Bauzeichner/Bauzeichnerin Ausbildung nach Schwerpunkt – Ingenieurbau
Einleitung
Ziele der Projektagentur PA-BBNE
Das Ziel der „Projektagentur Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ (PA-BBNE) ist die Entwicklung von Materialien, die die um Nachhaltigkeit erweiterte neue Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ mit Leben füllen soll. Mit „Leben zu füllen“ deshalb, weil „Nachhaltigkeit“ ein Ziel ist und wir uns den Weg suchen müssen. Wir wissen beispielsweise, dass die Energieversorgung künftig klimaneutral sein muss. Mit welchen Technologien wir dies erreichen wollen und wie unsere moderne Gesellschaft und Ökonomie diese integriert, wie diese mit Naturschutz und Sichtweisen der Gesellschaft auszugestalten sind, ist noch offen.
Um sich mit diesen Fragen zu beschäftigen, entwickelt die PA-BBNE Materialien, die von unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden:
- Zum einen widmen wir uns der beruflichen Ausbildung, denn die nachhaltige Entwicklung der nächsten Jahrzehnte wird durch die jungen Generationen bestimmt werden. Die duale berufliche Ausbildung orientiert sich spezifisch für jedes Berufsbild an den Ausbildungsordnungen (betrieblicher Teil der Ausbildung) und den Rahmenlehrplänen (schulischer Teil der Ausbildung). Hierzu haben wir dieses Impulspapier erstellt, das die Bezüge zur wissenschaftlichen Nachhaltigkeitsdiskussion praxisnah aufzeigt.
- Zum anderen orientieren wir uns an der Agenda 2030. Die Agenda 2030 wurde im Jahr 2015 von der Weltgemeinschaft beschlossen und ist ein Fahrplan in die Zukunft (Bundesregierung o. J.). Sie umfasst die sogenannten 17 Sustainable Development Goals (SDGs), die jeweils spezifische Herausforderungen der Nachhaltigkeit benennen (vgl. Destatis 2022). Hierzu haben wir ein Hintergrundmaterial (HGM) im Sinne der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE, vgl. BMBF o. J.) erstellt, das spezifisch für unterschiedliche Berufe ist.
Die Materialien der Projektagentur
Die neue Standardberufsbildposition gibt aber nur den Rahmen vor. Selbst in novellierten Ausbildungsordnungen in Berufen mit großer Relevanz für wichtige Themen der Nachhaltigkeit wie z. B. dem Klimaschutz werden wichtige Fähigkeiten, Kenntnissen und Fertigkeiten in den berufsprofilgebenden Berufsbildpositionen nicht genannt – obwohl die Berufe deutliche Beiträge zum Klimaschutz leisten könnten. Deshalb haben wir uns das Ziel gesetzt, Ausbildenden und Lehrkräften Hinweise im Impulspapier zusammenzustellen im Sinne einer Operationalisierung der Nachhaltigkeit für die unterschiedlichen Berufsbilder. Zur Vertiefung der stichwortartigen Operationalisierung wird jedes Impulspapier ergänzt durch eine umfassende Beschreibung derjenigen Themen, die für die berufliche Bildung wichtig sind. Dieses sogenannte Hintergrundmaterial orientiert sich im Sinne von BNE an den 17 SDGs, ist faktenorientiert und wurde nach wissenschaftlichen Kriterien erstellt. Ergänzt werden das Impulspapier und das Hintergrundmaterial durch einen Satz von Folien, die sich den Zielkonflikten widmen, da „Nachhaltigkeit das Ziel ist, für das wir den Weg gemeinsam suchen müssen“. Und dieser Weg ist nicht immer gleich für alle Branchen, Betriebe und beruflichen Handlungen, da unterschiedliche Rahmenbedingungen in den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – Ökonomie, Ökologie und Soziales – gelten können. Wir haben deshalb die folgenden Materialien entwickelt:
- BBNE-Impulspapier (IP): Betrachtung der Schnittstellen von Ausbildungsordnung, Rahmenlehrplan und den Herausforderungen der Nachhaltigkeit in Anlehnung an die SDGs der Agenda 2030. Das Impulspapier ist spezifisch für einen Ausbildungsberuf erstellt, fasst aber teilweise spezifische Ausbildungsgänge zusammen (z. B. den Fachmann und die Fachfrau zusammen mit der Fachkraft sowie die verschiedenen Fachrichtungen)
- BBNE-Hintergrundmaterial (HGM): Betrachtung der SDGs unter einer wissenschaftlichen Perspektive der Nachhaltigkeit im Hinblick auf das Tätigkeitsprofil eines Ausbildungsberufes bzw. auf eine Gruppe von Ausbildungsberufen, die ein ähnliches Tätigkeitsprofil aufweisen;
- BBNE-Foliensammlung (FS) und Handreichung (HR): Folien mit wichtigen Zielkonflikten – dargestellt mit Hilfe von Grafiken, Bildern und Smart Arts für das jeweilige Berufsbild, die Anlass zur Diskussion der spezifischen Herausforderungen der Nachhaltigkeit bieten. Das Material liegt auch als Handreichung (HR) mit der Folie und Notizen vor.
Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung
Die Standardberufsbildposition “Umweltschutz und Nachhaltigkeit”
Seit August 2021 müssen auf Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) bei einer Modernisierung von Ausbildungsordnungen die vier neuen Positionen „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“, Digitalisierte Arbeitswelt“, Organisation des Ausbildungsbetriebs, Berufsbildung, Arbeits- und Tarifrecht“ sowie „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“ aufgenommen werden (BIBB 2021). Insbesondere die letzten beiden Positionen unterscheiden sich deutlich von den alten Standardberufsbildpositionen.
Diese Positionen begründet das BIBB wie folgt (BIBB o. J.a): „Unabhängig vom anerkannten Ausbildungsberuf lassen sich Ausbildungsinhalte identifizieren, die einen grundlegenden Charakter besitzen und somit für jede qualifizierte Fachkraft ein unverzichtbares Fundament kompetenten Handelns darstellen“ (ebd.).
Die Standardberufsbildpositionen sind allerdings allgemein gehalten, damit sie für alle Berufsbilder gelten (vgl. BMBF 2022). Eine konkrete Operationalisierung erfolgt üblicherweise durch Arbeitshilfen, die für alle Berufsausbildungen, die modernisiert werden, erstellt werden. Die Materialien der PA-BBNE ergänzen diese Arbeitshilfen mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit und geben entsprechende Anregungen (vgl. BIBB o. J.b). Das Impulspapier zeigt vor allem in tabellarischen Übersichten, welche Themen der Nachhaltigkeit an die Ausbildungsberufe anschlussfähig sind.
Die neue Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ ist zentral für eine BBNE, sie umfasst die folgenden Positionen (BMBF 2022).
a) “Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
c) für den Ausbildungsbetrieb geltende Regelungen des Umweltschutzes einhalten
d) Abfälle vermeiden sowie Stoffe und Materialien einer umweltschonenden Wiederverwertung oder Entsorgung zuführen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren”
Die Schnittstellen zwischen der neuen Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit” werden in
fortlaufend aufgezeigt. Mit Ausnahme der Position c) werden in der Tabelle alle Positionen behandelt. Die Position c) wird nicht behandelt, da diese vor allem ordnungsrechtliche Maßnahmen betrifft, die zwingend zu beachten sind. Maßnahmen zur Nachhaltigkeit hingegen sind meist freiwillige Maßnahmen und können, müssen aber nicht durch das Ordnungsrecht geregelt bzw. umgesetzt werden. In der Tabelle werden die folgenden Bezüge hergestellt:
- Spalte A: Positionen der Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit”;
- Spalte B: Vorschläge für Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten, die im Sinne der nachhaltigen Entwicklung wichtig sind;
- Spalte C: Bezüge zur Nachhaltigkeit;
- Spalte D: Mögliche Aufgabenstellungen für die Ausbildung im Sinne der Position 3e) „Vorschläge für nachhaltiges Handeln entwickeln“;
- Spalte E: Zuordnung zu einem oder mehreren SDGs (Verweis auf das Hintergrundmaterial).
Bildung für nachhaltige Entwicklung
Die Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) meint eine Bildung, die Menschen zu zukunftsfähigem Denken und Handeln befähigt. Sie ermöglicht jedem Einzelnen, die Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Welt zu verstehen (BMBF o. J.). BBNE ist somit nur ein Teil von BNE, der an alle Bürger*innen adressiert ist. Eine Entwicklung ist dann nachhaltig, wenn Menschen weltweit, gegenwärtig und in Zukunft würdig leben und ihre Bedürfnisse und Talente unter Berücksichtigung planetarer Grenzen entfalten können. … BNE ermöglicht es allen Menschen, die Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Welt zu verstehen und verantwortungsvolle, nachhaltige Entscheidungen zu treffen (ebd.).
Grundlage für BNE ist heutzutage die Agenda 2030 mit ihren 17 SDG (Sustainable Development Goals). Die 17 Ziele bilden den Kern der Agenda und fassen zusammen, in welchen Bereichen nachhaltige Entwicklung gestärkt und verankert werden muss (ebd.). Die Materialien der Projektagentur sollen Lehrkräften an Berufsschulen und Ausbildende dabei helfen, die Ideen der SDG in die Bildungspraxis einzubringen. Sie sind somit ein wichtiges Element insbesondere für das Ziel vier “Hochwertige Bildung”: “Bis 2030 sicherstellen, dass alle Lernenden die notwendigen Kenntnisse und Qualifikationen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung erwerben, unter anderem durch Bildung für nachhaltige Entwicklung und nachhaltige Lebensweisen, …” (ebd.).
Während die Grundlage in den Impulspapieren die Ausbildungsordnungen und die Rahmenlehrpläne der beruflichen Bildung waren, die mit den SDG vernetzt wurden, geht das Hintergrundpapier den umgekehrten Weg: Wir betrachten die SDG im Hinblick auf ihre Bedeutung für die berufliche Bildung und stellen uns der Frage, welche Anforderungen ergeben sich aufgrund der SDG und deren Unterziele an die Berufsbildung? Die folgenden Beschreibungen haben deshalb immer die gleiche Struktur:
- Es wird das SDG beschrieben.
- Es werden relevante Unterziele benannt.
- Es wird (wissenschaftlich) ausgeführt, was diese Unterziele für das jeweilige Berufsbild bedeuten.
Glossar
Folgende Abkürzungen werden in diesem Dokument verwendet:
Abkürzung | Bezeichnung |
AO | Ausbildungsordnung |
BMUV | Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit |
Care | Segment der AHV, hier: Krankenhäuser, Pflegeheime |
CO2-Äq | Kohlendioxid-Äquivalente |
FS | Foliensammlung |
HGM | Hintergrundmaterial (wissenschaftliches Begleitmaterial) |
IP | Impulspapier (didaktisches Begleitmaterial) |
KI | Künstliche Intelligenz |
ÖPNV | Öffentlicher Personennahverkehr |
RLP | Rahmenlehrplan |
SBBP | Standardberufsbildposition |
SDG | Sustainable Development Goals |
THG | Treibhausgase bzw. CO2-Äquivalente (CO2-Äq) |
Quellenverzeichnis
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (2021): Vier sind die Zukunft. Online: www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/show/17281
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (o. J.a): FAQ zu den modernisierten Standardberufsbildpositionen. Online: https://www.bibb.de/de/137874.php
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (o. J.b): Ausbildung gestalten. Online: BIBB / Reihen / Ausbildung gestalten
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: https://www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (o. J.): Was ist BNE? Online: https://www.bne-portal.de/bne/de/einstieg/was-ist-bne/was-ist-bne.html
Bundesregierung (o. J.): Globale Nachhaltigkeitsstrategie – Nachhaltigkeitsziele verständlich erklärt. Online: www.bundesregierung.de/breg-de/themen/nachhaltigkeitspolitik/nachhaltigkeitsziele-verstaendlich-erklaert-232174
Destatis Statistisches Bundesamt (2022): Indikatoren der UN-Nachhaltigkeitsziele. Online: http://sdg-indikatoren.de/
SDG 4 Hochwertige Bildung
“Inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten lebenslangen Lernens
für alle fördern”
Das SDG zielt primär auf die globale Entwicklung von guten Bildungssystemen ab. Im Berufsbildungssystem ist Deutschland weltweit führend – trotz einiger Defizite wie Personalausstattung, Digitalisierung oder knappe Investitionsbudgets – viele Länder versuchen ein ähnliches Berufsbildungssystem wie in Deutschland aufzubauen. Insofern ist vor allem das Unterziel 4.7 relevant:
Bis 2030 sicherstellen, dass alle Lernenden die notwendigen Kenntnisse und Qualifikationen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung erwerben, unter anderem durch Bildung für nachhaltige Entwicklung und nachhaltige Lebensweisen, Menschenrechte, Geschlechtergleichstellung, eine Kultur des Friedens und der Gewaltlosigkeit, Weltbürgerschaft und die Wertschätzung kultureller Vielfalt und des Beitrags der Kultur zu nachhaltiger Entwicklung
Das SDG 4 spiegelt sich in der fachlichen Unterrichtung der Stichpunkte der anderen SDG wieder, mündet aber in den Positionen e und f der neuen Standardberufsbildposition (BMBF 2022):
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
10 “Goldene Handlungsregeln” für eine BBNE
Die Nachhaltigkeitsforschung und die Bildungswissenschaften haben inzwischen umfassende Erkenntnisse gesammelt, wie eine berufliche Bildung für Nachhaltigkeit gefördert werden kann (vgl. u. a. vgl. Schütt-Sayed u.a. 2021; Kastrup u. a. 2012; Melzig u. a. 2021). Das Ergebnis sind die folgenden 10 didaktischen Handlungsregeln, die das Berufsbildungspersonal dabei unterstützen, Lehr-/Lernprozesse zielgruppengerecht und angemessen zu gestalten. Diese insgesamt 10 Handlungsregeln lassen sich in vier Schritten zuordnen.
Schritt 1 – Richtig anfangen:
Identifizierung von Anknüpfungspunkten für BBNE
1) Ansatzpunkte: Fordern Sie die Verantwortung im eigenen Wirkungsraum heraus, ohne die Berufsschüler und Berufsschülerinnen mit „Megaproblemen“ zu überfordern!
2) Anknüpfungspunkte: Die Curricula sind Grundlage der Lehr-/Lernprozesse – es kommt darauf an, sie im Sinne der Nachhaltigkeit neu zu interpretieren!
3) Operationalisierung: Nachhaltigkeit ist kein „Extra- Thema“, sondern ein integraler Bestandteil des beruflichen Handelns!
Um nachhaltigkeitsorientierte Lehr-/Lernarrangements zu entwickeln, sind zunächst Anknüpfungspunkte für Nachhaltigkeit in den betrieblichen Abläufen zu identifizieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Ausbildungsordnungen und Lehrpläne die rechtliche Grundlage der beruflichen Bildung sind. Es gilt diese im Sinne der Nachhaltigkeit zu interpretieren, sofern nicht bereits konkrete Nachhaltigkeitsbezüge enthalten sind.
Wichtig ist dabei, dass Auszubildende nicht mit den „Megaproblemen“ unserer Zeit überfordert werden, sondern zur Verantwortung im eigenen Wirkungsraum herausgefordert werden – sowohl im Betrieb als auch im Privaten. Denn Auszubildende sind selbst Konsument/-innen, die durch eine angeleitete Reflexion des eigenen Konsumverhaltens die Gelegenheit erhalten, ihre „Wirkungsmacht“ im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit in ihrer eigenen Branche zu verstehen.
Schritt 2 – Selbstwirksamkeit schaffen:
Eröffnung von Nachhaltigkeitsorientierten Perspektiven
4) Handlungsfolgen: Berufliches Handeln ist nie folgenlos: Machen Sie weitreichende und langfristige Wirkungen erkennbar!
5) Selbstwirksamkeit: Bleiben Sie nicht beim „business as usual“, sondern unterstützen Sie Schüler*innen dabei, Alternativen und Innovationen zu entdecken!
6) Zielkonflikte: Verstecken Sie Widersprüche nicht hinter vermeintlich einfachen Lösungen, sondern nutzen Sie sie als Lern- und Entwicklungschancen!!
7) Kompetenzen: Bildung für nachhaltige Entwicklung verbindet Wahrnehmen, Wissen, Werten und Wirken!
Im nächsten Schritt sind nachhaltigkeitsorientierte berufliche Perspektiven für die Auszubildenden zu eröffnen. Diese sollten an einer positiven Zukunftsvision und an Lösungen orientiert sein. Auszubildenden sind dabei die weitreichenden Wirkungen ihres Handelns vor Augen zu führen. Sie sollen verstehen können, warum ihr Handeln nicht folgenlos ist. Das bedeutet gleichzeitig, Auszubildenden die positiven Folgen eines nachhaltigen Handelns vor Augen zu führen. In diesem Zusammenhang ist die Selbstwirksamkeitserfahrung von großer Bedeutung. Sie ist eine der Voraussetzungen, um motiviert zu handeln. Auszubildende dabei zu unterstützen, Alternativen zum nicht-nachhaltigen Handeln zu erkennen und Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung zu entdecken, sollte dabei für Lehrpersonen selbstverständlich sein. Dabei ist immer die individuelle Motivation der Auszubildenden entscheidend, denn zum nachhaltigen Handeln braucht es nicht nur Wissen (Kopf), sondern auch authentisches Wollen (Herz). Wesentlich ist hierbei die Gestaltung ganzheitlicher Lernprozesse, die sowohl den kognitiven als auch den affektiven und psychomotorischen Bereich einbeziehen (vgl. Költze, S.206).
Schritt 3 – Ganzheitlichkeit:
Gestaltung transformativer Lernprozesse
8) Lebendigkeit: Ermöglichen Sie lebendiges Lernen mit kreativen und erfahrungsbasierten Methoden!
9) Beispiele: Nutzen Sie motivierende Beispiele: Sprechen Sie über Erfolgsgeschichten, positive Zukunftsvisionen und inspirierende Vorbilder!
Aber wie können Lernsituationen in der Praxis so gestaltet werden, dass sie ganzheitlich aktivierend für die Auszubildenden sind? Es sollte ein lebendiges Lernen mit Hilfe kreativer, erfahrungsbasierter Methoden ermöglicht werden. Dies ist ein grundlegender (kein neuer) didaktischer Ansatz für die Förderung einer nachhaltigkeitsorientierten Handlungskompetenz. Im Kern bedeutet dies: Lernen mit Lebensweltbezug, welches ausgerichtet ist auf individuelle Lebensentwürfe und das eigene (auch künftige) berufliche Handlungsfeld, z. B. indem Recherchen im eigenen Unternehmen zu Möglichkeiten der Energieeinsparung durchgeführt werden. Lernen soll vor diesem Hintergrund vor allem unter Berücksichtigung der Sinne stattfinden, d. h. mit Körper und Geist erfahrbar sowie sinnlich-stimulierend sein. Die Auszubildenden sollen sich dabei zudem als Teil einer gestalterischen Erfahrungsgemeinschaft erleben. Dies kann durch gemeinsame Reflexionen über das eigene Verhalten und persönliche Erfahrungen gefördert werden, beispielsweise durch die Entwicklung und Verkostung eigener Lebensmittelkreationen unter Nachhaltigkeitsaspekten. Hierfür muss unbestritten immer auch der „Raum“ zur Verfügung stehen (siehe z.B. Hantke 2018 „‘Resonanzräume des Subpolitischen‘ als wirtschaftsdidaktische Antwort auf ökonomisierte (wirtschafts-)betriebliche Lebenssituationen“). Ebenso können motivierende Beispiele helfen – wie z. B. Erfolgsgeschichten und inspirierende Vorbilder.
Schritt 4 – Lernort Betrieb:
Entwicklung nachhaltiger Lernorte
10) Lernende Organisationen: Auch Organisationen können „Nachhaltigkeit lernen“: Entwickeln Sie Ihre Institution Schritt für Schritt zum nachhaltigen Lernort!
Schließlich geht es im vierten Schritt darum, den Lernort in den Blick zu nehmen und diesen als nachhaltigen Lernort zu gestalten. Den gesamten Betrieb nachhaltig auszurichten ist u. a. deshalb entscheidend, da andernfalls die an Nachhaltigkeit orientierten Inhalte der Ausbildung wenig glaubwürdig für Auszubildende sind. Der Betrieb als Institution sollte dafür an einem gemeinschaftlichen Leitbild ausgerichtet sein, welches neben den üblichen ökonomischen auch soziale und ökologische Ziele beinhaltet. So kann BBNE überzeugend in die Organisation integriert und vom betrieblichen Ausbildungspersonal umgesetzt werden.
Quellenverzeichnis
Handke, Harald (2018): „Resonanzräume des Subpolitischen“ als wirtschaftsdidaktische Antwort auf ökonomisierte (wirtschafts-)betriebliche Lebenssituationen – eine Forschungsheuristik vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeitsidee. In bwp@Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online (Nr. 35), 2018, S. 1-23.
Kastrup, Julia; Kuhlmeyer, Werner; Nölle-Krug, Marie (2022): Aus- und Weiterbildung des betrieblichen Bildungspersonals zur Verankerung einer Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. In: MICHAELIS, Christian; BERDING, Florian (Hrsg.): Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Umsetzungsbarrieren und interdisziplinäre Forschungsfragen. Bielefeld 2022, S. 173-189
Melzig, Christian; Kuhlmeyer, Werner; Kretschmer, Susanne (Hrsg. 2021): Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Die Modellversuche 2015–2019 auf dem Weg vom Projekt zur Struktur. Bonn 2021. Online: https://www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/show/16974
Schütt-Sayed, Sören; Casper, Marc; Vollmer, Thomas (2021): Mitgestaltung lernbar machen – Didaktik der Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. In: Melzig, Christian; Kuhlmeier, Werner; Kretschmer, Susanne (Hrsg.): Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Die Modellversuche 2015–2019 auf dem Weg vom Projekt zur Struktur. S. 200-227. Online: https://www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/show/16974
SDG 8 Menschenwürdige Arbeit
“Dauerhaftes, inklusives und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und
menschenwürdige Arbeit für alle fördern”
In der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie wird zum SDG 8 auf das Leitbild „Soziale Marktwirtschaft“ verwiesen (Bundesregierung 2021: 2214):
„Soziales Ziel ist es, unternehmerische Freiheit und funktionierenden Wettbewerb mit sozialem Ausgleich und sozialer Sicherheit zu verbinden. Mit Hilfe der Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft, wie fairer Wettbewerb, Unternehmerverantwortung, Sozialpartnerschaft, Mitbestimmung und gerechte Verteilung des erwirtschafteten Wohlstands, werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass wir auch in Zukunft noch Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung haben.“
Hinsichtlich des SDG 8 sind zwei Ebenen zu betrachten: Eine nationale Ebene und die globale Ebene.
Auf der nationalen Ebene steht Deutschland laut der „European Working Survey” hinsichtlich der Arbeitsbedingungen sehr gut da – 89 Prozent der Befragten geben an, mit ihrem Job zufrieden zu sein und 91 Prozent bestätigen einen fairen Umgang mit ihnen als Arbeitnehmer*innen (Eurofond 2021). Jedoch zeigt der Index “Gute Arbeit” des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB 2022) detailliert, dass es in manchen Branchen, wie dem Gesundheitssektor und bei Beschäftigten in Leiharbeitsverhältnissen noch große Defizite gibt (DGB 2022). Besonders negativ sind hierbei die Kriterien “Arbeitsintensität” und “Einkommen” aufgefallen, die notwendigen Handlungsbedarf in Berufsbildern aufzeigen.
Auch wenn Kinderarbeit und Sklaverei in Deutschland keine Rolle spielen, so ist die Umsetzung der verschiedenen Unterziele des SDG 8 eine dauerhafte Aufgabe im Sinne einer kontinuierlichen Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Noch ein zweites gilt: Aufgrund der komplexen Lieferketten müssen Unternehmen Verantwortung für ihre Produkte auch in den Ländern, wo diese hergestellt werden, übernehmen. An dieser Stelle sollen folgende Unterziele betrachtet werden:
8.5 Bis 2030 produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle Frauen und Männer, einschließlich junger Menschen und Menschen mit Behinderungen, sowie gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit erreichen
8.6 Bis 2020 den Anteil junger Menschen, die ohne Beschäftigung sind und keine Schul- oder Berufsausbildung durchlaufen, erheblich verringern
8.b Bis 2020 eine globale Strategie für Jugendbeschäftigung erarbeiten und auf den Weg bringen und den GLOBALEN BESCHÄFTIGUNGSPAKT DER INTERNATIONALEN ARBEITSORGANISATION umsetzen (ILO o. J.; Destatis o. J.)
8.7 Sofortige und wirksame Maßnahmen ergreifen, um Zwangsarbeit abzuschaffen, moderne Sklaverei und Menschenhandel zu beenden und das Verbot und die Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit, einschließlich der Einziehung und des Einsatzes von Kindersoldaten, sicherstellen und bis 2025 jede Form von Kinderarbeit ein Ende setzen
8.8 Die Arbeitsrechte schützen und sichere Arbeitsumgebungen für alle Arbeitnehmer, einschließlich der Wanderarbeitnehmer, insbesondere der Wanderarbeitnehmerinnen, und der Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen, fördern.
Die Schnittstellen zur neuen Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ ergibt sich über die Beachtung der gesellschaftlichen Folgen des beruflichen sowie der zu entwickelnden Beiträge für ein nachhaltiges Handeln (BMBF 2022)
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Menschenwürdige Arbeit
Menschenwürdige Arbeit in Deutschland bedeutet vor allem Arbeit, die sich zumindest an internationalen Standards orientiert (vgl. ILO o. J.). Formuliert sind diese in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Vereinte Nationen 1948; UN-Charta, Artikel 23 und 24). Als “menschenunwürdige Arbeit” werden Kinderarbeit, Sklavenarbeit und teilweise Leiharbeit bezeichnet sowie Merkmale bei den Beschäftigungsverhältnissen, die sich nicht an den o. g. Regelwerken orientieren, wie “fehlende soziale Sicherheit”, “mangelnder Arbeitsschutz”, “Ausnutzung von Scheinselbstständigen” und “Ungleichbehandlung von Frauen”.
Saisonarbeit
Alle bei einem in Deutschland ansässigen Unternehmen befristet angestellte Arbeitnehmer: innen aus anderen Ländern werden als Saisonarbeiter bezeichnet. Laut Definition in den relevanten Vorschriften üben sie eine Tätigkeit aus die “aufgrund eines immer wiederkehrenden saisonbedingten Ereignisses oder einer immer wiederkehrenden Abfolge saisonbedingter Ereignisse an eine Jahreszeit gebunden sind, während der Bedarf an Arbeitskräften den für gewöhnlich durchgeführte Tätigkeiten erforderlichen Bedarf in erheblichem Maße übersteigt” (Zoll 2022). Folgende Bereiche setzen Saisonarbeitskräfte ein:
- Tourismus: Gaststätten, Hotels für Kellner: innen, Küchenpersonal, Zimmerservice und in Betrieben, die nicht ganzjährig geöffnet sind, wie Biergärten und Skihütten, oder auch zur Abdeckung von Arbeitsspitzen in Ausflugslokalen.
- Schaustellergewerbe auf Volksfesten, Jahrmärkten etc.
- In der Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau (Erntehilfen in Sonderkulturbetrieben wie Obst-, Gemüse- oder Weinbau).
DGB Index Gute Arbeit
Die Qualität von Arbeitsbedingungen wird seit 2012 aufgrund von 42 standardisierten Fragen in einer bundesweiten repräsentativen Erhebung ermittelt (DGB 2022). Elf Kriterien der Arbeitsqualität werden abgefragt. Im November 2022 wurde der DGB-Index Gute Arbeit 2022 veröffentlicht. Wie schon in den vorangegangenen Jahren gibt es zu den Kriterien „Arbeitsintensität“ und „Einkommen“ erheblich kritische Bewertungen.
Der Index 2022 zeigt z. B. für die Branchen „Metallerzeugung und –bearbeitung“ (64), „Ver- und Entsorgung“ (69), „Baugewerbe“ (66), „Gastgewerbe“ (62), „Information und Kommunikation“ (69), „Finanz- und Versicherungsdienstleistungen“ (68) und „Gesundheitswesen“ (62) auf, dass die Arbeitsbedingungen noch weit entfernt sind vom Anspruch „Gute Arbeit“.
In der ausführlichen Debatte über die Detailergebnisse für 2022 sticht hervor, dass Beschäftigte in Leiharbeitsverhältnissen ihre Situation auffällig schlecht bewerten (ebd.).
„Auf Branchenebene kommen Beschäftigte aus dem Gastgewerbe und dem Gesundheitswesen auf die niedrigsten Indexwerte (jeweils 62 Punkte). In der Informations- und Kommunikationsbranche (IuK) liegt der Wert dagegen bei 69 Punkten. Auch in den Branchen treten auf Ebene der Teilindizes zum Teil sehr große Unterschiede zutage. Beim Teilindex „Ressourcen“ kommen IuK-Beschäftigte auf 75 Indexpunkte, Arbeitnehmer*innen aus der Metallerzeugung und -bearbeitung dagegen lediglich auf 68 Punkte. Die höchsten Belastungen finden sich im Bereich Erziehung und Unterricht (54 Punkte) sowie im Gesundheitswesen (56 Punkte), wo häufig sowohl physische als auch psychische Belastungsfaktoren auftreten. Die größte Diskrepanz auf Branchenebene zeigt sich bei der Bewertung von „Einkommen und Sicherheit“. Hier liegen die Befragten aus dem Gastgewerbe mit 54 Punkten um 16 Punkte unter dem Wert der Beschäftigten aus der öffentlichen Verwaltung (70 Punkte).“ (a. a.O., S. 13)
Darüber hinaus zeigt der Blick in einzelne Branchen und Berufsgruppen, dass noch immer körperliche Belastungen in vielen Bereichen sehr verbreitet sind (ebd.:S. 19).
Einen wesentlichen Einfluss auf die Bewertung der eigenen Arbeitsbedingungen haben die Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten im Arbeitskontext. Im Zusammenhang mit nachhaltiger Entwicklung ist das Kriterium „Sinn der Arbeit“ eine wesentliche Ressource zur Beurteilung der eigenen Arbeitsbedingungen. Dazu führt der Bericht „Index Gute Arbeit 2022“ aus: „Der Sinngehalt von Arbeit ist eine Ressource, die sich aus unterschiedlichen Quellen speisen kann. Dazu gehört, dass die Produkte bzw. Dienstleistungen, die produziert oder erbracht werden, als nützlich erachtet werden. Häufig ist dies mit der Einschätzung verbunden, ob die Arbeit einen gesellschaftlichen Mehrwert erzeugt. Sinnhaftigkeit kann dadurch entstehen, dass die Arbeit einen Nutzen für Andere hat. Und wichtig für Sinnempfinden ist auch, dass die eigenen, ganz konkreten Arbeitsaufgaben und -merkmale nicht sinnlos erscheinen. Wird Arbeit als sinnvoll empfunden, wirkt sich das positiv auf die Motivation und das Wohlbefinden der Beschäftigten aus. Dauerhaft einer als sinnlos erachteten Arbeit nachzugehen, stellt dagegen eine mögliche psychische Belastung und damit ein gesundheitliches Risiko dar.
BDA - Die Arbeitgeber
Die Arbeitgeber argumentieren mit positiven Statistiken, dass die Arbeitsbedingungen in Deutschland sehr gut sind (BDA o. J.). So sind laut der European Working survey 89 Prozent der in Deutschland Beschäftigten mit ihrem Job zufrieden, 74 Prozent gaben in der Befragung an, dass ihnen ihr Job Spaß macht und 91 Prozent bestätigen einen fairen Umgang am Arbeitsplatz (Eurofond 2021,BDA o. J.). Auch hinsichtlich der Arbeitssicherheit ist die Entwicklung positiv: Sowohl die Arbeitsunfälle, als auch die Unfallquote hat sich seit 1991 halbiert (BDA o. J.). Diese befinden sich seit 2004 unter 1 Mio. und bewegen sich seitdem zwischen 954.000 und 760.000 gemeldeten Fällen (Statista 2021).
Außerdem wird auf die Prävention und den Gesundheitsschutz hingewiesen, für den 2016 ca. 5 Mrd. € ausgegeben wurden, was 40 Prozent der gesamten Ausgaben von 11,7 Mrd. € ausmacht (BDA o. J.). Die betriebliche Gesundheitsförderung, wie Stressmanagement, gesundheitsgerechte Mitarbeiterführung oder Reduktion der körperlichen Belastung kommt dabei sowohl den Beschäftigten als auch den Arbeitgebern zugute. Zuletzt wird noch auf die Eigenverantwortung hingewiesen, die aus selbstverantwortlichen Entscheidungen und flexibleren Arbeitszeiten resultiert.
Prekäre Beschäftigungsverhältnisse
Menschen arbeiten auch in Deutschland teilweise in prekären Beschäftigungsverhältnissen und die “Bedeutung des sogenannten Normalarbeitsverhältnisses nimmt ab, während atypische Formen von Arbeit an Bedeutung zunehmen” (Jakob 2016). Dazu zählen befristete Arbeitsverträge, geringfügige Beschäftigung, Zeitarbeit, (Ketten-)Werkverträge und verschiedene Formen der (Schein-)Selbstständigkeit oder auch Praktika. Durch die Agenda 2010 wurde das Sicherungsniveau für von Arbeitslosigkeit Betroffene deutlich gesenkt (Arbeitslosengeld I in der Regel nur für ein Jahr, danach Arbeitslosengeld II). Menschen sehen sich eher gezwungen, “jede Arbeit zu fast jedem Preis und zu jeder Bedingung anzunehmen. Das hat dazu geführt, dass die Löhne im unteren Einkommensbereich stark gesunken sind” (Jakob 2016). 2015 wurde mit der Einführung des Mindestlohns dagegen gesteuert.
Das Thema betrifft auch das SDG 10 “Ungleichheit”, denn jeder Mensch hat das Recht auf faire und gute Arbeitsverhältnisse, dies ist vielen Menschen jedoch verwehrt. Prekäre Beschäftigung widerspricht dem Leitbild von ”Guter Arbeit“, verbaut Entwicklungsmöglichkeiten von Beschäftigten und verstärkt nachweislich den Trend zu psychischen Belastungen und Erkrankungen sowie deren Folgewirkungen (Jakob 2016) (siehe auch SDG “Gesundheit”) .
Kinderarbeit
Zur Definition und Umsetzung von menschenwürdigen Arbeitsbedingungen sind global große Unterschiede zu verzeichnen. Ein Beispiel hierfür ist die Kinderarbeit, die weltweit noch immer verbreitet ist. 79 Millionen Kinder arbeiten unter ausbeuterischen Bedingungen, vor allem in Fabriken, die wenig qualifiziertes Personal benötigen oder in der Landwirtschaft sowie im Bergbau (BMZ 2021 und 2022). Nach Angaben der ILO müssen weltweit rund 152 Millionen Kinder zwischen fünf und siebzehn Jahren arbeiten, vor allem in der Landwirtschaft, als Hausangestellte oder in Minen. Viele dieser Tätigkeiten sind gesundheitsgefährdend (Welthungerhilfe 2020). Die ILO setzt sich schon lange für die Abschaffung von Kinderarbeit ein, sie ist Partnerorganisation in der „Allianz 8.7“, einer globalen Partnerschaft, die sich zum Ziel gesetzt hat, Zwangsarbeit, moderne Sklaverei, Menschenhandel und Kinderarbeit weltweit zu beseitigen, wie es in den Zielen für nachhaltige Entwicklung 2030 formuliert wurde. (ILO 2021) Unter Mitwirkung der deutschen Bundesregierung wird seit 1992 ein von der ILO betriebenes Internationales Programm zur Abschaffung der Kinderarbeit umgesetzt (International Programme on the Elimination of Child Labour, IPEC<, BMZ 2022)
Arbeitsschutz, Gesundheit und Gute Arbeit
Im Bereich “Gesundheit” und “Gute Arbeit” sind durch die Folgen des Klimawandels wesentliche neue Herausforderungen sowohl für die Arbeitskräfte als auch für die Gesellschaft entstanden. Mit diesen neuen Herausforderungen im Freien sind alle Arbeitenden durch Extremwetterereignisse wie hohe Temperaturen und lang anhaltende Hitzewellen, oder auch Starkregenereignisse, direkt konfrontiert.
Für Bauzeichnerinnen und Bauzeichner, die überwiegend einer sitzenden Tätigkeit nachgehen, ist die Prävention von durch Bewegungsmangel verursachten Problemen mit dem Muskel-Skelett-Apparat besonders wichtig. Bei Menschen mit überwiegend sitzender Arbeitstätigkeit im Büro treten häufig Rückenerkrankungen und Bandscheibenvorfälle auf, die sich mit einer reduzierten Aktivierung und ungenügendem Trainingszustand der stabilisierenden Wirbelsäulenmuskulatur erklären lassen (Fraunhofer-IPA 2018).
Eine repräsentative Befragung von Auszubildenden in kleinen und mittleren Unternehmen durch das Wissenschaftliche Institut der AOK hat herausgefunden (WIdO-monitor 2019), dass Azubis diverse Symptome mehrheitlich mit ihrem Arbeitsplatz in Verbindung bringen. Jeweils ein knappes Viertel gibt beispielsweise an, dass sie häufig oder immer unter Verspannungen, Kopfschmerzen oder Rückenschmerzen leiden. 43,2 Prozent der Befragten berichten, sich immer oder häufig müde oder erschöpft zu fühlen. Körperliche Gesundheitsprobleme werden häufiger genannt als psychische Symptome (43,5 gegenüber 36,5 Prozent). Insgesamt schätzen die Auszubildenden ihren Gesundheitszustand zwar eher als gut ein, nennen aber auch Gesundheitsbeschwerden, die für sie subjektiv mit dem Arbeitsplatz zusammenhängen. Dies gilt insbesondere für muskuloskelettale Beschwerden und die Überbeanspruchungen der Augen.
Zur Vorbeugung gesundheitlicher Probleme ist eine ergonomische Einrichtung des Arbeitsplatzes besonders wichtig. Folgende Aspekte (Auswahl) sind hierfür zu beachten (Fraunhofer IPA 2018):
- Einstellung der Tisch- und Stuhlhöhe (Stuhlhöhe auf Höhe des Kniegelenks und Tischhöhe auf Höhe des Ellenbogens)
- Möglichst zwischen Sitzen und Stehen am Arbeitsplatz abwechseln
- Gleichmäßige Beleuchtung der Arbeitsfläche und keine Blendungen durch punktuell hohe Helligkeit
Gender Pay Gap
Unterschiedliche Entlohnung für vergleichbare Tätigkeiten und Qualifikation für Frauen und Männer lassen sich durch die statistischen Erhebungen des Statistischen Bundesamtes aufzeigen. In einer Pressemitteilung vom März 2022 wird betont, dass Frauen pro Stunde noch immer 18 Prozent weniger verdienen als Männer: „Frauen haben im Jahr 2021 in Deutschland pro Stunde durchschnittlich 18 Prozent weniger verdient als Männer. Damit blieb der Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern – der unbereinigte Gender Pay Gap– im Vergleich zum Vorjahr unverändert. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis 2022) anlässlich des Equal Pay Day am 7. März 2022 weiter mitteilt, erhielten Frauen mit durchschnittlich 19,12 Euro einen um 4,08 Euro geringeren Bruttostundenverdienst als Männer (23,20 Euro). Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 16.02.2023 müssen Frauen bei gleicher Arbeit auch gleich bezahlt werden, eine individuelle Aushandlung der Lohn- oder Gehaltshöhe ist damit nicht wirksam (Zeit Online 2023).
Deutsches Sorgfaltspflichtengesetz
Um ihrer Verantwortung zum Schutz der Menschenrechte gerecht zu werden, setzt die Bundesregierung die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen mit dem Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte von 2016 (Nationaler Aktionsplan, Bundesregierung 2017; 2021; 2022) in der Bundesrepublik Deutschland mit einem Gesetz um. Das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten ist besser unter dem Namen Lieferkettengesetz oder auch Sorgfaltspflichtengesetz bekannt (BMAS 2022, o. ä. “Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz”). Dort ist die Erwartung an Unternehmen formuliert, mit Bezug auf ihre Größe, Branche und Position in der Lieferkette in angemessener Weise die menschenrechtlichen Risiken in ihren Liefer- und Wertschöpfungsketten zu ermitteln, ihnen zu begegnen, darüber zu berichten und Beschwerdeverfahren zu ermöglichen.
Das Lieferkettengesetz tritt 2023 in Kraft und gilt dann zunächst für Unternehmen mit mehr als 3.000, ab 2024 mit mehr als 1.000 Angestellten. Es verpflichtet die Unternehmen, in ihren Lieferketten menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in angemessener Weise zu beachten. Kleine und mittlere Unternehmen werden nicht direkt belastet. Allerdings können diese dann betroffen sein, wenn sie Teil der Lieferkette großer Unternehmen sind.
Unabhängig ob betroffen oder nicht: Es lohnt sich auch für kleinere Unternehmen (Handelsblatt 2021), sich mit dem Gesetz adressierten Nachhaltigkeitsthemen auseinanderzusetzen, um das eigene Handeln entlang dieser Leitplanken zu überprüfen. Der Nachhaltigkeitsbezug ist unter anderem durch den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) gegeben, er gab einen wichtigen Impuls für das Gesetz. Der NAP wurde gemeinsam von Politik und Unternehmen verabschiedet, um zu einer sozial gerechteren Globalisierung beizutragen (Bundesregierung 2017). Ergebnisse einer 2020 im Rahmen des Nationalen Aktionsplans durchgeführten repräsentativen Untersuchungen zeigten jedoch, dass lediglich zwischen 13 und 17 Prozent der befragten Unternehmen die Anforderungen des Nationalen Aktionsplans erfüllen (VENRO 2021). Der gesetzgeberische Impuls war also erforderlich, um die Einhaltung der Menschenrechte zu fördern und damit auch zu einem fairen Wettbewerb zwischen konkurrierenden Unternehmen beizutragen.
Das Lieferkettengesetz rückt internationale Menschenrechtsabkommen und lieferkettentypische Risiken in den Blick: Dazu zählen bspw. das Verbot von Kinderarbeit, der Schutz vor Sklaverei und Zwangsarbeit, die Vorenthaltung eines gerechten Lohns, der Schutz vor widerrechtlichem Landentzug oder der Arbeitsschutz und damit zusammenhängende Gesundheitsgefahren. Es werden zudem internationale Umweltabkommen benannt. Sie adressieren die Problembereiche Quecksilber, persistente organische Schadstoffe und die grenzüberschreitende Verbringung gefährlicher Abfälle und ihre Entsorgung. Zu den jetzt gesetzlich geregelten Sorgfaltspflichten der Unternehmen gehören Aufgaben wie die Durchführung einer Risikoanalyse, die Verankerung von Präventionsmaßnahmen und das sofortige Ergreifen von Abhilfemaßnahmen bei festgestellten Rechtsverstößen. Die neuen Pflichten der Unternehmen sind nach den tatsächlichen Einflussmöglichkeiten abgestuft, je nachdem, ob es sich um den eigenen Geschäftsbereich, einen direkten Vertragspartner oder einen mittelbaren Zulieferer handelt. Bei Verstößen kann die zuständige Aufsichtsbehörde Bußgelder verhängen. Unternehmen können von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden.
Quellenverzeichnis
Agenda 2030: siehe Vereinte Nationen 2015. Online: https://www.un.org/depts/german/gv-70/band1/ar70001.pdf
BDA (o. J.): ARBEITSBEDINGUNGEN IN DEUTSCHLAND MIT SPITZENWERTEN. Online: https://arbeitgeber.de/wp-content/uploads/2021/01/bda-arbeitgeber-argumente-arbeitsbedingungen_in_deutschland_mit_spitzenwerten-2020_04.pdf
BGBl Bundesgesetzblatt Jahrgang 2021 Teil I Nr. 46, ausgegeben zu Bonn am 22. Juli 2021, Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten. Online: https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl121s2959.pdf
BMAS Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2022): Sorgfaltspflichtengesetz – Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten. Online: https://www.bmas.de/DE/Service/Gesetze-und-Gesetzesvorhaben/gesetz-unternehmerische-sorgfaltspflichten-lieferketten.html
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: https://www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
BMZ Bundesministerium für Wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) 2022: Gemeinsam gegen Kinderarbeit. Online: https://www.bmz.de/de/themen/kinderarbeit
Bundesregierung (2017): Online: Nationaler Aktionsplan Umsetzung der VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Online: https://india.diplo.de/blob/2213082/a20dc627e64be2cbc6d2d4de8858e6af/nap-data.pdf
Bundesregierung 2021: Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie 2021. Online: https://www.bundesregierung.de/breg-de/service/archiv/nachhaltigkeitsstrategie-2021-1873560
Bundesregierung (2022): Grundsatzbeschluss 2022 zur Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Online: https://www.bundesregierung.de/resource/blob/992814/2146150/16d54e524cf79a6b8e690d2107226458/2022-11-30-dns-grundsatzbeschluss-data.pdf?download=1
Destatis Statistisches Bundesamt (2022c): Gender Pay Gap. Online: https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Arbeitsmarkt/Qualitaet-Arbeit/Dimension-1/gender-pay-gap.html
destatis (o. J.): Internationale Arbeitsorganisation (ILO)-Arbeitsmarktstatistik. Online: https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Arbeitsmarkt/Erwerbstaetigkeit/Methoden/Erlaeuterungen/erlaeterungen-arbeitsmarktstatistik-ilo.html
DGB Deutscher Gewerkschaftsbund (o. J.): Decent work – menschenwürdige Arbeit. Online: www.dgb.de/themen/++co++6157a9a0-2961-11df-48e5-001ec9b03e44
DGB Gewerkschaftsbund (2022): Saisonarbeit in der Landwirtschaft: Miserable Bedingungen für Saisonarbeitnehmer*innen beenden. Online:
www.dgb.de/themen/++co++9ae2a64a-728c-11eb-be71-001a4a160123
DGB (2022): Index Gute Arbeit – Jahresbericht 2022, Ergebnisse der Beschäftigtenbefragung. Online: https://index-gute-arbeit.dgb.de/++co++b20b2d92-507f-11ed-b251-001a4a160123
Eurofound (2021): Working conditions in the time of Covid-19: Implications for the future. Online: https://www.eurofound.europa.eu/sites/default/files/ef_publication/field_ef_document/ef22012en.pdf
Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA (2018): Ergonomische Arbeitsplatzgestaltung. Prinzipien aus Trainings-, Sport- und Arbeitswissenschaft zur Entlastung des Bewegungsapparates. Online: https://www.ipa.fraunhofer.de/content/dam/ipa/de/documents/Kompetenzen/Biomechatronische-Systeme/Ergonomische_Arbeitsplatzgestaltung_IPA2018.pdf
Handelsblatt Research Institut (2021): SORGFALTSPFLICHTEN ENTLANG GLOBALER LIEFERKETTEN. Online: www.bmz.de/resource/blob/92544/18fbb046bf85f95c5b07731ff69c4600/studie-handelsblatt-research-institute-data.pdf
ILO Internationale Arbeitsorganisation 2021: UN startet Internationales Jahr zur Abschaffung der Kinderarbeit 2021. Online: https://www.ilo.org/berlin/presseinformationen/WCMS_766477/lang–de/index.htm
ILO Internationale Arbeitsorganisation (o. J.): Erholung von der Krise: Ein Globaler Beschäftigungspakt. Online; https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/—ed_norm/—relconf/documents/publication/wcms_820295.pdf
Jakob, Johannes (2016) in: Forum Menschenrechte et al.(2019): Bericht Deutschland und die UN-Nachhaltigkeitsagenda 2016. Noch lange nicht nachhaltig, II.11. Gute und menschenwürdige Arbeit auch in Deutschland. Online: www.2030report.de/de/bericht/317/kapitel/ii11-gute-und-menschenwuerdige-arbeit-auch-deutschland
statista (2021): Arbeitsunfälle in Deutschland. Online: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/6051/umfrage/gemeldete-arbeitsunfaelle-in-deutschland-seit-1986/
VENRO Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (2021): Vier Jahre Nationaler Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP). Online: https://venro.org/publikationen/detail/vier-jahre-nationaler-aktionsplan-wirtschaft-und-menschenrechte-nap
Vereinte Nationen (1948): Resolution der Generalversammlung 217 A (III). Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Online: https://www.un.org/depts/german/menschenrechte/aemr.pdf
WidO-monitor (2019): Gesundheitszustand und Gesundheitsverhalten von Auszubildenden. Wissenschaftliches Institut der AOK. Online: https://www.wido.de/fileadmin/Dateien/Dokumente/Publikationen_Produkte/WIdOmonitor/wido_monitor_2019_2_azubis.pdf
Welthungerhilfe (2020): Indien hält bei der Kinderarbeit den traurigen Spitzenplatz. Online: www.welthungerhilfe.de/welternaehrung/rubriken/wirtschaft-menschenrechte/indien-haelt-bei-kinderarbeit-den-traurigen-spitzenplatz
Zeit Online (2023): Lohnunterschiede bei gleicher Arbeit rechtswidrig. Online: https://www.zeit.de/arbeit/2023-02/lohngleichheit-bundesarbeitsgericht-frauen-urteil-diskriminierung?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.ecosia.org%2F
Zoll (2022): Verpflegung und Unterkunft für Saisonarbeitskräfte. Online: https://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Arbeit/Mindestarbeitsbedingungen/Mindestlohn-Mindestlohngesetz/Berechnung-Zahlung-Mindestlohns/Verpflegung-Unterkunft-Saisonarbeitskraefte/verpflegung-unterkunft-saisonarbeitskraefte_node.html
SDG 11 Nachhaltige Städte und Gemeinden
“Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig gestalten”
Das SDG 11 hat das Ziel, Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig zu gestalten.
Für den Bausektor sind die folgenden Unterziele relevant:
11.1 Bis 2030 den Zugang zu angemessenen, sicherem und bezahlbarem Wohnraum und zur Grundversorgung für alle sicherstellen (und Slums sanieren)
11.2 Bis 2030 den Zugang zu sicheren, bezahlbaren, zugänglichen und nachhaltigen Verkehrssystemen für alle ermöglichen und die Sicherheit im Straßenverkehr verbessern, insbesondere durch den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, mit besonderem Augenmerk auf den Bedürfnissen von Menschen in prekären Situationen, Frauen, Kindern, Menschen mit Behinderungen und älteren Menschen
11.3 Bis 2030 die Verstädterung inklusiver und nachhaltiger gestalten und die Kapazitäten für eine partizipatorische, integrierte und nachhaltige Siedlungsplanung und -steuerung in allen Ländern verstärken
11.5 Bis 2030 die Zahl der durch Katastrophen, einschließlich Wasserkatastrophen, bedingten Todesfälle und der davon betroffenen Menschen deutlich reduzieren und die dadurch verursachten unmittelbaren wirtschaftlichen Verluste im Verhältnis zum globalen Bruttoinlandsprodukt wesentlich verringern, mit Schwerpunkt auf dem Schutz der Armen und von Menschen in prekären Situationen
11.6 Bis 2030 die von den Städten ausgehende Umweltbelastung pro Kopf senken, unter anderem mit besonderer Aufmerksamkeit auf der Luftqualität und der kommunalen und sonstigen Abfallbehandlung
11.b Bis 2020 die Zahl der Städte und Siedlungen, die integrierte Politiken und Pläne zur Förderung der Inklusion, der Ressourceneffizienz, der Abschwächung des Klimawandels, der Klimaanpassung und der Widerstandsfähigkeit gegenüber Katastrophen beschließen und umsetzen, wesentlich erhöhen und gemäß dem SENDAI-RAHMEN FÜR KATASTROPHENVORSORGE 2015-2030 ein ganzheitliches Katastrophenrisikomanagement auf allen Ebenen entwickeln und umsetzen
Die Schnittmenge für das SDG 11 ergibt sich aus den Nummern b,d,e und f der Standardberufsbildposition (BMBF 2022):
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
d) Abfälle vermeiden sowie Stoffe und Materialien einer umweltschonenden Wiederverwertung oder Entsorgung zuführen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Nachhaltige Bauweisen
Die Ziele des nachhaltigen Bauens lassen sich den klassischen drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – Ökologie, Ökonomie und Soziokulturelles – zuordnen. Bei der ökologischen Dimension des nachhaltigen Bauens werden Schutzziele wie Ressourcenschonung durch einen optimierten Einsatz von Baumaterialien und Bauprodukten, Erhalt der Biodiversität und geringe Flächeninanspruchnahme verfolgt. Die ökonomische Dimension des nachhaltigen Bauens betrachtet über die Investitionskosten hinausgehend auch die Baufolgekosten. Sie stellt die gebäudebezogenen Lebenszykluskosten, die Wirtschaftlichkeit und die Wertstabilität von Baumaßnahmen in den Fokus. Die soziokulturelle Dimension der Nachhaltigkeit im Baubereich umfasst Schutzziele wie Gesundheit, Mobilität, Lebensqualität und Partizipation (BMI 2019).
Bauen im Bestand
Im Hinblick auf die Flächeneffizienz sind Sanierungen und Modernisierungen einem Neubau vorzuziehen, weiterhin kann durch Bau von Mehrfamilienhäusern statt Einfamilienhäusern und durch Nachverdichtungen von Baulücken die Neuversiegelung von Flächen reduziert werden (BMUV 2022b). Entstehen Neubauten nur dort, wo Flächen durch Abbruch des Bestands frei werden, können neue Flächenversiegelungen vermieden bzw. reduziert werden (Fraunhofer IAO 2022).
Leichtbau
Ziel der Leichtbauweise ist es, eine Reduktion von Masse vorzunehmen und gleichzeitig die Eigenschaften von vergleichbaren konventionellen Bauweisen beizubehalten. Durch innovative Leichtbaukonstruktionen können Materialverbrauch und Kosten für Baumaterialien gesenkt sowie Treibhausgasemissionen reduziert werden (Baumann et al. 2018). Leichtbau als Konstruktionsprinzip – zum Beispiel für Nachverdichtungen im urbanen Raum – zeichnet sich durch hohe Nutzungsflexibilität aus und bietet so (teils temporäre) Lösungen zur Anpassung der Städte an veränderliche Bedürfnisse (Schwimmer et al. 2022). Durch die modulare Bauweise sowie eine erleichterte Rückbaufähigkeit und Kreislauffähigkeit etabliert sich Leichtbau zunehmend als ressourcenschonende Methode (Schwimmer et al. 2022). Potenzielle Leichtbauanwendungen sind zum Beispiel (Baumann et al. 2018):
- Geschossdecke aus Gradientenbeton: In niedrig beanspruchten Bereichen des Bauteils wird Leichtbeton, in hochbeanspruchten Bereichen Normalbeton und in dazwischenliegenden Beanspruchungsbereichen eine Mischung aus beidem eingesetzt. Bei Leichtbeton werden durch poren- oder schaumbildende Technologien gezielt Kavitäten im Inneren der Bauteile platziert und so Material und Gewicht eingespart.
- Textile Gebäudehüllen: Werkseitig gefertigte, modulare Textilfassaden können einen signifikanten Beitrag zur Gewichtsreduktion bei Bauwerken leisten und haben ein hohes individuelles Gestaltungspotenzial (jedoch noch keine breite Anwendung)
- Holzmodulbau: Anwendungsbereiche für die Holzmodulbauweise sind u. a. Außenwände, Innenwände (tragend bzw. nicht tragend), Geschossdecken, Bodenaufbauten, Dachaufbauten. Modulare Bauweisen werden im nachfolgenden Kapitel “Systembau” näher beschrieben.
Systembau (serielle und modulare Bauweisen)
Im Systembau werden Bauteile oder ganze Raummodule industriell vorgefertigt und auf der Baustelle zu Gebäuden zusammengefügt. Gebäudemodule können in der industriellen Fertigung mehrfach (seriell) sowie in hoher Qualität (durch die geschützten Produktionsstätten) produziert werden (BMWSB 2022). Neben ökonomischen Vorteilen der Kosten- und Zeiteffizienz (durch wetterunabhängige Herstellung, reduzierte Montagezeiten und Personalkosten vor Ort etc.) bieten serielle Bauweisen auch ökologische Nachhaltigkeit Potenziale. Durch die standardisierte Herstellung im Werk kann effiziente Maschinentechnik eingesetzt werden. Abfall lässt sich reduzieren bzw. leichter und kontrollierbarer trennen. Ebenso können Reststoffe durch die Vorkonfektionierung minimiert und leichter im Kreislauf geführt werden. Durch die schnelle Bauausführung werden Anwohner*innen weniger Belastungen durch Lärm und Schmutz ausgesetzt (BMWSB 2022). Auch könnte ein Materialpass (als Teil eines Gebäudepasses) leichter etabliert werden. Im Systembau können Bauteile verwendet werden, die mit geringem Aufwand rückgebaut und einer Wiederverwendung zugeführt werden können (SRU 2018). Höherer Materialbedarf entsteht im Systembau ggf. durch die Erzeugung doppelter Decken bei der Stapelung von Stahl- und Holzmodulen. Auch steigt der Lagerflächenbedarf im Werk (SRU 2018).
Sanierung
Sanierungen tragen insbesondere durch einen geringeren Materialbedarf (zwei Drittel niedriger im Vergleich mit einem Neubau) zur Ressourcenschonung bei (BMUV 2022b). Allerdings schafft Sanierung nur dann Wohnraum, wenn Abrisse und Neubauten vermieden werden. Dies gilt allerdings nicht uneingeschränkt: Wenn ein großer Bungalow (Flachbauweise) auf einem großen Grundstück abgerissen wird und anstelle dessen 4 Wohneinheiten gebaut werden, ist dies nicht ressourcenschonend aber es fördert das Unterziel 11.1: Die Schaffung von Wohnraum.
Neue Ansätze des seriellen Sanierens – welches aus dem in den Niederlanden entwickelten Energiesprong-Prinzip abgeleitet ist – stützen sich auf den Einsatz vorgefertigter Dach- und Fassadenelementen sowie vorgefertigter Haustechnik und ermöglichen somit ein schnelles Voranschreiten in der energetischen Gebäudesanierung, durch die viel Energie eingespart werden kann. In ersten Pilotprojekten werden Gebäude auch in Deutschland nach diesem Prinzip saniert (dena 2021).
Zirkuläres Bauen
Da ein erheblicher Anteil des Abfallaufkommens in Deutschland durch Baurestmassen aus dem Bausektor zustande kommt (vgl. “Baurestmassen” im Kapitel SDG 12), liegt ein großer Hebel zur Ressourcenschonung und Abfallvermeidung in der Etablierung einer Kreislaufwirtschaft im Bausektor. Ziel ist es, Ressourcen in (quasi endlosen) Kreisläufen wieder zu nutzen (technischer Kreislauf) oder zu kompostieren (biologischer Kreislauf). Während einige Rohstoffe wie Glas und Stahl bereits heute in die Produktion zurückgeführt werden, werden andere Baustoffe wie Frischbeton (Gesteinskörnung), Mauerziegel, Glaswolle oder Holzfaserplatten nur in geringen Mengen einer Wiederverwendung zugeführt (Anteil der Rückführung in die Produktion je nach Baustoff 5 Prozent oder weniger). Die Eignung des Bauobjekts zum zirkulären Wirtschaften wird zum großen Teil bereits in der Planungsphase durch Materialauswahl, Gestaltung, Konstruktion etc. bestimmt. Diese sollen so geplant werden, dass sie rückbaubar sind und aus Baustoffen und Bauteilen bestehen, die sich sortenrein trennen, reparieren oder vollständig kompostieren lassen (Gebäudeforum Klimaneutral 2022). Die Voraussetzung für zirkuläres Bauen sind aber Materialpässe und Building Information Modeling:
Materialpässe: Bei selektiven Rückbau- und Abbruchverfahren werden Baustofffraktionen bereits an der Abbruchstelle sorgfältig getrennt und Schadstoffe frühzeitig ausgeschleust. Voraussetzung hierfür sind Kenntnisse zur stofflichen Zusammensetzung des Gebäudes bzw. Bauwerks sowie zu potenziellen Schadstoffen (UBA 2022a). Eine Dokumentation von Bauwerken in Form von Materialpässen/Materialinventaren würde die Informationsgrundlage für zirkuläres Bauen schaffen und könnte zukünftig in größerem Umfang genutzt werden (UBA 2022c).
Building Information Modeling: Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) spielen eine wichtige Rolle in der Bauplanung (z. B. Computer-Aided Design (CAD)). Die Arbeitsmethode des Building Information Modeling (BIM) – bei der ein ganzes Gebäude als digitaler Zwilling existiert mit all seinen Materialien – bietet Nachhaltigkeitspotenziale, da sie die Digitalisierung des gesamten Bauwerks “von der Wiege bis zur Bahre” ermöglicht.
Anpassung an den Klimawandel
Das städtische Leben wird durch verschiedene klimatische Veränderungen im Zuge des Klimawandels beeinflusst: Häufigere, extreme Starkregenereignisse können Überflutungen verursachen, höhere Temperaturen bewirken Hitzebelastungen bei Tag und Nacht (z. B. sog. Tropennächte) und längere Trockenperioden können Wasserknappheit verursachen. Blaue und grüne Infrastrukturen im städtischen Raum wie zum Beispiel Grün- und Freiflächen, Dachbegrünungen oder Wasserflächen leisten einen positiven Beitrag zur Abschwächung von Klimafolgen. So können beispielsweise Dachbegrünungen dazu beitragen, Abflussspitzen bei Niederschlag abzumildern und das Kanalsystem zu entlasten. Mulden und Retentionsflächen im Freiraum und entlang von Straßen sammeln Niederschlagswasser und stützen durch Verdunstung bzw. Versickerung den natürlichen Wasserkreislauf (Winker et al. 2020). So genannte Multifunktionsflächen erfüllen verschiedene Zwecke, beispielsweise werden diese bei gutem Wetter als Freizeitgelände genutzt und dienen bei Starkregen als Retentionsflächen. Weitere Bauelemente, die die örtliche Verdunstung bzw. Versickerung begünstigen und/oder Abflussspitzen bei Starkregen reduzieren können, sind zum Beispiel Baum-Rigolen oder versickerungsfähiges Pflaster. Auch auf Gebäudeebene werden Anpassungsstrategien und -maßnahmen an Wetterextreme (im Zuge des Klimawandels) zunehmend bedeutend:
- Anpassung an Starkregen und Hochwasser (Auswahl, Difu 2017)
- Zugangswege, Stellplätze etc. mit Neigung vom Gebäude weg vermindern den Wasserzufluss zum Gebäude
- Ggf. können Unterkellerungen bei Neubauten vermieden werden
- Entsiegelung erhöhen die Versickerungsrate von Niederschlagswasser
- Anpassung an Hitze (Auswahl)
- Kompakte Gebäude mit einem optimierten Verhältnis von Hüllfläche zum Raumvolumen minimieren – in Verbindung mit Wärmedämmung und Wärmespeicherung – die Aufheizung der Innenräume im Sommer sowie die Auskühlung im Winter (BBSR 2022)
- Südfassaden weisen im Winter die höchsten Wärmegewinne auf und im Sommer geringere Strahlungsexpositionen als Ost- und Westausrichtungen (BBSR 2022)
- Bäume dienen als natürliche Schattenspender auf dem Grundstück (Difu 2017)
- Helle Fassadenfarben speichern Hitze weniger stark als dunkle Farbtöne (Difu 2017)
- Anpassung an Sturm und Hagel (Auswahl) (Difu 2017)
- Dachaufbauten und Fassadenbauteile mit Vorrichtungen gegen abhebende Winde schützen
- Dachpfannen ggf. mit Sturmverklammerung zusätzlich sichern
Maßnahmen und Elemente zur Klimaanpassung sollten im Planungsprozess frühzeitig mitbedacht werden (Stichworte “Wasserbewusste Siedlungsentwicklung” oder “Schwammstadt”). Bauzeichner*innen können im Kontakt mit den planenden Architekt*innen und Ingenieur*innen sowie mit den Auftraggebenden Ideen mit einbringen und die zeichnerische Umsetzung gestalten.
Lärmschutz
Lärm ist ein wichtiger Umweltfaktor, der die Wohnqualität beeinträchtigen und die dauerhafte Gesunderhaltung der Menschen gefährden kann. Hauptquelle für Lärm in Ballungsräumen ist der Verkehr (Straßenverkehr, Flugverkehr, Schienenverkehr). Weitere Lärmquellen bilden Geräusche aus der Nachbarschaft sowie von Industrie und Gewerbe. Lärm sollte so weit möglich an der Quelle reduziert werden (UBA 2013). Häufig in Lärmaktionsplänen genannte Minderungsmaßnahmen sind (u. a., ebd.):
- Schallschutzwände, -wälle
- Geschwindigkeitssenkung
- Verkehrsberuhigung
- Fahrbahnbelag und Gleise
- Berücksichtigung weiterer Planungen
Partizipation - Beteiligung der Bürger*innen
Durch hohes gesellschaftliches Interesse und Mitgestaltungsansprüche der Bürger*innen an der Transformation der bebauten Umwelt in der Stadtplanung und dem Stadtmanagement gewinnen partizipative Verfahren an Bedeutung. Hohe Transparenz und (zum Beispiel digitale) Einbindung der Bevölkerung in Verfahren fördern die Akzeptanz von Bauvorhaben im Sinne der sozialen Nachhaltigkeit (Fraunhofer IAO 2022).
Die Zugänglichkeit zu Informationen in der Bauplanung kann durch vereinfachte, für Laien verständliche Darstellungen in Bauplänen und Präsentationen erleichtert werden. Bauzeichner*innen sollten hierauf bei der Erstellung der Unterlagen für Planungssitzungen mit öffentlicher Beteiligung ihr besonderes Augenmerk richten.
Quellenverzeichnis
Baumann, Michael; Haase, Walter; Eisenbarth, Christina; Freitag, Clemens; Graf, Roberta; Horn, Rafael et al. (2018): Leichtbau im Bauwesen. Ein Praxis-Leitfaden zur Entwicklung und Anwendung ressourcen- und emissionsreduzierter Bauprodukte. Hg. v. Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg. Fraunhofer-Institut für Bauphysik; Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren der Universität Stuttgart. Online: https://wm.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-wm/intern/Publikationen/Innovation/Praxis-Leitfaden_Leichtbau_im_Bauwesen_2018_Web.pdf
BBSR Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (2022): Klimaangepasste Gebäude und Liegenschaften. Empfehlungen für Planende, Architektinnen und Architekten sowie Eigentümerinnen und Eigentümer. Online: https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/veroeffentlichungen/zukunft-bauen-fp/2022/band-30-dl.pdf
BMI Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (2019): Leitfaden Nachhaltiges Bauen. Zukunftsfähiges Planen, Bauen und Betreiben von Gebäuden. Online: https://www.nachhaltigesbauen.de/fileadmin/publikationen/BBSR_LFNB_D_190125.pdf
BMUV Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (2022b): Nachhaltiges Bauen: energieeffizient, nachwachsend und recyclingfähig. Hintergrund. Online: https://www.umwelt-im-unterricht.de/hintergrund/nachhaltiges-bauen-energieeffizient-nachwachsend-und-recyclingfaehig
BMWSB Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (2022): Seriell und typologisiert bauen – schnell, bezahlbar und qualitativ hochwertig. Online: https://www.bmwsb.bund.de/SharedDocs/downloads/Webs/BMWSB/DE/sommertour-2022/berlin.pdf
dena (2021): Serielles Sanieren: Erstes Pilotprojekt Deutschlands fertiggestellt. Online: https://www.energiesprong.de/newsroom/meldungen/2021/serielles-sanieren-erstes-pilotprojekt-deutschlands-fertiggestellt/
Difu Deutsches Institut für Urbanistik (2017): Praxisratgeber klimagerechtes Bauen. Mehr Sicherheit und Wohnqualität bei Neubau und Sanierung. Online: https://www.ansbach.de/media/custom/2595_807_1.PDF
Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA (2018): Ergonomische Arbeitsplatzgestaltung. Prinzipien aus Trainings-, Sport- und Arbeitswissenschaft zur Entlastung des Bewegungsapparates. Online: https://www.ipa.fraunhofer.de/content/dam/ipa/de/documents/Kompetenzen/Biomechatronische-Systeme/Ergonomische_Arbeitsplatzgestaltung_IPA2018.pdf
Gebäudeforum Klimaneutral (2022): Zirkuläres Bauen. Online: https://www.gebaeudeforum.de/wissen/nachhaltiges-bauen-und-sanieren/zirkulaeres-bauen/
Schwimmer, Edith; Wenzel, Günter; Braun, Steffen; Ruess, Patrick; Rieck, Alexander; Eix, Frauke-Johanna (2022): Szenarioprozess „Bauen 2030“. Hg. v. Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO. Online: https://www.iao.fraunhofer.de/de/presse-und-medien/aktuelles/bauen-2030-szenarien-fuer-zukunftsfaehige-bauwende.html
SRU (2018): Wohnungsneubau langfristig denken – Für mehr Umweltschutz und Lebensqualität in den Städten. Stellungnahme. Sachverständigenrat für Umweltfragen. Online: https://www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/04_Stellungnahmen/2016_2020/2018_11_Stellungnahme_Wohnungsneubau.pdf
UBA Umweltbundesamt (2013): Schwerpunkte 2013. Online: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/publikation/long/4405.pdf
UBA Umweltbundesamt (2022a): Stoffstrommangement im Bauwesen. Online: https://www.umweltbundesamt.de/themen/abfall-ressourcen/abfallwirtschaft/urban-mining/stoffstrommanagement-im-bauwesen#verwertung-von-baurestmassen
UBA Umweltbundesamt (2022c): Materialinventare und -kataster: Kreislaufwirtschaft im Bauwesen. Online: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/479/publikationen/uba_positionspapier_kreislaufwirtschaft.pdf
Winker, Martina; Frick-Trzebitzky, Fanny; Matzinger, Andreas; Schramm, Engelbert; Stieß, Immanuel (2020): Bausteine blau-grün-grauer Infrastrukturen. In: Jan Hendrik Trapp, Martina Winker, Jeremy Anterola, Herbert Brüning, Fanny Frick-Trzebitzky und Michael Gunkel (Hg.): Blau-grün-graue Infrastrukturen vernetzt planen und umsetzen. Ein Beitrag zu Klimaanpassung in Kommunen: netWORKS. Berlin: Deutsches Institut für Urbanistik gGmbH.
SDG 12 Nachhaltige/r Konsum und Produktion
“Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen”
Dieses SDG 12 zielt auf die nachhaltige und effiziente Nutzung der Ressourcen ab. Ressourcen sind alle Stoffe der Natur (Mineralien und Metalle, biotische Ressourcen wie Holz oder Baumwolle), aber auch Luft, Wasser und Boden (vgl. ProgRess 2016). Abfälle sollen vermieden oder recycelt und gefährliche Abfälle sicher entsorgt werden.
Weltweit ist ein Trend zur Urbanisierung zu beobachten, der besonders in Entwicklungs- und Schwellenländern anhalten wird und mit einem steigenden Bedarf an neuen Gebäuden und Straßen einhergeht. Der Bausektor ist weltweit einer der größten Verbraucher natürlicher Ressourcen. Die Nachfrage nach Baustoffen wie Beton, Stahl, Glas und Holz ist sehr hoch. Sand ist in manchen Teilen der Welt so wertvoll, dass ganze Strände gestohlen werden. Auch in Deutschland boomt die Baubranche und Preise für Rohstoffe und Baumaterialien steigen aufgrund der hohen Nachfrage. So lag der Preis für Bauholz im Mai 2021 um 38 Prozent höher als noch ein Jahr zuvor. Der Preis für Betonstahl stieg im gleichen Zeitraum um 44 Prozent (BMUV 2022b). Für die Bausektor sind aufgrund der Abhängigkeit von der Ressourcennutzung folgende Unterziele relevant:
12.2 Bis 2030 die nachhaltige Bewirtschaftung und effiziente Nutzung der natürlichen Ressourcen erreichen
12.5 Bis 2030 das Abfallaufkommen durch Vermeidung, Verminderung, Wiederverwertung und Wiederverwendung deutlich verringern
12.8 Bis 2030 sicherstellen, dass die Menschen überall über einschlägige Informationen und das Bewusstsein für nachhaltige Entwicklung und eine Lebensweise in Harmonie mit der Natur verfügen
Das SDG 12 betrifft im Prinzip alle Fähigkeiten und Kenntnisse der Standardberufsbildposition. Die Emissionen durch die Baubranche werden im nachfolgenden Kapitel SDG 13: “Maßnahmen zum Klimaschutz” beschrieben, da die Verwendung der jeweiligen Lebensmittel in der Gastronomie der Schlüssel für mehr Nachhaltigkeit ist (vgl. Scharp 2019). Die Nutzung von Energie für den Küchenbetrieb wurde oben im Kapitel SDG 7: “Bezahlbare und saubere Energie” beschrieben. Weitere Verbindungen zwischen den SDG und der Standardberufsbildposition werden bei den jeweiligen SDG beschrieben.
“Abfall” ist aber auch eine eigene Position 3d in der Standardberufsbildposition “Umweltschutz und Nachhaltigkeit:
d) Abfälle vermeiden sowie Stoffe und Materialien einer umweltschonenden Wiederverwertung oder Entsorgung zuführen
Ökobilanzen und Baustoffe
Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) beschreibt die Ökobilanz als ein zentrales Instrument der Nachhaltigkeitsbewertung von Produkten, Verfahren oder Dienstleistungen. Bezogen auf den Gebäudebereich gibt die Ökobilanz Auskunft über die potenziellen Umweltwirkungen und den Ressourcenbedarf für die Herstellung, die Errichtung, den Betrieb und die Entsorgung eines Gebäudes sowie der verwendeten Bauprodukte (BBSR 2021). Die Plattform ÖKOBAUDAT des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) bietet allen Akteuren eine vereinheitlichte Datenbasis für die Ökobilanzierung von Bauwerken.
Die Betrachtung verschiedener Studien zum Ökobilanzvergleich von Holz- und Massivhäusern zeigt eine sehr hohe Varianz in den Ergebnissen der Umweltauswirkungen (aufgrund hoher Varianz in der Methodik, im Betrachtungszeitraum etc.), wodurch ein Vergleich nur innerhalb der jeweiligen Studie und je Umweltindikator stattfinden kann (UBA 2020). Für die Indikatoren Primärenergiebedarf und Treibhausgaspotenzial zeigt sich, dass (in allen Studien, ausgenommen einer Studienreihe) “grundsätzlich die Holzbauweise, unabhängig von den gewählten Baustoffen für die Massivbauweise und Konstruktionsart in der Holzbauweise, geringere Umweltauswirkungen in den betrachteten Leitindikatoren vorweisen kann” (UBA 2020, S. 229).
Ein Vergleich eines Einfamilienhauses in konventioneller Bauweise mit einem Einfamilienhaus aus nachhaltigen Baustoffalternativen ist in der folgenden Tabelle dargestellt:
Konventionelles Einfamilienhaus | Nachhaltiges Einfamilienhaus | |
Wände und Böden | Beton (aus Zement, Wasser und Sand/Kies) | Holz |
Fensterrahmen | Kunststoff (aus Erdöl) | Holz |
Wärmedämmung (Dach und Außenwände) | Styropor (Polystyrol) oder „Glaswolle“ | Pflanzenfasern (aus der Landwirtschaft) oder Zellulose (aus Altpapier) |
Heizung | meistens Öl- oder Gasheizung | häufig Solarkollektoren oder Wärmepumpen |
Quelle: BMUV 2022a
Ohne Frage sind Gebäude aus Holz oder Lehm ressourcenschonender und ihre Baustoffe sind mit geringeren THG-Emissionen verbunden. In der derzeitigen Baupraxis haben aber nur Holzbauten einen größeren Anteil an den Baustoffen wie die folgende Statistik der Genehmigung von Wohngebäuden nach Baustoffen zeigt (BauLinks 2021):
Baugenehmigungen nach Baustoff (2020)
Baustoff | Anteil | Anzahl |
Ziegel | 29,6% | 36.895 |
Porenbeton | 21,0% | 26.111 |
Holz | 20,4% | 25.375 |
Kalksandstein | 16,7% | 20.811 |
Stahlbeton | 7,9% | 9.865 |
alle anderen Baustoffe zusammen | 4,5% | 5.524 |
Im Folgenden sollen ausgewählt nachhaltige Rohstoffe kurz beschrieben werden.
Holz
Holz ist als nachwachsender und regionaler Rohstoff ein wichtiger Baustoff für nachhaltiges Bauen. Holzbau ist auch im Bereich der Aufstockung und Nachverdichtung von Städten – auch durch serielles Bauen – wichtig. Bei größeren Projekten wird das Bauen mit Holz aufgrund von Material- und Planungskosten etwas teurer als andere Bauweisen. Demgegenüber ermöglichen aber Holzgebäude einfacheren Umbau oder Rückbau und somit flexiblere Anpassung an geänderte Nutzungsbedürfnisse. Bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung sind also nicht nur die Herstellungskosten in Betracht zu ziehen (BMK 2021).
Werden im Städtebau Zement und Stahl durch Holz ersetzt, könnten Treibhausgasemissionen aus Zement- und Stahlproduktion vermieden werden. Im Bauholz wird zudem das von den Bäumen aus der Luft aufgenommene und eingelagerte CO2 gespeichert. Für eine Ausweitung der Holznutzung ist eine sehr sorgfältige und nachhaltige Waldbewirtschaftung notwendig (PIK 2020).
Lehmbau
Mauerwerk und Mörtel aus Lehm könnten in Zukunft eine wichtige Rolle im nachhaltigen Wohnungsbau spielen. Lehm wird nur getrocknet und nicht gebrannt und hat daher einen um 85 Prozent niedrigeren Primärenergiebedarf und eine sehr viel bessere CO2-Bilanz als Zement. Des Weiteren ist Lehm (bestehend aus Erde mit einem Anteil von Tonmineralen) weltweit in nahezu allen Böden verfügbar und kann zu 100 Prozent recycelt und wiederverwertet werden (BAM o. J.). Die traditionellen Baustoffe wie Holz und Lehm können dank moderner Verarbeitungsmethoden höchste Anforderungen (etwa an Brandschutz, Feuchtigkeits- und Wärmeschutz sowie Luftdichtheit) erfüllen (BMUV 2022b). Allerdings ist Lehmbau eine Nischenbauweise, höchstens bei Innenputzen kommt es häufiger zu tragen.
Nachwachsende Rohstoffe
Die Herstellung von Baumaterialien aus nachwachsenden Rohstoffen benötigt in der Regel vergleichsweise wenig Energie. Außerdem speichern die Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen das Kohlendioxid, das die Pflanzen beim Wachstum aufgenommen haben, über einen langen Zeitraum. Um den Kriterien der Nachhaltigkeit zu genügen, müssen diese Rohstoffe aus nachhaltiger Land- und Forstwirtschaft stammen (vgl. SDG 13 Nachhaltigkeitssiegel). Vorteilhaft wäre es außerdem, wenn die Rohstoffe aus der Region stammen und damit der Energieaufwand zum Transport gering gehalten werden kann (BMUV 2022b).
Materialien zur Wärmedämmung können aus nachwachsenden Rohstoffen wie zum Beispiel Hanf, Holzfasern, Schafwolle, Zellulose aus Altpapier, Schilf oder Stroh hergestellt werden. Die Rohstoffe werden zu Matten bzw. Platten verarbeitet, lose geschüttet oder in Hohlräume eingeblasen. Die Dämmleistung solcher Wärmedämmungen ist vergleichbar mit Dämmmaterialien aus nicht nachwachsenden Rohstoffen wie Polystyrol. Die Brandschutzvorgaben werden ebenfalls erfüllt (BMUV 2022b). Produktökobilanzen zeigen, dass für Bauteile, in denen alle Dämmstofftypen eingesetzt werden können, Holzfasereinblasdämmung sowie Hanf- und Jutematten am besten abschneiden, solange Hanf- und Jutematten auf Restbiomasse bzw. sekundäre Rohstoffe zurückgreifen können. Darauf folgen Zelluloseeinblasdämmstoff, EPS-Platten und Holzmatten und darauf die weiteren Dämmstoffe wie Glaswollematten, Mineralschaumplatten etc. Diese Einordnung basiert auf der – vom Status quo abweichenden – Annahme, dass eine stoffliche Verwendung der Dämmstoffe am Lebensende erfolgt (Reinhardt et al. 2019).
Hanf | Glaswolle | |
Rohstoff zur Herstellung |
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Umwelt- belastung bei der Herstellung |
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Energiebedarf zur Herstellung |
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Entsorgungs- optionen |
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Vorteile (unvollständige Auswahl) |
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Nachteile (unvollständige Auswahl) |
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Quelle: Reinhardt et al. 2019; Krause 2021
Urban Mining
Der hohe Ressourcenbedarf des Bauwesens birgt jedoch auch große Einsparpotenziale, weshalb dem Bauwesen eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung von Ressourceneffizienz zukommt. Denn der enorme Materialeinsatz hat zur Folge, dass sich Rohstoffe in der gebauten Umwelt (sog. anthropogenes Lager) ansammeln. So fassen deutsche Wohn- und Nichtwohngebäude beispielsweise aktuell etwa 28,4 Milliarden Tonnen Baumaterial. Darin enthalten sind vor allem mineralische Materialien, gefolgt von Stahl, Holz und Kunststoffen (UBA 2022).
Auf dem Weg hin zu einer ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft ist das sogenannte Urban Mining eine wichtige Strategie (UBA 2017). Diese legt den Fokus auf den Gesamtbestand an langlebigen Gütern im vom Menschen gestalteten Lebens- und Wirkungsraum (=Anthroposphäre) und deren intelligente Bewirtschaftung. Die Kreislaufwirtschaft erfordert ein Denken in Stoffströmen und eine Abkehr vom linearen Denkmodell des “take, make, consume and dispose” (UBA 2017:6). Nachhaltigkeitspotenziale der Kreislaufwirtschaft liegen in folgenden Bereichen (UBA 2017):
- Reduzierung der Importabhängigkeit und Bewältigung von Rohstoffknappheiten durch vermehrte Nutzung von Sekundärrohstoffen
- Kosteneinsparungen und Erhöhung der inländischen Wertschöpfung durch Recycling
- Beitrag zur globalen Verteilungsgerechtigkeit durch Senkung des Primärrohstoffbedarfs
- Abfallbewältigung (Recycling langlebiger Güter statt Deponierung)
- Ökologische Entlastung durch reduzierten Primärrohstoffbedarf
Baurestmassen
Ein besonders hohes Verwertungspotential besitzen Baurestmassen, denn sie machen über die Hälfte des gesamten Abfallaufkommens aus (DESTATIS 2022b). Jährlich sind es über 80 Millionen Tonnen, die einer Verwertung oder einer Beseitigung zugeführt werden müssen. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um Bauschutt, Straßenaufbruch, Baustellenabfällen sowie die Fraktion Boden und Steine. Dabei sind größere Mengen an Aushubmaterial, wie Boden und Steine, typisch für bauvorbereitende Handlungen im Hoch- und Tiefbau. Abbruchabfälle hingegen sind inhomogene Gemische, die aus einer Vielzahl von Materialien, wie Boden, Sand, Natursteinen, Betonstücken, Keramik, Ziegel, Fliesen, behandelten und unbehandelten Hölzern, Metallteilen oder Asphalt zusammengesetzt sein können. Auch Installationselemente aus dem Elektrobereich wie beispielsweise Kabel und Geräte sowie Isolationsmaterialien und Rohrleitungen gehören dazu.
Die Verwertungsmöglichkeiten für Bau- und Abbruchabfälle und daraus gewonnene Materialien sind vielfältig. Bei guter und gesicherter Qualität können Gesteinskörnungen aus Beton- und Mauerwerksbruch für die Herstellung von Betonen im Hochbau eingesetzt werden. Ansonsten stellen landschaftsbauliche Maßnahmen, Unterbau- und Tragschichtherstellung im Straßen- und Wegebau sowie der Bau von Sicht- und Lärmschutzanlagen gängige Verwertungswege dar. Auch im Deponiebau besteht eine signifikante Nachfrage nach aufbereiteten Baureststoffen.
Trotz dieser guten Verwertungsmöglichkeiten wird eine hochwertige Kreislaufführung unter Weiternutzung der stofflichen-technischen Eigenschaften für die mineralischen Fraktionen noch zu selten praktiziert. Denn nur ein Bruchteil wird wieder als hochwertiger Betonzuschlagstoff eingesetzt. Der überwiegende Teil wird weniger hochwertig bodennah eingesetzt, wie beispielsweise im Landschafts- und Wegebau, als Ausgleichsmaterial, als Verfüllungsmaterial von Aushebungen oder im stillgelegten Bergbau. Der Einsatz von Recycling-Gesteinskörnungen mit definierten technischen Eigenschaften in Anwendungen, die keine besonderen Anforderungen an das Material stellen, entspricht jedoch einem Downcycling.
Baustoff-Recycling
Eine hochwertige Verwertung von Baurestmassen in anspruchsvollen Anwendungen erfordert entsprechende Verfahren zur Gewinnung und Herstellung hochwertiger und gütegesicherter mineralischer Rezyklate. Denn die späteren Verwertungsmöglichkeiten werden maßgeblich von den bautechnischen Eigenschaften des Ausgangsmaterials und der Zusammensetzung des Bauschutts bestimmt. Daher sind selektive Rückbau- und Abbruchverfahren, bei denen die Baustofffraktionen bereits an der Abbruchstelle sorgfältig getrennt und Schadstoffe frühzeitig ausgeschleust werden, von zentraler Bedeutung. Denn sortenreine mineralische Bauabfälle lassen sich durch Zerkleinern, Sieben und Klassieren zu Recycling-Baustoffen aufbereiten und können dann im konstruktiven Bau als gleichwertiger Betonzuschlag eingesetzt werden und auf diese Weise dazu beitragen wertvolle Rohstoffvorkommen zu schonen.
Recycling-Asphalt
Gebrauchter Asphalt (sog. Ausbauasphalt) kann zu Asphaltgranulat aufbereitet und als Sekundärbaustoff im Mischgut als Trag-, Binder- und Deckschichten sowie zur Verstärkung der Fundation eingesetzt werden. In Nord- und Mitteleuropa wird immer mehr Asphalt recycelt. Die Einsparung an Umweltbelastung beträgt zwischen 20 und 35 Prozent, wenn Asphalte mit erhöhten Ausbauasphalt-Zugaberaten (in der Deckschicht von 50 Prozent Ausbauasphalt und in der Binderschicht von 60 Prozent) verwendet werden (Kytzia u. Pohl 2021:649) Ein Zielkonflikt besteht darin, dass sich die Luftqualität am Werksstandort bei Umstellung der Produktion auf Recyclingprodukte (aufgrund gesteigerter Emissionen flüchtig organischer Kohlenstoffe) verschlechtert. Standortemissionen des Asphaltwerks sind jedoch im Vergleich zur Gesamtumweltbilanz weniger bedeutend (Kytzia u. Pohl 2021).
Recycling-Beton (RC-Beton)
Beton wird aus Gesteinskörnung (Sand, Kies), Zement als Bindemittel, Wasser sowie Betonzusatzstoffen hergestellt. Für RC-Beton wird ein Teil der natürlichen Gesteinskörnung durch rezyklierte Gesteinskörnung ersetzt. Rezyklierte Gesteinskörnung wird durch Aufbruch von Altbeton gewonnen. Altzement wird hierbei abgeschlagen und Kies und Splitt als rezyklierte Gesteinskörnung gewonnen (UM Baden-Württemberg 2011). RC-Beton wird bisher vorwiegend im Straßen- und Wegebau eingesetzt. Einsätze im Hochbau werden in einzelnen Pilotprojekten gefördert und erforscht. Am Pilotprojekt Forschungs- und Laborgebäude der Humboldt-Universität Berlin konnte gezeigt werden, dass Handhabung und Qualität von RC-Beton nicht hinter der von Normalbeton zurück steht.
Folgende Umwelt- und Einsparungseffekte konnten ermittelt werden:
- Vermiedene Flächeninanspruchnahme von 880 m² durch eingesparten Kiesabbau;
- Energieeinsparung von 66 Prozent für Herstellung und Transport von RC-Material gegenüber Kies sowie
- CO2-Einsparung von sieben Prozent für die Produktion von RC-Material gegenüber Kies (UBA 2015).
In der Schweiz ist die Markteinführung von Recyclingbeton schon weiter fortgeschritten und bedeutende Gebäude sind bereits mit RC-Beton errichtet (UM Baden-Württemberg 2011).
Recycling-Kunststoffe
Kunststoff-Rezyklate können in der Herstellung verschiedener Bauprodukte Einsatz finden, so zum Beispiel für:
- Straßenbauprodukte
- Fenster- und Türprofile
- Rohre
- Baufolien
Voraussetzungen für den Rezyklateinsatz sind (unter anderem) gut sortierte Chargen, möglichst wenig Störstoffe und Verunreinigungen sowie Erfüllung der bautechnischen Normen (UBA 2021c). Der folgende Absatz beschreibt anhand von Kunststoffrohren zur Abwasserentsorgung vorhandene Potenziale und Hemmnisse des Rezyklateinsatzes.
Ein größeres Potential für Kunststoff-Recycling könnte bei Grau- und Schwarzwasserrohren bestehen. In der erdverlegten, drucklosen Abwasserentsorgung werden (u. a.) Rohrsysteme aus thermoplastischen Kunststoffen (Polyethylen PE, Polypropylen PP oder Polyvinylchlorid PVC-U) eingesetzt. Bisher werden Kunststoffprodukte zur Abwasserentsorgung überwiegend aus Neumaterial hergestellt, obwohl thermoplastische Kunststoffe grundsätzlich recyclingfähig sind und bereits heute qualitativ hochwertige und langlebige Systeme mit Rezyklat-Anteilen hergestellt werden können (THIS o. J.) und ein Rücknahmesystem für Altrohre vorhanden ist (UBA 2021c). Nach Angaben des Kunststoffrohrverbands betrug der Anteil an wiederverwendeter Altware in der Kunststoffrohrherstellung 5,5 Prozent im Jahr 2018. Als realistisches Ziel aus Sicht des Verbandes wird eine Verdoppelung des Recyclinganteils auf 11 Prozent angegeben (KRV 2019). Während ein Rezyklatanteil in Kunststoffrohren von 20 Prozent technisch umsetzbar wäre, mangelt es jedoch an Verfügbarkeiten von Rezyklaten in entsprechender Qualität. Die Separation der Rohrmaterialien während des Rückbaus stellt eine große Hürde dar. Die Wiedergewinnung von verbauten oder unterirdisch verlegten Rohren ist gegenwärtig nicht wirtschaftlich darstellbar (UBA 2021c). Auch ist der Recyclingprozess aufwändig und dadurch kostspielig und sorgt so für Preisunterschiede zwischen Rezyklaten und Neuware (KRV 2019).
Altholz
Aus der industriellen Holzbe- oder verarbeitung anfallende Holzreste sowie Gebrauchthölzer (Massivholz, Holzwerkstoffe, Verbundstoffe) werden unter dem Begriff Altholz zusammengefasst, soweit diese als Abfall anfallen. Eine stoffliche Nutzung von Altholz ist zum Beispiel durch wiederholtes Recycling von Spanplatten möglich. Altholz kann durch verwendete Holzschutzmittel, Farbanstriche, Beschichtungen usw. mit Schadstoffen belastet sein. Für eine schadlose stoffliche Verwertung müssen die Grenzwerte der Altholzverordnung eingehalten werden (UBA 2019).
IKT und Elektroschrott
Computer, Zeichenprogramme und möglicherweise Cloud-Working sind eine Grundvoraussetzung für das Arbeiten als Bauzeichner und Bauzeichnerin. Hersteller wie Apple, Microsoft oder Dell bringen immer schnellere und bessere Computer auf den Markt – alle zwei Jahre ist heutzutage ein Computer beinahe veraltet, da schon zwei neue Generationen auf dem Markt sind. Gerade für Bauzeichner und Bauzeichnerinnen sind schnelle Rechner von großer Bedeutung, da die Softwareprogramme und die hierbei genutzten Datenbanken immer mächtiger werden. Gerade wenn man Gebäude als 3D-Modelle naturgetreu mit vielen Ebenen (Baukörper, Bewehrung, Elektroinstallation, Heizung und Wasser) bis auf die Ebene der einzelnen Bauelemente erstellt, ergeben sich Dateien mit Gigabyte-Maßen.
Gewinnung der Rohstoffen
Demgegenüber steht die Herstellung, Nutzung und Entsorgung der IKT-Produkte, also der Liefer- und Produktionsketten, die extreme Umweltauswirkungen, insbesondere durch die Förderung wichtiger Rohstoffe wie Lithium, Kobalt, Tantal, Silber oder Gold, nach sich ziehen. Diese werden häufig unter gefährlichen und ausbeuterischen Bedingungen in den Herkunftsländern abgebaut. IKT-Produkte bestehen aus vielen unterschiedlichen Metallen, darunter auch Seltenen Erden, die schwerpunktmäßig aus Entwicklungs- oder Schwellenländern wie Südafrika, der Demokratischen Republik Kongo oder vor allem aus China kommen. Der Abbau der Rohstoffe ist mit großen Umweltschäden verbunden (durch den Einsatz giftiger Chemikalien bei der Bearbeitung des Gesteins) und menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen für die lokale Bevölkerung (Germanwatch 2009, BMZ 2022, ILO 2021, Welthungerhilfe 2020). Über 20 Millionen Menschen arbeiten weltweit direkt im Bergbau, davon viele als kleine Schürfer ohne jeglichen Schutz. 1 bis 1,5 Millionen von ihnen sind Kinder. Nach einer Schätzung der Umweltorganisation Germanwatch und vieler anderer Organisationen sind insgesamt über 100 Millionen Menschen vom Bergbau abhängig.
Entsorgung von Elektroschrott
Auch die Entsorgung von Geräten hat katastrophale Folgen. Elektroschrott landet auf illegalen Mülldeponien im Ausland und hat dort erhebliche soziale und Umweltauswirkungen zur Folge. In Deutschland fallen pro Kopf und Jahr ca. 22 kg Elektroschrott an. Diese Menge beinhaltet entsorgte Computer, Fernseher, Waschmaschinen, Handys und vieles mehr. Im internationalen Vergleich liegt diese Menge weit über dem Durchschnitt: weltweit fallen ca. 6 kg pro Kopf und Jahr an. Nur 35-40 Prozent des Elektroschrotts in Deutschland werden recycelt, 1,03 Millionen Tonnen Elektrogeräte werden deutschlandweit jährlich nicht erfasst, landen im Restmüll oder werden illegal exportiert (AK Rohstoffe 2020).
Ein Teil des Elektroschrotts aus Deutschland wird illegal in Länder wie Ghana, Nigeria, Pakistan, Tansania oder Thailand verschifft. Seit Jahren steigt die Menge an illegal in Entwicklungs- und Schwellenländer verschifften Elektroschrotts kontinuierlich an (Global Ewaste Monitor 2017). Zwar verbietet dies das Elektro- und Elektronikgerätegesetz, das u. a. auf europäische Vorgaben aus der WEEE-Richtlinie (Elektro- und Elektronikgeräte-Abfall-Richtlinie) zurückgeht. Das Verbot wird jedoch umgangen, indem die Ware als noch funktionstüchtig deklariert wird. Defekte Geräte werden häufig mit bloßen Händen und einfachsten Werkzeugen zerlegt und Metalle z. B. mithilfe brennbarer Hilfsmaterialien wie Autoreifen herausgelöst. Kinder, Frauen und Männer gefährden so ihre Gesundheit, um mit verwertbaren Rohstoffen (z. B. Kupfer aus PVC-Kabeln) ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Ohne ausreichende Vorkehrungen geraten dabei Schwermetalle und andere Schadstoffe in Boden und Luft (Basel Action Network 2018).
Verlust von Rohstoffen
Hinzu kommt, dass wertvolle, darin enthaltene Rohstoffe nicht recycelt werden. planet wissen (ebd. 2020) zitiert Schätzungen der Vereinten Nationen, wonach weltweit jedes Jahr zwischen 20 und 50 Millionen Tonnen Elektromüll anfallen. Die Zunahme von Elektroschrott liegt vor allem darin, dass Geräte durch technische Innovationen ausgetauscht werden, obwohl sie noch funktionsfähig sind, wenn sich beispielsweise die Leistung neuer Rechner verdoppelt, oder technische Innovationen herkömmliche Technik ablösen (Flachbildschirme versus Röhrenmonitore, Smartphones statt Handys etc.).
Emissionen durch die Nutzung
Große Mengen Energie verschlingt allerdings auch die Nutzung all dieser Geräte und Infrastrukturen, wie Rechenzentrum und Serverinfrastruktur bis hin zu sämtlichen mobilen und stationären Endgeräten, obwohl in einigen Bereichen bereits Effizienzsteigerungen erreicht werden konnten. Obwohl Geräte und Technologien effizienter werden, reduziert sich der Konsum von IKT-Produkten nicht, hier zeigen sich Rebound-Effekte. Laut BMUV (ebd. 2016) entstehen diese, wenn durch Effizienzsteigerungen eine größere Nachfrage entsteht, wodurch geplante Einsparungen nicht in voller Höhe erzielt werden. Problematisch sind auch Rabatt-Aktionen und Angebote für günstige Einkäufe, insbesondere auch im Weihnachtsgeschäft. Der Cyber-Monday verspricht Schnäppchen über den Online-Verkauf, während die Kosten dafür, bei der Herstellung und beim Ressourcenabbau, der globale Süden trägt.
Ein Computerarbeitsplatz stellt mit Mini-PC sowohl ökologisch als auch ökonomisch die beste Variante dar, denn dieser hat geringere Lebenszykluskosten als ein Arbeitsplatz mit Desktop-PC, energiesparsamere Komponenten, sein Stromverbrauch ist niedriger, was bei den Kosten und auch bei den Emissionen zu Buche schlägt. (Prakash, S. et al. 2012) Die Endgeräte werden effizienter und Energieeinspareinstellungen differenzierter und damit auch komfortabler, wobei sich der Stromverbrauch von Endbenutzer*innen zu Rechenzentren, Cloud-Services, Suchmaschinen verlagert.
Nachhaltigkeitssiegel
Um zwischen “guten”, “besseren” oder “schlechten” Produkten zu entscheiden, kann man auf Siegel vertrauen. An dieser Stelle werden einige für den Bausektor wichtige Siegel aufgeführt, die als Orientierung für Auftraggebende und Planende dienen können:
- Umweltengel: Der Umweltengel ist seit über 40 Jahren das Umweltzeichen der Bundesregierung und wird vom Umweltbundesamt “herausgegeben”. Inzwischen sind mehr als 20.000 Produkte und Dienstleistungen von über 1.600 Unternehmen ausgezeichnet (UBA o. J.): Zweck des Umweltzeichens ist es, privaten Verbraucherinnen und Verbrauchern, institutionellen Großverbrauchern und öffentlichen Einrichtungen eine verlässliche Orientierung beim umweltbewussten Einkauf zu geben. Denn eine gezielte Nachfrage nach umweltschonenden Produkten fördert ökologische Produktinnovationen und reduziert Umweltbelastungen. Der Blaue Engel steht für eine unabhängige, transparente und ambitionierte Kennzeichnung.
- PEFC (Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes): 2021 wurden 79,2 Prozent der Waldfläche in Deutschland nach PEFC bewirtschaftet (UBA 2022b)
FSC (Forest Stewardship Council): FSC steht für strengere Vorgaben als PEFC
2021 wurden 12,9 Prozent der Waldfläche in Deutschland nach FSC bewirtschaftet (UBA 2022b)
Quellenverzeichnis
AK Rohstoffe c/o PowerShift e.V (2020): 12 Argumente für eine Rohstoffwende. Online: https://power-shift.de/12-argumente-fuer-eine-rohstoffwende/BMZ Bundesministerium für Wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) 2022: Gemeinsam gegen Kinderarbeit. Online: https://www.bmz.de/de/themen/kinderarbeit
BAM (o. J.): Lehm: Uralter Baustoff mit ökologischer Zukunft. Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung. Online verfügbar unter https://www.bam.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Umwelt/lehm-oekologischer-baustoff.html
Basel Action Network (2018): Holes in the circular economy. Online: http://wiki.ban.org/images/f/f4/Holes_in_the_Circular_Economy-_WEEE_Leakage_from_Europe.pdf
BBSR (2021): Ökobilanzierung im Bauwesen. Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung. Online verfügbar unter https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/forschung/fachbeitraege/bauen/baustoffe-bauprodukte/oekobilanzierung/01-start.html
BMK Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, Österreich (2021): Moderner Holzbau. Nachhaltig bauen mit innovativen Holzbaustoffen. Online verfügbar unter https://www.klimaaktiv.at/dam/jcr:e8d39df3-0397-41e6-b1f6-dab821593867/Brosch_A4_Moderner%20Holzbau_FINAL_UA.pdf
BMUV Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (2016): Einfluss der Nutzungsdauer von Produkten auf ihre Umweltwirkung: Schaffung einer Informationsgrundlage und Entwicklung von Strategien gegen „Obsoleszenz“: Online: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen/texte_11_2016_einfluss_der_nutzungsdauer_von_produkten_obsoleszenz.pdf
BMUV Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (2022a): Was braucht man, um ein umweltfreundliches Haus zu bauen? Arbeitsmaterial. Online: https://www.umwelt-im-unterricht.de/medien/dateien/was-braucht-man-um-ein-umweltfreundliches-haus-zu-bauen
BMUV Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (2022b): Nachhaltiges Bauen: energieeffizient, nachwachsend und recyclingfähig. Hintergrund. Online: https://www.umwelt-im-unterricht.de/hintergrund/nachhaltiges-bauen-energieeffizient-nachwachsend-und-recyclingfaehig
Destatis Statistisches Bundesamt (2022b): Abfallbilanz 2020. Online: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Umwelt/Abfallwirtschaft/Publikationen/Downloads-Abfallwirtschaft/abfallbilanz-pdf-5321001.pdf?__blob=publicationFile
German Watch (2009): Hättest du gern eine Handy aus Gold. Online: https://www.germanwatch.org/sites/default/files/publication/6464.pdf
ILO Internationale Arbeitsorganisation 2021: UN startet Internationales Jahr zur Abschaffung der Kinderarbeit 2021. Online: https://www.ilo.org/berlin/presseinformationen/WCMS_766477/lang–de/index.htm
Krause, M. (2021). Additive Fertigungsverfahren im Bauwesen. In: Baubetriebliche Optimierung des vollwandigen Beton-3D-Drucks. Baubetriebswesen und Bauverfahrenstechnik. Springer Vieweg, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-33417-8_3
KRV (2021): Kreislaufwirtschaft in der Kunststoffrohrindustrie. Online: https://www.krv.de/sites/www.krv.de/files/pdfflip/krv_impulse_mai_2019/krv_impulse_mai_2019.html#p=1
Kytzia et. Pohl: Ökobilanzen der Herstellung von Asphaltbelägen. International Symposium on Pavement LCA, Davis, California (pp. 641-652). Online: https://www.umtec.ch/fileadmin/user_upload/umtec.hsr.ch/Dokumente/Fachartikel/2021/OEkobilanz_von_Asphaltbelaegen.pdf
PIK Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (2020): Gebäude können zu einer globalen CO2-Senke werden – mit dem Baustoff Holz statt Zement und Stahl. Online: https://www.pik-potsdam.de/de/aktuelles/nachrichten/gebaeude-koennen-zu-einer-globalen-co2-senke-werden-mit-dem-baustoff-holz-statt-zement-und-stahl
Planet Wissen (2020) Elektroschrott – Giftmüll und Ressourcenschatz. Online: https://www.planet-wissen.de/sendungen/sendung-elektroschrott-100.html
Prakash, S., Liu, R., Schiscke, K., Stobbe, L. (2012): Zeitlich optimierter Ersatz eines Notebooks unter ökologischen Gesichtspunkten, Öko-Institut in Zusammenarbeit mit Fraunhofer IZM, im Auftrag des Umweltbundesamtes. Online: www.umweltbundesamt.de/publikationen/zeitlich-optimierterersatz-eines-notebooks-unter
Reinhardt et al. ( 2019): Ganzheitliche Bewertung von verschiedenen Dämmstoffalternativen. Online: https://www.ifeu.de/fileadmin/uploads/Bericht-D%C3%A4mmstoffe_23032020.pdf
THIS Magazin (o. J.): Nachhaltigkeit und hohes Qualitätsniveau mit Kunststoffrecycling in der Abwasserentsorgung realisierbar. Hg. v. Tiefbau, Hochbau, Ingenieurbau, Straßenbau (THIS). Online: https://www.this-magazin.de/artikel/tis_Kunststoffrecycling_in_der_Abwasserentsorgung_3771123.html
UBA (2022) Umweltbundesamt (2022): Das anthropogene Lager. Online: https://www.umweltbundesamt.de/themen/abfall-ressourcen/abfallwirtschaft/urban-mining/das-anthropogene-lager#das-anthropogene-lager-als-sekundarrohstoffquelle
UBA Umweltbundesamt (2015): Berlin: Einsatz von Recycling-Beton im Hochbau. Online: https://www.umweltbundesamt.de/themen/wirtschaft-konsum/umweltfreundliche-beschaffung/gute-praxisbeispiele/gebaeudeneubau/berlin-einsatz-von-recycling-beton-im-hochbau
UBA Umweltbundesamt (2017): Urban Mining. Ressourcenschonung im Anthropozän. Online: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1968/publikationen/uba_broschuere_urbanmining_rz_screen_0.pdf
UBA Umweltbundesamt (2019): Altholz. Online: https://www.umweltbundesamt.de/altholz#hinweise-zum-recycling
UBA Umweltbundesamt (2020): Potenziale von Bauen mit Holz. Erweiterung der Datengrundlage zur Verfügbarkeit von Holz als Baustoff zum Einsatz im Holzbau sowie vergleichende Ökobilanzierung von Häusern in Massiv- und Holzbauweise. Online: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/5750/publikationen/2020_10_29_texte_192_2020_potenziale_von_bauen_mit_holz_aktualisiert.pdf
UBA Umweltbundesamt (2021c): Förderung einer hochwertigen Verwertung von Kunststoffen aus Abbruchabfällen sowie der Stärkung des Rezyklateinsatzes in Bauprodukten im Sinne der europäischen Kunststoffstrategie. Online: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1410/publikationen/2021-11-23_texte_151-2021_rebaupro_0.pdfUM Ministerium für Umwelt,
Naturschutz und Verkehr Baden-Württemberg (2011): RC-Beton im Baubereich. Informationen für Bauherren, Planer und Unternehmen. Online: https://um.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-um/intern/Dateien/Dokumente/2_Presse_und_Service/Publikationen/Umwelt/Broschuere_RC-Beton.pdf
Welthungerhilfe (2020): Indien hält bei der Kinderarbeit den traurigen Spitzenplatz. Online: www.welthungerhilfe.de/welternaehrung/rubriken/wirtschaft-menschenrechte/indien-haelt-bei-kinderarbeit-den-traurigen-spitzenplatz
SDG 13 Maßnahmen zum Klimaschutz
“Umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen ergreifen”
Die Schnittmengen mit der Standardberufsbildposition liegen vor allem in der Reduzierung der direkten und indirekten Emissionen (Belastung der Umwelt) sowie der nachhaltigen Nutzung von Energie (vgl. BMBF 2022):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
Für den Bausektor sind hierbei vor allem die Unterziele SDG 13.1 und 13.3 relevant:
13.1 Die Widerstandskraft und die Anpassungsfähigkeit gegenüber klimabedingten Gefahren und Naturkatastrophen in allen Ländern stärken
13.3 Die Aufklärung und Sensibilisierung sowie die personellen und institutionellen Kapazitäten im Bereich der Abschwächung des Klimawandels, der Klimaanpassung, der Reduzierung der Klimaauswirkungen sowie der Frühwarnung verbessern
Der Klimawandel wird durch die Emission von Treibhausgasen verursacht. Zahlreiche Gase sind verantwortlich für den Klimawandel. Ihnen gemeinsam ist ihre Undurchlässigkeit für die (Infrarot-)Wärmestrahlung der Erde. Dies führt bekanntlichermaßen zum Klimawandel. Jedes dieser Gase trägt in unterschiedlichem Maße zum Klimawandel bei. Die Stoffe bleiben zudem unterschiedlich lange in der Atmosphäre, weshalb sie unterschiedlich zum Treibhauseffekt beitragen. Das IPCC (International Panel for Climate Change) definiert deshalb ein GWP Global Warming Potential (erwärmende Wirkung für den Klimawandel) eines Stoffes in hundert Jahren im Vergleich zu Kohlendioxid CO2 wie folgt (vgl. My Climate (o. J.):
- Kohlendioxid CO2: 1 (Bezugswert)
- Methan CH4: 28
- Stickstoffdioxid N2O: 265
- FCKW (verboten) > 12.000
THG-Emissionen von Gebäuden
Im Jahr 2014 wurden 40 Prozent der Treibhausgas-Emissionen durch Errichtung und Nutzung von Hochbauten erzeugt. Der größte Anteil am Treibhausgas-Fußabdruck (ca. 75 Prozent) wurde hierbei durch Nutzung und Betrieb der Wohn- und Nichtwohngebäude verursacht (BBSR 2020:1). Bei Nutzung und Betrieb können sowohl direkte THG-Emissionen, beispielsweise bei der Verbrennung von Brennstoffen für die Raumwärme (Heizöl, Erdgas etc.), als auch vorgelagerte bzw. indirekte THG-Emissionen, durch die Bereitstellung der Brennstoffe oder des Stroms, entstehen (BBSR 2020: 16). Bei der Herstellung, Errichtung und Modernisierung von Wohn- und Nichtwohngebäuden verursachen die Herstellung von Zement, Kalk und Gips mit 21 Prozent und die Kohle-Stromproduktion mit 15 Prozent die größten Anteile der Treibhausgasemissionen (BBSR 2020:1).
Ein Blick auf die Entwicklung der Treibhausgas-Emissionen in Deutschland zwischen 1990 und 2020 zeigt, dass im Gebäudesektor die THG-Reduktion zwischen 1990 und 2015 von 210 auf 124 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente gesenkt werden konnten und die Reduktion seitdem zur Stagnation kam – im Bereich zwischen 125 und 116 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente (UBA 2021a, S.2). Die Maßnahmen und Techniken zur Dekarbonisierung des Gebäudebestandes sind prinzipiell bekannt (UBA 2021a, S.3):
- Den Einsatz von fossilen Brennstoffen in Gebäuden beenden
- Heiztechniken umstellen zu Wärmepumpen und leitungsgebundener Wärme
- Wärmedämmung (Wände; Dach; Decke; Fenster)
- Durchlüftung (Vermeidung von Lüftungswärmeverlusten)
Initiativen wie das “Bauhaus der Erde” verfolgen das Ziel, den Einsatz von Stahlbeton im Bauwesen durch organische Baustoffe wie Holz oder Bambus zu ersetzen. Hierdurch könnten erhebliche Mengen an klimaschädlichen Emissionen vermieden werden und sogar eine CO2-Senke entstehen (UBA 2021b). Auch Sanierung im Bestand statt Neubau (vgl. SDG 11) hat Klimaschutzpotenzial. Nutzt man den Rohbau eines bestehenden Gebäudes mitsamt der darin gebundenen “grauen Energie” können Energie und Ressourcen für Abriss, Entsorgung und Neubau eingespart und THG-Emissionen reduziert werden (Krone 2022).
THG-Emissionen verschiedener Baustoffe
Die Bauindustrie zählt zu den materialintensivsten Wirtschaftsbereichen. So werden jährlich 560 Millionen Tonnen, also rund 90 Prozent aller in Deutschland verwendeter mineralischer Rohstoffe für die Produktion von Baustoffen verwendet. Insgesamt wurden damit in Deutschland rund 50 Milliarden Tonnen mineralischer Rohstoffe wie Kalk, Gipsstein, Kies, Sand oder Ton für die Errichtung, den Ausbau und die Modernisierung vom Gebäudebestand verwendet. Allein im Jahr 2020 wurden in Deutschland 35,5 Mio. Tonnen Zement produziert. Dafür waren 51,0 Mio. Tonnen Rohstoffe und etwa 30 Terawattstunden Energie notwendig. Von diesen 35,5 Mio. Tonnen Zement wurden wiederum 30,1 Mio. Tonnen für die Herstellung von Mörtel und Beton verbraucht (VDZ 2021). Das entspricht in etwa 55,3 Mio. Kubikmeter an Transportbeton. Um den Materialbedarf zu decken, wurden in Deutschland im Jahr 2018 rund 485 Mio. Tonnen Natursteine, Kiese und Sande gewonnen. Nur 12,5 Prozent des nationalen Gesamtbedarfs an Gesteinskörnungen konnten mit Recycling-Baustoffen und weitere 4,9 Prozent durch industrielle Nebenprodukte gedeckt werden (bbs 2021).
Die wichtigsten CO2-Quellen im Bausektor sind Energie sowie Zement und Stahl. Im Jahr 2018 verbaute die Branche 29 Millionen Tonnen Zement und 14 Millionen Tonnen Stahl (UBA 2022b: 59).
Zement
Zement wird für die Herstellung von Beton im Bauwesen verwendet. Die Herstellung von Zement verursacht 2 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen und 8 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen (WWF 2019). THG-Emissionen entstehen in der Zementproduktion in den folgenden Prozessen: Für den Brennvorgang zur Herstellung von (Zement-)Klinker aus dem Ausgangsmaterial Kalkstein werden sehr hohe Temperaturen (1.450 °C) benötigt. Des Weiteren wird bei der chemischen Reaktion beim Brennvorgang CO2 freigesetzt, da eine Entsäuerung des Kalksteins erfolgt. Neben diesen zentralen Prozessen entstehen auch THG-Emissionen durch den Stromverbrauch für Mahl-, Mühl- und Förderprozesse sowie durch den Transport der Rohstoffe (WWF 2019). Als Maßnahme zum Klimaschutz ist es zwingend notwendig, Möglichkeiten der CO2-armen bis CO2-freien Zementherstellung zu finden und großmaßstäblich umzusetzen. Zur Verringerung der THG-Emissionen von Beton lassen sich grundsätzlich drei Substitutionsstrategien unterscheiden: Ersatz des Baustoffs Beton (zum Beispiel durch Holz), Verringerung des Zementanteils im Beton sowie Verringerung des Klinkeranteils im Zement (WWF 2019).
Eine Möglichkeit, um die rohstoffbedingten CO2-Emissionen bei der Zementherstellung zu senken, ist die Substitution des gebrannten Portlandzementklinkers durch Kompositmaterialien. Dabei geht es darum, die klimaschädliche Umwandlung von Calciumcarbonat – zu verringern. Dazu bieten sich neben den traditionellen Materialien wie Hüttensand und Flugasche, deren nutzbare Mengen zukünftig zurückgehen werden, bieten sich insbesondere calcinierte Tone, Gesteinsmehl, Vulkanasche aber auch modifizierte Stahlwerksschlacken an (BFT International 2018).
Möglichkeiten werden auch in neuen CO2-armen Bindersystemen gesehen, die nicht auf klassischem Portlandzementklinker basieren. Viele dieser alternativen Binder weisen allerdings nicht das Potenzial für einen Massenbaustoff auf. Große Potenziale bieten jedoch alternative, hochreaktive Belitzemente (LTBB), die bei deutlich niedrigeren Brenntemperaturen und verbesserter Leistungsfähigkeit eine wesentlich bessere CO2-Bilanz als Portlandzemente aufweisen (BFT International 2018).
Für die deutsche Zementindustrie wird die CO2-Abscheidung im Zementwerk und dessen anschließende Nutzung bzw. Speicherung (CCUS) bei der Dekarbonisierung von Zement und Beton eine entscheidende Rolle spielen. Für eine klimaneutrale Zementindustrie wird es dabei erforderlich sein, nach Ausschöpfung aller übrigen Potenziale ab 2050 jährlich rund 10 Mio. Tonnen CO2 abzuscheiden. Für die Nutzung oder Speicherung des abgeschiedenen CO2 bedarf es jedoch einer entsprechenden CO2-Infrastruktur, die insbesondere in Gestalt von Pipeline Systemen und anderen Transportkapazitäten wie Tankwagen, Kesselwagen oder Schiffen erst noch aufgebaut werden muss. Allerdings wird sich der Strombedarf der Klinkerherstellung bei einem breiten Einsatz von Technologien zur CO2-Abscheidung mehr als verdoppeln, was eine hinreichende Verfügbarkeit von regenerativ erzeugtem Strom und entsprechender elektrischer Übertragungsnetze erfordert (VDZ 2020).
Stahl
Jede Tonne Stahl bewirkt ca. 1,7 Tonnen CO2-Äquivalente (UBA 2022b: 59). Deutschland produziert– im Vergleich zu anderen EU-Ländern – mit jährlich etwa 40 Mio. Tonnen die größte Menge an Rohstahl (Wirtschaftsvereinigung Stahl 2022). Die eingesetzte Stahlmenge in der Bauindustrie machte ca. 35 Prozent des gesamten deutschen Stahlbedarfs im Jahr 2019 aus (Statista 2022d). Dies führte zu ca. 24 Mio. t THG-Emissionen. Um die Emissionen aus der Stahlherstellung zu mindern, gibt es vermutlich nur zwei Wege: Den Einsatz von Wasserstoff als Reduktionsmittel anstelle von Koks oder die Abscheidung und unterirdische Verbringung von Kohlendioxid (s.o.).
Wasserstoff soll in naher Zukunft Erdgas ersetzen, das zur Erzeugung von Strom, chemischen Produkten sowie bei der Zement-, Metall- und Glasherstellung eingesetzt wird. Die Herstellung von grünem Wasserstoff – grün weil emissionsfrei – erfolgt mittels Elektrolyse von Wasser. Bei dem dazu eingesetzten elektrischen Strom handelt es sich oftmals um Strom aus Offshore-Windkraftanlagen, bei dem der Wasserstoff als Speicher genutzt wird und auf diese Weise eine zeitliche und örtliche Entkopplung zwischen Erzeugung und Verbrauch erreicht wird sowie kostenintensive Übertragungsleitungen überflüssig werden. Obwohl die Technologie der Elektrolyse seit mehr als hundert Jahren bekannt ist und auch inzwischen Fahrzeuge fahren oder Heizungen mit Brennstoffzellen (umgekehrte Elektrolyse) am Markt sind, ist der großtechnische Einsatz erst im Aufbau (vor allem vor dem Hintergrund des Krieges gegen die Ukraine durch Russland). Die größte europäische Elektrolyseanlage in Wesseling (NRW) produziert rund 1.300 t grünen Wasserstoff pro Jahr (NRW.Energy4Comate 2021). Allerdings braucht Shell am selben Standort für die Kraftstoffproduktion rund 180.000 t Wasserstoff für die Reforming-Prozesse. 70 bis 80 Prozent des benötigten Wasserstoffs kamen bisher aus Nebenprozessen, 20 bis 30 Prozent wurden aus Erdgas gewonnen. Die Anlage kann somit zwischen 2,4 und 3,4 Prozent des Bedarfs decken. Leider ist die Kraftstoffherstellung nur einer von vielen Industrieprozessen die bisher Erdgas nutzen und zukünftig auf Wasserstoff umsteigen wollen,
Weil ein Großteil der CO2 Emissionen aus dem Zement selber stammt, steht der Beton als Baustoff grundsätzlich in Frage. Eine Möglichkeit die eingesetzte Betonmenge zu reduzieren stellt der sogenannte Carbonbeton dar, bei dem als Bewehrung der Stahl durch Kohlenstofffasern ersetzt wird und sich aufgrund dessen größere Zugfestigkeit (ca. 3000 N/mm² statt der ca. 550 N/mm² des üblichen Bewehrungsstahls) dadurch die Betonmenge reduzieren lässt (Schneider et al 2017).
- chemisch als Wasserstoff: Elektrolyse von Wasser zur Stromerzeugung, gut erforscht für Kleinanlagen, derzeit erfolgt ein großtechnischer Aufbau, wichtiger Zielkonflikt: Wasserstoff ist auch relevant für die Stahl-, Zement- und chemische Industrie sowie zum Antrieb von Lkws (evt. Flugzeuge), teure Technologie
Quellenverzeichnis
BauLinks (2021): Ziegel 2020 der am häufigsten verwendete Baustoff (bei genehmigten Wohngebäuden). Online: https://www.baulinks.de/webplugin/2021/1028.php4
BBSR (2021): Ökobilanzierung im Bauwesen. Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung. Online verfügbar unter https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/forschung/fachbeitraege/bauen/baustoffe-bauprodukte/oekobilanzierung/01-start.html
BFT International (2018) BFT International (2018): Chancen und Risiken alternativer, nachhaltiger Zemente. Wo bleibt die Zementwende? BFT International Ausgabe 02/2018 Bauverlag BV GmbH Gütersloh 2018 Online: https://www.bft-international.com/de/artikel/bft_Wo_bleibt_die_Zementwende__3118716.html
Krone, Tobias; Deutschlandfunk (2022): Sanieren statt neu bauen – Mit “grauer Energie” gegen den Klimawandel. Online: https://www.deutschlandfunk.de/hintergrund-nachhaltiges-bauen-energie-klimawandel-100.html
NRW.Energy4comate (2021): REFHYNE. Online: https://www.energy4climate.nrw/themen/best-practice/refhyne#
Schneider et al (2017) Schneider, K.; Butler, M.; Mechtcherine, V.: Carbon Concrete Composites C³ – Nachhaltige Bindemittel und Betone für die Zukunft. In: Beton- und Stahlbetonbau. Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften, 2017.
Statista (2022d Statista Research Department (2022d): Verteilung des Stahlbedarfs nach Branchen in Deutschland im Jahr 2019. Statista GmbH, 1. April 2022. Online: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/236768/umfrage/anteil-der-branchen-am-stahlbedarf-in-deutschland/#professional
UBA Umweltbundesamt (2021a): Die Gebäude der Zukunft: Wärmewende und Bauwende für Klimaschutz und Lebensqualität. Abschlussveranstaltung „Neue Impulse zum nachhaltigen Klimaschutz im Gebäudebestand“. Online: https://www.deutscher-verband.org/fileadmin/user_upload/documents/Veranstaltungen/Runder-Tisch_Abschluss_2021/2._Vortrag_Prof_Messner_UBA.pdf
UBA Umweltbundesamt (2021b): Bauhaus der Erde – Initiative für eine Bauwende. Online: https://www.umweltbundesamt.de/themen/bauhaus-der-erde-initiative-fuer-eine-bauwende
UBA Umweltbundesamt (2022b): Die Nutzung natürlicher Ressourcen. Ressourcenbericht für Deutschland 2022. Spezial: Rohstoffnutzung der Zukunft. Online: https://www.umweltbundesamt.de/ressourcenbericht2022
VDZ (2020) VDZ – Verein Deutscher Zementwerke e.V. (Hrsg.) (2020) Martin Schneider: Dekarbonisierung von Zement und Beton – Minderungspfade und Handlungsstrategien Eine CO2 – Roadmap für die deutsche Zementindustrie. Düsseldorf November 2020. Online: https://www.vdz-online.de/fileadmin/wissensportal/publikationen/zementindustrie/VDZ-Studie_Dekarbonisierung_von_Zement_und_Beton.pdf
Wirtschaftsvereinigung Stahl (2022) Wirtschaftsvereinigung Stahl (2022): Rohstahlproduktion in Deutschland (online). Wirtschaftsvereinigung Stahl. Online: https://www.stahl-online.de/startseite/stahl-in-deutschland/zahlen-und-fakten/
WWF World Wide Fund For Nature (2019): Klimaschutz in der Beton- und Zementindustrie. Hintergrund und Handlungsoptionen. Online: https://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/Publikationen-PDF/WWF_Klimaschutz_in_der_Beton-_und_Zementindustrie_WEB.pdf