einzelhandelsketten bereit, bis 2020 gefährliche Textilchemikalien zu ersetzen und die Abwasseranalysen transparent zu machen. Nach Überprüfungen im Jahre 2021 zeigte sich, dass dies inzwischen 29 Markenfirmen und Einzelhandelsketten umgesetzt haben. Der Prozess soll weiterhin begleitet werden und das Konzept auf die Mehrheit des Bekleidungsmarktes ausgeweitet werden (Kopp et al. 2021).
Gefahrstoffe in Lebensmitteln
Nach Selbsteinschätzung des Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft ist Deutschland Spitzenreiter bei der Kontrolle von Lebensmittelimporten (BMEL 2022a): “Pro Jahr werden fast 20.000 Proben von verschiedensten Lebensmitteln genommen und zusammen auf bis zu circa 800 verschiedene Wirkstoffe aus der Pflanzenschutzmittelanwendung untersucht; im Durchschnitt der Proben sind es etwa 300 Stoffe. “
Im Jahr 2018 hat das Bundesamt für Risikobewertung eine Studie zu den Belastungen von Lebensmitteln durch Pestizide veröffentlicht (Öko-Test 2018). Hiernach waren etwas weniger als 9 Prozent der Importe aus Nicht-EU-Ländern belastet und hatten den Rückstandshöchstgehalt (RHG) überschritten – allerdings bedeutet eine Überschreitung des RHG nicht unbedingt eine Gesundheitsgefährdung. Die meisten Überschreitungen fanden sich bei Obst, Gemüse und anderen pflanzlichen Lebensmitteln. Besonders betroffen waren Bohnen mit Hülsenfrüchten, Reis und Grünkohl sowie Kräuter (ebd.). Leider gab es insbesondere bei importiertem Obst vielfach Mehrfachbelastungen unterschiedlicher Pflanzenschutzmittel (Mandarinen, Grapefruit, Orangen, Trauben, Bananen etc., ebd.). Bei der Herstellung von Convenience-Produkten der Stufen 2 bis 4 (garfertig, mischfertig, regenerierfertig) wird in der Lebensmittelindustrie eine Vielzahl von Hilfsstoffen eingesetzt, die in der Gastronomie sonst nicht verwendet werden; Vgl. Verbraucherzentrale 2021). Da der Lebensmittelbereich nur einer unter vielen Lebensbereichen ist, an denen Verbraucher und Verbraucherinnen mit nicht gesundheitsgefährdenden Mengen von Gefahrstoffen konfrontiert sind, können sie dennoch dazu beitragen, dass aus der Menge aller im Alltag aufgenommenen Gefahrstoffe dennoch eine Gesundheitsbelastung resultiert (siehe SDG 12).
Gesundheits- und Umweltbelastungen durch den Eintrag von Medikamenten
Moderne Arzneimittel werden von der Pharmaforschung entwickelt und industriell hergestellt. Sie sind allgegenwärtig und gehören zu den wichtigsten medizinischen Hilfsmitteln. In Deutschland werden 2.300 unterschiedliche Arzneimittelwirkstoffe für Menschen angeboten. Rund 1.200 dieser Wirkstoffe werden als vermutlich umweltrelevant eingestuft, weil sie mindestens eines der drei Kriterien erfüllen: Sie sind langlebig und somit schwer in der Umwelt abbaubar (persistent), reichern sich in Organismen an (bioakkumulierend) oder sind giftig für Menschen oder Umwelt Organismen, krebserregend oder beeinflussen das Hormonsystem (toxisch). Zu dieser Wirkstoffgruppe gehören unter anderem schmerzstillende Mittel, Antibiotika, Medikamente gegen Diabetes, Rheuma, Bluthochdruck, Epilepsie, psychische Erkrankungen und Krebs. Von diesen Wirkstoffen wurden in Deutschland im Jahr 2012 rund 8.120 t verbraucht, Tendenz steigend (Vgl. 6.200 t in 2002). Doch nicht nur Menschen werden mit Arzneimitteln behandelt, sondern auch Nutz- und Haustiere (UBA 2014, Pharmazeutische Zeitung 2022).
Die wichtigsten Arzneien für Nutz- und Haustiere sind Antibiotika und Antiparasitika. Die Gesamtmenge an ausgegebenen Antibiotika in Deutschland belief sich im Jahr 2016 auf 666 t für Menschen und 742 t für Tiere und hier vor allem Nutztiere (UBA 2018). Ohne diese und andere Arzneimittel wäre die intensive Tierhaltung, wie sie aktuell in Deutschland und vielen anderen Ländern betrieben wird, nicht möglich.
Nach Passage durch den menschlichen bzw. tierischen Körper ist ein Arzneimittel i.d.R. nicht vollständig abgebaut: Ein großer Teil gelangt unverändert und weiterhin wirksam in die Umwelt (der unverändert ausgeschiedene Anteil liegt zwischen 10 – 90 Prozent je nach Antibiotikum, UBA 2018), ein anderer wird in Form von Zwischenprodukten aus dem Stoffwechsel (s. g. Metaboliten) ausgeschieden. Nach dem Eintrag in die Umwelt werden diese Rückstände um- und abgebaut. Die dabei entstehenden Transformationsprodukte haben teilweise problematische Umwelteigenschaften wie Langlebigkeit oder erhöhte Mobilität, was dazu führen kann, dass sie leicht ins Grundwasser gelangen. Auch nicht verbrauchte und unsachgemäß über Abfluss und Toilette entsorgte Medikamente gelangen über das Abwasser in die Umwelt, da nicht alle Arzneimittel in Kläranlagen wirksam entfernt werden können. Menschliche Arzneimittel können praktisch allerorts und ganzjährig im Bereich von Kläranlagen, Abläufen, in Bächen, Flüssen und Seen sowie im Grund- und vereinzelt im Trinkwasser nachgewiesen werden. Unveränderte oder zu Zwischenprodukten verstoffwechselte Tierarzneimittel sind in Gülle und Mist der behandelten Tiere enthalten. Diese werden als s. g. Wirtschaftsdünger auf landwirtschaftliche Flächen ausgebracht, wodurch es zur Anreicherung von Arzneimittelrückständen im Boden und letztlich auch in Oberflächengewässer und Grundwasser kommt. Weiterhin werden Tierarzneimittel von behandelten, weidenden Nutztieren direkt auf Weideflächen und in angrenzende Gewässer eingebracht. Bei Grundwasseruntersuchungen in der Nähe von Tierhaltungsbetrieben wurde nachweisen, dass dort, wo regelmäßig große Mengen Wirtschaftsdünger auf die Felder ausgebracht werden, sich auch viele Rückstände von Tierarzneimitteln, überwiegend Antibiotika, feststellen lassen. In anderen Untersuchungsprogrammen wurden mehr als 400 Wirkstoffe, deren Stoffwechsel oder Transformationsprodukte, in verschiedenen Umweltmedien (Boden, Oberflächenwasser, Grundwasser etc.) gefunden, darunter Röntgenkontrastmittel, Medikamente gegen Schmerzen, und Epilepsie, Antibiotika und weiterhin Lipidsenker, Betablocker sowie synthetische Hormone (UBA 2022, 2014).
Der unsachgemäße Einsatz von Antibiotika kann zu Risiken für Gesundheit und Umwelt führen, da sie oft schwer abbaubar sind, sich teilweise im Boden anreichern (bspw. Sulfonamide, Tetrazykline) und sogar von Nutzpflanzen aufgenommen werden können. Einige Antibiotika (z. B. Penicilline) wurden bisher kaum in der Umwelt gefunden, obwohl sie in großen Mengen eingesetzt werden, was durch die großen Unterschiede verschiedener Antibiotika Wirkstoffe hinsichtlich Stabilität und Abbaubarkeit begründet ist. Über Antibiotika belastete Nutzpflanzen gelangen Antibiotika in die Nahrungskette. Sie wurden aber auch bereits in Gewässern gefunden und konnten in Fischen nachgewiesen werden. In der Vergangenheit wurden nachgewiesene Antibiotikarückstände in tierischen Lebensmitteln wie Geflügelfleisch bereits breit diskutiert. Für einige pharmazeutische Wirkstoffe wurden bereits Umweltrisiken festgestellt. Ein direktes Risiko für die menschliche Gesundheit lässt sich nach heutigem Wissensstand daraus nicht ableiten. Um unsere Umwelt und alle darin lebenden Organismen langfristig zu schützen und aus Gründen des vorsorgenden Gesundheitsschutzes, ist die Reduktion von Arzneimittel Einträgen zu unabdingbar. Antibiotika wirken sich beispielsweise negativ auf Organismen in der Umwelt aus, da sie unter anderem Wasserpflanzen und Algen im Wachstum beeinträchtigen, wodurch das Gleichgewicht des gesamten Ökosystem geschädigt werden kann. Bei anderen Pflanzen können sie die Keimung verhindern (z. B. Hafer, Reis) oder die Pflanze abtöten (z. B. Mais). Auch Arzneien mit hormonähnlichen Wirkungen sind problematisch für die Umwelt. Hormonpräparate werden in der industriellen Tierzucht zur Steuerung der Brunst und bei der künstlichen Besamung angewendet. Diese Hormonpräparate können bereits bei geringen Konzentrationen in der Umwelt bedeutende Auswirkungen auf die dort lebenden Organismen haben. Dazu zählt die Abnahme der Fortpflanzungsfähigkeit und somit die Reduktion der Population (z.B. Zebrabärbling, Karpfen). Andere Substanzen hemmen die Entwicklung (z. B. Leopardfrosch) oder schädigen Organe (z. B. Regenbogenforelle) (UBA 2014, 2018).
Gesundheitsbelastungen durch antibiotikaresistente Bakterien
Antibiotikaresistente Bakterien (ARB) sind bereits natürlicherweise überall in der Umwelt zu finden. Allerdings können vormals nicht resistente Bakterienpopulationen die Resistenz gegen Antibiotika neu erwerben, z. B. durch Mutation oder Gentransfer. Verbunden mit dem steigenden Antibiotikaeinsatz – sowohl bei Menschen als auch bei Tieren – werden zunehmend mehr antibiotikaresistente, krankheitserregende Bakterien beobachtet. Dazu zählen beispielsweise resistente Staphylokokken (MRSA), Streptokokken, Enterokokken, Escherichia coli (ESBL E. coli), Klebsiellen oder Pseudomonas. Bakterien, die gegen eine Vielzahl von Antibiotika resistent sind, werden als multiresistente Bakterien bezeichnet. Antibiotikaresistente Populationen dieser Krankheitserreger entwickeln sich besonders dort gut, wo Antibiotika eingesetzt werden, weil die resistenten Formen dort einen Überlebensvorteil haben, selbst wenn dort nur sehr kleine Antibiotika Konzentrationen vorhanden sind. Typische Orte dafür sind Krankenhäuser und die landwirtschaftliche Tierhaltung. Von diesen Hotspots gelangen sie zum Beispiel über Abwasser oder das Ausbringen von Gülle als Wirtschaftsdünger in die Umwelt (UBA 2018, Cassini et al. 2019). Der Kontakt mit bzw. die Aufnahme von antibiotikaresistente Bakterien muss nicht zu einer Erkrankung führen: ca. 6 Prozent der europäischen Bevölkerung tragen ARB (ESBL E. coli) im Darm und bei rund 3 Prozent der deutschen Bevölkerung sind ARB Bestandteil der bakteriellen Flora im Nasen-Rachen-Raum (MRSA). Nach Cassini et al. (2019) sterben innerhalb der EU zzgl. Großbritannien, Island, Liechtenstein und Norwegen jährlich insgesamt 33.000 Menschen an Infektionen mit multiresistenten Keimen. Das entspricht der Menge an allen Todesfällen, die durch Influenza, Tuberkulose und HIV/Aids zusammen (Ärztezeitung 2019) zurückzuführen sind. Weltweit werden nach aktueller Schätzung rund 1,2 Million Todesfälle auf antibiotikaresistente Bakterien zurückgeführt (Tagesschau 2022). Die Anzahl antibiotikaresistenter Bakterien nimmt stetig zu: Seit dem Beginn des medizinischen Antibiotikaeinsatzes in den 1940er Jahren nimmt die Anzahl antibiotikaresistenter Bakterien im Vergleich zum natürlichen Vorkommen nennenswert zu. Durch die Analyse archivierter Bodenproben aus dem Jahr 1940 wurde festgestellt, dass in 2008 einzelne antibiotikaresistente Bakterien um mehr als das 15-fache häufiger auftreten. ARB können aus der Umwelt wieder auf den Menschen übertragen werden, wenn ein Kontakt mit kontaminiertem Wasser oder Boden stattfindet, z. B. beim Baden in Gewässern mit schlechter Wasserqualität oder auch über Lebensmittel, wie etwa Salat, der mit kontaminiertem Wasser beregnet wird. In der Umwelt treten jedoch deutlich geringere Konzentrationen von ARB auf als in Krankenhäusern, Kliniken oder Pflegeeinrichtungen. Besorgniserregend sind die erhöhten Konzentrationen von Antibiotikaresistenzen, Antibiotika, Bioziden und Schwermetallen in der Umwelt dennoch, weil sie zur Bildung neuer Resistenz Kombinationen in potentiellen Krankheitserregern und Umweltbakterien führen können. Neue ARB können anschließend vom Menschen aufgenommen werden und z. B. im Darm ihre Resistenzen an weitere Bakterien in der Darmflora übertragen. Der menschliche Verdauungsapparat kann so eine Quelle für Bakterien mit Antibiotikaresistenzen werden (UBA 2018).
Quellenverzeichnis
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SDG 4 Hochwertige Bildung
“Inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten lebenslangen Lernens für alle fördern”
Das SDG 4 zielt primär auf die globale Entwicklung von guten Bildungssystemen ab. Im Berufsbildungssystem ist Deutschland weltweit führend – trotz einiger Defizite wie Personalausstattung, Digitalisierung oder knappe Investitionsbudgets – viele Länder versuchen ein ähnliches Berufsbildungssystem wie in Deutschland aufzubauen. Insofern ist vor allem das Unterziel 4.7 relevant (Destatis o. J.):
Bis 2030 sicherstellen, dass alle Lernenden die notwendigen Kenntnisse und Qualifikationen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung erwerben, unter anderem durch Bildung für nachhaltige Entwicklung und nachhaltige Lebensweisen, Menschenrechte, Geschlechtergleichstellung, eine Kultur des Friedens und der Gewaltlosigkeit, Weltbürgerschaft und die Wertschätzung kultureller Vielfalt und des Beitrags der Kultur zu nachhaltiger Entwicklung
Das SDG 4 spiegelt sich in der fachlichen Unterrichtung der Stichpunkte der anderen SDG wieder, mündet aber in den Positionen e und f der neuen Standardberufsbildposition (BMBF 2022):
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
10 “Goldene Handlungsregeln” für eine BBNE
Die Nachhaltigkeitsforschung und die Bildungswissenschaften haben inzwischen umfassende Erkenntnisse gesammelt, wie eine berufliche Bildung für Nachhaltigkeit gefördert werden kann (vgl. u. a. vgl. Schütt-Sayed u.a. 2021; Kastrup u. a. 2012; Melzig u. a. 2021). Das Ergebnis sind die folgenden 10 didaktischen Handlungsregeln, die das Berufsbildungspersonal dabei unterstützen, Lehr-/Lernprozesse zielgruppengerecht und angemessen zu gestalten. Diese insgesamt 10 Handlungsregeln lassen sich in vier Schritten zuordnen.
Schritt 1 – Richtig anfangen:
Identifizierung von Anknüpfungspunkten für BBNE
1) Ansatzpunkte: Fordern Sie die Verantwortung im eigenen Wirkungsraum heraus, ohne die Berufsschüler und Berufsschülerinnen mit „Megaproblemen“ zu überfordern!
2) Anknüpfungspunkte: Die Curricula sind Grundlage der Lehr-/Lernprozesse – es kommt darauf an, sie im Sinne der Nachhaltigkeit neu zu interpretieren!
3) Operationalisierung: Nachhaltigkeit ist kein „Extra- Thema“, sondern ein integraler Bestandteil des beruflichen Handelns!
Um nachhaltigkeitsorientierte Lehr-/Lernarrangements zu entwickeln, sind zunächst Anknüpfungspunkte für Nachhaltigkeit in den betrieblichen Abläufen zu identifizieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Ausbildungsordnungen und Lehrpläne die rechtliche Grundlage der beruflichen Bildung sind. Es gilt diese im Sinne der Nachhaltigkeit zu interpretieren, sofern nicht bereits konkrete Nachhaltigkeitsbezüge enthalten sind.
Wichtig ist dabei, dass Auszubildende nicht mit den „Megaproblemen“ unserer Zeit überfordert werden, sondern zur Verantwortung im eigenen Wirkungsraum herausgefordert werden – sowohl im Betrieb als auch im Privaten. Denn Auszubildende sind selbst Konsument/-innen, die durch eine angeleitete Reflexion des eigenen Konsumverhaltens die Gelegenheit erhalten, ihre „Wirkungsmacht“ im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit in ihrer eigenen Branche zu verstehen.
Schritt 2 – Selbstwirksamkeit schaffen:
Eröffnung von Nachhaltigkeitsorientierten Perspektiven
4) Handlungsfolgen: Berufliches Handeln ist nie folgenlos: Machen Sie weitreichende und langfristige Wirkungen erkennbar!
5) Selbstwirksamkeit: Bleiben Sie nicht beim „business as usual“, sondern unterstützen Sie Schüler*innen dabei, Alternativen und Innovationen zu entdecken!
6) Zielkonflikte: Verstecken Sie Widersprüche nicht hinter vermeintlich einfachen Lösungen, sondern nutzen Sie sie als Lern- und Entwicklungschancen!!
7) Kompetenzen: Bildung für nachhaltige Entwicklung verbindet Wahrnehmen, Wissen, Werten und Wirken!
Im nächsten Schritt sind nachhaltigkeitsorientierte berufliche Perspektiven für die Auszubildenden zu eröffnen. Diese sollten an einer positiven Zukunftsvision und an Lösungen orientiert sein. Auszubildenden sind dabei die weitreichenden Wirkungen ihres Handelns vor Augen zu führen. Sie sollen verstehen können, warum ihr Handeln nicht folgenlos ist. Das bedeutet gleichzeitig, Auszubildenden die positiven Folgen eines nachhaltigen Handelns vor Augen zu führen. In diesem Zusammenhang ist die Selbstwirksamkeitserfahrung von großer Bedeutung. Sie ist eine der Voraussetzungen, um motiviert zu handeln. Auszubildende dabei zu unterstützen, Alternativen zum nicht-nachhaltigen Handeln zu erkennen und Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung zu entdecken, sollte dabei für Lehrpersonen selbstverständlich sein. Dabei ist immer die individuelle Motivation der Auszubildenden entscheidend, denn zum nachhaltigen Handeln braucht es nicht nur Wissen (Kopf), sondern auch authentisches Wollen (Herz). Wesentlich ist hierbei die Gestaltung ganzheitlicher Lernprozesse, die sowohl den kognitiven als auch den affektiven und psychomotorischen Bereich einbeziehen (vgl. Költze, S.206).
Schritt 3 – Ganzheitlichkeit:
Gestaltung transformativer Lernprozesse
8) Lebendigkeit: Ermöglichen Sie lebendiges Lernen mit kreativen und erfahrungsbasierten Methoden!
9) Beispiele: Nutzen Sie motivierende Beispiele: Sprechen Sie über Erfolgsgeschichten, positive Zukunftsvisionen und inspirierende Vorbilder!
Aber wie können Lernsituationen in der Praxis so gestaltet werden, dass sie ganzheitlich aktivierend für die Auszubildenden sind? Es sollte ein lebendiges Lernen mit Hilfe kreativer, erfahrungsbasierter Methoden ermöglicht werden. Dies ist ein grundlegender (kein neuer) didaktischer Ansatz für die Förderung einer nachhaltigkeitsorientierten Handlungskompetenz. Im Kern bedeutet dies: Lernen mit Lebensweltbezug, welches ausgerichtet ist auf individuelle Lebensentwürfe und das eigene (auch künftige) berufliche Handlungsfeld, z. B. indem Recherchen im eigenen Unternehmen zu Möglichkeiten der Energieeinsparung durchgeführt werden. Lernen soll vor diesem Hintergrund vor allem unter Berücksichtigung der Sinne stattfinden, d. h. mit Körper und Geist erfahrbar sowie sinnlich-stimulierend sein. Die Auszubildenden sollen sich dabei zudem als Teil einer gestalterischen Erfahrungsgemeinschaft erleben. Dies kann durch gemeinsame Reflexionen über das eigene Verhalten und persönliche Erfahrungen gefördert werden, beispielsweise durch die Entwicklung und Verkostung eigener Lebensmittelkreationen unter Nachhaltigkeitsaspekten. Hierfür muss unbestritten immer auch der „Raum“ zur Verfügung stehen (siehe z.B. Hantke 2018 „‘Resonanzräume des Subpolitischen‘ als wirtschaftsdidaktische Antwort auf ökonomisierte (wirtschafts-)betriebliche Lebenssituationen“). Ebenso können motivierende Beispiele helfen – wie z. B. Erfolgsgeschichten und inspirierende Vorbilder.
Schritt 4 – Lernort Betrieb:
Entwicklung nachhaltiger Lernorte
10) Lernende Organisationen: Auch Organisationen können „Nachhaltigkeit lernen“: Entwickeln Sie Ihre Institution Schritt für Schritt zum nachhaltigen Lernort!
Schließlich geht es im vierten Schritt darum, den Lernort in den Blick zu nehmen und diesen als nachhaltigen Lernort zu gestalten. Den gesamten Betrieb nachhaltig auszurichten ist u. a. deshalb entscheidend, da andernfalls die an Nachhaltigkeit orientierten Inhalte der Ausbildung wenig glaubwürdig für Auszubildende sind. Der Betrieb als Institution sollte dafür an einem gemeinschaftlichen Leitbild ausgerichtet sein, welches neben den üblichen ökonomischen auch soziale und ökologische Ziele beinhaltet. So kann BBNE überzeugend in die Organisation integriert und vom betrieblichen Ausbildungspersonal umgesetzt werden.
BBNE für Chemielaborant/Chemielaborantin sowie Biologielaborant/Biologielaborantin
Im Rahmen einer guten Unterrichtung von BBNE sollten Chemielaboranten/Chemielaborantinnnen sowie Biologielaboranten/Biologielaborantinnen einen guten Überblick über die Herausforderungen des nachhaltigen Handelns in ihrem Berufsbild erhalten. Bildung für Nachhaltige Entwicklung in diesen Berufsbildern bespricht alle Aspekte, die zu einem Mehr an Nachhaltigkeit in der Laborpraxis führen:
- die Beschaffung nachhaltiger Werk- und Arbeitsstoffe sowie Arbeitsmittel,
- die ressourcen- und energieeffiziente Arbeit im Labor, die Gefahrstoffe und deren Emissionen in die Umwelt weitestgehend vermeidet und schließlich
- die Bereitstellung von Waren und Dienstleistungen für die Kunden und Kundinnen, welche Transporte und Verpackungen, die in Abfälle münden, einschließt.
Bildung ist heute mehr als nur Wissen: Bildung ist auch die Kompetenz, dieses Wissen artikulieren zu können oder die richtigen Fragen stellen zu können. Es ist die Kompetenz, zu erfassen, was der Adressat meint, welche Fragen er hat und aus welchen Gründen er Entscheidungen trifft. Und auf diese Fragen sinnvolle und erklärende Antworten zu geben. Folgende Aspekte wären im (Aus)Bildungskontext zu behandeln bzw. zu diskutieren, um mögliche Antworten zu suchen:
Die Bevölkerung verfügt über ein hohes Umweltbewusstsein. 65 Prozent der Deutschen halten den Umwelt- und Klimaschutz für ein sehr wichtiges Thema – trotz Corona (UBA 2022). Besonders der Klimaschutz bleibt während der Pandemie für 70 Prozent weiterhin genauso wichtig, für 16 Prozent ist er sogar wichtiger geworden. Gut drei Viertel der Befragten sehen ausschließlich (14 Prozent) oder vor allem (63 Prozent) menschliches Handeln als Ursache für den Klimawandel an. Eine erfolgreiche Nachhaltigkeitskommunikation sollte daher dieses bereits vorhandene Umweltbewusstsein nutzen und auf eine sinnstiftende Ansprache achten, um die intrinsischen Motivationslagen zu stärken.
Aber der Zusammenhang zwischen den Rohstoffen, Produktionsverfahren sowie den Erzeugnissen der Chemie- und Pharmaindustrie und deren Klimawirkungen ist nur einem kleineren Kreis präsent. Nachhaltigkeitsinitiativen, -zertifizierungen und -strategien sind in diesen Branchen aktuell noch Nischen-Aktivitäten. Zwar gibt es seit Jahrzehnten Forderungen der Bevölkerung nach weniger Tierversuchen, die durchaus Früchte getragen haben und seit einigen Jahren werden auch Plastikabfälle, Mikroplastik Einträge in die Natur und hormonähnlich wirkende Chemikalien wie Bisphenole vielfach kritisch diskutiert. Viele grundlegende umwelt- und gesundheitsrelevante Zusammenhänge sind aber weniger beachtet. Auch weil die Diagnostik- und Medizinprodukte der Pharmaindustrie oder die Reinigungs-, Farb-, Kunst- und Zusatzstoffe der Chemieindustrie unsere Lebensumstände auf vielfache Weise verbessern, erleichtern oder bereichern.
Die Auszubildenden benötigen daher über das grundlegende Verständnis dieser Zusammenhänge hinaus, die Fähigkeit diese Probleme im konkreten Arbeitskontext zu erfassen, zu analysieren, Optimierungsmöglichkeiten zu erarbeiten und diese dann direkt umzusetzen oder an den für die Umsetzung zuständigen Personenkreis zu adressieren.
Zuvorderst geht es bei der Nachhaltigkeitskommunikation in der Laborpraxis darum, Möglichkeiten zur nachhaltigen Beschaffung, Produktion, Geräte- und Anlagennutzung aufzuzeigen und auch das Thema Abfallerzeugung bei den geschäftlichen und privaten Endkunden und Endkundinnen stets mitzudenken.
Die Herausforderungen liegen also nicht nur darin, nachhaltige chemisch-pharmazeutische sowie biotechnologische Produkte attraktiv und kostengünstig zu erzeugen, sondern diese auch an die Kunden und Kundinnen – von weiterverarbeitenden Unternehmen bis hin zu den privaten Endkundiennen und Endkunden – zu kommunizieren.
Quellenverzeichnis
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BMWK Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (2022): Finale Klimabilanz 2020: Emissionen sanken um 41 Prozent gegenüber 1990. Pressemitteilung. Stand: 20.01.2022. Online: https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/2022/01/20220120-finale-klimabilanz-2020-emissionen-sanken-um-41-prozent-gegenuber-1990.html. Letzter Zugriff: 07.02.2023
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Handke, Harald (2018): „Resonanzräume des Subpolitischen“ als wirtschaftsdidaktische Antwort auf ökonomisierte (wirtschafts-)betriebliche Lebenssituationen – eine Forschungsheuristik vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeitsidee. In bwp@Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online (Nr. 35), 2018, S. 1-23.
Kastrup, Julia; Kuhlmeyer, Werner; Nölle-Krug, Marie (2022): Aus- und Weiterbildung des betrieblichen Bildungspersonals zur Verankerung einer Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. In: MICHAELIS, Christian; BERDING, Florian (Hrsg.): Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Umsetzungsbarrieren und interdisziplinäre Forschungsfragen. Bielefeld 2022, S. 173-189
Költze, Horst (1993): Lehrerbildung im Wandel. Vom technokratischen zum humanen Ausbildungskonzept. In Cohn, Ruth C.; Terfurth, Christina (Hrsg.): Lebendiges Lehren und Lernen. TZI macht Schule. Klett-Cotta. S. 192-212
Melzig, Christian; Kuhlmeyer, Werner; Kretschmer, Susanne (Hrsg. 2021): Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Die Modellversuche 2015–2019 auf dem Weg vom Projekt zur Struktur. Bonn 2021. Online: https://www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/show/16974
Schütt-Sayed, Sören; Casper, Marc; Vollmer, Thomas (2021): Mitgestaltung lernbar machen – Didaktik der Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. In: Melzig, Christian; Kuhlmeier, Werner; Kretschmer, Susanne (Hrsg.): Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Die Modellversuche 2015–2019 auf dem Weg vom Projekt zur Struktur. S. 200-227. Online: https://www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/show/16974
SDG 6 Sauberes Wasser
“Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärversorgung für alle gewährleisten”
Das SGD 6 “Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen” verfolgt im Prinzip fünf Ziele: die Versorgung der Menschen mit Trinkwasser, den Zugang zu Hygieneeinrichtungen, die Verhinderung der Verschmutzung der Wasserressourcen, die effiziente Nutzung von Wasser und den Schutz der Ökosysteme.
Für die Berufsbilder Chemielaborant/Chemielaborantin sowie Biologielaborant/Biologielaborantin relevant ist vor allem die folgenden Unterziele relevant (Destatis o. J.):
SDG 6.3 Bis 2030 die Wasserqualität durch Verringerung der Verschmutzung, Beendigung des Einbringens und Minimierung der Freisetzung gefährlicher Chemikalien und Stoffe, Halbierung des Anteils unbehandelten Abwassers und eine beträchtliche Steigerung der Wiederaufbereitung und gefahrlosen Wiederverwendung weltweit verbessern.
SDG 6.4 Bis 2030 die Effizienz der Wassernutzung in allen Sektoren wesentlich steigern und eine nachhaltige Entnahme und Bereitstellung von Süßwasser gewährleisten, um der Wasserknappheit zu begegnen und die Zahl der unter Wasserknappheit leidenden Menschen erheblich zu verringern.
Die Schnittmengen mit der Standardberufsbildposition wären dann, wenn auch nicht unbedingt unmittelbar ersichtlich (vgl. BMBF 2022):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
Gefahrstoffe in Grund- und Oberflächengewässern
Gefahrstoffe, darunter zahlreiche Substanzen mit den PBT-Eigenschaften Persistenz, bioakkumulierender Wirkung und Toxizität – aus Industrieabfällen, Kosmetikprodukten, Arzneimitteln, Düngern, Farben und Biozid-behandelten Waren, werden überwiegend über das Abwasser und Niederschlagsabflüsse in die Gewässer getragen oder gelangen über Klärschlämme, die Landwirtinnen und Landwirte auf ihren Feldern ausbringen, in den Boden und somit ins Grundwasser. Klärschlamm bezeichnet die konzentrierten, sedimentierten Reste aus der Abwasserreinigung, der gereinigte wässrige Anteil wird in natürliche Gewässer entlassen. Die Chemie- und Pharmaindustrie verursachte im Jahr 2016 fast zwölf Prozent des gesamten Abwassers der deutschen Wirtschaft (UBA 2022 a).
Aktuell erreichen 67 Prozent der Grundwasserkörper einen guten chemischen Zustand (UBA 2022 b). Verschiedene Ursachen führen dazu, dass 33 Prozent diesen Zustand nicht erreichen. Belastungen des Grundwassers entstehen neben den Abwässern aus der Industrie bspw. durch die Anwendung von Pestiziden oder Bioziden sowie vieler weiterer Substanzen mit gewollter oder ungewollter toxischer Wirkung, welche von der chemischen Industrie hergestellt oder angewendet werden. An den Beispielen der Unkrautvernichtungsmittel und Biozide werden die Probleme exemplarisch verdeutlicht: Pflanzenschutzmittel reichern sich überall an und sind schwer abbaubar. Das vor 30 Jahren verbotene Herbizid Atrazin ist noch immer das dritt häufigste im Grundwasser nachgewiesene Herbizid (Boell-Stiftung 2022). Das Pestizid Hexachlorbenzol reichert sich in Wassertieren an. Laut Johanna Bär ergab die Studie Urinale von 2015, dass 99,6 % aller Bürgerinnen und Bürger Pestizide im Urin haben, egal wie sie sich ernährt haben. Pestizide verteilen sich durch physikalische Vorgänge auch über die Luft. Seit 2018 sind in Deutschland 41 Pestizide (ebd.) verboten, deren gesundheitliche Auswirkungen für eine akute Lebensgefahr beim Einatmen sorgen, zur Entstehung von Krebserkrankungen, zu drohenden Fortpflanzungs- und Hormonstörungen, zu Fehlbildungen bei Neugeborenen führen können und allgemein als Gefahren für das Trinkwasser dienen sowie Ökosysteme nachhaltig schädigen können. Diese Mittel werden jedoch nach Übersee exportiert, dort unsachgemäß angewendet und die Ernte wieder nach Deutschland importiert. Das importierte Gemüse und Obst, welches mit den verbotenen Pflanzenschutzmitteln behandelt wurde, wird in Deutschland verzehrt und kann auf diese Weise im menschlichen Organismus zu gesundheitlichen Schädigungen führen. Auch Biozide finden Eintrag ins Grundwasser dar. Biozide und Insektizide werden in vielen Baubereichen, wie dem Garten- und Landschaftsbau eingesetzt. Auch In Fassadenputzen und -farben werden Biozide angewendet. Damit Biozide und Insektizide wirken, müssen sie oberflächlich präsent sein, um gegen Bewuchs wirken zu können. Damit ist eine Abschwemmung funktionell unumgänglich. Biozide, Insektizide, Herbizide etc. sind immer umwelttechnisch fraglich. Sie werden mit der Berührung von Feuchtigkeit wie Regenwasser ausgewaschen und in die Umwelt und schließlich ins Grundwasser eingebracht.
Aktuell erreichen nur 9 Prozent aller Oberflächengewässer einen sehr guten oder guten ökologischen Zustand (UBA 2022 b). Der Grad des ökologischen Gewässerzustands wird anhand der im Wasser lebenden Organismen einer Lebensgemeinschaft bestimmt. Je größer die Abweichung der Zusammensetzung einer Lebensgemeinschaft vom natürlichen Zustand ist, desto schlechter ist der Zustand eines Gewässers. Grund sind die hohen Nährstoffeinträge aus der Landwirtschaft und die Strukturveränderungen der Flüsse durch Schifffahrt und Wasserkrafterzeugung (BfN, o. J.). Einen guten chemischen Zustand erreicht hingegen keines der Oberflächengewässer in Deutschland. Die Gründe dafür, dass die Oberflächengewässer den guten chemischen Zustand nicht erreichen, sind hohe Nährstoffbelastungen, vor allem durch Phosphat und Stickstoff, beides Stoffe, die durch landwirtschaftichen Dünger, einem Hauptptodukt der chemischen Industrie, eingetragen werden. Ein weiterer Faktor ist die Belastung mit Quecksilber, das durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe entsteht und über die Luft und Niederschläge in Böden und Gewässer eingetragen wird (ebd.).
Weitere Probleme und mögliche Lösungs Anstöße werden in SDG 3 “Gesundheit und Wohlergehen” sowie SDG 12 “Nachhaltige/r Konsum und Produktion” genauer dargestellt, da die genannten Probleme auch unter den SDG Teilzielen 3.9 und 12.4 subsumiert werden können:
SDG 3.9: Bis 2030 wird sich die Zahl der Todesfälle und Erkrankungen aufgrund gefährlicher Chemikalien und der Verschmutzung und Verunreinigung von Luft, Wasser und Boden erheblich verringern.
SDG 12.4: Bis 2020 einen umweltverträglichen Umgang mit Chemikalien und allen Abfällen während ihres gesamten Lebenszyklus in Übereinstimmung mit den vereinbarten internationalen Rahmenregelungen erreichen und ihre Freisetzung in Luft, Wasser und Boden erheblich verringern, um ihre nachteiligen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt auf ein Mindestmaß zu beschränken.
Optimierung des Wasserverbrauchs im Betrieb
In deutschen Betrieben wie auch in privaten Haushalten gehört eine intakte Wasserversorgung zum Standard. Ein sorgsamer Umgang mit Wasser ist nicht nur aus Sicht des Umweltschutzes sinnvoll, sondern kann auch die Betriebskosten erheblich reduzieren. Mit Wassermengenreglern kann der Wasserverbrauch pro Zeiteinheit reduziert werden. Mit reduziertem Verbrauch verringern sich die Kosten und der Energiebedarf sowie der CO₂-Ausstoß (Union House Technic o.J.).
Für ein erweitertes Verständnis zum Thema Wasser (Wasserverbrauch, Wasserknappheit, Wasserversorgung etc.) kann das Konzept des virtuellen Wassers, welches auch im Wasserfußabdruck aufaddiert wird, herangezogen werden. Der Wasserfußabdruck von einem Kilogramm PET (Polyethylenterephthalat) bemisst sich beispielsweise auf 10 Liter “blaues Wasser” (footprint.org 2020; weitere Anteile im Wasserfußabdruck siehe Hoekstra et al. 2011). Blaues Wasser bezeichnet frisches Oberflächen- oder Grundwasser, das für die Herstellung verbraucht wird, indem es verdunstet oder dem Produkt zugesetzt wird. Dieses frische Oberflächen- oder Grundwasser (Süßwasser) wird nicht in dasselbe Einzugsgebiet zurückgegeben, sondern z. B. ins Meer (Salzwasser) und/oder kehrt nicht im gleichen Zeitraum zurück in das Herkunftsgewässer, sondern wird erst in einer späteren Periode (bspw. Regenperiode) zurückgeführt. Diese Verlagerung des “blauen” Wassers kann sich schädlich auf das betroffene Ökosystem auswirken. Laut Berichten der UN (Vereinten Nationen) werde sich die weltweite Trinkwasserknappheit weiter verstärken. Die bisherigen Fortschritte beim Erreichen des UN-Nachhaltigkeitsziels zum Zugang zu Wasser für alle Menschen sind aktuell unzureichend (Tagesschau 2023).
Quellenverzeichnis
Boell-Stiftung (2022a): Podcast-Episode. Pestizid Atlas – Pestizide in der Landwirtschaft (1/3). Online: www.boell.de/de/media/soundcloud/pestizidatlas-pestizide-der-landwirtschaft-13
Boell-Stiftung (2022b): Podcast-Episode. Pestizid Atlas – Welt der Doppelstandards (2/3). Online: www.boell.de/de/media/soundcloud/pestizidatlas-welt-der-doppelstandards-23
Boell-Stiftung (2022c): Podcast-Episode. Pestizid Atlas – Die Causa Glyphosat (3/3). Online: www.boell.de/de/media/soundcloud/pestizidatlas-die-causa-glyphosat-33
Bundesamt für Naturschutz BfN (o. J.): Ökologischer Zustand der Fließgewässer in Deutschland (I). Online: Ökologischer Zustand der Fließgewässer in Deutschland (I) | BFN
Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
Destatis-Statistisches Bundesamt (o. J.): Indikatoren der UN-Nachhaltigkeitsziele 2022. Online unter: http://sdg-indikatoren.de/
footprint.org (2020): The Water Footprint of Your Plastic Bottle. Stad: 17.07.2020. Online: https://foodprint.org/blog/plastic-water-bottle/
Hoekstra, A. Y.; Chapagain, A.K. Aldaya, M. M.; Mekonnen, M. M. (2011): The Water Footprint Assessment Manual. Herausgegeben von earthscan London, Washington, DC. ISBN: 978-1-84971-279-8. Online: https://www.waterfootprint.org/resources/TheWaterFootprintAssessmentManual_English.pdf
Tagesschau (2023): Lemke fordert Sondergesandten für Wasser. Stand 23.03.2023. Online: https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/un-wasserkonferenz-105.html
Umweltbundesamt UBA (2022 a): Strukturdaten: Chemikalien und chemisch-pharmazeutische Industrie. Stand 29.04.2022. Online: https://www.umweltbundesamt.de/daten/chemikalien/strukturdaten-chemikalien-chemisch-pharmazeutische#die-chemisch-pharmazeutische-industrie-in-deutschland . Letzter Zugriff: 08.02.2022
Umweltbundesamt UBA (2022 b): Die Wasserrahmenrichtlinie. Gewässer in Deutschland 2021. Fortschritte und Herausforderungen. Online: www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1410/publikationen/221010_uba_fb_wasserrichtlinie_bf.pdf
Union House Technic (o. J.): Betriebskostenabrechnung: dreifach sparen beim Wasserverbrauch. Online: Betriebskostenabrechnung – dreifach sparen beim Wasserverbrauch – openPR
SDG 7 Bezahlbare und saubere Energie
“Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und moderner Energie für alle sichern”
Das SDG 7 “Bezahlbare und saubere Energie” beinhaltet soziale und ökologische Anforderungen an den Klimaschutz. Für die Berufsbilder Chemielaborant/Chemielaborantin sowie Biologielaborant/Biologielaborantin sind vor allem drei Unterziele wichtig (Destatis o. J.):
SDG 7.1 Bis 2030 den allgemeinen Zugang zu bezahlbaren, verlässlichen und modernen Energiedienstleistungen sichern
SDG 7.2 Bis 2030 die weltweite Steigerungsrate der Energieeffizienz verdoppeln
SDG 7.3 Bis 2030 den Anteil erneuerbarer Energie am globalen Energiemix deutlich erhöhen
Im wesentlichen geht es um im SDG 7 um einen Umbau des bisherigen Energiesystems hin zu mehr Erneuerbare Energien und eine Verbesserung der Effizienz der Energienutzung, da ökologische und das Klima schützende Anforderungen schon durch andere SDGs (insbesondere 13, 14 und 15) abgedeckt werden.
“Saubere Energie”, wie dies in SDG 7 genannt wird, bedeutet heute für den Klimaschutz grundsätzlich der Umstieg auf erneuerbare Energien (EE) sowie eine höhere Energieeffizienz. Weitere Probleme der Energieerzeugung mit der Nachhaltigkeit betreffen
Umweltschutz und Arbeitsbedingungen bei der Rohstoffgewinnung
Ökologische und Gesundheitsfolgen der Energienutzung, insbesondere bei der Verbrennung
Flächenkonkurrenzen bei dem Anbau von Energiepflanzen (Mais, Zuckerrohr etc.) zur energetischen und rohstofflichen Nutzung
Die Schnittmenge für das SDG 7 ergibt sich aus den Nummern a und b der Standardberufsbildposition (BMBF 2022):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
Chemielaboranten/Chemielaborantinnen sowie Biologielaboranten/Biologielaborantinnen nutzen Energie für alle ihre Tätigkeiten. Sie betreiben technische Anlagen, wie Synthese- und Trenn Apparaturen, (Bio-)Reaktoren, Analysegeräte, Brutschränke, Kühl- und (Ultra-)Tiefkühlanlagen, Sicherheitseinrichtungen wie Abzüge und viele andere mehr. Sie brauchen Strom für die IT und das Licht. Sie fahren mit einem Auto oder Bus zur Arbeit, sie bestellen Waren regional, national oder international, die mit verschiedenen Verkehrsmitteln transportiert werden. Bei all diesem stellt sich die Frage: Wie kann die Energie möglichst klimaschonend erzeugt werden, wie kann sie energiesparend genutzt werden?
Dieses Kapitel beschreibt die Grundlagen der verwendeten Energieformen und eingesetzten Verfahren sowie wichtige Themen aus dem Bereich „Bezahlbare und saubere Energie”. Es ist sozusagen das Basiswissen, welches heute in jeder Ausbildung vermittelt werden sollte, da kein Beruf – insbesondere in so energieintensiven Branchen wie der Chemie- und Biotech-Industrie – mehr ohne die nachhaltige Nutzung von Energie auskommen kann. Die berufsbildrelevanten Themen werden an geeigneten Stellen herausgestellt.
Erneuerbare Energien
Die einfachste Maßnahme zum Umstieg auf erneuerbare Energien ist der Bezug von Ökostrom. Die Produktion erfolgt dabei in der Regel aus Wind, Sonne, Biomasse und Wasserkraft. Im ersten Halbjahr 2022 lag der Anteil der Erneuerbaren bei 51,6 Prozent. Da die Stromproduktion aus verschiedenen Quellen schwankend ist, zeigt erst die Jahresendbilanz, wie die Verteilung sein wird. In 2021 stammten 23 Prozent der gesamten Stromproduktion aus Windkraft, 9,8 Prozent aus der Photovoltaik, 8,8 Prozent aus Biomasse und 4 Prozent aus Wasserkraft. Braun- und Steinkohle lieferten 20,7 Prozent des Stroms, Erdgas 10,5 Prozent und die Kernenergie gut 13,3 Prozent (Stromreport 2022).
Wichtig sind hinsichtlich des Ziel “bezahlbarer Energie” vor allem die Kosten von Strom und Wärme. Die Stromgestehungskosten waren in 2021 wie folgt (ISE 2021, gerundet): Dachkleinanlagen 6-11 Cent/kWh, große Dachanlagen 5-10 Cent/kWh, Freiflächenanlagen 3-6 Cent/kWh. Die Stromgestehungskosten fossiler Stromerzeugung lagen in 2021 zwischen 8-13 Cent/kWh für Gas- und Dampfkraftwerke, zwischen 11-28 Cent/kWh bei Gaskraftwerken, 10-15 Cent/kWh Braunkohlekraftwerke sowie 11-20 Cent/kWh bei Steinkohlekraftwerken. Für Kernkraft, mit Rückbau und Endlagerung werden die Stromgestehungskosten auf 50 bis 100 Cent/kWh geschätzt (Siemens-Stiftung 2015). Die konkreten Stromgestehungskosten sind von einer Reihe von Faktoren abhängig. Dazu zählen der Standort (z.B. Entfernung zwischen Kraftwerk und Abbaugebiet), Größe und Alter der Anlagen, Subventionen, Wartung, Abschreibungen sowie die verbaute Erzeugungstechnologien.
Im Folgenden wird eine Übersicht über die wichtigsten Technologien zur Nutzung der Erneuerbaren Energien gegeben:
Solarenergie: Solarenergie mit Hilfe von Photovoltaik ist mit gut 21 Prozent der EE-Stromproduktion (Stromreport 2022) seit 2007 stark ausgebaut worden und damit die jüngste breit genutzte erneuerbare Stromquelle (vgl. die Graphik auf Wikimedia 2020). Ab 2013 stagnierte der Zuwachs von Solarenergie, weil die Konditionen der Einspeisung verschlechtert wurden. Insbesondere die Energiekrise im Zuge des Ukraine Krieges zeigt, dass der Ausbau jetzt stark beschleunigt werden muss.
Solarthermie: Es stehen jährlich 1.050 KWh/m2 Solarstrahlung für die Umwandlung von Sonnenenergie in Wärme zur freien Verfügung. Hiermit lassen sich Strom sowie Wärme für Heizung und Warmwasser erzeugen. In Deutschland wird Solarthermie dennoch nur in weniger als 10 Prozent(co2online 2021) der Heizanlagen für Häuser und Wohnungen genutzt.
Windenergie: 50 Prozent des EE-Stromes in Deutschland wurden 2021 aus Windenergie erzeugt (Stromreport 2022). Der Ausbau hat wesentlich in den Jahren von 2000 bis 2017 stattgefunden. Seitdem ist der Zuwachs geringer, weil sich lokal viele Menschen gegen Windkraftanlagen wehren. Seit Ausbruch des Ukraine-Krieges und dem damit verbundenen Gaslieferstopp Rußlands, sowie seit den deutlichen Auswirkungen der Klimakrise (Waldbrände, Flut), werden wieder höhere Ausbauziele der Windenergie genannt.
Wärmeerzeugung: Zur Wärmeerzeugung können Bioenergie (insbesondere Festbrennstoffe wie Holz) sowie die Umgebungs- bzw. bodennahe Erdwärme eingesetzt werden. Wie bei der Stromerzeugung aus Wasserkraft gibt es für die Verbrennung von Biomasse kein Wachstumspotenzial mehr, sondern muss auf “ein naturverträgliches Maß begrenzt” werden (UBA 2021b). Im Gegensatz dazu setzt die Bundesregierung auf den Ausbau der Nutzung von Umgebungswärme, wozu auch die bodennahe Erdwärme gehört (Tagesschau 2022).
Photovoltaik
Photovoltaik ist die Umwandlung von Sonnenlicht in Strom. Dies geschieht mit Hilfe von PV-Modulen, in denen die Solarstrahlung Strom erzeugt. Der Strom wird über Leitungen zu einem Wechselrichter geführt, der den Gleichstrom aus den PV-Modulen in Wechselstrom umwandelt. Die Kosten der PV-Technologie sind bei höherer Leistung – trotz Preissteigerungen aufgrund des Krieges – deutlich günstiger als vor 20 Jahren. Für den Betrieb von Photovoltaik-Anlagen gibt es drei Betriebsmodelle:
Dachverpachtung: Die einfachste Möglichkeit, von einem geeigneten Dach zu profitieren, ist die Verpachtung der Dachfläche an Dritte. Diese sind dann Betreiber der Anlage. Stadtwerke, Energieversorgungsunternehmen und Projektentwickler bieten bereits „schlüsselfertige“ Dachpacht Lösungen an. Dabei baut der Betreiber auf seine Kosten die Anlage, bewirtschaftet sie und übernimmt das unternehmerische Risiko.
Eigenverbrauch mit Überschusseinspeisung: Besonders attraktiv ist die Gestaltung des Eigenverbrauchs. Der Eigentümer errichtet die Anlage auf eigene Kosten und versucht, seine Stromnutzung so zu gestalten, dass bei Sonnenschein Strom entweder verbraucht oder in Batterien gespeichert wird.
Volleinspeisung: In diesem Fall ist der Dacheigentümer auch Betreiber der PV-Anlage. Der gesamte erzeugte Strom wird in das Netz der allgemeinen Versorgung eingespeist und der Anlagenbetreiber erhält für jede eingespeiste kWh die sog. Einspeisevergütung.
Im Folgenden werden kurz die wichtigsten Technologien zur Solarstromerzeugung vorgestellt:
Solarzellen aus kristallinem Silizium: Solarzellen aus kristallinem Silizium werden mit über 90 Prozent am häufigsten verbaut. Als Ausgangsmaterial für ihre Herstellung dient Siliziumdioxid (SiO2), das als Quarzsand oder Quarzkristall abgebaut wird. Aus SiO2 wird in einem mehrstufigen und sehr energieaufwendigen Verfahren hochreines polykristallines Silizium (poly-Si) mit einer Reinheit von 99, 99999 Prozent hergestellt. Die Herstellung erfolgt in einem Lichtbogenofen bei Temperaturen von etwa 2.000 °C. Anschließend werden Silizium-Einkristalle (mono-Si) gezogen. Die gewonnenen Einkristalle werden in etwa 0,2 mm dicke Scheiben («Wafer») gesägt und in einer Abfolge von mehreren Prozessschritten zu Solarzellen und dann zu PV-Modulen weiterverarbeitet.
Dünnschicht-Solarmodule: Die Module bestehen wie die obigen PV-Module ebenfalls aus elektrischen Kontakten und einem absorbierenden Material, allerdings werden auf dem Trägermaterial verschiedene Schichten von Metallen aufgetragen. Die Dicke der lichtabsorbierenden Schicht liegt in der Regel bei 1-3 µm, also etwa hundertmal weniger als bei den Solarzellen aus kristallinem Silizium. Als Trägermaterial können, je nach Technologie, Glas, Metall- oder Kunststofffolien eingesetzt werden. Als Schichtmaterialien kommen insbesondere Halbleitermaterialien wie Galiumarsenid (GaAs), Cadmiumtellurid (CdTe) oder Kupfer-Indium-Gallium-Diselenid (CIGS) zum Einsatz. Vorteile der Dünnschichtzellen sind ihr geringes Gewicht, ihre guten Erträge bei diffusem Sonnenlicht und schlechtem Wetter sowie die schnelle energetische Amortisation aufgrund des geringen Energieeinsatzes bei ihrer Herstellung.
Organische Photovoltaik: Die organische Photovoltaik ist eine sehr junge Technologie, die im Allgemeinen noch im Stadium von Forschung und Entwicklung steckt. Es gibt nur wenige Unternehmen, die Solarzellen oder -module bereits serienmäßig auf organischer Basis produzieren. Die stromerzeugende Schicht von organischen Solarzellen besteht im Gegensatz zu den o. g. PV-Technologien aus organischem Material, also Kohlenstoffverbindungen, von kleinen Molekülen bis zu Polymeren. Die Schichten der organischen Solarzellen sind etwa 1000-mal dünner als bei Silizium- Solarzellen. Sie sind extrem leicht, flexibel und unzerbrechlich, allein bestimmt durch die Verpackung. Durch den geringen Materialverbrauch, die einfache Prozessierung mit Druck- und Beschichtungsprozessen und die Vermeidung kritischer Elemente wie Blei oder Cadmium ist der ökologische Fußabdruck, verglichen mit den o. g. anorganischen Varianten äußerst klein (Fraunhofer ISE o. J.). Wenn die Entwicklung organischer Solarzellen voranschreitet und eine massenweise Fertigung möglich wird, kann die chemische Industrie für einen nennenswert großen neuen Absatzmarkt zusätzliche Produkte fertigen.
Hauptsächlich gibt es zwei Arten für Photovoltaikanlagen:
Aufdachmontage: Aufdach-Photovoltaikanlagen sind eine weit verbreitete Möglichkeit für Eigenheime, Unternehmen und öffentliche Gebäude um ihren eigenen Strom zu erzeugen. Vorteile sind: Das vorhandene Dach kann optimal genutzt werden; das Dach wird vor eventuellen Umwelteinwirkungen zusätzlich geschützt; aufdach-montierte Anlagen sind meist schnell und einfach sowie mit geringem Wartungsaufwand zu installieren. . Nachteile sind höhere Kosten der Montage, mögliche Probleme bei der Befestigung und Tragfähigkeit, Platzbeschränkungen durch die Dachfläche sowie der unveränderliche Winkel des Daches (der nicht immer optimal zur Nutzung der Solarstrahlung ist).
Bodenmontage (Freiflächenmontage): Bodenmontierte Photovoltaikanlagen sind inzwischen ebenfalls weit verbreitet, werden aber vorwiegend von großen Unternehmen, professionellen Investoren bzw. Energieanbietern genutzt. Vorteile sind: Aufgrund ihrer Größe ist auch eine größer dimensionierte Stromerzeugung möglich; bodenmontierte Anlagen haben die Möglichkeit die festen Winkelbeschränkungen zu umgehen und sie haben einfache Wartungsmöglichkeiten. Nachteilig sind die Flächenbedarfe (“ganze Äcker”) und ihre optische Auffälligkeit (Landschaftsbild).
Bioenergie
Unter Bioenergie wird die energetische Nutzung biogener Energieträger verstanden. Biogene Energieträger sind pflanzlicher oder tierischer Herkunft. Zu den typischen biogenen Energieträgern zählen Holz und Stroh sowie ihre Derivate wie Holzschnitzel- oder -pellets. Aber auch Biogas aus der Vergärung von Bioabfällen, Ernterückständen oder von tierischen Abfällen wie Mist und Gülle-Exkremente. Obwohl bei der Verbrennung von Biomasse oder Biogas Kohlendioxid freigesetzt wird, wird die Erzeugung und Nutzung von Bioenergie als klimaneutral angesehen, denn das freigesetzte CO₂ wurde während des Pflanzenwachstums der Atmosphäre entzogen. Allerdings verursacht die Verbrennung von Biomasse weitere Luftschadstoffe wie NOX und insbesondere Feinstaub (Kamine im Eigenheim Bereich).
Der typische Einsatz von Biogas zur Energieerzeugung erfolgt über Blockheizkraftwerke (BHKW), die sowohl Wärme als auch Strom erzeugen. Problematisch ist der Anbau von Energiepflanzen wie z. B. Mais, Raps, Futterrüben, Hanf, Chinaschilf, schnellwachsende Bäume (Pappeln, Weiden), Zuckerrohr und Algen. In der Regel erfolgt deren Anbau in schnell wachsenden Monokulturen und haben damit einen erheblichen Einfluss auf Landschaft und Boden. Zudem kann der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zum Verlust von Biodiversität, die Düngung zur Belastung des Grundwassers und der Verbrauch von Trinkwasser zur regionalen Verknappung von Wasser führen (vgl. BUND o. J. sowie UBA 2021a). Des Weiteren ist der energetische Wirkungsgrad der Biomassenproduktion mit 0,5 – 1,5 Prozent (Pflanzenforschung 2020) wesentlich geringer als der von Photovoltaik , der in der Regel 15 – 22 Prozent beträgt (Eigensonne o. J.). Zudem gibt es eine Flächenkonkurrenz – anstelle von Energiepflanzen könnten auch Feldfrüchte oder Getreide angebaut werden – im Sinne des SDG 2 “Kein Hunger”. In diesem Zusammenhang wird die laut Bioökonomiestrategie der Bundesregierung verwiesen, nach der die Sicherung der weltweiten Ernährung stets Vorrang hat, also sofern Nutzungskonkurrenzen entstehen, die Ernährungssicherheit stets Priorität hat (Bundesregierung 2020). Mehr dazu in SDG 9 im Abschnitt Biogene Rest- und Abfallstoffe.
Erd- und Umgebungswärme
Eine Möglichkeit der Wärmeerzeugung ist die Nutzung von Temperaturunterschieden zwischen Gebäuden und ihrer Umgebung oder dem Erdreich mit Wärmepumpen. Eine Wärmepumpe funktioniert wie ein Kühlschrank oder eine Klimaanlage (Tagesschau 2022). Die Pumpe entzieht der Umgebung (z. B. dem Erdreich) mit einem Kältemittel Wärme und kühlt sie dabei ab. Ein Kompressor verdichtet das Kältemittel und erhöht dabei dessen Temperatur, die dann zur Raumheizung genutzt wird. Das Kältemittel kondensiert und gibt die Wärme frei. In einem Ventil verdampft das Kühlmittel wieder, kühlt sich dabei stark ab und kann aufs Neue der Umgebung Wärme entziehen. Zum Antrieb einer Wärmepumpe wird elektrischer Strom benötigt, der allerdings aus erneuerbaren Quellen stammen sollte. Bei der Nutzung von Erdwärme wird zwischen Tiefengeothermie und oberflächennaher Geothermie unterschieden.
Die oberflächennahe Geothermie nutzt den Untergrund bis zu einer Tiefe von ca. 400 m und Temperaturen von bis zu 25 °C für das Beheizen und Kühlen von Gebäuden, technischen Anlagen oder Infrastruktureinrichtungen. Hierzu wird die Wärme oder Kühlenergie aus den oberen Erd- und Gesteinsschichten oder aus dem Grundwasser gewonnen. Als Tiefengeothermie bezeichnet man die Nutzung der Erdwärme in Tiefen zwischen 400 und 5.000 Metern. Im Vergleich zur oberflächennahen Geothermie sind dort die Temperaturen weitaus höher. Der Vorteil der Geothermie ist ihre ständige Verfügbarkeit. Die geothermische Stromerzeugung in Deutschland steht noch am Anfang und ist noch ausbaufähig.
Die energieintensive chemische Grundstoffindustrie benötigt oftmals Temperaturen von weit über 500 °C. Diese sind über geothermische Quellen, selbst über Tiefengeothermie, nicht realisierbar. Lokal können geothermisch in ganz Deutschland Temperaturen bis zu 140 °C bereitgestellt werden. Reicht dieses nicht aus, ist zukünftig die Erhöhung der Temperatur möglich, z. B. in Kombination mit Hochtemperatur-Großwärmepumpen. Perspektivisch sind in solchen Verfahrenskombinationen Prozesswärme- und Prozessdampferzeugungen bis zu 500 °C denkbar (Fraunhofer IEG 2022).
Beleuchtung
Beleuchtung ist in allen Berufen ein Handlungsfeld, bei dem viel Energie eingespart werden kann. Der Standard für Energieeffizienz in der Beleuchtung sind LED-Lampen und LED-Röhren. In 2009 wurde die “Glühbirne” aus Initiative der EU vom Markt genommen, anstelle dessen wurde im breiten Umfange die Energiesparlampe bzw. Leuchtstofflampe (Fachbegriff:Kompaktleuchtstofflampen) verwendet, die bei gleiche Lichtstärke wie eine 75 Watt Glühbirne nur rund 10 Watt verbrauchte. Die technische Entwicklung ging jedoch weiter hin zu LED-Lampen, die wiederum im Vergleich zur Glühbirne rund 70 Prozent bis 90 Prozent der Energie einsparen (enterga o. J., energieexperten o. J.). In Haushalten und kleinen Gewerbebetrieben ohne eigene Produktion fallen rund 10 Prozent des Stromverbrauchs für die Beleuchtung an – dies sind zwischen 350 und 600 kWh/a.
Die Bedeutung des technischen Wandel weg von der Glühbirne (und auch der Halogenbirne) hin zu LED-Technik lässt sich im Rückblick zeigen. In 2003 wurden ca. 71 TWh/a (Terawattstunden pro Jahr) Strom für die Beleuchtung verwendet. Dies waren 71.000 Gigawattstunden. Ein Atomkraftwerk erzeugt zwischen 9.000 und 13.000 GWh Strom, rein rechnerisch mussten fast 9 Atomkraftwerke nur die Beleuchtung laufen (in 2003, stromrechner.com o.J.).
Für Gewerbetreibende mit Büro und Werkstatt sind die LED-Leuchtstoffröhren besonders interessant, da bisher immer Leuchtstofflampen installiert wurden. Heutzutage gibt es LED-Röhren, die ohne Umbau in die vorhandenen Lichtkästen eingebaut werden können. Nur das Vorschaltgerät muss ggf. ausgewechselt werden. Die Einsparung liegt bei 50 Prozent des bisher genutzten Stroms (LEDONLINE o. J.). Die Vorteile neben der Energieeinsparung sind offensichtlich: Die Röhren zerbrechen nicht, sie enthalten kein Quecksilber, sie flimmern nicht und haben einen hohen Leistungsfaktor (ebd.)
Eine weitere mögliche Stellschraube bei der Beleuchtung ist die Verwendung von Strom aus regenerativen Energiequellen. Eine eigene PV-Anlage auf dem Bürogebäude oder auf dem Betriebsgelände in Verbindung mit einem Batteriespeicher kann erheblich Strom aus Sonnenlicht bereitstellen. Allerdings ist die Solarstrahlung in den Wintermonaten – gerade dann, wenn die Anzucht stattfindet, nur gering. In diesem Falle sollte zumindest der Strom aus erneuerbaren Energien – im Winter fast ausschließlich aus Windenergie – bezogen werden.
Rationelle Energienutzung und Energiesparen
Neben dem Einsatz erneuerbarer Energien zählt auch die rationelle Energienutzung zu den Maßnahmen, um das Energiesystem in Richtung Nachhaltigkeit zu transformieren. Typische Handlungsfelder der rationellen Energienutzung sind die Energieeffizienz und das Energiesparen, die beide eng miteinander verknüpft sind.
Energieeffizienz: Bei der Energieeffizienz geht es darum, Geräte und Maschinen zu nutzen, die bei gleicher Funktionserfüllung einen geringeren Energiebedarf haben. Effizienz ist dabei eine relationale Größe, die sich auf mindestens zwei vergleichbare Arten bezieht, Energie zu nutzen. Durch optimierte Prozesse sollen die quantitativen und qualitativen Verluste, die im Einzelnen bei der Umwandlung, dem Transport und der Speicherung von Energie entstehen, minimiert werden, um einen vorgegebenen (energetischen) Nutzen bei sinkendem Primär- bzw. Endenergieeinsatz zu erreichen.
Energieeffizienzkennzeichnung: In der EU gibt die Energieeffizienzkennzeichnung gemäß Verordnung (EU) 2017/1369 Auskunft über die Energieeffizienz von Elektrogeräten und weiteren Energieverbrauchern. Die Kennzeichnung erfolgt für verschiedene Gerätegruppen in Form von Etiketten auf den Geräten und in Werbematerialien. Ab dem Jahr 2021 erfolgt die Kennzeichnung der Energieeffizienz in Form von Effizienzklassen. Deren Skala reicht von „A“ bis „G“, wobei Geräte mit der höchsten Effizienz mit der Kennzeichnung “A” ausgezeichnet werden. Daneben gibt es zahlreiche weitere Kennzeichen. Bekannt ist der amerikanische Energy Star für energiesparende Geräte, Baustoffe, öffentliche/gewerbliche Gebäude oder Wohnbauten. Der Energy Star bescheinigt die jeweiligen Stromspar Kriterien der US-Umweltschutzbehörde EPA und des US-Energieministeriums (www.energy star.gov). Auch nationale Umweltzeichen wie der Blaue Engel können, je nach ausgezeichnetem Produkt, aufgrund vergleichsweise hoher Energieeffizienz vergeben werden (www.blauer-engel.de). Für PKW’s gibt es ein eigenes Kennzeichen, welches die Bewertung und Kennzeichnung der Energieeffizienz neuer Personenkraftwagen hinsichtlich Kraftstoff- und Stromverbrauch regelt (Pkw-EnVKV 2020).
Stromsparen: Die Abgrenzung des Energiesparens zur Energieeffizienz ist allerdings nicht immer eindeutig, denn die Nutzung eines energieeffizienten Gerätes stellt immer auch eine Energieeinsparung gegenüber einem weniger effizienten Gerät dar. Die wichtigsten Stromsparmaßnahmen im Haushalt sind energieeffiziente Geräte (Kühl- und Gefriergeräte, Flachbildschirme u.a.m.) sowie LED-Beleuchtung. Eine Vielzahl von Energiespartipps sind z.B. bei CO₂-Online zu finden (ebd. o. J.). Selbst kleine Maßnahmen wie Reduzierung des Standby-Verbrauchs summieren sich im Großen (UBA 2015). EU-weit werden die Leerlaufverluste auf jährlich 51 Mrd. Kilowattstunden geschätzt. Dies entspricht einer Energiemenge, die etwa 14 Großkraftwerke mit jeweils 800 Megawatt Leistung pro Jahr erzeugt und dabei etwa 20 Mio. t CO₂ in die Atmosphäre emittieren (ebd.).
Mobilität
Im Rahmen der sogenannten Verkehrswende spielt die Dekarbonisierung der Antriebe eine zentrale Rolle, denn die Treibhausgasemissionen der Mobilität sind, mit rund 149 Mio. t CO2-Äq bzw. fast 20 Prozent aller CO2-Emissionen allein in Deutschland im Jahr 2021, maßgeblich für den Klimawandel verantwortlich (UBA 2022). Differenziert nach verschiedenen Verkehrsarten zeigt sich, dass der Straßengüterverkehr 2020 rund 46 Mio. t CO2-Äq bzw. 30 Prozent der Verkehrsemissionen verursacht (ebd.) hat. Es sind somit zwei Trends wirksam: Zum einen eine Minderung der Emissionen (insbesondere der Schadstoffe), die aber bei LKWs deutlich größer sind (-32 Prozent) als bei PKWs (-5 Prozent). Zum anderen stieg für beide die Zahl der gefahrenen Kilometer – die PKW-Fahrleistung hat sich seit 1995 verdoppelt, die des Güterverkehrs per LKW ist um 74 Prozent gestiegen (ebd.).
Nutzungsverhalten
Neben der Umrüstung der Dienstwagen auf elektrische Antriebe sollte auch der individuelle Umgang mit Mobilität überdacht werden. Es können beispielsweise THG-Emissionen eingespart werden, wenn die Mitarbeitenden zu Fuß oder mit dem Rad zum Arbeitsplatz im Handel kommen, sofern aus gesundheitlichen Gründen oder einer zu großen Distanz zum Arbeitsort nichts dagegen spricht. Zudem kann der Betrieb die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel z. B. durch ein Jobticket attraktiver gestalten. Auch die Förderung von Dienstfahrrädern ist in einigen Städten und Kommunen möglich. Zusätzlich ist die Bildung von Fahrgemeinschaften denkbar, wenn es sich von den Arbeitszeiten und den Wegen anbietet. Strecken, die mit dem Auto gefahren werden müssen, sollten optimiert werden (Routenoptimierung), insbesondere gilt dies für den Transport von Waren. Außerdem hat die Fahrgeschwindigkeit einen erheblichen Einfluss auf die ausgestoßenen THG-Emissionen. Laut Umweltbundesamt verursachten im Jahr 2020 Pkw und leichte Nutzfahrzeuge auf Bundesautobahnen in Deutschland THG-Emissionen in Höhe von rund 30,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Durch die Einführung eines generellen Tempolimits von 120 km/h auf Bundesautobahnen würden die Emissionen um jährlich 2,0 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente reduziert und ein Tempolimit von 100 km/h würde sie um 4,3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr mindern (UBA 2022b). Auch ohne generelles Tempolimit kann jede*r die Fahrgeschwindigkeit reduzieren, das spart nicht nur THG-Emissionen sondern auch Kosten ein (mobile.de 2020). Denn bei hohen Geschwindigkeiten verbrauchen Fahrzeuge überdurchschnittlich viel Kraftstoff. Nach Angaben des ADAC verbraucht ein Mittelklasseauto um bis zu zwei Drittel mehr Kraftstoff, wenn es statt 100 km/h mit 160 km/h fährt (ebd.).
Logistik
Die Wahl der Transportmittel hat einen unmittelbaren Einfluss auf die Treibhausgasemissionen, wie folgende Tabelle zeigt (Statista 2022b, UBA 2021b, FIS 2012, carboncare o.J):
Transportmittel | Durchschnittliche CO2-Emissionen pro Tonnenkilometer in Gramm |
Hochsee-Massengutfrachter (UBA bzw. carboncare) | 17 bzw. 6-7 |
Lkw (alle Quellen) | 105 bis 118 |
Binnenschiff (FIS 2012, Statista 2022b und UBA 2021b) | 30 – 33 |
Güterzug (UBA 2021b und Statista 2022b) | 16 bis 17 |
Geschäftsreisen
Bei Geschäftsreisen besteht vielfach die Wahl zwischen Bahn und Pkw-Nutzung, wobei die PKW-Nutzung im Mittel zum Vier- bis Fünffachen an CO2-Emissionen führt (Mein Klimaschutz o. J.). Bei innerdeutschen Flügen ist man oder Frau aufgrund der langen Check-In-Zeiten im Prinzip kaum schneller als mit der Bahn. Hier kann der UmweltMobilCheck der Deutschen Bahn eine Orientierung geben (DB o. J.). Eine Fahrt von Berlin nach Hamburg führt bei Pkw-Nutzung zu etwa 54 kg CO2-Äq, bei Bahnnutzung zu 0,03 kg CO2-Äq.
Sollten Geschäftsreisen mit dem Flugzeug gelegentlich unvermeidbar sein, bieten sich Kompensationsmodelle zum Ausgleich der Klimawirkung an, bei denen eine Klimakompensation erfolgt. Hierbei wird ein Geldbetrag entsprechend der verursachten Emissionen überwiesen und dieser wird in Klimaschutzprojekte investiert z.B. in den Moorschutz oder Wiederaufforstung (vgl. atmosfair o. J.). Bei einem Hin-und Rückflug von Berlin nach Shanghai entstehen ca. 4.800 kg CO2 Emissionen. Diese können durch 111 € Ausgleichszahlung kompensiert werden.
Fuhrpark für den motorisierten Individualverkehr
Der motorisierte Individualverkehr (MIV) wird mit Pkw´s durchgeführt. Alle Unternehmen besitzen zumindest ein Fahrzeug für den Geschäftsführer, größere Unternehmen stellen Dienstfahrzeuge, große Unternehmen haben ganze Fahrzeugflotten. Laut Statista gab es 2020 mehr als 5 Millionen Pkw’s mit einem gewerblichen Fahrzeughalter (ca. 11 Prozent des Fahrzeugbestandes, Statista 2022b). Um die Emissionen im Verkehr deutlich zu reduzieren – dies ist unbedingt notwendig, um die international vereinbarten Klimaziele zu erreichen – muss der Fuhrpark auf emissionsarme Fahrzeuge umgestellt werden. Bei der Umstellung des betrieblichen Fuhrparks von Fahrzeugen mit (fossilen) Verbrennungsmotoren auf alternative Antriebskonzepte stehen derzeit Elektrofahrzeuge mit unterschiedlichen Antriebskonzepten, Wasserstofffahrzeuge mit Brennstoffzellen sowie die Nutzung biogener Kraftstoffe in der Diskussion:
Hybrid-Fahrzeuge: Es gibt verschiedene Typen wie Mild-Hybrid, Voll-Hybrid, Plug-in-Hybrid oder Range Extender, die einen mehr oder weniger starken Verbrenner mit einem Elektroantrieb kombinieren. Solange die Reichweite reiner E-Autos noch begrenzt ist, wird es auch diese Fahrzeuge geben.
Elektroauto mit Batterie: Ein vollelektrisches Fahrzeug (BEV) wird ausschließlich von einem batteriebetriebenen Elektromotor angetrieben. Der wird über das Stromnetz aufgeladen, das heißt: er benötigt keinen fossilen Kraftstoff. Dadurch fährt das Fahrzeug zu 100 Prozent emissionsfrei. Allerdings ist hier der Strommix von Bedeutung: Der Anteil von Gas und Kohle führt zu Emissionen bei der Stromerzeugung.
Elektroauto mit Brennstoffzelle: Ein Brennstoffzellenauto (FCEV) wird ausschließlich von einem Elektromotor angetrieben. Der Strom wird in einer Wasserstoff-Brennstoffzelle erzeugt. Bei der Nutzung von Wasserstoff in Fahrzeugen ist von entscheidender Bedeutung, dass dieser mit elektrischem Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt wird, ein sogenannter grüner Wasserstoff – denn nur dann ist sein Einsatz in Fahrzeugen CO2-frei und damit klimaneutral. Die Herstellung von grünem Wasserstoff erfolgt mittels Elektrolyse von Wasser.
Biogene Kraftstoffe: Hier wird der Kraftstoff aus Pflanzen erzeugt. Dies können Öl-Pflanzen wie Raps sein, aus denen Biodiesel, oder Zuckerrohr, aus dem Ethanol erzeugt wird. Letzteres ist z. B. in Brasilien eine wichtige Kraftstoffquelle. Die Antriebstechnik ist vergleichbar mit konventionellen Verbrennungsmotoren mit der Ausnahme, dass das bei der Verbrennung entstehende CO2 klimaneutral ist, denn die bei der Verbrennung freigesetzte CO2-Menge entspricht in etwa derjenigen Menge, die die Pflanze während ihres Wachstums mittels Photosynthese der Atmosphäre entzogen hatte.
Wie wird sich die individuelle und die gewerbliche Mobilität der Zukunft gestalten? Vermutlich wird es die Elektromobilität mit Batterien für Pkw und kleine Nutzfahrzeuge bis 3,5 Tonnen sein. Von entscheidender Bedeutung ist, dass der elektrische Strom zur Ladung der Fahrzeugbatterie mit erneuerbaren Energien erzeugt wird. Bei Lkw in der Klasse ab 7,5 t ist die Frage noch nicht beantwortet – hier konkurrieren Elektromobilität mit Batterien und Fahrzeuge mit Brennstoffzellen noch miteinander.
Aus Sicht der chemischen und biotechnologischen Industrie, kann es im Sinne der Knappheit von Ackerflächen und biogenen Reststoffe wünschenswert sein, dass hochwertige Kohlenstoffe, die derzeit als biogene Kraftstoffe diskutiert werden, an möglichst vielen Stellen durch elektrische oder Wasserstoffantriebe ersetzt werden. In diesem Fall bleiben mehr organische Ressourcen zur stofflichen Verfügung frei.
Nutzungsverhalten
Neben der Umrüstung der Dienstwagen auf elektrische Antriebe sollte auch der individuelle Umgang mit Mobilität überdacht werden. Es können beispielsweise THG-Emissionen eingespart werden, wenn die Mitarbeitenden zu Fuß oder mit dem Rad zum Arbeitsplatz im Handel kommen, sofern aus gesundheitlichen Gründen oder einer zu großen Distanz zum Arbeitsort nichts dagegen spricht. Zudem kann der Betrieb die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel z.B. durch ein Jobticket attraktiver gestalten. Auch die Förderung von Dienstfahrrädern ist in einigen Städten und Kommunen möglich. Zusätzlich ist die Bildung von Fahrgemeinschaften denkbar, wenn es sich von den Arbeitszeiten und den Wegen anbietet. Strecken, die mit dem Auto gefahren werden müssen, sollten optimiert werden (Routenoptimierung), insbesondere gilt dies für den Transport von Waren. Außerdem hat die Fahrgeschwindigkeit einen erheblichen Einfluss auf die ausgestoßenen THG-Emissionen. Laut Umweltbundesamt verursachten im Jahr 2020 Pkw und leichte Nutzfahrzeuge auf Bundesautobahnen in Deutschland THG-Emissionen in Höhe von rund 30,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Durch die Einführung eines generellen Tempolimits von 120 km/h auf Bundesautobahnen würden die Emissionen um jährlich 2,0 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente reduziert und ein Tempolimit von 100 km/h würde sie um 4,3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr mindern (UBA 2022b). Auch ohne generelles Tempolimit kann jede*r die Fahrgeschwindigkeit reduzieren, das spart nicht nur THG-Emissionen sondern auch Kosten ein (mobile.de 2020). Denn bei hohen Geschwindigkeiten verbrauchen Fahrzeuge überdurchschnittlich viel Kraftstoff. Nach Angaben des ADAC verbraucht ein Mittelklasseauto um bis zu zwei Drittel mehr Kraftstoff, wenn es statt 100 km/h mit 160 km/h fährt (ebd.).
Energiespeicherung
Eine zentrale Herausforderung bei der Nutzung erneuerbarer Energien ist ihre Fluktuation, denn Solarstrahlung steht nachts nicht zur Verfügung und auch der Wind weht nicht kontinuierlich. Eine ausgeglichene Balance von Stromerzeugung und Stromnachfrage ist aber unabdingbar für die Versorgungssicherheit sowie die Netzstabilität. Um eine gleichmäßige Frequenz im Stromnetz aufrechtzuerhalten, müssen Erzeugung und Nutzung aufeinander abgestimmt werden. Andernfalls muss die Differenz und mögliche Frequenzschwankungen durch die sogenannte Regelenergie ausgeglichen werden. Möglichkeiten dazu sind:
- Abschaltung von EE-Anlagen (geringere Einspeisung)
- Zuschaltung von Speicherkraftwerken (höhere Einspeisung)
- Abschaltung großer Verbraucher (geringere Entnahme)
Die Abschaltung ist aber unökologisch und unwirtschaftlich. Um dies zu vermeiden, bieten sich Energiespeicher an, die bei Bedarf zugeschaltet werden. Diese sind:
Pumpspeicherkraftwerke: Kostengünstig, nur für gebirgige dünn besiedelte Regionen (z. B. Norwegen, Öst. Alpen), benötigen einen Netzanschluss z. B. durch sehr lange und teure DC-Leitungen z. B. durch die Ost- und Nordsee bei norwegischen Speichern.
Druckluft: Einfache Technologie, gut nutzbar bei Anbindung an Windkraftanlagen, aber nur begrenztes Speicherpotential und bisher eher ein Forschungsgegenstand.
Schwungräder: Einfache Technologie, aber hohe Masse des Rades und noch in der Entwicklung.
Chemisch als Wasserstoff: Elektrolyse von Wasser zur Stromerzeugung, gut erforscht für Kleinanlagen, derzeit erfolgt ein großtechnischer Aufbau, wichtiger Zielkonflikt: Wasserstoff ist auch relevant für die Stahl-, Zement- und chemische Industrie sowie zum Antrieb von LKWs (evt. Flugzeuge), teure Technologie.
Chemisch als Methan: Elektrolyse von Wasser zur Stromerzeugung, dann Reduktion von CO₂ zu Methan (CH4), relevant für Gebäudeheizungen, Konkurrenz zur stofflichen Nutzung von Methan in der chemischen Industrie, teure Technologie.
Allen obigen Technologien ist gemeinsam, dass die Umwandlung von Kraft oder innerer Energie immer mit hohen Verlusten verbunden ist, aufgrund der Thermodynamik (Wärmeverluste). Bekannt ist dies auch aus dem geringen Wirkungsgrad von Verbrennungskraftmaschinen (Motoren). Nach derzeitigem Stand der Technik bieten sich als Stromspeicher nur unterschiedliche Batterietypen an. Im Folgenden werden die verschiedenen Technologien besproche und auf Probleme der Nachhaltigkeit eingegangen:
Lithium-Ionen-Batterien (GRS o. J.) Dieser Batterietyp ist derzeit der wichtigste, sowohl für die Versorgung von Kleingeräten (Mobiltelefone, Tablet, Notebooks, Werkzeuge) als auch für Fahrzeuge und Fahrräder sowie als Hausspeicher. Batterien im Kleinstbereich und für die Elektromobilität müssen ein geringes Gewicht beim höchsten Energiegehalt haben. Weitere Faktoren sind die Kosten, die Brandsicherheit, die Ladefähigkeit und die Lebensdauer. Bei dieser Batterie übernehmen Lithium-Ionen den Stromtransport, es erfolgt keine chemische Reaktion sondern nur eine Ionen-Einlagerung). Die Kathode enthält Cobaltoxid (CoO), die Anode besteht aus Graphit. Als Elektrolyt dienen Li-organische Verbindungen. Die Vorteile sind die höchste Energiedichte aller im großen Maßstab produzierten Batterien, kein Memory-Effekt und eine gute Zyklenfestigkeit. Die Nachteile sind ein hoher Preis, ein aufwändiges Zellmanagement aufgrund der geringen Größe und damit verbunden einer hohen Anzahl von Zellen. Aus Sicht der Nachhaltigkeit ist insbesondere die Gewinnung von Cobalt in Sambia und der Demokratischen Republik Kongo, dem wichtigsten aller Lieferländer, sehr gewichtig, da dies meist illegal (FAZ-net 2022, Safe the Children 2022) und unter Zerstörung der Natur abgebaut wird. Lithium hingegen ist ein Salz, das in verschiedenen Ländern in Salzseen vorkommt. Der größte Produzent ist Australien (51.000 t) vor Chile (13.000 t). Hierbei spielt insbesondere die Bereitstellung von Wasser und die Abwasserbehandlung eine wichtige Rolle, da die Gewinnung meist in ariden Regionen stattfindet. Die bekannten Reserven übersteigen die Bedarfe um ein Vielfaches, Lithium ist somit kein “knappes” Metall (ebd.)
Lithium-Eisenphosphat-Batterien (Energieexperten 2019; Pylontech o. J.; RCT Power o. J.): Diese Batterien befinden sich derzeit in einer intensiven Phase der Weiterentwicklung und werden vermutlich ein Ersatz für die Lithium-Ionen-Batterien in vielen Bereichen (Wohnungen, Lkw, gewerbliche Anlagen mit geringeren Stromverbräuchen) sein. Anstelle von Cobalt wird Eisen in der Kathode verwendet, die Anode besteht aus Graphit. Sie benötigen nur Nur 80 g Li (4,5 Gewichts-%, LiCo-Batterien 160 g Li) für 1.000 Wh und haben ein geringes Brandrisiko aufgrund der geringen Energiedichte (<90 Wh/kg) sowie keinen freien Sauerstoff in der Redoxreaktion. Der Memory-Effekt ist vernachlässigbar, der Wirkungsgrad beträgt 93-98 Prozent. Sie haben zudem eine hohe Zyklenfestigkeit (mehr als 6.000) bei geringem Kapazitätsverlust (5 Prozent). Zum Vergleich: Ein Blei Akku hält rund 600 Ladezyklen. Lithium-Phosphat-Batterien werden sowohl für mobile als auch stationäre Anwendungen verwendet, sowohl im Eigenheim Bereich als Speicher für PV-Strom bis hin zu Großanlagen. Tesla ist hierbei einer der Vorreiter. Das Unternehmen hat 2017 in Australien den (damaligen) größten Energiespeicher mit Lithium-Batterien errichtet: 100 MW Leistung und 125 MWh Speicherkapazität. Inzwischen gibt es aber Speichersysteme mit einer Kapazität bis zu 300 MWh.
Lithium-Mangandioxid (GRS o.J.): Dieser Batterietyp ist besonders wichtig in der Elektronik, da Lithium die größte Kapazität hat (ca. 4 Ah/g). Lithium ist aber auch sehr wasserempfindlich (auch Feuchte), weshalb die Batterien feuchtedicht verkapselt werden müssen. Die Kathode besteht aus Mangandioxid, die Anode aus Lithium, der Elektrolyt ist organisch. Die Vorteile sind eine hohe Energiedichte, sie sind lagerfähig, es findet nur eine geringe Selbstentladung statt und es sind extrem dünne Batterien möglich (0,4 mm). Die Nutzung erfolgt vor allem für Langzeit-Anwendungen in der Elektronik, bei IKT, in der Messtechnik und der Fotographie. Aus Sicht der Nachhaltigkeit ist anzumerken, dass es Einweg-Batterien sind. Ein Recycling ist prinzipiell möglich, aber die Rückführung ist schwierig, da beispielsweise Batterien vor allem über Verkaufsstellen gesammelt werden. Mangan ist ein häufiges Metall ohne besondere gefährliche Eigenschaften, es spielt eine wichtige Rolle in der Photosynthese in Pflanzen. Es wird aus Erzen gewonnen. Aus der Nachhaltigkeitsperspektive sind derzeit keine besonderen Bedenken vorhanden.
Redox-Flow-Batterien (RF-Batterie, Batterieforum o. J.; Wikipedia o. J.): Die Basis dieser Batterie ist eine redox-aktive Flüssigkeit in einem Tank, die mit einer zweiten Flüssigkeit in dem anderen Tank (reversibel) reagiert. Ein Beispiel ist eine Vanadium-Salz-Batterie, bei der Vanadium unterschiedliche Oxidationszustände einnimmt. Die Leistung ist unabhängig von der Kapazität von Anolyt und Katholyt, sie ist skalierbar durch das Volumen und den Salzgehalt. Zentral ist eine ionenselektive Membran, die den ganzen Prozess erst möglich macht (im Unterschied zu obigen Batterietypen). Der Wirkungsgrad erster Großanlagen soll bei größer 60 Prozent liegen, die Zyklenfestigkeit bei größer 10.000. Vorteile sind die Millisekunden-Ansprechbarkeit, keine Selbstentladung, und der geringe Wartungsaufwand. Der Nachteil ist die geringe Energiedichte (10 – 25 Wh/l). Anwendungsmöglichkeiten sind das Lastmanagement und die Möglichkeit für “Back-up-Power”, d. h. die Stabilisierung des Stromnetzes. Die bisher größte Batterie dieses Typs wurde 2013 in China errichtet aus zehn Einheiten a 20 MW und einer Speicherkapazität von 800 MWh. Zum Vergleich: Das größte Pumpspeicherkraftwerk in Deutschland (Markersbach) hat eine Speicherkapazität von 4.000 MWh und eine Leistung von 1.050 MW. Vanadium ist ein häufiges Metall ohne besondere gefährliche Eigenschaften, es spielt eine wichtige Rolle in der Phosphorylierung in allen Lebewesen. Es wird aus Erzen und Erdölrückständen gewonnen. Aus der Nachhaltigkeitsperspektive sind derzeit keine besonderen Bedenken vorhanden.
Rohstoffe für Akkus
Für den Umstieg auf EE werden allgemein Speichermedien benötigt. Im Strombereich sind dies z. B. Akkus für E-Autos. Bisher erfolgt der Abbau des hierfür meist genutzten Lithiums häufig weder sozial noch umweltverträglich, z. B. in Lateinamerika. Eingesetzte Chemikalien und Schwermetalle werden freigesetzt. Kinderarbeit kommt immer noch vor. Dies muss aber nicht sein. Wie auch in anderen Bereichen des Bergbaus kann Verbot von Kinderarbeit, eine ökologische und soziale Zertifizierung (Fairtrade) zu “besserem” Lithium führen (Schulz, 2020).
Unabhängig davon ist es wichtig, möglichst wenig Lithium zu verbrauchen, was nur durch eine hohe Recyclingrate gewährleistet werden kann. Hierzu wurden bereits unterschiedliche Verfahren entwickelt, die in den nächsten Jahrzehnten einen wachsenden Anteil des weltweiten Lithiumbedarfs decken können (Buchert et al. 2020).
Quellenverzeichnis
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SDG 8 Menschenwürdige Arbeit
“Dauerhaftes, inklusives und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern”
In der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie wird zum SDG 8 auf das Leitbild „Soziale Marktwirtschaft“ verwiesen (Bundesregierung 2021: 2214):
„Soziales Ziel ist es, unternehmerische Freiheit und funktionierenden Wettbewerb mit sozialem Ausgleich und sozialer Sicherheit zu verbinden. Mit Hilfe der Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft, wie fairer Wettbewerb, Unternehmerverantwortung, Sozialpartnerschaft, Mitbestimmung und gerechte Verteilung des erwirtschafteten Wohlstands, werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass wir auch in Zukunft noch Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung haben.“
Hinsichtlich des SDG 8 sind zwei Ebenen zu betrachten: Eine nationale Ebene und die globale Ebene.
Auf der nationalen Ebene steht Deutschland laut der „European Working Survey” hinsichtlich der Arbeitsbedingungen sehr gut da – 89 Prozent der Befragten geben an, mit ihrem Job zufrieden zu sein und 91 Prozent bestätigen einen fairen Umgang mit ihnen als Arbeitnehmer*innen (Eurofound 2021). Jedoch zeigt der Index “Gute Arbeit” des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) detailliert, dass es in manchen Branchen, wie dem Gesundheitssektor und bei Beschäftigten in Leiharbeitsverhältnissen noch große Defizite gibt (DGB 2022). Besonders negativ sind hierbei die Kriterien “Arbeitsintensität” und “Einkommen” aufgefallen, die notwendigen Handlungsbedarf in Berufsbildern aufzeigen.
Auch wenn Kinderarbeit und Sklaverei in Deutschland keine Rolle spielen, so ist die Umsetzung der verschiedenen Unterziele des SDG 8 eine dauerhafte Aufgabe im Sinne einer kontinuierlichen Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Noch ein zweites gilt: Aufgrund der komplexen Lieferketten müssen Unternehmen Verantwortung für ihre Produkte auch in den Ländern, wo diese hergestellt werden, übernehmen. An dieser Stelle sollen folgende Unterziele betrachtet werden:
8.5 Bis 2030 produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle Frauen und Männer, einschließlich junger Menschen und Menschen mit Behinderungen, sowie gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit erreichen
8.6 Bis 2020 den Anteil junger Menschen, die ohne Beschäftigung sind und keine Schul- oder Berufsausbildung durchlaufen, erheblich verringern
8.b Bis 2020 eine globale Strategie für Jugendbeschäftigung erarbeiten und auf den Weg bringen und den GLOBALEN BESCHÄFTIGUNGSPAKT DER INTERNATIONALEN ARBEITSORGANISATION umsetzen (ILO o. J.; Destatis o. J.)
8.7 Sofortige und wirksame Maßnahmen ergreifen, um Zwangsarbeit abzuschaffen, moderne Sklaverei und Menschenhandel zu beenden und das Verbot und die Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit, einschließlich der Einziehung und des Einsatzes von Kindersoldaten, sicherstellen und bis 2025 jede Form von Kinderarbeit ein Ende setzen
8.8 Die Arbeitsrechte schützen und sichere Arbeitsumgebungen für alle Arbeitnehmer, einschließlich der Wanderarbeitnehmer, insbesondere der Wanderarbeitnehmerinnen, und der Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen, fördern.
Die Schnittstellen zur neuen Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ ergibt sich über die Beachtung der gesellschaftlichen Folgen des beruflichen sowie der zu entwickelnden Beiträge für ein nachhaltiges Handeln (BMBF 2022)
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Menschenwürdige Arbeit
Menschenwürdige Arbeit in Deutschland bedeutet vor allem Arbeit, die sich zumindest an internationalen Standards orientiert. Formuliert sind diese in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Vereinte Nationen 1948; UN-Charta, Artikel 23 und 24). Als “menschenunwürdige Arbeit” werden Kinderarbeit, Sklavenarbeit und teilweise Leiharbeit bezeichnet sowie Merkmale bei den Beschäftigungsverhältnissen, die sich nicht an den o. g. Regelwerken orientieren, wie “fehlende soziale Sicherheit”, “mangelnder Arbeitsschutz”, “Ausnutzung von Scheinselbstständigen” und “Ungleichbehandlung von Frauen”.
Saisonarbeit
Alle bei einem in Deutschland ansässigen Unternehmen befristet angestellte Arbeitnehmer: innen aus anderen Ländern werden als Saisonarbeiter bezeichnet. Laut Definition in den relevanten Vorschriften üben sie eine Tätigkeit aus die “aufgrund eines immer wiederkehrenden saisonbedingten Ereignisses oder einer immer wiederkehrenden Abfolge saisonbedingter Ereignisse an eine Jahreszeit gebunden sind, während der Bedarf an Arbeitskräften den für gewöhnlich durchgeführte Tätigkeiten erforderlichen Bedarf in erheblichem Maße übersteigt” (Zoll 2022). Folgende Bereiche setzen Saisonarbeitskräfte ein:
- Tourismus: Gaststätten, Hotels für Kellner: innen, Küchenpersonal, Zimmerservice und in Betrieben, die nicht ganzjährig geöffnet sind, wie Biergärten und Skihütten, oder auch zur Abdeckungvon Arbeitsspitzen in Ausflugslokalen.
- Schaustellergewerbe auf Volksfesten, Jahrmärkten etc.
- In der Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau (Erntehilfen in Sonderkulturbetrieben wie Obst-, Gemüse- oder Weinbau).
DGB Index Gute Arbeit
Die Qualität von Arbeitsbedingungen wird seit 2012 aufgrund von 42 standardisierten Fragen in einer bundesweiten repräsentativen Erhebung ermittelt (DGB 2022). Elf Kriterien der Arbeitsqualität werden abgefragt. Im November 2022 wurde der DGB-Index Gute Arbeit 2022 veröffentlicht. Wie schon in den vorangegangenen Jahren gibt es zu den Kriterien „Arbeitsintensität“ und „Einkommen“ erheblich kritische Bewertungen.
Der Index 2022 zeigt z. B. für die Branchen „Metallerzeugung und –bearbeitung“ (64), „Ver- und Entsorgung“ (69), „Baugewerbe“ (66), „Gastgewerbe“ (62), „Information und Kommunikation“ (69), „Finanz- und Versicherungsdienstleistungen“ (68) und „Gesundheitswesen“ (62) auf, dass die Arbeitsbedingungen noch weit entfernt sind vom Anspruch „Gute Arbeit“.
In der ausführlichen Debatte über die Detailergebnisse für 2022 sticht hervor, dass Beschäftigte in Leiharbeitsverhältnissen ihre Situation auffällig schlecht bewerten (ebd.).
„Auf Branchenebene kommen Beschäftigte aus dem Gastgewerbe und dem Gesundheitswesen auf die niedrigsten Indexwerte (jeweils 62 Punkte). In der Informations- und Kommunikationsbranche (IuK) liegt der Wert dagegen bei 69 Punkten. Auch in den Branchen treten auf Ebene der Teilindizes zum Teil sehr große Unterschiede zutage. Beim Teilindex „Ressourcen“ kommen IuK-Beschäftigte auf 75 Indexpunkte, Arbeitnehmer*innen aus der Metallerzeugung und -bearbeitung dagegen lediglich auf 68 Punkte. Die höchsten Belastungen finden sich im Bereich Erziehung und Unterricht (54 Punkte) sowie im Gesundheitswesen (56 Punkte), wo häufig sowohl physische als auch psychische Belastungsfaktoren auftreten. Die größte Diskrepanz auf Branchenebene zeigt sich bei der Bewertung von „Einkommen und Sicherheit“. Hier liegen die Befragten aus dem Gastgewerbe mit 54 Punkten um 16 Punkte unter dem Wert der Beschäftigten aus der öffentlichen Verwaltung (70 Punkte).“ (a.a.O., S. 13)
Darüber hinaus zeigt der Blick in einzelne Branchen und Berufsgruppen, dass noch immer körperliche Belastungen in vielen Bereichen sehr verbreitet sind (ebd.:S. 19).
Einen wesentlichen Einfluss auf die Bewertung der eigenen Arbeitsbedingungen haben die Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten im Arbeitskontext. Im Zusammenhang mit nachhaltiger Entwicklung ist das Kriterium „Sinn der Arbeit“ eine wesentliche Ressource zur Beurteilung der eigenen Arbeitsbedingungen. Dazu führt der Bericht „Index Gute Arbeit 2022“ aus: „Der Sinngehalt von Arbeit ist eine Ressource, die sich aus unterschiedlichen Quellen speisen kann. Dazu gehört, dass die Produkte bzw. Dienstleistungen, die produziert oder erbracht werden, als nützlich erachtet werden. Häufig ist dies mit der Einschätzung verbunden, ob die Arbeit einen gesellschaftlichen Mehrwert erzeugt. Sinnhaftigkeit kann dadurch entstehen, dass die Arbeit einen Nutzen für Andere hat. Und wichtig für Sinnempfinden ist auch, dass die eigenen, ganz konkreten Arbeitsaufgaben und -merkmale nicht sinnlos erscheinen. Wird Arbeit als sinnvoll empfunden, wirkt sich das positiv auf die Motivation und das Wohlbefinden der Beschäftigten aus. Dauerhaft einer als sinnlos erachteten Arbeit nachzugehen, stellt dagegen eine mögliche psychische Belastung und damit ein gesundheitliches Risiko dar.
BDA - Die Arbeitgeber
Die Arbeitgeber argumentieren mit positiven Statistiken, dass die Arbeitsbedingungen in Deutschland sehr gut sind (BDA o. J.). So sind laut der European Working survey 89 Prozent der in Deutschland Beschäftigten mit ihrem Job zufrieden, 74 Prozent gaben in der Befragung an, dass ihnen ihr Job Spaß macht und 91 Prozent bestätigen einen fairen Umgang am Arbeitsplatz (Eurofond 2021, BDA o. J.). Auch hinsichtlich der Arbeitssicherheit ist die Entwicklung positiv: Sowohl die Arbeitsunfälle, als auch die Unfallquote hat sich seit 1991 halbiert (BDA o. J.). Diese befinden sich seit 2004 unter 1 Mio. und bewegen sich seitdem zwischen 954.000 und 760.000 gemeldeten Fällen (Statista 2021).
Außerdem wird auf die Prävention und den Gesundheitsschutz hingewiesen, für den 2016 ca. 5 Mrd. € ausgegeben wurden, was 40 Prozent der gesamten Ausgaben von 11,7 Mrd. € ausmacht (BDA o. J.). Die betriebliche Gesundheitsförderung, wie Stressmanagement, gesundheitsgerechte Mitarbeiterführung oder Reduktion der körperlichen Belastung kommt dabei sowohl den Beschäftigten als auch den Arbeitgebern zugute. Zuletzt wird noch auf die Eigenverantwortung hingewiesen, die aus selbstverantwortlichen Entscheidungen und flexibleren Arbeitszeiten resultiert.
Prekäre Beschäftigungsverhältnisse
Menschen arbeiten auch in Deutschland teilweise in prekären Beschäftigungsverhältnissen und die “Bedeutung des sogenannten Normalarbeitsverhältnisses nimmt ab, während atypische Formen von Arbeit an Bedeutung zunehmen” (Jakob 2016). Dazu zählen befristete Arbeitsverträge, geringfügige Beschäftigung, Zeitarbeit, (Ketten-)Werkverträge und verschiedene Formen der (Schein-)Selbstständigkeit oder auch Praktika. Durch die Agenda 2010 wurde das Sicherungsniveau für von Arbeitslosigkeit Betroffene deutlich gesenkt (Arbeitslosengeld I in der Regel nur für ein Jahr, danach Arbeitslosengeld II). Menschen sehen sich eher gezwungen, “jede Arbeit zu fast jedem Preis und zu jeder Bedingung anzunehmen. Das hat dazu geführt, dass die Löhne im unteren Einkommensbereich stark gesunken sind” (Jakob 2016). 2015 wurde mit der Einführung des Mindestlohns dagegen gesteuert.
Das Thema betrifft auch das SDG 10 “Ungleichheit”, denn jeder Mensch hat das Recht auf faire und gute Arbeitsverhältnisse, dies ist vielen Menschen jedoch verwehrt. Prekäre Beschäftigung widerspricht dem Leitbild von ”Guter Arbeit“, verbaut Entwicklungsmöglichkeiten von Beschäftigten und verstärkt nachweislich den Trend zu psychischen Belastungen und Erkrankungen sowie deren Folgewirkungen (Jakob 2016) (siehe auch SDG “Gesundheit”).
Kinderarbeit
Zur Definition und Umsetzung von menschenwürdigen Arbeitsbedingungen sind global große Unterschiede zu verzeichnen. Ein Beispiel hierfür ist die Kinderarbeit, die weltweit noch immer verbreitet ist. 79 Millionen Kinder arbeiten unter ausbeuterischen Bedingungen, vor allem in Fabriken, die wenig qualifiziertes Personal benötigen oder in der Landwirtschaft sowie im Bergbau (BMZ 2021 und 2022). Nach Angaben der ILO müssen weltweit rund 152 Millionen Kinder zwischen fünf und siebzehn Jahren arbeiten, vor allem in der Landwirtschaft, als Hausangestellte oder in Minen. Viele dieser Tätigkeiten sind gesundheitsgefährdend. Die ILO setzt sich schon lange für die Abschaffung von Kinderarbeit ein, sie ist Partnerorganisation in der „Allianz 8.7“, einer globalen Partnerschaft, die sich zum Ziel gesetzt hat, Zwangsarbeit, moderne Sklaverei, Menschenhandel und Kinderarbeit weltweit zu beseitigen, wie es in den Zielen für nachhaltige Entwicklung 2030 formuliert wurde. (ILO 2021) Unter Mitwirkung der deutschen Bundesregierung wird seit 1992 ein von der ILO betriebenes Internationales Programm zur Abschaffung der Kinderarbeit umgesetzt (International Programme on the Elimination of Child Labour, IPEC<, BMZ 2022).
Arbeitsschutz, Gesundheit und Gute Arbeit
Im Bereich “Gesundheit” und “Gute Arbeit” sind durch die Folgen des Klimawandels wesentliche neue Herausforderungen sowohl für die Arbeitskräfte als auch für die Gesellschaft festzustellen. Bei Bauarbeiten im Freien sind alle Arbeitenden durch Extremwetterereignisse wie hohe Temperaturen und lang anhaltende Hitzewellen, oder auch Starkregenereignisse, mit diesen neuen Herausforderungen direkt konfrontiert.
Gender Pay Gap
Unterschiedliche Entlohnung für vergleichbare Tätigkeiten und Qualifikation für Frauen und Männer lassen sich durch die statistischen Erhebungen des Statistischen Bundesamtes aufzeigen. In einer Pressemitteilung vom März 2022 wird betont, dass Frauen pro Stunde noch immer 18 Prozent weniger verdienen als Männer: „Frauen haben im Jahr 2021 in Deutschland pro Stunde durchschnittlich 18 Prozent weniger verdient als Männer. Damit blieb der Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern – der unbereinigte Gender Pay Gap– im Vergleich zum Vorjahr unverändert. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis 2022b) anlässlich des Equal Pay Day am 7. März 2022 weiter mitteilte, erhielten Frauen mit durchschnittlich 19,12 Euro einen um 4,08 Euro geringeren Bruttostundenverdienst als Männer (23,20 Euro). Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16.02.2023 müssen Frauen bei gleicher Arbeit auch gleich bezahlt werden, eine individuelle Aushandlung der Lohn- oder Gehaltshöhe ist damit nicht wirksam (Zeit Online 2023).
Deutsches Sorgfaltspflichtengesetz
Um ihrer Verantwortung zum Schutz der Menschenrechte gerecht zu werden, setzt die Bundesregierung die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen mit dem Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte von 2016 (Nationaler Aktionsplan, Bundesregierung 2017; 2021; 2022) in der Bundesrepublik Deutschland mit einem Gesetz um. Das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten ist besser unter dem Namen Lieferkettengesetz oder auch Sorgfaltspflichtengesetz bekannt (BMAS 2022, o.a. “Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz”). Dort ist die Erwartung an Unternehmen formuliert, mit Bezug auf ihre Größe, Branche und Position in der Lieferkette in angemessener Weise die menschenrechtlichen Risiken in ihren Liefer- und Wertschöpfungsketten zu ermitteln, ihnen zu begegnen, darüber zu berichten und Beschwerdeverfahren zu ermöglichen.
Das Lieferkettengesetz tritt 2023 in Kraft und gilt dann zunächst für Unternehmen mit mehr als 3.000, ab 2024 mit mehr als 1.000 Angestellten. Es verpflichtet die Unternehmen, in ihren Lieferketten menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in angemessener Weise zu beachten. Kleine und mittlere Unternehmen werden nicht direkt belastet. Allerdings können diese dann betroffen sein, wenn sie Teil der Lieferkette großer Unternehmen sind.
Unabhängig ob betroffen oder nicht: Es lohnt sich auch für kleinere Unternehmen, sich mit dem Gesetz adressierten Nachhaltigkeitsthemen auseinanderzusetzen, um das eigene Handeln entlang dieser Leitplanken zu überprüfen. Der Nachhaltigkeitsbezug ist unter anderem durch den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) gegeben, er gab einen wichtigen Impuls für das Gesetz. Der NAP wurde gemeinsam von Politik und Unternehmen verabschiedet, um zu einer sozial gerechteren Globalisierung beizutragen (Bundesregierung 2017). Ergebnisse einer 2020 im Rahmen des Nationalen Aktionsplans durchgeführten repräsentativen Untersuchungen zeigten jedoch, dass lediglich zwischen 13 und 17 Prozent der befragten Unternehmen die Anforderungen des Nationalen Aktionsplans erfüllen (VENRO 2021). Der gesetzgeberische Impuls war also erforderlich, um die Einhaltung der Menschenrechte zu fördern und damit auch zu einem fairen Wettbewerb zwischen konkurrierenden Unternehmen beizutragen.
Das Lieferkettengesetz rückt internationale Menschenrechtsabkommen und lieferkettentypische Risiken in den Blick: Dazu zählen bspw. das Verbot von Kinderarbeit, der Schutz vor Sklaverei und Zwangsarbeit, die Vorenthaltung eines gerechten Lohns, der Schutz vor widerrechtlichem Landentzug oder der Arbeitsschutz und damit zusammenhängende Gesundheitsgefahren. Es werden zudem internationale Umweltabkommen benannt. Sie adressieren die Problembereiche Quecksilber, persistente organische Schadstoffe und die grenzüberschreitende Verbringung gefährlicher Abfälle und ihre Entsorgung. Zu den jetzt gesetzlich geregelten Sorgfaltspflichten der Unternehmen gehören Aufgaben wie die Durchführung einer Risikoanalyse, die Verankerung von Präventionsmaßnahmen und das sofortige Ergreifen von Abhilfemaßnahmen bei festgestellten Rechtsverstößen. Die neuen Pflichten der Unternehmen sind nach den tatsächlichen Einflussmöglichkeiten abgestuft, je nachdem, ob es sich um den eigenen Geschäftsbereich, einen direkten Vertragspartner oder einen mittelbaren Zulieferer handelt. Bei Verstößen kann die zuständige Aufsichtsbehörde Bußgelder verhängen. Unternehmen können von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden.
Quellenverzeichnis
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BGBl Bundesgesetzblatt Jahrgang 2021 Teil I Nr. 46, ausgegeben zu Bonn am 22. Juli 2021, Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten. Online: https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl121s2959.pdf
BMAS Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2022): Sorgfaltspflichtengesetz – Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten. Online: https://www.bmas.de/DE/Service/Gesetze-und-Gesetzesvorhaben/gesetz-unternehmerische-sorgfaltspflichten-lieferketten.html
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SDG 9 Industrie, Innovation und Infrastruktur
“Eine widerstandsfähige Infrastruktur aufbauen, inklusive und nachhaltige Industrialisierung fördern und Innovationen unterstützen”
Das SDG 9 zielt im Kern darauf ab, für alle Menschen einen gleichberechtigten Zugang zu einer hochwertigen und verlässlichen Infrastruktur zu gewährleisten. Für die Berufsbilder Chemielaborant und Chemielaborantin, sowie Biologielaborant und Biologielaborantin, sind, angelehnt an das folgende Unterziel, die Themen: Umstieg auf eine nachhaltige Rohstoffbasis, Etablierung einer umfassenden Kreislauf Orientierung und weiterhin die Reduzierung von Tierversuchen von besonderer Relevanz (Destatis o. J.):
SDG 9.4 Bis 2030 die Infrastruktur modernisieren und die Industrien nachrüsten, um sie nachhaltig zu machen, mit effizienteren Ressourceneinsatz und unter vermehrter Nutzung sauberer und umweltverträglicher Technologien und Industrieprozesse, wobei alle Länder Maßnahmen entsprechend ihren jeweiligen Kapazitäten ergreifen”
Die Schnittmenge für das SDG 9 ergibt sich aus den Nummern a, b und e der Standardberufsbildposition (BMBF 2022)
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
Umstieg auf eine nachhaltige Rohstoffbasis
Drei Faktoren, die den Chemiesektor von den ebenfalls emissionsintensiven Zement- und Stahlindustrien unterscheiden, sind sein hoher Einsatz der fossilen Energieträger Erdöl, Erdgas und Kohle als Rohstoffe (und nicht als Energiequelle für die Erzeugung von Strom oder Wärme), die immense Produktvielfalt und der hohe Anteil von Zwischenprodukten, der auf dem Herstellungsweg von der fossilen Rohstoffbasis bis zum Endprodukt entsteht. Der Chemiesektor ist auch der größte industrielle Verbraucher von Erdöl und Erdgas, von denen die Hälfte als Ausgangsmaterial verwendet wird. Heutzutage ist Erdgas für die Ammoniakherstellung oder die Wasserstoffgewinnung im Dampfreformer nicht zu ersetzen (BDEW o.J.). Im Jahr 2018 entfielen auf den Chemiesektor 14 % der gesamten weltweiten Ölnachfrage (SBTi 2020). Die für die chemisch-pharmazeutische Produktion bislang genutzten fossilen Rohstoffe werden durch ausgefeilte Verfahren und im Verbund einer Vielzahl unterschiedlicher Unternehmen in der Chemieindustrie verarbeitet. Die fossilen Rohstoffe werden immer knapper und daher auch immer teurer. Im Zuge dieser Entwicklung wird weltweit eine umstrittene Fördermethode immer attraktiver: das Hydraulic Fracturing, kurz Fracking. Derzeit wird Fracking vor allem in Nordamerika (USA und Kanada), Argentinien, Australien aber auch China und Russland betrieben (Umweltinstitut o.J.). Da mittels Fracking gewonnene fossile Rohstoffe, wie nachfolgend dargestellt, keine nachhaltige Basis für die chemisch-pharmazeutische und auch biotechnologische Produktion darstellen, werden biogene Reststoffe, Sekundärrohstoffe aus dem chemischen Recycling sowie die Nutzung von CO₂ – und hier vor allem die direkte CO₂-Nutzung aus Prozessemissionen – zukünftig relevanter. Die Abkehr von einer fossilen Rohstoffbasis ist zukünftig auch unausweichlich, nicht nur, weil die Vorräte endlich sind, sondern auch, weil auf nationaler und internationaler Ebene politische Agenden mit dem Ziel der Treibhausgas Neutralität gesetzt wurden: Bis zum Jahr 2050 soll die EU zu einem klimaneutralen Wirtschaftsraum werden (Europäisches Parlament 2021) und Deutschland soll bereits im Jahr 2045 klimaneutral sein (BMWK o. J.). Da nicht alle Kunststoffe und sonstigen chemischen Erzeugnisse stofflich recycelt werden können, bspw. aufgrund ihrer Schadstoffgehalte oder weil sie aus unauftrennbaren Verbundstoffen bestehen, müssen Abfälle dieser nichtrecyclierbaren Kunststoffe immer thermisch verwertet , d.h. verbrannt werden. Die Verbrennung von Materialien fossilen Ursprungs widerspricht dem Ziel der Klimaneutralität. Der Umstieg auf eine veränderte Rohstoffbasis ist daher notwendig, bedarf jedoch zahlreicher technischer Innovationen und somit erheblicher finanzieller Investitionen. Momentan – auch vor dem Hintergrund des globalen Konkurrenzdruckes – werden die notwendigen Innovationen noch nicht schnell genug vorangetrieben. Beim Umstieg auf eine nachhaltige Rohstoffbasis hat die Chemiebranche einiges aufzuholen. Eine Strategie in Richtung Treibhausgas Neutralität der Chemieindustrie wird nur durch neue Technologien und Prozessen möglich sein, an denen Chemielaboranten/Chemielaborantinnen und Biologielaboranten/Biologielaborantinnen in ihrer täglichen Praxis beteiligt sein werden.
Fracking zur Erschließung weiterer fossiler Rohstoffe
Beim Fracking wird unter hohem Druck Wasser mit zugesetzten Chemikalien, den sogenannten Fracking-Fluiden, in Gesteinsschichten gepumpt, das nennenswerte Mengen von Erdöl oder Erdgas besitzt (Speichergestein). Diese Speichergesteine sind von Natur aus nicht durchlässig genug für die Förderung der eingeschlossenen fossilen Rohstoffe. Bei diesem Pumpprozess kann es zu Verunreinigungen von Grund- und Trinkwasser sowie Luftemissionen kommen und es besteht ein hoher Flächen- und Wasserverbrauch (UBA 2017). Darüber hinaus bestehen bei Fracking auch Risiken von Methanemissionen, sowie durch den Prozess herbeigeführte Seismizität (Erdbeben) (Busse et al. 2021). Besonders kritisch ist der Prozess bei der Erdgasförderung (UBA 2017). Hier wird zwischen konventionellem und unkonventionellem Fracking unterschieden:
Konventionelles Fracking zur Förderung von Erdgas ist die Förderung aus Sandgesteinen, in deren natürlichen Hohlräumen Erdgas vorkommt. Konventionelles Fracking wird seit vielen Jahrzehnten in Deutschland angewendet (BMUV 2022).
Unkonventionelles Fracking bezieht sich auf die Förderung von Erdgasvorkommen in Schiefer-, Ton-, Mergel- und Kohleflöz-Gestein, in denen das Erdgas schwerer zugänglich lagert (Busse et al. 2021). Hierfür sind mehr Frack Vorgänge und mehr Fracking-Fluide nötig. Zudem findet diese Art Fracking etwas näher an der Erdoberfläche und damit auch näher am Grundwasser statt (BMUV 2022). Aufgrund der fehlenden Erfahrungen und Kenntnisse ist unkonventionelles Fracking in Deutschland grundsätzlich verboten (UBA, 2017).
Erhebliche Risiken durch Fracking sind besonders die mögliche Verunreinigung von Grundwasser durch die eingesetzten Chemikalien und Probleme bei der Entsorgung des anfallenden Abwassers (UBA 2022). Wie hoch das Risiko der Verunreinigung von oberflächennahen und damit für Trinkwasser relevanten Grundwasserschichten ist, ist wissenschaftlich nicht abschließend untersucht. Während manche Expert*innen in Deutschland das Risiko einer Verunreinigung von Oberflächengewässern durch die sachgemäße Nutzung von Fracking-Fluiden für verhältnismäßig gering halten, besteht die Gefahr indirekter Verunreinigung von Trinkwasser durch unsachgemäßen Umgang mit Fracking-Fluiden an der Bohrstelle, beim Transport oder bei der Lagerung. Auch Leckagen, deren Risiko nicht ganz vermieden werden kann, können zu Verunreinigungen führen. Zudem können auch Verunreinigungen durch den normalen Betriebsprozess und sachgemäße Nutzung nicht völlig ausgeschlossen werden (WDR 2022, UBA 2012). Daher ist eine Überwachung des Grundwassers in der Nähe von Fracking Gebieten essentiell.
Auch im Hinblick darauf, welche Chemikalien in welchen Mengen eingesetzt werden und wie deren Gefährdungspotential für Menschen und Umwelt ist, bestehen Wissensdefizite. In einer Studie im Jahr 2012 wurden die zu dem Zeitpunkt vorliegenden Zusammensetzungen von einigen Fracking-Unterfangen untersucht. Allerdings waren nur für einen Teil der bis dahin Deutschland durchgeführten Fracking-Vorhaben die relevanten Daten verfügbar, um abschließend eine fundierte Einschätzung der Risiken sowie der Möglichkeiten, mit diesen umzugehen, abzugeben. Insgesamt wurde in bisher eingesetzten Frack-Fluiden eine große Bandbreite unterschiedlicher chemischer Additive eingesetzt, von denen einige ein mittleres bis hohes Gefährdungspotential für Menschen und die Umwelt haben und beispielsweise kanzerogene, mutagene oder reproduktionstoxische Eigenschaften aufweisen. Zum Zeitpunkt der Studie waren in der Entwicklung von Frack-Fluiden Tendenzen zur Reduktion, vor allem der sehr problematischen Additive im Gange. Die Realisierbarkeit und Einsatzreife solcher verbesserten Frack-Fluide war jedoch nicht absehbar (UBA 2012, Kallee und Fernandez 2019).
Fracking zum Zweck der Erdgasförderung ist vor dem Hintergrund der notwendigen Abkehr von fossilen Brennstoffen kein Verfahren, dessen Anwendung ausgeweitet werden sollte. Die oben beschriebenen Risiken sind weitere Gründe, Fracking stark einzuschränken. Für die chemische Industrie sind besonders die Risiken, die durch die Additive, die in Frack-Fluiden enthalten sind, relevant. Hier gilt es, sofern Fracking als Verfahren in irgendeiner Form in Deutschland weiter genutzt werden wird, Wege zu finden, die Menge der benötigten Frack-Fluide zu reduzieren und die Zusammensetzung so zu gestalten, dass Additive mit gesundheits- oder umweltgefährdenden Eigenschaften nicht länger enthalten sind.
Biogene Rest- und Abfallstoffe
Als biogene Rohstoffe sollten in der Chemieindustrie ganz überwiegend oder bestenfalls ausschließlich ungenutzte biogene Rest- und Abfallstoffe verwendet werden, da laut Bioökonomiestrategie der Bundesregierung die Sicherung der weltweiten Ernährung stets Vorrang hat, also sofern Nutzungskonkurrenzen entstehen, die Ernährungssicherheit stets Priorität hat (Bundesregierung 2020). Landwirtschaftlich erzeugte Produkte sollen zu allererst auf dem Teller landen und nicht als Grundstoff in der Chemie- und Biotech-Industrie. Hinsichtlich der Realisierung einer Wirtschaft auf Basis von nachwachsenden Rohstoffen, zu der auch die chemische Produktion gehört, sieht die Bundesregierung großen Herausforderungen: “Um Biomasse effizient aufschließen, aufbereiten und bedarfsgerecht für nachgelagerte Produktionsprozesse bereitstellen zu können, sind erhebliche Forschungsanstrengungen notwendig. Neuartige biotechnologische Verfahren sind die Voraussetzung dafür, die Nutzung biogener Reststoffe weiter zu optimieren und Neben- und Reststoffströme in werthaltige Produkte zu überführen. Neue Konzepte zur Koppel- und Kaskadennutzung müssen hierzu entwickelt und Bioraffinerie-Konzepte ganzheitlich optimiert werden.” (ebd. S.29). Biomasse ist eine beschränkte Ressource, die auch heute bereits für andere Zwecke als die Produktion von chemisch-pharmazeutischen und biotechnologischen Erzeugnissen genutzt wird, beispielsweise als Bioenergie (z. B. Holzpellets und Biogas für die Wärmebereitstellung) oder in Form von Biokraftstoffen. Aufgrund des politischen Willens, die EU bis zum Jahr 2050 Treibhausgas neutral zu machen, wird die Nachfrage nach erneuerbaren Brenn- und Treibstoffen zukünftig ansteigen.
Zu den biogenen Rest- und Abfallstoffen, die in Biogasanlagen zu Biogas umgesetzt werden, gehören unter anderem Abfälle aus der Grünlandpflege sowie der Forst- und Landwirtschaft (dazu zählen die tierischen Exkremente Gülle und Mist) sowie organische Abfälle aus Gewerbe, Handel, den privaten Haushalten und der Industrie (bspw. Speisereste, Press- und Gärreste aus der Lebensmittelproduktion, Klärschlamm). Das entstehende Biogas besteht typischerweise zu einem Großteil aus Methan, durchschnittlich zu 60 Prozent. Der zweitgrößte Anteil von ca. 35 Prozent stellt Kohlendioxid dar. Wasserdampf, Stickstoff, Sauerstoff, Wasserstoff, Ammoniak und Schwefelwasserstoff kommen nur in geringen Konzentrationen vor (Chemie o.J. a). Die genaue Verteilung ist vom individuellen Substrat abhängig, das in der Biogasanlage vergärt wird. Das Methan im Biogas ist dem konventionellen gleichwertig (CH4 bleibt CH4), es kann also überall dort als Ausgangsstoff eingesetzt werden, wo bisher fossiles Methan genutzt wird, bspw. für die Gewinnung von Synthesegas für die Ammoniakproduktion. Ammoniak wiederum ist ein Basisprodukt für Stickstoffdünger und verschiedene Medikamente. Weiterhin wird Methan für die Herstellung von Methanol und Wasserstoff genutzt. Methanol ist einer der wichtigsten Ausgangsstoffe für die chemische Industrie. Methanol wird vor allem für die Produktion folgende Produkte verwendet: Methyl-tert-butylether (kurz MTBE, Zusatzstoff für Ottokraftstoffe), Formaldehyd, Essigsäure, Methylester, Chlormethan, Methylmethacrylat und Methylamine (Vorprodukt für Farbstoffe, Medikamente und Pflanzenschutzmittel) (Chemie o.J. b).
Innovative Beispiele für die Nutzung biogener Rest- und Abfallstoffe für die chemisch-pharmzeutische und biotechnologisch Produktion sind (FNR 2020):
Beim industriellen Schälen und Schneiden von Kartoffeln zu bspw. Pommes-Frites fallen Schalen und eine große Menge Schnittwasser an. Schnittwasser sowie die Schalen und weitere Prozessabfälle enthalten einen hohen Anteil an nutzbarer Stärke. Unter anderem Unternehmen aus den Niederlanden und Deutschland produzieren aus diesen Stärkeabfällen Kunststoffe.
In den Niederlanden und Neuseeland wird Polyhydroxyalkanoat (PHA) versuchsweise im Labormaßstab von Bakterien erzeugt. Die Nahrung für die genutzten Bakterien wird aus kommunalen Abwässern gewonnen. PHA sind biologisch abbaubare Biopolymere, die zur Herstellung von bio-basierten Kunststoffen verwendet werden. Auch altes Frittierfett aus gastronomischen Betrieben kann als Nahrung für PHA-produzierende Bakterien genutzt werden. Ein tschechisch/chinesisches Unternehmen entwickelt die großtechnische Umsetzung für die biotechnologische Produktion von PHA auf Frittierfett Basis.
Schwarzlauge, ein Abfallprodukt der Zellstoffindustrie enthält Tallöle. Produkte der Tallöl Destillation finden in der weiterverarbeitenden Industrie vielfältig Verwendung, z. B. als Rohstoffe für Lacke, Polyamidharze für die Druck- und Klebstoffindustrie und Epoxidharze, als Emulgiermittel bei der Herstellung von synthetischem Kautschuk oder als Ausgangsstoff für die Polyamid Produktion.
Die Vergasung von Biomasse zu Synthesegas bietet breite Möglichkeiten: Durch die chemische oder biotechnologische Weiterprozessierung des gewonnenen Synthesegases können Biopolymer-Monomere erzeugt werden. Der erste von aktuell zwei möglichen Wegen, die sich beide noch im Forschungsstadium befinden, ist der chemische Weg über die Umwandlung von Synthesegas zu Ethanol und schließlich zu Ethylen und dann zu Polyethylen. Der zweite, aktuell intensiver verfolgten biotechnologische Weg nutzt das Synthesegas als Kohlenstoffquelle für Mikroorganismen, welche durch Fermentation Polymermonomere bilden.
Auch die Produktion von biobasierten Polyoleofinen (Polyethylen, Polypropylen) aus Bio-Naphtha scheint vielversprechend: Bio-Naphtha fällt entweder als Nebenprodukt bei der Erzeugung von biobasierten Dieselkraftstoff an oder kann aus gebrauchten Speiseölen hergestellt werden. Die parallele Produktion von biobasierten Polypropylen und Polyethylen in kommerziellem Maßstab wird derzeit in Deutschland und die Produktion von biobasierten Polypropylen in Belgien betrieben.
Zukunftsausblick: Chemisches Recycling
Kunststoffe müssen nach dem Ende ihrer Nutzungsdauer im Rahmen der Abfallbehandlung behandelt und entsprechend der Abfallhierarchie der EU-Abfallrahmenrichtlinie 2008/98/EG möglichst hochwertig verwertet werden. Nach dieser Richtlinie ist das stoffliche Recycling gegenüber der energetischen Verwertung (Verbrennung) vorteilhafter. Kunststoffrecycling sollte möglichst hochwertig erfolgen mit dem Ziel, Stoffe aus dem Abfallstrom zurückzugewinnen, um den Bedarf an natürlichen Ressourcen zu reduzieren. Unter chemischem bzw. rohstofflichen Recycling wird die Umwandlung der Kunststoff Polymere in ihre Monomere bzw. chemischen Grundbausteine oder Basischemikalien – also deren Depolymerisation – mittels thermochemischer bzw. chemischer Prozesse verstanden. Damit sollen solche Kunststoffabfälle wieder als Ressourcen – genauer gesagt Sekundärressourcen – in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführt werden, die wegen ihrer Eigenschaften heute nicht mit mechanischem Recycling (hierbei wird die Polymerstruktur nicht wesentlich verändert, der Kunststoff bleibt als Material erhalten) zurückgewonnen werden können, sondern unter Freisetzung von Treibhausgasemissionen energetisch verwertet werden müssen. Nicht oder nur schwer mechanisch recycelt werden können beispielsweise Kunststoffe mit Additiv Zusätzen. Additive Farbpigmente verschmelzen das Rezyklat, das durch den Recyclingprozess bereitgestellt wird, zu einem unschönen Grau, das optisch nicht mehr den Kriterien eines neuen Produktes entspricht. Additive mit Gefahrstoffeigenschaften wie bromierte Flammhemmer in Elektroaltgeräten sollen nicht durch Recycling weiter im Kreislauf geführt werden.
Ähnliche Probleme für das mechanische Recycling verursachen etwa dünne, mehrschichtige Folien (wie für Wurst- und Käseverpackungen): Die unterschiedlichen Kunststoffschichten dieser Folien können durch mechanische Verfahren nicht voneinander getrennt werden. Außerdem verkürzen sich die Molekülketten bei jedem Recyclingkreislauf, sodass Kunststoffe nicht beliebig oft mechanisch recycelt werden können (UBA 2020, NABU o. J.).
Mögliche chemische Recyclingtechniken sind Pyrolyse, Vergasung oder Verflüssigung (z. B. Verölung oder Solvolyse). Abhängig vom Verfahren des chemischen Recyclings sind die erzeugten Produkte völlig unterschiedlich. Während die Solvolyse die Polymerketten in Monomere zerlegt, werden bei Verölung und Pyrolyse verschieden zusammengesetzter Kohlenwasserstoff Mischungen erzeugt, die dann nach Fraktionierung und Aufbereitung beispielsweise als Einsatzstoff in der chemischen Industrie verwendet werden können. Vergasungstechnologien hingegen erzeugen ein Synthesegas (ca. 60 Prozent Methan, 35 Prozent CO₂, vgl. Chemie o.J. a), welches über mehrere nachfolgende Schritte wiederum zu Kohlenwasserstoffen umgesetzt wird und so ebenfalls als Grundstoff für die chemische Industrie dienen kann. Mittels chemischem Recycling können Schadstoffe aus dem Recycling-Kreislauf ausgeschleust werden. Kunststoffe, die bislang per mechanischem Recycling verwertet werden, sollen auch künftig nicht chemisch recycelt werden, da das mechanische Recycling zum jetzigen Kenntnisstand sowohl ökologisch – weniger Einsatz von Zusatzstoffen und Energie nötig – als auch ökonomisch vorteilhafter ist.
Die Annahme, dass Kunststoffabfälle, die wegen schlechter Qualitäten wie großer Heterogenität und hohem Verschmutzungsgrad nicht für das mechanische Recycling geeignet sind, durch das chemische Recycling im Kreislauf geführt werden können, konnte bisher nicht nachgewiesen werden: Der großtechnische und dauerhaft betrieben Anlagen unter Bedingungen, wie sie in Deutschland gefordert werden, sind derzeit noch nicht realisiert (UBA 2020). Damit ist zum heutigen Zeitpunkt fraglich, welcher Anteil an benötigten (Sekundär-)Rohstoffen für die chemisch-pharmazeutische Industrie sowie alle Abnehmer Industrien ihrer Produkte, darunter die Biotech-Unternehmen, mittels chemischem Recycling gedeckt werden kann.
Zukunftsausblick: Die Nutzung von CO₂ als Rohstoff (CCU)
Das Abscheiden und Transportieren sowie die anschließende Nutzung von Kohlenstoffdioxid wird mit CCU abgekürzt: Carbon Capture and Utilization. Durch CCU-Verfahren werden CO₂, oder je nach Kohlenstoffquelle auch CO-Emissionen mindestens einem weiteren stofflichen Nutzungszyklus zugeführt und nicht direkt in die Atmosphäre entlassen. Je nach Herkunft und späterer Verwendung des Kohlenstoffs aus den CO₂- oder CO-Quellen ist für CCU eine Kombination verschiedener Prozesse und Verfahrensschritte nötig, die jeweils mit Energie- oder Ressourcenverbräuchen sowie Umweltwirkungen verbunden sind. CO₂ als Rohstoff kann aus verschiedenen unvermeidbaren Punktquellen stammen, wie Chemieanlagen, Zementwerken und Stahlwerken, aber auch aus kleineren Emissionsquellen wie Biogasanlagen oder auch Brauereien. Unvermeidbar deshalb, weil CO₂ hier in Folge von biochemischen Reaktionen, also als Prozessemission, anfällt, unabhängig von der Energieversorgung. Eine direkte rohstoffliche Nutzung von CO₂ ist der Einsatz in Feuerlöschanlagen. Die indirekte rohstoffliche Nutzung hingegen umfasst die Aufarbeitung von CO₂ zu Grundchemikalien oder weiterführenden Produkten der biochemischen Industrie sowie die Produktion von Energieträgern, die bspw. im Verkehr oder für die Wärmeversorgung verwendet werden können. Diese energieintensiven CCU-Verfahren werden auch als Power-to-Chemicals bezeichnet, was die Zusammenfassung von Power-to-Gas (Wasserstoff- und Synthesegaserzeugung), Power-to-Liquid (Erzeugung flüssiger Kohlenwasserstoffe, aktuell v. a. erneuerbare Treibstoffe) und Power-to-Solid (Erzeugung fester Kohlenwasserstoffe) darstellt. Ob CCU einen guten Beitrag für ein nachhaltiges Wirtschaftssystem leisten kann, hängt davon ab, ob und in welchem Umfang durch die CCU-Maßnahme Treibhausgasemissionen gegenüber dem aktuellen Stand eingespart werden können, ob der Bedarf an Kohlenstoff Produkten über energieeffiziente Recycling-Maßnahmen oder aus biogenen Reststoffen gedeckt werden kann und ob durch CCU andere nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt entstehen.
Kohlenstoffprodukte finden sich überall in unserem Alltag und sind an vielen Stellen unverzichtbar geworden, daher werden sie aus heutiger Sicht langfristig auch in einem effizienten und Treibhausgas neutralen Wirtschaftssystem benötigt werden, beispielsweise als Treibstoffe im Luft- und Seeverkehr und als Ausgangsstoffe der chemischen Industrie. Eine effiziente Quelle für den Rohstoff Kohlenstoff ist das mechanische und eine erwartbar weniger effiziente Quelle, das chemische Recycling kohlenstoffhaltiger Produkte. Durch beide Recycling Varianten kann voraussichtlich aber nur ein Teil des zukünftigen Kohlenstoffbedarfs gedeckt werden, sodass langfristig und dauerhaft CCU-Verfahren zu dessen Gewinnung notwendig werden. Aus heutiger Sicht ist davon auszugehen, dass auch in erheblichen Mengen zusätzlicher Kohlenstoff aus der Atmosphäre in unser Wirtschaftssystem zurückgespeist werden muss, dies umfasst vor allem den anthropogen verursachten CO₂-Anteil aus fossilen Quellen. Aufgrund der, verglichen mit anderen Luftmolekülen in der Atmosphäre, sehr geringen CO₂-Konzentration werden die dafür notwendigen technischen Prozesse sehr viel erneuerbar erzeugte Energie benötigen. Der zügige Aufbau eines vollständig erneuerbaren Stromsystems ist daher die zentrale Voraussetzung für die breite Nutzung von CCU-Maßnahmen (UBA 2021 a, UBA 2021 b) Außerdem müssen die CCU-Verfahren weiterentwickelt werden, da diese zum heutigen Stand nur auf dem Niveau von Demonstrationsanlagen oder gar im Versuchsmaßstab realisiert werden. Beispielhafte CCU-Produkte, die in Demonstrationsanlagen hergestellt werden (Bringetzu et al. 2020. Weitere Informationen in VCI 2019, S. 28 ff):
- Aminoplaste durch die Kondensation von Harnstoff und Aldehyden
- Methanolsynthese durch katalytisch unterstützte Reverse Water Gas Shift Reaction von CO₂
- Benzol, Toluol und Xylox sowie Ethylen durch katalytische Umwandlung von Methanol
- Polycarbonat mittels Asahi-Kasei-Prozess aus Methanol
- Polycarbonat Polyole mittels Dream Reaction aus CO₂
Möglichkeiten tierversuchsfreier Forschung
Für die Forschung in Deutschland werden Versuche an verschiedenen Tieren durchgeführt. Die Forschungszwecke, innerhalb derer Tierversuche zugelassen oder gar erforderlich sind, sind klar umrissen:
Grundlagenforschung, Toxikologie und andere Unbedenklichkeitsprüfungen inkl. Qualitätskontrolle, translationale und angewandte Forschung (Überführung von neuen Forschungserkenntnissen aus dem Labor in die Anwendung in der Klinik), Erhaltungszucht genetisch veränderter oder belasteter Tierkolonien, Aus-/Fort-/Weiterbildung, Arterhaltung sowie Umweltschutz zum Wohle von Mensch und Tier. Zusätzlich werden Tiere für wissenschaftliche Zwecke getötet, diese werden aber nicht in als Tierversuch gewertet (DFG 2016).
Da Tierversuche mit Tierleid verbunden sind, wurden und werden Verfahren und Methoden (weiter-)entwickelt, womit einige Tierversuche ersetzt werden können, mit dem Ziel, die Gesamtzahl an notwendigen Tierversuchen zu reduzieren. Zu diesen Verfahren und Methoden gehören: bildgebende Verfahren, Zellkulturen, Organ Chips, Organoide und Computermodelle.
Neben ethischen und tierschutzrechtlichen Gründen gibt es auch wissenschaftliche Bedenken gegen die Aussagekraft von Tierversuchen. Bevor beispielsweise ein neuer Arzneiwirkstoff in der klinischen Testphase an Menschen getestet wird, werden in der davor stattfindenden vorklinischen Prüfung Tierversuche durchgeführt. Nur 10 Prozent der neuen Medikamenten Anwärter bestehen alle Schritte von der ersten klinischen Testphase bis zur Zulassung. Das heißt im Umkehrschluss, dass 90 % der Wirkstoffe, für die, nach erfolgreichen präklinischen Tierversuchen, klinische Studien am Menschen genehmigt wurden, erweisen sich letztlich als untauglich. Rückblickend wären die entsprechenden Tierversuche also nicht nötig gewesen. Bei Wirkstoffen, die auf das Nervensystem abzielen, liegt die Durchfallquote noch höher. Die US-Behörde für Lebens- und Arzneimittel (Food and Drug Administration, kurz FDA) hat im Dezember 2022 sind Tierversuche nicht mehr zwingend vorgeschrieben, um erste klinische Studien an Menschen für einen Wirkstoff oder eine Therapie zu gestatten. Seither sind präklinische Tests auf Organ Chips als Alternative zugelassen (heise 2023).
Bildgebende Verfahren: Zu den bildgebenden Technologien gehört beispielsweise die Magnetresonanztomografie (MRT). Sie ermöglicht Einblicke in den Körper, ohne den Organismus zu schädigen oder gar zu zerstören. Im MRT entstehen räumlich und zeitlich hochaufgelöste, dreidimensionale Bilder von der Struktur und Funktion des untersuchten Organismus. Das Verfahren ist unschädlich und wenig belastend für Mensch und Tier. Dank MRT können einerseits dieselben Tiere mehrfach in Versuchen eingesetzt werden, wodurch die Anzahl an Versuchstieren reduziert werden kann. Außerdem können Krankheiten und ihre Auswirkungen im Körper mittels MRT-Untersuchungen von gesunden und erkrankten Menschen quasi in Echtzeit beobachtet werden. Die so gewonnenen Erkenntnisse sind sehr viel aufschlussreicher als herkömmliche experimentelle Methoden, bei denen Tiere künstlich krank gemacht werden (Cyrano 2022, Deutscher Tierschutzbund e.V. o. J.).
- Zellkulturen: Zellkulturen sind in der Forschung als Ersatz für Tierversuche weit verbreitet: Zellen von Menschen oder Tieren werden im Labor so kultiviert, dass sie möglichst ähnlich wie im Körper funktionieren. Mit Hilfe von dreidimensional wachsenden Zellkulturen können außerdem komplexe Strukturen wie Herzgewebe oder Blutgefäße bis hin zu kompletten Organen nachgebaut werden. Auf menschlicher Haut aus Zellkulturen kann die Wirkung von Arzneimitteln oder Chemikalien sogar verlässlicher getestet werden als auf der Haut lebender Kaninchen oder Meerschweinchen (BMBF 2022 a).
- Organ Chips: Auf Organ Chips werden die verschiedenen Organsysteme des menschlichen Körpers nachgebildet und untereinander mit winzigen Kanälen vernetzt, durch die dann ein Medikamentenanwärter fließt. Organ Chips existieren bereits für verschiedene Organe, darunter Haut, Darm, Leber, Lunge und Niere sowie Nervenzellen. Organ Chips ermöglichen präklinisch einen gesamt systemischen Einblick in die Wirkung von pharmazeutischen, chemischen und kosmetischen Produkten auf den menschlichen Organismus und erlauben so die direkte Vorhersage der Sicherheit und Wirksamkeit von Substanzen und deren Metaboliten für den Menschen (BMBF 2022 a, TissUse o. J.).
- Organoide: Organoide sind etwa pfefferkorn große Miniaturen menschlicher Organe, die mittels Zellkultur aus Stammzellen hergestellt werden. Stammzellen sind jene Zellen, die noch keine oder nur geringe Differenzierung aufweisen. Erst durch Teilung differenzieren sie sich mit der Zeit in verschiedene Zelltypen aus, etwa als Herz-, Nieren-, Muskel- oder Nervenzellen (heise 2023, heise 2020, SRF 2022).
- Organ Chips und Organoide können patientenspezifisch hergestellt werden und so den Weg in die personalisierte Therapie ermöglichen, denn nicht jeder Mensch spricht gleich gut auf dasselbe Medikament an:
Medikamente zur Darmkrebsbehandlung schlagen durchschnittlich nur bei rund 40 Prozent der Krebspatienten an. Mittels Organoiden aus den Krebszellen eines bestimmten Patienten / einer bestimmten Patientin können beispielsweise noch vor der eigentlichen Behandlung verschiedene Medikamente getestet werden, um das Beste für den Einzelfall zu finden (ebd.).
- Computermodelle: Künstliche neuronale Netze können künftig Vorhersagen ermöglichen, wie eine Substanz auf das Zielgewebe wirkt. Die KI-Modelle erzeugen ihre Aussagen über erwartbare Substanz Verträglichkeiten und -wirkung aus Datensätzen über ähnliche Substanzen, deren Wirkprofile bereits bekannt sind. In einer Studie der University of Oxford konnten computersimulierte Herzzellen bereits bekannte Nebenwirkungen von zugelassenen Herzmedikamenten zuverlässiger anzeigen als Tierversuche mit präparierten Kaninchenherzen. Die Genauigkeit des Computermodells betrug bei über 60 getesteten Medikamenten 89 Prozent. Die Kaninchenherzen reagierten nur zu 75 Prozent wie ein menschliches Herz (heise 2023, Spektrum 2022).
All diese Verfahren bieten Möglichkeiten, Tierversuche zu reduzieren (“Reduce”), zu verbessern (“Refine”) oder zu ersetzen (“Replace”) und dienen daher dem 3R-Prinzip für den Umgang mit Tierversuchen. Weitere Verfahren, die dem 3R-Prinzip dienen, sind in VFA (o. J.) zu finden.
Künstliche Intelligenz in Biotechnologie und Chemie
Nach Einschätzung relevanter Biotech-Unternehmen, Chemie- und IT-Unternehmen sowie Finanzinvestoren, wird künstliche Intelligenz (KI) in den kommenden Jahren ein wesentlicher Innovationstreiber für Chemie und Biotechnologie sein (Spektrum 2022, the decoder 2022, the decoder 2021 a, the decoder 2021 b, the decoder 2020, ECOreporter 2023, Genetic Engineering & Biotechnology News o. J., BB Biotech o. J. u. a.).
KI-Systeme können große Datenmengen detailliert auswerten und Muster darin erkennen. Diese führen beispielsweise zu Informationen darüber, wie ein spezielles Material aussehen muss, um die gewünschten Eigenschaften zu erfüllen. Die Potenziale, die aktuell in der Anwendung von Künstlicher Intelligenz im Rahmen biotechnologischer sowie chemischer Forschung und Produktion gesehen werden, liegen vor allem in der Entwicklung neuer Medikamente und Materialien wie Katalysatoren, Batteriematerialien oder Materialien für organische Solarzellen (the decoder 2020, Stieler 2019, Hüthig 2017).
KI wird als Unterstützung angesehen für den gesamten Entwicklungsprozess von Medikamenten: von der präklinischen Toxikologie, der Pharmakologie, der Konzeption von klinischen Studien bis hin zum Zulassungsprozess. So kann künstliche Intelligenz beispielsweise dafür genutzt werden, geeignete Wirkstoffkandidaten schneller und günstiger zu identifizieren, in dem beispielsweise bekannte Proteinstrukturen dynamisch simuliert und kleinste Unterschiede identifiziert werden können (BB Biotech o. J.). Eine gerade in der Entwicklung befindliche KI-Anwendung eines pharmazeutischen Unternehmens kann beispielsweise eigenständig ein Zielmolekül (das so genannte drug target) für eine Krankheit identifizieren und für dieses Zielmolekül einen maßgeschneiderten Wirkstoff entwickeln. Ein Zielmolekül ist eine Molekularstruktur, mit der ein Wirkstoff interagiert und so einen medizinischen Effekt auslöst. Die anschließende klinische Wirkstoffprüfung wird ebenfalls über die KI-Anwendung angestoßen. Diese KI-Anwendung hat bereits ein neuartiges Zielmolekül für die Lungenerkrankung IPF bestimmt und entwickelte für dieses einen Wirkstoff, der erfolgreich an Tieren getestet wurde. Das Besondere: Die präklinische Entwicklung des IPF-Wirkstoffs, die typischerweise mehrere Jahre dauern und hunderte Millionen kosten kann, dauerte laut Unternehmensangaben nur 18 Monate und kostete nur 2,6 Millionen US-Dollar (the decoder 2021 b).
Proteine sind die molekularen Werkzeuge des Lebens: Sie katalysieren als Enzyme alle Stoffwechselreaktionen, bauen als Strukturproteine die Zellen auf oder sind als Antikörper unser wichtigster Schutz gegen Infektionserreger (VFA 2022). Proteine werden medizinisch breit für die Diagnose, Prophylaxe und Therapie genutzt, z.B. bei Asthma, atopische Dermatitis, Migräne, Krebserkrankungen, Multiple Sklerose, Osteoporose, Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes, Hyperlipidämie und Gicht, Erbkrankheiten, die Hämophilie und Infektionskrankheiten und vielen anderen Krankheiten. Jedes Jahr werden neue biotechnologisch erzeugte “Protein-Arzneimittel” zugelassen (PharmaWiki 2022). Entscheidend für die Funktion von Proteinen ist ihre 3D-Struktur, die s. g. Proteinfaltung. Zwar ist die Aminosäuresequenz vieler Proteine inzwischen bekannt, ihre Faltung lässt sich jedoch nur mit langwierigen und teuren Methoden experimentell bestimmen. Die Kenntnis der Proteinfaltung ist von entscheidender Bedeutung, um Interaktionen zwischen Proteinen zu verstehen oder um Wirkstoffmoleküle zu designen, die spezifisch an bestimmte Stellen im Protein binden (VFA 2022). Das KI-Prognosesystem Alpha Fold 2.0 wurde entwickelt, um präzisere und schnellere Vorhersagen für die Proteinfaltung zu machen. Mit dieser KI-Anwendung konnte ein medizinischer Fortschritt beispielsweise bei der Behandlung der Schlafkrankheit erreicht werden. Der Quellcode von Alpha Fold 2.0 sowie des Protein Prognosemodells RoseTTAFold ist inzwischen als Open Source frei verfügbar (the decoder 2021 a). Zwar ist die Aussagesicherheit zur Proteinfaltung dieser KI-Anwendungen noch nicht 100%-ig und auch die Strukturen von protein gebundenen Wirkstoffen lassen sich von ihnen noch nicht bestimmen, dennoch werden AlphaFold 2 und RoseTTAFold viele Laborexperimente ersetzen können. In der Arzneimittelforschung erhofft man sich deshalb, nicht nur schneller zu neuen Molekül Kandidaten zu kommen, sondern diese auch besser zu designen sowie bisher schwer untersuchbare Proteine als Zielstrukturen für die Medikamentenentwicklung nutzen zu können (VFA 2022). Eine KI-Anwendung für die Erkennung von Eierstockkrebs anhand der Analyse von Glykoproteinen steckt beispielsweise gerade in der Entwicklung (the decoder 2020). Mit maschinellem Lernen können auch die Auswirkungen verschiedener Mutationen auf ein für eine Krebserkrankung relevantes Protein untersucht und kategorisiert werden, um diese Mutationen anschließend mit einem einzelnen Wirkstoff zu blockieren (BB Biotech o. J.).
Außerhalb der Entwicklung neuer Substanzen soll künstliche Intelligenz auch die Produktion beschleunigen. So kann maschinelles Lernen beispielsweise durch rechenintensive Analysen (s.g. multivariate Regression) von veränderlichen Prozessparametern wie Temperatur, Druck, Konzentrationsverhältnis, Katalysator etc. die Ausbeute in Batch-Prozessen (chargenweise Produktion) erhöhen (VCI 2020).
Quellenverzeichnis
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Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF (2022 a): Alternativen zum Tierversuch. Stand: 17.03.2022. Online: https://www.bmbf.de/bmbf/de/forschung/gesundheit/lebenswissenschaftliche-grundlagenforschung/alternativen-zum-tierversuch.html
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Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz BMWK (o. J.): Klimaschutz. Online: https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Textsammlungen/Industrie/klimaschutz.html
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Verband der Chemischen Industrie e.V. VCI (2019): Roadmap Chemie 2050 – Auf dem Weg zu einer treibhausgasneutralen chemischen Industrie in Deutschland. Herausgeber FutureCamp Climate GmbH. ISBN: 978-3-89746-223-6. Online: https://www.vci.de/vci/downloads-vci/publikation/2019-10-09-studie-roadmap-chemie-2050-treibhausgasneutralitaet.pdf
Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. VFA (2022): Wissenschaftlicher Durchbruch 2021: Zwei Algorithmen knacken den Protein-Code. Stand 15.02.2022. Online: https://www.vfa-bio.de/vb-de/aktuelle-themen/forschung/die-wissenschaftlichen-highlights-2021
Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. VFA (o. J.): vfa-Positionspapier Einsatz von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch in der Erforschung und Entwicklung von Medikamenten. Online: https://www.vfa.de/download/positionspapier-ersatz-ergaenzungsmethoden-tierversuch-medikamente.pdf
Westdeutscher Rundfunk WDR (2022): Warum ist Fracking eigentlich so umstritten? Stand: 18.07.2022. Online: https://www.quarks.de/allgemein/warum-ist-fracking-eigentlich-so-umstritten/
SDG 12 Nachhaltige/r Konsum und Produktion
“Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen”
Das SDG 12 “Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen” bezieht sich sowohl auf den individuellen Konsum als auch auf die Umgestaltung der Wertschöpfungsmuster, die unserer Produktion zugrunde liegen. Es zielt auf die nachhaltige und effiziente Ressourcennutzung ab. Kreislaufwirtschaft und nachhaltige Lieferketten sind dabei ebenso angesprochen wie die Vermeidung beziehungsweise die verantwortungsvolle Entsorgung von Abfällen. Für die Berufsbilder Chemielaborant/Chemielaborantin sowie Biologielaborant/Biologielaborantin sind folgende Unterziele besonders relevant (Destatis o. J.):
SDG Ziel 12.4 “Bis 2020 einen umweltverträglichen Umgang mit Chemikalien und allen Abfällen während ihres gesamten Lebenszyklus in Übereinstimmung mit den vereinbarten internationalen Rahmenregelungen erreichen und ihre Freisetzung in Luft, Wasser und Boden erheblich verringern, um ihre nachteiligen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt auf ein Mindestmaß zu beschränken.”
SDG 12.5 „Bis 2030 das Abfallaufkommen durch Vermeidung, Verminderung, Wiederverwertung und Wiederverwendung deutlich verringern.”
Darüber hinaus sind erwähnenswert:
SDG 12.1 “Die Umsetzung des Zehnjahresprogramms für nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster der UNO.”
SDG 12.2 “Bis 2030 die nachhaltige Bewirtschaftung und effiziente Nutzung der natürlichen Ressourcen erreichen.”
SDG 12.6 “Unternehmen zu einer nachhaltigen Unternehmensführung ermutigen.”
SDG 12.8: Bis 2030 sicherstellen, dass die Menschen überall über einschlägige Informationen und das Bewusstsein für nachhaltige Entwicklung und eine Lebensweise in Harmonie mit der Natur verfügen.
Die Schnittmenge für das SDG 12 ergibt sich aus den Nummern a bis e der Standardberufsbildposition (BMBF 2022):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
c) für den Ausbildungsbetrieb geltende Regelungen des Umweltschutzes einhalten
d) Abfälle vermeiden sowie Stoffe und Materialien einer umweltschonenden Wiederverwertung oder Entsorgung zuführen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
Chemielaboranten/Chemielaborantinnen und Biologielaboranten/Biologielaborantinnen gehen täglich mit umwelt- und gesundheitsgefährlichen Stoffen um, indem sie sie erforschen, anwenden, herstellen und inverkehrbringen.
Chemie- und Biotech-Industrie: Stellhebel für nachhaltigen Konsum
Menschliche Aktivitäten verändern die Welt, in der wir leben. So ermöglichen uns beispielsweise Aktivitäten in den Bereichen Medizin- und Pharmaforschung Krankheiten zu verstehen und Medikamente zu behandeln. Andererseits stellen viele Chemikalien und chemische Produkte Risiken für die Menschen dar, die mit ihnen in Berührung kommen (Vgl. SDG 3). Außerdem gelangen chemische, pharmazeutische und biopharmazeutische Erzeugnisse in die Umwelt und führen dort zu erheblichen Problemen. Im Jahr 2009 haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein Konzept entwickelt, das menschliches Handeln in Beziehung zu seiner natürlichen Umgebung setzt. Dabei wurden sogenannte planetare Grenzen entwickelt. Nur so lange menschliches Handeln sich innerhalb dieser planetaren Grenzen abspielt, so die Annahme der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, bleibt die natürliche Umwelt insoweit unversehrt, dass auch zukünftige Generationen ein gutes Leben führen können. Als planetare Grenzen werden ökologische Grenzen der Erde bezeichnet, deren Überschreitung die Stabilität des Ökosystems der Erde und damit das Vorankommen der Menschheit gefährdet. Nachhaltiges menschliches Handeln spielt sich also innerhalb dieser planetaren Grenzen ab. Insgesamt wurden neun planetare Grenzen definiert (Große Ophoff und Steinhäuser 2022, S.18). Eine sehr bekannte dieser Grenzen ist der Klimawandel: Hier gehen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler davon aus, dass eine gewisse Klimaerwärmung beispielsweise durch das Einbringen von Kohlendioxid in die Atmosphäre durch das Verbrennen fossiler Energieträger wie Kohle, Gas oder Öl vom Ökosystem Erde abgefedert werden kann. Stoßen wir durch unsere menschlichen Aktivitäten jedoch zu viel CO₂ und andere Treibhausgase aus, so wird die Anpassungsfähigkeit des Ökosystems Erde überfordert. Eine Klimaerwärmung von maximal 1,5°C gegenüber der vorindustriellen Zeit gilt nach der aktuellen wissenschaftlichen Forschung als weniger dramatisch. Wird dieser Wert jedoch überschritten, wird das Anpassungsvermögen des Ökosystems Erde mehr und mehr überfordert: In dem Fall der Überforderung werden sogenannte Kipppunkte erreicht und die natürliche Umwelt unumkehrbar geschädigt, was zu unvorhersehbaren und unbeherrschbaren Folgen führen kann. Bei der planetaren Grenze Klimawandel wäre eine solche Folgen beispielsweise das Erlahmen der globalen Meeresströmungen, wodurch sich regionale Klima Muster und Wetterereignisse, wie regionale Kalt- und Warmzeiten sowie Dürre- und Starkregenereignisse dramatisch verändern könnten (Krautwig und Krieger 2022a, 2022b). Eine planetare Grenze mit konkreten Bezug zu den Berufsbildern Chemielaborant/Chemielaborantin sowie Biologielaborant/Biologielaborantin ist die „Einbringung neuartiger Einheiten im geologischen Sinne“. Zu diesen neuartigen Einheiten (englisch Novel Entities) gehören menschengemachte toxische Verbindungen wie synthetische organische Schadstoffe und radioaktive Stoffe, aber auch genetisch veränderte Organismen, Nanomaterialien und (auch aus Makroplastik resultierendes) Mikroplastik (anthropocene o.J.). Ein Großteil dieser Stoffe, wie Kunststoffe, Lack- und Farbstoffe sowie Arzneimittel und Nahrungszusatzstoffe, Kosmetika und genetisch veränderte Organismen – die in der Umwelt oft schwer abbaubar sind – werden in der Chemie-, Pharma- und Biotech-Industrie erzeugt. Ein bereits breit diskutiertes Problem stellen Plastikabfälle dar, die in die Umwelt gelangen. So werden immer wieder Plastikprodukte wie Verpackungsreste in den Mägen toter Tiere wie Walen oder Hirschen gefunden. Tiere verhungern, obwohl ihr Magen voll (mit Müll) ist. Auch sehr kleine Tiere wie Muscheln oder Wattwürmer nehmen so genanntes Mikroplastik auf, das sich im Meer und auf dem Meeresboden anreichert. Die Folgen der Mikroplastik Aufnahme für die Tiere sind noch nicht abschließend geklärt, es zeigt sich aber, dass auch sie weniger Nahrung aufnehmen und innere Verletzungen im Verdauungsapparat entstehen (ESKP o.J. a, ESKP o.J. b, RND 2019, mdr 2019).
Chemische, pharmazeutische und biotechnologische Produkte
Die deutsche chemisch-pharmazeutische Industrie, in der rund 473.000 Menschen arbeiten (das entspricht rund 1 Prozent aller Erwerbstätigen), setzte im Jahr 2021 rund 227 Milliarden Euro um. Damit gehört dieser Wirtschaftszweig zu den wichtigsten Industriesektoren in Deutschland. Die Produktion der chemisch-pharmazeutischen Industrie verteilt sich über alle Produktgruppen entsprechend dem Produktionsindex (dieser ergibt sich aus dem Wert und der Menge des jeweiligen Produktes; VCI 2022). Die größten Produktionsanteile entfallen zu 27,9 Prozent auf pharmazeutische Spezialitäten und sonstige pharmazeutische Erzeugnisse, das sind Impfstoffe, Arzneiwaren, Zubereitungen für die medizinische Diagnostik, biotechnische pharmazeutische Erzeugnisse u.ä., zu 26,1 Prozent auf sonstige organische Grundstoffe und Chemikalien, dazu gehören Kohlenwasserstoffe, Carbonsäuren, Alkohole, Aldehyden, Ketonen, Chinonen, Amine u.ä., zu 11 Prozent auf Kunststoffe in Primärformen, also Polymere, Polyamide, Harze, Ether etc. in Form von Flüssigkeiten, Pasten, Pulvern, Granulaten, Flocken etc. und zu jeweils rund 7 Prozent auf (a) Anstrichmittel, Druckfarben und Kitte, (b) Seifen, Wasch-, Reinigungs- und Körperpflegemittel sowie Duftstoffe sowie (c) sonstige chemische Erzeugnisse a.n.g. (Erzeugnisse für fotografische Zwecke, Eiweißstoffe, modifizierte Fette und Öle, Erzeugnisse für die Textil- und Leder Appretur; Additive, Katalysatoren sowie sonstige chemische Erzeugnisse für industrielle Verwendung u. ä.).
In Deutschland arbeiteten im Jahr 2020 gut 37.000 Beschäftigte in biotechnologischen Unternehmen 2020 und erwirtschafteten dabei einen Umsatz von 6,5 Milliarden Euro (BMWK o. J.). Die Biotechnologie umfasst eine enorme Vielzahl von Verfahren und Methoden, welche auf lebende Organismen, Teile von ihnen, ihre Produkte oder Modelle angewendet werden, mit dem Ziel die jeweilige lebende (Mikroorganismen, Pflanzen, Tiere) oder nicht lebende Materie (Moleküle, wie DNA oder Enzyme) zu verändern, um das bisherige Wissen über sie auszubauen oder neue Produkte zu erzeugen. Dazu zählen unter anderem neue Pflanzenzüchtungen, neue Medikamente oder Alltagsprodukte wie Waschmittel und Kosmetika. Gegenüber bewährten Methoden aus den Disziplinen der Chemie- oder Agrarproduktion können äquivalente Produkte mit biotechnologischen Verfahren effizienter hergestellt werden. Rund 50 % der biotechnologischen Unternehmen in Deutschland produzieren Medikamente oder diagnostische Testsysteme (rote Biotechnologie). Der Anteil von Biopharmazeutika am gesamten deutschen Pharmamarkt liegt im Jahr 2020 bei 31 Prozent. Weitere 10 Prozent der Biotechnologie Unternehmen entwickeln technische Enzyme bspw. für Waschmittel oder Kosmetikprodukte, innovative Biomaterialien sowie Feinchemikalien (Alkohole, Carbonsäuren etc.) oder Monomere für Kunststoffe (industrielle Biotechnologie). Aber auch konventionelle Unternehmen der Chemieindustrie betreiben Aktivitäten in diesen Bereichen. Rund 6 Prozent der Biotechnologieunternehmen arbeiten in der Bioinformatik. Die Bioinformatik nutzt Methoden und Softwarewerkzeuge der Informatik, um wissenschaftliche Probleme der Chemie, Biologie, Medizin und Pharmakologie zu lösen, z. B. die Sequenzierung von Genomen, Strukturermittlung von Proteinen, die Interaktionen zwischen Biomolekülen (Proteine, RNA, niedermolekulare Verbindungen). Rund 3 Prozent der biotechnologischen Unternehmen sind der Agro-Biotechnologie (grüne Biotechnologie) zuzuordnen, welche sich der genetischen Optimierung von Pflanzen widmet, um deren Abwehr gegen Schädlinge zu stärken, ihren Ertrag zu erhöhen oder sie an veränderte Umweltbedingungen anzupassen. Die verbleibenden 30 Prozent der biotechnologischen Unternehmen sind solche Unternehmen, die ausschließlich oder überwiegend Dienstleistungen für andere Biotech-Firmen erbringen oder als Zulieferer für diese tätig sind inkl. Auftragsproduzenten von biologischen Molekülen ohne eigene Entwicklungsaktivitäten (BMWK o. J., BIOCOM o. J., Fraunhofer o. J.).
Weil die Erzeugnisse der chemischen, pharmazeutischen und biotechnologischen Industrie jeden unserer Lebensbereiche durchdringen, sind die Gestaltung dieser Produkte sowie die dahinterliegenden Verfahren entscheidende Stellhebel für die nachhaltige Gestaltung der gesamten deutschen Wirtschaft.
Umwelt-und Gesundheitsbelastungen durch chemisch-pharmazeutische und biotechnologische Produkte
Die Produktionsmenge, die Vielfalt und die weltweite Freisetzung von umweltschädlichen Substanzen und Kunststoffen nehmen stetig zu: Von 1950 bis 2000 wurde die globale Produktion von Chemikalien um mehr als das 50-Fache erhöht (EUA 2022). Trotz großer Anstrengungen seit einigen Jahrzehnten halten die Sicherheitsbestimmungen für (bio-)chemische Erzeugnisse nicht mit der Geschwindigkeit der Einführung neuartiger Substanzen, die sich wegen ihrer oftmals schlechten Abbaubarkeit in der Umwelt ansammeln, Schritt. Und selbst wenn das Wissen über die Gefährdungspotenziale einzelner Stoffe bekannt wird, sind die Wirkungen auf Menschen, Umwelt und Ökosysteme, die aus einer beliebigen Kombination der vielen verschiedenen Stoffe resultieren, kaum abschätzbar. Eine ständig wachsende Zahl von neuartigen Substanzen findet sich selbst in entlegenen Gebieten der Erde und die Zahl der stark mit Chemikalien und Kunststoffen belastenden Standorte nimmt trotz Sanierungsbemühungen immer weiter zu. Die rasche Zunahme der Vielfalt der Produktions- und Freisetzungsmengen von neuartigen Einheiten (toxische und radioaktive Stoffe, genetisch veränderte Organismen, Nanomaterialien, Kunststoffe) übersteigt die Fähigkeit der Gesellschaft, diese zu bewerten, geschweige denn zu managen. Die Belastung des Planeten ist bereits beträchtlich (Persson et al. 2022).
Umwelt-und Gesundheitsbelastungen durch Zusätze in Kunststoffen
Ob To-Go-Kaffeebecher und Fast-Food-Verpackungen, Hygiene-und Kosmetikprodukte, Farben und Lacke, Elektro- und Elektronikprodukte oder Kinderspielzeuge aller Art: Sie alle bestehen zumindest anteilig aus Kunststoffen, welche in der Regel einen wahren Chemikalien-Cocktail aus vielen unterschiedlichen Chemikalien enthalten.
Kunststoffe sind schwammartige Strukturen aus linearen oder netzförmigen Molekülketten, die mehr oder weniger miteinander verflochten sind. Die genaue Gestalt hängt vom jeweiligen Kunststoff ab. Zwischen die Molekülketten des Kunststoffs werden, je nach Anwendungsfall des Produktes, verschiedene Zusatzstoffe, s. g. Additive eingebracht. Diese werden nicht fest an den Kunststoff gebunden, sondern zwischen den Molekülketten eingelagert. Außerdem befinden sich in diesen Zwischenräumen auch Rückstände aus dem Herstellungsprozess. Das können gesundheits- und umweltschädliche Monomere der Molekülketten sein, wie Styrol, Melamin oder Vinylchlorid, aber auch Lösungsmittelreste wie chlorierte Kohlenwasserstoffe. Additive verleihen dem Kunststoff die gewünschten Eigenschaften. Diese sind zum Beispiel Elastizität, Stabilität, Farbechtheit, Transparenz und Zähigkeit. Typische Additive sind daher: UV-Schutzmittel, Stabilisatoren und Härter (BPA), Weichmacher (Phthalate), Transparenz Verstärker, Antistatika, Farbstabilisatoren, optische Aufheller, Füllstoffe, Flammschutzmittel oder biozide Wirkstoffe. Im Laufe der Zeit neigen Kunststoffe jedoch aufgrund von Hitze, UV-Strahlung, einem fettigen oder sauren Milieu oder anderen Umgebungsbedingungen zum Auslaugen: Die typischerweise giftigen oder hormonell wirkenden Additive werden an Lebensmittel, Lebewesen und die Umwelt abgeben und reichern sich dort an. Dadurch können die einst im Kunststoff eingebetteten Schadstoffe vom Menschen über Atmung (Ausdünstungen wie der “Neuwagengeruch” etc.), Haut (Kunststoff Textilien oder Kosmetikprodukte etc.) und Nahrung (Verpackungen) aufgenommen werden.
Zu den besonders umwelt- und gesundheitsschädlichen (z.B. hormonaktiven) Kunststoffadditiven, die in einer breiten Produktpalette eingesetzt werden, gehören (BEF 2018):
Bromierte Flammschutzmittel: Sie verlangsamen Entzündung und Flammenausbreitung. Sie kommen zum Beispiel in elektronischen Geräten, Kuscheltieren und Polstermöbeln zum Einsatz. Aufgrund ihrer hohen chemischen Beständigkeit und Fettlöslichkeit besteht die Gefahr einer Anreicherung in der Umwelt sowie in tierischen und menschlichen Geweben. Sie wurden weltweit in Sedimenten, Stäuben und zahlreichen Tierarten nachgewiesen. Aufgrund der Gefahrenwirkung darf neu hergestellter Kunststoff nur maximal 10 Mikrogramm dieser Flammschutzmittel pro Kilo enthalten. Ein Kilogramm recycelter Kunststoff enthält oft viele hundert Mikrogramm der bromierten Flammschutzmittel, da für Recyclingprodukte ein 50-fach höherer Grenzwert zulässig ist (EU-Recycling 2022, DLF 2018).
Weichmacher (Phthalate): Sie werden eingesetzt, um die typischerweise spröden und harten Kunststoff-Polymere elastisch zu machen. 98 Prozent der Weichmacher werden in PVC eingesetzt. Andere Produkte mit Weichmachern sind beispielsweise Plastikspielzeuge für Kinder oder Haustiere (Wasserbälle, Puppen etc.), Luftmatratzen oder Elektronikprodukte. Phthalate können dem menschlichen Hormonsystem und der Fortpflanzungsfähigkeit schaden und sie sind deutlich umweltschädlich. Phthalate lagern sich an Umweltpartikel an, die sich in der Nähe der Herstellung oder Verwendung der betroffenen Produkte befinden. Staubpartikel in der Luft transportieren Phthalate über größere Strecken oder gelangen beim Reinigen von PVC-Böden oder PVC-bedruckten Textilien ins Abwasser und so in die Umwelt.
Organozinnverbindungen: Sie dienen in PVC als Stabilisator oder bei der Herstellung von Silikondichtungsmassen, Polyestern und Polyurethanen als Katalysatoren. Außerdem werden sie als Biozide eingesetzt. Sie sind in aufblasbaren Wasserspielzeugen, Flipflops, Sport- und Funktionskleidung zu finden. Organozinnverbindungen haben unterschiedliche toxikologische Eigenschaften. Einige schädigen Immunsystem, Leber und Nervensystem oder aber Hormonsystem und Fortpflanzungsfähigkeit. Sie reichern sich im Sediment von Gewässern und in Organismen an und können die biologische Vielfalt schädigen (BEF 2018, VZ 2022).
PFC (per- und polyfluorierte Chemikalien): Sie machen Kunststoffe wasser- und ölabweisend. Sie kommen z. B. in wasserdichten Textilien, antihaftbeschichtetem Kochgeschirr und fettabweisende Lebensmittelverpackungen vor. Sie begünstigen zahlreiche gesundheitliche Probleme, darunter hohe Cholesterinwerte, chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Schilddrüsenerkrankungen, Hoden- und Nierenkrebs. Weil sie sehr stabil und biologisch nicht abbaubar sind, reichern sich für sehr lange Zeit in der Umwelt (Oberflächengewässer, Böden) an und gelangen ins Trinkwasser und in viele Nahrungsmittel. So reichern sie sich dann auch im menschlichen Organismus an. PFC und verwandte Stoffe, wie PFAS, PFOS, wurden bereits im Regenwasser weltweit festgestellt, sogar in der Antarktis und im tibetischen Hochland. Die Konzentrationen dieser sogenannten „ewigen Chemikalien“ im Regenwasser waren bis zu 14 Mal höher als von der US-amerikanischen Umweltbehörde EPA empfohlen. Das betroffene Regenwasser ist daher nicht als Trinkwasser geeignet, die planetare Grenze „Einbringung neuartiger Einheiten im geologischen Sinne (“Novel Entities”)” ist somit überschritten (Helmholtz e.V. 2022). Deutschland, Dänemark, die Niederlande, Schweden und Norwegen forderten am 07.02.2023 ein Verbot von rund 10.000 PFAS (Tagesschau 2023).
Bei einer Studie zu Chemikalien in Kunststoffen wurde eine unerwartet hohe Anzahl von potenziell besorgniserregenden Substanzen, die absichtlich in Plastik verwendet werden, festgestellt (innovationorigins 2021). Die rund 10.500 Chemikalien verteilten sich auf Verpackungen (2.489), Textilien (2.429) und Anwendungen mit Lebensmittelkontakt (2.109), Spielzeug (522) und medizinische Gegenstände einschließlich Masken (247). Von den 10.500 identifizierten Substanzen wurden 24 Prozent als potenziell besorgniserregend eingestuft: Diese Chemikalien sind entweder nicht abbaubar, reichern sich in Organismen an oder sind giftig für Lebewesen. Bei etwa der Hälfte der untersuchten Chemikalien handelt es sich um solche, die in der EU oder den USA in großen Mengen produziert werden (Chemie 2021).
Umwelt- und Gesundheitsbelastungen durch Mikroplastik
Mikroplastik sind feste und unlösliche synthetische Polymere, die kleiner als 5mm und teilweise mit bloßem Auge schwer oder gar nicht zu erkennen sind (UBA 2020). Vermeidbare Einträge von Kunststoffen in die Umwelt sind unbedingt zu verhindern, da sich große Kunststoffteile im Laufe der Zeit zu Mikroplastik zersetzen und die Entfernung dieser Kleinteile aus der Umwelt kaum möglich ist (UBA o. J.). In der Kosmetikindustrie wird gezielt Mikroplastik eingesetzt, bspw. in Form von Schleifmitteln, Bindemitteln, Füllmitteln und Filmbildnern in Cremes und Seifen, Haarstylingprodukten, Farbkosmetika, Sonnenschutzprodukten. Mikroplastik kommt bspw. auch in Flüssigwaschmitteln vor, um eine gelartige Konsistenz zu erreichen oder als Bindemittel in Anstrichfarben und -lacken (BUND 2021, Covestro o. J., BR 2022, Bundesverband Farbe Gestaltung Bautenschutz o.J.). Die Anwendungsbreite von Mikroplastik ist sehr vielfältig. Über das Abwasser gelangen diese Mikroplastikteilchen in den Wasserkreislauf. Konventionelles Plastik und so auch Mikroplastik ist biologisch inert, was bedeutet, dass es zwar kontinuierlich kleiner, aber nicht vollständig abgebaut wird (UBA 2017). Mikroplastik wurde bis in Meerestiefen von über 9.000 m nachgewiesen und außerdem in Plankton, Muscheln, Würmern, Fischen und Seevögeln gefunden (RND 2022). Oberflächennahe Mikroplastik wird von Kleinstlebewesen, die eine wichtige Nahrungsquelle für Fische sind, aufgenommen. Plastik in der Umwelt akkumuliert Schadstoffe: die Schadstoffkonzentration an Mikroplastik ist oft hundertmal höher als im umgebenden Meerwasser. Das Schadstoff Problem wird umso größer, wenn die Mikroplastikteilchen bereits schädliche chemische Verbindungen wie giftige Dioxine (Flammschutzmittel) oder das Hormonsystem störende Bisphenole (Kunststoff mit hoher Festigkeit) enthalten, die während der Produktion hinzugefügt werden. Fressen Fische Mikroplastik belastete Kleinst- und Kleinlebewesen, nehmen sie auch die Schadstoffe mit auf. Bisher gibt es kaum gesicherte Daten über das Vorkommen von Mikroplastik in Lebensmitteln. Es wurden zwar Mikropartikel in einigen Fischarten nachgewiesen, allerdings beschränken sich diese Befunde hauptsächlich auf Magen- und Darminhalte, die meistens nicht mitgegessen werden (WDR 2022). Schätzungsweise gelangen 3,2 Millionen Tonnen Mikroplastik jedes Jahr in die Umwelt. Forschende haben Mikroplastik auch bereits in menschlichem Blut entdeckt (GEO 2022). In den Blutproben wurden Rückstände von PET-Kunststoff nachgewiesen. Polyethylenterephthalat (PET) wird u.a. für Getränkeflaschen verwendet. Wie sich nachgewiesenes Mikroplastik im Blut auf die Gesundheit auswirkt, ist unklar und muss noch erforscht werden.
Kulturpflanzen wachsen anders, wenn Mikroplastik im Boden steckt: „Das Mikroplastik im Boden müssen wir heute als einen Faktor des globalen Wandels begreifen“ (Rilling, 2020). Es ist ein internationales Problem. Plastik in Reinform ist nicht giftig, aber Zusatzstoffe, z. B. Weichmacher können negative Auswirkungen auf den Boden haben. Mikroplastik verändert über physikalische Parameter die Böden, insbesondere die Größe und Form der Erdkrümel. Es gibt ebenfalls Hinweise, dass Bodenbewohner, z. B. Regenwürmer oder Bodenprozesse durch das Vorhandensein von Mikroplastik verändert werden. Änderungen des Bodengefüges tragen dazu bei, dass manche Pflanzen und Pilze besser wachsen können. Dadurch können sich Pflanzengesellschaften im Ökosystem verändern, z. B. durch vermehrtes Auftreten von Schädlingen bei gleichzeitiger Reduzierung von Bodenlebewesen. Kleinste Plastikteilchen können den Boden instabiler werden lassen. Sauerstoff und dadurch ebenfalls Stickoxide, welche ebenfalls verantwortlich für den Klimawandel sind, können vermehrt in den Boden gelangen. Maßnahmen zur Reduzierung des Mikroplastiks für Umwelt und Menschen werden noch erforscht.
Umwelt- und Gesundheitsbelastungen durch Nanomaterialien
Als Nanomaterial wird ein gezielt geschaffener Verbund von wenigen bis einigen tausend Atomen oder Molekülen bezeichnet, dessen Größe typischerweise zwischen 1 und 100 Nanometern liegt. Zu den Nanomaterialien zählen Nanoobjekte, das sind Nanoplättchen und -filme (z. B. Graphen), Nanofasern, -röhrchen und -drähte (z.B. Kohlenstoffnanoröhrchen) sowie Nanopartikel (z. B. Fullerene oder Metalloxid Partikel) und weiter zusammengesetzte Nanomaterialien (Verbundmaterialien), die nanoskalige Strukturen enthalten (z.B. eingebettete Kohlenstoffnanoröhrchen) oder an der Oberfläche tragen (DGUV 2015). Nanomaterialien werden bereits in vielen Produkten unseres Alltags eingesetzt, z. B. in LED-Fernsehgeräten und Touchscreen-Oberflächen, speziellen Solarzellen, Textilien, Beschichtungs-, Reinigungs- und Imprägnier Stoffen bis hin zu Sonnencremes. Auch in der Medizin werden Nanomaterialien eingesetzt, z.B . zur Diagnose von Krankheiten oder zur Krebsbehandlung. Weiterhin werden Nanomaterialien in Lebensmittelverpackungen und Küchengeräten eingesetzt, um antimikrobielle Eigenschaften zu erreichen und so die Haltbarkeit der Lebensmittel zu verlängern (BAM 2022, BSTMUV o. J.). Partikel der Größenordnung 1 bis 100 Nanometer entstehen auch durch natürliche Prozesse oder als unerwünschtes Resultat technischer Prozesse, beispielsweise bei Vulkanausbrüchen oder der Verbrennung fossiler Energieträger (Kfz- und Industrieabgase).
Synthetische Nanopartikel können aus Metallen, Oxiden, Polymeren oder Kohlenstoff erzeugt werden. Zu den bekanntesten Nanopartikeln bzw. -materialien gehören Nanosilber, Nanotitandioxid und Kohlenstoffnanoröhrchen. Die chemischen und physikalischen Eigenschaften von Nanomaterialien unterscheiden sich deutlich von denen größerer Partikel oder Festkörpern desselben Materials. So haben Nanopartikel im Vergleich zu größeren Strukturen (UBA 2019) eine höhere chemische Reaktivität, eine stärkere katalytische Wirksamkeit, veränderte thermodynamische Parameter (z. B. Schmelzpunkt), veränderte metallische Eigenschaften und Halbleitereigenschaften sowie veränderte optische und magnetische Eigenschaften.
Nanosilber weist biozide Eigenschaften auf. Deshalb findet es laut Herstellenden Einsatz in Deodorants, Funktionskleidung, Wischtücher, Schneidebrettern u.v.m. Auch Bootsanstriche werden mit verschiedenen bioziden Nanopartikeln entwickelt, um marine Kleinstlebewesen daran zu hindern, an Booten anzuwachsen. Biozide Holz- und Farbanstriche mit Nanosilber oder Titandioxid-Nanopartikeln sollen außerdem Schimmel und Algenbefall verhindern. Die immer breitere Anwendung synthetischer Nanomaterialien erzeugt bereits einen erhöhten Eintrag von Nanopartikeln in die Umwelt. Das Wissen über Gesundheits- und Umweltgefahren durch Nanomaterialien ist noch lückenhaft: Während einige Untersuchungen negative Auswirkungen auf die Gesundheit möglich erscheinen lassen, bestätigen andere Untersuchungen das nicht. Es wurde nachgewiesen, dass einige Nanoobjekte biologische Strukturen durchdringen können, ob sich das jedoch negativ auf den betroffenen Organismus auswirkt, ist bislang unklar. Einige Nanofasern zeigen im Tierversuch besorgniserregende Ergebnisse. Zukünftig ist die umfassende Betrachtung von Nanomaterialien zur Abschätzung ihrer Wirksamkeit und ihrer Risiken für Mensch und Umwelt notwendig. Biozidprodukte auf Basis von Nanomaterialien müssen ein gesondertes Prüfverfahren für ihre Zulassung durchlaufen, um die besonderen Risiken abschätzen zu können und biozid behandelte Alltagswaren wie Schneidbretter oder Textilien müssen alle enthaltenen Nanomaterialien mit der anschließenden Angabe „Nano“ in Klammern auf dem Etikett angegeben werden (UBA 2019, UBA 2016, BAM 2022).
Umwelt- und Gesundheitsbelastungen durch gentechnisch veränderte Organismen
Gentechnische Verfahren finden in unterschiedlichen Gebieten Anwendung und werden je nach Anwendungsbereich als rote, weiße und grüne Gentechnik bezeichnet: rote Gentechnik bezeichnet Anwendungen in der Medizin und Pharmazeutik, weiße Gentechnik Anwendungen in der Industrie und grüne Gentechnik die Anwendung bei Pflanzen. Potenzielle Umwelt- und Gesundheitsbelastungen werden vor allem im Bereich grüne Gentechnik diskutiert. Gentechnische Verfahren werden in der Pflanzenzüchtung seit 1995 kommerziell eingesetzt. Der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen konzentriert sich dabei auf 5 Länder: die USA, Brasilien, Argentinien, Kanada und Indien. Die meist angebauten Arten sind Sojabohnen, Mais, Baumwolle und Raps. In der EU wachsen dagegen bislang kaum gentechnisch veränderte Pflanzen, nur ca. 0,15 Prozent der Ackerfläche werden dafür genutzt. In Deutschland werden derzeit keine gentechnisch veränderten Pflanzen angebaut (BUND o.J. a, Umweltinstitut o. J.).
In der klassischen Gentechnik wird das Erbgut eines anderen Organismus (z. B. eines Bakteriums) in das Erbgut des zu verändernden Organismus eingebracht. Die so entstehenden veränderten Organismen werden als transgen bezeichnet. Neue Gentechnik, die seit einigen Jahren vermehrt genutzt wird, bezeichnet dagegen Methoden, die das Genom verändern, ohne artfremde DNA einzubringen. Beispiele für solche Methoden sind CRISPR/Cas oder Zinkfinger-Nuklease. Die Risiken, die Kritikerinnen und Kritiker bei Methoden der neuen Gentechnik bei Pflanzen sehen, sind den Risiken der klassischen Gentechnik ähnlich. Es besteht allerdings die Befürchtung, dass durch die Möglichkeit noch komplexerer Veränderungen die Auswirkungen noch unberechenbarer sein könnten (Global 2000 o. J., VZBV 2022). Andererseits werden Verfahren der neuen Gentechnik von Befürworterinnen und Befürwortern als näher zu Mutations Ereignissen, die ohne menschliches Zutun und durch konventionelle Züchtung und als dementsprechend weniger risikoreich eingestuft (Leopoldina 2019).
Die am meisten verbreiteten Ziele, die mit gentechnischen Veränderungen bei Pflanzen angestrebt werden, sind Herbizidresistenz und Insektenresistenz. Auch weitere Eigenschaften wie Trockenheitstoleranz sollen durch Genveränderungen herbeigeführt werden (Umweltinstitut o. J.). Das von Herstellern angegebene Ziel ist, robustere Nutzpflanzen anzubauen, die seltener mit Herbiziden behandelt werden müssen und zur Ernährung der Weltbevölkerung beitragen (WWF 2021). Kritikerinnen und Kritiker sehen diese Ziele als nicht erreicht: Die Anwendung von Herbiziden habe sich eher erhöht, unter anderem weil sich auch bei den Bei- bzw. Unkräutern Resistenzen bilden. Auch bei Schadinsekten bilden sich Resistenzen (BUND o. J. b, BUND o.J. c). Viele der gentechnisch veränderten Pflanzen werden als Futtermittel für Fleisch mit Absatzmärkten in Industrie- und Schwellenländern genutzt, was nicht zur Ernährung von Teilen der Weltbevölkerung, die mangel- oder unterernährt sind, beiträgt (WWF 2021). Darüber hinaus birgt der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen auch erhebliche Risiken, sowohl die Umwelt als auch die Gesundheit betreffend. Ein Risiko ist, dass auch Arten, die nicht gentechnisch verändert wurden, ‘kontaminiert’ werden, also eine Koexistenz von gentechnikfreien und gentechnisch veränderten Arten nicht möglich ist. Gentechnisch veränderte Pflanzen haben das Potential, sich mehr zu verbreiten und länger zu überdauern als geplant, es besteht die Möglichkeit, dass es zu einer unkontrollierten Ausbreitung kommt (BUND o.J. d, BUND o.J. e, Testbiotech 2018). Ein weiteres Risiko ist eine Reduktion der Artenvielfalt: Der vermehrte Einsatz von breit wirkenden Herbiziden wie “Roundup”, die genutzt werden können, wenn die Nutzpflanze resistent ist, führt zu einem Rückgang der Wildkräuter auf und neben behandelten Äckern und damit auch zu der von den von diesen Pflanzen abhängigen Insekten. Die Wirkstoffe von eingesetzten Herbiziden können auch direkt für Mikroorganismen und Tiere (z.B. Amphibien) schädlich sein und zeigen negative Wirkungen auf die Fruchtbarkeit von Böden. Die Toxine gegen Schadinsekten, die gentechnisch veränderte Pflanzen hervorbringen, wirken auch auf Nutzinsekten (z.B. Schmetterlinge), die nicht das Ziel sind und wichtige Rollen im Ökosystem spielen (BUND o.J. b, BUND o.J. c).
Im Hinblick auf die Gesundheitswirkungen von gentechnisch veränderten Lebensmitteln werden vor allem die Entstehung neuer Allergien und Antibiotikaresistenzen in den Blick genommen. Lebensmittelallergien beruhen auf Überempfindlichkeiten gegenüber bestimmten Proteinen. Durch gentechnische Veränderungen werden durch die neue Erbinformation Proteine produziert, die möglicherweise Allergien auslösen können. In vielen gentechnisch veränderten Pflanzen werden Antibiotikaresistenzgene eingebaut, die als Markergene genutzt werden, um festzustellen, ob die Veränderung erfolgreich war. Solche Antibiotikaresistenzgene können sich auf Bakterien im menschlichen Darm übertragen, was die Gefahr der Unwirksamkeit von Antibiotika birgt (Vgl. SDG 3). Auch durch den verstärkten Einsatz von Breitbandherbiziden kann es zu gesundheitsschädlichen Wirkungen kommen, da der Wirkstoff Glyphosat auch eine toxische Wirkung auf Menschen hat (BUND o.J. f). Die Studienlage ist unklar: Es gibt Studien, die die Sicherheit von gentechnisch veränderten Pflanzen als ähnlich hoch einstufen wie bei vergleichbaren konventionell hergestellten Lebensmitteln. Bedeutende wissenschaftliche Institutionen in Deutschland teilen diese Einschätzung (Leopoldina 2021, VZBV 2022). Darüber, wie groß die Gefahr von Schäden durch klassische und vor allem durch neue Gentechnik ist, gibt es derzeit keinen Konsens. Da Landwirtschaft, Ernährung und das Ökosystem insgesamt komplexe Systeme sind, ist es für die Wahrung des Vorsorgeprinzips jedoch wichtig, umfassende Technikfolgen Abschätzungen vorzunehmen und dabei nicht nur einzelne Verfahren oder Veränderungen, sondern auch die ökologischen, sozioökonomischen und gesundheitlichen Gesamtzusammenhänge zu betrachten. Dabei müssen nicht nur direkte, sondern auch indirekte Effekte berücksichtigt werden, die unmittelbar, verzögert oder kumulativ sein können (VZBV 2022). Erst wenn hier eine belastbare Einschätzung zu den Risiken vorliegt, reicht die Basis aus, um informierte Entscheidungen zur Nutzung von Gentechnik zu treffen.
Umwelt- und Gesundheitsbelastungen durch die Akkumulation “neuartiger Einheiten”
Auch wenn die gesundheits- und umweltbelastenden Wirkungen einzelner Substanzen in einem Produkt – beispielsweise Nahrungsmittel, Textil, Kunststoff, Nanomaterial, Medikament (Vgl. SDG 3) etc. – den individuellen nationalen oder internationalen Grenzwerten entsprechen, so sind die Risiken durch Substanzgemische oder das Zusammenwirken von Gefahrstoffen, die aus unterschiedlichen Quellen stammen, bislang nicht abschätzbar.
Hierzu ein paar Ausschnitte aus einem Interview mit Xenia Trier, Expertin für Chemikalien in der Europäischen Umweltagentur (EUA 2022):
1) “Es werden Tests [Anm.:“ zur Ermittlung der Umwelt- und Gesundheitswirkungen von Chemikalien] durchgeführt, doch sind diese zeitaufwändig und kostenintensiv und können nicht alle Expositionsszenarien abdecken.“ “ Die Erfahrung lehrt uns des Weiteren, dass sich bei Stoffen, die wir einst für sicher befunden hatten, die Auswirkungen häufig erst später zeigen.”
2) “Ein Großteil der Anstrengungen in der Vergangenheit konzentrierte sich auf einzelne Stoffe, die als schädlich galten.“ Das Problem besteht darin, dass es sehr lange dauern kann, bis ausreichend Daten vorliegen, um die Schädlichkeit von bestimmten Chemikalien nachzuweisen, und diese in der Zwischenzeit schon weit verbreitet sind. Bleihaltiges Benzin und einige Pestizide sind Beispiele für Stoffe, bei denen genau dies passiert ist. „Manchmal können sich auch die Chemikalien, mit denen schädliche Chemikalien ersetzt werden, auf die eine oder andere Art als ebenso schädlich erweisen.”
3) “Außerdem wächst die Besorgnis hinsichtlich der Risiken durch Chemikalien Gemische und das Zusammenwirken von verschiedenen Chemikalien, was in der Regel bei der Bewertung von Chemikalien nicht berücksichtigt wird.“ „Wir wissen heutzutage auch, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen, beispielsweise Kinder und Menschen mit chronischen Krankheiten, durch Chemikalien stärker gefährdet sind als andere.”
4) “Überdies haben nicht alle Chemikalien unmittelbare Auswirkungen, aber können in einer späteren Lebensphase zu Erkrankungen führen, wie etwa endokrine Disruptoren, die die Fruchtbarkeit verringern und hohe Cholesterinwerte und Übergewicht verursachen.“ Manche Chemikalien haben bereits in sehr kleinen Mengen Auswirkungen, während andere erst nach Ansammlung einer kritischen Menge zu gesundheitlichen Problemen führen. Im Großen und Ganzen ist unser Wissen über die Auswirkungen der chemischen Belastung insgesamt, sowohl auf die Menschen als auch auf die Ökosysteme, nach wie vor sehr begrenzt.”
Das Vorsorgeprinzip als Basis für die chemische und biotechnologische Produktion
Aus den im vorigen Abschnitt genannten Gründen fordern Umwelt- und Verbraucherschutzverbände sowie Nichtregierungsorganisationen, dass die Hersteller und In-Verkehr-Bringer von chemischen, pharmazeutischen und biotechnologischen Produkten nur unter wirklich strenger Einhaltung des Vorsorgeprinzips handeln dürfen sollten. Das Vorsorgeprinzip besagt, dass insofern die Gefahr besteht, dass es mit einiger Wahrscheinlichkeit zu Schäden kommt, dafür gesorgt werden soll, dass es nicht zur Entstehung dieser Schäden kommt, statt sie durch Nachsorge zu beseitigen. Risiken sollten also vorausschauend und frühzeitig in Betracht gezogen werden und das Handeln mitbestimmen. Dem Vorsorgeprinzip nach ist es geboten, “bei unvollständigem oder unsicherem Wissen über Art, Ausmaß, Wahrscheinlichkeit sowie Kausalität von Umweltschäden und -gefahren vorbeugend zu handeln, um diese von vornherein zu vermeiden” (UBA 2021).
Bisher werden Stoffe erst verboten beziehungsweise reguliert, wenn es bereits zu spät ist, also sie sich bereits in der Umwelt angereichert haben. Solange nicht klar ist, wie umwelt- und gesundheitsschädlich Stoffe sind, sollten sie nicht zugelassen werden, so die Forderung. Das Vorsorgeprinzip verlangt, dass immer dann gehandelt wird, wenn es nachvollziehbare Gründe zur Besorgnis gibt, auch wenn noch kein schlüssiger Nachweis eines Kausalzusammenhangs gegeben ist (Große Ophoff und Steinhäuser 2022, S.20). Dies sollte vor allem dann zum Tragen kommen, wenn inzwischen als gesundheits- oder umweltschädlich angesehene Stoffe durch sehr ähnliche neue Stoffe ersetzt werden (Vgl. Punkt 3 in der Aufzählung des vorherigen Abschnitts).
Nachhaltige Produktion, Reduktion und Recycling von Abfällen
Die Chemie- und Pharmaindustrie verursachte im Jahr 2019 über 5 Prozent der gefährlichen Abfälle der deutschen Wirtschaft (UBA 2022 a). In die Summe der gefährlichen Abfälle gehen unter anderem ein: Abfälle aus der chemischen Oberflächenbearbeitung, Abfälle aus organischen Lösemitteln und Kühlmitteln, Abfälle aus der medizinischen Versorgung sowie Verpackungsabfälle. All diese Abfälle fallen zusätzlich auch in ganz anderen Wirtschaftszweigen als der Chemie- und Pharmaindustrie an, beispielsweise bei der Herstellung von Textilien, Bekleidung, Lederwaren und Schuhen, im Fahrzeug- und Maschinenbau oder bei der Herstellung von Papier, Pappe und Druckerzeugnissen (Vgl. destatis 2023). All diese Wirtschaftszweige beziehen die Produkte, die zu diesen Abfällen führen, aus der Chemie- und Pharmaindustrie oder aus der biotechnologischen Erzeugung (zu den Produkten der industriellen “weißen” Biotechnologie gehören unter anderem: Aromastoffe, Medikamenten- und Pestizid Wirkstoffe, Chemikalien, Werkstoffe, Bioenergieträger). Das bedeutet, dass die Produkte der Chemie- und Pharmaindustrie und der Biotech-Unternehmen über ihre Abnehmer und Kundinnen eine nennenswert größere Menge an gefährlichen Abfällen verursachen. Werden in der Chemieindustrie beispielsweise Kühl- und Kältemittel mit hoher Klimawirkung oder gesundheitsschädliche Additive für Verpackungen erzeugt, so werden diese auch von den weiterverarbeitenden Wirtschaftszweigen und schließlich den privaten End Verbraucherinnen und -verbrauchern eingesetzt und fallen am Ende ihres Lebenszyklus als umweltbelastende Abfallstoffe an. Diese Abfallstoffe gelangen nur teilweise auf einem umwelt- und klimaschonenden Weg zurück in den Wirtschaftskreislauf. Schätzungsweise gelangen weltweit rund 3 Millionen Tonnen Mikroplastik jedes Jahr in die Umwelt. Forschende haben Mikroplastik auch bereits in menschlichem Blut entdeckt (GEO 2022). In Deutschland fielen 2021 knapp 6 Millionen Tonnen Kunststoffabfall an. Davon wurden gut 41 Prozent recycelt. Weitere 5 Prozent der Kunststoffabfälle wurden exportiert und gelten damit als recycelt, obwohl unbekannt ist, ob sie nicht doch auf Deponien oder in der natürlichen Umwelt abgeladen wurden. Mit 53 Prozent, wurde der größte Anteil der Kunststoffabfälle jedoch unter der Freisetzung von klimaschädlichen Verbrennungsgasen wie CO₂ verbrannt. Nur ein kleiner Anteil von knapp 1 Prozent der Kunststoffabfälle wurde auf inländische Deponien verbracht (DLF 2023). Chemikalien, pharmazeutische und biotechnologische Erzeugnisse gelangen während ihrer Gewinnung, Herstellung, Verarbeitung, Nutzungsphase, ihres Recyclings und ihrer Entsorgung in die Umwelt. Einige wenige Beispiele für Einträge von Chemikalien in die natürliche Umwelt und jeweils auch in die dort lebenden Organismen sind die folgenden: Nebel von Sprühprodukten wie Desinfektion- und Schädlingsbekämpfungsmittel, Farben oder Haarsprays gelangen in die Luft; Reste von Kosmetika (z.T. Mikroplastik), Stoffwechselprodukte von Arzneien oder Waschreste von Malerfarben sowie deren Verwitterungsabriebe (z.T. Mikroplastik) gelangen in Grundwasser, Oberflächengewässer und den Klärschlamm von Abwasserreinigungsanlagen; Kunststoffabriebe von Autoreifen oder Bekleidung gelangen in den Boden (UBA 2022 b).
Die umweltbelastenden Eigenschaften eines Produktes entscheiden sich bereits bei der Produktentwicklung. Denn Entscheidungen, die im Rahmen der Produktentwicklung getroffen werden, wirken sich auf den gesamten Lebenszyklus eines Produktes aus. Das heißt, wenn nicht bereits bei der Produktentwicklung Prinzipien eines integrierten (vorgelagerten) Gesundheits- und Umweltschutzes mitgedacht werden, können Gesundheits- und Umweltschutz nur nachgelagert betrieben werden. Nachgelagerter Umweltschutz bedeutet, dass Abfälle bzw. Schadstoffe, die aus dem Produkt oder seiner Herstellung folgen, nach ihrer Entstehung der Abfallbehandlung zugeführt werden müssen (Abfälle) bzw. nach ihrer Freisetzung eingefangen und möglichst unschädlich gemacht werden (Schadstoffe). Im Fall von emittierten Schadstoffen erfolgt das beispielsweise durch Klär-und Filteranlagen und geeignete Verbrennungsprozesse, letztere emittieren jedoch klimaschädliche Treibhausgase.
Bei der Entwicklung von nachhaltigen Produkten sollten stets kreislaufwirtschaftliche Grundsätze berücksichtigt werden. Bisher ist unser Wirtschaftssystem oftmals noch linear aufgebaut, was sich unter anderem darin ausdrückt, dass Umweltschutz nachgelagert betrieben wird, bspw. bei der Verbrennung giftiger und nicht recyclingfähiger Abfälle. Eine nachhaltige Wirtschaft ist jedoch eine Kreislaufwirtschaft, in der Abfälle wieder zu Ausgangsstoffen für Produkte werden können, wodurch Ressourcen eingespart werden. Kreislaufwirtschaftliche Grundsätze werden entsprechend ihrer Wertigkeit für die Zirkularität von 1 = höchste Wertigkeit bis 10 = geringste Wertigkeit sortiert. Sie sind nachfolgend dargestellt. Für die Berufsbilder Chemielaborant/Chemielaborantin sowie Biologielaborant/Biologielaborantin ist vor allem eine Konzentration auf die fettgedruckten Grundsätze (1,2,3,9) relevant:
1. Refuse – Überflüssig machen: Produkte bzw. Produktbestandteile (bspw. umwelt- und gesundheitsschädliche) werden überflüssig, der Produktnutzen wird anders erbracht
2. Rethink – Neu denken und zirkulär designen: Produkte neu gestalten und intensiver nutzen. Beispielsweise sind Kunststoffe aus Verbundmaterialien schwer oder gar nicht recyclingfähig und entsprechen so nicht dem Kreislauf Gedanken.
3. Reduce – Reduzieren: Steigerung der Effizienz bei der Produktherstellung oder -nutzung durch geringeren Verbrauch von natürlichen Ressourcen und Materialien
4. Reuse – Wiederverwendung: Funktionsfähige Produkte wiederverwenden
5. Repair – Reparatur: Produkte warten und durch Reparatur weiter nutzen
6. Refurbish – Verbessern: Alte Produkte aufarbeiten und auf den neuesten Stand bringen
7. Remanufacture – Wiederaufbereiten: Teile aus defekten Produkten für neue Produkte nutzen, die dieselben Funktionen erfüllen
8. Repurpose – Anders weiter nutzen. Teile aus defekten Produkten für neue Produkte nutzen, die andere Funktionen erfüllen
9. Recycle – Recycling. Aufbereiten von Materialien, um eine hohe Qualität zu erhalten und sie wieder in den Materialkreislauf zurückführen
10. Recover – Thermische Verwertung mit Energierückgewinnung
12 Prinzipien der grünen Chemie
Die Nutzung von natürlichen Ressourcen ist immer mit der Entstehung von Emissionen verbunden und ruft Umweltauswirkungen hervor. Im Falle der chemischen Industrie sind diese natürlichen Ressourcen ganz überwiegend fossile Ressourcen wie Erdöl und Erdgas. Die Produkte der chemischen Industrie wiederum bilden die Ausgangsstoffe oder dienen als Verbrauchsmaterialien in pharmazeutischen und biotechnologischen Laboren. Umweltauswirkungen können über alle Lebensphasen eines Produktes entstehen: bei der Herstellung, der Nutzung und am Ende des Lebensweges im Rahmen der Entsorgung. Sie werden ausgelöst durch die Input- und Outputströme in den Lebensphasen, durch die eingesetzten Energieträger, Rohstoffe und Hilfsstoffe (z. B. Klebstoffe, Lacke, Additive, Verpackung), durch die mit ihnen verbundenen Emissionen (z. B. Schadstoffe, Stäube, Abriebe und Verflüchtigungen) und nichtverwertbaren Abfälle (VDI o. J.). Um die schädlichen Umweltwirkungen aus den Produkten der chemisch-pharmazeutischen und biotechnologischen Industrie zu reduzieren, wurden die 12 Prinzipien der grünen Chemie verfasst (My Green Lab 2020):
1. Abfallvermeidung: Bei chemischen Reaktionen fallen vielfach flüssige oder feste Abfälle an. Bisher haben wir unter der Annahme gearbeitet, dass es akzeptabel ist, Abfälle zu erzeugen, da sie nachträglich behandelt, verdünnt oder verbrannt und wieder in die Umwelt entlassen werden können. Die Abfallbehandlung jedoch ist teuer, birgt Risiken für die Angestellten der Abfallbehandlung und es besteht immer die Gefahr, dass Abfälle in die Umwelt freigesetzt werden, wo sie nicht mehr oder nur unter sehr großem Aufwand wieder eingesammelt werden können und außerdem langfristige Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Umwelt haben können. Die Abfallvermeidung ist die effizienteste Möglichkeit, Abfälle zu minimieren, um so zu vermeiden, dass die aus ihnen resultierenden Auswirkungen bewältigt werden müssen. Es ist besser, ein Problem von vornherein zu vermeiden, als zu versuchen, es später zu beheben.
2. Maximierung der Einbindung von Materialien (Atomökonomie): Substanzen, die im Rahmen von Synthesen nicht in das Endprodukt eingebaut werden, enden als Abfall (siehe Prinzip 1). Typischerweise wird die s.g. Ausbeute berechnet, um die Effizienz einer Reaktion zu messen. Hierbei wird die tatsächlich erhaltene Masse des gewünschten Produkts geteilt durch die theoretisch erhältliche Masse, die anhand der Reaktionsstöchiometrie berechnet wird. Bei dem Konzept der Ausbeute bleiben jedoch die Massen der anderen für die Reaktion benötigten Stoffe unberücksichtigt. Hier setzt das Konzept der Atomökonomie an, welches das Molekulargewicht des gewünschten Produkts durch das Molekulargewicht aller Ausgangsstoffe teilt. Die Atomökonomie gibt einen nützlichen Einblick in die Art und Weise, wie die Ausgangsstoffe in das Endprodukt eingebaut werden. Ein einfaches – wenn auch praktisch nicht besonders relevantes Beispiel ist die Erzeugung von Wasser als gewünschtes Produkt bei der Verbrennung von Methan: CH4(gas) + 2O₂(gas) => 2H₂O(gas) + CO₂(gas). Wenn im Experiment 32 Gramm Methan verbrennen, bilden sich 66 Gramm Wasser. Die prozentuale Ausbeute an Wasser wird berechnet, indem zunächst die 32 g Methan in Mol Methan (2 mol) umgerechnet werden und die Reaktionsstöchiometrie zur Berechnung der Mol Wasser (4 mol) verwendet werden. Die Stoffmenge des Wassers wird dann in die Wassermasse umgerechnet: Das sind 72 Gramm. Die erhaltene Menge von 66 g, geteilt durch die theoretisch möglichen 72 g, entspricht einer Ausbeute von 92 Prozent. Die Atomökonomie für dieselbe Reaktion wird berechnet, indem das Molekulargewicht des Wassers (18 g * 2 Mol = 36 g) durch das Molekulargewicht aller Ausgangsstoffe (16 g + 2*32 g = 80 g) geteilt wird, was eine Atomökonomie von 45 % ergibt. Mehr als die Hälfte der an der Beispielreaktion beteiligten Atome sind also nicht Bestandteil des gewünschten Endproduktes, sondern fallen als Abfall oder bestenfalls in anderen Prozessen nutzbare Koppelprodukte an.
3. Durchführung von Synthesen mit weniger gefährlichen Stoffen: Chemikalien bringen ganz unterschiedliche, manchmal aber auch ähnliche Gesundheits- und Umweltgefahren mit sich. Die Abwägung zwischen den jeweiligen Gefahren und insbesondere der Vergleich zwischen den verschiedenen Gefahrenarten ist oftmals schwierig. Viele Organisationen haben Leitfäden zur Auswahl umweltfreundlicher Alternativen entwickelt, um diese Entscheidungen zu erleichtern (Vgl. My Green Lab 2020). Dies trägt auch dazu bei, dass weniger gefährliche Abfälle anfallen (siehe Prinzip 1).
4. Herstellung möglichst sicherer und umweltfreundlicher Chemikalien: Die Entwicklung sichererer Chemikalien ist eine große Herausforderung, da sie Verständnis dafür erfordert, wie Chemikalien im Körper verstoffwechselt werden und wie ihr Verbleib in der Umwelt aussieht. Hierzu gibt es oft nur wenig Daten.
5. Einsatz umweltfreundlicher Löse- und Hilfsmittel: Bei chemischen Arbeiten werden oft Lösungsmittel eingesetzt, um chemische Abläufe zu optimieren oder um Produkte zu trennen. Lösungsmittel und Hilfsstoffe enden zu großen Teilen als Abfall und tragen in großem Umfang zu den Umweltwirkungen eines Produktes über seinen gesamten Lebensweg bei: Für die Herstellung und den Transport von Lösungsmitteln und Hilfsstoffen werden Energie und Ressourcen benötigt, und auch für die Entfernung von Lösungsmitteln aus dem Endprodukt wird oft Energie aufgewendet. Der minimierte Einsatz dieser Stoffe reduziert also einerseits Abfälle (siehe Prinzip 1) und verbessert die Umweltbilanz des Produktes. Einige Strategien zur Verringerung des Einsatzes von Hilfsstoffen sind die Anwendung überkritischer Flüssigkeiten, lösungsmittelfreier chemischer Verfahren, wässriger chemischer Verfahren und Immobilisierungstechniken.
6. Einsatz energieeffizienter Verfahren: Im Labor wird Energie zum Erhitzen oder Kühlen, für Trennverfahren, Kondensationen, Reinigungen und für eine Vielzahl anderer Vorgänge benötigt. Die grüne Chemie versucht, Reaktionen bei Umgebungstemperaturen und -drücken (oder näher an der Umgebung) durchzuführen, sodass der Energiebedarf minimiert werden kann.
7. Einsatz erneuerbarer Rohstoffe: Derzeit werden viele Chemikalien aus Erdöl hergestellt. Die weitere Verwendung von Chemikalien aus einem nicht erneuerbaren Rohstoff wie Erdöl ist nicht nachhaltig. Heute gibt es bereits eine Vielzahl neuer Verfahren und chemische Prozesse zur Herstellung chemisch-pharmazeutischer Produkte aus erneuerbaren Rohstoffen wie Algen, Zuckerrohr und anderen nachwachsenden Rohstoffen. Der Einsatz erneuerbarer Rohstoffe sollte jedoch behutsam abgewogen werden, wie im nächsten Abschnitt und SDG 9 dargestellt.
8. Vermeidung von Derivaten als Zwischenstufen in Synthesen: In einigen chemischen Umwandlungen werden s. g. Schutzgruppen genutzt, um unerwünschte chemische Reaktionen an einer reaktiven Stelle und damit z. B. unerwünschte Derivate zu verhindern. Der Auf- und Abbau dieser Schutzgruppen erfordert zusätzliche Chemie und somit auch zusätzliche Energie und Ressourcen. Eine Alternative zu chemischen Verfahren mit Schutzgruppen ist der Einsatz von Enzymen und biologischen Prozessen zur Durchführung der gewünschten Umwandlungen.
9. Einsatz von Katalysatoren: Katalysatoren ermöglichen Reaktionen bei niedrigeren Temperaturen und selektive Modifikationen. Sie können außerdem die Prozessschritte in einer Synthese oder die Menge der verwendeten Reagenzien reduzieren. Das führt zu einer höheren Atomökonomie (siehe Prinzip 2) und damit weniger Abfall (siehe Prinzip 1).
10. Herstellung biologisch abbaubarer Stoffe: Im besten Fall sollen chemisch-pharmazeutische Produkte wirksam sein und gleichzeitig keine nachteiligen Auswirkungen haben, nachdem sie ihren Zweck erfüllt haben. Dies trifft auf Produkte zu, die leicht abbaubar sind, also nicht in der Umwelt verbleiben, wo sie sich anreichern. Unabhängig davon, ob ein Produkt durch Hydrolyse, Photolyse oder auf andere Weise abgebaut wird, muss auch die Toxizität der Abbauprodukte berücksichtigt werden, um sicherzustellen, dass sich ein gutartiges Produkt nicht in einen Gefahrstoff verwandelt.
11. Einsatz von Prozessanalytik zur laufenden Überwachung von Synthesen: Durch Echtzeit-Überwachung (bio-)chemischer Umsätze ist die Möglichkeit gegeben, unerwünschte Reaktionsprodukte zu erkennen und die Reaktionsbedingungen anzupassen, um deren Entstehung zu minimieren.
12. Unfallvermeidung: Prozesse sind so zu planen, dass stets die biochemischen Stoffe verwendet werden, die die geringsten Auswirkungen auf Gesundheit, Sicherheit und Umwelt haben. Wenn bei einem Laborprozess eine Gefahr besteht, müssen entsprechende Maßnahmen veranlasst werden, die das Risiko einer Exposition gegenüber dieser Gefahr oder einer Schädigung durch diese Gefahr reduzieren (Laborkittel tragen, Abzug benutzen etc.).
Diese 12 Prinzipien der grünen Chemie helfen dabei auch, sehr kritische Stoffe zu vermeiden. Sehr kritische Stoffe entstammen der chemischen, pharmazeutischen und biotechnologischen Produktion und haben sogenannte PBT-Eigenschaften:
- P – Persistent: Persistente Stoffe sind langlebig und somit schwer abbaubar
- B – Bioakkumulierend: Bioakkumulierende Stoffe reichern sich in Organismen an
- T – Toxisch: Toxische Stoffe sind giftig für Menschen und Umweltorganismen, krebserregend oder wirken auf das Hormonsystem.
Unabhängig von ihrer Konzentration sind PBT-Stoffe immer eine Gefahr und dürfen nicht in die Umwelt gelangen. Aus ethischen Gründen sind jedoch beispielsweise Arzneimittel für Menschen mit PBT-Eigenschaften zugelassen. Die Produzenten von Stoffen mit PBT-Eigenschaften sollten im Sinne der grünen Chemie ihre Bemühungen, intensiviere Alternativen und wirkungsvolle Rücknahmesysteme zu entwickeln (z. B. für Medikamente).
Bekannte PBT-Wirkungen von Gefahrstoffen können über die englischsprachige Datenbank https://www.echemportal.org/echemportal/substance-search bspw. über die GHS classification der ECHA REACH recherchiert werden (Vgl. Abschnitt zur REACH-Verordnung).
Einsatz nachwachsender Rohstoffe - Eine gute Idee?
Das 7. Prinzip der grünen Chemie empfiehlt den Einsatz erneuerbarer, d.h. nachwachsender Rohstoffe für die Gewinnung chemisch-pharmazeutischer und biotechnologischer Produkte. Dieser Empfehlung ist jedoch nicht uneingeschränkt zu folgen, da viele nachwachsende Rohstoffe wie Zuckerrohr nicht nur eine Rohstoffbasis in der Chemie und Biotechnologie sein können, sondern eben auch als Lebens- oder Futtermittel dienen können. Zuckerrohr beispielsweise kann sowohl zu Haushaltszucker verarbeitet als auch zu (Bio-)Ethanol vergoren werden. Letzteres kann sehr vielseitig eingesetzt werden: als Träger für Geruchsstoffe wie Parfums und Deodorants, als Reinigungs- oder Frostschutzmittel, als Lebensmittelzusatzstoff, als Desinfektionsmittel oder Antiseptikum im Labor und im medizinischen Bereich als Lösemittel für Medikamente und weiterhin als Zumischung für Kraftstoffe und als Ausgangsstoff für chemische Produkte (Ethylchlorid, Ethylacrylat, Essigsäureethylester etc.). Auch speziell genetisch modifizierte Escherichia coli können durch die Verstoffwechslung von Glukose (ein Bestandteil von Haushaltszucker) 1,3-Propandiol (PDO) herstellen, welches in Kosmetik-, Reinigungs- und Enteisungsmitteln eingesetzt wird. Eine wichtige Anwendung findet PDO auch in Kunstfasern für bspe. Teppiche Anwendung. Eine andere Modifikation von Escherichia coli kann durch die Verstoffwechslung von Glukose das Produkt 1,4-Butandiol (BDO) herstellen, woraus wiederum durch anschließende chemische Prozesse Polymere und Lösemittel erzeugt werden (Max-Planck-Gesellschaft o. J.). Die Nutzung von Zuckerrohr bzw. seiner Bestandteile konkurriert also zwischen der Nutzung als Nahrungsmittel auf der einen und der stofflichen Nutzung auf der anderen Seite. Solche Konkurrenzsituationen führen bei entsprechend knappen Anbaumengen zur Verteuerung der jeweiligen Produkte. Und die Anbaumengen sind aufgrund der zur Verfügung stehenden Anbauflächen für die landwirtschaftliche Produktion begrenzt. Dieses Problem tritt freilich nicht nur auf Zuckerrohr zu, sondern auf alle Pflanzen, die explizit nicht für die Lebens-und Futtermittelproduktion angebaut werden: Sie konkurrieren alle mit Lebens- und Futtermitteln um dieselbe und begrenzte landwirtschaftliche Fläche. Daher hat sich die Bundesregierung in ihrer Bioökonomie dafür ausgesprochen, dass, insofern Nutzungskonkurrenzen entstehen, die Ernährungssicherheit stets Priorität hat (Bundesregierung 2020, S. 15).
Als nachhaltige nachwachsende Quellen für die chemisch-pharmazeutische sowie biotechnologische Produktion können daher vor allem biogene Rest- und Abfallstoffe betrachtet werden. Mehr Informationen dazu sind in SDG 9 zu finden.
Beispiele für nachhaltige Alternativen im Laboralltag
Für verschiedene Laborbereiche gibt es bereits nachhaltigere Lösungen. Einige davon sollen hier kurz dargestellt werden, um zu zeigen, dass mehr Nachhaltigkeit im Labor bereits jetzt und einfach möglich ist.
Histologische Anwendung (My Green Lab o. J.):
Ersatz von Formalin: Anstelle von Formalin gibt es bereits formalinfreie, wasserbasierte Konzentrate aus Additiven mit geringer Toxizität, die verdünnt mit Ethanol für die Fixierung histologischer Proben genutzt werden können. Diese Konzentrate haben eine geringere Toxizität.
Ersatz von Xylol: Im Zuge der Paraffineinbettung wird herkömmlicherweise Xylol verwendet. Für Xylol gibt es umweltfreundliche Ersatzstoffe: Beispielsweise verflüssigte Isoparaffine oder eine Mischung aus Ethanol, Isopropanol und einem langkettigen Kohlenwasserstoff. Unter Verwendung von Mikrowellen entfernt diese Mischung Wasser und Lipide aus biologischem Gewebe.
Mehrfachverwendbare Vakuumbeutel anstelle von fomalinbefüllten Gefäßen für Lagerung und Transport: Das mit Fixiermittel behandelte Gewebe kann zuverlässig vakuumversiegelt werden und wirkt so Infektionserregern, unerwünschten Gerüchen und giftigen Formalindämpfen entgegen. Die Menge des Fixierungsmittels kann so reduziert werden.
Molekularbiologische, biochemische und gentechnische Anwendungen
Alternative Farbstoffe: Inzwischen gibt es ultrasensitive, stabile und umweltfreundliche Fluoreszenzfarbstoffe zum Färben von Nukleinsäuren (dsDNA, ssDNA oder RNA), um das toxische Ethidiumbromid in der Gelelektrophorese zu ersetzen (z. B. GelRED). Ethidiumbromid geht während der Elektrophorese in Gel und Puffer (je nach Arbeitsanleitung in Ladepuffer während oder Reagenz Puffer nach der Elektrophorese) über. Ethidiumbromid haltige Abfälle dürfen nicht ins Abwasser gelangen und müssen vor der Entsorgung inaktiviert werden, z. B. durch Adsorption des Ethidiumbromids an Aktivkohle. Das Ethidiumbromid freie Eluat wird i.d.R. über den Ausguss entsorgt. Die ethidiumbromid beaufschlagte Aktivkohle wird entweder im Muffelofen ausgeglüht (Pyrolyse) oder als fester Gefahrstoff Abfall wie das Ethidiumbromid beaufschlagte Gel getrennt gesammelt (biologie-seite o. J., Sasagawa 2020). Die Vermeidung von Ethidiumbromid kann also nennenswerte ressourcen- und klimaschonende Effekte haben.
Recycling von Agarosegelen: Benutzte und selbst mit Ethidiumbromid beaufschlagte Agarosegele können vielfach wiederverwendet werden, bevor sie, ggf. als Gefahrstoff Abfall, entsorgt werden müssen. Werden genutzte Agarosegele wiederholt eingefroren und aufgetaut, werden sowohl Puffer- und Nukleinsäure Rückstände als auch Ethidiumbromid entfernt. In einem Puffer gefriert der Wasseranteil zuerst, der konzentrierte Puffer gefriert später. Beim Auftauen eluiert der konzentrierte Puffer zuerst und das reine Wasser später. Durch die Wiederholung von Gefrieren und Tauen können Moleküle aus verdünnten Puffern und Lösungen aufkonzentriert werden. Die auf diesem Prinzip beruhende „Freeze-out“- oder „Freeze-concentrate“-Technik ist weit verbreitet. Mittels 5-maligem “Freez-out” unter Zugabe kleiner Mengen destillierten Wassers kann das Agarosegel nahezu ethidiumbromid-, puffer- und probenfrei aufgereinigt werden. Durch den Gefrierschritt bilden sich Eiskristalle im Agarosegel, die seine Netzstruktur zerstören, sodass nasse Agarose Flocken entstehen. Die Umwandlung in Flocken führt dazu, dass das Agarosegel sein Volumen verringert, wodurch weniger Wasser zur Verdünnung des überflüssigen Inhalts benötigt wird (Sasagawa 2018. Eine weitere Methode zum Agarosegel-Recycling wird in Seng et al. 2013 beschrieben.).
Lösemittel Auswahl im Rahmen chemischer Prozesse (Green Chemistry Initiative o. J.):
Kühlen von Bädern: Die Verwendung von Trockeneis/Isopropanol erreicht im Wesentlichen die gleiche Temperatur wie Trockeneis/Aceton (-77 °C gegenüber -78 °C). Die geringere Flüchtigkeit von Isopropanol minimiert die Dampf-Emissionen und das Einatmen und sorgt für eine längere Lebensdauer des Bades.
Verwendung von Heptan anstelle von Hexan: Heptan hat fast die gleichen chemischen Eigenschaften wie Hexan, ist aber aufgrund der ungeraden Anzahl von Kohlenstoffen und der daraus resultierenden Stoffwechselprodukte im Körper deutlich weniger giftig.
Verwendung von 2-MeTHF anstelle von THF: Einsatzgebiete für 2-MeTHF bzw. THF sind metallorganische Synthesen, Organokatalyse und Biotransformationen oder die Verarbeitung von Lignocellulose-Materialien. 2-MeTHF wird indirekt aus biobasierten erneuerbaren Rohstoffen gewonnen. Seine chemischen Eigenschaften sind denen von THF sehr ähnlich, aber es ist mit Wasser nicht mischbar, was die Trennung, das Recycling und die Trocknung erleichtert.
Ersatz von Dichlormethan in der Säulenchromatographie: Einer der größten Verursacher von Abfällen chlorhaltiger Lösungsmittel ist die Chromatografie. (Die Auswahl neuer Lösungsmittelsysteme kann bspw. mithilfe von J. P. Taygerly et al. 2012 erfolgen.)
Beispiel für nachhaltigeres Handeln im Laboralltag
Je kürzer die Kreislaufführung von Stoffen und Produkten ist, desto weniger Prozesse sind involviert und desto weniger Emissionen werden erzeugt. Daher ist es ratsam, Recyclingprozesse direkt zu führen, insofern das möglich ist. Dies kann auch in den Laboralltag integriert werden, wie die folgenden Beispiele zeigen (Green Chemistry Initiative o. J.):
Recycling von Waschlösungsmitteln: Waschlösungsmittel sind ideal für das Recycling, da Trockenheit und Reinheit nicht so wichtig sind. Nach dem Waschen der Glasgeräte mit der Waschmittellösung kann diese in einem separaten Behälter aufgefangen werden. Wenn der Behälter voll ist, kann das verunreinigte Waschlösungsmittel in einem Rotationsverdampfer wieder aufbereitet werden. Volumen und Masse der Abfallstoffe, die nun in einem umfangreichen Recycling-/Abfallkreislauf außerhalb des eigenen Labors geführt werden müssen, wird so drastisch reduziert.
Recyceln von isolierten Lösungsmitteln aus der Destillation: Wenn ein Lösungsmittel ohnehin vom Produkt entfernt werden muss, kann es auch für die nächste Produktcharge oder als Waschlösungsmittel wieder-/ bzw. weiterverwendet werden. In einem Rotationsverdampfer wird das isolierte Lösungsmittel wieder aufbereitet und anschließend dessen Reinheit überprüft. Bei entsprechend hoher Reinheit kann es für die nächste Charge benutzt werden. Ist dies nicht der Fall, kann es als Waschlösungsmittel eingesetzt werden. Hierzu eignen sich besonders gut Einlösungssysteme, Azeotrope und Lösungsmittelgemische mit einem Siedepunktsunterschied von mehr als 10 °C.
Eine weitere Möglichkeit, den Laboralltag nachhaltig zu gestalten, ist es, neben den gefährlichen Abfällen auch die ungefährlichen Abfälle und Abwasser auf möglichst ein Minimum zu beschränken: Von Handschuhen über Pipettenspitzen und Zellkulturflaschen bis hin zu Pappkartons – in Laboren fällt eine Menge Abfall an. Nicht alle diese Materialien landen auf einer Mülldeponie oder in einer Verbrennungsanlage, aber auch das Recycling erfordert Ressourcen und verlängert die Lebensdauer des Produkts nicht ewig. Am besten ist es, Abfall von Anfang an zu vermeiden. Im Folgenden einige Möglichkeiten (Lab Manager 2020):
Pipettenspitzen in Nachfüllsystemen nutzen: Je nach Spitzengröße und System kann die Menge an Kunststoffabfall um 25 bis 60 Prozent reduziert werden, wenn keine vorgesteckten Boxen gekauft werden.
Sterile Pipettenspitzen nur im Bedarfsfall nutzen: Ist die Sterilität nicht zwingend nötig, sollten die einfachen Spitzen genutzt werden, da diese unter weniger Ressourcen (kein zusätzliches Filtermaterial) und weniger Energieaufwand (keine Reinraumfertigung) gefertigt werden können.
Kauf von Reaktionsröhrchen in loser Schüttung anstelle von Racksystemen.
Zusammenstellen von Bestellungen: Anstatt dass jede Abteilung individuell und wann immer sie will, bestellt, was dort jeweils gebraucht wird, sollten Möglichkeiten gefunden werden, wie das Labor bei jedem Lieferanten eine einzige gesammelte Bestellung aufgeben kann, beispielsweise einmal in der Woche oder sogar einmal im Monat. Das spart Emissionen durch Transporte und auch Verpackungsmaterial, wenn in größeren Verpackungseinheiten eingekauft werden kann. Ein gemeinsamer Vorrat an Reagenzien kann dabei helfen, da nicht jede Abteilung ihren eigenen Vorrat aufstocken muss.
Gemeinsamer Reagenzien Vorrat: Über eine beispielsweise online-abrufbare Inventar-Datenbank können mehrere Abteilungen einen Reagenzienbestand teilen. Dies kann helfen, dass keine unnötigen Doppelvorräte angeschafft werden, verderbliche Reagenzien besser aufgebraucht werden und im Fall einer Produktionsumstellung, vorhandene Vorräte direkt von anderen Abteilungen genutzt werden können (An und Tran 2017).
Gute Planung von Experimenten: Wenn mit genügend Vorlauf, bspw. am Ende jeder Woche etwas Zeit investiert wird, um zu prüfen, ob alle Materialien, die in der nächsten Woche voraussichtlich benötigt werden, vorrätig sind, können dringende Einkäufe in letzter Minute vermieden werden.
Wassersparen: Direkt am Wasserhahn können einfache Perlatoren mit geringem Durchfluss angebracht werden, um so den Durchfluss um bis zu 50 % zu begrenzen. Wenn Reaktionsgefäße und Ähnliches unter laufendem Wasser gereinigt werden müssen, kann die Spüle mit einem Fußpedal ausgestattet werden, um das Auf- und Abdrehen des Wassers zu erleichtern. Es sollte auch geprüft werden, ob wassergekühlte Geräte (bspw. Destillationsanlagen) auf einen geschlossenen Kreislauf umgestellt oder durch ein luftgekühltes System ersetzt werden können. Große Autoklaven in medizinischer Qualität oder mit Dampfmantel sind ebenfalls wasserintensiv, da sie ständig kaltes Wasser laufen lassen, um den heißen Dampf abzukühlen, bevor er in den Abfluss geleitet wird. Diese Geräte können mit wassersparenden Vorrichtungen nachgerüstet oder gegen effizientere Autoklaven für die Forschung ausgetauscht werden.
Hinweise zum Energiesparen im Labor sind in SDG 13 zu finden.
ACT-Nachhaltigkeitssiegel
Die gemeinnützige My Green Lab Gesellschaft vergibt seit 2018 in der EU das ACT-Nachhaltigkeitssiegel. Die Abkürzung ACT steht für Accountability, Consistency, and Transparency, zu deutsch: Verantwortlichkeit, Konsistenz und Transparenz. Das ATC-Label wurde gegründet, um Einkaufsabteilungen in Laboren die Möglichkeit zu geben, zu den Zielen von Kohlenstoff-Neutralität und Nullabfall beitragen zu können. Eine 2015 veröffentlichte Studie ergab, dass über 80 Prozent der befragten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein Produkt mit geringerem Energieverbrauch, geringerem Wasserverbrauch und/oder geringerer Toxizität vorziehen würden. Die Mehrheit der Befragten zeigte sich außerdem bereit, einen Aufpreis für nachhaltigere Produkte zu zahlen. Sie gaben aber auch an, dass es für sie keine Möglichkeit gibt, Produkte im Markt auf der Grundlage von Umwelteigenschaften zu vergleichen. Das ACT-Label ermöglicht diese Vergleichbarkeit nun: Es bewertet verschiedene Umweltverträglichkeits-Kriterien (s. g. Environmental Impact Factors) über die einzelnen Lebenszyklus Abschnitte der zertifizierten Laborprodukte, darunter Chemikalien und Reagenzien inkl. biotechnologischer Erzeugnisse (Antikörper, Co-Enzymen etc.). Verbrauchsmaterialien (Agarose-Gele, Reaktionsröhrchen, Pipettenspitzen etc.) sowie Laborgeräte (Pipetten, Messbecher, Spektrometer, Gefriergeräte etc.) (gesamte ACT-Produktpalette https://actdatabase.mygreenlab.org/). Unabhängige Prüferinnen und Prüfer analysieren die Umweltwirkungen der Lebenszyklus-Abschnitte Herstellung, Nutzung (nur bei Laborgeräten) und Verwertbarkeit des Produktes nach dessen Lebensende. Die Prüfwerte ergeben sich aus dem Bezug gegenüber einem Ausgangswert. Die Umweltwirkungen des Produktes über den gesamten Lebensweg werden in Form einer vergleichenden Kennzahl zusammengefasst. So können umweltfreundlichere Produkte im Einkaufsprozess schnell erkannt werden. Je kleiner der zusammenfassende Umweltverträglichkeitsindex über den gesamten Lebenszyklus des Produktes ist, umso geringer ist dessen umweltschädigende Wirkung. Die Zertifizierung wird jährlich überprüft (My Green Lab 2021).
Kriterien des ACT-Nachhaltigkeitssiegels
Umweltauswirkungen der Herstellung: Das ACT-Siegel erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Auswirkungen der Herstellung eines Produkts. Eine niedrigere Punktzahl wird erreicht, wenn der Produktionsstandort nachweislich weniger Energie, Wasser und Abfall verbraucht. Es werden auch Angaben zur Verringerung des Energie- und Ressourcenbedarfs der Herstellung berücksichtigt und geprüft. Es wird außerdem bewertet: die Solidität des Chemikalienmanagements, Auswirkungen durch den Versand sowie ungiftige und nachhaltige Bestandteile von Produkt und Verpackung. Die Punkteverteilung im Bereich verantwortungsvoller Umgang mit Chemikalien gestaltet sich beispielsweise wie folgt (ebd.):
- 1 Punkt: Der Hersteller verfügt über Verfahren und Richtlinien zur Minderung des Risikos der Exposition gegenüber gefährlichen Chemikalien und kann das Nichtvorhandensein gefährlicher Chemikalien nachweisen.
- 5 Punkte: Der Hersteller hat Fortschritte bei der Einführung von Richtlinien und Verfahren zur Minderung des Risikos der Exposition gegenüber gefährlichen Chemikalien gemacht.
- 10 Punkte: Der Hersteller verfügt nicht über Verfahren und Richtlinien, um das Risiko der Exposition gegenüber gefährlichen Chemikalien zu verringern, und kann das Nichtvorhandensein gefährlicher Chemikalien nicht nachweisen.
Und für die Punktevergabe im Bereich der Bestandteile des Produktes und seiner Verpackung gilt beispielsweise (ebd.):
- 1 Punkt: Das Produkt / Die Verpackung enthält mehrheitlich nachhaltige Inhaltsstoffe.
- 5 Punkte: Das Produkt / Die Verpackung enthält einige nachhaltige Inhaltsstoffe.
- 10 Punkte: Das Produkt / Die Verpackung enthält keine nachhaltigen Inhaltsstoffe.
Umweltauswirkungen der Nutzung: Das ACT-Label bietet den Kunden und Kundinnen klare, vergleichbare Informationen über die Effizienz – dazu zählen Wasserverbräuche und Stromverbräuche im Betrieb – und die Langlebigkeit (voraussichtliche Nutzungsdauer) von Laborgeräten. Hierfür werden die Verbrauchswerte direkt auf dem Label ausgewiesen.
Umweltauswirkungen nach dem Ende der Lebensdauer: Die Bewertung am Ende des Lebenszyklus betrachtet Recycling- und Rücknahme Möglichkeiten zur Stärkung von Wiederverwendbarkeit und Kreislauffähigkeit des Produktes. Außerdem werden hier Innovationen in der Herstellung berücksichtigt, um zur Umsetzung von Nachhaltigkeits Eigenschaften zu motivieren. Für die Punkteverteilung im End-of-Life-Bereich des Produktes und seiner Verpackung gilt beispielsweise (ebd.):
- 1 Punkt: Für das Produkt / die Verpackung existiert ein aktives und gültiges Rücknahmeprogramm.
- 2 – 9 Punkte: Das Produkt / die Verpackung wird über verschiedene Recycling- und/oder andere Entsorgungsmethoden wie Kompostierung, Energierückgewinnung entsorgt.
- 10 Punkte: Das Produkt / die Produktverpackung wird deponiert oder verbrannt.
REACH-Verordnung
Im Oktober 2020 hat die Europäische Kommission ihre „Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit – Für eine schadstofffreie Umwelt“ (EU-Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit 2020) vorgelegt. Die neue Chemikalienstrategie der Europäischen Kommission ist ein zentrales Element des „Europäischen Green Deal“, mit dem bis zum Jahr 2050 eine nachhaltige, klimaneutrale Kreislaufwirtschaft in der Europäischen Union erzielt werden soll. Im Zuge eines breit angelegten Aktionsplans soll europäisches Chemikalienrecht überprüft und weiter verschärft werden. Im Zeitraum zwischen 2021 und 2024 sollen eine Reihe von Legislativmaßnahmen zur Verschärfung der europäischen chemikalienrechtlichen Regelungen ergriffen werden. Neben umfangreichen Änderungen der REACH-Verordnung (EG 1907/2006) und der CLP-Verordnung (EG 1272/2008) wird die neue Chemikalienstrategie auch Auswirkungen auf die anstehende Überarbeitung der Bauproduktenverordnung (EG 305/2011) haben.
Insbesondere die Regelung der europäischen Chemikalienverordnung REACH (engl.: Regulation concerning the Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals) zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe sind für die Bauchemie von besonderer Relevanz, denn sie verpflichtet Unternehmen dazu, auch für Stoffgemische Sicherheitsinformationen und Verwendungsbedingungen in Sicherheitsdatenblättern anzugeben. Die bereits im Jahr 2007 in Kraft getretene REACH- Verordnung gilt als eines der strengsten Chemikaliengesetze der Welt und beruht auf dem Grundsatz, dass Hersteller, Importeure und nachgeschaltete Anwender die Verantwortung für ihre Chemikalien übernehmen. Sie müssen sicherstellen, dass Chemikalien, die sie herstellen und in den Verkehr bringen, sicher verwendet werden. Die Hersteller und Importeure von Chemikalien müssen durch eine obligatorische Registrierung Daten vorlegen und die von den Stoffen ausgehenden Risiken selbst bewerten. Zudem stärkt die REACH-Verordnung das Recht für Verbraucherinnen und Verbraucher, Informationen über Chemikalien in Produkten zu erhalten. Die Weitergabe von Daten innerhalb der Lieferkette ist geregelt und die Substitution besonders besorgniserregender Stoffe wird gefördert. Das Zulassungsverfahren schafft eine weitere Möglichkeit, Chemikalien zu regulieren (UBA o.J. c).
Kernstück der REACH-Verordnung ist die Registrierungspflicht für alle Stoffe, die als solche in Gemischen oder in Erzeugnissen in Mengen von mehr als einer Tonne pro Jahr von einem Unternehmen hergestellt oder importiert werden. Stoffe dürfen nur dann in der Europäischen Union in den Verkehr gebracht werden, wenn sie bei der Europäischen Chemikalienagentur ECHA registriert wurden. Ein Stoff, der von einem Hersteller oder Importeur nicht registriert wurde, darf nicht hergestellt oder eingeführt werden. Soll ein registrierter Stoff in der EU in den Verkehr gebracht werden, sind für gefährliche Stoffe und Gemische sowie für persistente, bioakkumulierbare und toxische (PBT) Stoffe Sicherheitsdatenblätter zu erstellen. Außerdem sind sie zu erstellen für Stoffe, die auf der sogenannten Kandidatenliste stehen, sowie für Gemische, die selbst nicht als gefährlich eingestuft sind, aber einen gefährlichen Stoff in Konzentrationen oberhalb bestimmter Grenzwerte enthalten. Bei der Kandidatenliste handelt es sich um eine Auflistung besonders besorgniserregender Substanzen. Sie umfasst 224 Stoffe/Stoffgruppen, die nach der REACH-Verordnung als Stoff mit besonders gefährlichen Eigenschaften (sog. SVHC Stoffe -Substances of Very High Concern) identifiziert worden ist und schwerwiegende Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen oder auf die Umwelt haben kann. Die vollständige Liste ist auf der Internetseite der ECHA zu finden. Für SVHC-Stoffe gilt ein spezielles Genehmigungsverfahren. Sie sind zulassungsbeschränkt und dürfen nur noch mit Zulassung verwendet werden. Außerdem gelten für sie unmittelbare Informationspflichten innerhalb der Lieferkette. Darüber hinaus sind im Anhang XVII der REACH-Verordnung 65 Stoffe zu finden, von denen ein unangemessenes Risiko für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt ausgeht. Für diese Stoffe gibt es konkrete Verbote bzw. Beschränkungen bzgl. Herstellung, Inverkehrbringen und Verwendung. Beschränkungen gelten z.B. für Cadmium in Kunststoffen und Schmuck (Ziffer 23) und PAK (Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe) in Verbraucherprodukten (Ziffer 50).
In der REACH-Verordnung ist auch festgelegt, welche Angaben Sicherheitsdatenblätter enthalten und welche Anforderungen sie erfüllen müssen. Alle Sicherheitsdatenblätter müssen z.B. Angaben zur Kennzeichnung nach der CLP-Verordnung (EG 1272/2008) enthalten. Darüber hinaus enthält das Sicherheitsdatenblatt alle notwendigen Informationen bzgl. Gesundheitsrisiko, Umweltgefahr, Arbeitsschutz und Transport des Stoffes.
Verantwortlich dafür, dass das Sicherheitsdatenblatt aktuell fachlich richtig und vollständig ist, ist der Inverkehrbringer des Produkts. Zu den Verantwortlichen, die ebenfalls ein Sicherheitsdatenblatt erstellen müssen, zählen auch diejenigen, die eine Chemikalie umfüllen oder umetikettieren. Die Lieferanten tragen die Verantwortung für den Inhalt, auch wenn sie es nicht selbst erstellt haben (mags NRW o.J.).
Quellenverzeichnis
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SDG 13 Maßnahmen zum Klimaschutz
“Umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen ergreifen”
Das SDG 13 gehört zu den besonders zentralen Nachhaltigkeitszielen und zielt darauf ab, den Klimawandel als globale Bedrohung, die bereits heute jedes Land auf allen Kontinenten betrifft und sich negativ auf die Volkswirtschaften und das Leben jedes und jeder Einzelnen auswirkt, zu begrenzen.
Für die Handlungsfelder der Berufsbilder Chemielaborant/Chemielaborantin sowie Biologielaborant/Biologielaborantin ist besonders das folgende Unterziel von Relevanz (Destatis o. J.):
SDG 13.3 “Die Aufklärung und Sensibilisierung sowie die personellen und institutionellen Kapazitäten im Bereich der Abschwächung des Klimawandels, der Klimaanpassung, der Reduzierung der Klimaauswirkungen sowie der Frühwarnung verbessern.”
Die Schnittmengen für das SDG 13 mit den Standardberufsbildpositionen a, b und e liegen erstens in der Reduzierung der direkten und indirekten Emissionen (Belastung der Umwelt) sowie der nachhaltigen Nutzung von Energie. Zweitens liegt die Schnittmenge für das SDG 13 mit den Standardberufsbildpositionen f im Kontakt mit sowie in der Beratung von Kundinnen und Kunden bezüglich unterschiedlicher klimawirksamer Produkte und Verfahren (BMBF 2022):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Klimawandel und Chemische Industrie
Die Auswirkungen des Klimawandels sind bereits heute Realität: Die Wetterverhältnisse ändern sich, der Meeresspiegel steigt, die Wetterereignisse werden immer extremer und die THG-Emissionen erreichen heute die höchsten Werte in der Geschichte. Ohne entsprechende Maßnahmen dürfte der Anstieg der durchschnittlichen Oberflächentemperatur der Erde in diesem Jahrhundert 3 Grad Celsius überschreiten. Am stärksten betroffen sind die Ärmsten und die Schwächsten. Doch erschwingliche und ausbaufähige Lösungen sind bereits jetzt verfügbar, denn immer mehr Menschen greifen auf erneuerbare Energien und eine Reihe anderer Maßnahmen zurück, welche die Emissionen von THG reduzieren und die Anpassung an den Klimawandel stärken. Der Klimawandel ist jedoch eine globale Herausforderung, die keine nationalen Grenzen kennt. Für die Lösung dieses globalen Problems ist daher eine Koordination auf internationaler Ebene unverzichtbar (UNRIC o. J.).
Der Klimawandel wird durch die Emission von THG verursacht. Zahlreiche Gase sind verantwortlich für den Klimawandel. Ihnen gemeinsam ist ihre Undurchlässigkeit für die (Infrarot-)Wärmestrahlung der Erde. Dies führt bekanntermaßen zum Klimawandel. Jedes dieser Gase trägt in unterschiedlichem Maße zum Klimawandel bei. Die Stoffe bleiben zudem unterschiedlich lange in der Atmosphäre, weshalb sie unterschiedlich zum Treibhauseffekt beitragen. Das IPCC (International Panel for Climate Change) definiert deshalb ein GWP Global Warming Potential (Erwärmungswirkung für den Klimawandel) eines Stoffes in hundert Jahren im Vergleich zu Kohlendioxid CO₂ wie folgt (My Climate o. J.):
- Kohlendioxid CO₂: 1 (Bezugswert)
- Methan CH4: 28
- Stickstoffdioxid N2O: 265
- FCKW (verboten) > 12.000
Um die unterschiedlichen THG in einer Einheit auszudrücken, werden CO₂-Äquivalente genutzt, die berechnet werden, indem die Menge des jeweiligen Stoffes mit dem GWP multipliziert wird.
In Deutschland sind die THG-Emissionen zwischen 1990 und 2021 um etwas weniger als 39 Prozent gesunken. Die gesamten Emissionen betrugen 2021 ca. 762 Millionen Tonnen; 480 Millionen Tonnen weniger wurden im Vergleich zu 1990 ausgestoßen. Damit wurde das Ziel von 40 Prozent nicht erreicht. Bis 2030 sollen die Emissionen (relativ zu den Emissionen von 1990) um 65 Prozent sinken. 2045 soll das Ziel vollständiger THG-Neutralität erreicht werden (UBA 2022).
Die deutsche chemisch-pharmazeutische Industrie verantwortete im Jahr 2020 Gesamtemissionen in Höhe von 112,8 Mt CO₂-Äq. Diese setzen sich zusammen aus 5,3 Mt CO₂-Äq durch Prozessemissionen – also Emissionen, die während chemischer und biotechnologischer Prozesse entstehen -, 51 Mt CO₂-Äq durch Emissionen aus der Nutzung von Energie für Strom- und Wärmeanwendungen sowie 56,5 Mt CO₂-Äq durch Emissionen, die den eingesetzten fossilen Produkt Rohstoffen zuzurechnen sind (Geres et al. 2019, S.51). Diese 112,8 Mt CO₂-Äq entsprachen im Jahr 2020 gut 15 Prozent der gesamten THG-Emissionen Deutschlands (729 Mt CO₂-Äq in 2020; BMWK 2022). In Deutschland ist die chemische Industrie der zweitgrößte industrielle Energieverbraucher nach der eisenproduzierenden Industrie (Fleiter et al. 2013). Biotechnische und pharmazeutische Labore verbrauchen pro Quadratmeter fünf- bis zehnmal mehr Energie als ein durchschnittlicher Büroraum. Den Märkten für biotechnologische und pharmazeutische Produkte wird ein jährliches Wachstum von 15 Prozent bzw. 11 Prozent prognostiziert (My Green Lab 2021b). Um ihre Produkte herzustellen, werden diese zwei Branchen dann bei der Grundstoffchemie und deren weiterverarbeitenden Unternehmen entsprechend mehr Ausgangsstoffe einkaufen, woraus auch das Wachstum der gesamten Chemiebranche an dieser Stelle einhergeht. Angesichts der Kohlenstoffintensität, also der Menge an Kohlenstoffemissionen pro Produktionseinheit und des raschen Wachstums der Biotechnologie- und Pharmabranche ist es wichtig, Möglichkeiten zur Energieeinsparung zu untersuchen und umzusetzen.
Der jährliche Verbrauch von Strom und Wärme der deutschen Chemieindustrie – der mit 51 Mt CO₂-Äq knapp die Hälfte der o.g. Branchen-Emissionen von 112,8 Mt CO₂-Äq verursacht – liegt bei rund 165 TWh. Davon sind 51 TWh elektrische Energie und 90 TWh Wärmeenergie. Die Grundstoffchemie stellt mit 77 Prozent dieses Gesamtenergieverbrauchs den wichtigsten Transformationsbereich hin zu einer Treibhausgas neutralen Energieversorgung der Chemieindustrie dar (Achtelik et al. 2020). Aber auch alle anderen chemisch-pharmazeutischen und biotechnologischen Unternehmen können durch die Reduktion ihres Energieverbrauchs einen wirksamen Beitrag zum Klimaschutz leisten.
Energieverbrauch im Labor
In chemisch-pharmazeutischen und biotechnologischen Prozessen werden Energieträger für verschiedene Zwecke verwendet. Brennstoffe wie Erdgas werden für die Bereitstellung von Prozesswärme, zur thermischen Aufbereitung und für die Erzeugung von Dampf benutzt. Elektrische Energie wird zu fast 80 Prozent für motorische Antriebe – und hier vor allem für Kompressoren und Pumpen – sowie zu gut 20 % für elektrochemische Prozesse eingesetzt. Der differenzierte Stromverbrauch der chemischen Industrie stellt sich wie folgt dar (Fleiter et al. 2013, S. 118):
Elektrische Antriebe 71 Prozent, davon:
- 7 % für Motoren von Gebläsen
- 16 % für Motoren von Pumpen
- 18 % für Motoren von Kompressoren
- 1 % für Motoren von Prozesskühlungen
- 19 % für sonstige Motoren
Elektrochemische Prozesse 20 Prozent
Prozessheizung 1 Prozent
Nicht-Prozessverbrauch (Beleuchtung, IKT etc.) 8 Prozent
Für jedes individuelle Labor können sich diese Anteile innerhalb der Kategorien anders verteilen.
In Unternehmen im Industriemaßstab wird oftmals in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK-Anlagen, auch bekannt als Blockheizkraftwerke BHKW) aus einem Brennstoff wie Erdgas Strom und Wärme gleichzeitig mit einem vergleichsweise hohen Wirkungsgrad erzeugt. Die Wärme wird in verschiedenen Prozessen der chemischen Produktion für die Erzeugung von Dampf benötigt. Die Funktionsweise einer KWK-Anlage ist einfach:
Beim Erzeugen von Strom durch das Verbrennen von bspw. Erdgas entsteht sehr viel Wärme. Diese kann direkt vor Ort als Prozesswärme eingesetzt werden. In der chemischen Industrie macht die Prozesswärme auf einem Temperaturniveau von über 400°C einen Anteil von mehr als 50 Prozent aus. Vor allem Hochdrucksynthesen, bei denen viele organische Grundstoffe erzeugt werden, benötigen hohe Temperaturen, und wie der Name schon sagt, auch hohe Drücke (Fleiter et al. 2013). Für deren Bereitstellung ist ein hoher Energiebedarf notwendig: für die Aufheizung der Stoffströme und für die Kompression der Gase. Bei der biotechnologischen Produktion werden lebende Zellen genutzt, um die gewünschten Produkte zu erzeugen. Daher ist die Nutzung hoher Prozesstemperaturen und Hochdruckverfahren in diesem Wirtschaftszweig deutlich geringer. KWK-Anlagen können strom- und wärmegeführt betrieben werden. Das bedeutet, dass sie im ersten Fall besonders viel Strom und im zweiten Fall besonders viel Wärme erzeugen. Je nach dem konkreten Bedarf vor Ort kann die KWK-Anlage entsprechend geplant und betrieben werden. Anstelle von Erdgas oder anderen fossilen Brennstoffen können KWK-Anlagen auch mit erneuerbaren Brennstoffen wie Holzpellets oder grünem Wasserstoff betrieben werden. Brennstoffzellen (Wasserstoff) können zum Einsatz kommen: Sie erreichen die höchsten elektrischen Wirkungsgrade aller KWK-Anlagen, stellen Strom also am effizientesten her. Diese Technologie ist aktuell aber noch in der Markteinführungsphase. Durch Verringerung des Verbrauchs von Brennstoff und Dampf konnte die chemische Industrie in jüngster Vergangenheit Energieeinsparungen bei Brennstoffen erzielen. Jedoch steigt gleichzeitig der Strombedarf.
Rohstoffe, die eine aufwändige Aufbereitung aufgrund von Verunreinigungen benötigen, weisen einen höheren Energieverbrauch auf, z. B. Calciumcarbonat bei der Sodaherstellung (Fleiter et al. 2013).
In der Praxis kommen zur Erzeugung gleicher Produkte unterschiedliche Prozessvarianten zum Einsatz. Die Gründe dafür sind wie folgt (Fleiter et al. 2013):
- Jede Chemieanlage ist ein Unikat.
- Es können verschiedene Rohstoffe und Energiearten eingesetzt werden.
- Verschiedene Katalysatoren sind möglich.
- Konstruktive Abweichungen in den technischen Anlagen sind üblich.
- Während des Lebenslaufs der Anlagen werden Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt.
Bestenfalls werden flexible Verfahrens- und Anlagenparameter also dahingehend optimiert und modernisiert, dass möglichst wenig Treibhausgase entstehen. Das umfasst den Einsatz erneuerbarer Brennstoffe anstelle von fossilen Brennstoffen in effizienten Verbrennungsanlagen, den Austausch von verbrennungs gekoppelten Prozessen gegen Direktstrom Prozesse (unter Nutzung von Ökostrom), wo das möglich ist, sowie die optimale Nutzung von Katalysatoren.
Obwohl die Prozesse für die Herstellung chemisch-pharmazeutischer und biotechnologischer Produkte sehr unterschiedlich und komplex sein können, basieren sie auf der Kombination von einigen wenigen naturwissenschaftlichen und technischen Grundprinzipien, Apparaten und Maschinen (Fleiter et al. 2013).
Reaktoren
Der Reaktor bildet das Herzstück jedes chemischen Prozesses. Er besitzt das größte Potenzial für Ressourceneinsparungen. Zu den typischen Reaktoren gehören beispielsweise Rührkessel, Hochdruck-, Hochtemperatur-, Flugstrom- und Wirbelschichtreaktoren. Verschiedene Parameter können verändert werden, um das größtmögliche Maß an Effizienz zu erreichen(Fleiter et al. 2013):
1. Reaktortyp: Bestimmte Reaktortypen sind energieeffizienter als andere (z. B. Flugstrom- und Wirbelschichtreaktoren).
2. Konstruktive Gestaltung von Reaktoren: Reaktoren können konstruktiv so gestaltet werden, dass die Energieeffizienz gesteigert wird. Dazu gehören Maßnahmen für einen besseren Stoff- und Wärmeaustausch.
3. Katalysatoren: Das größte Potenzial steckt in den Katalysatoren. Die Katalysatorforschung hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz können beispielsweise sein: Einsatz von homogenen Katalysatoren, Einsatz von Katalysatoren mit besserer Aktivität und Selektivität und Einsatz von Katalysatoren mit einer höheren Lebensdauer, sodass An- und Abfahroperationen minimiert werden.4. Energierelevante Reaktionsparameter: Temperatur-, Druck- und Zeitverlauf sowie die Zusammensetzung der Einsatzstoffe können die Ressourcen- und Energieeffizienz wesentlich beeinflussen. Sie können zum Erreichen einer höheren Energieeffizienz durch Simulation oder mithilfe von Experimenten optimiert werden. Neue Verfahren der KI bieten hier ebenfalls Möglichkeiten für weitere Optimierungen (vgl. SDG 9).
Apparate zur Stofftrennung
Nach den Reaktoren sind die Apparate zur Stofftrennung die zweitwichtigste Anlagengruppe zur Beeinflussung der Energieeffizienz. Dabei sind folgende Parameter von Bedeutung (Fleiter et al. 2013):
- Auswahl der Apparate zur Stofftrennung: Die Rektifikation ist das am meisten Verfahren für die Trennung von Stoffen in der chemischen Industrie. Sie gilt aber als energieintensiv wegen der Aufheizung des zu trennenden Gemisches mit anschließender Kondensation der einzelnen Bestandteile. Für bestimmte Gemische kann man alternative Trennprozesse, wie z. B. Extraktion, Reaktivdestillation, Membrantrennprozesse, Trennwandkolonnen, chromatographische Verfahren usw. einsetzen. Es ist von Fall zu Fall prüfen, welcher der Trennprozesse bei definierter Qualität des Produktes verwendet werden kann.
- Energieeffiziente Auslegung: Die Prinzipien der energieeffizienten Auslegung hängen vom jeweiligen Apparate zur Stofftrennung ab. Bei der Rektifikation können es die Auswahl des Kolonnentyps, die Optimierung des Abstands zwischen den Böden bei Bodenkolonnen, die Auswahl der optimalen Füllkörper bei Füllkörperkolonnen, die Optimierung des Kondensators und des Verdampfers usw. sein.
Stoff Förderung und Antriebe
In Laborprozessen werden zahlreiche Pumpen für die Flüssigkeitsförderung eingesetzt. Wenn hohe Drücke benötigt werden, verbrauchen Kompressoren viel elektrische Energie. Energieeffizienz kann bei der Stoffförderung an zwei Stellen angegangen werden: Bei den Antriebsmaschinen und bei den Stofffördermaschinen.
Drehzahlgeregelte Pumpen und Kompressoren und der Einsatz hocheffizienter Elektromotoren stellen heute den Stand der Technik dar. Die Drehzahlregelung wird bei großen Pumpen eingesetzt, wenn sie oft bei geringer Auslastung gefahren werden müssen. Bei kleineren oder gelegentlich laufenden Pumpen und Kompressoren ist die Wirtschaftlichkeit der drehzahlgeregelten Antriebe zu prüfen. Auch die Antriebe für Rührer, Ventilatoren usw. sind bedeutende Energieverbraucher und sollten daher optimiert werden. Die aus den Betriebskosten resultierenden Energiekosten für diese Anlagen machen den deutlich größeren Teil der Kosten über die gesamte Lebensdauer aus. Sie liegen i.d.R. deutlich über den Anschaffungskosten. Der Energieverbrauch bei Pumpen kann durch Auswahl des geeigneten Pumpentyps und durch konstruktive Gestaltung optimiert werden.
Auch Stofffördermaschinen und Kompressoren können so optimiert werden, dass sie zur Energieeffizienz wesentlich beitragen. Letztere wurden in den letzten Jahrzehnten regelmäßig optimiert und erreichen heute hohe Wirkungsgrade. Großes Energieeinsparpotenzial besteht vor allem bei der Druckluft (Fleiter et al. 2013).
Stoffheizung und -kühlung
Das Aufheizen und Abkühlen von Stoffströmen gehört zu den größten Wärme- bzw. Kühlwasser Verbrauchern in der chemischen Industrie. Potenziale zu einer höheren Energieeffizienz liegen in der Verwendung von energieeffizienten Wärmetauschern und deren Reinigung: Die Reinigung von Wärmetauschern in definierten Abständen führt zur Reduktion des Energieverbrauchs. Je nach Verfahren muss dafür aber gegebenenfalls die gesamte Anlage abgeschaltet werden. Auch die Verwendung von fouling-resistenten Werkstoffen kann zur Senkung des Energieverbrauchs beitragen.
Dampfnetze sind eine weitere Möglichkeit zur Energieeinsparung. Bestehende Dampfnetze sollten auf Anzahl und Niveau der Druckstufen überprüft werden (Fleiter et al. 2013).
Prozessleittechnik
In der modernen Prozessleittechnik stecken große Potenziale für die Energie- und Ressourceneffizienz. Chemische und biotechnologische Anlagen können dank Prozessleittechnik an genau definierten Betriebspunkten gefahren werden. Moderne Prozessleitsysteme ermöglichen außerdem eine Aufnahme der Energieverbräuche und ihr Monitoring, was zu einer höheren Transparenz führt. So ist beispielsweise die Online-Messung des Energieverbrauchs auf der Ebene einzelner Aggregate möglich. Neue Chemieanlagen werden in der Regel mit moderner Prozessleittechnik ausgestattet. Auch ist es oft möglich, bestehende Anlagen im Rahmen von Modernisierungsmaßnahmen mit einer effizienteren Prozessleittechnik auszustatten (Fleiter et al. 2013). Neue Verfahren der KI bieten hier ebenfalls Möglichkeiten für weitere Optimierungen (vgl. SDG 9).
Sonstige Laborgeräte und -anlagen
Beim Kauf von Geräten kann ein Blick auf Produktkennzeichnungen wie den ENERGY STAR und das ACT-Label helfen (vgl. SDG 12). Das Energieeffizienz-Label “ENERGY STAR” wurde von der US-Umweltschutzbehörde und dem US-Energieministerium geschaffen und wurde bereits 2003 via EU-Verordnung offiziell in Europa eingeführt. Der ENERGY STAR zeichnet Geräte aus, die bestimmte Energieeffizienzstandards erfüllen. ENERGY STAR-Kennzeichnungen gibt es inzwischen auch für Gefriergeräte mit einer Temperatur von -80°C und -20°C.
Rindbestandteile in Nährmedien
In vielen Zellkulturen wird Fetales Kälberserum (FKS) als Nährlösung oder zur Kryokonservierung eingesetzt. Eine Kuh stößt pro Jahr rund 100 Kilogramm Methan aus, das 28 Mal schädlicher für das Klima ist als CO₂. Außerdem bedarf es für die Rinderzucht einer entsprechenden Futtermittelproduktion, bei der THG-Emissionen durch den Betrieb von Maschinen und Anlagen entstehen. Zudem wird extrem stickstoffreicher Dünger verwendet, wodurch klimaschädliche Lachgas-Emissionen (N2O) entstehen. NO2 wirkt 265 Mal stärker in der Atmosphäre als CO₂. Neben dem Klimaproblem kann die Nutzung von FKS zusätzlich als Tierschutzproblem verstanden werden. Die Gewinnung dieses Serums geht jedoch mit großem Tierleid einher: Eine hochschwangere Kuh wird geschlachtet und der Fötus aus der Gebärmutter geschnitten. Dem zu diesem Zeitpunkt noch lebenden Kalbsfötus wird eine dicke Nadel zwischen die Rippen durch Haut und Muskeln direkt ins schlagende Herz gestoßen. Durch diese Nadel wird das gesamte Blut des Kalbsfötus abgesaugt. Am Ende der Prozedur ist der Fötus blutleer und stirbt. All das geschieht ohne Betäubung, obwohl davon auszugehen ist, dass Kälberfeten bereits leidensfähig sind (Ärzte gegen Tierversuche 2017).
Aktuell wird davon ausgegangen, dass weltweit jährlich 1-2 Millionen Kälberfeten auf diese Weise getötet werden und somit auch jährlich 1-2 Millionen Mutterkühe zum Zwecke der FKS-Gewinnung gezüchtet werden. Aus Klimasicht ist die mittlere jährliche FKS-Nachfrage also mit 150.000 t Methan verbunden, was 4,2 Mio t CO₂-Äq entspricht. Laut (Kral Bakk 2011, S. 51) kommen etwa nochmal gleich viele THG-Emissionen aus Futterproduktion und Düngeranwendung sowie Stallhaltung dazu. Das heißt, der weltweite Klimaabdruck der FKS-Produktion beläuft sich auf rund 8,4 Mio t CO₂-Äq. Das entspricht rund 14 Prozent der gesamten THG-Emissionen der deutschen Landwirtschaft (BMWK 2022 a) oder den gesamten jährlichen THG-Emissionen des Landes Luxemburg (Crippa et al. 2022). Die Reduktion bzw. der Ersatz von FKS kann also die Umwelt entlasten und gleichzeitig Tierleid reduzieren.
Alternativen zu FKS
Alternativen zu Tierseren sind Humanseren, die ausschließlich aus humanem Material bestehen. Da das Serum und die zu kultivierenden Zellen derselben Spezies angehören, sind Humanseren für die Kultivierung humaner Zellen besser geeignet als FKS. So werden im Labor (in vitro) die gleichen physiologischen Bedingungen hergestellt, welche die Zellen auch im Körper (in vivo) vorfinden. Humanes Serum eignet sich besonders für die Zellkultur im Bereich der Zell- und Immuntherapie oder der Gewebezüchtung, bei denen Komponenten tierischer Herkunft nicht erwünscht sind.
Nachteilig bei der Umstellung von FKS auf tierserumfreie Alternativen ist die Anpassungszeit, welche die Zellkulturen für die Umstellung des Nährmediums benötigen.
- Humanes Blutplättchen-Lysat (hPL): hPL ist ein tierserumfreies, humanes Serum und ist daher als Nährmedium für ebenfalls humane Zellen besser geeignet. Es ist reich an spezifischen Wachstumsfaktoren, welche denjenigen in FKS überlegen sind. hPL wird aus dem Buffy Coat (humaner Thrombozyten-Extrakt) gewonnen, das in Blutspendezentralen anfällt. Die Herstellung von hPL ist sowohl kostengünstig als auch unkompliziert. Abgelaufene Blutspenden werden normalerweise weggeworfen. Wird daraus jedoch hPL produziert, können sie weiter Leben retten – das von ungeborenen Kälbern. hPL kann große Teile des globalen Bedarfs an tierserumfreien Nährmedien decken. Durch gepoolte humane Spendereinheiten kann die Variation der Zusammensetzung sehr gering gehalten werden, wodurch eine gute Reproduzierbarkeit der Nährlösungen und ein gleichmäßiges Wachstum der Zellkulturen gewährleistet werden. FKS ist ein natürliches Produkt, dessen Zusammensetzung von Charge zu Charge variiert, was die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse beeinträchtigt. Zudem wird eine humane Blutspende, anders als FKS, im Vorfeld auf Krankheitserreger untersucht. Eine Übertragung von Erregern wird somit ausgeschlossen. Zur Verhinderung einer Koagulation muss hPL jedoch Heparin zugesetzt werden. Konventionell wird es aus der Darmschleimhaut von Schweinen gewonnen, kann jedoch auch synthetisch hergestellt werden.
- Human AB Serum (HABS): HABS ist ein antikörperfreies, humanes Serum der Blutgruppe AB. Es unterstützt die Vermehrung humaner Osteoblasten, Chondrozyten, Knochenmarkszellen, Endothelzellen und Krebszellen (insbesondere Gliome, Melanome; Ärzte gegen Tierversuche 2017).
- Neben Medien mit Humanseren ist es auch möglich, serumfreie Medien und serum- und proteinfreie Medien je nach Anwendungsfall in der Zellkultur einzusetzen.
Unter https://fcs-free.org/fcs-database ist eine FKS-freie Datenbank zu finden, die einen Überblick über das Angebot an kommerziell erhältlichen serumfreien Medien für die Zellkultur sowie über Medien Zusammensetzungen aus der wissenschaftlichen Literatur bereitstellt. Zusätzlich ermöglicht die Forumsfunktion, über die Anwendbarkeit der einzelnen Produkte zu diskutieren (https://fcs-free.org/). Die Datenbank wird vom 3Rs-Center und Animal Free Research UK angeboten. Das 3R-Center hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Entwicklung, Akzeptanz und Umsetzung von Methoden zu fördern, die Tierversuche ersetzen (Replace), reduzieren (Reduce) und verfeinern (Refinement) können (die 3R).
Nutzungsverhalten
Die Beleuchtung kann bis zu 15 Prozent des Energieverbrauchs eines Labors ausmachen. Das Licht auszuschalten, wenn das Labor nicht besetzt oder genügend Tageslicht vorhanden ist, hilft Energie zu sparen.
Der Energieverbrauch der laborspezifischen Geräte und technischen Anlagen kann ebenfalls durch Abschalten im Falle des Nichtgebrauchs reduziert werden: Eine abteilungsinterne oder -übergreifende Diskussion darüber, was eingeschaltet bleiben muss und was ausgeschaltet werden kann, kann helfen, Geräte zu identifizieren, die abgeschaltet oder mit einer Zeitschaltuhr für eine automatische Abschaltung versehen werden können.
Existieren mehrere Geräte desselben Typs, kann anhand der Häufigkeit ihrer Verwendung festgestellt werden, ob eines davon abgeschaltet oder abteilungsübergreifend geteilt werden kann.
Der Frontschieber von Abzügen sollte bei Nichtgebrauch immer geschlossen werden. Das spart Energie, da die Drehzahl des Ventilators und die Menge der abgesaugten Luft verringert werden (ASCB 2018).
In vielen biotechnologischen, medizinischen und weiteren Laboren werden Ultratiefkühlgeräte mit einem Temperaturniveau von -80°C für Konservierung genutzt. Um diese tiefen Temperaturen zu erreichen, verbraucht ein heute marktübliches Modell je nach Größe zwischen 9 bis 16 kWh pro Tag und somit ca. 3.300 bis 5.800 kWh pro Jahr (Eine Übersicht über marktübliche Geräte ist hier zu finden: Laborjournal 2013). Zum Vergleich:
Ein 3-Personenhaushalt hat einen Stromverbrauch von 3.700 kWh pro Jahr (Renewa o. J.).
Das Temperaturniveau von -80°C hat sich durchgesetzt, sobald es möglich war, diese Ultratiefkühlgeräte industriell zu fertigen (und gewinnbringend zu verkaufen). Ob dieses Temperaturniveau wirklich nötig ist, um die notwendige Güte der jeweiligen Proben im Laboralltag zu garantieren, wurde nie wirklich überprüft. Dennoch haben sich -80°C Ultratiefkühlgeräte als Standard etabliert und inzwischen werden sogar Ultratiefkühlgeräte mit noch niedrigeren Temperaturen angeboten. Unter http://bit.ly/2xGTqV6 veröffentlichen verschiedene Universitäten, welche Proben sie bei welchen Temperaturen über -80°C, also bspw. bei -70°C, -60°C, -20°C konservieren. Diese Datenbank ist zwar nicht wissenschaftlich basiert, zeigt jedoch, welche Praxis dem Zweck dient. Ein Blick in die Datenbank kann helfen deutliche Energiesparpotenziale zu aktivieren: Laut einer Untersuchung von My Green Lab können durch die Erhöhung der Ultratief Temperatur von -80°C auf -70°C je Gerät zwischen 20 bis 50 Prozent (im Mittel 37 Prozent) des Energieverbrauchs reduziert werden (Labcompare 2017; mehr Informationen zum Thema: My Green Lab o. J.).
Mehr Hinweise zur nachhaltigen Laborpraxis über das Energiesparen hinaus sind in SDG 12 zu finden.
Quellenverzeichnis
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Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz BMWK (2022): Finale Klimabilanz 2020: Emissionen sanken um 41 Prozent gegenüber 1990. Pressemitteilung. Stand: 20.01.2022. Online: https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/2022/01/20220120-finale-klimabilanz-2020-emissionen-sanken-um-41-prozent-gegenuber-1990.html. Letzter Zugriff: 07.02.2023
Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz BMWK (2022 a): Treibhausgasemissionen stiegen 2021 um 4,5 Prozent. Stand: 15.03.2022. Online: https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/2022/03/20220315-treibhausgasemissionen-stiegen-2021-um-45-prozent.html
Crippa M., Guizzardi D., Banja M., Solazzo E., Muntean M., Schaaf E., Pagani F., Monforti-Ferrario F., Olivier, J.G.J., Quadrelli, R., Risquez Martin, A., Taghavi-Moharamli, P., Grassi, G., Rossi, S., Oom, D., Branco, A., San-Miguel, J., Vignati, E. (2022): CO₂ emissions of all world countries – JRC/IEA/PBL 2022 Report, Publications Office of the European Union, Luxembourg, 2022, doi:10.2760/07904, JRC130363. Online: https://edgar.jrc.ec.europa.eu/booklet/CO₂_emissions_of_all_world_countries_2022_report.pdf
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Fleiter, T.; Schlomann, B.; Eichhammer, W. (2013): Energieverbrauch und CO₂-Emissionen industrieller Prozesstechnologien – Einsparpotenziale, Hemmnisse und Instrumente. Fraunhofer Verlag. Stuttgart. ISBN: 978-3-8396-0515-8. Online: https://www.isi.fraunhofer.de/content/dam/isi/dokumente/ccx/2013/Umweltforschungsplan_FKZ-370946130.pdf
Geres, R.; Kohn, A.; Lenz, S.; Ausfelder, F.; Bazzanella, A. M.; Möler, A. ( 2019): Roadmap Chemie 2050 – Auf dem Weg zu einer treibhausgasneutralen chemischen Industrie in Deutschland. Herausgeber: FutureCamp Climate GmbH, München. ISBN: 978-3-89746-223-6. Online: https://www.vci.de/vci/downloads-vci/publikation/2019-10-09-studie-roadmap-chemie-2050-treibhausgasneutralitaet.pdf
Kral Bakk, I. (2011): Treibhausgasemissionen von Rind und Schweinefleisch entlang der Produktionskette Landwirtschaft bis Großküche unter besonderer Berücksichtigung der landwirtschaftlichen Produktionsform. Masterarbeit. S.51. Online: https://www.wien.gv.at/umweltschutz/nachhaltigkeit/pdf/kral-2012.pdf
Labcompare (2017): The –80 Takedown. Stand: 02.10.2017. Online: https://www.labcompare.com/342365-The-80-Takedown/
Laborjournal (2013): Laborkühlschränke und Laborgefrierschränke – Produktübersicht. Oktober 2013. Online: https://www.laborjournal.de/rubric/produkte/alle/LjPr-13-10.pdf
My Climate (o. J.): Was sind CO2-Äquivalente. Online: https://www.myclimate.org/de/informieren/faq/faq-detail/was-sind-co2-aequivalente/
My Green Lab (2021): The Carbon Impact of Biotech & Pharma – A Roadmap to 1.5°C. Stand: Oktober 2021. Online: https://www.mygreenlab.org/uploads/2/1/9/4/21945752/the_carbon_impact_of_biotech___pharma-_final.pdf
My Green Lab (o. J.): CEEL Reports. Online: https://www.mygreenlab.org/ceel.html
Renewa GmbH (o. J.): Durchschnittlicher Energieverbrauch. Online: https://www.energieheld.de/foerderung/energieberater/durchschnittlicher-energieverbrauch
Umweltbundesamt UBA (2022): Indikator: Emission von Treibhausgasen. https://www.umweltbundesamt.de/daten/umweltindikatoren/indikator-emission-von-treibhausgasen#die-wichtigsten-fakten
UNRIC (o. J.) Regionales Informationszentrum der Vereinten Nationen: SDG 13 Maßnahmen zum Klimaschutz. Online: https://unric.org/de/17ziele/sdg-13/
SDG 14 Leben unter Wasser
“Ozeane, Meere und Meeresressourcen im Sinne nachhaltiger Entwicklung erhalten und nachhaltig nutzen”
Das SDG 14 zielt vor allem auf den Erhalt der Meere durch Reduzierung der Meeresverschmutzung und Versauerung, den Erhalt der Küstenökosysteme, der nachhaltigen Fischerei und den Schutz der Bestände ab. Hintergrund ist, dass viele Länder die Meere immer noch zur Müllentsorgung nutzen, anstelle Plastikmüll zu vermeiden, Küstengebiete für den Tourismus umzuwandeln oder die Fischbestände ohne Rücksicht ausbeuten.
Für die Berufsbilder Chemielaborant/Chemielaborantin sowie Biologielaborant/Biologielaborantin relevant ist vor allem das folgende Unterziel relevant (Destatis o. J.):
SDG 14.1 Bis 2025 alle Arten der Meeresverschmutzung, insbesondere durch vom Lande ausgehende Tätigkeiten und namentlich Meeresmüll und Nährstoffbelastung, verhüten und erheblich verringern
Die Schnittmengen mit der Standardberufsbildposition wären dann, wenn auch nicht unbedingt unmittelbar ersichtlich (vgl. BMBF 2022):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
Makro- und Mikroplastik
Makro- und Mikroplastik sind ein globales Problem für die Meere. Der chemischen Industrie, als Basisindustrie für die Fertigung sämtlicher gebräuchlicher Kunststoffprodukte, kommt hierbei eine Schlüsselrolle zu. Kunststoffe – deren Langlebigkeit bereits ein enormes Problem für die Meere und die darin lebenden Tiere darstellt – beinhalten eine Vielzahl von Gefahrstoffen mit PBT-Eigenschaften: persistent, bioakkumulierend, toxisch. Unabhängig von ihrer Konzentration sind PBT-Stoffe immer eine Gefahr und dürfen nicht in die Umwelt gelangen. Eigentlich. Denn wie in SDG 12 näher dargestellt, gelangen diese Stoffe dennoch in die Meere – beispielsweise langlebige Chemikalien, die als Nebenprodukte der chemischen Produktion vor allem mit Industrieabwässern in die Flüsse gespült werden – führen dort zu einer Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und tragen zum Verlust der biologischen Vielfalt bei (Mehr dazu siehe SDG 6 “Sauberes Wasser”). Dies gilt neben Kunststoffprodukten auch für Düngemittel aus der chemischen Industrie, die über Binnengewässer in die Meere transportiert werden oder sich in Flussmündungen und Hafenbecken ablagern und die dortigen Ökosysteme schädigen: Der Hafenschlick in Hamburg und Rotterdam muss wegen der Giftfracht aus Elbe und Rhein als Sondermüll auf Spezial Deponien gelagert werden (Greenpeace o.J.). Weitere Details zur aktuellen Problematik sowie mögliche Lösungsanstöße werden im SDG 12 “Nachhaltige/r Konsum und Produktion” genauer dargestellt, da die genannten Probleme auch unter SDG Ziel 12.4 subsumiert werden können. Das SDG 12.4 hat das Ziel: “Bis 2020 einen umweltverträglichen Umgang mit Chemikalien und allen Abfällen während ihres gesamten Lebenszyklus in Übereinstimmung mit den vereinbarten internationalen Rahmenregelungen erreichen und ihre Freisetzung in Luft, Wasser und Boden erheblich verringern, um ihre nachteiligen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt auf ein Mindestmaß zu beschränken.”.
Quellenverzeichnis
Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
Destatis-Statistisches Bundesamt (o. J.): Indikatoren der UN-Nachhaltigkeitsziele 2022. Online unter: http://sdg-indikatoren.de/
Greenpeace (o. J.): Industrieabfälle: Wenn die Chemie nicht stimmt. Online: https://www.greenpeace.de/engagieren/nachhaltiger-leben/industrieabfaelle-chemie-stimmt
SDG 15 Leben an Land
“Landökosysteme schützen, wiederherstellen und ihre nachhaltige Nutzung fördern, Wälder nachhaltig bewirtschaften, Wüstenbildung bekämpfen, Bodendegradation beenden und umkehren und dem Verlust der biologischen Vielfalt ein Ende setzen”
Das SDG 15 zielt auf den Schutz der Ökosysteme und ihrer Biodiversität ab. Zusammengefasst geht es um: die nachhaltige Nutzung der Land- und Binnen Süßwasser-Ökosysteme, die nachhaltige Bewirtschaftung aller Waldarten, die Bekämpfung der Wüstenbildung, die Erhaltung der Berg Ökosysteme, die Beendigung des Verlusts der biologischen Vielfalt, die Beendigung von Wilderei und des Handels mit geschützten Pflanzen- und Tierarten und die Verhinderung der Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten.
Für die Berufsbilder Chemielaborant/Chemielaborantin sowie Biologielaborant/Biologielaborantin ist vor allem das folgende Unterziel relevant (Destatis o. J.):
SDG 15.5 Umgehende und bedeutende Maßnahmen ergreifen, um die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume zu verringern, dem Verlust der biologischen Vielfalt ein Ende zu setzen und bis 2020 die bedrohten Arten zu schützen und ihr Aussterben zu verhindern
Die Schnittmengen mit der Standardberufsbildposition wären dann, wenn auch nicht unbedingt unmittelbar ersichtlich (vgl. BMBF 2022):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
PBT-Gefahrstoffe
Die Erzeugnisse der chemischen-pharmazeutischen und auch biotechnologischen Industrie sind bzw. beinhalten eine Vielzahl von Gefahrstoffen mit PBT-Eigenschaften: persistent, bioakkumulierend, toxisch. Unabhängig von ihrer Konzentration sind PBT-Stoffe immer eine Gefahr und dürfen nicht in die Umwelt gelangen. Eigentlich. Denn wie in SDG 12 dargestellt, gelangen diese Stoffe auf vielen verschiedenen Wegen in die Umwelt und führen so zu einer Verschlechterung der natürlichen Lebensräume, tragen zum Verlust der biologischen Vielfalt bei und wirken sich negativ auf die Gesundheit von Menschen aus. Chemielaboranten/Chemielaborantinnen und Biologielaboranten/Biologielaborantinnen stellen diese Produkte her, wenden sie routiniert in ihren Arbeitsabläufen an oder produzieren daraus weiter Produkte für nachgelagert Industrie- und Gewerbezweige oder aber private Konsumentinnen und Konsumenten. Um das Unterziel 15.5 zu erreichen, bedarf es einer Reduktion der Nutzung von PBT-Stoffen. Emissionen, die in die Umwelt gelangen, können sowohl durch das eigene (unbeabsichtigte) falsche oder unbedarfte Handeln verursacht werden, aber natürlich auch durch das Handeln von Menschen, die an anderer Stelle in den Produktkreislauf involviert sind. Ein Beispiel ist hier der Eintrag von chemischen Erzeugnissen, wie Makro- und Mikroplastik mit all seinen Additiven und Zusatzstoffen in die Binnengewässer und den Boden, entweder in Form unvermeidbarer Abriebe von Beschichtungsstoffen mit PBT-Eigenschaften genannt sowie die unachtsame Entsorgung/ Einbringung von Plastikmüll oder auch die unsachgemäße Entsorgung von Arzneimitteln mit PBT-Eigenschaften durch das (unbeabsichtigt) falsche oder unbedarfte Handeln privater Verbraucherinnen und Verbraucher. Diese Probleme und mögliche Lösungsanstöße werden in SDG 3 “Gesundheit und Wohlergehen” sowie SDG 12 “Nachhaltige/r Konsum und Produktion” genauer dargestellt, da die genannten Probleme auch unter den SDG Teilzielen 3.9 und 12.4 subsumiert werden können:
SDG 3.9 Bis 2030 wird sich die Zahl der Todesfälle und Erkrankungen aufgrund gefährlicher Chemikalien und der Verschmutzung und Verunreinigung von Luft, Wasser und Boden erheblich verringern.
SDG 12.4 Bis 2020 einen umweltverträglichen Umgang mit Chemikalien und allen Abfällen während ihres gesamten Lebenszyklus in Übereinstimmung mit den vereinbarten internationalen Rahmenregelungen erreichen und ihre Freisetzung in Luft, Wasser und Boden erheblich verringern, um ihre nachteiligen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt auf ein Mindestmaß zu beschränken.
Quellenverzeichnis
● Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
● Destatis-Statistisches Bundesamt (o.J.): Indikatoren der UN-Nachhaltigkeitsziele 2022. Online unter: http://sdg-indikatoren.de/