Bogenmacher/Bogenmacherin
Einleitung
Ziele der Projektagentur PA-BBNE
Das Ziel der „Projektagentur Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ (PA-BBNE) ist die Entwicklung von Materialien, die die um Nachhaltigkeit erweiterte neue Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ mit Leben füllen soll. Mit „Leben zu füllen“ deshalb, weil „Nachhaltigkeit“ ein Ziel ist und wir uns den Weg suchen müssen. Wir wissen beispielsweise, dass die Energieversorgung künftig klimaneutral sein muss. Mit welchen Technologien wir dies erreichen wollen und wie unsere moderne Gesellschaft und Ökonomie diese integriert, wie diese mit Naturschutz und Sichtweisen der Gesellschaft auszugestalten sind, ist noch offen.
Um sich mit diesen Fragen zu beschäftigen, entwickelt die PA-BBNE Materialien, die von unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden:
- Zum einen widmen wir uns der beruflichen Ausbildung, denn die nachhaltige Entwicklung der nächsten Jahrzehnte wird durch die jungen Generationen bestimmt werden. Die duale berufliche Ausbildung orientiert sich spezifisch für jedes Berufsbild an den Ausbildungsordnungen (betrieblicher Teil der Ausbildung) und den Rahmenlehrplänen (schulischer Teil der Ausbildung). Hierzu haben wir dieses Impulspapier erstellt, das die Bezüge zur wissenschaftlichen Nachhaltigkeitsdiskussion praxisnah aufzeigt.
- Zum anderen orientieren wir uns an der Agenda 2030. Die Agenda 2030 wurde im Jahr 2015 von der Weltgemeinschaft beschlossen und ist ein Fahrplan in die Zukunft (Bundesregierung o. J.). Sie umfasst die sogenannten 17 Sustainable Development Goals (SDGs), die jeweils spezifische Herausforderungen der Nachhaltigkeit benennen (vgl. Destatis 2022). Hierzu haben wir ein Hintergrundmaterial (HGM) im Sinne der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE, vgl. BMBF o. J.) erstellt, das spezifisch für unterschiedliche Berufe ist.
Die Materialien der Projektagentur
Die neue Standardberufsbildposition gibt aber nur den Rahmen vor. Selbst in novellierten Ausbildungsordnungen in Berufen mit großer Relevanz für wichtige Themen der Nachhaltigkeit wie z. B. dem Klimaschutz werden wichtige Fähigkeiten, Kenntnissen und Fertigkeiten in den berufsprofilgebenden Berufsbildpositionen nicht genannt – obwohl die Berufe deutliche Beiträge zum Klimaschutz leisten könnten. Deshalb haben wir uns das Ziel gesetzt, Ausbildenden und Lehrkräften Hinweise im Impulspapier zusammenzustellen im Sinne einer Operationalisierung der Nachhaltigkeit für die unterschiedlichen Berufsbilder. Zur Vertiefung der stichwortartigen Operationalisierung wird jedes Impulspapier ergänzt durch eine umfassende Beschreibung derjenigen Themen, die für die berufliche Bildung wichtig sind. Dieses sogenannte Hintergrundmaterial orientiert sich im Sinne von BNE an den 17 SDGs, ist faktenorientiert und wurde nach wissenschaftlichen Kriterien erstellt. Ergänzt werden das Impulspapier und das Hintergrundmaterial durch einen Satz von Folien, die sich den Zielkonflikten widmen, da „Nachhaltigkeit das Ziel ist, für das wir den Weg gemeinsam suchen müssen“. Und dieser Weg ist nicht immer gleich für alle Branchen, Betriebe und beruflichen Handlungen, da unterschiedliche Rahmenbedingungen in den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – Ökonomie, Ökologie und Soziales – gelten können. Wir haben deshalb die folgenden Materialien entwickelt:
- BBNE-Impulspapier (IP): Betrachtung der Schnittstellen von Ausbildungsordnung, Rahmenlehrplan und den Herausforderungen der Nachhaltigkeit in Anlehnung an die SDGs der Agenda 2030. Das Impulspapier ist spezifisch für einen Ausbildungsberuf erstellt, fasst aber teilweise spezifische Ausbildungsgänge zusammen (z. B. den Fachmann und die Fachfrau zusammen mit der Fachkraft sowie die verschiedenen Fachrichtungen)
- BBNE-Hintergrundmaterial (HGM): Betrachtung der SDGs unter einer wissenschaftlichen Perspektive der Nachhaltigkeit im Hinblick auf das Tätigkeitsprofil eines Ausbildungsberufes bzw. auf eine Gruppe von Ausbildungsberufen, die ein ähnliches Tätigkeitsprofil aufweisen;
- BBNE-Foliensammlung (FS) und Handreichung (HR): Folien mit wichtigen Zielkonflikten – dargestellt mit Hilfe von Grafiken, Bildern und Smart Arts für das jeweilige Berufsbild, die Anlass zur Diskussion der spezifischen Herausforderungen der Nachhaltigkeit bieten. Das Material liegt auch als Handreichung (HR) mit der Folie und Notizen vor.
Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung
Die Standardberufsbildposition “Umweltschutz und Nachhaltigkeit”
Seit August 2021 müssen auf Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) bei einer Modernisierung von Ausbildungsordnungen die vier neuen Positionen „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“, Digitalisierte Arbeitswelt“, Organisation des Ausbildungsbetriebs, Berufsbildung, Arbeits- und Tarifrecht“ sowie „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“ aufgenommen werden (BIBB 2021). Insbesondere die letzten beiden Positionen unterscheiden sich deutlich von den alten Standardberufsbildpositionen.
Diese Positionen begründet das BIBB wie folgt (BIBB o. J.a): „Unabhängig vom anerkannten Ausbildungsberuf lassen sich Ausbildungsinhalte identifizieren, die einen grundlegenden Charakter besitzen und somit für jede qualifizierte Fachkraft ein unverzichtbares Fundament kompetenten Handelns darstellen“ (ebd.).
Die Standardberufsbildpositionen sind allerdings allgemein gehalten, damit sie für alle Berufsbilder gelten (vgl. BMBF 2022). Eine konkrete Operationalisierung erfolgt üblicherweise durch Arbeitshilfen, die für alle Berufsausbildungen, die modernisiert werden, erstellt werden. Die Materialien der PA-BBNE ergänzen diese Arbeitshilfen mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit und geben entsprechende Anregungen (vgl. BIBB o. J.b). Das Impulspapier zeigt vor allem in tabellarischen Übersichten, welche Themen der Nachhaltigkeit an die Ausbildungsberufe anschlussfähig sind.
Die neue Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ ist zentral für eine BBNE, sie umfasst die folgenden Positionen (BMBF 2022).
a) “Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
c) für den Ausbildungsbetrieb geltende Regelungen des Umweltschutzes einhalten
d) Abfälle vermeiden sowie Stoffe und Materialien einer umweltschonenden Wiederverwertung oder Entsorgung zuführen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren”
Die Schnittstellen zwischen der neuen Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit” werden in
fortlaufend aufgezeigt. Mit Ausnahme der Position c) werden in der Tabelle alle Positionen behandelt. Die Position c) wird nicht behandelt, da diese vor allem ordnungsrechtliche Maßnahmen betrifft, die zwingend zu beachten sind. Maßnahmen zur Nachhaltigkeit hingegen sind meist freiwillige Maßnahmen und können, müssen aber nicht durch das Ordnungsrecht geregelt bzw. umgesetzt werden. In der Tabelle werden die folgenden Bezüge hergestellt:
- Spalte A: Positionen der Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit”;
- Spalte B: Vorschläge für Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten, die im Sinne der nachhaltigen Entwicklung wichtig sind;
- Spalte C: Bezüge zur Nachhaltigkeit;
- Spalte D: Mögliche Aufgabenstellungen für die Ausbildung im Sinne der Position 3e) „Vorschläge für nachhaltiges Handeln entwickeln“;
- Spalte E: Zuordnung zu einem oder mehreren SDGs (Verweis auf das Hintergrundmaterial).
Bildung für nachhaltige Entwicklung
Die Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) meint eine Bildung, die Menschen zu zukunftsfähigem Denken und Handeln befähigt. Sie ermöglicht jedem Einzelnen, die Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Welt zu verstehen (BMBF o. J.). BBNE ist somit nur ein Teil von BNE, der an alle Bürger*innen adressiert ist. Eine Entwicklung ist dann nachhaltig, wenn Menschen weltweit, gegenwärtig und in Zukunft würdig leben und ihre Bedürfnisse und Talente unter Berücksichtigung planetarer Grenzen entfalten können. … BNE ermöglicht es allen Menschen, die Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Welt zu verstehen und verantwortungsvolle, nachhaltige Entscheidungen zu treffen (ebd.).
Grundlage für BNE ist heutzutage die Agenda 2030 mit ihren 17 SDG (Sustainable Development Goals). Die 17 Ziele bilden den Kern der Agenda und fassen zusammen, in welchen Bereichen nachhaltige Entwicklung gestärkt und verankert werden muss (ebd.). Die Materialien der Projektagentur sollen Lehrkräften an Berufsschulen und Ausbildende dabei helfen, die Ideen der SDG in die Bildungspraxis einzubringen. Sie sind somit ein wichtiges Element insbesondere für das Ziel vier “Hochwertige Bildung”: “Bis 2030 sicherstellen, dass alle Lernenden die notwendigen Kenntnisse und Qualifikationen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung erwerben, unter anderem durch Bildung für nachhaltige Entwicklung und nachhaltige Lebensweisen, …” (ebd.).
Während die Grundlage in den Impulspapieren die Ausbildungsordnungen und die Rahmenlehrpläne der beruflichen Bildung waren, die mit den SDG vernetzt wurden, geht das Hintergrundpapier den umgekehrten Weg: Wir betrachten die SDG im Hinblick auf ihre Bedeutung für die berufliche Bildung und stellen uns der Frage, welche Anforderungen ergeben sich aufgrund der SDG und deren Unterziele an die Berufsbildung? Die folgenden Beschreibungen haben deshalb immer die gleiche Struktur:
- Es wird das SDG beschrieben.
- Es werden relevante Unterziele benannt.
- Es wird (wissenschaftlich) ausgeführt, was diese Unterziele für das jeweilige Berufsbild bedeuten.
Glossar
Folgende Abkürzungen werden in diesem Dokument verwendet:
Abkürzung | Bezeichnung |
AO | Ausbildungsordnung |
BMUV | Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit |
Care | Segment der AHV, hier: Krankenhäuser, Pflegeheime |
CO2-Äq | Kohlendioxid-Äquivalente |
FS | Foliensammlung |
HGM | Hintergrundmaterial (wissenschaftliches Begleitmaterial) |
IP | Impulspapier (didaktisches Begleitmaterial) |
KI | Künstliche Intelligenz |
ÖPNV | Öffentlicher Personennahverkehr |
RLP | Rahmenlehrplan |
SBBP | Standardberufsbildposition |
SDG | Sustainable Development Goals |
THG | Treibhausgase bzw. CO2-Äquivalente (CO2-Äq) |
Vorbemerkung
Gesellschaftlich-kulturelle Bedeutung
Der Instrumentenbau gehört zu den traditionellen Handwerken mit oft seit Jahrhunderten kaum veränderten Werkstoffen und Verfahren. Die Produkte des Handwerks zählen teils zur Hochkultur. Hervorragende Instrumente und auch Streichbögen werden Jahrzehnte oder Jahrhunderte genutzt. Die Herstellung von Instrumenten ist aufwändig, Restaurierungen sind lohnend. Pro Jahr werden nur wenige Instrumente (von Geigenbauern laut Auskünften von Instrumentenbauern und Instrumentenbauerinnen, in der Regel zwei) handwerklich hergestellt. Eine handwerklich hochwertig hergestellte Geige kann bis zu 400 Jahre lang halten. Auch die historisch exakte Restaurierung alter Instrumente gehört zum Berufsbild (Kreiner 2017). Der Musikinstrumentenbau zählt damit zu den kulturrelevanten Gewerken. Die gesellschaftlich-kulturelle Bedeutung des Instrumentenbaus ist hoch. Beispielsweise wird durch die handwerklichen Traditionen und Werkstoffe das Klangverständnis von Kompositionen geprägt. (Stange-Elbe/Bronner 2009: 311; Brémaud 2012: 807; Dünisch 2017; Duerinck et al. 2020)
Der Instrumentenbau verwendet eine Vielzahl von Werkstoffen (Materialien aus pflanzlichem und tierischem Ursprung, Metalle und Legierungen), die auch in anderen Berufsfeldern mit kunsthistorischer Bedeutung wichtig sind. Die Verwendung dieser Werkstoffe werden heute unter Nachhaltigkeitsaspekten kritisiert und in internationalen Artenschutzabkommen oder EU-Verordnungen zunehmend begrenzt oder verboten (Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten frei lebenden Tieren und Pflanzen sowie die Europäische Chemikalienverordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe). Im Instrumentenbau lassen sich vielfältige Widersprüche zwischen traditionellen Herstellungsverfahren und heutigen Nachhaltigkeitsanforderungen aufzeigen, die für andere traditionelle handwerkliche Verfahren zur Restaurierung von Kulturgut in Teilen zutreffend sind. Ein Beispiel wären Bleistäbe bei der Restaurierung von Butzenscheiben in Bürgerhäusern und Profanbauten (vgl. u. a. Oidtmann 1912, S. 121).
Ökonomische und soziale Bedeutung
Die Produktion von Musikinstrumenten hat sich in den letzten Jahren weitgehend nach Asien verlagert. In Deutschland gibt es kaum noch Betriebe mit Serienproduktion. Immerhin gehen ca. 60 Prozent der in Deutschland gebauten Instrumente – vor allem hochwertige – in den Export (Köhncke 2006).
Die Anzahl der Handwerksbetriebe mit ca. 1.200 Betrieben ist in Deutschland gering (Kreiner 2017). Der Bundesverband der deutschen Musikinstrumentenhersteller nannte für das Jahr 2013 die Zahlen von etwa 1.200 Betrieben und ca. 6.400 Beschäftigten Die Hälfte des Umsatzes (ca. 600 Mio € im Jahr 2013) entfiel auf die 23 größeren Betriebe mit mehr als 50 Beschäftigten. Für 2019 errechnete das Statistische Bundesamt den Umsatz mit ca. 750 Mio. € (Statistisches Bundesamt 2021).
Die Anzahl der Lehrstellen im Instrumentenbau im Handwerk ist entsprechend gering. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks verzeichnet in seiner Statistik für 2021 beispielsweise nur einen Bogenbauer bzw. eine Bogenbauerin, vier Geigenbauer bzw. Geigenbauerinnen und drei Holzblasinstrumentenmacher bzw. Holzblasinstrumentenmacherinnen (www.zdh-statistik.de). Ausbildungsplätze an staatlichen Schulen sind häufiger, aber selbst an den beiden international renommierten Berufsfachschulen in Klingenthal und Mittenwald werden jährlich nur wenige Instrumentenbauer und Instrumentenbauerinnen ausgebildet. Die Staatliche Musikinstrumentenbauschule in Mittenwald beispielsweise bildet pro Schuljahr bis zu 12 Geigenbauer*innen, vier Zupfinstrumentenmacher*innen, vier Holzblasinstrumentenmacher*innen und vier Metallblasinstrumentenbauer*innen aus (www.instrumentenbauschule.eu). Neben Meistern und Meisterinnen und Gesellen und Gesellinnen arbeiten in den Betrieben auch Beschäftigte ohne Ausbildung handwerklich im Instrumentenbau (persönliche Kommunikation mit Instrumentenbauer und Instrumentenbauerinnen).
In Deutschland spielen etwa 2,5 Mio. Menschen in der Altersgruppe ab 14 Jahren mehrmals wöchentlich in ihrer Freizeit ein Musikinstrument. Die Anzahl der Freizeitspieler ist in den letzten 5 Jahren deutlich um eine Million Personen gestiegen. Verändert hat sich jedoch vor allem die Häufigkeit des Spielens. Die Anzahl der Personen, die mehrfach monatlich spielen, stieg im Vergleichszeitraum deutlich, aber immerhin um knapp 400 Tsd. Personen (VUMA 2021). Die Bundesanstalt für Arbeit verzeichnete Ende 2021 etwa 17 Tsd. sozialversicherungspflichtig beschäftigte Musikerinnen und Musiker in Deutschland (Bundesagentur für Arbeit 2022). Im Jahr 2020 gab es rund 3.500 selbständige Musikerinnen und Musiker in Deutschland (BMWK 2022: 123).
Relevanz von Nachhaltigkeitsaspekten
Mit Bezug zu Nachhaltigkeitsaspekten bestehen Effizienzpotenziale wie auch in sonstigen stationären holzverarbeitenden Handwerksbetrieben, die es zu heben gilt, um beispielsweise Energieverbräuche und Kosten zu senken. Allerdings besteht die Herausforderung darin, einen Beitrag dafür zu leisten, dass die bisherigen Verfahren auch zukünftig verwendet werden können und beispielsweise der Handel mit pflanzlichen und tierischen Produkten (z. B. Rio Palisander, Stoßzähne von Walrossen, siehe www.bfn.de) nicht im Sinne des Arten- und Klimaschutzes verboten werden. Andere typische Nachhaltigkeitsaspekte wie der CO2-Ausstoß des Güterverkehrs mit Bezug zum Handwerk sind nachrangig und schlagen mengenmäßig aufgrund der geringen Anzahl der im Instrumentenbau Tätigen kaum zu Buche.
Der Instrumentenbau in Deutschland kann in Deutschland eine Vorreiterposition mit hohem Aufmerksamkeitswert in Nachhaltigkeitsfragen einnehmen. Dies ist beispielsweise durch Nachhaltigkeitsinitiativen auch in Zusammenarbeit mit Musiker und Musikerinnen oder durch Werkstoffinnovationen zu erreichen, die die anspruchsvolle Kundschaft überzeugen können. So setzt sich die Internationale Initiative zur Erhaltung des Fernambuk Baumes seit fast 25 Jahren für die Wiederaufforstung des Nationalbaumes in Brasilien ein. Mehr als 340.000 Bäume wurden auf Initiative der IPCI seitdem angepflanzt (Felix 2022).
Aufgrund der geringen zahlenmäßigen Bedeutung des handwerklichen Instrumentenbaus ist die Zahl der wissenschaftlichen Publikationen an der Schnittstelle zur Nachhaltigkeit gering. Oft liegen Veröffentlichungen nur in englischer Sprache vor. Auch die deutschsprachigen Zeitschriften des Instrumentenbaus beginnen erst, Nachhaltigkeitsfragen verstärkt zu thematisieren und somit auch das oft traditionelle Milieu für das Thema zu sensibilisieren. Es ist zu vermerken, dass die Zahl der Veröffentlichungen auch mit Bezug zu nachhaltigen Werkstoffen in den letzten Jahren gestiegen ist und sich auch Forschungsprojekte den Nachhaltigkeitsanforderungen des Instrumentenbaus widmen (z. B. das Projekt I-Ma-Tech oder Forschungsarbeiten der TU Dresden zur Holzmodifikation).
Für die Ausarbeitung dieses Hintergrundmaterials über die Bedeutung der SDG’s für den Instrumentenbau wurde ein „Suchraum“ eröffnet, der sich vorrangig an traditionellen Werkstoffen und der Bedeutung dieser Materialien mit Bezug zu Nachhaltigkeitsaspekten ausrichtet
„Je nach Instrumententypen werden die einen oder die anderen Arten bevorzugt angewendet. So werden zum Beispiel die Resonanzböden bei besseren Geigen, Celli, Gitarren, Klavieren usw. fast ausschließlich aus Fichte hergestellt; die kleinen Orgelpfeifen aus Kirsche, Birn- oder Eichenholz, die grösseren aus Fichte oder Tanne fabriziert. „Blasinstrumente wie Fagott, Oboe usw. werden traditionell aus einer der Dalbergia-Arten gedrechselt, Flöten aus Buchs-, Kirsch- oder Birnbaumholz.“ (Bariska 1996, S. 687).
Bäume sind von hoher ökologischer Bedeutung. Sie bedecken fast ein Drittel der weltweiten Landoberfläche. Wälder sind wichtig für die biogeochemischen Prozesse auf der Erde, die die Bodenproduktion, Nährstoff- und Kohlenstoffkreisläufe sowie das globale Klima beeinflussen. Sie speichern etwa 50 % der weltweiten terrestrischen Kohlenstoffvorräte. Mehr als drei Viertel des zugänglichen Süßwassers der Welt wird aus bewaldeten Gebieten gewonnen. Mindestens die Hälfte der bekannten terrestrischen Pflanzen und Tiere sind hier heimisch. Bäume kommen nicht nur in Wäldern vor, sondern auch in Waldgebieten, Savannen, Buschland, Grasland, Wüsten, Feuchtgebieten, Küsten- und Felsökosystemen, sowie in künstlichen und städtischen Umgebungen (Botanic Gardens Conservation International 2021: 6)
Je nach Herkunft verfügen Baumhölzer über unterschiedliche Merkmale. Einen umfassenden Überblick über Holzarten und ihre Eigenschaften liefert die Datenbank von Eric Meier unter www.wood-database.com. Bedrohte Arten werden dort in einem Überblicksbeitrag gelistet (Meier 2023). Bereits seit 1948 thematisiert die International Union for Conservation of Nature ( IUCN) bedrohte Arten und ordnet sie nach Bedrohungsgrad ein in “critically endangered”, “endangered” und “vulnerable”IUCN o.J.). An der Pflege der Datenbanken und Erstellung von Listen und Veröffentlichungen sind mehr als 18.000 Expertinnen und Experten beteiligt (IUCN o.J.).
Für Klangholz gelten besondere Herausforderungen. Holz mit unterschiedlichen Jahrringbreiten, mit Streifen von Reaktionsholz oder mit eingewachsenen Astknoten kann nicht so bearbeitet werden, dass die Instrumente gut klingen oder dass das Holz nicht um die Astknoten aufreisst. Musikhölzer werden daher streng selektiert, ein großer Teil des gewachsenen Holzmaterials ist für den Instrumentenbau nicht geeignet (Bariska 1996: 686).
Neben Holz sind tierische Produkte wie Elfenbein oder Schildpatt traditionell im Instrumentenbau verhaftet. Für Blechinstrumente werden Metalle und Legierungen auf Bleibasis verwendet, deren Verwendung vergleichbar zum Artenschutz mit der europäischen REACH-Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 eingeschränkt oder ausgeschlossen wird bzw. werden soll (Deutscher Musikrat 2022; Meier 2023). Die EU veröffentlichte des Weiteren im Oktober 2020 ihre Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit als einen Baustein zur Erreichung des Ziels, die Umweltverschmutzung auf Null zu reduzieren. Dieses wiederum ist eine der Hauptverpflichtungen des europäischen Grünen Deals. Mit der Chemikalienstrategie der EU sollen Bürger*innen und die Umwelt besser geschützt und Innovationen für sichere und nachhaltige Chemikalien gefördert werden. Für den Musikinstrumentenbau ist die dort verankerte Aktion, die schädlichsten Chemikalien in Konsumgütern zu verbieten bzw. ihre Verwendung nur dort zu erlauben, wo es notwendig ist (EU 2020).
Aufgrund der Gemeinsamkeiten der handwerklichen Berufe des Instrumentenbaus werden die Ausführungen in einem gemeinsamen Hintergrundpapier zusammengeführt. Unterschiede ergeben sich lediglich hinsichtlich der vorrangig genutzten Arten (Bariska 1996).
Auch auf neuartige Werkstoffe wie Carbon und Forschungsinitiativen zur Nachhaltigkeit von Materialien, wie sie im Rahmen des Forschungsverbundes I-Ma-Tech durchgeführt werden, wird in diesem Papier hingewiesen.
Tabelle: Beispiele traditionell verwendeter Materialien im Instrumentenbau
pflanzliche Materialien | tierische Materialien | Metalle (auch als Bestandteile von Legierungen) | Frühe synthetische Materialien |
Rio-Palisander | Rosshaar | Blei | Zelluloid |
Ebenholz | Elfenbein | Nickel | Nylon |
Zedernholz | Knochen (Leim) | Eisen | |
Fichtenholz | Schildpatt | Stahl | |
Buchsbaum | Horn | Silber | |
Fernambukholz | Perlmutt | Gold | |
Schlangenholz | Stoßzähne (Walross) | Chrom | |
Obstgehölze | Wal-Knochen, Walbarten | Zink | |
Grenadille | Leder |
Quelle: Eigene Darstellung
Bariska, Mihaly (1996): Zur Geschichte der Holzverwendung beim Musikinstrumentenbau. In: Schweizerische Zeitschrift für Forstwesen 9 (S. 683–693).
bfn.de: CITES und Musikinstrumente. Online: www.bfn.de/musikinstrumente
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (2021): Vier sind die Zukunft. Online: www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/show/17281
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (o.J.a): FAQ zu den modernisierten Standardberufsbildpositionen. Online: https://www.bibb.de/de/137874.php
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (o.J.b): Ausbildung gestalten. Online: BIBB / Reihen / Ausbildung gestalten
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: https://www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (o.J.): Was ist BNE? Online: https://www.bne-portal.de/bne/de/einstieg/was-ist-bne/was-ist-bne.html
BMWK Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (2022): Monitoringbericht Kultur- und Kreativwirtschaft 2021. Online: www.kultur-kreativ-wirtschaft.de/KUK/Redaktion/DE/Meldungen/2022/03/2022-03-09-monitoringbericht-kultur-und-kreativwirtschaft-2021.html
Botanic Gardens Conservation International (2021): State of the World’s Trees. Online: www.bgci.org/wp/wp-content/uploads/2021/08/FINAL-GTAReportMedRes-1.pdf
Brémaud, Iris (2012): Acoustical properties of wood in string instruments soundboards and tuned idiophones: Biological and cultural diversity. Journal of the Acoustical Society of America, 2012, 131 (1).
Bundesagentur für Arbeit (2022): Anzahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Musiker in Deutschland von 2012 bis 2021. Diagramm: Statista GmbH. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/243311/umfrage/anzahl-der-beschaeftigten-musiker-in-deutschland/
Bundesregierung (o.J.): Globale Nachhaltigkeitsstrategie – Nachhaltigkeitsziele verständlich erklärt. Online: www.bundesregierung.de/breg-de/themen/nachhaltigkeitspolitik/nachhaltigkeitsziele-verstaendlich-erklaert-232174
Destatis Statistisches Bundesamt (2022): Indikatoren der UN-Nachhaltigkeitsziele. Online: http://sdg-indikatoren.de/
Duerinck, Tim; Verberkmoes, Geerten; Fritz, Claudia; Leman, Marc; Nijs, Luc; Kersemans, Mathias; van Paepegem, Wim (2020): Listener evaluations of violins made from composites. Journal of the Acoustical Society of America, Acoustical Society of America, 147.
Dünisch, Oliver (2017): Relationship between anatomy and vibration behavior of softwoods and hardwoods. In IAWA Journal (38).
Felix, Susanna (2022): Fernambuk – Artenschutz leicht verschärft. Was das für Musiker mit Streicherbögen bedeutet. BR-Klassik (25.11.2022). Online: www.br-klassik.de/aktuell/news-kritik/fernambuk-artenschutz-cites-ipci-brasilien-verschaerft-musiker-reisen-100.html
instrumentenbauschule.eu (o.J.): Berufsfachschule und Eignungsprüfung. Online: www.instrumentenbauschule.eu/de/schule/berufsfachschule/eignungspruefung/
IUCN International Union for Conservation of Nature (o.J.): Resources. Online: www.iucn.org/resources
Kreiner, Paul (2017): Handarbeit im Dienst des Klangs. Mittenwald, seit 340 Jahren Zentrum des Geigenbaus zwischen Deutschland und Italien, hat nichts von seiner Anziehungskraft verloren. Eine Instrumentenbauschule setzt die Tradition fort und erweitert sie. In Stuttgarter Zeitung (03.05.2017)
Meier, Eric (2023): Restricted an Endangered Wood Species. Online: www.wood-database.com/wood-articles/restricted-and-endangered-wood-species/
Oidtmann, Heinrich (2012): Die Rheinische Glasmalereien vom 12. bis zum 16. Jahrhundert. Preisschriften der Mevissen-Stiftung III. Düsseldorf.
Stange-Elbe, Joachim, Bronner, Kai (2009): Musikinstrumentenindustrie im digitalen Paradigmenwechsel. In: Gerhard Gensch, Eva Maria Stöckler und Peter Tschmuck (Hg.): Musikrezeption, Musikdistribution und Musikproduktion. Der Wandel des Wertschöpfungsnetzwerks in der Musikwirtschaft. Wiesbaden.
Statistisches Bundesamt (2021): Umsatz der Branche Herstellung von Musikinstrumenten in Deutschland von 2012 bis 2019 und Prognose bis zum Jahr 2025 (in Millionen Euro). Diagramm: Statista GmbH. https://de.statista.com/prognosen/313870/herstellung-von-musikinstrumenten-umsatz-in-deutschland
VUMA (2021): Bevölkerung in Deutschland nach Häufigkeit des Spielens von Musikinstrumenten in der Freizeit von 2017 bis 2021 (Personen in Millionen). Diagramm: Statista GmbH. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/171909/umfrage/haeufigkeit-musikinstrument-spielen-in-der-freizeit/
zdh-statistik.de (o.J.): Statistikseiten des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks e.V. Online: www.zdh-statistik.de/application
SDG 3 Gesundheit und Wohlergehen
“Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern”
Das SDG Nr. 3 „Gesundheit und Wohlbefinden“ hat die Aufgabe, ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters zu gewährleisten und ihr Wohlergehen zu fördern. Im globalen Maßstab werden damit Herausforderungen wie die Senkung der Kindersterblichkeit oder die Bekämpfung von Pandemien und ihre Ursachen adressiert. Im Kern zählen dazu aber auch das Erkennen der Bedeutung von Gesundheit für die Lebensqualität und die Bereitschaft, gesundheitsfördernde Verhaltensweisen umzusetzen bzw. gesundheitliche Risiken zu vermeiden.
In Bezug auf die Berufsgruppe der Instrumentenbauer kommt besonders das Unterziel 3.9 “Todesfälle und Erkrankungen aufgrund gefährlicher Chemikalien und der Verschmutzung und Verunreinigung von Luft, Wasser und Boden erheblich verringern” zum Tragen.
Die Schnittmenge für das SDG 3 ergibt sich aus den Nummern a und e der Standardberufsbildposition (BMBF 2022):
- Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
- Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Risikostoffe
Im Musikinstrumentenbau gelten folgende Stoffe als Risikostoffe und damit als Auslöser von Gesundheitsproblemen wie Kontaktallergien oder Asthma (Gasenzer/Neugebauer 2013; Crépy 2015; persönliche Kommunikation mit BAuA):
- Flammschutzmittel: Flammschutzmittel sind chemische Verbindungen, die die Entzündung brennbarer Materialien wie Kunststoff oder Holz verzögern und die Flammenausbreitung verlangsamen. Sie sind schwer abbaubar und reichern sich im Menschen und in anderen Lebewesen an (UBA 2017, S.4). Viele früher genutzte chemische Verbindungen, insbesondere Hexabromcyclododecan (HBCD), sind mittlerweile verboten. Dechloran Plus wird in Kleb- und Dichtstoffen sowie in Bindemitteln eingesetzt und steht seit 2018 auf der REACH-Kandidatenliste (UBA 2018; ECHA 2022).
- Holzstaub: Holzstaub entsteht bei der Herstellung hölzerner Intrumente(nteile), besonders bei Zupf- und Streichinstrumenten. Insbesondere Eichenstaub und Staub von exotischen Hölzern können Gesundheitsschäden hervorrufen (DGUV 2019, Hausen/ Herrmann 1990, persönliche Kommunikation mit BAuA). Die verantwortlichen Allergene sind hauptsächlich Benzo-, Naphtho-, Firano- und Phenanthrenchinone, Stilbene, phenolische Verbindungen und Terpene (Crépy 2015: 379).
- Metalle und Legierungen: Neben Metallen, insbesondere Blei im Orgel- und Blechblasinstrumentenbau, werden Gemische verwendet. Blei ist besonders für Kinder gefährlich, wenn es in den Mund genommen wird. Messing ist eine Kupfer-Zink-Legierung, Neusilber eine Nickel-Kupfer-Zink-Legierung. die alltäglich ist und kaum gesundheitliche Risiken beinhaltet. Nickel als Legierungsmetall kann Kontaktallergien hervorrufen, weshalb es beispielsweise bei Brillen oder Schmuck gekennzeichnet werden muss.
- Kolophonium: Kolophonium wird als Bogenharz für Streichinstrumente benutzt. Das Harz wird aus Nadelbäumen gewonnen. Die Zusammensetzung variiert je nach Baumart, Herstellungsverfahren und Lagerungsmethode. Es besteht zu etwa 90 % aus Harzsäuren und zu 10 % aus neutralen Substanzen. Kolophonium kann zu allergischen Hautreizungen führen (Crépy 2015: 379).
- Schilfrohr: Schilfrohr kann Teil des Mundstücks von Blasinstrumenten wie Klarinette, Oboe oder Saxophon sein. Schimmelpilze im Blasinstrument können Entzündungen und Vernarbung des Lungengewebes verursachen (NN 2017).
- Lacke (Schellack, Nitrozelluloselacke, Polyurethan- und Polyesterlackierungen (Deutsches Lackinstitut o. J. a) ) und darin enthaltene Lösemittel: Lacke schützen das Holz, Metall oder den Kunststoff von Musikinstrumenten vor Witterungseinflüssen wie Feuchtigkeit und tragen zu den klanglichen Eigenschaften eines Instrumentes bei. Der negative Einfluss von Lösemitteln auf die Gesundheit und Umwelt kann durch die Wahl lösungsmittelarmer oder lösungsmittelfreier Lacke reduziert oder ganz vermieden werden (Deutsches Lackinstitut o. J. b).
- Propolis (Bienenharz): Propolis kann zur Herstellung von Holzlasuren verwendet werden. Die Hauptbestandteile von Propolis sind Harze und Pollen, das Speichelsekret von Bienen. Propolis wird oft in Kosmetika verwendet. Laut wissenschaftlicher Untersuchungen löst es bei immer mehr und derzeit etwa 4 Prozent der Bevölkerung Kontaktallergien aus. (Uter et al. 2020: 857)
Speziell mit Bezug zum Beruf des Bogenmachers und der Bogenmacherin ist die sog. Bogenmacherkrankheit aufgetreten, die durch die Holzstaubbelastung bei der Holzbearbeitung auftritt (Hausen/Hermann 1990). Unter den Instrumentenbauern ist die Krankheit bisher wenig bekannt und erhält deshalb eine geringe Aufmerksamkeit im Arbeitsschutz. Aber nicht nur bei der Bearbeitung exotischer Hölzer gilt Feinstaub als Gefahr: Im Handwerk ist die Häufigkeit von Atemwegserkrankungen sehr hoch (persönliche Kommunikation mit BAuA). Auch können einatembare Feinstaubpartikel in hoher Konzentration schwere gesundheitliche Schäden wie Schlaganfälle, Herzerkrankungen oder Asthma auslösen. Ein Wechsel von der Trocken- zur Feuchtbearbeitung und persönliche Schutzausrüstungen sind wichtige Schutzmaßnahmen (bau-rs.de).
Nicht alle Chemikalien sind im selben Maße für den Menschen gefährlich. Bestimmte Chemikalien gelten jedoch als krebserregend, als das Immunsystem, die Atemwege, das Hormonsystem, das Fortpflanzungssystem oder das Herz-Kreislauf-System schädigend. Bestimmte Chemikalien können die Widerstandskraft des Menschen und seine Fähigkeit, auf Impfstoffe zu reagieren, beeinträchtigen. Auch steigern sie die Anfälligkeit von Krankheiten. Studien in der EU deuten darauf hin, dass im menschlichen Blut und Körpergewebe zunehmend unterschiedliche gefährliche Chemikalien enthalten sind, darunter bestimmte Pestizide, Biozide, Arzneimittel, Schwermetalle, Weichmacher und Flammschutzmittel. Die pränatale kombinierte Exposition gegenüber mehreren Chemikalien hatte ein geringeres Embryonalwachstum und niedrigere Geburtenraten zur Folge. (Europäische Kommission 2020, S. 1 f.).
Tabelle: Beispiele für Chemikalien im Musikinstrumentenbau mit Gefahrenpotenzial für Mensch und Umwelt
Chemikalie | Anwendung | Gefahrensymbole |
Gummigutta | Grundierung von Holzoberflächen. | |
Ethylalkohol | Lösungsmittel für Lacke und Farben | |
Orangenterpene | Lösungsmittel (Verstreichhilfe beim Lackieren) | |
Salmiakgeist /Ammoniaklösung | Beizen von Hölzern | |
Salpeterlösung | Beizen von Hölzern | |
Balsamterpentinöl | Lösungsmittel für (Öl-)Lacke. | |
Kaliumnitrit | (in Lösung) zum Beizen von Hölzern | |
Natriumnitrit | (in Lösung) zum Beizen von Hölzern | |
Eisenvitriol / Eisen-(II)-Sulfat | zum Beizen von Hölzern | |
Sumpfkalk | Zur Herstellung von Casein-Grundierungen. | |
Zinnober | Zum Färben von Lacken. | |
Achtung!leicht und hochentzündliche Gefahrstoffe Gefahr für die Umwelt Ätzwirkung Gesundheitsgefahr Vergiftungsgefahr |
Quelle: Fachgespräch mit Instrumentenbauer
Chemikalien im Metallblasinstrumentenbau
Mit der EU-Verordnung 1907/2006 wurde in der Europäischen Union ein vollkommen neues Regelungsregime für Chemikalien eingeführt (EU 2006, EU 2015). Die Verordnung ist unter dem Titel REACH bekannt (englisch: Registration, Evaluation, Authorisation of Chemicals). Zweck dieser Verordnung ist es, ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt sicherzustellen. Die Verordnung gilt europaweit und auch für KMU. Mit der Umsetzung von REACH wurde die Europäische Chemikalienagentur ECHA (European Chemical Agency) beauftragt.
Der Verordnung unterliegen alle Stoffe, die hergestellt oder importiert werden – unabhängig davon, ob sie als gefährlich eingestuft sind oder nicht. Auch Gemische und Legierungen sind betroffen. Je nach Stoff gelten unterschiedliche Regelungen: Einige Stoffe müssen angemeldet oder aufwändig registriert werden. Auch der Begriff “Erzeugnis” wird in der REACH-Verordnung verwendet: Ein Erzeugnis ist laut Definition der Verordnung ein Gegenstand, der bei der Herstellung eine spezifische Form, Oberfläche oder Gestalt enthält, die in größerem Maße als die chemische Zusammensetzung seine Funktion bestimmt (Bender 2020).
Für den Instrumentenbau sind Stoffe, Gemische und auch Erzeugnisse wichtig. Blei wird für die Herstellung von Orgelpfeifen verwendet. Metallblasinstrumente basieren auf einer Legierung aus Kupfer und Zink, die Anteile schwanken je nach Instrumenten. Auch Chrom wird verwendet. Metallblasinstrumente werden je nach gewünschtem Klang entweder in Rohmessing hergestellt oder zusätzlich mit Lack (Zelluloselack oder Epoxidlack) beschichtet oder versilbert. Das Mundstück von Metallblasinstrumenten wird in der Regel aus versilbertem Messing hergestellt. Bei Allergien kann das Mundstück auch vergoldet sein (bzw. aus Buchsbaum oder aus Kunststoff gefertigt werden). Legierungen aus Blei, Chrom und Nickel werden unter anderem beim Bau von Posaunen, Trompeten oder Flügelhörnern genutzt. Nickel als häufiges Allergen und Auslöser für Kontaktdermatitis kommt beispielsweise in Streichinstrumenten (Geigen, Celli und Gitarren), Blasinstrumenten und Metallblasinstrumente (Trompeten) vor. Auch Neusilber ist eine Legierung auf Nickelbasis, die häufig im Instrumentenbau verwendet wird Crépy 2015: 376f.). Der Deutsche Musikrat verweist darauf, dass Blei im Instrumentenbau bisher alternativlos sei (Deutscher Musikrat 2022) .
Aktuell werden die Pläne der ECHA diskutiert, Blei in den REACH-Anhang IV aufzunehmen. Die Entscheidung wird voraussichtlich im Jahr 2023 fallen. Sollte dieser Vorschlag angenommen werden, ohne dass eine Ausnahmeregelung für Musikinstrumente vereinbart wird, könnten erhebliche Preissteigerungen für Orgelpfeifen und Blechblasinstrumente die Folge sein. (Schweizer Musikzeitung 2022, Deutscher Musikrat 2022)
Unbestritten ist, dass Blei bei Kindern die Gesundheit schädigen kann, wenn die Erzeugnisse in den Mund genommen werden. Dies gilt auch für Musikinstrumente. Demgegenüber steht, dass es bei den traditionellen Herstellungsweisen offenbar keine geeigneten Alternativen zu Blei gibt und die nachteiligen sozioökonomischen Auswirkungen für Handwerksbetriebe hier sein könnten.
Als Beispiel für Legierungen mit REACH-Bezug im Instrumentenbau ist Neusilber eine Kupferlegierung mit Nickel und oft Zink. Die übliche Zusammensetzung ist 60 % Kupfer, 20 % Nickel und 20 % Zink. Nickel beispielsweise ist ein Stoff, der als Auslöser von Hautreaktionen bei Musikern bekannt ist. (Crépy 2015)
Das Verbinden von Metallen durch Löten ist durch den Einsatz von Lot mit Metallen, unter Nutzung von Chemikalien als Flussmittel und die Wärmezufuhr beim Löten eventuell umweltrelevant. Mit Bezug zu REACH geht es um den Verzicht auf Blei und um Ressourcenschonung durch die Verwendung von Recycling-Lot. Durch die Verwendung nicht nur von bleifreien, sondern auch niedrigschmelzenden Lötmitteln kann Lötwärme und damit Energie eingespart werden. Bei Flussmitteln sollte auf Lösungsmittel wie Alkohol verzichtet werden. Ethylalkohol gilt als Gefahrstoff (auch wenn relevanter Inhalt vieler Getränke ist), weil es eine entzündbare Flüssigkeit mit einem niedrigen Siedepunkt ist. Zudem reizt er Augen und Atemwege, wenn er beim Löten ohne gute Absaugung verdampft. Auf dem Markt sind Produkte erhältlich, die auf Wasser basieren (Kopp 2017).
Die Produzenten von Musikinstrumenten fordern Ausnahmeregelungen, weil es derzeit noch an Alternativen für diese Stoffe mangele. Forschungsprojekte wie “Entwicklung neuer Alternativlegierungen für Musikinstrumente“ der TU Bergakademie Freiberg und des Instituts für Musikinstrumentenbau e.V. (IfM) haben sich der Thematik angenommen und versuchen der Herausforderungen des Instrumentenbaus, traditionelle Instrumente zu bauen und gleichzeitig die Gesundheit der Menschen zu schützen, zu begegnen (www.imatech-musik.de).
Quellenverzeichnis
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
Bender, Herbert F. (2020): Gefahrstoffe. Das Praxishandbuch für das Umgangs- und Umweltrecht. Wiesbaden.
Crépy, Marie-Noelle (2015): Skin diseases in musicians. In: European journal of dermatology 5 ( 375-83). Online: www.jle.com/fr/revues/ejd/e-docs/skin_diseases_in_musicians_304468/article.phtml
Deutsches Lackinstitut (o. J. a): Lacke geben vielen Instrumenten eine besondere Note. Online: www.lacke-und-farben.de/magazin/hintergrundwissen/lacke-geben-vielen-instrumenten-eine-besondere-note
Deutsches Lackinstitut (o. J. b): Lösemittelminderung als Zukunftsaufgabe. Online: www.lacke-und-farben.de/fileadmin/templates/img/pdf/DLI_Dokument_10.pdf
Europäische Kommission (2020): Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit – Für eine schadstofffreie Umwelt. Online: www.vci.de/themen/chemikaliensicherheit/eu-chemikalienstrategie/eu-chemikalienstrategie-fuer-nachhaltigkeit-vci-position.jsp
Gasenzer, Elena Romana; Neugebauer, E. (2013): Zur besonderen Problematik von Kontaktallergien bei Instrumentalisten. Stuttgart. Online: www.thieme-connect.de/products/ejournals/html/10.1055/s-0032-1326289
Deutscher Musikrat e.V. (2022): Instrumentenbau ist Kulturgut: Deutscher Musikrat fordert Ausnahmeregelung bei geplanter Regierungspflicht von Bleich durch die ECHA. Pressemitteilung (27.09.2022). Online: www.musikrat.de/fileadmin/user_upload/DMR_PM_Instrumentenbau_ist_Kulturgut_%E2%80%93_Deutscher_Musikrat_fordert_Ausnahmeregelung_bei_geplantem_Verbot_von_Blei_durch_die_ECHA.pdf
DGUV (2019): Holzstaub. DGUV Information 209-044. Online: https://publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/article/496
Hausen, B. M.; Herrmann, B. (1990): Die Bogenmacherkrankheit. Eine Berufskrankheit in der Streichbogenfabrikation. Eine Berufskrankheit in der Streichbogenfabrikation. In: Deutsche medizinische Wochenschrift 5 ( 169–173).
ECHA Europäische Chemikalienagentur (2022): Dechlorane Plus. Second draft risk management evaluation.Online: https://echa.europa.eu/documents/10162/8008808/Dechlorane+Plus_draft_risk_management_evaluation_23+May+2022_24356_en.pdf/2dbe6acf-c179-242f-ce7d-9a6cc95eed2f
EU (2006): Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlamentes und des Rates zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH). In: Amtsblatt der Europäischen Union, 2006, 49 (L 396). Online: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32006R1907
EU (2015): VERORDNUNG (EU) 2015/628 DER KOMMISSION vom 22. April 2015 zur Änderung von Anhang XVII der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) hinsichtlich Blei und seiner Verbindungen. In: Amtsblatt der Europäischen Union, 2015, 58 (L 104) Online: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32015R0628
imatech-musik.de (o.J.): Alternativledierungen. Online: www.imatech-musik.de/projekt-alternativlegierungen
Kopp, Nils (2017): Umweltschonender Einsatz von Lotprodukten. Online: https://epp.industrie.de/technik/umweltschonender-einsatz-von-lotprodukten/
NN (2017): EAA – die Saxofonlunge. Bläser aufgepasst: Schimmelpilze in Blasinstrumenten sind lebensgefährlich. Online: www.musikmachen.de/blog/blaeser-aufgepasst-schimmelpilze-in-blasinstrumenten-sind-lebensgefaehrlich
NN (2002): Registrierungspflicht für Blei? In: Schweizer Musikzeitung. Online: www.musikzeitung.ch/politik/2022/09/registrierungspflicht-fuer-blei
Uter, W.; Gefeller, O.; Mahler, V.; Geier, J. (2020): Trends and current spectrum of contact allergy in Central Europe: results of the Information Network of Departments of Dermatology (IVDK) 2007-2018. In: The British journal of dermatology (5).
UBA Umweltbundesamt (2017): Hexabromcyclododecan (HBCD). Antworten auf häufig gestellte Fragen (Hintergrund). Online: www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/421/publikationen/faq_hbcd_de_17.pdf
UBA Umweltbundesamt (2018): REACH-Kandidatenliste erweitert, Änderung für Bisphenol A. Online: www.umweltbundesamt.de/themen/reach-kandidatenliste-erweitert-aenderung-fuer
SDG 4 Hochwertige Bildung
“Inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten lebenslangen Lernens
für alle fördern”
Das SDG zielt primär auf die globale Entwicklung von guten Bildungssystemen ab. Im Berufsbildungssystem ist Deutschland weltweit führend – trotz einiger Defizite wie Personalausstattung, Digitalisierung oder knappe Investitionsbudgets – viele Länder versuchen ein ähnliches Berufsbildungssystem wie in Deutschland aufzubauen. Insofern ist vor allem das Unterziel 4.7 relevant:
- Bis 2030 sicherstellen, dass alle Lernenden die notwendigen Kenntnisse und Qualifikationen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung erwerben, unter anderem durch Bildung für nachhaltige Entwicklung und nachhaltige Lebensweisen, Menschenrechte, Geschlechtergleichstellung, eine Kultur des Friedens und der Gewaltlosigkeit, Weltbürgerschaft und die Wertschätzung kultureller Vielfalt und des Beitrags der Kultur zu nachhaltiger Entwicklung
Das SDG 4 spiegelt sich in der fachlichen Unterrichtung der Stichpunkte der anderen SDG wieder, mündet aber in den Positionen e und f der neuen Standardberufsbildposition (BMBF 2022):
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
10 “Goldene Handlungsregeln” für eine BBNE
Die Nachhaltigkeitsforschung und die Bildungswissenschaften haben inzwischen umfassende Erkenntnisse gesammelt, wie eine berufliche Bildung für Nachhaltigkeit gefördert werden kann (vgl. u. a. vgl. Schütt-Sayed u.a. 2021; Kastrup u. a. 2012; Melzig u. a. 2021). Das Ergebnis sind die folgenden 10 didaktischen Handlungsregeln, die das Berufsbildungspersonal dabei unterstützen, Lehr-/Lernprozesse zielgruppengerecht und angemessen zu gestalten. Diese insgesamt 10 Handlungsregeln lassen sich in vier Schritten zuordnen.
Schritt 1 – Richtig anfangen:
Identifizierung von Anknüpfungspunkten für BBNE
1) Ansatzpunkte: Fordern Sie die Verantwortung im eigenen Wirkungsraum heraus, ohne die Berufsschüler und Berufsschülerinnen mit „Megaproblemen“ zu überfordern!
2) Anknüpfungspunkte: Die Curricula sind Grundlage der Lehr-/Lernprozesse – es kommt darauf an, sie im Sinne der Nachhaltigkeit neu zu interpretieren!
3) Operationalisierung: Nachhaltigkeit ist kein „Extra- Thema“, sondern ein integraler Bestandteil des beruflichen Handelns!
Um nachhaltigkeitsorientierte Lehr-/Lernarrangements zu entwickeln, sind zunächst Anknüpfungspunkte für Nachhaltigkeit in den betrieblichen Abläufen zu identifizieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Ausbildungsordnungen und Lehrpläne die rechtliche Grundlage der beruflichen Bildung sind. Es gilt diese im Sinne der Nachhaltigkeit zu interpretieren, sofern nicht bereits konkrete Nachhaltigkeitsbezüge enthalten sind.
Wichtig ist dabei, dass Auszubildende nicht mit den „Megaproblemen“ unserer Zeit überfordert werden, sondern zur Verantwortung im eigenen Wirkungsraum herausgefordert werden – sowohl im Betrieb als auch im Privaten. Denn Auszubildende sind selbst Konsument/-innen, die durch eine angeleitete Reflexion des eigenen Konsumverhaltens die Gelegenheit erhalten, ihre „Wirkungsmacht“ im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit in ihrer eigenen Branche zu verstehen.
Schritt 2 – Selbstwirksamkeit schaffen:
Eröffnung von Nachhaltigkeitsorientierten Perspektiven
4) Handlungsfolgen: Berufliches Handeln ist nie folgenlos: Machen Sie weitreichende und langfristige Wirkungen erkennbar!
5) Selbstwirksamkeit: Bleiben Sie nicht beim „business as usual“, sondern unterstützen Sie Schüler*innen dabei, Alternativen und Innovationen zu entdecken!
6) Zielkonflikte: Verstecken Sie Widersprüche nicht hinter vermeintlich einfachen Lösungen, sondern nutzen Sie sie als Lern- und Entwicklungschancen!!
7) Kompetenzen: Bildung für nachhaltige Entwicklung verbindet Wahrnehmen, Wissen, Werten und Wirken!
Im nächsten Schritt sind nachhaltigkeitsorientierte berufliche Perspektiven für die Auszubildenden zu eröffnen. Diese sollten an einer positiven Zukunftsvision und an Lösungen orientiert sein. Auszubildenden sind dabei die weitreichenden Wirkungen ihres Handelns vor Augen zu führen. Sie sollen verstehen können, warum ihr Handeln nicht folgenlos ist. Das bedeutet gleichzeitig, Auszubildenden die positiven Folgen eines nachhaltigen Handelns vor Augen zu führen. In diesem Zusammenhang ist die Selbstwirksamkeitserfahrung von großer Bedeutung. Sie ist eine der Voraussetzungen, um motiviert zu handeln. Auszubildende dabei zu unterstützen, Alternativen zum nicht-nachhaltigen Handeln zu erkennen und Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung zu entdecken, sollte dabei für Lehrpersonen selbstverständlich sein. Dabei ist immer die individuelle Motivation der Auszubildenden entscheidend, denn zum nachhaltigen Handeln braucht es nicht nur Wissen (Kopf), sondern auch authentisches Wollen (Herz). Wesentlich ist hierbei die Gestaltung ganzheitlicher Lernprozesse, die sowohl den kognitiven als auch den affektiven und psychomotorischen Bereich einbeziehen (vgl. Költze, S.206).
Schritt 3 – Ganzheitlichkeit:
Gestaltung transformativer Lernprozesse
8) Lebendigkeit: Ermöglichen Sie lebendiges Lernen mit kreativen und erfahrungsbasierten Methoden!
9) Beispiele: Nutzen Sie motivierende Beispiele: Sprechen Sie über Erfolgsgeschichten, positive Zukunftsvisionen und inspirierende Vorbilder!
Aber wie können Lernsituationen in der Praxis so gestaltet werden, dass sie ganzheitlich aktivierend für die Auszubildenden sind? Es sollte ein lebendiges Lernen mit Hilfe kreativer, erfahrungsbasierter Methoden ermöglicht werden. Dies ist ein grundlegender (kein neuer) didaktischer Ansatz für die Förderung einer nachhaltigkeitsorientierten Handlungskompetenz. Im Kern bedeutet dies: Lernen mit Lebensweltbezug, welches ausgerichtet ist auf individuelle Lebensentwürfe und das eigene (auch künftige) berufliche Handlungsfeld, z. B. indem Recherchen im eigenen Unternehmen zu Möglichkeiten der Energieeinsparung durchgeführt werden. Lernen soll vor diesem Hintergrund vor allem unter Berücksichtigung der Sinne stattfinden, d. h. mit Körper und Geist erfahrbar sowie sinnlich-stimulierend sein. Die Auszubildenden sollen sich dabei zudem als Teil einer gestalterischen Erfahrungsgemeinschaft erleben. Dies kann durch gemeinsame Reflexionen über das eigene Verhalten und persönliche Erfahrungen gefördert werden, beispielsweise durch die Entwicklung und Verkostung eigener Lebensmittelkreationen unter Nachhaltigkeitsaspekten. Hierfür muss unbestritten immer auch der „Raum“ zur Verfügung stehen (siehe z.B. Hantke 2018 „‘Resonanzräume des Subpolitischen‘ als wirtschaftsdidaktische Antwort auf ökonomisierte (wirtschafts-)betriebliche Lebenssituationen“). Ebenso können motivierende Beispiele helfen – wie z. B. Erfolgsgeschichten und inspirierende Vorbilder.
Schritt 4 – Lernort Betrieb:
Entwicklung nachhaltiger Lernorte
10) Lernende Organisationen: Auch Organisationen können „Nachhaltigkeit lernen“: Entwickeln Sie Ihre Institution Schritt für Schritt zum nachhaltigen Lernort!
Schließlich geht es im vierten Schritt darum, den Lernort in den Blick zu nehmen und diesen als nachhaltigen Lernort zu gestalten. Den gesamten Betrieb nachhaltig auszurichten ist u. a. deshalb entscheidend, da andernfalls die an Nachhaltigkeit orientierten Inhalte der Ausbildung wenig glaubwürdig für Auszubildende sind. Der Betrieb als Institution sollte dafür an einem gemeinschaftlichen Leitbild ausgerichtet sein, welches neben den üblichen ökonomischen auch soziale und ökologische Ziele beinhaltet. So kann BBNE überzeugend in die Organisation integriert und vom betrieblichen Ausbildungspersonal umgesetzt werden.
BBNE für Systemgastronomen und Systemgastronominnen
Im Rahmen einer guten Unterrichtung von BBNE sollten Systemgastronomen und Systemgastronominnen einen guten Überblick über die Herausforderungen des nachhaltigen Handelns in ihrem Berufsbild erhalten. Sie sollten wissen und erklären können, wie durch ein systemgastronomisches Angebot die Nachhaltigkeit gefördert werden kann. Einerseits können sie dann mit ihren Lieferanten nachhaltige Lösungen finden, andererseits können sie nachhaltige Angebote für ihre Tischgäste entwickeln. Eine nachhaltige Ernährung muss aber auch kommuniziert werden, das Angebot muss beworben werden, denn es unterscheidet sich deutlich von der üblichen Ernährungsweise. Für dieses Werben können Systemgastronomen und Systemgastronominnen aber auch auf Entwicklungen setzen und die im (Aus)Bildungskontext behandelt bzw. zu diskutiert werden sollten:
Tischgäste haben ein hohes Umweltbewusstsein. 65 Prozent der Deutschen halten den Umwelt- und Klimaschutz für ein sehr wichtiges Thema – trotz Corona (UBA 2022). Besonders der Klimaschutz bleibt während der Pandemie für 70 Prozent weiterhin genauso wichtig, für 16 Prozent ist er sogar wichtiger geworden. Gut drei Viertel der Befragten sehen ausschließlich (14 Prozent) oder vor allem (63 Prozent) menschliches Handeln als Ursache für den Klimawandel an.
Aber der Zusammenhang zwischen Ernährung und Klimaschutz ist nur einem kleineren Kreis bekannt und deshalb werden auch die falschen Schwerpunkte genannt und entsprechend gehandelt. Nach Kearny (2019) wollen 56% der Deutschen Plastiktüten nicht mehr nutzen – dies bringt eine CO2-Reduktion von 3 kg pro Kopf. Aber nur 13% wollen auf Fleischgerichte verzichten – dies würde aber eine Reduktion von 450 kg CO2 pro Kopf bedeuten.
Auch bei den Aspekten Bio-Landbau und Tierwohl gibt es ein klares Bekenntnis der Bevölkerung (UBA 2022): Ganz vorne rangieren die Maßnahmen wie „Reduktion des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln und Pestiziden“ (93 Prozent), „Einführung eines einheitlichen Tierwohl-Gütesiegels“ (92 Prozent) und „stärkere Förderung des Ausbaus der ökologischen Landwirtschaft“ (92 Prozent).
Diese Wünsche werden überlagert, da das wichtigste Mittel zur Minderung der THG-Emissionen nur eine deutlich geringe Zustimmung findet (UBA 2022): Die vergleichsweise geringste Zustimmung gab es zur Maßnahme „das Angebot an vegetarischen und veganen Speisen in Kantinen und Restaurants verbessern“ (63 Prozent).
Das Umweltbewusstsein ist deutlich stärker ausgeprägt als das Gesundheitsbewusstsein. Die Zahlen in Bezug auf die Zivilisationskrankheiten (s. Kap. SDG 2/3: Kein Hunger sowie Gesundheit und Wohlergehen) sprechen für sich. Nach Pawlik/Statista (2022) isst etwas mehr als ein Viertel der Deutschen gesundheitsbewusst (ca. 21 Mio. Bürger ab 14 Jahren).
Bio-Produkte werden geschätzt, sind aber teurer als konventionelle Agrarprodukte. Außerdem tragen sie nur zu einem geringen Anteil zum Klimaschutz bei, da aufgrund des Verzichts von chemischen Pflanzenschutz die Erträge geringer sind (vgl. Scharp 2019). Der wichtigste Beitrag des Bio-Anbaus liegt in dem Schutz der Biodiversität.
Das Tierwohl ist in unseren Moralvorstellungen begründet. So wie die Sorge um unsere Familie und unsere Mitmenschen wollen wir einfach nicht, dass ein Lebewesen leidet. Dies ist eine zutiefst menschliche Eigenschaft. Aber durch die Arbeitsteilung haben wir keinen unmittelbaren Zugang zu den Praktiken der Landwirte und der Verarbeitungsindustrie. Nur durch die Presse erfahren wir von den unhaltbaren Zuständen (vgl. ARD 2022).
Saisonal-regionale Ernährung ist derzeit ein “Trending Topic”. Für Systemgastronom:innen ist dies aber keine einfache Küche, da sie eher eine Frischeküche ist und nur einige Gemüsesorten gut maschinell bearbeitbar sind. Zudem ist das saisonale Angebot von regionalem Obst und Gemüse aufgrund der Wachstumsperioden eingeschränkt.
Die Herausforderungen der Systemgastronom:innen liegen also nicht nur darin, ihr Speisenangebot nachhaltig, attraktiv und kostengünstig zu gestalten, sondern auch die Tischgäste so zu beraten, dass sie dieses Angebot auch annehmen.
Quellenverzeichnis
ARD (2020): Ungenießbar. Online: https://programm.ard.de/TV/Themenschwerpunkte/Dokus–Reportagen/Alle-Dokumentationen/Startseite/?sendung=287252703317494
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
Kastrup, Julia; Kuhlmeyer, Werner; Nölle-Krug, Marie (2022): Aus- und Weiterbildung des betrieblichen Bildungspersonals zur Verankerung einer Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. In: MICHAELIS, Christian; BERDING, Florian (Hrsg.): Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Umsetzungsbarrieren und interdisziplinäre Forschungsfragen. Bielefeld 2022, S. 173-189
Kearney (2019): Was hilft wirklich – Persönliche Klimaschutzmaßnahmen und ihre Wirkung. Repräsentative Befragung von erwachsenen Deutschen. Online: www.de.kearney.com/documents/1117166/5477168/CO2+Aufklärung.pdf/d5fba425-3aec-6a4e-fb2d-9b537c7dd20b?t=1583241728000
Költze, Horst (1993): Lehrerbildung im Wandel. Vom technokratischen zum humanen Ausbildungskonzept. In Cohn, Ruth C.; Terfurth, Christina (Hrsg.): Lebendiges Lehren und Lernen. TZI macht Schule. Klett-Cotta. S. 192 – 212
Handke, Harald (2018): „Resonanzräume des Subpolitischen“ als wirtschaftsdidaktische Antwort auf ökonomisierte (wirtschafts-)betriebliche Lebenssituationen – eine Forschungsheuristik vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeitsidee. In bwp@Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online (Nr. 35), 2018, S. 1-23.
Melzig, Christian; Kuhlmeyer, Werner; Kretschmer, Susanne (Hrsg. 2021): Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Die Modellversuche 2015–2019 auf dem Weg vom Projekt zur Struktur. Bonn 2021. Online: https://www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/show/16974
Scharp, Michael (Hrsg. 2019): Das KEEKS-Projekt – Eine klimafreundliche Schulküche. Online: www.keeks-projekt.de (Materialien: https://elearning.izt.de/course/view.php?id=118)
Schütt-Sayed, Sören; Casper, Marc; Vollmer, Thomas (2021): Mitgestaltung lernbar machen – Didaktik der Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. In: Melzig, Christian; Kuhlmeier, Werner; Kretschmer, Susanne (Hrsg.): Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Die Modellversuche 2015–2019 auf dem Weg vom Projekt zur Struktur. S. 200-227. Online: https://www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/show/16974
Statista; Pawlik, V. (2022): Interesse der Bevölkerung in Deutschland an gesunder Ernährung und gesunder Lebensweise von 2018 bis 2022. Online; https://de.statista.com/statistik/daten/studie/170913/umfrage/interesse-an-gesunder-ernaehrung-und-lebensweise/
UBA Umweltbundesamt (2022): Umweltbewusstsein in Deutschland. Online: https://www.umweltbundesamt.de/themen/nachhaltigkeit-strategien-internationales/umweltbewusstsein-in-deutschland
SDG 7 Bezahlbare und saubere Energie
“Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und moderner Energie für alle sichern”
Das SDG 7 “Bezahlbare und saubere Energie” beinhaltet soziale und ökologische Anforderungen an den Klimaschutz. Für die Systemgastronomie sind vor allem zwei Unterziele wichtig (Destatis o.J.):
7.2 Bis 2030 die weltweite Steigerungsrate der Energieeffizienz verdoppeln
7.3 Bis 2030 den Anteil erneuerbarer Energie am globalen Energiemix deutlich erhöhen
Im wesentlichen geht es um im SDG 7 um einen Umbau des bisherigen Energiesystems hin zu mehr Erneuerbare Energien und eine Verbesserung der Effizienz der Energienutzung, da ökologische und das Klima schützende Anforderungen schon durch andere SDGs (insbesondere 13, 14 und 15) abgedeckt werden.
“Saubere Energie”, wie dies in SDG 7 genannt wird, bedeutet heute für den Klimaschutz grundsätzlich der Umstieg auf erneuerbare Energien (EE) sowie eine höhere Energieeffizienz. Weitere Probleme der Energieerzeugung mit der Nachhaltigkeit betreffen
- Umweltschutz und Arbeitsbedingungen bei der Rohstoffgewinnung
- Ökologische und Gesundheitsfolgen der Energienutzung, insbesondere bei der Verbrennung
- Flächenkonkurrenzen bei dem Anbau von Energiepflanzen (Mais, Zuckerrohr u.a.)
Die Schnittmenge für das SDG 7 ergibt sich aus den Nummern a und b der Standardberufsbildposition (BMBF 2022):
- Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
- bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
Energiesparen in Werkstatt und Büro
Der Bau von Musikinstrumenten aus Holz ist nicht energieaufwändig. Trotzdem gehören die unten beschriebenen Kenntnisse zur Erzeugung und Nutzung von Energie zum Grundwissen in jede Ausbildung. Beim Musikinstrumentenbau werden nur Säge- und Schleifarbeiten, mechanische Bearbeitungen der Hölzer sowie Lackierarbeiten durchgeführt. Keine dieser Tätigkeiten ist im Vergleich zu anderen Energienutzungen energieintensiv. Allerdings ist eine konstante Temperatur und Luftfeuchtigkeit (60%, vgl. Milimari 2020) in der Werkstatt wichtig. Deshalb hat der Energieverbrauch für Heizen und eventuell Kühlen im Sommer die größte Bedeutung in den Werkstätten und Büroräumen. Geht man von einem höheren Verbrauch von 130 kWh/m2 Gas (13 m3 pro Quadratmeter, gerundet) aus, so würden 100 qm Werkstatträume und Büro einen Energieverbrauch von 13.000 kWh haben. Werden diese mit Gas beheizt, entspricht dies Emissionen von ca. 2.626 kg CO2-Äq (Annahme: 202 g CO2-Äq/kWh, Verbraucherzentrale 2022). Zum Vergleich:
- Ein E-Fahrzeug könnte bei einem Verbrauch von 13.000 kWh mit dieser Energie ca. 93.000 km fahren (Hyundai Kona, eigenes Fahrzeug, Verbrauch 14 kWh/100 km)
- 13.000 kWh ist ungefähr die Energie, die in 1.300 l Dieselkraftstoff enthalten ist. Hiermit könnte ein kleiner Transporter wie der Mercedes Sprinter (ca. 12 l/100 km, innerorts vgl. ADAC o.J.), könnte hiermit ca. 10.800 km fahren.
- Wenn in der Werkstatt täglich einige Elektrowerkzeuge mit einer Leistung von 1.000 Watt (Stichsäge, E-Fuchsschwanz, Bohrmaschine, Bandschleifer etc.) für insgesamt 3 Stunden an 225 Tagen genutzt werden, entspricht dies einem Stromverbrauch von 675 kWh. Der Heizenergieverbrauch liegt also in diesem Beispiel fast beim 20-fachen.
Häufig unter- bzw. überschätzt wird die Mobilität rund um die Geschäftstätigkeit. Die Hölzer für die Korpusse – Ahorn und Fichte – können national oder aus europäischen Ländern bezogen werden, der Transport erfolgt per LKW. Pernambukholz stammt aus Brasilien und wird per Schiff transportiert. Ein Schiff hat Emissionen von 17 g CO2 pro Tonnenkilometer, ein LKW (22 bis 40 t) hat rund 68 g/tkm (UBA 2019). Ein Kleintransporter als Lieferfahrzeug emittiert rund 300 g CO2/km (12 l Diesel/100 km Emissionsfaktor 2,65 kg CO2/l, Nutzlast 1,5 t, voll beladen, 212 g CO2/tkm, Allianz o.J.).
- Annahme: Schiffstransport 8.000 km, LKW: 400 km, Auslieferung: 20 km
Masse: 200 g - Schiffstransport: 17 g CO2/tkm *8.000 km * 0,0002 t = 27 g CO2
- LKW-Transport: 68 g CO2/tkm *400 km * 0,0002 t = 5,4 g CO2
- Auslieferungsfahrer mit 5 Zielen (Kunden*innen), Fahrt insgesamt 50 km:
300 g CO2/tkm *50 km / 5 = 3.000 g CO2
Mit anderen Worten: Die Emissionen für Lieferverkehre oder Fahrten mit dem PKW zum Kunden erzeugen deutlich mehr Emissionen als der Import von wenigen Kilogramm Bogenholz per Schiff oder von Korpus-Holz mit LKW bzw. Schiff aus den skandinavischen Ländern.
Musikinstrumentenbauer und -bauerinnen haben jedoch beim Stromverbrauch zwei Möglichkeiten, diesen nachhaltig zu gestalten:
- Die erste Möglichkeit ist die Verwendung von LED-Leuchtröhren für die Beleuchtung. Die üblichen Leuchtstoffröhren haben eine Leistung von 30 Watt (90 cm, sparhelferchen o.J.). LED-Röhren verbrauchen fast 50% weniger mit nur 17 Watt. Wenn 10 Leuchtsstoff-Doppelleuchten in Büro, Werkstatt und Lagerräume im Mittel 5 Stunden pro Tag brennen, ergibt dies einen Stromverbrauch von ca. 675 kWh/a (20 Lampen, 225 Tage). Werden diese gegen LED-Röhren ausgetauscht, so wären nur 380 kWh/a.
- Die zweite Möglichkeit ist die Installation einer eigenen PV-Anlage auf dem Dach des Gebäudes. Mit einer 50 qm PV-Anlage (10 kWp) können im Mittel in Deutschland rund 4.000 kWh Strom erzeugt werden. Durch einen Batteriespeicher kann auch in den Nachtstunden Strom bereitgestellt werden. Nimmt man an, dass der Werkstattverbrauch bei 1.000 kWh/a liegt, die Beleuchtung bei 400 kWh/a, die IT im Büro ebenfalls bei 400 kWh (Computer, Drucker, Kopierer, Telefonanlage, Router etc.) sowie weitere Verbraucher (Kühlschrank 150 kWh/a, Kaffeemaschine 350 kWh vgl. Chip o.J.), so kommt man auf einen Stromverbrauch von 2.300 kWh/a. Mit den restlichen 1.700 kWh könnte dann ein E-Fahrzeug (z.B. Hyundai Kona, 14 kWh/100 km) ca. 12.000 km im Jahr fahren.
Energiesparen in Werkstatt und Büro bedeutet deshalb für die Instrumentenbauer:
- eine gute Isolierung des Gebäudes,
- eine effiziente Heizung (am Besten eine Wärmepumpe),
- eine PV-Anlage auf dem Dach mit Batteriespeicher für die Eigenstromerzeugung sowie
- E-Fahrzeuge (PKW und Transporter).
Im Folgenden werden die Themen vertieft ausgeführt.
Erneuerbare Energien
Die einfachste Maßnahme zum Umstieg auf erneuerbare Energien ist der Bezug von Ökostrom. Die Produktion erfolgt dabei in der Regel aus Wind, Sonne, Biomasse und Wasserkraft. Im ersten Halbjahr 2022 lag der Anteil der Erneuerbaren bei 51,6%. Da die Stromproduktion aus verschiedenen Quellen schwankend ist, zeigt erst die Jahresendbilanz, wie die Verteilung sein wird. In 2021 stammten 23% der gesamten Stromproduktion aus Windkraft, 9,8% aus der Photovoltaik, 8,8% aus Biomasse und 4% aus Wasserkraft. Braun- und Steinkohle lieferten 20,7% des Stroms, Erdgas 10,5% und die Kernenergie gut 13,3% (Stromreport 2022).
Wichtig sind hinsichtlich des Ziel “bezahlbarer Energie” vor allem die Kosten von Strom und Wärme. Die Stromgestehungskosten waren in 2021 wie folgt (ISE 2021, gerundet): Dachkleinanlagen 6-11 Cent/kWh, große Dachanlagen 5-10 Cent/kWh, Freiflächenanlagen 3-6 Cent/kWh. Die Stromgestehungskosten fossiler Stromerzeugung lagen in 2021 zwischen 8-13 Cent/kWh für Gas- und Dampfkraftwerke, zwischen 11-28 Cent/kWh bei Gaskraftwerken, 10-15 Cent/kWh Braunkohlekraftwerke sowie 11-20 Cent/kWh bei Steinkohlekraftwerken. Für Kernkraft, mit Rückbau und Endlagerung werden die Stromgestehungskosten auf 50 bis 100 Cent/kWh geschätzt (Siemens-Stiftung 2015). Die konkreten Stromgestehungskosten sind von einer Reihe von Faktoren abhängig. Dazu zählen der Standort (z.B. Entfernung zwischen Kraftwerk und Abbaugebiet), Größe und Alter der Anlagen, Subventionen, Wartung, Abschreibungen sowie die verbaute Erzeugungstechnologien.
Im Folgenden wird eine Übersicht über die wichtigsten Technologien zur Nutzung der Erneuerbaren Energien gegeben:
- Solarenergie: Solarenergie mit Hilfe von Photovoltaik ist mit gut 21% der EE-Stromproduktion (Stromreport 2022) seit 2007 stark ausgebaut worden und damit die jüngste breit genutzte erneuerbare Stromquelle (vgl. die Graphik auf Wikimedia 2020). Ab 2013 stagnierte der Zuwachs von Solarenergie, weil die Konditionen der Einspeisung verschlechtert wurden. Insbesondere die Energiekrise im Zuge des Ukraine Krieges zeigt, dass der Ausbau jetzt stark beschleunigt werden muss.
- Solarthermie: Es stehen jährlich 1.050 KWh/m2 Solarstrahlung für die Umwandlung von Sonnenenergie in Wärme zur freien Verfügung. Hiermit lassen sich Strom sowie Wärme für Heizung und Warmwasser erzeugen. In Deutschland wird Solarthermie dennoch nur in weniger als 10% (co2online 2021) der Heizanlagen für Häuser und Wohnungen genutzt.
- Windenergie: 50 % des EE-Stromes in Deutschland wurden 2021 aus Windenergie erzeugt (Stromreport 2022). Der Ausbau hat wesentlich in den Jahren von 2000 bis 2017 stattgefunden. Seitdem ist der Zuwachs geringer, weil sich lokal viele Menschen gegen Windkraftanlagen wehren. Seit Ausbruch des Ukraine-Krieges und dem damit verbundenen Gaslieferstopp Rußlands, sowie seit den deutlichen Auswirkungen der Klimakrise (Waldbrände, Flut), werden wieder höhere Ausbauziele der Windenergie genannt.
- Wärmeerzeugung: Zur Wärmeerzeugung können Bioenergie (insbesondere Festbrennstoffe wie Holz) sowie die Umgebungs- bzw. bodennahe Erdwärme eingesetzt werden. Wie bei der Stromerzeugung aus Wasserkraft gibt es für die Verbrennung von Biomasse kein Wachstumspotenzial mehr, sondern muss auf “ein naturverträgliches Maß begrenzt” werden (UBA 2021b). Im Gegensatz dazu setzt die Bundesregierung auf den Ausbau der Nutzung von Umgebungswärme, wozu auch die bodennahe Erdwärme gehört (Tagesschau 2022).
Photovoltaik
Photovoltaik ist die Umwandlung von Sonnenlicht in Strom. Dies geschieht mit Hilfe von PV-Modulen, in denen die Solarstrahlung Strom erzeugt. Der Strom wird über Leitungen zu einem Wechselrichter geführt, der den Gleichstrom aus den PV-Modulen in Wechselstrom umwandelt. Die Kosten der PV-Technologie sind bei höherer Leistung – trotz Preissteigerungen aufgrund des Krieges – deutlich günstiger als vor 20 Jahren. Für den Betrieb von Photovoltaik-Anlagen gibt es drei Betriebsmodelle:
- Dachverpachtung: Die einfachste Möglichkeit, von einem geeigneten Dach zu profitieren, ist die Verpachtung der Dachfläche an Dritte. Diese sind dann Betreiber der Anlage. Stadtwerke, Energieversorgungsunternehmen und Projektentwickler bieten bereits „schlüsselfertige“ Dachpachtlösungen an. Dabei baut der Betreiber auf seine Kosten die Anlage, bewirtschaftet sie und übernimmt das unternehmerische Risiko.
- Eigenverbrauch mit Überschusseinspeisung: Besonders attraktiv ist die Gestaltung des Eigenverbrauchs. Der Eigentümer errichtet die Anlage auf eigene Kosten und versucht, seine Stromnutzung so zu gestalten, dass bei Sonnenschein Strom entweder verbraucht oder in Batterien gespeichert wird.
- Volleinspeisung: In diesem Fall ist der Dacheigentümer auch Betreiber der PV-Anlage. Der gesamte erzeugte Strom wird in das Netz der allgemeinen Versorgung eingespeist und der Anlagenbetreiber erhält für jede eingespeiste kWh die sog. Einspeisevergütung.
Im Folgenden werden kurz die wichtigsten Technologien zur Solarstromerzeugung vorgestellt:
- Solarzellen aus kristallinem Silizium: Solarzellen aus kristallinem Silizium werden mit über 90% am häufigsten verbaut. Als Ausgangsmaterial für ihre Herstellung dient Siliziumdioxid (SiO2), das als Quarzsand oder Quarzkristall abgebaut wird. Aus SiO2 wird in einem mehrstufigen und sehr energieaufwendigen Verfahren hochreines polykristallines Silizium (poly-Si) mit einer Reinheit von 99, 99999% hergestellt. Die Herstellung erfolgt in einem Lichtbogenofen bei Temperaturen von etwa 2.000 °C. Anschließend werden Silizium-Einkristalle (mono-Si) gezogen. Die gewonnenen Einkristalle werden in etwa 0,2 mm dicke Scheiben («Wafer») gesägt und in einer Abfolge von mehreren Prozessschritten zu Solarzellen und dann zu PV-Modulen weiterverarbeitet.
- Dünnschicht-Solarmodule: Die Module bestehen wie die obigen PV-Module ebenfalls aus elektrischen Kontakten und einem absorbierenden Material, allerdings werden auf dem Trägermaterial verschiedene Schichten von Metallen aufgetragen. Die Dicke der lichtabsorbierenden Schicht liegt in der Regel bei 1-3 µm, also etwa hundertmal weniger als bei den Solarzellen aus kristallinem Silizium. Als Trägermaterial können, je nach Technologie, Glas, Metall- oder Kunststofffolien eingesetzt werden. Als Schichtmaterialien kommen insbesondere Halbleitermaterialien wie Galiumarsenid (GaAs), Cadmiumtellurid (CdTe) oder Kupfer-Indium-Gallium-Diselenid (CIGS) zum Einsatz. Vorteile der Dünnschichtzellen sind ihr geringes Gewicht, ihre guten Erträge bei diffusem Sonnenlicht und schlechtem Wetter sowie die schnelle energetische Amortisation aufgrund des geringen Energieeinsatzes bei ihrer Herstellung.
Hauptsächlich gibt es zwei Arten für Photovoltaikanlagen:
- Aufdachmontage: Aufdach-Photovoltaikanlagen sind eine weit verbreitete Möglichkeit für Eigenheime, Unternehmen und öffentliche Gebäude um ihren eigenen Strom zu erzeugen. Vorteile sind: Das vorhandene Dach kann optimal genutzt werden; das Dach wird vor eventuellen Umwelteinwirkungen zusätzlich geschützt; aufdach-montierte Anlagen sind meist schnell und einfach sowie mit geringem Wartungsaufwand zu installieren. . Nachteile sind höhere Kosten der Montage, mögliche Probleme bei der Befestigung und Tragfähigkeit, Platzbeschränkungen durch die Dachfläche sowie der unveränderliche Winkel des Daches (der nicht immer optimal zur Nutzung der Solarstrahlung ist).
- Bodenmontage (Freiflächenmontage): Bodenmontierte Photovoltaikanlagen sind inzwischen ebenfalls weit verbreitet, werden aber vorwiegend von großen Unternehmen, professionellen Investoren bzw. Energieanbietern genutzt. Vorteile sind: Aufgrund ihrer Größe ist auch eine größer dimensionierte Stromerzeugung möglich; bodenmontierte Anlagen haben die Möglichkeit die festen Winkelbeschränkungen zu umgehen und sie haben einfache Wartungsmöglichkeiten. Nachteilig sind die Flächenbedarfe (“ganze Äcker”) und ihre optische Auffälligkeit (Landschaftsbild).
Solarwärme
Solarthermie erzeugt warmes oder heißes Wasser, zusammen mit einem Wärmespeicher kann dann insbesondere in den Sommermonaten ein erheblicher Teil des Wärmebedarfs mit Solarenergie CO2-frei bereitgestellt werden. Das Prinzip ist ganz einfach: Das Sonnenlicht erwärmt die Solarflüssigkeit (Wasser-Glykol-Gemisch) und über einen Wärmetauscher erwärmt die heiße Solarflüssigkeit Wasser. Im folgenden werden die beiden wichtigsten Kollektortypen sowie die Wärmespeicherung und die Einbindung der Solarwärme vorgestellt:
- Flachkollektoren: Bei Flachkollektoren ist der metallische Solarabsorber zwischen einer transparenten Abdeckung und einer Wärmedämmung eingefasst. Dies minimiert die Wärmeverluste des Kollektors, wodurch in Abhängigkeit der Bauart Nutztemperaturen bis 100 °C effizient bereitgestellt werden können. Das Spektrum reicht von kompakten Kollektormodulen mit ca. 2 m² bis hin zu Großflächenkollektoren mit 10 bis 12 m²
- Vakuumröhrenkollektoren: Bei Vakuumröhrenkollektoren können die Wärmeverluste durch Konvektion und Wärmeleitung deutlich reduziert und somit mehr Wärme erzeugt werden. Der sinnvolle Einsatzbereich dieser Kollektoren bei 80 bis 130 °C, der höhere Wert wird mit Spiegeln auf der Rückseite erzeugt.
- Speicherung: In der Regel ist ein Pufferspeicher zentraler Bestandteil einer solaren Prozesswärmeanlage, da das Solarangebot nicht immer mit dem Wärmebedarf der zu versorgenden Verbrauchsstellen zeitlich übereinstimmt. Zur Einbindung des Speichers gibt es mehrere Möglichkeiten: Typischerweise wird der mit einem Wasser-Glykol-Gemisch betriebene Solarkreis durch einen Wärmeübertrager vom Speicherkreis getrennt.
- Einbindung von Solarwärme: Bei der Einbindung von Solarwärme lässt sich grundsätzlich die Versorgungs- von der Prozessebene unterscheiden. Viele Industrie- oder Gewerbebetriebe haben ein zentrales Kesselhaus zur Erzeugung von Wärme und ein Rohrnetz zur Verteilung der Wärme an die Verbrauchsstellen. Je nach Nutztemperatur wird die Wärme über Dampf (140-200 °C), Heißwasser (90-160 °C) oder Warmwasser (<100 °C) verteilt und direkt oder indirekt über einen Wärmeüberträger an die Wärmesenke abgegeben.
Bioenergie
Unter Bioenergie wird die energetische Nutzung biogener Energieträger verstanden. Biogene Energieträger sind pflanzlicher oder tierischer Herkunft. Zu den typischen biogenen Energieträgern zählen Holz und Stroh sowie ihre Derivate wie Holzschnitzel- oder -pellets. Aber auch Biogas aus der Vergärung von Bioabfällen, Ernterückständen oder von tierischen Abfällen wie Mist und Gülle-Exkremente. Obwohl bei der Verbrennung von Biomasse oder Biogas Kohlendioxid freigesetzt wird, wird die Erzeugung und Nutzung von Bioenergie als klimaneutral angesehen, denn das freigesetzte CO2 wurde während des Pflanzenwachstums der Atmosphäre entzogen. Allerdings verursacht die Verbrennung von Biomasse weitere Luftschadstoffe wie NOX und insbesondere Feinstaub (Kamine im Eigenheimbereich).
Der typische Einsatz von Biogas zur Energieerzeugung erfolgt über Blockheizkraftwerke (BHKW), die sowohl Wärme als auch Strom erzeugen. Problematisch ist der Anbau von Energiepflanzen wie z.B. Mais, Raps, Futterrüben, Hanf, Chinaschilf, schnellwachsende Bäume (Pappeln, Weiden), Zuckerrohr und Algen. In der Regel erfolgt deren Anbau in schnell wachsenden Monokulturen und haben damit einen erheblichen Einfluss auf Landschaft und Boden. Zudem kann der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zum Verlust von Biodiversität, die Düngung zur Belastung des Grundwassers und der Verbrauch von Trinkwasser zur regionalen Verknappung führen (vgl. BUND o.J. sowie UBA 2021a). Des Weiteren ist der energetische Wirkungsgrad der Biomassenproduktion mit 0,5 – 1,5% (Pflanzenforschung 2020) wesentlich geringer als der von Photovoltaik , der in der Regel 15 – 22% beträgt (Eigensonne o.J.). Zudem gibt es eine Flächenkonkurrenz – anstelle von Energiepflanzen könnten auch Feldfrüchte oder Getreide angebaut werden – im Sinne des SDG 1 “Kein Hunger”.
Erd- und Umgebungswärme
Eine Möglichkeit der Wärmeerzeugung ist die Nutzung von Temperaturunterschieden zwischen Gebäuden und ihrer Umgebung oder dem Erdreich mit Wärmepumpen. Eine Wärmepumpe funktioniert wie ein Kühlschrank oder eine Klimaanlage (Tagesschau 2022). Die Pumpe entzieht der Umgebung (z.B. dem Erdreich) mit einem Kältemittel Wärme und kühlt sie dabei ab. Ein Kompressor verdichtet das Kältemittel und erhöht dabei dessen Temperatur, die dann zur Raumheizung genutzt wird. Das Kältemittel kondensiert und gibt die Wärme frei. In einem Ventil verdampft das Kühlmittel wieder, kühlt sich dabei stark ab und kann aufs Neue der Umgebung Wärme entziehen. Zum Antrieb einer Wärmepumpe wird elektrischer Strom benötigt, der allerdings aus erneuerbaren Quellen stammen sollte. Bei der Nutzung von Erdwärme wird zwischen Tiefengeothermie und oberflächennaher Geothermie unterschieden.
Die oberflächennahe Geothermie nutzt den Untergrund bis zu einer Tiefe von ca. 400 m und Temperaturen von bis zu 25 °C für das Beheizen und Kühlen von Gebäuden, technischen Anlagen oder Infrastruktureinrichtungen. Hierzu wird die Wärme oder Kühlenergie aus den oberen Erd- und Gesteinsschichten oder aus dem Grundwasser gewonnen. Als Tiefengeothermie bezeichnet man die Nutzung der Erdwärme in Tiefen zwischen 400 und 5.000 Metern. Im Vergleich zur oberflächennahen Geothermie sind dort die Temperaturen weitaus höher. Der Vorteil der Geothermie ist ihre ständige Verfügbarkeit. Die geothermische Stromerzeugung in Deutschland steht noch am Anfang und ist noch ausbaufähig.
Beleuchtung
Beleuchtung ist in allen Berufen ein Handlungsfeld, bei dem viel Energie eingespart werden kann. Der Standard für Energieeffizienz in der Beleuchtung sind LED-Lampen und LED-Röhren. In 2009 wurde die “Glühbirne” aus Initiative der EU vom Markt genommen, anstelle dessen wurde im breiten Umfange die Energiesparlampe bzw. Leuchtstofflampe (Fachbegriff:Kompaktleuchtstofflampen) verwendet, die bei gleiche Lichtstärke wie eine 75 Watt Glühbirne nur rund 10 Watt verbrauchte. Die technische Entwicklung ging jedoch weiter hin zu LED-Lampen, die wiederum im Vergleich zur Glühbirne rund 70% bis 90% der Energie einsparen (enterga o.J., energieexperten o.J.). In Haushalten und kleinen Gewerbebetrieben ohne eigene Produktion fallen rund 10% des Stromverbrauchs für die Beleuchtung an – dies sind zwischen 350 und 600 kWh/a.
Die Bedeutung des technischen Wandel weg von der Glühbirne (und auch der Halogenbirne) hin zu LED-Technik lässt sich im Rückblick zeigen. In 2003 wurden ca. 71 TWh/a (Terawattstunden pro Jahr) Strom für die Beleuchtung verwendet. Dies waren 71.000 Gigawattstunden. Ein Atomkraftwerk erzeugt zwischen 9.000 und 13.000 GWh Strom, rein rechnerisch mussten fast 9 Atomkraftwerke nur die Beleuchtung laufen (in 2003, stromrechner.com o.J.).
Für Gewerbetreibende mit Büro und Werkstatt sind die LED-Leuchtstoffröhren besonders interessant, da bisher immer Leuchtstofflampen installiert wurden. Heutzutage gibt es LED-Röhren, die ohne Umbau in die vorhandenen Lichtkästen eingebaut werden können. Nur das Vorschaltgerät muss ggf. ausgewechselt werden. Die Einsparung liegt bei 50% des bisher genutzten Stroms (LEDONLINE o.J.). Die Vorteile neben der Energieeinsparung sind offensichtlich: Die Röhren zerbrechen nicht, sie enthalten kein Quecksilber, sie flimmern nicht und haben einen hohen Leistungsfaktor (ebd.)
Eine weitere mögliche Stellschraube bei der Beleuchtung ist die Verwendung von Strom aus regenerativen Energiequellen. Eine eigene PV-Anlage auf dem Bürogebäude oder auf dem Betriebsgelände in Verbindung mit einem Batteriespeicher kann erheblich Strom aus Sonnenlicht bereitstellen. Allerdings ist die Solarstrahlung in den Wintermonaten – gerade dann, wenn die Anzucht stattfindet, nur gering. In diesem Falle sollte zumindest der Strom aus erneuerbaren Energien – im Winter fast ausschließlich aus Windenergie – bezogen werden.
Rationelle Energienutzung und Energiesparen
Neben dem Einsatz erneuerbarer Energien zählt auch die rationelle Energienutzung zu den Maßnahmen, um das Energiesystem in Richtung Nachhaltigkeit zu transformieren. Typische Handlungsfelder der rationellen Energienutzung sind die Energieeffizienz und das Energiesparen, die beide eng miteinander verknüpft sind.
- Energieeffizienz: Bei der Energieeffizienz geht es darum, Geräte und Maschinen zu nutzen, die bei gleicher Funktionserfüllung einen geringeren Energiebedarf haben. Effizienz ist dabei eine relationale Größe, die sich auf mindestens zwei vergleichbare Arten bezieht, Energie zu nutzen. Durch optimierte Prozesse sollen die quantitativen und qualitativen Verluste, die im Einzelnen bei der Umwandlung, dem Transport und der Speicherung von Energie entstehen, minimiert werden, um einen vorgegebenen (energetischen) Nutzen bei sinkendem Primär- bzw. Endenergieeinsatz zu erreichen.
- Energieeffizienzkennzeichnung: In der EU gibt die Energieeffizienzkennzeichnung gemäß Verordnung (EU) 2017/1369 Auskunft über die Energieeffizienz von Elektrogeräten und weiteren Energieverbrauchern. Die Kennzeichnung erfolgt für verschiedene Gerätegruppen in Form von Etiketten auf den Geräten und in Werbematerialien. Ab dem Jahr 2021 erfolgt die Kennzeichnung der Energieeffizienz in Form von Effizienzklassen. Deren Skala reicht von „A“ bis „G“, wobei Geräte mit der höchsten Effizienz mit der Kennzeichnung “A” ausgezeichnet werden. Daneben gibt es zahlreiche weitere Kennzeichen. Bekannt ist der amerikanische Energy Star für energiesparende Geräte, Baustoffe, öffentliche/gewerbliche Gebäude oder Wohnbauten. Der Energy Star bescheinigt die jeweiligen Stromsparkriterien der US-Umweltschutzbehörde EPA und des US-Energieministeriums (energystar). Auch nationale Umweltzeichen wie der Blaue Engel können, je nach ausgezeichnetem Produkt, aufgrund vergleichsweise hoher Energieeffizienz vergeben werden (blauer-engel). Für PKW’s gibt es ein eigenes Kennzeichen, welches die Bewertung und Kennzeichnung der Energieeffizienz neuer Personenkraftwagen hinsichtlich Kraftstoff- und Stromverbrauch regelt (Pkw-EnVKV 2020).
- Stromsparen: Die Abgrenzung des Energiesparens zur Energieeffizienz ist allerdings nicht immer eindeutig, denn die Nutzung eines energieeffizienten Gerätes stellt immer auch eine Energieeinsparung gegenüber einem weniger effizienten Gerät dar. Die wichtigsten Stromsparmaßnahmen im Haushalt sind energieeffiziente Geräte (Kühl- und Gefriergeräte, Flachbildschirme u.a.m.) sowie LED-Beleuchtung. Eine Vielzahl von Energiespartipps sind z.B. bei CO2-Online zu finden (ebd. o.J.). Selbst kleine Maßnahmen wie Reduzierung des Standby-Verbrauchs summieren sich im Großen (UBA 2015). EU-weit werden die Leerlaufverluste auf jährlich 51 Mrd. Kilowattstunden geschätzt. Dies entspricht einer Energiemenge, die etwa 14 Großkraftwerke mit jeweils 800 Megawatt Leistung pro Jahr erzeugt und dabei etwa 20 Mio. t CO2 in die Atmosphäre emittieren (ebd.).
Mobilität
Im Rahmen der sogenannten Verkehrswende spielt die Dekarbonisierung der Antriebe eine zentrale Rolle, denn die Treibhausgasemissionen der Mobilität sind, mit rund 149 Mio. t CO2-Äq bzw. fast 20% aller CO2-Emissionen allein in Deutschland im Jahr 2021, maßgeblich für den Klimawandel verantwortlich (UBA 2022). Differenziert nach verschiedenen Verkehrsarten zeigt sich, dass der Straßengüterverkehr 2020 rund 46 Mio. t CO2-Äq bzw. 30% der Verkehrsemissionen verursacht (ebd.) hat. Es sind somit zwei Trends wirksam: Zum einen eine Minderung der Emissionen (insbesondere der Schadstoffe), die aber bei LKWs deutlich größer sind (-32%) als bei PKWs (-5%). Zum anderen stieg für beide die Zahl der gefahrenen Kilometer – die PKW-Fahrleistung hat sich seit 1995 verdoppelt, die des Güterverkehrs per LKW ist um 74% gestiegen (ebd.).
Nutzungsverhalten
Neben der Umrüstung der Dienstwagen auf elektrische Antriebe sollte auch der individuelle Umgang mit Mobilität überdacht werden. Es können beispielsweise THG-Emissionen eingespart werden, wenn die Mitarbeitenden zu Fuß oder mit dem Rad zum Arbeitsplatz im Handel kommen, sofern aus gesundheitlichen Gründen oder einer zu großen Distanz zum Arbeitsort nichts dagegen spricht. Zudem kann der Betrieb die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel z.B. durch ein Jobticket attraktiver gestalten. Auch die Förderung von Dienstfahrrädern ist in einigen Städten und Kommunen möglich. Zusätzlich ist die Bildung von Fahrgemeinschaften denkbar, wenn es sich von den Arbeitszeiten und den Wegen anbietet. Strecken, die mit dem Auto gefahren werden müssen, sollten optimiert werden (Routenoptimierung), insbesondere gilt dies für den Transport von Waren. Außerdem hat die Fahrgeschwindigkeit einen erheblichen Einfluss auf die ausgestoßenen THG-Emissionen. Laut Umweltbundesamt verursachten im Jahr 2020 Pkw und leichte Nutzfahrzeuge auf Bundesautobahnen in Deutschland THG-Emissionen in Höhe von rund 30,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Durch die Einführung eines generellen Tempolimits von 120 km/h auf Bundesautobahnen würden die Emissionen um jährlich 2,0 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente reduziert und ein Tempolimit von 100 km/h würde sie um 4,3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr mindern (UBA 2022b). Auch ohne generelles Tempolimit kann jede*r die Fahrgeschwindigkeit reduzieren, das spart nicht nur THG-Emissionen sondern auch Kosten ein (mobile.de 2020). Denn bei hohen Geschwindigkeiten verbrauchen Fahrzeuge überdurchschnittlich viel Kraftstoff. Nach Angaben des ADAC verbraucht ein Mittelklasseauto um bis zu zwei Drittel mehr Kraftstoff, wenn es statt 100 km/h mit 160 km/h fährt (ebd.).
Logistik
Die Wahl der Transportmittel hat einen unmittelbaren Einfluss auf die Treibhausgasemissionen, wie folgende Tabelle zeigt (Statista 2022b, UBA 2021b, FIS 2012, carboncare o.J):
Transportmittel | Durchschnittliche CO2-Emissionen pro Tonnenkilometer in Gramm |
Hochsee-Massengutfrachter (UBA bzw. carboncare) | 17 bzw. 6-7 |
LKW (alle Quellen) | 105 bis 118 |
Binnenschiff (FIS 2012, Statista 2022b und UBA 2021b) | 30 – 33 |
Güterzug (UBA 2021b und Statista 2022b) | 16 bis 17 |
Geschäftsreisen
Bei Geschäftsreisen besteht vielfach die Wahl zwischen Bahn und Pkw-Nutzung, wobei die PKW-Nutzung im Mittel zum Vier- bis Fünffachen an CO2-Emissionen führt (Mein Klimaschutz o.J.). Bei innerdeutschen Flügen ist man oder Frau aufgrund der langen Check-In-Zeiten im Prinzip kaum schneller als mit der Bahn. Hier kann der UmweltMobilCheck der Deutschen Bahn eine Orientierung geben (Deutsche Bahn o.J.). Eine Fahrt von Berlin nach Hamburg führt bei Pkw-Nutzung zu etwa 54 kg CO2-Äq, bei Bahnnutzung zu 0,03 kg CO2-Äq.
Sollten Geschäftsreisen mit dem Flugzeug gelegentlich unvermeidbar sein, bieten sich Kompensationsmodelle zum Ausgleich der Klimawirkung an, bei denen eine Klimakompensation erfolgt. Hierbei wird ein Geldbetrag entsprechend der verursachten Emissionen überwiesen und dieser wird in Klimaschutzprojekte investiert z.B. in den Moorschutz oder Wiederaufforstung (vgl. atmosfair o.J.). Bei einem Hin-und Rückflug von Berlin nach Shanghai entstehen ca. 4.800 kg CO2 Emissionen. Diese können durch 111 € Ausgleichszahlung kompensiert werden.
Fuhrpark für den motorisierten Individualverkehr
Der motorisierte Individualverkehr (MIV) wird mit PKW´s durchgeführt. Alle Unternehmen besitzen zumindest ein Fahrzeug für den Geschäftsführer, größere Unternehmen stellen Dienstfahrzeuge, große Unternehmen haben ganze Fahrzeugflotten. Laut Statista gab es 2020 mehr als 5 Millionen PKW’s mit einem gewerblichen Fahrzeughalter (ca. 11% des Fahrzeugbestandes, Statista 2022b). Um die Emissionen im Verkehr deutlich zu reduzieren – dies ist unbedingt notwendig, um die international vereinbarten Klimaziele zu erreichen – muss der Fuhrpark auf emissionsarme Fahrzeuge umgestellt werden. Bei der Umstellung des betrieblichen Fuhrparks von Fahrzeugen mit (fossilen) Verbrennungsmotoren auf alternative Antriebskonzepte stehen derzeit Elektrofahrzeuge mit unterschiedlichen Antriebskonzepten, Wasserstofffahrzeuge mit Brennstoffzellen sowie die Nutzung biogener Kraftstoffe in der Diskussion:
- Hybrid-Fahrzeuge: Es gibt verschiedene Typen wie Mild-Hybrid, Voll-Hybrid, Plug-in-Hybrid oder Range Extender, die einen mehr oder weniger starken Verbrenner mit einem Elektroantrieb kombinieren. Solange die Reichweite reiner E-Autos noch begrenzt ist, wird es auch diese Fahrzeuge geben.
- Elektroauto mit Batterie: Ein vollelektrisches Fahrzeug (BEV) wird ausschließlich von einem batteriebetriebenen Elektromotor angetrieben. Der wird über das Stromnetz aufgeladen, das heißt: er benötigt keinen fossilen Kraftstoff. Dadurch fährt das Fahrzeug zu 100% emissionsfrei. Allerdings ist hier der Strommix von Bedeutung: Der Anteil von Gas und Kohle führt zu Emissionen bei der Stromerzeugung.
- Elektroauto mit Brennstoffzelle: Ein Brennstoffzellenauto (FCEV) wird ausschließlich von einem Elektromotor angetrieben. Der Strom wird in einer Wasserstoff-Brennstoffzelle erzeugt. Bei der Nutzung von Wasserstoff in Fahrzeugen ist von entscheidender Bedeutung, dass dieser mit elektrischem Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt wird, ein sogenannter grüner Wasserstoff – denn nur dann ist sein Einsatz in Fahrzeugen CO2-frei und damit klimaneutral. Die Herstellung von grünem Wasserstoff erfolgt mittels Elektrolyse von Wasser.
- Biogene Kraftstoffe: Hier wird der Kraftstoff aus Pflanzen erzeugt. Dies können Öl-Pflanzen wie Raps sein, aus denen Biodiesel, oder Zuckerrohr, aus dem Ethanol erzeugt wird. Letzteres ist z.B. in Brasilien eine wichtige Kraftstoffquelle. Die Antriebstechnik ist vergleichbar mit konventionellen Verbrennungsmotoren mit der Ausnahme, dass das bei der Verbrennung entstehende CO2 klimaneutral ist, denn die bei der Verbrennung freigesetzte CO2-Menge entspricht in etwa derjenigen Menge, die die Pflanze während ihres Wachstums mittels Photosynthese der Atmosphäre entzogen hatte.
Wie wird sich die individuelle und die gewerbliche Mobilität der Zukunft gestalten? Vermutlich wird es die Elektromobilität mit Batterien für PKW und kleine Nutzfahrzeuge bis 3,5 Tonnen sein. Von entscheidender Bedeutung ist, dass der elektrische Strom zur Ladung der Fahrzeugbatterie mit erneuerbaren Energien erzeugt wird. Bei LKW in der Klasse ab 7,5 t ist die Frage noch nicht beantwortet – hier konkurrieren Elektromobilität mit Batterien und Fahrzeuge mit Brennstoffzellen noch miteinander.
Nutzungsverhalten
Neben der Umrüstung der Dienstwagen auf elektrische Antriebe sollte auch der individuelle Umgang mit Mobilität überdacht werden. Es können beispielsweise THG-Emissionen eingespart werden, wenn die Mitarbeitenden zu Fuß oder mit dem Rad zum Arbeitsplatz im Handel kommen, sofern aus gesundheitlichen Gründen oder einer zu großen Distanz zum Arbeitsort nichts dagegen spricht. Zudem kann der Betrieb die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel z.B. durch ein Jobticket attraktiver gestalten. Auch die Förderung von Dienstfahrrädern ist in einigen Städten und Kommunen möglich. Zusätzlich ist die Bildung von Fahrgemeinschaften denkbar, wenn es sich von den Arbeitszeiten und den Wegen anbietet. Strecken, die mit dem Auto gefahren werden müssen, sollten optimiert werden (Routenoptimierung), insbesondere gilt dies für den Transport von Waren. Außerdem hat die Fahrgeschwindigkeit einen erheblichen Einfluss auf die ausgestoßenen THG-Emissionen. Laut Umweltbundesamt verursachten im Jahr 2020 Pkw und leichte Nutzfahrzeuge auf Bundesautobahnen in Deutschland THG-Emissionen in Höhe von rund 30,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Durch die Einführung eines generellen Tempolimits von 120 km/h auf Bundesautobahnen würden die Emissionen um jährlich 2,0 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente reduziert und ein Tempolimit von 100 km/h würde sie um 4,3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr mindern (UBA 2022b). Auch ohne generelles Tempolimit kann jede*r die Fahrgeschwindigkeit reduzieren, das spart nicht nur THG-Emissionen sondern auch Kosten ein (mobile.de 2020). Denn bei hohen Geschwindigkeiten verbrauchen Fahrzeuge überdurchschnittlich viel Kraftstoff. Nach Angaben des ADAC verbraucht ein Mittelklasseauto um bis zu zwei Drittel mehr Kraftstoff, wenn es statt 100 km/h mit 160 km/h fährt (ebd.).
Energiespeicherung
Eine zentrale Herausforderung bei der Nutzung erneuerbarer Energien ist ihre Fluktuation, denn Solarstrahlung steht nachts nicht zur Verfügung und auch der Wind weht nicht kontinuierlich. Eine ausgeglichene Balance von Stromerzeugung und Stromnachfrage ist aber unabdingbar für die Versorgungssicherheit sowie die Netzstabilität. Um eine gleichmäßige Frequenz im Stromnetz aufrechtzuerhalten, müssen Erzeugung und Nutzung aufeinander abgestimmt werden. Andernfalls muss die Differenz und mögliche Frequenzschwankungen durch die sogenannte Regelenergie ausgeglichen werden. Möglichkeiten dazu sind:
- Abschaltung von EE-Anlagen (geringere Einspeisung)
- Zuschaltung von Speicherkraftwerken (höhere Einspeisung)
- Abschaltung großer Verbraucher (geringere Entnahme)
Die Abschaltung ist aber unökologisch und unwirtschaftlich. Um dies zu vermeiden, bieten sich Energiespeicher an, die bei Bedarf zugeschaltet werden. Diese sind:
- Pumpspeicherkraftwerke: Kostengünstig, nur für gebirgige dünn besiedelte Regionen (z.B. Norwegen, Öst. Alpen), benötigen einen Netzanschluss z.B. durch sehr lange und teure DC-Leitungen z.B. durch die Ost- und Nordsee bei norwegischen Speichern.
- Druckluft: Einfache Technologie, gut nutzbar bei Anbindung an Windkraftanlagen, aber nur begrenztes Speicherpotential und bisher eher ein Forschungsgegenstand.
- Schwungräder: Einfache Technologie, aber hohe Masse des Rades und noch in der Entwicklung.
- Chemisch als Wasserstoff: Elektrolyse von Wasser zur Stromerzeugung, gut erforscht für Kleinanlagen, derzeit erfolgt ein großtechnischer Aufbau, wichtiger Zielkonflikt: Wasserstoff ist auch relevant für die Stahl-, Zement- und chemische Industrie sowie zum Antrieb von LKWs (evt. Flugzeuge), teure Technologie.
- Chemisch als Methan: Elektrolyse von Wasser zur Stromerzeugung, dann Reduktion von CO2 zu Methan (CH4), relevant für Gebäudeheizungen, teure Technologie.
Allen obigen Technologien ist gemeinsam, dass die Umwandlung von Kraft oder innerer Energie immer mit hohen Verlusten aufgrund der Thermodynamik (Wärmeverluste) verbunden ist. Die wichtigste Batterie ist derzeit die Lithium-Ionen-Batterie. (GRS o.J., ISE 2021): Dieser Batterietyp dient sowohl für die Versorgung von Kleingeräten (Mobiltelefone, Tablet, Notebooks, Werkzeuge) als auch für Fahrzeuge und Fahrräder sowie als Hausspeicher (s.a.u.). Batterien im Kleinstbereich und für die Elektromobilität müssen ein geringes Gewicht beim höchsten Energiegehalt haben. Weitere Faktoren sind die Kosten, die Brandsicherheit, die Ladefähigkeit und die Lebensdauer. Die Kathode enthält Kobalt-Oxid (CoO), die Anode besteht aus Graphit. Als Elektrolyt dienen Li-organische Verbindungen. Die Vorteile sind die höchste Energiedichte aller im großen Maßstab produzierten Batterien, kein Memory Effekt und eine gute Zyklenfestigkeit. Die Nachteile sind ein hoher Preis, ein aufwändiges Zellmanagement aufgrund der geringen Größe und damit verbunden mit einer hohen Anzahl von Zellen. Aus Sicht der Nachhaltigkeit ist insbesondere die Gewinnung von Cobalt in Sambia und der Demokratischen Republik Kongo, dem wichtigsten aller Lieferländer, sehr gewichtig, da hier u.a. ein illegaler und umweltzerstörender Abbaus stattfindet (FAZ-net 2022, Save the Children 2022). Lithium ist ein Salz, das in verschiedenen Ländern in Salzseen vorkommt. Der größte Produzent ist Australien (51.000 t) vor Chile (13.000 t; VW o.J.). Hierbei spielt insbesondere die Bereitstellung von Wasser und die Abwasserbehandlung eine wichtige Rolle, da die Gewinnung meist in ariden Regionen stattfindet. Die bekannten Reserven übersteigen derzeit die Bedarfe um ein Vielfaches, weshalb diskutiert wird, ob Lithium ein “knappes” Metall ist oder nicht (ebd.).
Quellenverzeichnis
atmosfair gGmbH (o.J.): Flüge kompensieren. Online: https://www.atmosfair.de/de/kompensieren/flug/
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
BUND (o.J.): Mais & Umwelt. Online: http://www.bund-rvso.de/mais-umwelt.html
Carboncare-Rechner (o.J.): CO2Äq/a für internationale Transporte: Online: https://www.carboncare.org/co2-emissions-rechner
Chip / Amon, Michael (2022): Kaffeemaschine: Das ist der typische Stromverbrauch. Online: https://praxistipps.chip.de/kaffeemaschine-das-ist-der-typische-stromverbrauch_149702
CO2Online (o.J.): Strom sparen im Haushalt: 25 einfache Tipps. Online: https://www.co2online.de/energie-sparen/strom-sparen/strom-sparen-stromspartipps/strom-sparen-tipps-und-tricks/
DESTATIS-Statistisches Bundesamt (2022): Indikatoren der UN-Nachhaltigkeitsziele 2022. Online unter: http://sdg-indikatoren.de/
Deutsche Bahn (o.J.): Der Mobilitätscheck der Deutschen Bundesbahn. Online: https://www.umweltmobilcheck.de
Dumke (2017): Erneuerbare Energien für Regionen – Flächenbedarfe und Flächenkonkurrenzen. Online: repositum.tuwien.at/handle/20.500.12708/8290
EcoTransIT (o.J.): Emissionsrechner für Treibhausgase und Luftschadstoffe. Online: https://www.ecotransit.org/de/emissionsrechner/
Eigensonne (o.J.): Der Wirkungsgrad moderner Solarzellen – einfach und verständlich erklärt. Online: https://www.eigensonne.de/wirkungsgrad-solarzelle/
energieexperten (o.J.): Ratgeber: Kennwerte für den Stromverbrauch von Beleuchtungen. Online: https://www.energie-experten.org/energie-sparen/energieverbrauch/stromverbrauch-berechnen/stromverbrauch-beleuchtung
enterga (o.J.): STROMVERBRAUCH VON LICHT: LEUCHTEN IM VERGLEICH. Online: https://www.entega.de/blog/stromverbrauch-licht/
EU 2017/1369 zur Festlegung eines Rahmens für die Energieverbrauchskennzeichnung und zur Aufhebung der Richtlinie 2010/30/EU. Online: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32017R1369&from=EL#:~:text=(1)%20Die%20Union%20hat%20sich,der%20Energienachfrage%20von%20zentraler%20Bedeutung.
FAZ-Net Frankfurter Allgemeine Zeitung (2022 online): Die dunkle Seite der Verkehrswende. https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/schneller-schlau/kobalt-aus-kongo-der-dunkle-preis-der-verkehrswende-17731386.html
GRS Batterieforum (o.J.): Lexikon. Online https://www.batterieforum-deutschland.de/infoportal/lexikon/redox-flow-batterien/
ISE (2021): Christoph Kost,Shivenes Shammugam, Verena Fluri, Dominik Peper, Aschkan Davoodi Memar, Thomas Schlegl. Stromgestehungskosten Erneuerbare Energien: Fraunhofer-Institut für solare Energiesysteme – ise:Online: https://www.ise.fraunhofer.de/content/dam/ise/de/documents/publications/studies/DE2021_ISE_Studie_Stromgestehungskosten_Erneuerbare_Energien.pdf
LEDONLINE (o.J.): Was sind die Vor- und Nachteile einer LED-Beleuchtung?. Online: https://ledonline.de/blog/alle-vor-und-nachteile-einer-led-beleuchtung/
Mein Klimaschutz (o.J.) CO2 durch Verkehrsmittel im Vergleich https://www.mein-klimaschutz.de/unterwegs/a/einkauf/welches-verkehrsmittel-verursacht-im-vergleich-mehr-co2/
Mein Klimaschutz (o.J.) CO2 durch Verkehrsmittel im Vergleich https://www.mein-klimaschutz.de/unterwegs/a/einkauf/welches-verkehrsmittel-verursacht-im-vergleich-mehr-co2/
Milimari Design (2020) Zu Besuch beim Geigenbauer. Online: www.milimari.de/post/zu-besuch-beim-geigenbauer-wie-wird-eine-geige-gebaut
Mobile.de (2020): Das bedeutet ein 130 km/h Tempolimit. Online: Generelles Tempolimit: Auswirkungen auf den Automarkt | mobile.de
Ökostromanbieter (o.J.): Ökostrom Zertifizierung. Online: https://www.oekostrom-anbieter.info/oekostrom-zertifizierung.html
Pflanzenforschung.de/ Anabel Mechela (2020): Photosynthese 2.0 Von der Jagd nach mehr Effizienz bis zum künstlichen Blatt https://www.pflanzenforschung.de/de/pflanzenwissen/journal/photosynthese-20#
Pflanzenforschung.de/ Anabel Mechela (2020): Photosynthese 2.0 Von der Jagd nach mehr Effizienz bis zum künstlichen Blatt https://www.pflanzenforschung.de/de/pflanzenwissen/journal/photosynthese-20#
Pkw-EnVKV (2004): Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung vom 28. Mai 2004 (BGBl. I S. 1037), Online: https://www.gesetze-im-internet.de/pkw-envkv/BJNR103700004.html Zuletzt geändert am 14. Juni 2022. Online: https://www.bundesanzeiger.de/pub/de/suchergebnis?12
Safe the Children e.V. (2021): Kinderrechte in der Kobaltlieferkette. Online: https://www.savethechildren.de/fileadmin/user_upload/Downloads_Dokumente/Berichte_Studien/2022/kinderrechte-in-der-kobaltlieferkette-drc-save-the-children.pdf
Siemens AG (2011): LED-Licht im Gewächshaus spart Strom und Dünger. Online: https://www.k-online.de/de/News/Archiv_Science/LED-Licht_im_Gew%C3%A4chshaus_spart_Strom_und_D%C3%BCnger
Sparhelferchen (o.J.): Umstellung von Leuchtstoffröhren auf LED-Röhren. Online: www.spar-helferchen.de/FAQ-SMD-LED-Roehren:_:45.html
Stiftung Allianz für Entwicklung und Klima (o.J.): Wie funktioniert die Berechnung von Treibhausgasen? Online: https://allianz-entwicklung-klima.de/toolbox/wie-funktioniert-die-berechnung-von-treibhausgasen/
Stiftung GRS Batterien (o.J.): Die Welt der Batterien – Funktion, Systeme, Entsorgung. Online: https://www.grs-batterien.de/newsroom/bibliothek/;
stromrechner (o.J.): Wie viel Strom produziert ein Atomkraftwerk? Online: https://stromrechner.com/wie-viel-strom-produziert-ein-atomkraftwerk/
Stromreport (2022) Deutscher Strommix – Stromerzeugung Deutschland bis 2022. Online: https://strom-report.de/strom/#
Tagesschau (2022): Gehört Wärmepumpen die Zukunft? Online: www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/waermepumpe-klimaschutz-ukraine-energiepreise-viessmann-heizung-101.html
UBA (2015): EU sagt Leerlaufverlusten den Kampf an. Online: https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/energiesparen/leerlaufverluste
UBA Umweltbundesamt (2009): Beleuchtungstechnik mit geringerer Umweltbelastung Online: www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/pdfs/UBA_Licht_Ausgabe_03.pdf
UBA Umweltbundesamt (2019): Wie energieeffizient ist ein Schiff? Online: www.umweltbundesamt.de/service/uba-fragen/wie-energieeffizient-ist-ein-schiff
UBA Umweltbundesamt (2021): Wie hoch sind die Treibhausgasemissionen pro Person in Deutschland durchschnittlich? Online: https://www.umweltbundesamt.de/service/uba-fragen/wie-hoch-sind-die-treibhausgasemissionen-pro-person
UBA Umweltbundesamt (2021): Wie hoch sind die Treibhausgasemissionen pro Person in Deutschland durchschnittlich? Online: https://www.umweltbundesamt.de/service/uba-fragen/wie-hoch-sind-die-treibhausgasemissionen-pro-person
UBA Umweltbundesamt (2021a): Bioenergie. Online: https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/erneuerbare-energien/bioenergie#bioenergie-ein-weites-und-komplexes-feld-
UBA Umweltbundesamt (2021b): Naturschutz und Bioenergie. Online: www.bmuv.de/themen/naturschutz-artenvielfalt/naturschutz-biologische-vielfalt/naturschutz-und-energie/naturschutz-und-bioenergie
UBA Umweltbundesamt (2022): Erneuerbare Energien in Zahlen. Online: https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/erneuerbare-energien/erneuerbare-energien-in-zahlen
UBA Umweltbundesamt (2022b): Tempolimit. Online: https://www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr-laerm/nachhaltige-mobilitaet/tempolimit#t
UBA Umweltbundesamt (o. J.): Leerlaufverluste. Online: https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/energiesparen/leerlaufverluste
Verbraucherzentrale (2022): Klimapaket: Was bedeutet es für Mieter und Hausbesitzer? Online: www.verbraucherzentrale.de/wissen/energie/heizen-und-warmwasser/klimapaket-was-bedeutet-es-fuer-mieter-und-hausbesitzer-43806#
Viessmann (o.J.): Der Kältekreisprozess als Teil der Funktionsweise. Online: https://www.viessmann.at/de/wissen/technologie-und-systeme/luft-wasser-waermepumpe/funktionsweise.html
VW o.J.: Glossar Batterie. Online: https://www.volkswagenag.com/de/news/stories/2019/09/battery-glossary–assembly–research-and-strategy.html
Weinhold, Nicole (2021): Redox-Flow-Batterie Größte Batterie ohne Lithium. In: Erneuerbare Energie. TFV Technischer Fachverlag GmbH Stuttgart 07.10.2021. Online: https://www.erneuerbareenergien.de/transformation/speicher/redox-flow-batterie-groesste-batterie-ohne-lithium
Wikimedia (2020): Installierte PV-Leistung in Deutschland. online: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=90477752
Wikimedia (2020): Installierte PV-Leistung in Deutschland. online: www.commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=90477752
Wikimedia (2020): Installierte PV-Leistung in Deutschland. online: www.commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=90477752
SDG 8 Menschenwürdige Arbeit
“Dauerhaftes, inklusives und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern”
In der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie wird zum SDG 8 auf das Leitbild „Soziale Marktwirtschaft“ verwiesen (Bundesregierung 2021: 2214):
„Soziales Ziel ist es, unternehmerische Freiheit und funktionierenden Wettbewerb mit sozialem Ausgleich und sozialer Sicherheit zu verbinden. Mit Hilfe der Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft, wie fairer Wettbewerb, Unternehmerverantwortung, Sozialpartnerschaft, Mitbestimmung und gerechte Verteilung des erwirtschafteten Wohlstands, werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass wir auch in Zukunft noch Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung haben.“
Hinsichtlich des SDG 8 sind zwei Ebenen zu betrachten: Eine nationale Ebene und die globale Ebene.
Auf der nationalen Ebene steht Deutschland laut der „European Working Survey” hinsichtlich der Arbeitsbedingungen sehr gut da – 89% der Befragten geben an, mit ihrem Job zufrieden zu sein und 91% bestätigen einen fairen Umgang mit ihnen als Arbeitnehmer*innen (Eurofond 2021). Jedoch zeigt der Index “Gute Arbeit” des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB 2022) detailliert, dass es in manchen Branchen, wie dem Gesundheitssektor und bei Beschäftigten in Leiharbeitsverhältnissen noch große Defizite gibt (DGB 2022). Besonders negativ sind hierbei die Kriterien “Arbeitsintensität” und “Einkommen” aufgefallen, die notwendigen Handlungsbedarf in Berufsbildern aufzeigen.
Auch wenn Kinderarbeit und Sklaverei in Deutschland keine Rolle spielen, so ist die Umsetzung der verschiedenen Unterziele des SDG 8 eine dauerhafte Aufgabe im Sinne einer kontinuierlichen Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Noch ein zweites gilt: Aufgrund der komplexen Lieferketten müssen Unternehmen Verantwortung für ihre Produkte auch in den Ländern, wo diese hergestellt werden, übernehmen. An dieser Stelle sollen folgende Unterziele betrachtet werden:
8.5 Bis 2030 produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle Frauen und Männer, einschließlich junger Menschen und Menschen mit Behinderungen, sowie gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit erreichen
8.6 Bis 2020 den Anteil junger Menschen, die ohne Beschäftigung sind und keine Schul- oder Berufsausbildung durchlaufen, erheblich verringern
8.b Bis 2020 eine globale Strategie für Jugendbeschäftigung erarbeiten und auf den Weg bringen und den GLOBALEN BESCHÄFTIGUNGSPAKT DER INTERNATIONALEN ARBEITSORGANISATION umsetzen (ILO o.J.; Destatis o.J.)
8.7 Sofortige und wirksame Maßnahmen ergreifen, um Zwangsarbeit abzuschaffen, moderne Sklaverei und Menschenhandel zu beenden und das Verbot und die Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit, einschließlich der Einziehung und des Einsatzes von Kindersoldaten, sicherstellen und bis 2025 jede Form von Kinderarbeit ein Ende setzen
8.8 Die Arbeitsrechte schützen und sichere Arbeitsumgebungen für alle Arbeitnehmer, einschließlich der Wanderarbeitnehmer, insbesondere der Wanderarbeitnehmerinnen, und der Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen, fördern.
Die Schnittstellen zur neuen Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ ergeben sich über die Beachtung der gesellschaftlichen Folgen des beruflichen sowie der zu entwickelnden Beiträge für ein nachhaltiges Handeln (BMBF 2022):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Menschenwürdige Arbeit
Menschenwürdige Arbeit in Deutschland bedeutet vor allem Arbeit, die sich zumindest an internationalen Standards orientiert. Formuliert sind diese in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Vereinte Nationen 1948; UN-Charta, Artikel 23 und 24). Als “menschenunwürdige Arbeit” werden Kinderarbeit, Sklavenarbeit und teilweise Leiharbeit bezeichnet sowie Merkmale bei den Beschäftigungsverhältnissen, die sich nicht an den o.g. Regelwerken orientieren, wie “fehlende soziale Sicherheit”, “mangelnder Arbeitsschutz”, “Ausnutzung von Scheinselbstständigen” und “Ungleichbehandlung von Frauen”.
Saisonarbeit
Alle bei einem in Deutschland ansässigen Unternehmen befristet angestellte Arbeitnehmer: innen aus anderen Ländern werden als Saisonarbeiter bezeichnet. Laut Definition in den relevanten Vorschriften üben sie eine Tätigkeit aus die “aufgrund eines immer wiederkehrenden saisonbedingten Ereignisses oder einer immer wiederkehrenden Abfolge saisonbedingter Ereignisse an eine Jahreszeit gebunden sind, während der Bedarf an Arbeitskräften den für gewöhnlich durchgeführte Tätigkeiten erforderlichen Bedarf in erheblichem Maße übersteigt” (Zoll 2022). Folgende Bereiche setzen Saisonarbeitskräfte ein:
- Tourismus: Gaststätten, Hotels für Kellner: innen, Küchenpersonal, Zimmerservice und in Betrieben, die nicht ganzjährig geöffnet sind, wie Biergärten und Skihütten, oder auch zur Abdeckung von Arbeitsspitzen in Ausflugslokalen.
- Schaustellergewerbe auf Volksfesten, Jahrmärkten etc.
- In der Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau (Erntehilfen in Sonderkulturbetrieben wie Obst-, Gemüse- oder Weinbau).
DGB Index Gute Arbeit
Die Qualität von Arbeitsbedingungen wird seit 2012 aufgrund von 42 standardisierten Fragen in einer bundesweiten repräsentativen Erhebung ermittelt (DGB 2022). Elf Kriterien der Arbeitsqualität werden abgefragt. Im November 2022 wurde der DGB-Index Gute Arbeit 2022 veröffentlicht. Wie schon in den vorangegangenen Jahren gibt es zu den Kriterien „Arbeitsintensität“ und „Einkommen“ erheblich kritische Bewertungen.
Der Index 2022 zeigt z. B. für die Branchen „Metallerzeugung und –bearbeitung“ (64), „Ver- und Entsorgung“ (69), „Baugewerbe“ (66), „Gastgewerbe“ (62), „Information und Kommunikation“ (69), „Finanz- und Versicherungsdienstleistungen“ (68) und „Gesundheitswesen“ (62) auf, dass die Arbeitsbedingungen noch weit entfernt sind vom Anspruch „Gute Arbeit“.
In der ausführlichen Debatte über die Detailergebnisse für 2022 sticht hervor, dass Beschäftigte in Leiharbeitsverhältnissen ihre Situation auffällig schlecht bewerten (ebd.).
„Auf Branchenebene kommen Beschäftigte aus dem Gastgewerbe und dem Gesundheitswesen auf die niedrigsten Indexwerte (jeweils 62 Punkte). In der Informations- und Kommunikationsbranche (IuK) liegt der Wert dagegen bei 69 Punkten. Auch in den Branchen treten auf Ebene der Teilindizes zum Teil sehr große Unterschiede zutage. Beim Teilindex „Ressourcen“ kommen IuK-Beschäftigte auf 75 Indexpunkte, Arbeitnehmer*innen aus der Metallerzeugung und -bearbeitung dagegen lediglich auf 68 Punkte. Die höchsten Belastungen finden sich im Bereich Erziehung und Unterricht (54 Punkte) sowie im Gesundheitswesen (56 Punkte), wo häufig sowohl physische als auch psychische Belastungsfaktoren auftreten. Die größte Diskrepanz auf Branchenebene zeigt sich bei der Bewertung von „Einkommen und Sicherheit“. Hier liegen die Befragten aus dem Gastgewerbe mit 54 Punkten um 16 Punkte unter dem Wert der Beschäftigten aus der öffentlichen Verwaltung (70 Punkte).“ (a.a.O., S. 13)
Darüber hinaus zeigt der Blick in einzelne Branchen und Berufsgruppen, dass noch immer körperliche Belastungen in vielen Bereichen sehr verbreitet sind (ebd.:S. 19).
Einen wesentlichen Einfluss auf die Bewertung der eigenen Arbeitsbedingungen haben die Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten im Arbeitskontext. Im Zusammenhang mit nachhaltiger Entwicklung ist das Kriterium „Sinn der Arbeit“ eine wesentliche Ressource zur Beurteilung der eigenen Arbeitsbedingungen. Dazu führt der Bericht „Index Gute Arbeit 2022“ aus: „Der Sinngehalt von Arbeit ist eine Ressource, die sich aus unterschiedlichen Quellen speisen kann. Dazu gehört, dass die Produkte bzw. Dienstleistungen, die produziert oder erbracht werden, als nützlich erachtet werden. Häufig ist dies mit der Einschätzung verbunden, ob die Arbeit einen gesellschaftlichen Mehrwert erzeugt. Sinnhaftigkeit kann dadurch entstehen, dass die Arbeit einen Nutzen für Andere hat. Und wichtig für Sinnempfinden ist auch, dass die eigenen, ganz konkreten Arbeitsaufgaben und -merkmale nicht sinnlos erscheinen. Wird Arbeit als sinnvoll empfunden, wirkt sich das positiv auf die Motivation und das Wohlbefinden der Beschäftigten aus. Dauerhaft einer als sinnlos erachteten Arbeit nachzugehen, stellt dagegen eine mögliche psychische Belastung und damit ein gesundheitliches Risiko dar.
BDA - Die Arbeitgeber
Die Arbeitgeber argumentieren mit positiven Statistiken, dass die Arbeitsbedingungen in Deutschland sehr gut sind (BDA o.J.). So sind laut der European Working survey 89% der in Deutschland Beschäftigten mit ihrem Job zufrieden, 74% gaben in der Befragung an, dass ihnen ihr Job Spaß macht und 91% bestätigen einen fairen Umgang am Arbeitsplatz (Eurofond 2021, BDA o.J.). Auch hinsichtlich der Arbeitssicherheit ist die Entwicklung positiv: Sowohl die Arbeitsunfälle, als auch die Unfallquote hat sich seit 1991 halbiert (BDA o.J.). Diese befinden sich seit 2004 unter 1 Mio. und bewegen sich seitdem zwischen 954.000 und 760.000 gemeldeten Fällen (Statista 2021).
Außerdem wird auf die Prävention und den Gesundheitsschutz hingewiesen, für den 2016 ca. 5 Mrd. € ausgegeben wurden, was 40% der gesamten Ausgaben von 11,7 Mrd. € ausmacht (BDA o.J.). Die betriebliche Gesundheitsförderung, wie Stressmanagement, gesundheitsgerechte Mitarbeiterführung oder Reduktion der körperlichen Belastung kommt dabei sowohl den Beschäftigten als auch den Arbeitgebern zugute. Zuletzt wird noch auf die Eigenverantwortung hingewiesen, die aus selbstverantwortlichen Entscheidungen und flexibleren Arbeitszeiten resultiert.
Prekäre Beschäftigungsverhältnisse
Menschen arbeiten auch in Deutschland teilweise in prekären Beschäftigungsverhältnissen und die “Bedeutung des sogenannten Normalarbeitsverhältnisses nimmt ab, während atypische Formen von Arbeit an Bedeutung zunehmen” (Jakob 2016). Dazu zählen befristete Arbeitsverträge, geringfügige Beschäftigung, Zeitarbeit, (Ketten-)Werkverträge und verschiedene Formen der (Schein-)Selbstständigkeit oder auch Praktika. Durch die Agenda 2010 wurde das Sicherungsniveau für von Arbeitslosigkeit Betroffene deutlich gesenkt (Arbeitslosengeld I in der Regel nur für ein Jahr, danach Arbeitslosengeld II). Menschen sehen sich eher gezwungen, “jede Arbeit zu fast jedem Preis und zu jeder Bedingung anzunehmen. Das hat dazu geführt, dass die Löhne im unteren Einkommensbereich stark gesunken sind” (Jakob 2016). 2015 wurde mit der Einführung des Mindestlohns dagegen gesteuert.
Das Thema betrifft auch das SDG 10 “Ungleichheit”, denn jeder Mensch hat das Recht auf faire und gute Arbeitsverhältnisse, dies ist vielen Menschen jedoch verwehrt. Prekäre Beschäftigung widerspricht dem Leitbild von ”Guter Arbeit“, verbaut Entwicklungsmöglichkeiten von Beschäftigten und verstärkt nachweislich den Trend zu psychischen Belastungen und Erkrankungen sowie deren Folgewirkungen (Jakob 2016) (siehe auch SDG “Gesundheit”).
Kinderarbeit
Zur Definition und Umsetzung von menschenwürdigen Arbeitsbedingungen sind global große Unterschiede zu verzeichnen. Ein Beispiel hierfür ist die Kinderarbeit, die weltweit noch immer verbreitet ist. 79 Millionen Kinder arbeiten unter ausbeuterischen Bedingungen, vor allem in Fabriken, die wenig qualifiziertes Personal benötigen oder in der Landwirtschaft sowie im Bergbau (BMZ 2021 und 2022). Nach Angaben der ILO müssen weltweit rund 152 Millionen Kinder zwischen fünf und siebzehn Jahren arbeiten, vor allem in der Landwirtschaft, als Hausangestellte oder in Minen. Viele dieser Tätigkeiten sind gesundheitsgefährdend. Die ILO setzt sich schon lange für die Abschaffung von Kinderarbeit ein, sie ist Partnerorganisation in der „Allianz 8.7“, einer globalen Partnerschaft, die sich zum Ziel gesetzt hat, Zwangsarbeit, moderne Sklaverei, Menschenhandel und Kinderarbeit weltweit zu beseitigen, wie es in den Zielen für nachhaltige Entwicklung 2030 formuliert wurde. (ILO 2021) Unter Mitwirkung der deutschen Bundesregierung wird seit 1992 ein von der ILO betriebenes Internationales Programm zur Abschaffung der Kinderarbeit umgesetzt (International Programme on the Elimination of Child Labour, IPEC<, BMZ 2022)
Arbeitsschutz, Gesundheit und Gute Arbeit
Im Bereich “Gesundheit” und “Gute Arbeit” sind durch die Folgen des Klimawandels wesentliche neue Herausforderungen sowohl für die Arbeitskräfte als auch für die Gesellschaft festzustellen. Bei Bauarbeiten im Freien sind alle Arbeitenden durch Extremwetterereignisse wie hohe Temperaturen und lang anhaltende Hitzewellen, oder auch Starkregenereignisse, mit diesen neuen Herausforderungen direkt konfrontiert.
Gender Pay Gap
Unterschiedliche Entlohnung für vergleichbare Tätigkeiten und Qualifikation für Frauen und Männer lassen sich durch die statistischen Erhebungen des Statistischen Bundesamtes aufzeigen. In einer Pressemitteilung vom März 2022 wird betont, dass Frauen pro Stunde noch immer 18% weniger verdienen als Männer: „Frauen haben im Jahr 2021 in Deutschland pro Stunde durchschnittlich 18 % weniger verdient als Männer. Damit blieb der Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern – der unbereinigte Gender Pay Gap– im Vergleich zum Vorjahr unverändert. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) anlässlich des Equal Pay Day am 7. März 2022 weiter mitteilt, erhielten Frauen mit durchschnittlich 19,12 Euro einen um 4,08 Euro geringeren Bruttostundenverdienst als Männer (23,20 Euro). Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16.02.2023 müssen Frauen bei gleicher Arbeit auch gleich bezahlt werden, eine individuelle Aushandlung der Lohn- oder Gehaltshöhe ist damit nicht wirksam (Zeit Online 2023).
Deutsches Sorgfaltspflichtengesetz
Um ihrer Verantwortung zum Schutz der Menschenrechte gerecht zu werden, setzt die Bundesregierung die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen mit dem Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte von 2016 (Nationaler Aktionsplan, Bundesregierung 2017; 2021; 2022) in der Bundesrepublik Deutschland mit einem Gesetz um. Das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten ist besser unter dem Namen Lieferkettengesetz oder auch Sorgfaltspflichtengesetz bekannt (BMAS 2022, o.a. “Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz”). Dort ist die Erwartung an Unternehmen formuliert, mit Bezug auf ihre Größe, Branche und Position in der Lieferkette in angemessener Weise die menschenrechtlichen Risiken in ihren Liefer- und Wertschöpfungsketten zu ermitteln, ihnen zu begegnen, darüber zu berichten und Beschwerdeverfahren zu ermöglichen.
Das Lieferkettengesetz tritt 2023 in Kraft und gilt dann zunächst für Unternehmen mit mehr als 3.000, ab 2024 mit mehr als 1.000 Angestellten. Es verpflichtet die Unternehmen, in ihren Lieferketten menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in angemessener Weise zu beachten. Kleine und mittlere Unternehmen werden nicht direkt belastet. Allerdings können diese dann betroffen sein, wenn sie Teil der Lieferkette großer Unternehmen sind.
Unabhängig ob betroffen oder nicht: Es lohnt sich auch für kleinere Unternehmen, sich mit dem Gesetz adressierten Nachhaltigkeitsthemen auseinanderzusetzen, um das eigene Handeln entlang dieser Leitplanken zu überprüfen. Der Nachhaltigkeitsbezug ist unter anderem durch den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) gegeben, er gab einen wichtigen Impuls für das Gesetz. Der NAP wurde gemeinsam von Politik und Unternehmen verabschiedet, um zu einer sozial gerechteren Globalisierung beizutragen (Bundesregierung 2017). Ergebnisse einer 2020 im Rahmen des Nationalen Aktionsplans durchgeführten repräsentativen Untersuchungen zeigten jedoch, dass lediglich zwischen 13 und 17 Prozent der befragten Unternehmen die Anforderungen des Nationalen Aktionsplans erfüllen (VENRO 2021). Der gesetzgeberische Impuls war also erforderlich, um die Einhaltung der Menschenrechte zu fördern und damit auch zu einem fairen Wettbewerb zwischen konkurrierenden Unternehmen beizutragen.
Das Lieferkettengesetz rückt internationale Menschenrechtsabkommen und lieferkettentypische Risiken in den Blick: Dazu zählen bspw. das Verbot von Kinderarbeit, der Schutz vor Sklaverei und Zwangsarbeit, die Vorenthaltung eines gerechten Lohns, der Schutz vor widerrechtlichem Landentzug oder der Arbeitsschutz und damit zusammenhängende Gesundheitsgefahren. Es werden zudem internationale Umweltabkommen benannt. Sie adressieren die Problembereiche Quecksilber, persistente organische Schadstoffe und die grenzüberschreitende Verbringung gefährlicher Abfälle und ihre Entsorgung. Zu den jetzt gesetzlich geregelten Sorgfaltspflichten der Unternehmen gehören Aufgaben wie die Durchführung einer Risikoanalyse, die Verankerung von Präventionsmaßnahmen und das sofortige Ergreifen von Abhilfemaßnahmen bei festgestellten Rechtsverstößen. Die neuen Pflichten der Unternehmen sind nach den tatsächlichen Einflussmöglichkeiten abgestuft, je nachdem, ob es sich um den eigenen Geschäftsbereich, einen direkten Vertragspartner oder einen mittelbaren Zulieferer handelt. Bei Verstößen kann die zuständige Aufsichtsbehörde Bußgelder verhängen. Unternehmen können von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden.
Europäisches Lieferkettengesetz
Am 23. Februar 2022 hat die EU-Kommission ihren Vorschlag für ein Gesetz über Nachhaltigkeitspflichten von Unternehmen, die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), vorgelegt. Das Gesetz soll Firmen zum sorgfältigen Umgang mit den sozialen und ökologischen Wirkungen in der gesamten Lieferkette, inklusive des eigenen Geschäftsbereichs, verpflichten. Das EU-Lieferkettengesetz geht deutlich über das ab Januar 2023 geltende deutsche Lieferkettengesetz (LkSG) hinaus. Der Entwurf für das europäische Lieferkettengesetz verpflichtet EU-Firmen zum sorgfältigen Umgang mit den sozialen und ökologischen Auswirkungen entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette, inklusive direkten und indirekten Lieferanten, eigenen Geschäftstätigkeiten, sowie Produkten und Dienstleistungen. Das Ziel ist die weltweite Einhaltung von geltenden Menschenrechtsstandards und des Umweltschutzes, um eine fairere und nachhaltigere globale Wirtschaft sowie eine verantwortungsvolle Unternehmensführung zu fördern .
Für Lieferverträge und Kooperationen könnten bereits in Eigeninitiative Kriterien zur nachhaltigen Gestaltung der Rohstoffe, Zwischenprodukte und Transportwege vereinbart werden und die Arbeitsbedingungen entlang der Wertschöpfungskette nach den o.g. Standards festgeschrieben werden. Anhaltspunkte sind zu finden in Zertifizierungen als “Fair gehandelte Produkte”. Eine Orientierung bei der Auswahl von Lieferanten kann derweil unabhängige privatwirtschaftliche Plattformen bieten. Z.B. die Onlineplattform Ecovadis, die in der Studie des Handelsblatt-Research-Instituts erwähnt wird. Die Organisation arbeitet international mit Fachexperten und Nichtregierungsorganisationen zusammen und hat bislang etwa 90.000 Unternehmen bewertet. Sie bewertet Unternehmen nach 21 Nachhaltigkeitskriterien aus den Bereichen Umwelt, Arbeits-und Menschenrechte, Ethik und Nachhaltige Beschaffung. Für die Transparenz derartiger Zertifikate spielen digitale Technologien eine zentrale Rolle. Auch über die Verfügbarkeit von Beurteilungen derartiger Organisationen hinaus können heutzutage digitale Medien eine reichhaltige Informationsressource sein, die Informationen über politische, wirtschaftliche und soziale Lagen in fernen Ländern zugänglich machen. Die Methodik basiert auf internationalen Standards für Nachhaltigkeit, z. B. der Global Reporting Initiative, dem United Nations Global Compact und der ISO 2600. Im EcoVadis – Bericht vom Oktober 2022 wird festgestellt, dass Unternehmen aller Größenordnungen weltweit ihre Nachhaltigkeitsleistungen in den letzten 5 Jahren verbessert haben. Interessant ist die Feststellung, dass „nur 11 % der Unternehmen in 2021 eine Lieferantenbewertung und 5 % eine interne Risikobewertung für Kinder- und Zwangsarbeit durchgeführt haben. Dies ist besonders besorgniserregend, da die Gesetze zur Sorgfaltspflicht im Bereich der Menschenrechte zunehmen, während die Internationale Arbeitsorganisation schätzt, dass die Zahl der Menschen, die Opfer von moderner Sklaverei sind, in den letzten fünf Jahren um 10 Millionen gestiegen ist.” (Pinkawa 2022).
Unternehmensführung
Nachhaltige Unternehmensführung stellt einen integrativen und holistischen Managementansatz dar, der auf die Berücksichtigung und das Management der Nachhaltigkeit im und durch das Unternehmen fokussiert ist. Dabei werden die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit berücksichtigt:
- Die Ökonomie (Sach- und Finanzkapital)
- die Ökologie (natürliche Ressourcen)
- das Soziale (Humankapital).
5 Grundsätze der Nachhaltigkeit in der Unternehmensführung existieren nach Günther und Ruter (2015):
- Ziel: langfristige Erhaltung des Unternehmens
- Umsetzung der Nachhaltigkeit im strategischen und operativen Geschäft
- Bildung eigener Indikatoren der nachhaltigen Unternehmensführung
- Erfolg der nachhaltigen Unternehmensführung durch Orientierung an Werten und Regeltreue
- Umsetzung der Basisprinzipien nachhaltiger Unternehmensführung: Solidarität, Transparenz und Risikomanagement (öko-Institut o.J.).
Wer seinen Betrieb nachhaltig aufstellen will, hat den Blick nach außen und nach innen zu richten. Der Blick nach außen bezieht sich auf die Gesellschaft und die Umwelt. Der Blick nach innen bezieht sich auf die ressourcen-orientierte Ökonomie und Ökologie, d. h. die Bereiche Beschaffung, Produktion, Absatz und Marketing so zu gestalten, dass die Umwelt geschützt und der Verbrauch von Ressourcen frei nach dem Prinzip so wenig wie möglich, so viel wie nötig, minimiert werden. Kosten für Umweltauswirkungen werden berechnet und in die Preisbildung mit einbezogen. Weiterhin gehören zu dem Blick nach innen die Mitarbeiter*innen.
Es gibt eine Reihe Gemeinwohl-orientierter Wirtschaftsansätze. Dazu zählt die Gemeinwohl-Ökonomie, entwickelt von Christian Felber (ebd. 2015). Dabei basiert das Unternehmen auf gemeinwohl-fördernden Werten wie Kooperation statt auf Konkurrenz und Gewinnmaximierung. Vertrauen, Verantwortung, Teilen und Solidarität sollen gefördert werden. Die Basis des Modells ist die Gemeinwohl-Bilanz, die den unternehmerischen Erfolg nicht nur aus dem monetären Gewinn ableitet (wie in konventionellen Bilanzen), sondern aus den positiven wie negativen Folgen eines Unternehmens für Gesellschaft, Umwelt und Volkswirtschaft. Es geht um das Messen der Punkte, “die wirklich zählen“. Im Vergleich zum jetzigen Wirtschaften seien das sozialer, ökologischer, demokratischer, solidarischer (ebd.).
Personalführung
Nachhaltige Führung baut auf den Erhalt der Arbeitsfähigkeit (Können) und der Motivation (Wollen) der Mitarbeiter*innen auf (gabler o.J., BMBF 2017). Es geht um die Nutzung der Ressourcen bei Erhalt der Arbeitsfähigkeit. Um letztere zu erhalten, kann und sollte der Arbeitgeber in verschiedene Bereiche investieren, z. B. in Weiterbildung, Kommunikationstrainings, Maßnahmen zur Gesundheitsfürsorge und ergonomische Arbeitsmittel. Auch flexible Arbeitszeiten können Stress reduzieren. Qualifizierte Mitarbeiter*innen können besser zum betriebswirtschaftlichen Unternehmenserfolg beitragen.
Die Motivation der Mitarbeiter*innen ist genauso wichtig wie die Arbeitsfähigkeit. Nachhaltig agierende Unternehmenslenker*innen und Vorgesetzte erhalten die Motivation ihrer Mitarbeiter*innen, indem sie daran glauben, dass Menschen von innen motiviert sind und einen sinnvollen Beitrag leisten wollen, indem sie ihnen mit ehrlichem Interesse begegnen. Wird Mitarbeiter*innen zusätzlich zum Lob und Anerkennung in Form von Dank entgegengebracht, können sie das positive Menschenbild noch verstärken. Gesteigert wird die Anerkennung, wenn der Dank individuell und verbal begründet wird. Mitarbeiter*innen können so ihre Arbeit als sinnvoll erleben und motiviert bleiben, denn sie haben das Gefühl, zum Unternehmenserfolg beitragen zu können.
Quellenverzeichnis
Agenda 2030: siehe Vereinte Nationen 2015. Online: https://www.un.org/depts/german/gv-70/band1/ar70001.pdf
BDA (o.J.): ARBEITSBEDINGUNGEN IN DEUTSCHLAND MIT SPITZENWERTEN. Online: https://arbeitgeber.de/wp-content/uploads/2021/01/bda-arbeitgeber-argumente-arbeitsbedingungen_in_deutschland_mit_spitzenwerten-2020_04.pdf
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
BMAS Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2022): Sorgfaltspflichtengesetz – Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten. Online: https://www.bmas.de/DE/Service/Gesetze-und-Gesetzesvorhaben/gesetz-unternehmerische-sorgfaltspflichten-lieferketten.html
BMAS Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2020) Eckpunkte „Arbeitsschutzprogramm für die Fleischwirtschaft“. Online: www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Pressemitteilungen/2020/eckpunkte-arbeitsschutzprogramm-fleischwirtschaft.pdf
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: https://www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2017): Nachhaltigkeit im Personalmanagement. Online: nachhaltig-forschen.de/fileadmin/user_upload/FactSheets_LeNa_Personal.pdf
BMZ Bundesministerium für Wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) 2021: Das Lieferkettengesetz. Online: https://www.bmz.de/de/entwicklungspolitik/lieferkettengesetz
BMZ Bundesministerium für Wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) 2022: Gemeinsam gegen Kinderarbeit. Online: https://www.bmz.de/de/themen/kinderarbeit
Bundesregierung (2017): Online: Nationaler Aktionsplan Umsetzung der VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Online: https://india.diplo.de/blob/2213082/a20dc627e64be2cbc6d2d4de8858e6af/nap-data.pdf
Bundesregierung 2021: Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie 2021. Online: https://www.bundesregierung.de/breg-de/service/archiv/nachhaltigkeitsstrategie-2021-1873560
Bundesregierung (2022): Grundsatzbeschluss 2022 zur Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Online: https://www.bundesregierung.de/resource/blob/992814/2146150/16d54e524cf79a6b8e690d2107226458/2022-11-30-dns-grundsatzbeschluss-data.pdf?download=1
destatis (o.J.): Internationale Arbeitsorganisation (ILO)-Arbeitsmarktstatistik. Online: https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Arbeitsmarkt/Erwerbstaetigkeit/Methoden/Erlaeuterungen/erlaeterungen-arbeitsmarktstatistik-ilo.html
destatis (2022): Gender Pay Gap. Online: https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Arbeitsmarkt/Qualitaet-Arbeit/Dimension-1/gender-pay-gap.html
Deutsche UNESCO-Kommission (DUK) 2021: Bildung für nachhaltige Entwicklung – Eine Roadmap. BNE / EDS 2030. Online: https://www.unesco.de/sites/default/files/2021-10/BNE_2030_Roadmap_DE_web-PDF_nicht-bf.pdf
Eurofound (2021): Working conditions in the time of Covid-19: Implications for the future. Online: https://www.eurofound.europa.eu/sites/default/files/ef_publication/field_ef_document/ef22012en.pdf
DGB Deutscher Gewerkschaftsbund (o.J.): Decent work – menschenwürdige Arbeit. Online: www.dgb.de/themen/++co++6157a9a0-2961-11df-48e5-001ec9b03e44
DGB (2022): Index Gute Arbeit – Jahresbericht 2022, Ergebnisse der Beschäftigtenbefragung. Online: https://index-gute-arbeit.dgb.de/++co++b20b2d92-507f-11ed-b251-001a4a160123
Fairtrade (o.J.a): Menschenwürdige Arbeitsbedingungen für alle. Online: https://www.fairtrade-deutschland.de/aktiv-werden/aktuelle-aktionen/fairtrade-und-die-sdgs/sdg-8-menschenwuerdige-arbeit-und-wirtschaftswachstum
Fairtrade (o.J.b): Die Spielregeln des fairen Handels. Online: https://www.fairtrade-deutschland.de/was-ist-fairtrade/fairtrade-standards
Ferber Personalberatung (o.J.): Was Mitarbeiterführung mit Nachhaltigkeit zu tun hat … Online: ferber-personalberatung.de/mitarbeiterfuhrung-nachhaltigkeit/
Günther, Edeltraud; Ruter, Rudolf (Hrsg. 2015): Grundsätze nachhaltiger Unternehmensführung. Online: https://beckassets.blob.core.windows.net/product/other/15238332/9783503163151.pdf
ILO Internationale Arbeitsorganisation 2021: UN startet Internationales Jahr zur Abschaffung der Kinderarbeit 2021. Online: https://www.ilo.org/berlin/presseinformationen/WCMS_766477/lang–de/index.htm
ILO Internationale Arbeitsorganisation (o.J.): Erholung von der Krise: Ein Globaler Beschäftigungspakt. Online; https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/—ed_norm/—relconf/documents/publication/wcms_820295.pdf
Jakob, Johannes (2016) in: Forum Menschenrechte et al.(2019): Bericht Deutschland und die UN-Nachhaltigkeitsagenda 2016. Noch lange nicht nachhaltig, II.11. Gute und menschenwürdige Arbeit auch in Deutschland. Online: www.2030report.de/de/bericht/317/kapitel/ii11-gute-und-menschenwuerdige-arbeit-auch-deutschland
Pinkawa, Pia (2022): Nachhaltigkeitsleistung nimmt zu. Online: https://resources.ecovadis.com/de/neuigkeiten/nachhaltigkeitsleistung-nimmt-zu-ecovadis-ver%C3%B6ffentlicht-sechste-ausgabe-des-business-sustainability-risk-performance-index
Öko-Institut (o.J.): Nachhaltige Unternehmensführung: Verantwortung für Gesellschaft und Umwelt. Online: www.oeko.de/forschung-beratung/themen/konsum-und-unternehmen/nachhaltige-unternehmensfuehrung-verantwortung-fuer-gesellschaft-und-umwelt
Schulten, Thorsten; Specht, Johannes (2021): Ein Jahr Arbeitsschutzkontrollgesetz – Grundlegender Wandel in der Fleischindustrie? Online: www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/fleisch-2021/344835/ein-jahr-arbeitsschutzkontrollgesetz/
Springer Gabler (o.J.): Gabler Wirtschaftslexikon: Definition Nachhaltiges Nachhaltigkeit im Personalmanagement. Online: https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/nachhaltiges-personalmanagement-53887
statista (2021): Arbeitsunfälle in Deutschland. Online: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/6051/umfrage/gemeldete-arbeitsunfaelle-in-deutschland-seit-1986/
VENRO Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (2021): Vier Jahre Nationaler Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP). Online: https://venro.org/publikationen/detail/vier-jahre-nationaler-aktionsplan-wirtschaft-und-menschenrechte-nap
Vereinte Nationen (1948): Resolution der Generalversammlung 217 A (III). Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Online: https://www.un.org/depts/german/menschenrechte/aemr.pdf
Vereinte Nationen 2015: Resolution der Generalversammlung „Transformation unserer Welt: die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“. Online: https://www.un.org/depts/german/gv-70/band1/ar70001.pdf
Welthungerhilfe (2020): Indien hält bei der Kinderarbeit den traurigen Spitzenplatz. Online: www.welthungerhilfe.de/welternaehrung/rubriken/wirtschaft-menschenrechte/indien-haelt-bei-kinderarbeit-den-traurigen-spitzenplatz
Zeit Online (2023): Lohnunterschiede bei gleicher Arbeit rechtswidrig. Online: https://www.zeit.de/arbeit/2023-02/lohngleichheit-bundesarbeitsgericht-frauen-urteil-diskriminierung?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.ecosia.org%2F
Zoll 2022: Verpflegung und Unterkunft für Saisonarbeitskräfte. Online: https://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Arbeit/Mindestarbeitsbedingungen/Mindestlohn-Mindestlohngesetz/Berechnung-Zahlung-Mindestlohns/Verpflegung-Unterkunft-Saisonarbeitskraefte/verpflegung-unterkunft-saisonarbeitskraefte_node.html
SDG 9 Industrie, Innovation und Infrastruktur
“Eine widerstandsfähige Infrastruktur aufbauen,inklusive und nachhaltige Industrialisierung fördern und Innovationen unterstützen”
Der Bezug zum SDG 9 erscheint auf den ersten Blick wie ein Widerspruch in Bezug auf ein Handwerk, das den Erhalt von traditionellen Materialien und Produktionsweisen so stark in den Mittelpunkt rückt wie der handwerkliche Instrumentenbau.
Vor allem die Verwendung von tropischen Holzarten, die zwar nicht nur durch den Instrumentenbau, sondern auch durch den Instrumentenbau dezimiert wurden und werden, verdeutlicht die Bedeutung von neuen Entwicklungspfaden insbesondere im Bereich der Holzverarbeitung und auch im Bereich von neuen Materialien. Viele Akteure und Akteurinnen im Instrumentenbau haben diese Bedeutung erkannt, andere betonen den geringen Materialverbrauch des Wirtschaftszweiges beispielsweise im Vergleich zur Möbelindustrie. So wird nur 0,04 % des Grenadillholzes, welches Mosambik, eines der Hauptexportländer, exportiert, für den Bau von Musikinstrumenten verwendet (Sullivan 2017). Innovationen wird jedoch ein hohes Potenzial zugesprochen. Diese Innovationen müssen jedoch in einem traditionellen Marktumfeld erprobt und etabliert werden. Für den deutschen Instrumentenbau kommt deshalb dem SGD 9.5 eine Bedeutung zu:
SDG 9.5 Forschung verbessern und Innovationen fördern
Dies gilt einerseits in Bezug auf neue Verfahren, mit denen einheimische oder schnell wachsende Hölzer gehärtet werden, um die Dichte des Werkstoffes zu erhöhen. Andererseits werden neue Materialien wie Carbon stärker als Alternativen in Betracht gezogen. Beide Pfade gelten nicht nur als Lückenbüßer, sondern sind mit jeweils eigenen Vor- und Nachteilen verbunden (beispielsweise die Widerstandsfähigkeit als Vorteil, die mangelnde Recyclingfähigkeit als Nachteil, s. unten).
Die Schnittmenge für das SDG 9 ergibt sich aus den Nummern a, b und e der Standardberufsbildposition (BMBF 2022):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
Holzersatzmaterialien
Der gegenwärtige Stand der handwerklichen Herstellung von Saiteninstrumenten hat sich im letzten Jahrhundert nur wenig weiterentwickelt. Das übliche Design umfasst verschiedene Holzarten wie Ebenholz und Dalbergia-Arten, also langsam wachsende, dichte Bäume, die in tropischen Ländern wie Brasilien und Madagaskar heimisch sind. Diese Hölzer werden aufgrund ihrer Härte und Steifigkeit hauptsächlich für das Griffbrett und den Steg verwendet. Das Griffbrett wird beim Spielen von den Saiten abgeschliffen und versteift den Hals des Instruments, um der Saitenspannung standzuhalten. Der Steg dient der Fixierung der Saiten auf der Decke.
Zwei Beispiele für neue Materialien sollen die Möglichkeiten für Holzalternativen verdeutlichen. Sie belegen auch die verstärkte Suche nach alternativen Verbundwerkstoffen und Produktionsweisen infolge der aktuellen Nachhaltigkeitsdiskussion sowie der Beschränkungen für die derzeit verbreitet verwendeten Materialien wie Palisander oder Ebenholz.
- Für Gitarrengriffbretter gibt es bereits handelsübliche Alternativen zu Holz wie Richlite (www.richlite-deutschland.de), ein Material aus mit Phenolharz getränktem Papier oder Rocklite aus Holzfasern und duroplastischem Harz (www.rocklite.co.uk).
- Für die Herstellung klassischer Streichinstrumente wie Celli und Geigen gilt Corène als Alternative (www.mycorene.com), welches dem Richlite ähnlich sein soll.
- Seit mehreren Jahren werden auch Carboninstrumente hergestellt und vertrieben (NN 2015).
Chabot et al. (2022) beschreiben die Verwendung eines neuen flachsbasierten Verbundwerkstoffes, der ähnliche physikalische Eigenschaften wie die üblicherweise verwendeten exotischen Hölzer aufweist. Zur Erprobung wurde ein Prototyp eines Gitarrenhalses hergestellt. Die Verfasser schätzen Verbundwerkstoffe auf Basis von Naturmaterialien als eine Alternative sowohl zu Hölzern als auch zu Carbon ein, da hier die bekannten Techniken von Verbundstoffen genutzt werden können und gleichzeitig die natürlichen Eigenschaften von Pflanzen stärker zur Geltung kommen und sich die Instrumente wie Holz verhalten.
Kohlefaserverstärkte Kunststoffe bestehen aus Kohlenstofffasern (auch kurz Kohlefasern oder Carbonfasern) und einer Polymermatrix. Sie sind heute vor allem aus dem Flugzeugbau bekannt, wo sich die teuren Herstellungskosten aufgrund der Leichtigkeit des Werkstoffes und daraus resultieren Treibstoffeinsparungen rentieren. Auch hochpreisige Fahrräder werden aus Carbon gefertigt, hier ist das Eigengewicht des Fahrrads die relevante Größe. Die Kohlefasern werden im Herstellungsprozess in die Matrix eingebettet. Der Kohlenstoffgehalt von Kohlenstofffasern liegt zwischen 92 und 99,9 Prozent. Kohlenstoffe wie Graphit und Diamant sind unlöslich und unschmelzbar und daher für die industrielle Nutzung nicht direkt geeignet. Deswegen werden die nichtschmelzbaren organische Verbindungen zunächst bei hohen Temperaturen und weitgehend unter Ausschluss von Sauerstoff gespalten (Pyrolyse). Das Ausgangsprodukt der Pyrolyse sind meist strukturell vorgeformte hochmolekulare Materialien. Diese Ausgangsmaterialien werden als Präkursoren bezeichnet. Mit der Pyrolyse wird die ursprüngliche Struktur der Präkursoren verdichtet. Ein weiteres Aufheizen führt dann je nach gewähltem Temperaturzeitverlauf des Verfahrens zu unterschiedlichen Carbontypen. Das finale Carbonfaserprodukt entsteht im Anschluss durch die Verbindung Kohlenstoffe mit einer Polymermatrix aus mehrlagigem Kunststoff (bspw. Duroplaste, korrekt Duromere, die nach dem Aushärten nicht wieder eingeschmolzen werden können und somit formstabil sind). Die Herstellung des Materials ist energieintensiv und teuer. Faserverbundstoffe weisen bei gleichem Gewicht bessere Festigkeitswerte auf als in anderen Formen. Carbonfasern weisen somit eine hohe Beständigkeit gegenüber Temperaturschwankungen und Feuchtigkeit auf. Das leichte Material kann höhere Spannungen aufnehmen als Kunststoffe allein (Werkstofftechnik HTW Berlin 2017). Diese Materialeigenschaften erschweren jedoch das Recycling am Ende des Produktlebens. Es wurde lange Zeit nur verbrannt. Heutige Verfahren erlauben ein Recycling durch Erhitzen, so dass die Duromere verbrennen und reines Karbon zur Weiterverwendung zurückbleibt (Quarks 2020).
Verfahren zur Holzmodifikation
Holz ist das wichtigste Material für viele Musikinstrumente. Bereits vor 30 Jahren wurde begonnen, Alternativmaterialien und Ersatzhölzer für tropische Hölzer zu suchen (Gütter 2022). Unter anderem werden Grenadill, Fernambuk und Palisander aufgrund der jeweiligen Merkmale dieser Klanghölzer genutzt.
Bei der Auswahl von heimischen Hölzern stehen besonders die Klangeigenschaften sowie die Materialhärte im Vordergrund, die denen von Tropenhölzern möglichst ähnlich sein sollen. Die Universität Dresden entwickelte dazu zwei spezielle Holz-Behandlungsverfahren zur Herstellung von Tonholz aus heimischen Hölzern (TU Dresden 2019). Es handelt sich dabei um eine thermische und um eine chemische Modifikation. Die Thermomodifikation zeichnet sich dadurch aus, dass “einheimische Hölzer mit einer bestimmten Temperatur und einem bestimmten Druck für eine gewisse Zeit thermisch behandelt (wird,) um die notwendigen Alterungsprozesse des Holzes zu beschleunigen. Im Ergebnis können die thermisch modifizierten einheimischen Hölzer nach nur einem Jahr zu hochwertigen Musikinstrumenten weiterverarbeitet werden. Die bisher verwendeten Tropenhölzer müssen hierfür sechs bis zehn Jahre gelagert und luftgetrocknet werden, bevor sie als sogenannte Tonhölzer für den Bau von Instrumenten geeignet sind.” (TU Dresden 2019). Dieses Verfahren fokussiert auf Hälse, Decken, Zargen und Böden von Gitarren. Durch das Verfahren werden die Lagerung und der Herstellungsprozess zeitlich verkürzt und die Festigkeit des Holzes erhöht, indem sich Umstrukturierungen von Zellwandbestandteilen vollziehen. Etabliert haben sich als Alternativhölzer: Fichte, Ahorn, Esche, Nussbaum, Rotbuche, Platane und Pflaume. Beim chemisch-mechanische Modifikationsverfahren wird Holz durch eine “Kombination aus einer chemischen Modifikation, mithilfe eines Biopolymers und einem thermomechanischen Verdichtungsprozesses behandelt” (Duwe et al. 2017). Durch diese Verfahren erhält z. B. Rotbuchenholz vergleichbare Eigenschaften wie Ebenholz. Dieses Holz eignet sich besonders für die Griffbretter von Geigen (ebd.). Vergleichende Untersuchungen von Gitarren aus modifizierten heimischen und tropischen Hölzern ergab, dass die Klangeigenschaften von heimischen Holzarten ebenfalls überzeugen und somit eine Chance auf eine erfolgreiche Etablierung auf dem Instrumentenmarkt haben (Gütter 2022).
Ein weiteres Verfahren zur Herstellung von nachhaltigen Alternativhölzern ist das Verdichten von heimischen Holzarten. Das Verfahren wurde durch die ETH Zürich entwickelt und ist unter dem Begriff “Sonowood” bekannt. “Fichte, Ahorn und andere Hölzer werden nach einer Vorbehandlung mit einem hautverträglichen und ungiftigen Hilfsstoff in einer Presse auf ein Drittel des ursprünglichen Volumens verdichtet.” (www.w-fittings.com).Das Holz kann für Griffbretter, Saitenhalter und Wirbel im geigenbau genutzt werden. Auch Holzblasinstrumente wie die Klarinette könnten aus diesem Holz hergestellt werden und so Grenadille ersetzen (www.stempfle.ch).
Es gilt jedoch auch festzustellen, dass auch heimische Hölzer nur ressourcenschonend verwendet werden dürfen. Auswirkungen des Klimawandels lassen sich bereits heute beim europäischen Baubestand beobachten, was die Verfügbarkeit bestimmter heimischer Hölzer beeinflussen wird. Als Beispiele sei die Fichte genannt. Die Fichte gilt als sturm- und trockenheitsempfindlich. Das Anbaurisiko für die Forstwirtschaft wird sich in Zukunft aufgrund der Temperaturanstiege und zunehmenden Stürme erhöhen und den Fichtenbestand gefährden (UBA 2019, Beha 2020).
Additive Fertigung (3D-Druck)
Die additive Fertigung bietet für den Instrumentenbau ein neues Anwendungspotenzial, denn es ermöglicht die Herstellung ganzer Instrumente oder einzelner Bauteile. “Bei der additiven Fertigung bzw. beim »3-D-Druck«, wie die Verfahren in der Umgangssprache häufig bezeichnet werden, entsteht das gewünschte Bauteil auf der Grundlage eines digitalen 3D-Modells durch sukzessives schichtweises Auftragen des Ausgangsmaterials.” (Caviezel et al. 2017, S. 9). Durch dieses Verfahren könnten z. B. defekte Verschleißteile von historischen Instrumenten, die aus tierischen oder pflanzlichen Materialien bestehen, aus Kunststoff hergestellt und ersetzt werden. Ein weiterer Vorteil des Verfahrens ist die kürzere Fertigungszeit für komplexe Instrumententeile wie Mundstücke oder Ventile (Aliyev et al. 2022). Besonders im Bereich der Fertigung von komplexen Metallblasinstrumenten wird die additive Fertigung als sinnvolle Ergänzung erachtet. Das Forschungsprojekt “Additive Fertigung im Musikinstrumentenbau” beschäftigte sich bis Ende 2022 mit den Möglichkeiten des Einsatzes des Verfahrens bei der Herstellung von Bauteilen von Metallblasinstrumenten und Streichinstrumenten (www.imatech-musik.de o.J. a ).
Im internationalen Raum haben in den vergangenen Jahren einzelne Unternehmen damit begonnen, ganze Instrumente wie Gitarren oder E-Celli auf diese Weise herzustellen. Das Unternehmen “Forust Corporation” druckte z. B. eine Gitarre aus einem Material, das sich aus Holzsägemehl und Bio-Epoxidharz als Bindemittel zusammensetzt und könnte sich zu einer nachhaltigeren Alternative zu reinen Holzprodukten entwickeln (www.forust.com).
Die ökologische Wirkung der additiven Fertigung im Instrumentenbau wurde bisher nicht systematisch untersucht. Die Ökobilanz von additiv hergestellten Instrumenten(-teilen) hängt vom eingesetzten Verfahren, von Technologien und den eingesetzten Materialien ab. Es liegen aber folgende positive Effekte nahe: hohe Materialeffizienz im Fertigungsprozess, (mögliche) Transporteinsparungen durch Dezentralisierung der Produktion, einfache und zeitnahe Reparatur von Verschleißteilen und kein Werkzeugverschleiß. Negative Effekte können sich aus einem höherer Energieverbrauch bei der Fertigung sowie einer schlechteren Ökobilanz ergeben, wenn natürliche Produkte zunehmend durch Kunststoffe ersetzt würden (Caviezel et al. 2017). Neben der ökologischen Wirkung müssen auch die gesundheitlichen Risiken betrachtet werden. Auch hier kommt es auf das Verfahren und die verwendeten Materialien an. Grundsätzlich ist es möglich, dass es zu “Emissionen von Kleinstpartikeln und/oder gasförmigen Substanzen kommen kann, die sich in geschlossenen Räumen in der Atemluft anreichern und unter Umständen eine Gefahr für die Bediener der Anlagen darstellen können.” (Caviezel et al. 2017, S. 168). Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) führte dazu erste Untersuchungen zu Staubbelastungen im Zusammenhang mit dem sog. Pulverbettverfahren durch, bei dem Metall- und Kunstoffpulver eingesetzt werden (Hebisch et al. 2021). Die BAuA leitete aus den Untersuchungen erste Arbeitschutzmaßnahmen wie die Sicherstellung einer staubarmen Arbeitsweise und der Einsatz von partikelfiltrierender Atemschutz ab.
Forschungseinrichtungen
Deutsche Universitäten beschäftigen sich mit der Modifikation von heimischen Hölzern, um deren Klangeigenschaften zu verbessern. Zum einen gibt es an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde (HNEE) das Fachgebiet Chemie und Physik des Holzes. Ein Forschungsfeld ist die Materialentwicklung und -analyse für Musikinstrumente. Mit dem Verfahren der Thermomodifikation kam 2017 im Rahmen eines Forschungsprojektes und in Zusammenarbeit mit einem Gitarrenbauunternehmen die erste Gitarre auf Basis von Erlen- oder Birnenholz auf den Markt (Göring 2017).
An der Technischen Universität Dresden wird zum einen am Institut für Naturstofftechnik im Bereich Holztechnik und Faserwerkstofftechnik zur Holzmodifikation geforscht. Zum anderen forscht das Institut für Musikinstrumentenbau e.V. in den Fachgebieten Akustik/ Schwingungstechnik, Werkstoffe und Technologie mit Schwerpunkt Musikinstrumentenbau. Auch dieser Fachbereich beschäftigt sich mit dem Thema Thermomodifiktion heimischer Hölzer. Ab 2023 folgt im Rahmen des Bündnisses I-Ma-Tech im westsächsischen Vogtland ein Projekt zur Suche nach Alternativledierungen für den Instrumentenbau. Ziel ist es u. a., eine bleifreie Messinglegierungen zu entwickeln (www.imatech-musik.de o.J. b).
Quellenverzeichnis
Aliyev, Rezo; Zeidler, Henning; Krinke, Stefan; Voigt, Kerstin (2022): Was leistet Additive Fertigung im Musikinstrumentenbau? Online: www.ingenieur.de/fachmedien/vdi-z/additive-fertigung/was-leistet-additive-fertigung-im-musikinstrumentenbau
Beha, Sophie Emilie (2020): Raubbau für die Hochkultur? Geigenbau und Umweltschutz. Online: www.deutschlandfunk.de/geigenbau-und-umweltschutz-raubbau-fuer-die-hochkultur-100.html
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
Caviezel, Claudio; Grünwald, Reinhard; Ehrenberg-Silies, Simone; Kind, Sonja; Jetzke, Tobias; Bovenschulte, Marc (2017): Additive Fertigungsverfahren (3D-Druck). Innovationsanalyse. Berlin. Online: https://publikationen.bibliothek.kit.edu/1000078105/122541564
Duwe, Jacqueline; Zauer, Mario; Wagenführ, André (2017): Nachhaltige Zukunftsmusik: Rotbuche als klangvoller Ersatz für Tropenholz. Online: https://tu-dresden.de/ing/maschinenwesen/die-fakultaet/news/rotbuche_tonholz
Göring, Marlene (2017): So klingt der deutsche Wald: Instrumente aus Tropenholz? Muss nicht sein: Ein Materialwissenschaftler hat einen Weg gefunden, um die Klangeigenschaften von heimischen Hölzern zu verbessern. In: National Geographic – Ausgabe 12/2017. Online: https://www.nationalgeographic.de/geschichte-und-kultur/2017/12/so-klingt-der-deutsche-wald
Gütter, Christian (2022): Alternativen für geschützte Hölzer im Musikinstrumentenbau. Online: https://www.ifm-zwota.de/hoelzer.pdf
Hebisch, R.; Prott, U.; Woznica, A.; Walter, J.; Hustedt, M.; Kaierle, S. (2021): Stoffbelastungen bei der additiven Fertigung mit Pulverbettverfahren. In: Gefahrstoffe – Reinhaltung der Luft 81 (1-2). Online: www.baua.de/DE/Angebote/Publikationen/Aufsaetze/artikel2942.html
imatech-musik.de (o.J. a): Additive Fertigung. Online: www.imatech-musik.de/projekt-additive-fertigung
imatech-musik.de (o.J. b): Alternativledierungen. Online: www.imatech-musik.de/projekt-alternativlegierungen
mycorene.com (o.J.): Corene™ Eco-composite fingerboards free of ebony. Innovation and precision at the service of modern violin making. Online: www.mycorene.com
NN (2015): Deutschlands beste Violine ist aus Carbon. Online: www.handwerksblatt.de/betriebsfuehrung/deutschlands-beste-violine-ist-aus-carbon
Quarks (2020): Vom Siegeszug der Kunststoffe zu neuen Supermaterialien (Video). Online: www.youtube.com/watch?v=jTaBrWyVBmg
richlite-deutschland.de (o.J.): Was ist Richlite®? Online: https://richlite-deutschland.de/richlite
rocklite.co.uk (o. J.): What is Rocklite? Online: www.rocklite.co.uk
Sullivan, J. (2017): New CITES regulations: A Clarinetists’s Primer. In: The Clarinet (4). Online: https://clarinet.org/new-cites-regulations-a-clarinetists-primer
stempfle.ch: Interview mit Dr. Oliver Kläusler, CEO von Swiss Wood Solutions, zum Grenadillersatz Swiss Ebony. Online: www.stempfle.ch/interview-mit-dr-oliver-klaeusler-ceo-von-swiss-wood-solutions-zum-grenadillersatz-swiss-ebony
TU Dresden (2019): TU Dresden bringt einheimische Hölzer zum Klingen (09.05.2019). Online: www.tu-dresden.de/ing/maschinenwesen/die-fakultaet/news/tu-dresden-bringt-einheimische-hoelzer-zum-klingen
UBA (2019): FW-I-2: Gefährdete Fichtenbestände. Online: https://www.umweltbundesamt.de/fw-i-2-das-indikator#fw-i-2-gefahrdete-fichtenbestande
w-fittings.com (o.J.): Sonowood. Online: www.w-fittings.com/de#sonowood
Werkstofftechnik-HTW Berlin (2017): Faserverbundwerkstoffe – Bestandteile (Video). Online: www.youtube.com/watch?v=5BujkmMlAHw
SDG 11 Nachhaltige Städte und Gemeinden
“Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig gestalten”
Das Nachhaltigkeitsziel 11 leistet einen Beitrag zur Steigerung der Inklusivität, Sicherheit, Widerstandskraft und damit zur Nachhaltigkeit von Städten und Gemeinden. Auch wenn hier zunächst die Nähe zum Instrumentenbau nicht naheliegt, ist hier als Unterziel doch der Kern von Nachhaltigkeit mit Bezug zu diesem Handwerk eingebettet:
SDG 11.4 “Die Anstrengungen zum Schutz und zur Wahrung des Weltkultur- und -naturerbes verstärken“.
Die weltweiten Anstrengungen zum kulturellen Erbe werden unter dem Dach der UNESCO gebündelt. “Kultur- und Naturerbestätten, Kulturlandschaften, Können, Wissen, Bräuche und Dokumente spiegeln den Reichtum menschlicher Lebensentwürfe und -erfahrungen.“ “ Sie sind der Schlüssel zu Geschichte und Zukunft und verbinden Menschen über Grenzen hinweg.” (www.unesco.de/kultur-und-natur). So beschreibt die Deutsche UNESCO die Funktion des kulturellen Erbes. Musikinstrumente und Musikinstrumentenbau werden von der UNESCO unter immateriellen Kulturerbe gefasst. Dazu zählen unter anderem die traditionelle Geigenbaukunst in Cremona oder der Vogtländischer Musikinstrumentenbau in Markneukirchen und Umgebung (Deutsche UNESCO-Kommission e.V. 2019, S. 142 ff.)
Der Bezug zur neuen Standardberufsbildposition “Umweltschutz und Nachhaltigkeit” ergibt sich deshalb über die Positionen e) und f):
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Einerseits gilt es, die Nutzung von Materialien und Energie nachhaltigkeit zu gestalten (s. SDG 6, SDG 9 und SDG 12), andererseits mit anderen Akteuren so zusammenarbeiten, so dass sowohl die Produktion als auch Verkauf bzw. anderen Nutzungsformen (s. SDG 12) nachhaltiger wird. Gerade die Kommunikation mit den Kunden und Kundinnen über die Leistungen und die Nachhaltigkeit des Instrumentenbaus ist deshalb von Bedeutung (s.a. SDG 12).
Quellenverzeichnis
unesco.de (o.J.): Erbe erhalten, Vielfalt und Nachhaltigkeit fördern. Online: www.unesco.de/kultur-und-natur
Deutsche UNESCO-Kommission e.V. (2019): Bundesweites Verzeichnis Immaterielles Kulturerbe. Bonn.
SDG 12 Nachhaltige/r Konsum und Produktion
“Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen”
Dieses SDG 12 zielt auf die nachhaltige und effiziente Nutzung der Ressourcen ab. Ressourcen sind alle Stoffe der Natur (Mineralien und Metalle, biotische Ressourcen wie Holz oder Baumwolle), aber auch Luft, Wasser und Boden (vgl. ProgRess 2016). Abfälle sollen vermieden oder recycelt und gefährliche Abfälle sicher entsorgt werden. Weitere Themen sind die nachhaltige Entwicklung von Unternehmen, eine bessere Verbraucher- und Verbraucherinnen-Bildung, nachhaltige Beschaffung und der umweltverträgliche Umgang mit Chemikalien. Folgende Unterziele sind für die Instrumentenbauer und Instrumentenbauerinnen relevant:
12.2 Bis 2030 die nachhaltige Bewirtschaftung und effiziente Nutzung der natürlichen Ressourcen erreichen
12.4 Bis 2020 einen umweltverträglichen Umgang mit Chemikalien und allen Abfällen während ihres gesamten Lebenszyklus … erreichen und ihre Freisetzung in Luft, Wasser und Boden erheblich verringern, um ihre nachteiligen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt auf ein Mindestmaß zu beschränken
12.5 Bis 2030 das Abfallaufkommen durch Vermeidung, Verminderung, Wiederverwertung und Wiederverwendung deutlich verringern
Dem Unterziel 12.2 kommt besondere Bedeutung zu , denn dieses fokussiert auf die nachhaltige Bewirtschaftung und effiziente Nutzung der natürlichen Ressourcen. Und hierbei kommt es nicht auf die Mengen an, sondern auf die Vermeidung unnötiger Belastungen für alle drei Nachhaltigkeitsdimensionen, weshalb der Bestand der Ressourcen, der mit Bezug zum Instrumentenbau in besonderem Maße berücksichtigt und auch kommuniziert werden muss.
Einerseits ist der Raubbau an der Natur mit Bezug vor allem mit Bezug zu tropischen Hölzern in Produktion und Vertrieb bekannt. Diese können selbst durch Anpflanzungsprogramme nicht aufgefangen werden, zu sehr sind die zugehörigen Ökosysteme bereits zerstört. Auch wachsen gerade die für den Musikinstrumentenbau verwendeten Hölzer so langsam, dass mindestens in mehreren Jahrzehnten gedacht werden muss.
Andererseits wünschen sich Kunden weiterhin nicht nur die Funktionalität, sondern auch die Optik der bedrohten Hölzer und sind somit meist traditionellen Denkweisen und nicht der Nachhaltigkeit verpflichtet. Trotz erster Nachhaltigkeitsinitiativen des Handwerks bzw. der Musikindustrie scheint der Umdenkprozess hier erst am Anfang zu stehen.
Die Schnittmenge für das SDG 7 ergibt sich aus den Nummern a und b der Standardberufsbildposition (BMBF 2022):
- Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
- bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
Aus- und Einfuhren von Musikinstrumenten
Auf Basis der Außenhandelsstatistik des Statistischen Bundesamtes für das Jahr für diverse Jahre stellte das Deutsche Musikinformationszentrum Übersichten zu den Aus- und Einfuhren von Musikinstrumenten zusammen. Demnach exportierte Deutschland im Jahr 2019 Musikinstrumente im Wert von mehr als 694 Millionen Euro. Der Wert der importierten Musikinstrumente betrug knapp 688 Millionen Euro. “Die größten Handelsanteile nach Wert hatten in der Ausfuhr Tasteninstrumente (24,2 %), Teile und Zubehör (23,4 %), elektronische Musikinstrumente (20,6 %) sowie Blasinstrumente (13,1 %). In der Einfuhr überwogen die elektronischen Musikinstrumente deutlich mit einem Handelsanteil von 41,4 %, gefolgt von Teilen und Zubehör (20,1 %). Alle anderen Musikinstrumente weisen im Außenhandel Anteile von weniger als 10 % auf” (MIZ 2021).
Im Detail zeigen sich deutliche Unterschiede mit Bezug zu den einzelnen Instrumentengruppen (MIZ 2021) . Auffällig ist der hohe Anteil von deutschen Tasteninstrumenten beim Export von 167 Mio. Euro (Import: 51 Mio. Euro), die durch den hohen Bekanntheitsgrad einzelner Hersteller wie Bechstein zu begründen sind. Bei den Streich- und Blasinstrumenten überwiegen Exporte (10 Mio. Euro bzw. 91 Mio. Euro, Importe 6 Mio. bzw. 66 Mio. Euro), bei Zupfinstrumenten Importe (56 Mio. Euro, Export 25 Mio. Euro).
Die Analysen des Deutschen Musikzentrums umfassen auch die Analyse der Ein- und Ausfuhren nach Stückzahlen. Im Vergleich der Jahre 2010 bis 2019 fällt der Rückgang bei Ein- und Ausfuhren von neuen Klavieren bei im Vergleich zu anderen Instrumenten hohen Stückzahlen auf. Bei Streichinstrumenten sinken die Einfuhren bei fast gleichbleibenden Ausfuhren. Bei Gitarren werden elektrische Instrumente nicht erfasst, so dass ein Vergleich im Jahresverlauf wenig aussagekräftig ist. Nicht nur bei Blechblasinstrumenten fällt auf, dass sich teils deutliche Unterschiede zwischen den Jahren zeigen.
Abb.: Ein- und Ausfuhren von Musikinstrumenten von 2010 bis 2019
Ausfuhr | Einfuhr | Ausfuhr | ||||||||
Stückzahl | Stückzahl | Stückzahl | ||||||||
2010 | 2019 | Veränderung 2019 zu 2010 in % | 2010 | 2019 | Veränderung 2019 zu 2010 in % | 2010 | 2019 | |||
Tasteninstrumente | Tasteninstrumente | |||||||||
Klaviere (neu) | 9.682 | 7.813 | -19,3 | 16.051 | 12.673 | -21,0 | Klaviere (neu) | 9.682 | 7.813 | |
Flügel | 2.820 | 3.350 | +18,8 | 2.505 | 2.253 | -10,1 | Flügel | 2.820 | 3.350 | |
Streichinstrumente | 24.052 | 23.728 | -1,3 | 71.965 | 63.575 | -11,7 | Streichinstrumente | 24.052 | 23.728 | |
Geigen | 19.277 | 18.307 | -5,0 | 41.668 | 47.205 | +13,3 | Geigen | 19.277 | 18.307 | |
andere | 4.775 | 5.421 | +13,5 | 30.297 | 16.370 | -46,0 | andere | 4.775 | 5.421 | |
Zupfinstrumente | 316.495 | 314.302 | -0,7 | 1.046.888 | 967.745 | -7,6 | Zupfinstrumente | 316.495 | 314.302 | |
Gitarren | 251.482 | 206.594 | -17,8 | 960.495 | 698.204 | +27,3 | Gitarren | 251.482 | 206.594 | |
andere | 65.013 | 107.708 | +65,7 | 86.393 | 269.541 | +212,0 | andere | 65.013 | 107.708 | |
Blasinstrumente | Blasinstrumente | |||||||||
Blechblasinstrumente | 37.874 | 35.948 | -5,1 | 96.130 | 93.618 | -2,6 | Blechblasinstrumente | 37.874 | 35.948 | |
Holzblasinstrumente u. a. | – | – | – | – | – | – | Holzblasinstrumente u. a. | – | – |
Quelle: MIZ 2021, eigene Darstellung
Instrumentenverleih und gebrauchte Instrumente
Das Mieten von Instrumenten ist eine Alternative, um Musikinstrumente zunächst auszuprobieren, um sie später ggf. zu erwerben oder wieder abzugeben. Vor allem Musikschulen bzw. deren Schüler*innen nutzen dieses Angebot bereits, um sich an den Instrumenten auszuprobieren. Dies verhindert Fehlkäufe und vermindert so den Ressourcenverbrauch. Auch Zubehör wird bereits zum Leihen angeboten. Nicht nur Musikschüler*innen können von dem Angebot profitieren, auch Orchestermusiker*innen oder Bands nutzen diese Angebote bspw. auf Reisen bereits. Instrumente können bei entsprechenden Anbietern gegen eine Leihgebühr gemietet werden. Es gibt aber auch bereits Initiativen wie den “Instrumntenhafen” in Rostock (https://hro.art), der gespendete Musikinstrumente kostenfrei verleiht.
Qualitative hochwertige Instrumente können viele Jahre oder Jahrzehnte gespielt werden. Deshalb ist der (Ver-)Kauf eines gebrauchten Instruments in der Regel möglich und spart Geld.
Reparaturen
Der handwerklichen Reparatur kommt eine Schlüsselrolle bei der Verlängerung der Produktnutzungsdauer und somit der Abfallvermeidung und Ressourcenschonung zu (Thonipara et al. 2021). Die Bedeutung von handwerklicher Reparatur spiegelt sich bspw. in Gesetzesinitiativen auf europäischer Ebene zur verpflichtenden Reparierbarkeit von Produkten wieder (ebd.). Im Bereich des Musikinstrumentenbaus ist das Reparieren und Warten von Instrumenten bereits fester Bestandteil der Ausbildungsordnungen. Die zunehmende Bedeutung wird bspw. in der Praxishilfe zur Ausbildungsordnung für Zupfinstrumente (BIBB 2017: 8) sichtbar, denn es wird betont, dass „Reparaturen“ und „Service“ zu einem neuen wichtigen Thema werden und auch der Bedarf an „Pflege“ und „Instandhaltung“ von Instrumenten stetig wächst.
Die meisten Handwerksbetriebe bieten ihren Kunden Reparaturen und Wartungen ihrer Instrumente an. Im Metallblasinstrumentenbau ist die Reparatur von Verschleißteilen wie Mundstücke, Ventile und Klappen häufig notwendig. Auch ganze Instrumente können durch aufwendige handwerkliche Generalüberholungen ihren technisch neuwertigen Zustand zurückerlangen. Die Reparatur von Instrumententeilen aus Materialien von CITES-geschützten pflanzlichen oder tierischen Materialien, müssen mit Altbeständen erfolgen oder durch unkritische Materialien ersetzt werden.
Nachhaltigkeitssiegel
Die Kundschaft der Instrumentenbauerinnen und Instrumentenbauer legt Wert auf traditionelle Bauweisen und die entsprechenden Klangeigenschaften. Im Sinne der Nachhaltigkeit sollte im Kundengespräch dennoch auf die negativen Auswirkungen der Verwendung von Tropenhölzer aufmerksam gemacht werden.
Um sich zwischen “guten”, “besseren” oder “schlechten” Produkten zu entscheiden, können Nachhaltigkeitssiegel Orientierung bieten. Im Bereich des Instrumentenbaus finden sich bisher wenige Siegel, die der Kundschaft bei der Auswahl helfen können. Auffindbare Siegel beziehen sich in der Regel auf die verwendeten Materialien, besonders auf die verwendeten Hölzer:
- FSC-Siegel: FSC steht für „Forest Stewardship Council“ und ist ein internationales Zertifizierungssystem für nachhaltige Waldwirtschaft. Das Holz für Produkte wie Spielzeug, Möbel oder Bücher stammt aus Wäldern, die verantwortungsvoll bewirtschaftet werden. In Deutschland wird der FSC von der Naturschutzorganisation WWF unterstützt (www.wwf.de 2018). Musikinstrumente sind derzeit noch selten zertifiziert. Eine höhere Zertifizierung im Instrumentenbau könnte dazu beitragen, den illegalen Raubbau zu verringern und das Bewusstsein der Musiker für die Herkunft des Holzes ihres Instruments zu schärfen.
Instrumentenbauer und Instrumentenbauerinnen können bereits beim Einkauf von Tonhölzern auf eine FSC-Zertifizierung achten. Auf der Website des FSC (www.fsc-produkte.de) können Unternehmen gesucht werden, die zertifizierte Hölzer anbieten.
- Pro Natura Tonewood: Im Bereich der Gitarren hat sich das Pro Natura Tonewood- Siegel etabliert, das besagt, dass die Tonhölzer ausschließlich aus europäischer Forstwirtschaft stammen. Pro Natur Gitarren werden bspw. aus Fichtenholz in Kombination mit Ahorn und Akazie hergestellt. Die Gitarren sind zudem mit einer umweltschonenden Polyurethan-Seidenmatt Lackierung versehen und werden in Europa produziert.
Kunststoffe bei Teilen und Zubehör am Beispiel Plektren
Seit den 1930er Jahren werden Kunststoffe vorwiegend für Zubehör wie Plektren oder Saiten eingesetzt. Seit ca. 10 Jahren werden Instrumente wie Geige, Bratsche, oder Cello sowie Bögen aus dem Faserverbundwerkstoff Carbon hergestellt. Mit diesen Materialien können traditionelle Werkstoffe wie Horn oder Holz, aber auch Elfenbein ersetzt werden.
Plektren sind Massenartikel, die aus verschiedenen Kunststoffen hergestellt werden. Nicht das einzelne Plektrum ist ein Problem für die Nachhaltigkeit, auch wenn aus fossilen Rohstoffen besteht, sondern die Masse. Allein in Deutschland spielen 12,5 % der Bevölkerung ab 16 Jahren ein Instrument, also etwa 8,7 Millionen Personen allein in dieser Altersgruppe, davon etwa 42 Prozent Gitarre oder E-Gitarre. Ab 6 Jahren sind es sogar 12 Prozent (MIZ 2021: 22; 11) .Demnach spielen etwa 6 Mio. Menschen in Deutschland Gitarre. Über die Anzahl der Plektren, die ein Gitarrenspieler oder über deren Verkauf, gibt es leider keine Zahlenangaben. Nimmt man beispielsweise an, dass jeder Gitarrenspieler pro Jahr drei bis vier Plektren nutzt, bedeutet dies allein für Deutschland rund 20 Millionen Plektren mit einem Gewicht von 14.000 kg Kunststoff (ca. 0,7g pro Plektrum, eigene Messung). Polyamid beispielsweise- ein häufiges Material von Plektren – hat einen THG-Emissionswert von rund 160 kg CO2-Äq/t bzw. 0,16 kg CO2-Äq/kg (vgl. Bregau 2020). Somit kann (sehr) grob geschätzt werden, dass Plektren in Deutschland mit ca. 2,2 t THG-Emissionen zum Klimawandel beitragen. Dieser Wert ist zwar im Vergleich zum Kunststoffaufkommen in Deutschland gering, aber im Sinne der Nachhaltigkeit stellt sich dennoch die Frage, ob auf dem Markt verstärkt Alternativen aus Recyclingmaterialien angeboten und beworben werden sollten.
Als Beispiele für Kunststoffe für Plektren werden Zelluloid und Nylon vorgestellt. Zum Faserverbundstoff Carbon siehe die zugehörigen Ausführunge oben.
Zelluloid
Zelluloid markiert den Anfang der Kunststoffverwendung und damit des Ersatzes tierischer Produkte im Musikinstrumentenbau. Das Material wurde 1870 von John Wesley Hyatt in den USA entwickelt. Er gilt als erster kommerziell nutzbarer Kunststoff. Inspiration für die Innovation war die Auslobung eines Preises in Höhe von 10.000 Dollar durch einen Hersteller von Billardkugeln für denjenigen, der einen Ersatz für Elfenbein, den damaligen Werkstoff für Billardkugeln, entwickelte. Die Inspiration für die Erfindung von Zelluloid durch John Wesley Hyatt im Jahr 1870 war das Angebot eines New Yorker Herstellers von 10.000 Dollar für denjenigen, der einen geeigneten Ersatz für das Elfenbein fand, das damals zur Herstellung der Kugeln verwendet wurde. Hyatts Familie stellte zelluloidbeschichtete Billardkugeln her, die jedoch nicht auf Akzeptanz stießen, da sie bei Zusammenstoß explosive Geräusche erzeugten. Hyatt begann, mit Nitrocellulose zu experimentieren, einer Gruppe von brennbaren oder explosiven Stoffen, die durch die Behandlung von Papier oder Baumwolle mit Säuren hergestellt werden. Hyatts Innovation bestand darin, Nitrocellulose-Zellstoff mit pulverisiertem Kampfergummi zu mischen, unter Druck in der Form zu erhitzen und dann abzukühlen. Kampfer wird heute noch äußerlich in Arzneimitteln genutzt, ist bei Einnahme und Überdosierung jedoch hochgiftig. Es wird aus den ätherischen Ölen des Kampferbaums gewonnen, der in den Subtropen vor allem in Asien wächst. Nach diesem Prozess wurde das Gemisch hart wie Horn oder Knochen. Das Ergebnis wurde als Zelluloid bekannt.
Der Kunststoff hat das Elfenbein nicht ersetzt, da die Kunden weiterhin Elfenbein bevorzugten. Diese Thermoplast gilt jedoch als Wegbereiter für die Kunststoffindustrie. Bekannt wurden Zelluloid – und seine Eigenschaften wie leichte Brennbarkeit und leichtes Verwittern –in den frühen Jahren der Filmindustrie. Das Material wurde aber auch für Imitate von Naturprodukten wie Klaviertasten, Kämme und Messergriffe bekannt (Seymor/Kauffman 1992).
Nylon
Für Plektren und Saiten, für Geigen, Cello oder Gitarren wird heute vor allem Nylon verwendet. Es findet auch in der Textilindustrie, in der Fischerei und in der Automobilindustrie Verwendung. Nylon wurde zuerst 1935 in den USA als weltweit erste synthetische Kunstfaser fabriziert. Er wird in der Regel aus Erdöl hergestellt. Sowohl der Rohstoff, der Herstellungsprozess als auch die Entsorgung von Nylon belasten die Umwelt. Aus dem Rohöl müssen anschließend in einem petrochemischen Prozess verschiedene Zwischenprodukte hergestellt werden, um letztendlich Nylon als Faser zu erhalten.
Der Begriff „Nylon“ ist ungeschützt und bezeichnet synthetische Polymere, die zu den Polyamiden gehören. Unterschiedliche Nylonfasern werden durch Zusätze wie 6, oder 6.6 unterschieden. Diese Ziffern beziehen sich auf die Anzahl der Atome in Diamin oder in der Disäure, einer organischen Stoffgruppe, die typischerweise, aber nicht nur, im Herstellungsprozess eingesetzt werden. Ein benötigtes Zwischenprodukt ist Adipinsäure, die aus den Chemikalien Salpetersäure und Cyclohexan gewonnen wird. Im Prozess fällt als Nebenprodukt Distickstoffmonoxid („Lachgas“) an, ein Treibhausgas, das 300-mal potenter ist als CO2 ist und die Ozonschicht schädigt (citizensustainable.com 2022). Auch Schwefelsäure wird häufig verwendet. Dieser Stoff wirkt stark ätzend auf Haut, Schleimhäute und Augen, die Schädigungen können irreversibel sein. Schwefelsäure ist, wenn sie ins Wasser gelangt, für Fische und andere Lebewesen giftig. Da Schwefelsäure sehr günstig produziert werden kann, ist die Rückgewinnung nicht wirtschaftlich. Diese muss daher im Sinne des Umweltschutzes gesetzlich vorgegeben werden (Benvenuto/Plaumann 2021: 99ff.).
Zur Umweltschädlichkeit von Nylon tragen Nanopartikel, Nanopartikel sind kleiner als 100 Nanometer, bei, die u. a. bei Waschvorgängen ins Grundwasser gelangen und in der Nahrungskette wiederum beispielsweise im Gehirn des Menschen nachgewiesen werden. Die Folgen sind aktuell Gegenstand der Forschung. Auch ist auf Erdöl basierendes Nylon nicht biologisch abbaubar, eine Problematik, die über Berichte über Fischernetze in den Weltmeeren öffentlich thematisiert wird (citizensustainable.com 2022).
Chemikalienstrategie der EU und zugehörige Maßnahmen
Die meisten Chemikalien haben gefährliche Eigenschaften, die die Umwelt (und die menschliche Gesundheit, siehe SDG 3) schädigen können. Die Europäische Union verfolgt im Rahmen ihres Green Deals das Ziel, die Umweltverschmutzung auf Null zu reduzieren. Sie veröffentlichte im Oktober 2020 eine Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit.
Die EU verfolgt daher eine dreistufige Strategie. Erstens soll der Gesundheits- und Umweltschutz dadurch gestärkt werden, dass ungefährliche Stoffe verwendet werden, zweitens sollen die Verwender durch vollständige Angaben sensibilisiert werden und drittens sollen gefährliche Stoffe in Abfällen und Sekundärrohstoffen beseitigt werden. (Europäische Kommission 2020, S. 1 f.).
Die EU veröffentlichte ferner 2020 einen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft, um den Einsatz von Sekundärrohstoffen zu fördern und die Sicherheit von Primär- als auch Sekundärwerkstoffen und -produkten zu steigern (Europäisches Parlament 2021a). Im Februar 2021 nahm das Europäische Parlament eine Entschließung an, in der schärfere Recyclingziele und verbindliche Reduktionsziele bei der Verwendung und dem Verbrauch von Materialien bis 2030 gefordert werden (Europäisches Parlament 2021b[BO3] [BO4] ) . Im Oktober 2022 billigte das Parlament eine Überarbeitung der Vorschriften für persistente organische Schadstoffe (POP), um die Menge an gefährlichen Chemikalien in Abfällen und Produktionsprozessen zu verringern. Mit den neuen Vorschriften werden strengere Grenzwerte eingeführt, bestimmte Chemikalien verboten und Schadstoffe vom Recycling ferngehalten (Europäisches Parlament 2022).
Ressourcen- und Umweltschonung durch Recycling bei Metallen und Legierungen
Nichteisenmetalle (NE-Metalle), auch als Buntmetalle bezeichnet, sind diejenigen Metalle, die kein Eisen enthalten oder diejenigen Legierungen, in denen Eisen nicht als Hauptelement enthalten ist. Sie kommen in vielen Bereichen der Technik und des Alltags Anwendung, unter anderem als Werkstoff oder als Beschichtungswerkstoff.
Bekannte Beispiele sind Beispiele Kupfer (Cu), Nickel (Ni), Blei (Pb), und Zinn (Sn), aber auch Gold, Silber, Meist wird dafür die Abkürzung „NE-Metall“ verwendet. Ihrer oft auffälligen Farbe wegen werden sie auch als Buntmetall bezeichnet, allerdings zählen die Weißmetalle ebenso zu den Nichteisenmetallen.
- Technisch genutzte NE-Metalle werden zunächst unterschieden in Reinmetalle und Legierungen.
- Reinmetalle sind zu gliedern in Edelmetalle, Schwermetale und Leichtmetalle. Sie werden durch ihr chemisches Element gekennzeichnet gefolgt von ihrem Metallgehalt in Prozent. Für technische Zwecke werden u.a. Kupfer, Aluminium, Zink, Nickel, Magnesium oder Blei verwendet.
- Bei Legierungen werden die Angegeben werden die chemischen Symbole des Basismetalls und der Hauptlegierungselemente angegeben: CuNi25Zn15 beispielsweise ist eine Kupferlegierung mit 25% Nickel und 15% Zink (Chemie.de; Weißbach 443 ff.)
Im Instrumentenbau werden Metalle und Legierungen wie Aluminium, Blei, Chrom und Kupfer, Messing, Neusilber und Nickel verwendet.
Recycling ist durch das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) definiert als „… jedes Verwertungsverfahren, durch das Abfallmaterialien zu Erzeugnissen, Materialien oder Stoffen entweder für den ursprünglichen Zweck oder für andere Zwecke aufbereitet werden.“ Diese Definition schließt nicht die energetische Verwertung für die Verwendung als Brennstoff ein. (KrWG § 3 (25)).
Mit Recycling sind hohe ökologische Vorteile verbunden, insbesondere die Einsparung von Primärrohstoffen, die Reduktion des Energieverbrauchs und der CO2 -Emissionen.
- Die Wiederverwertung von Metallen verringert deren Deponierung und damit etwaige negative Auswirkungen auf die Umwelt, z. B. auf das Grundwasser.
- Die Wiederverwertung von Metallen spart bis zum 20-fachen (60 – 95%) des Energieverbrauchs im Vergleich zur Neugewinnung der entsprechenden Metallqualitäten aus Erzen.
- Im Vergleich zur Primärrohstoffproduktion und damit dem Erzabbau werden die CO2-Emissionen bei der Wiederaufbereitung von Metallen erheblich reduziert, negative Effekte auf den Boden und das Wasser werden vermieden, Rohstoffressourcen geschont und die Luft- und Wasserverschmutzung um 80%, bzw. 76 % und der Wasserverbrauch um 40% reduziert insbesondere in den größten Erzförderstaaten China, Australien, Brasilien und Indien geschont (EuRIC AISBL o.J., S. 7).
Tabelle: Metalle im Musikinstrumentenbau.
Bezeichnung | Zusammensetzung | Recyclingquote | Anwendungen |
Aluminium | Chemisches Element, Metall | Recyclingkreisläufe weitgehend geschlossen | Vielfältig, als Dämpfer für Trompeten, Posaune, Wald- und Flügelhorn |
Messing | Kupferlegierung mit Massenanteilen von mindestens 50 % Kupfer und bis zu etwa 40 % Zink, weitere Metalle je nach Verwendungszweck wie Aluminium, Eisen oder Nickel. | Die produktbezogene Recyclingrate liegt zwischen 80 und 95 Prozent | Der überwiegende Anteil von Zinkerzeugnissen geht in langlebige Produkte mit einer Nutzungsdauer von einigen Dutzend bis zu 100 und mehr Jahren. |
Blei | Chemisches Element, Metall | Bei Bleischrotten ca. 90 % | Blei ist ein häufiger Legierungsbestandteil, chemische Beständigkeit gegenüber Säuren |
Chrom | Chemisches Element, Metall | silberweißes, korrosions- und anlaufbeständiges hartes Metall, Verchromungen, Legierungselement | |
Kupfer | Chemisches Element, Metall | Die Hälfte des jährlichen Kupferbedarfs in Deutschland aus Recyclingmaterial gedeckt. Kupfer oder seine Legierungen lassen sich ohne Qualitätseinbußen beliebig oft recyclieren werden. Und es gibt keine Qualitäts-unterschiede zwischen Neumetall oder aus Altmetall hergestellten Kupfer. | stromführende Drähte, Gebrauchsgegenstände, Musikinstrumente wie Trompeten, Posaunen, Saxophones oder Jagdhörnern, aber auch Harfen und Glocken |
Neusilber | Legierung aus 45–70 % Kupfer, 5–30 % Nickel, 8–45 % Zink, eventuell mit Beimischungen von Spurenelementen wie Blei, Zinn oder Eisen | siehe Kupfer | Tafelgeräte, Musikinstrumente, Beschläge und Schmuck |
Nickel | Chemisches Element, Metall | Die Recyclingrate von Nickel aus Altprodukten wird auf über 70 % geschätzt. | Vor allem Legierungsmetall, auch Oberflächenbeschichtungen |
Zinn | Chemisches Element, Metall | Zinn-Lote werden kaum recycelt | Legierungen mit Zinn als Hauptkomponente vor allem in Verbindung mit Blei als Weichlote, auch als Weißmetall |
Quellen: Eigene Darstellung: www.wvmetalle.de/die-ne-metalle/, https://www.spektrum.de/periodensystem/; www.chemie.de/lexikon/, ww.bgr.bund.de/
Umweltfolgen des Erzabbaus am Beispiel Kupfer
Die direkten und indirekten Wirkungen lassen sich beispielhaft an der Kupferherstellung erklären, gelten aber auch für viele andere Metalle: Der Erzbergbau, die Verhüttung und die Herstellung von Halbzeugen verursacht Reststoffe. In Abhängigkeit von den lagerstättenspezifischen mineralogischen und geochemischen Eigenschaften der Mineralien, der Art der Aufbereitung sowie den lokalen Bedingungen geht immer Gefahr für die Umwelt aus. Nur Platin, Gold und Silber sind als Edelmetalle “metallisch” im Gestein, alle anderen sind Oxide oder Sulfide mit vielen assoziierten Schwermetallen (z. B. Zink, Blei, Arsen, Antimon). Fast alle Aufbereitungstechnologien von dem Erz zu einem verhüttungsfähigen Zwischenmaterial nutzen Wasser, entweder als Transportmedium oder als Medium für anschließende chemische Prozesse in Lösungen. Wasser ist häufig für etwa 70 % des Schadstoffaustrags verantwortlich (BGR 2020). Aufgrund der häufig sulfidischen Mineralogie von Kupferlagerstätten ist die Bildung saurer Grubenwässer eine besondere Herausforderung. Die oxidative Verwitterung (eisen)-sulfidischer Minerale führt zur Bildung von Schwefelsäure und daraufhin zur Freisetzung von teilweise toxischen Elementen, die neben Kupfer im Gestein vorhanden sind und von der Schwefelsäure gelöst werden. Viele dieser Elemente sind unter den sauren Bedingungen sehr mobil und können so in die Umwelt gelangen (ebd.).
Neben den wässrigen Abfällen sind die typischen Brenn- und Schmelzprozesse eine zweite Quelle für Umweltgefährdungen. Abgasemissionen sind bei der Verhüttung und Raffination von Kupfer ein besonders kritischer Punkt, vor allem Schwefeldioxid, welches beim Rösten von sulfidischen Erzen entsteht, muss aus der Abluft abgeschieden werden. Probleme wurden vor allem bei veralteten Kupferhütten, z.B. in Sambia und in Russland, beobachtet und führen zu gesundheitlichen Problemen der Beschäftigten und der örtlichen Bevölkerung (Domke 2020). Moderne Abluftfilter fangen bis zu 99% des Schwefeldioxids aus der Abluft auf und dies wird für die Herstellung von Schwefelsäure genutzt, womit zusätzlich zur Luftverbesserung auch ein wirtschaftlicher Vorteil entsteht. Allerdings finden sich die meisten Minen – außer in den USA und Australien – in Ländern mit niedrigeren Umweltstandards oder in Ländern, bei denen es mit der Kontrolle nicht so genau genommen wird. Rusal – der größte Aluminiumhersteller der Welt – verwendet noch 2011 eine Technologie der Aluminiumschmelze, die aufgrund der Umweltbelastung in Deutschland seit den 80iger-Jahren nicht verwendet wurde (HBS 2011). In Europa hingegen steht dessen größte Kupferhütte im Hamburger Hafen, quasi mitten in der Stadt und in Rotterdam hat Umicor die größten europäischen Aufbereitungsanlagen für Elektroschrott. Diese Beispiele zeigen, dass Verhüttungstechnik mit moderner Aufbereitungstechnik für Abwasser und Luft auch mitten in unserer Gesellschaft möglich ist.
Der Bergbau von Kupfer findet jedoch vor allem im globalen Süden statt. Bei der Extraktion im Tagebau entstehen Luftbelastungen durch Schwermetallen in Stäuben, vorwiegend Arsen (ingenieur.de 2014), wie am Beispiel der Chuquicamata Mine in Chile kürzlich nachgewiesen werden konnte (NDR 2022). Dort lagen bei Messungen im Jahr 2021 an zwei ausgewählten Orten, einer Schule und einem Sportplatz, die Arsenwerte 200% über dem nationalen Grenzwert, dieser lag 115% höher als die europäischen Grenzwerte. Schwermetallbelastungen in der Luft können das Krankheitsrisiko erhöhen. Laut einer Studie der Universität Berkeley (ebd. zitiert nach NDR), erkranken in der Region rund um diese Mine 5 bis 6 Mal mehr Menschen an Blasenkrebs als im Rest des Landes, die Sterberate bei Nierenkrebs erhöhte sich in den vergangenen 9 Jahren um 75% und insgesamt liegen die Krebsraten 5 bis 7 Mal höher als im Rest von Chile.
Die regionale Wasserentnahme führt in ariden und auch in semi-ariden zu sozialen Konflikten. Die Kupfergewinnung in Chile, Peru oder Sambia erfolgt zudem in Gegenden, die landwirtschaftlich geprägt sind und deren Bevölkerung ein geringes Einkommen hat. Durch die Bergwerke wird das Wasser verknappt für die Landwirtschaft, die Erträge sinken und auch das Einkommen der Landbevölkerung. In Peru haben sich durch den Konflikt mit dem Kupferbergbau – der große Flächenbedarfe hat und regionale Bauern vertreibt – zu Unruhen geführt. (DLF 2014).
Quellenverzeichnis
Auswärtiges Amt im Namen des Interministeriellen Ausschusses Wirtschaft und Menschenrechte (2017): Nationaler Aktionsplan Umsetzung der VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte 2016-2020. Online: https://india.diplo.de/blob/2213082/a20dc627e64be2cbc6d2d4de8858e6af/nap-data.pdf
Benvenuto, Mark Antonio; Plaumann, Heinz (2021): Industrial catalysis. Berlin, Boston.
BIBB (2017): Zupfinstrumentenmacher/Zupfinstrumentenmacherin. Online: www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/show/8228
BMAS Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2022): Sorgfaltspflichtengesetz – Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten. Online:https://www.bmas.de/DE/Service/Gesetze-und-Gesetzesvorhaben/gesetz-unternehmerische-sorgfaltspflichten-lieferketten.html
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
Bregau (2020): Sekundäres Polyamid 6.6. Zusammenfassung und Ergebnisse. Online: https://enneatech.com/wp-content/uploads/2020/12/Carbon-Footprint-Kurzversion-2020-enneatech.pdf
citizensustainable.com (2022): Ist Nylon umweltfreundlich? 7 Antworten auf die häufigsten Fragen. Online: https://citizensustainable.com/de/nylon-umweltfreundlich
Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) (2021): Kupfer und Nachhaltigkeit. Online: www.bgr.bund.de/DE/Gemeinsames/Produkte/Downloads/Informationen_Nachhaltigkeit/kupfer%202021.pdf
Bundesregierung (2017): Online: Nationaler Aktionsplan Umsetzung der VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Online: https://india.diplo.de/blob/2213082/a20dc627e64be2cbc6d2d4de8858e6af/nap-data.pdf
Bundesregierung (2022): Grundsatzbeschluss 2022 zur Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Online: www.bundesregierung.de/resource/blob/992814/2146150/16d54e524cf79a6b8e690d2107226458/2022-11-30-dns-grundsatzbeschluss-data.pdf?download=1
Bundesregierung 2021: Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie 2021. Online: www.bundesregierung.de/breg-de/service/archiv/nachhaltigkeitsstrategie-2021-1873560
EuRIC AISBL (o.J.): Fakten Metallrecycling. Online: www.bvse.de/dateien2020/2-PDF/06-Publikationen/04-Broschueren/0608-EuRIC_Metal_Recycling_Factsheet_GER_002.pdf
Europäische Kommission (2020): Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit – Für eine schadstofffreie Umwelt. Online: www.vci.de/themen/chemikaliensicherheit/eu-chemikalienstrategie/eu-chemikalienstrategie-fuer-nachhaltigkeit-vci-position.jsp
Europäisches Parlament (2022): Persistente organische Schadstoffe: Definition, Auswirkungen und EU-Regulierung. Online www.europarl.europa.eu/news/de/headlines/society/20220930STO41917/persistente-organische-schadstoffe-definition-auswirkungen-und-eu-regulierung
DLF Deutschlandfunk (2014): Bergbau in Peru – Hunger nach Rohstoffen zerstört ein Land. Online: www.deutschlandfunk.de/bergbau-in-peru-hunger-nach-rohstoffen-zerstoert-ein-land-100.html
Domke, Ruben; Reinwald, Eva-Maria; Südwind e.V. Hrsg. (2020): Rohstoffe für Handys und Co.: Kupferabbau in Sambia. Online: www.suedwind-institut.de/alle-verfuegbaren-publikationen/fact-sheet-rohstoffabbau-f%C3%BCr-handy-und-co-kupferabbau-in-sambia.html
Europäisches Parlament (2021a): Neuer Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft. Auf einen Blick. Online: www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/ATAG/2021/679066/EPRS_ATA(2021)679066_DE.pdf.
Europäisches Parlament (2021b): Kreislaufwirtschaft: Strengere EU-Regeln für Verbrauch und Recycling. Aktuelles. Online: www.europarl.europa.eu/news/de/press-room/20210204IPR97114/kreislaufwirtschaft-strengere-eu-regeln-fur-verbrauch-und-recycling.
Europäische Kommission (2022): RICHTLINIE DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2019/1937. Online: https://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:bc4dcea4-9584-11ec-b4e4-01aa75ed71a1.0007.02/DOC_1&format=PDF
fsc-produkte.de (o.J.): FSC-Martkdatenbank. Online: www.fsc-produkte.de
HBS Hans-Böckler-Stiftung / Cornelia Grindt (2011): Hier beginnt Rusal. Online: www.boeckler.de/de/magazin-mitbestimmung-2744-hier-beginnt-rusal-5571.html
ingenieur.de (2014): Bergbauunternehmen stürzen sich auf arsenverseuchte Kupferquellen. Online: www.ingenieur.de/technik/fachbereiche/werkstoffe/bergbauunternehmen-stuerzen-arsenverseuchte-kupferquellen/
MIZ Deutsches Musikinformationszentrum (2021): Aus- und Einfuhr von Musikinstrumenten. Online: https://miz.org/de/statistiken/aus-und-einfuhr-von-musikinstrumenten
NDR Norddeutscher Rundfunk (2022): Schmutziges Kupfer – Die dunkle Seite der Energiewende, Film von Michael Höft, Ausstrahlungsdatum 25.10.2022.
Pinkawa, Pia (2022):Nachhaltigkeitsleistung nimmt zu – EcoVadis veröffentlicht sechste Ausgabe des Business Sustainability Risk & Performance Index. Online: https://resources.ecovadis.com/de/neuigkeiten/nachhaltigkeitsleistung-nimmt-zu-ecovadis-veröffentlicht-sechste-ausgabe-des-business-sustainability-risk-performance-index
Seymor, Raymond B.; Kauffman, George B. (1992): The rise and fall of celluloid. In: Journal of Chemical Education (4). Online: https://pubs.acs.org/doi/abs/10.1021/ed069p311
Thonipara, Anita; Proeger, Till; Vosse, Corinna; Meub, Lukas; Ihm, Andreas (2021): Reparatur im Handwerk im Kontext der Nachhaltigkeitsforschung – ein Forschungsüberblick. In: Göttinger Beiträge zur Handwerksforschung (50). Online: https://www.econstor.eu/handle/10419/232951
wwf.de (2018): Holz nur FSC-zertifiziert kaufen – Papier vorzugsweise aus Recycling oder FSC. Online: www.wwf.de/aktiv-werden/tipps-fuer-den-alltag/holz-und-papier/sechs-gute-gruende-fuer-fsc
VENRO Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (2021): Vier Jahre Nationaler Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP). Online: https://venro.org/publikationen/detail/vier-jahre-nationaler-aktionsplan-wirtschaft-und-menschenrechte-nap
Weißbach, Wolfgang (2021): Nichteisenmetalle. In: Alfred Böge, Wolfgang Böge, Klaus-Dieter Arndt, Werner Bahmann, Lutz Barfels, Jürgen Bauer et al. (Hg.): Handbuch Maschinenbau. Grundlagen und Anwendungen der Maschinenbau-Technik. 24., überarbeitete und erweiterte Auflage. Wiesbaden.
SDG 13 Maßnahmen zum Klimaschutz
“Umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen ergreifen”
Das SDG 13, gehört zu den besonders zentralen Nachhaltigkeitszielen und zielt darauf ab den Klimawandel als globale Bedrohung, die bereits heute jedes Land auf allen Kontinenten betrifft und sich negativ auf die Volkswirtschaften und das Leben jedes Einzelnen auswirkt, zu begrenzen.
Für jedes Berufsbild ist insbesondere das folgende Unterziel von Relevanz (Destatis 2022):
- SDG 13.3: “Die Aufklärung und Sensibilisierung sowie die personellen und institutionellen Kapazitäten im Bereich der Abschwächung des Klimawandels, der Klimaanpassung, der Reduzierung der Klimaauswirkungen sowie der Frühwarnung verbessern”
Die Schnittmengen mit der Standardberufsbildposition liegen vor allem in der Reduzierung der direkten und indirekten Emissionen (Belastung der Umwelt) sowie der nachhaltigen Nutzung von Energie (vgl. BIBB 2020, BMBF 2022):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
Klimawandel
Der Klimawandel wird durch die Emission von Treibhausgase verursacht. Zahlreiche Gase sind verantwortlich für den Klimawandel. Ihnen gemeinsam ist ihre Undurchlässigkeit für die (Infrarot-)Wärmestrahlung der Erde. Jedes dieser Gase trägt in unterschiedlichem Maße zum Klimawandel bei. Die Stoffe bleiben zudem unterschiedlich lange in der Atmosphäre, weshalb sie unterschiedlich zum Treibhauseffekt beitragen.
Der Klimawandel ist nicht nur wissenschaftlich belegt, sondern auch inder Bevölkerung nicht mehr umstritten. Es sind nicht nur die steigenden Temperaturen, sondern auch Extremwetterereignisse, die den Musikinstrumentenbau betreffen. Beispielsweise gefährden infolge von Hitzeperioden zunehmend auftretende Waldbrände die für den Musikinstrumentenbau relevanten Baumarten und Ökosysteme. Für exotische Baumarten gilt, dass Fernambuk, Grenadill, Palisander oder Ebenholz nicht in gewohnter Qualität nachwachsen werden. Zu groß ist die Schädigung der Ökosysteme durch die Veränderung des Klimas. Nicht nur Bäume in den Tropen und Subtropen sind gefährdet, sondern auch in Europa. Dem kurzfristigen wirtschaftlichen Vorteil, dass geeignetes europäisches Holz wie Fichte oder Bergahorn nach Stürmen im Hoch- und Mittelgebirge aufgrund von Sturmschäden günstiger erworben werden kann, stehen begründete Erwartungen gegenüber, dass die benötigten Holzqualitäten langfristig nicht nachhaltig nachwachsen. Von den 454 in Europa heimischen Spezies gelten 168 Spezies laut Bewertung der IUCN als bedroht. Gründe sind Übernutzung und Lebensraumzerstörung sowie durch Schädlinge, Krankheiten, Dürre und ihre Wechselwirkung mit dem globalen Klimawandel bedroht. Die Risiken und Bedrohungen infolge des Klimawandels werden als bislang unzureichend eingestuft (Rivers et al. 2019).
Auch wenn viele Handwerker für den Zeitraum ihrer eigenen Berufstätigkeit durch die Lagerung von Hölzern vorsorgen und schon vorgesorgt haben (persönliche Kommunikation mit Instrumentenmachern und Instrumentenmacherinnen), sind spätestens die nachfolgenden Handwerkergenerationen stark betroffen. Es besteht die Hoffnung, dass durch kurzfristiges effektives Handeln verantwortungsvolle und tragfähige Maßnahmen wie Wiederaufforstungsprojekte (s. Beispiele im Abschnitt SDG 14) umgesetzt werden können.
Quellenverzeichnis
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (2021): Vier sind die Zukunft. Online: www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/show/17281
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: https://www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
Chip / Amon, Michael (2021): Kaffeemaschine: Das ist der typische Stromverbrauch. Online https://praxistipps.chip.de/kaffeemaschine-das-ist-der-typische-stromverbrauch_149702
Destatis Statistisches Bundesamt (2022): Indikatoren der UN-Nachhaltigkeitsziele. Online: http://sdg-indikatoren.de/
Rivers, Malin; Beech, Emily; Bazos, Ioannis; Bogunić, Faruk; Buira, Antoni; Caković, Danka; Carapeto, André; Carta, Angelino; Cornier, Bruno; Fenu, Giuseppe; Fernandes, Francisco; Arguimbau, Pere Fraga i.; Pablo; Garcia-Murillo; Lepší, Martin; Matevski, Vlado; Medina, Félix; Sequeira, Miguel Menezes de; Meyer, Norbert; Mikoláš, Vlastimil; Montagnani, Chiara; Monteiro-Henriques, Tiago; Naranjo-Suárez, José; Orsenigo, Simone; Petrova, Antoaneta; Reyes-Betancort, Alfredo; Rich, Tim; Salvesen, Per Harald; Santana-López, Isabel; Scholz, Stephan; Sennikov, Alexander; Shuka, Lulëzim; Silva, Luís Filipe; Thomas, Philip; Troia, Angelo; Villar, José Luis; Allen, David; (2019): European Red List of trees. Cambridge, Brussels: International Union for Conservation of Nature and Natural Resources (IUCN) (IUCN Global Species Programme). Online: https://portals.iucn.org/library/sites/library/files/documents/RL-4-026-En.pdf
SDG 14 Leben unter Wasser” und SDG 15: “Leben an Land
“Ozeane, Meere und Meeresressourcen im Sinne nachhaltiger Entwicklung erhalten und nachhaltig nutzen”
Den Nachhaltigkeitszielen 14 und 15 kommt mit Bezug zum Instrumentenbau die höchste Bedeutung zu. Das erstgenannte SDG “Leben unter Wasser” bezieht sich auf den Erhalt und Schutz von Ozeanen, Meeren und Meeresressourcen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung, das zweitgenannte Ziel auf das Leben an Land und den Schutz bzw. die Wiederherstellung der Landökosysteme sowie den Stopp des Biodiversitätsverslustes mit Bezug nicht nur zu Pflanzen sondern auch zu Tieren. Der Instrumentenbau mit seiner jahrhundertelangen Tradition hat zum Raubbau an der Natur beigetragen. Dies gilt für Materialien tierischen Ursprungs von Elefanten, Walen oder Meeresschildkröten ebenso wie Bäume, wobei hier von den Hölzern Fernambuk und Palisander nur die bekanntesten sind.
Die Bezüge zur Standardberufsbildposition sind (vgl. BMBF 2022):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Das SDG zielt auf den Schutz der Ökosysteme ab und ist eng mit der Herstellung von Musikinstrumenten verbunden. Die zentralen SDG-Unterziele für den Instrumentenbau sind 15.1 “Landökosystem erhalten, wiederherstellen und schützen”, 15.2 “Wälder schützen, nachhaltig bewirtschaften und wiederherstellen”sowie 15.7 “Wilderei und Handel mit geschützten Pflanzen- und Tierarten beenden”.
Bedrohte Tierarten
Im Instrumentenbau wurden folgende Materialien von bedrohten Tierarten verwendet: Elfenbein, Horn und Schildpatt von Meeresschildkröten.
Elfenbein bezeichnet die Stoßzähne von Elefanten und wird überwiegend im Instrumentenbau, aber auch in Kunstwerken oder Schmuckstücken verwendet. Die Population der afrikanischen und asiatischen Elefanten ist seit Jahren bedroht. Besonders bedroht ist der afrikanische Elefant in Ländern wie Angola, Benin, Botswana, Burkina Faso und Kamerun. Elefanten aus diesen Ländern sowie der asiatische Elefant wurden deshalb in den Anhang I des internationalen Artenschutzabkommens aufgenommen. Die Europäische Union schränkt zum Schutz der Elefantenpopulation den Handel und die Ausfuhr von Elfenbein deshalb weitestgehend ein. Verarbeitetes Elfenbein in Musikinstrumenten, das vor 1975 (asiatischer Elefant) und vor 1976 (afrikanische Elefant) hergestellt wurde, darf zum Zwecke des Musizierens weiterhin ein- und ausgeführt werden.
Der gleiche strenge Artenschutz gilt für Nashörner. Das Handelsverbot mit dem Horn der Nashörner hat damit Auswirkungen auf die Nutzung und Verarbeitung des Horns für den Instrumentenbau.
Schilplatt, die obere Hornhautschicht des Rückenpanzers einer Schildkröte, wurde häufig im Instrumentenbau verwendet. Heute sind alle Meeresschildkröten ebenfalls im Anhang I von CITES aufgeführt. Der Handel mit Schildpatt, aber auch mit Fleisch und Schildkröteneiern bedroht die Population weltweit und ist deshalb verboten. Ausnahmen bestehen für Waren, die vor 1975 hergestellt wurden. Diese können mit entsprechenden Bewilligungen und Kontrolle ein- und ausgeführt werden.
Aufgrund der Bestimmungen des Artenschutzes sind für neue Instrumente Ersatzmaterialien zu verwenden. Im November 2022 wurde auf der 19. CITES-Vertragsstaatenkonferenz das Handelsverbot für Elfenbein und für Nashorn-Horn bestätigt (NABU 2022).
Bedrohte Pflanzenarten
Besonders bedrohte und im Instrumentenbau benötigte Holzarten sind Fernambuk und Pflanzen der Dalbergia-Gattung wie Grenadill und Palisander. Sie sind bereits im Anhang II des Washingtoner Artenschutzabkommens (CITES) als bedrohte Arten gelistet.
Fernambukholz wächst im Atlantischen Regenwald in Brasilien. Nur etwa 5 bis 7 % des Regenwaldes existieren noch in seiner ursprünglichen Form, was zur Folge hat, dass auch das Fernambukholz bedroht ist. Die genauen verbleibenden Bestände sind nicht bekannt. Die Begierde nach dem Tropenholz, welches eng mit der Kolonialgeschichte Brasiliens verwoben ist, blieb nicht folgenlos. Die Rodung des Holzes und dessen Verwendung als Färbemittel über mehrere Jahrhunderte hinweg führte zur Versklavung der indigenen Bevölkerung des atlantischen Regenwaldes und zum übermäßigen Aussterben des Baumes. Der starke Rückgang führte dazu, dass Fernambuk im Juni 2007 in den Anhang II des CITES-Übereinkommens aufgenommen wurde, wodurch der internationale Handel mit dieser Art bis heute geregelt wird. Die Gefährdung der Art wird in regelmäßigen Abständen überprüft. Eine Anpassung der Eingruppierung in den Anhang I des CITES-Übereinkommens könnte zukünftig möglich sein, wenn der Bestand zunehmend bedroht wäre. Diese Verschärfung war im November 2022 auf der Vertragsstaatenkonferenz des Washingtoner Artenschutzübereinkommens in der Diskussion. Dort wurde Fernambuk jedoch nicht auf dem Anhang I gelistet, sondern Exporte aus Brasilien – ob in Form von Rohholz oder als fertige Instrumente – sollen künftig stärker überwacht und kontrolliert werden. So soll der Schwarzhandel mit seltenem Holz eingedämmt werden (Felix 2022).
Auch das brasilianische Palisanderholz ist durch illegalen Holzeinschlag und den Verlust seines Lebensraums bedroht. Er wächst ebenfalls im brasilianischen Atlantikwald und kommt nur noch in kleinen Populationen, räumlich nicht zusammenhängenden Populationen mit geringer Variabilität vor. Da die Samen bei Nagetieren sehr begehrt sind, ist die Regeneration der Art ggf. begrenzt.
In Brasilien arbeiten Initiativen mit dem Ziel, die Baumart in Plantagen aufzurüsten und die genetische Vielfalt zu erhalten. Auch stehen ca. 40 % der Dalbergia-Flächen in Brasilien als Naturschutzgebiet unter Schutz (Bergamino 2013). Dalbergia-Arten sind nicht nur in Brasilien gefährdet. Vor allem die Nachfrage nach Palisander gefährdet Dalbergia-Bäume. Der Begriff Palisander ist dabei ungenau, denn nicht immer wird das Holz von Dalbergia als Palisander bezeichnet und andererseits gibt es andere Arten, deren Holz zu Palisander gezählt wird. Palisander bezeichnet jedoch stets hochwertiges Holz. Der Artenverlust wurde zu Beginn dieses Jahrtausends vor allem durch die stark gestiegene Nachfrage nach Palisander (im Englischen als rosewood bezeichnet) in China getrieben. Sie ist zwischenzeitlich durch diverse Maßnahmen auch der chinesischen Regierung gesunken. Dies gilt entsprechend für Grenadill und viele Dalbergia-Arten.
Auf dem afrikanischen Kontinent ist die Art Dalbergia melanoxylon durch die starke Nachfrage nach dunklem Holz bedroht. Diese Art wird auch als Schwarzholz bezeichnet und ist unter dem Handelsnamen Grenadill bekannt. Sie wird im Instrumentenbau vor allem für den Bau von Oboen und Klarinetten verwendet. Grenadill-Holz ist aufgrund seiner Dichte und seines äußeren Erscheinungsbildes eines der teuersten Hölzer (Ball 2004: 286). Mit der Nutzung des Holzes sind – wie mit anderen Dalbergia-Arten auch – Nachhaltigkeitsfragen mit Bezug zur natürlichen Umwelt und zu Lebensräumen verbunden. Kann sich die Art der aktuellen Abholzungsrate weiterhin in einem nachhaltigen Tempo vermehren? Werden durch die Ernte die Rechte indigener Völker oder das Wohlergehen der lokalen Gemeinschaften beeinträchtigt? Vor allem in den ärmeren Ländern des globalen Südens ist Holz wirtschaftlich so bedeutend, dass Beschränkungen des Wirtschaftszweiges wahrnehmbare Folgewirkungen haben. Deswegen ist das tatsächliche oder potenzielle Ausmaß der Ausbeutung möglicherweise nicht leicht zu ermitteln (Meier 2008-2023: o.S.). Der sehr niedrige Materialertrag hat in letzter Zeit zu einem erheblichen Rückgang der natürlichen Bestände geführt. Dies könnte schwerwiegende Auswirkungen auf die lokalen Gemeinschaften haben, da diese Baumart oft den Lebensunterhalt von Dörfern sichern kann. Daher ist eine Lösung des Problems im Hinblick auf die nachhaltige Entwicklung der lokalen Gemeinschaften dringend erforderlich. (Nakai et al. 2019: 1)
Auch die europäischen Wälder sind durch den Klimawandel und die intensive und auch illegale Forstwirtschaft bedroht. In Europa steigt das Bedrohungsrisiko bspw. für die Fichte oder den Bergahorn. Die Fichtenbestand leidet unter zunehmenden Stürmen und langen Trockenphasen. Der Bergahorn ist besonders in Rumänien (Karpaten) verbreitet und durch illegalen Holzeinschlag bedroht (Luick 2021). In Rumänien befinden sich die größten Ur- und Naturwälder in Europa, viele Tier- und Pflanzenarten sind geschützt. Trotz rechtlicher der EU-Kommission stieg der illegale Holzeinschlag in den letzten Jahren weiter an (Euronatur 2022).
Wiederaufforstungsprojekte
Deutsche Instrumentenbauer und Instrumentenbauerinnen und Musiker und Musikerinnen engagieren sich zunehmend für Wiederaufforstungsprojekte weltweit, um dem Artensterben entgegenzuwirken.
Ebenholz e. V. unterstützt bereits seit 2014 Aufforstungsprojekte von Palisanderarten und Fernambuk in Madagaskar und wird dabei durch das Beethoven Orchester Bonn unterstützt. Ziel ist es, dass bis 2030 der Baumbestand wieder so hergestellt ist, dass sich der Regenwald alleine regenerieren kann (www.eben-holz.org).
„International Pernambuco Conservation Initiative“ (I.P.C.I.) umfasst 250 Mitglieder, wobei die Organisation von nationalen Verbänden für Geigenbau und Bogenmacher unterstützt wird. Ziel der Initiative ist es, die Bestände zu ermitteln sowie Forschungs- und Wiederaufforstungsprogramme durchzuführen (www.ipci-deutschland.org).
Quellenverzeichnis
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
NABU (2022): CITES im Kampf um globale Artenvielfalt. Alle Augen nach Panama: Schicksalswochen für Tiere und Pflanzen. Online: https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/artenschutz/internationale-artenschutzabkommen/cites/index.html
Felix, Susanna (2022): Fernambuk – Artenschutz leicht verschärft. Was das für Musiker mit Streicherbögen bedeutet. BR-Klassik (25.11.2022). Online: www.br-klassik.de/aktuell/news-kritik/fernambuk-artenschutz-cites-ipci-brasilien-verschaerft-musiker-reisen-100.html
Bergamino, Bianca (2013): Brazilian Rosewood. Global Trees Campaign. Online: www.globaltrees.org/threatened-trees/trees/brazilian-rosewood
Ball, Stephen M. J. (2004): Stocks and exploitation of East African blackwood Dalbergia melanoxylon: a flagship species for Tanzania’s miombo woodlands? Online: www.cambridge.org/core/journals/oryx/article/stocks-and-exploitation-of-east-african-blackwood-dalbergia-melanoxylon-a-flagship-species-for-tanzanias-miombo-woodlands/875CA2873FC32A8BD1E7E20323644431
Meier, Eric (2023): Restricted an Endangered Wood Species. Online: www.wood-database.com/wood-articles/restricted-and-endangered-wood-species/
Nakai, Kazushi; Ishizuka, Moriyoshi; Ohta, Seiichi; Timothy, Jonas; Jasper, Makala; Lyatura, Njabha. M. (2019): Environmental factors and wood qualities of African blackwood, Dalbergia melanoxylon, in Tanzanian Miombo natural forest. Online: https://jwoodscience.springeropen.com/articles/10.1186/s10086-019-1818-0
Euronatur (2022): Holzeinschlag in Rumäniens Naturwäldern nimmt trotz Gerichtsdrohung zu. Online: www.euronatur.org/unsere-themen/aktuell/illegaler-holzeinschlag-in-rumaeniens-naturwaeldern-nimmt-trotz-gerichtsdrohung-zu