Tierwirt/Tierwirtin Ausbildung in Fachrichtung – Schweinehaltung
Wichtiger Hinweis
Für alle fünf Fachrichtungen wurde ein gemeinsames Hintergrundmaterial HGM, Impulspapier IP und eine Foliensammlung FS erstellt. In dem Impulspapier werden die Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ sowie die berufliche Grundbildung (Abschnitt I) und die berufliche Fachbildung im 2. und 3. Ausbildungsjahr behandelt, die für alle Fachrichtungen gleich ist. Die Themen der beruflichen Fachbildung in den Fachrichtungen werden zu einem späteren Zeitpunkt eingefügt.
Einleitung
Die Materialien der Projektagentur
Die neue Standardberufsbildposition gibt aber nur den Rahmen vor. Selbst in novellierten Ausbildungsordnungen in Berufen mit großer Relevanz für wichtige Themen der Nachhaltigkeit wie z. B. dem Klimaschutz werden wichtige Fähigkeiten, Kenntnissen und Fertigkeiten in den berufsprofilgebenden Berufsbildpositionen nicht genannt – obwohl die Berufe deutliche Beiträge zum Klimaschutz leisten könnten. Deshalb haben wir uns das Ziel gesetzt, Ausbildenden und Lehrkräften Hinweise im Impulspapier zusammenzustellen im Sinne einer Operationalisierung der Nachhaltigkeit für die unterschiedlichen Berufsbilder. Zur Vertiefung der stichwortartigen Operationalisierung wird jedes Impulspapier ergänzt durch eine umfassende Beschreibung derjenigen Themen, die für die berufliche Bildung wichtig sind. Dieses sogenannte Hintergrundmaterial orientiert sich im Sinne von BNE an den 17 SDGs, ist faktenorientiert und wurde nach wissenschaftlichen Kriterien erstellt. Ergänzt werden das Impulspapier und das Hintergrundmaterial durch einen Satz von Folien, die sich den Zielkonflikten widmen, da „Nachhaltigkeit das Ziel ist, für das wir den Weg gemeinsam suchen müssen“. Und dieser Weg ist nicht immer gleich für alle Branchen, Betriebe und beruflichen Handlungen, da unterschiedliche Rahmenbedingungen in den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – Ökonomie, Ökologie und Soziales – gelten können. Wir haben deshalb die folgenden Materialien entwickelt:
- BBNE-Impulspapier (IP): Betrachtung der Schnittstellen von Ausbildungsordnung, Rahmenlehrplan und den Herausforderungen der Nachhaltigkeit in Anlehnung an die SDGs der Agenda 2030. Das Impulspapier ist spezifisch für einen Ausbildungsberuf erstellt, fasst aber teilweise spezifische Ausbildungsgänge zusammen (z. B. den Fachmann und die Fachfrau zusammen mit der Fachkraft sowie die verschiedenen Fachrichtungen)
- BBNE-Hintergrundmaterial (HGM): Betrachtung der SDGs unter einer wissenschaftlichen Perspektive der Nachhaltigkeit im Hinblick auf das Tätigkeitsprofil eines Ausbildungsberufes bzw. auf eine Gruppe von Ausbildungsberufen, die ein ähnliches Tätigkeitsprofil aufweisen;
- BBNE-Foliensammlung (FS) und Handreichung (HR): Folien mit wichtigen Zielkonflikten – dargestellt mit Hilfe von Grafiken, Bildern und Smart Arts für das jeweilige Berufsbild, die Anlass zur Diskussion der spezifischen Herausforderungen der Nachhaltigkeit bieten. Das Material liegt auch als Handreichung (HR) mit der Folie und Notizen vor.
Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung
Die Standardberufsbildposition “Umweltschutz und Nachhaltigkeit”
Seit August 2021 müssen auf Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) bei einer Modernisierung von Ausbildungsordnungen die vier neuen Positionen „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“, Digitalisierte Arbeitswelt“, Organisation des Ausbildungsbetriebs, Berufsbildung, Arbeits- und Tarifrecht“ sowie „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“ aufgenommen werden (BIBB 2021). Insbesondere die letzten beiden Positionen unterscheiden sich deutlich von den alten Standardberufsbildpositionen.
Diese Positionen begründet das BIBB wie folgt (BIBB o. J.a): „Unabhängig vom anerkannten Ausbildungsberuf lassen sich Ausbildungsinhalte identifizieren, die einen grundlegenden Charakter besitzen und somit für jede qualifizierte Fachkraft ein unverzichtbares Fundament kompetenten Handelns darstellen“ (ebd.).
Die Standardberufsbildpositionen sind allerdings allgemein gehalten, damit sie für alle Berufsbilder gelten (vgl. BMBF 2022). Eine konkrete Operationalisierung erfolgt üblicherweise durch Arbeitshilfen, die für alle Berufsausbildungen, die modernisiert werden, erstellt werden. Die Materialien der PA-BBNE ergänzen diese Arbeitshilfen mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit und geben entsprechende Anregungen (vgl. BIBB o. J.b). Das Impulspapier zeigt vor allem in tabellarischen Übersichten, welche Themen der Nachhaltigkeit an die Ausbildungsberufe anschlussfähig sind.
Die neue Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ ist zentral für eine BBNE, sie umfasst die folgenden Positionen (BMBF 2022).
a) “Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
c) für den Ausbildungsbetrieb geltende Regelungen des Umweltschutzes einhalten
d) Abfälle vermeiden sowie Stoffe und Materialien einer umweltschonenden Wiederverwertung oder Entsorgung zuführen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren”
Die Schnittstellen zwischen der neuen Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit” werden in
fortlaufend aufgezeigt. Mit Ausnahme der Position c) werden in der Tabelle alle Positionen behandelt. Die Position c) wird nicht behandelt, da diese vor allem ordnungsrechtliche Maßnahmen betrifft, die zwingend zu beachten sind. Maßnahmen zur Nachhaltigkeit hingegen sind meist freiwillige Maßnahmen und können, müssen aber nicht durch das Ordnungsrecht geregelt bzw. umgesetzt werden. In der Tabelle werden die folgenden Bezüge hergestellt:
- Spalte A: Positionen der Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit”;
- Spalte B: Vorschläge für Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten, die im Sinne der nachhaltigen Entwicklung wichtig sind;
- Spalte C: Bezüge zur Nachhaltigkeit;
- Spalte D: Mögliche Aufgabenstellungen für die Ausbildung im Sinne der Position 3e) „Vorschläge für nachhaltiges Handeln entwickeln“;
- Spalte E: Zuordnung zu einem oder mehreren SDGs (Verweis auf das Hintergrundmaterial).
Bildung für nachhaltige Entwicklung
Die Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) meint eine Bildung, die Menschen zu zukunftsfähigem Denken und Handeln befähigt. Sie ermöglicht jedem Einzelnen, die Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Welt zu verstehen (BMBF o. J.). BBNE ist somit nur ein Teil von BNE, der an alle Bürger*innen adressiert ist. Eine Entwicklung ist dann nachhaltig, wenn Menschen weltweit, gegenwärtig und in Zukunft würdig leben und ihre Bedürfnisse und Talente unter Berücksichtigung planetarer Grenzen entfalten können. … BNE ermöglicht es allen Menschen, die Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Welt zu verstehen und verantwortungsvolle, nachhaltige Entscheidungen zu treffen (ebd.).
Grundlage für BNE ist heutzutage die Agenda 2030 mit ihren 17 SDG (Sustainable Development Goals). Die 17 Ziele bilden den Kern der Agenda und fassen zusammen, in welchen Bereichen nachhaltige Entwicklung gestärkt und verankert werden muss (ebd.). Die Materialien der Projektagentur sollen Lehrkräften an Berufsschulen und Ausbildende dabei helfen, die Ideen der SDG in die Bildungspraxis einzubringen. Sie sind somit ein wichtiges Element insbesondere für das Ziel vier “Hochwertige Bildung”: “Bis 2030 sicherstellen, dass alle Lernenden die notwendigen Kenntnisse und Qualifikationen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung erwerben, unter anderem durch Bildung für nachhaltige Entwicklung und nachhaltige Lebensweisen, …” (ebd.).
Während die Grundlage in den Impulspapieren die Ausbildungsordnungen und die Rahmenlehrpläne der beruflichen Bildung waren, die mit den SDG vernetzt wurden, geht das Hintergrundpapier den umgekehrten Weg: Wir betrachten die SDG im Hinblick auf ihre Bedeutung für die berufliche Bildung und stellen uns der Frage, welche Anforderungen ergeben sich aufgrund der SDG und deren Unterziele an die Berufsbildung? Die folgenden Beschreibungen haben deshalb immer die gleiche Struktur:
- Es wird das SDG beschrieben.
- Es werden relevante Unterziele benannt.
- Es wird (wissenschaftlich) ausgeführt, was diese Unterziele für das jeweilige Berufsbild bedeuten.
Glossar
Folgende Abkürzungen werden in diesem Dokument verwendet:
Abkürzung | Bezeichnung |
AO | Ausbildungsordnung |
BMUV | Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit |
Care | Segment der AHV, hier: Krankenhäuser, Pflegeheime |
CO2-Äq | Kohlendioxid-Äquivalente |
FS | Foliensammlung |
HGM | Hintergrundmaterial (wissenschaftliches Begleitmaterial) |
IP | Impulspapier (didaktisches Begleitmaterial) |
KI | Künstliche Intelligenz |
ÖPNV | Öffentlicher Personennahverkehr |
RLP | Rahmenlehrplan |
SBBP | Standardberufsbildposition |
SDG | Sustainable Development Goals |
THG | Treibhausgase bzw. CO2-Äquivalente (CO2-Äq) |
Quellenverzeichnis
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (2021): Vier sind die Zukunft. Online: www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/show/17281
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (o. J.a): FAQ zu den modernisierten Standardberufsbildpositionen. Online: https://www.bibb.de/de/137874.php
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (o. J.b): Ausbildung gestalten. Online: BIBB / Reihen / Ausbildung gestalten
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: https://www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (o. J.): Was ist BNE? Online: https://www.bne-portal.de/bne/de/einstieg/was-ist-bne/was-ist-bne.html
Bundesregierung (o. J.): Globale Nachhaltigkeitsstrategie – Nachhaltigkeitsziele verständlich erklärt. Online: www.bundesregierung.de/breg-de/themen/nachhaltigkeitspolitik/nachhaltigkeitsziele-verstaendlich-erklaert-232174
Destatis Statistisches Bundesamt (2022): Indikatoren der UN-Nachhaltigkeitsziele. Online: http://sdg-indikatoren.de/
SDG 2 Kein Hunger
“Den Hunger beenden, Ernährungssicherheit und eine bessere Ernährung erreichen und
eine nachhaltige Landwirtschaft fördern”
Das SDG 2 zielt primär auf die Welternährung durch eine nachhaltige Landwirtschaft ab. Zu den Unterzielen gehören (Destatis o. J.):
2.1 „sicherstellen, dass alle Menschen, insbesondere die Armen und Menschen in prekären Situationen, einschließlich Kleinkindern, ganzjährig Zugang zu sicheren, nährstoffreichen und ausreichenden Nahrungsmitteln haben“
2.2 „alle Formen der Fehlernährung beenden“(siehe auch SDG 3: Gesundheit und Wohlergehen).
2.3 „die landwirtschaftliche Produktivität und die Einkommen von kleinen Nahrungsmittelproduzenten, … sicheren und gleichberechtigten Zugang zu Grund und Boden, anderen Produktionsressourcen und Betriebsmitteln, Wissen, Finanzdienstleistungen, Märkten sowie Möglichkeiten für Wertschöpfung und außerlandwirtschaftliche Beschäftigung“
2.4 „die Nachhaltigkeit der Systeme der Nahrungsmittelproduktion sicherstellen und resiliente landwirtschaftliche Methoden anwenden, die die Produktivität und den Ertrag steigern, zur Erhaltung der Ökosysteme beitragen, die Anpassungsfähigkeit an Klimaänderungen, extreme Wetterereignisse, Dürren, Überschwemmungen und andere Katastrophen erhöhen und die Flächen- und Bodenqualität schrittweise verbessern.“
Diese Unterziele lassen sich in Teilen mit den bestehenden Standardberufsbildposition verbinden, denn für alle Berufe, insbesondere jedoch die landwirtschaftlichen, besteht über die Verantwortung für das Endprodukt und dessen Nutzenden hinaus, auch eine Fürsorgepflicht für die Mitwelt, insbesondere aufgrund der Nutzung von Ressourcen:
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Der Boden in Deutschland
Der aktuelle Bericht der Bundesregierung zur Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie sieht als eine Umsetzungsmaßnahme des SDG 2 vor: “… 1. Stärkung des Bodenschutzes und Erhöhung der Bodenfruchtbarkeit” (Bundesregierung 2020). Der fruchtbare Boden bildet in Deutschland, wie in den meisten Ländern der Welt, die Basis für die meisten Lebensformen, durch die Nahrung, die in und und auf ihm wächst. 50 Prozent der Fläche werden landwirtschaftlich genutzt, davon zwei Drittel für die Futtermittelproduktion (Destatis o.J).
Obwohl fruchtbarer Boden als nicht vermehrbar gilt, wird er dennoch zunehmend zur Rohstoffgewinnung, bspw. von Kohle zerstört. Täglich werden 54 ha für Gebäude sowie Verkehrswege versiegelt (Destatis o. J.). Dies steht im Widerspruch zur Bedeutung der Böden für die Landwirtschaft und insbesondere für die Tierhaltung, denn diese beruht zu 95 Prozent auf den Futtermitteln, die auf inländischen Böden produziert werden (BMEL o. J.). Fruchtbare Böden für die Landwirtschaft zu erhalten, hat eine sehr hohe Priorität.
In der Europäischen Union setzt sich ein Konsortium aus 27 Forschungseinrichtungen dafür ein, landwirtschaftliche Böden klimagerecht nachhaltig zu bewirtschaften, unter dem Motto “Caring for soil is caring for life”(Europäische Kommission 2020). Böden tragen außerdem als Kohlenstoff-, Nährstoff- und Wasserspeicher zu den meisten SDGs bei (vgl. Keesstra et al. 2016).
Unter allen Anpassungsmaßnahmen, die auf dem Weg der nachhaltigen Entwicklung erforderlich sind, zählt der Umbau des Agrar- und Ernährungssystems zu den bedeutendsten Handlungsfeldern auf dem Weg zur Klimaneutralität (vgl. Grethe 2021). Besonders wichtig ist hierbei der Umbau der derzeitigen industriellen Tierproduktion, hin zu einer kreislauffähigen Tierhaltung, welche die Förderung der Bodenfruchtbarkeit und -gesundheit einschließt (vgl. ChangingMarkets 2018, Bundesregierung 2023).
Mit diesem Hintergrund ist die Ernährungssicherung durch nachhaltige Landwirtschaft durch Tierwirt*innen mittels Zusammenarbeit der Beteiligten aller landwirtschaftlichen Berufe auszurichten. Im Abgleich mit den gemeinsam angestrebten Zielen (des SDGs) sind dazu die Fakten, Methoden und Prozesse zusammen zu betrachten und auch zu bewerten, um das arbeitsteilige sinnvolle Vorgehen neu abzustimmen.
Anbau von Tierfutter
Pflanzliches Tierfutter
Derzeit werden etwa 195 Millionen Tonnen Futtermittel für die Tierfütterung eingesetzt. Unter den 95 Prozent inländisch erzeugten Futtermitteln, bilden Grassilagen, Silomais und Getreide (das u. a. auch zu Mischfutter geschrotet wird) das sogenannte Primärfutter (BMEL o. J.).
Für die Logik der industriellen Tierproduktion spielt jedoch das verdauliche Eiweiß eine besondere Rolle, unterstützt es doch das rasche Wachstum der Tiere. Von den 12 Millionen Tonnen verarbeiteter pflanzlicher Futtermittel stammen rund 7 Millionen Tonnen aus dem Ausland – der größte Teil sind Sojabohnen und Rapsschrote (ebd.).
Diese importierten Eiweißfuttermittel, ihre Produktions- und Transportaufwendungen wären in der Tierproduktion jedoch verzichtbar, wenn einheimische Hülsenfrüchte wie Ackerbohnen, Erbsen, Klee und Luzerne vermehrt zum Einsatz kämen (BLE 2022). Dafür haben die Europäische Union und auch die Bundesregierungen mit Förderprogrammen in den vergangenen Jahren Anreize geschaffen.
Der Markt für Tierfutter
Im Zentrum vieler Konflikte, Krisen und Kriege in der Gegenwart und wahrscheinlich auch in der Zukunft, stehen Rohstoffe. Sie bilden die Grundlagen für das Wirtschaften. Für die Arbeit der Tierwirte und Tierwirtinnen; Tierpfleger und Tierpflegerinnen sind Futtermittel wichtige Rohstoffe. Deshalb haben die Preissteigerungen bei Futtergetreide (um bis zu 70% in 2022) und Eiweißfutter (Verdoppelung) gravierenden Einfluss auf die Produktionsbedingungen (agrarheute o. J.). Zugleich verteuern auch neue EU-Vorschriften für sogenannte “entwaldungsfreie” Sojaprodukte das Mischfutter – mit den Vorschriften soll ein weltweiter Schutz der Wälder vor Abholzung gelingen (ebd.).
Tierische Futtermittel
Auch Futtermittel tierischen Ursprungs spielen in der Landwirtschaft eine große Rolle. Etwa eine Millionen Tonnen Milchprodukte werden als Futtermittel eingesetzt (BMEL o. J.). Da die Kuhmilch für die menschliche Ernährung vorgesehen ist, werden die Kälber i.d.R. zumeist unmittelbar nach der Geburt von den Muttertieren getrennt. Ihre Aufzucht erfolgt nur in den ersten Tagen mit der Milch ihrer Mutter. Danach wird meist industriell verarbeitetes Magermilchpulver benutzt, das mit einem sehr hohen Energie- und Transportaufwand hergestellt wird (vgl. SDG 7, 13).
Quellenverzeichnis
agrarheute (o. J.): Marktpreis. Rubrik der Plattform. Deutscher Landwirtschaftsverlag GmbH https://www.agrarheute.com/tag/marktpreis
BLE Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (2022): Woher kommt das Futter für unsere Nutztiere? https://www.landwirtschaft.de/landwirtschaft-verstehen/haetten-sies-gewusst/tierhaltung/woher-kommt-das-futter-fuer-unsere-nutztiere
BMEL (o. J.): Vorläufiges Futteraufkommen im Wirtschaftsjahr 2020/21. https://www.bmel-statistik.de/landwirtschaft/tierhaltung/futtermittelBundesregierung (2023): Grundsatzbeschluss 2022 zur Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. S. 13, 15, 18, 19, 25, 26 https://www.bundesregierung.de/resource/blob/976020/2146150/16d54e524cf79a6b8e690d2107226458/2022-11-30-dns-grundsatzbeschluss-data.pdf?download=1
Bundesregierung (2020): Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie. Weiterentwicklung. S. 140.https://www.bundesregierung.de/resource/blob/998006/1873516/3d3b15cd92d0261e7a0bcdc8f43b7839/2021-03-10-dns-2021-finale-langfassung-nicht-barrierefrei-data.pdf?download=1
ChangingMarkets 2018: Growing the Good: The Case For Low-Carbon Transition in the Food Sector. Report. https://changingmarkets.org/wp-content/uploads/2019/02/Growing_the_Good-The_Case_for_Low-Carbon_Transition_in_the_Food_Sector.pdf
Destatis (o. J.): Flächennutzung. https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Landwirtschaft-Forstwirtschaft-Fischerei/Flaechennutzung/_inhalt.html
Europäische Kommission (2020): European Commission, Directorate-General for Research and Innovation, Veerman, C., Pinto Correia, T., Bastioli, C., et al., Caring for soil is caring for life : ensure 75% of soils are healthy by 2030 for food, people, nature and climate : report of the Mission board for Soil health and food, Publications Office, 2020, https://data.europa.eu/doi/10.2777/821504
Grethe, Harald1; José Martinez2 , Bernhard Osterburg3 , Friedhelm Taube4 , Ferike Thom1 (2021): Klimaschutz im Agrar- und Ernährungssystem Deutschlands. Die drei zentralen Handlungsfelder auf dem Weg zur Klimaneutralität. Gutachten. 2021. https://www.stiftung-klima.de/app/uploads/2021/06/2021-06-01-Klimaneutralitaet_Landwirtschaft.pdf
Keesstra et al. (2016): Saskia D. Keesstra, Johan Bouma, Jakob Wallinga, Pablo Tittonell, Pete Smith, Artemi Cerdà,Luca Montanarella, John N. Quinton, Yakov Pachepsky, Wim H. van der Putten, Richard D. Bardgett, Simon Moolenaar, Gerben Mol, Boris Jansen, and Louise O. Fresco. The significance of soils and soil science towards realization of the United Nations Sustainable Development Goals. SOIL. 2. 111–128, 2016. doi:10.5194/soil-2-111-2016
SDG 3 Gesundheit und Wohlergehen
“Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern”
Für Deutschland sind die im SDG 3 benannten Themen Mütter- und Kindersterblichkeit, übertragbare Krankheiten wie AIDS oder TBC vermeiden, Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen, selbstbestimmte Familienplanung – weniger bedeutsam. Jedoch zeigt die Risikobewertung in Deutschland deutliche Defizite, nicht nur in Bezug auf eine gesunde Ernährung (BfR o. J.), sondern insbesondere auf die landwirtschaftlichen Praktiken (BfR 2003) weshalb das Unterziel 3.4 aber auch das Unterziel 2.2 hier zusammen behandelt werden sollen.
SDG 2.2 „alle Formen der Fehlernährung beenden“
SDG 3.4 Bis 2030 die vorzeitige Sterblichkeit aufgrund von nichtübertragbaren Krankheiten durch Prävention und Behandlung um ein Drittel senken
Das SDG betrifft vor allem Tierwirt*innen, da diese wesentlich zur Nahrungsmittelproduktion beitragen. Die hierzu gehörenden Tätigkeiten müssen sich auf die komplexen Erfordernisse ihrer Kunden und Kundinnen und genutzten Umweltmedien ausrichten. Für die Gesundheit spielen sowohl die Ernährung selbst als auch die Art und Weise der Produktion der Nahrungsmittel, insbesondere in der Tierproduktion, eine sehr große Rolle. Es sind komplexe Bereiche mit vielfältigen Akteuren, unterschiedlichen Rahmenbedingungen sowie ordnungsrechtlichen Vorgaben, die einander wechselseitig beeinflussen (UBA 2019). Damit können die ernährungsbezogenen Berufe essentiell zu einem guten Leben beitragen. Die Schnittmenge für das SDG 3 ergibt sich aus den Nummern a und e der Standardberufsbildposition (BGB 2022):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
Gesundheit und Nahrungsmittelproduktion
Für die Gesundheit spielen sowohl die Ernährung selbst als auch die Art und Weise der Produktion der Nahrungsmittel, insbesondere im Zusammenhang mit der industriellen Tierproduktion und die Sicht auf die Zusammenhänge eine sehr große Rolle. Es sind komplexe Bereiche mit vielfältigen Akteuren, unterschiedlichen Rahmenbedingungen sowie ordnungsrechtlichen Vorgaben, die einander wechselseitig beeinflussen (UBA 2019).
Auch wenn sich aufgrund verbesserter Produktionsmethoden viele Menschen gut und ausreichend ernähren können, sind die Bedingungen in der Tierproduktion zumeist weder für die Tiere noch die Tierwirte gesund. Gleichzeitig sind die Nutzer: innen der Produkte, insbesondere Säuglinge aber auch Kinder durch die Auswirkungen der industriellen Nahrungsmittelproduktion und insbesondere durch die industrielle Tierproduktion in vielfältiger Weise gesundheitlich gefährdet (vgl. Chemnitz 2021).
Durch die Art, wie Ackerbau (zu zwei Dritteln für die Futtermittelproduktion) und Viehzucht (insbesondere die Haltungsformen) betrieben werden, kommt es zu einem durchschnittlichen jährlichen Überschuss von 100 kg Nitrat pro Hektar (UBA 2022). Erreicht werden soll schnelles und hohes Wachstum – von Pflanzen und tierischen Produkten. Doch der Nitratüberschuss kann nicht ausreichend im Boden gebunden und abgebaut werden und gelangt ins Grundwasser.
Die Entfernung des Nitrats aus Wasser in Wasserwerken ist mit verschiedenen Verfahren – sofern der Nitratgehalt nicht durch Mischen mit unbelastetem Wasser reduziert wird – möglich und auch der Grund für die gute Qualität des Trinkwassers (BLfU 2013): Ionenaustausch, Umkehrosmose oder Nanofiltration. Angesichts der hohen Kosten für die Verfahren wird aber meist die “Verdünnungsstrategie” gewählt, bei der unbelastetes Wasser beigemischt wird, um die Grenzwerte einzuhalten.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR, 2013) stuft Nitrat selbst als gesundheitlich unbedenklich ein. Gesundheitlich problematisch ist der Stoff Nitrit, der im Lebensmittel oder während der Verdauung durch die Einwirkung von Bakterien aus Nitrat entstehen kann. Nitrit im Körper sorgt dafür, dass der rote Blutfarbstoff, das Hämoglobin, in Methämoglobin umgewandelt und dadurch die Sauerstoffbindung im Blut unterbunden wird. Die Folge ist eine mangelnde Sauerstoffversorgung des Gewebes und der Organe des menschlichen Körpers. Ein gesundheitliches Risiko durch zu hohe Nitrat- bzw. Nitritaufnahme besteht vor allem für Säuglinge. Für Säuglinge ist das unmittelbar lebensbedrohlich und für die Allgemeinheit steigt das Risiko von Krebserkrankungen (Sundermann et al. 2020).
Ein weiteres Risiko besteht, wenn nitrathaltige Lebensmittel bei einer bakteriellen Infektion des Magen-Darm-Traktes aufgenommen werden, da in diesem Fall Nitrat im Darm verstärkt zu Nitrit umgewandelt wird. Insbesondere bei Kindern wird dann zu nitratarmer Kost geraten (ebd.). Die Aufnahme von Nitrat erfolgt in erster Linie über den Verzehr von Frischgemüse, Getreide und Obst.
Die Nitratkonzentration in den Böden ist über einen langen Zeitraum angestiegen. So sehen wir heute die Effekte einer seit mehreren Generationen andauernden Überdüngung und zu hohen Viehbesätzen. 2015 waren an 27 Prozent der Messstellen die zulässigen Grenzwerte überschritten, an 17 Prozent sogar um etwa das Doppelte. Wo die Pufferwirkung von Böden erschöpft war, kam es zu Durchbrüchen der aufgebrachten Nitratmengen. Da die Trinkwassergewinnung überwiegend über das Grundwasser erfolgt, wird die Einhaltung der festgelegten Grenzwerte zwar überwacht. Deutschland ist für die Nichteinhaltung der Grenzwerte 2018 durch die EU auch verurteilt worden und hat Maßnahmen eingeleitet, doch die reichen bislang nicht aus. Denn obwohl das Grundwasser gereinigt werden kann, um daraus Trinkwasser zu gewinnen und die technische Aufbereitung zur Nitratentfernung verschiedene Verfahren bereitstellt (z. B. Ionenaustausch, Umkehrosmose, biologische), ist dies mit hohem Energieverbrauch, Chemikalieneinsatz sowie großen Abwassermengen verbunden (BUND 2019).
Gesundheit und Ernährung
Laut Gesundheitsbericht des RKI wird der Gesundheitszustand der Bevölkerung ganz wesentlich durch die Lebensbedingungen und das Gesundheitsverhalten beeinflusst (rki 2016). Dabei sind Gesundheitschancen und Krankheitsrisiken sozial ungleich verteilt. Menschen mit niedrigem Sozialstatus sind häufiger von chronischen Krankheiten, Beschwerden oder Behinderungen betroffen und schätzen ihre eigene Gesundheit schlechter ein. Dieser Zusammenhang stellt sich vielfach als sozialer Gradient dar, der in allen Altersstufen sichtbar ist: je niedriger der soziale Status, desto mehr Gesundheitsprobleme und Krankheitsrisiken. Frauen und Männer mit geringem Einkommen, niedriger Bildung oder Berufen, in denen schlechte Arbeitsbedingungen herrschen, haben letztendlich auch eine geringere Lebenserwartung als sozial bessergestellte Teile der Bevölkerung. Zwischen der niedrigsten und der höchsten Einkommensgruppe in Deutschland werden heute Unterschiede in der Lebenserwartung (bei Geburt) von 8,4 Jahren bei Frauen und 10,8 Jahren bei Männern berichtet. Auch für die Lebenserwartung ab dem Renteneintritt mit 65 Jahren (rki 2016) bestehen erhebliche soziale Differenzen. Schon die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen wird durch den Sozialstatus ihrer Familie geprägt. Bereits während der Schwangerschaft und in den ersten Monaten nach der Geburt zeichnen sich soziale Unterschiede ab: Der Anteil der Mütter, die während der Schwangerschaft rauchen, sinkt mit zunehmendem Sozialstatus, während der Anteil der Mütter, die während der Schwangerschaft Alkohol trinken, mit zunehmendem Sozialstatus ansteigt. Das Fachblatt “The Lancet” hat von 1990 – 2017 eine globale Ernährungsstudie durchgeführt, die ergab, dass jährlich circa elf Millionen Menschen durch ungesunde Ernährung sterben (The Lancet 2019, zitiert nach nutrition-impact 2022). Das Hauptproblem sei ein zu niedriger Konsum von Vollkornprodukten. Deutschland liegt auf Platz 38 von 195 Staaten und verzeichnet etwa 160.000 Todesfälle jährlich (ebd.). Nicht berücksichtigt wurden Todesfälle, die auf Mangelernährung, Hunger oder Alkoholmissbrauch zurückzuführen sind.
Folgende Aspekte wären im (Aus)Bildungskontext zu behandeln:
- Lebensmittelallergien: Zwischen 2 bis 3 Prozent der Erwachsenen und 4 Prozent der Kleinkinder reagieren allergisch auf spezielle Lebensmittel-Inhaltsstoffe (BfR o. J.). Allergene müssen gekennzeichnet werden (EU-Verordnung 2011). Nach einer Feststellung der Auslöser sollte eine allergenfreie Ernährung möglich sein, da Allergene in Lebensmitteln auf Verpackungen oder Speisekarten aufgeführt werden müssen. Die globale Produktion von Lebensmittel führt aber auch dazu, dass die Vermeidung von allergenen Spuren kaum noch realisierbar ist. Von Lebensmittelallergien zu unterscheiden sind Lebensmittelunverträglichkeiten, die meistens sehr individuell sind. Während eine Allergie meistens eine Reaktion des Immunsystems mit den Folgen Hautausschlag, Juckreiz u. a. ist, liegt eine Lebensmittelunverträglichkeit häufig in einer eingeschränkten Fähigkeit des Darms zugrunde, bestimmte Lebensmittelbestandteile abzubauen (Melzer 2019). Die wichtigsten Unverträglichkeiten sind Fructose-Intoleranz, Lactose-Intoleranz und Glutenunverträglichkeit (Zöliakie), Histamin-Intoleranz.
- Adipositas liegt vor, wenn der Body-Mass-Index BMI größer als 30 ist. Adipositas ist europaweit endemisch geworden, mehr als 50 Prozent der erwachsenen Bevölkerung hat Übergewicht (BMI > 25) oder ist adipös (BfR o. J.). Die Ursachen sind klar zu benennen – Zu viel Essen, zu viel Fett, zu viel Zucker bei zu wenig Bewegung.
- Diabetes Mellitus ist die Störung der körpereigenen Insulinproduktion, sie betrifft mehr als 7 Prozent der erwachsenen Bevölkerung (fast 6 Mio. Menschen, BfR o. J.). Diabetes Mellitus ist häufig eine Folge von Übergewicht und Adipositas.
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Diese sind deutschlandweit die häufigste Zivilisationskrankheit und die häufigste Todesursache (BfR o. J.). Die wichtigste Erkrankung hierbei ist die koronare Herzkrankheit, durch Ablagerungen verengen sich die Herzkranzgefäße. Weitere Krankheiten sind Schlaganfall und Bluthochdruck. Hoher Salzkonsum und Zutaten mit Transfettsäuren gelten neben dem Bewegungsmangel als wesentliche Ursachen.
Die Ursachen dieser Erkrankungen liegen sehr häufig in einer falschen Ernährungsweise (das Ungesunde zu viel essen) und einem Bewegungsmangel (zu viel Essen bei zu wenig Bewegung). Die DGE hat Regeln aufgestellt, was eine gesunde Ernährung ist (DGE o. J.):
2. Gemüse u. Obst – nimm “5 am Tag” 3. Vollkorn wählen 4. Mit tierischen Lebensmitteln die Auswahl ergänzen 5. Gesundheitsfördernde Fette nutzen | 6. Zucker und Salz einsparen 7. Am besten Wasser trinken 8. Schonend zubereiten 9. Achtsam essen und genießen 10. das Gewicht achten und in Bewegung bleiben |
Fleisch (k)ein “Grundnahrungsmittel”
Tierwirte und Tierwirtinnen züchten und halten die Tiere, deren Produkte, wie bspw. Fleisch, Milch, Eier, Honig, Leder oder Wolle sich Kunden und Kundinnen wünschen. Die Fleisch- und Milchwirtschaft ist bislang in unser ökonomisch-soziales System fest eingebunden. Diese Verbindung hat ohne Frage dazu geführt, dass heutzutage Fleisch billiger sein kann, als eine Bio-Paprika oder eine seltene Apfelsorte, ohne die tatsächlichen Kosten widerzuspiegeln:
- “… Fleisch ist auch nur scheinbar billig – wir Verbraucher zahlen dreifach: Erstens an der Supermarktkasse, zweitens mit Steuergeldern für die hohen Agrarsubventionen der Tierhaltung, und ein drittes Mal, wenn etwa die Wasserwerke Geld in die Hand nehmen, um Nitrat aus dem Trinkwasser zu entfernen. …” (UBA 2017)
“Es darf keine Ramschpreise für Lebensmittel mehr geben, sie treiben Bauernhöfe in den Ruin, verhindern mehr Tierwohl, befördern das Artensterben und belasten das Klima. …. der Preis muss die ökologische Wahrheit stärker ausdrücken. …” (Landwirtschaftsminister Özdemir, Süddeutsche 2021)
Fleischkonsum und Gesundheit
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt für die Ernährung gesunder Menschen maximal eine Portion tierisches Eiweiß in Form von Fisch, Fleisch oder Wurst, bzw. maximal drei Eier pro Woche. Jedoch wird die Ausgewogenheit und Vielfalt frischer, pflanzlicher Nahrung als noch relevanter angesehen, als das “genaue” Maß (DGE o. J.).
Der tatsächliche Konsum von Fleisch liegt in Deutschland mit 963 g jedoch doppelt so hoch wie empfohlen (Böll 2021). Auch der Konsum von wöchentlich 133 g Eierspeisen, 1.348 ml Milch und 795 g Milcherzeugnissen gesundheitlich weniger bedenklich erscheinen – folgenlos bleiben auch die Produktion und der Genuss dieser Nahrungsmittel nicht (vgl. weiter oben im Text den Absatz zu Lebensmittelallergien).
Auch wenn wir Menschen aus physiologischer Sicht mit einem Drittel der Menge tierisches Eiweiß, das wir heute im Durchschnitt zu uns nehmen, gut leben könnten, scheint die Bedeutung des Fleischkonsums für das Wohlbefinden vom objektiven Wert abgekoppelt. Soziale Prägungen, die Vorstellungen über das eigene Geschlecht und Traditionen spielen eine ebenso große Rolle (BPB 2021). Lange wurde die Arbeits- und Tatkraft von Männern mit Fleischverzehr verbunden. Erst allmählich wird dieses Geschlechterbild gewandelt.
Das Beispiel Putenzucht führt vor Augen, wohin die industrielle Ausprägung dieser Vorstellungen geführt hat: Aus dem in der Natur vorkommenden etwa 5 kg schweren Truthahn hat die fast Züchtung das beinahe fünffache Gewicht “herausgeholt”. Die ursprünglichen Feld- und Waldbewohner werden zu 10.000 zusammengepfercht, ihnen werden schon als Küken die Schnabelspitzen amputiert, so dass sie ihrer ursprünglichen Nahrungsaufnahme nicht mehr nachkommen können. Im Jahr 2019 wurden nahezu alle der 34 Millionen geschlachteten Puten auf diese Weise gehalten (Schweitzer o.J).
Auch die Schweineaufzucht befindet sich nach jahrhundertelanger Entwicklung in Deutschland aufgrund der Konzentration des Viehbesatzes in einer Sackgasse. Etwa 60 Prozent des Fleisches, das hierzulande gegessen wird, ist Schweinefleisch (BÖLL 2021). Pro Kopf essen Deutsche im Durchschnitt 62,7 kg pro Jahr, mehr als die doppelte Menge verglichen mit 1950 (27,3 kg/Kopf, a). Jedoch kommen 25,6 kg / Kopf, a des produzierten Fleisches gar nicht erst auf die Teller und von der Menge, die dort landet, wandern 18,4 kg in den Müll. Preisverfall, abnehmende Produktqualität und Wertschätzung für das Produkt scheinen mit der Zunahme der produzierten Menge zu korrelieren. Im Jahr 2022 gab es in Deutschland einen Schweinebestand von 22,3 Millionen Schweinen (BMEL o. J.).
Antibiotika und multiresistente Keime
Eine weitere Problematik, die im Rahmen der industriellen Lebensmittelherstellung entsteht, sind Antibiotika (siehe auch SDG 14), die Nutztieren in der konventionellen Landwirtschaft teilweise übermäßig und weit verbreitet verabreicht werden (VZ 2022). Rückstände können in Lebensmittel gelangen und gesundheitsgefährdende Folgen für die Konsument:innen haben. Allerdings gibt es festgelegte Zeiten, die Tierwirte und Tierwirtinnen einhalten müssen, bis sie Tiere nach der Behandlung von Antibiotika schlachten dürfen oder Milch und Eier weiterverkaufen können (ebd.).
Das größere Problem stellen mittlerweile multiresistente Keime dar, die über den Genuss tierischer Lebensmittel auf den Menschen übertragen und im schlimmsten Fall schwere Krankheitsverläufe verursachen, die sogar tödlich sein können (BMBF 2015). Multiresistente Keime treten mittlerweile aber nicht mehr nur in tierischen Lebensmittelprodukten auf. So konnten beispielsweise Keime mit mehreren Antibiotika-Resistenzen auf Fertigsalaten nachgewiesen werden (Blau et al. 2018). In der Studie gehen die Wissenschaftler:innen davon aus, dass dies durch tierische Ausscheidungen in Form von Gülle, welche auf den Salatfeldern ausgetragen wurde, verursacht wird (ebd.). Vor allem für schwangere und ältere Menschen mit einem schwachen Immunsystem entstehen durch diese multiresistenten Keime gesundheitliche Risiken, sodass diesen die Vermeidung des Verzehrs von Fertigsalaten empfohlen wird (BfR 2018). Allerdings ist wissenschaftlich nicht geklärt, inwieweit Multiresistente Keime (MRK) in der Nahrungskette auch zu Krankheitsverläufen beitragen, da bisher nur der Bereich der Krankenhausinfektionen gut untersucht wurde (ca. 2.000 Tote jährlich durch MRK, vgl. Helios Kliniken). Das Europäische Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten hat für 2015 Daten erhoben und ausgewertet (ECDC zitiert nach RKI 2016). Es schätzt, dass europaweit ca. 670.000 Menschen jährlich durch MRK erkranken, in Deutschland rund 54.000 Menschen.
Eine wichtige Möglichkeit für die Lebensmittelindustrie, diese Entwicklungen zu begrenzen bzw. umzukehren, stellt die Umstellung der Lieferkette auf Bio-Produkte dar. Durch die EU-Rechtsvorschriften zum ökologischen Landbau ist der Einsatz von Antibiotika stark begrenzt (siehe SDG 12 – Nachhaltigkeitssiegel), weshalb multiresistente Keime hier weniger nachgewiesen werden können (VZ 2022).
Lebensmittelskandale
Deutschland hat eine lange landwirtschaftliche Tradition. Doch den überwiegend verantwortungsvoll beruflich Handelnden, die wesentlich zur Ernährungssicherung beitragen, stehen auch kleine und große Lebensmittelskandale gegenüber (vgl. Welt o. J., BMEL 2013).
- April 2022: Mit Keimen belastete Gurken werden von einer hessischen Lebensmittelfirma in den Verkehr gebracht – 4 Menschen starben
- April 2022: Ferrero hat ein Problem mit Keimen in der belgischen Produktion – es erfolgt ein umfassender Rückruf von Produkten
- November 2021: Die Stiftung Warentest ermittelt, dass in vielen Vanillepasten und -extrakten kaum natürliches Gewürz ist
- November 2021: In über 40 Prozent aller kontrollieren Eisdielen und Bäckereien finden sich Reinigungsmittel und Desinfektionsmittel – die Verkäufer und Verkäuferinnen vergessen zu häufig das Nachspülen
- 2013: Pferdefleisch in Millionen Fertiggerichten, die von allen großen deutschen Ketten verkauft wurden
- 2012: Eine Brotfabrik in München wird geschlossen – eklatante Hygienemängel sind der Grund
- 2011: Rund 50 Menschen sterben am EHEC-Virus, der auf Sprossen aus Ägypten sich befand
- 2010: Mit Dioxin belastetes Futtermittel wird als Bio-Futtermittel verkauft, viele Biobauernhöfe müssen die Eierproduktion einstellen
- 2008: 11.000 t mit Mäusekot und Würmern belasteter Mozzarella wird als “Frischer Mozzarella“ verkauf
Die Ursachen lassen sich klar benennen: Möglichst preiswert produzieren, da Verbraucher “billig” einkaufen wollen (vgl. Schulten und Specht 2021). Im europäischen Vergleich zeigt sich, dass der Preisniveauindex in Deutschland bei 104,5 Prozent des EU-Durchschnitts (100%, vgl. statista 2022) liegt, in Dänemark bei 120 Prozent und in Luxemburg bei ca. 125 Prozent – und das, obwohl das Durchschnittseinkommen mit 3.715 Euro (vgl. statista 2022 b) das Dritthöchste nach Dänemark (5.000 €) und Luxemburg (4.672 €) aufweist. Das zu preiswerte Produzieren erfolgt in Bereichen der Wertschöpfungskette:
- In der Landwirtschaft durch Produktionsmethoden, die einen maximalen Ertrag mit den oben genannten Folgen sicherstellen sollen.
- in der Verarbeitungsindustrie, wo insbesondere in den Jahren 2021/2022 ein erschreckendes Bild auf die Arbeitsbedingungen in den Schlachthöfen geworfen wurde (Stichworte: Corona-Ausbrüche, gekennzeichnetes Separatorenfleisch).
- in der Lebensmittelindustrie, bei deren Herstellung von Convenience-Produkten ab Stufe 2 bis 4 (garfertig, mischfertig, regenerierfertig) eine Vielzahl von Hilfsstoffen verwendet werden, die in der Gastronomie sonst nicht verwendet werden (vgl. Verbraucherzentrale 2021).
Tierwirte und Tierwirtinnen und ihre Einflüsse auf Gesundheit
Aus den in diesem Kapitel aufgeführten Problemen und Zusammenhängen ergeben sich Einflussmöglichkeiten für Tierwirte und Tierwirtinnen, die in den Bildungskontexten der Beruflichen Bildung einzubeziehen sind:
- Die Ursachen dieser Probleme liegen in den industriellen Produktionsprozessen und dazugehörenden Geschäftsmodellen, die hohe Tierkonzentrationen an einem Ort erfordern, um durch Automatisierung, den Anteil menschlicher Arbeit gering zu halten.
- Da industrielle Tierproduktionen in Relation zur Umgebung überdimensioniert und nicht eingebunden sind, belasten sie die Umwelt und auch die Tierwirte und Tierwirtinnen mit Emissionen in schädlicher Konzentration. Dazu kommen die mit den Größenordnungen verbundenen unumgänglichen Transportbedarfe und -effekte.
- Die Tierwirte können einen wesentlichen Beitrag zu diesem SDG in Hinsicht auf die Gesundheit von Menschen, Mitwelt und Tieren leisten, indem sie alternative Haltungsformen in Betracht ziehen, nach Möglichkeit erproben und anwenden.
- Hierbei gibt es einen gewichtigen Zielkonflikt: Den etablierten Fleischkonsum, der auf industrieller Fleischproduktion, mit dazugehörendem Geschäftsmodell, eingespieltem Lieferketten und sattsam erprobten Marketing, sowie geringen Preisen beruht.
- Mit Blick auf die Gesundheit der Kinder sollten Tierwirte und Tierwirtinnen reflektieren, wem ihre Produkte anzubieten sind und ob Systemgastronomien, wie die von Kitas und Schulen, überhaupt in Frage kommen sollten (vgl. Scharp et mult. al. 2019).
- Letztendlich bleibt den Tierwirten, alternative Haltungsformen zu erlernen und anzuwenden, die damit verbundenen positiven Effekten für die Gesundheit, Mitwelt, inkl. Tiere bekannt zu machen und mit entsprechenden Verträgen abzusichern.
Quellenverzeichnis
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BfR Bundesinstitut für Risikobewertung (2018): Resistente Keime: Können Rohkost und Salat ein Gesundheitsrisiko sein? Online: https://www.bfr.bund.de/de/presseinformation/2018/40/resistente_keime__koennen_rohkost_und_salat_ein_gesundheitsrisiko_sein_-207735.html
BfR Bundesinstitut für Risikobewertung (o. J.): Ernährungsbedingte Erkrankungen. Online: https://www.bfr.bund.de/de/ernaehrungsbedingte_erkrankungen-54472.html
Blau, Khald 1 ; Antje Bettermann 1 , Sven Jechalke 2 , Eva Fornefeld 1 , Yann Vanrobaeys 3 4 , Thibault Stalder 3 4 , Eva M Top 3 4 , Kornelia Smalla 5 (2018): Affiliations The Transferable Resistome of Produce. DOI: 10.1128/mBio.01300-18
BLfU Bayerisches Landesamt für Umwelt (2013): Möglichkeiten der Nitratentfernung aus dem Trinkwasser. Online: www.lfu.bayern.de/wasser/merkblattsammlung/teil1_grundwasserwirtschaft/doc/nr_162.pdf Blau, Khald et al. (2018): The Transferable Resistome of Produce. Online: https://journals.asm.org/doi/epub/10.1128/mBio.01300-18
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2015): Antibiotika-Resistenzen – Kleine Erreger – große Gefahr. Online: https://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/antibiotika-resistenzen-kleine-erreger-grosse-gefahr-3282.php
BMEL Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2013): Die mediale Wahrnehmung von Lebensmittelskandalen in Deutschland zwischen 2000 und 2012. Online: https://buel.bmel.de/index.php/buel/article/view/95/Kohne%2C%20Ihle.html
BMEL Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (o. J.): Das Schwein ist eines der ältesten Nutztiere. https://www.bmel-statistik.de/landwirtschaft/tierhaltung/schweinehaltung
Böll Heinrich-Böll-Stiftung (2021): Iss was?! Tiere, Fleisch & ich. Dossier. Online: https://www.boell.de/de/isswas
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Bundesregierung (2022): Grundsatzbeschluss 2022 zur Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. https://www.bundesregierung.de/resource/blob/992814/2146150/12252b200f7c6135ef5d13da16119d8c/2022-11-30-dns-grundsatzbeschluss-data.pdf?download=1
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Sundermann, Greta; Nicole Wägner, Astrid Cullmann, Christian von Hirschhausen, Claudia Kemfert (2020): Nitratbelastung im Grundwasser überschreitet Grenzwert seit Langem: Mehr Transparenz und Kontrolle in der Düngepraxis notwendig. DIW Wochenbericht. https://www.econstor.eu/bitstream/10419/219343/1/1692668579.pdf
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UBA Umweltbundesamt (2017): Warum Fleisch zu billig ist. https://www.umweltbundesamt.de/themen/warum-fleisch-zu-billig-ist
VZ Verbraucherzentrale (2022): Antibiotika und resistente Keime: Bei Bio-Produkten deutlich seltener. Online: https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/lebensmittelproduktion/antibiotika-und-resistente-keime-bei-bioprodukten-deutlich-seltener-53091
Welt (o. J.): Die schlimmsten Lebensmittelskandale. Online: https://www.welt.de/politik/gallery113752258/Die-schlimmsten-Lebensmittelskandale.html
Winter, Martin (2021): Fleischkonsum und Männlichkeit. BPB 17.12.2021. www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/fleisch-2021/344830/fleischkonsum-und-maennlichkeit/
SDG 4 Hochwertige Bildung
“Inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten lebenslangen Lernens für alle fördern”
Das SDG zielt primär auf die globale Entwicklung von guten Bildungssystemen ab. Im Berufsbildungssystem ist Deutschland weltweit führend – trotz einiger Defizite wie Personalausstattung, Digitalisierung oder knappe Investitionsbudgets – viele Länder versuchen ein ähnliches Berufsbildungssystem wie in Deutschland aufzubauen. Insofern ist vor allem das Unterziel 4.7 relevant:
Bis 2030 sicherstellen, dass alle Lernenden die notwendigen Kenntnisse und Qualifikationen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung erwerben, unter anderem durch Bildung für nachhaltige Entwicklung und nachhaltige Lebensweisen, Menschenrechte, Geschlechtergleichstellung, eine Kultur des Friedens und der Gewaltlosigkeit, Weltbürgerschaft und die Wertschätzung kultureller Vielfalt und des Beitrags der Kultur zu nachhaltiger Entwicklung
Das SDG 4 spiegelt sich in der fachlichen Unterrichtung der Stichpunkte der anderen SDG wieder, mündet aber in den Positionen e und f der neuen Standardberufsbildposition (BGB 2022):
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
10 “Goldene Handlungsregeln” für eine BBNE
Die Nachhaltigkeitsforschung und die Bildungswissenschaften haben inzwischen umfassende Erkenntnisse gesammelt, wie eine berufliche Bildung für Nachhaltigkeit gefördert werden kann (vgl. u. a. vgl. Schütt-Sayed u.a. 2021; Kastrup u. a. 2012; Melzig u. a. 2021). Das Ergebnis sind die folgenden 10 didaktischen Handlungsregeln, die das Berufsbildungspersonal dabei unterstützen, Lehr-/Lernprozesse zielgruppengerecht und angemessen zu gestalten. Diese insgesamt 10 Handlungsregeln lassen sich in vier Schritten zuordnen.
Schritt 1 – Richtig anfangen:
Identifizierung von Anknüpfungspunkten für BBNE
1) Ansatzpunkte: Fordern Sie die Verantwortung im eigenen Wirkungsraum heraus, ohne die Berufsschüler und Berufsschülerinnen mit „Megaproblemen“ zu überfordern!
2) Anknüpfungspunkte: Die Curricula sind Grundlage der Lehr-/Lernprozesse – es kommt darauf an, sie im Sinne der Nachhaltigkeit neu zu interpretieren!
3) Operationalisierung: Nachhaltigkeit ist kein „Extra- Thema“, sondern ein integraler Bestandteil des beruflichen Handelns!
Um nachhaltigkeitsorientierte Lehr-/Lernarrangements zu entwickeln, sind zunächst Anknüpfungspunkte für Nachhaltigkeit in den betrieblichen Abläufen zu identifizieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Ausbildungsordnungen und Lehrpläne die rechtliche Grundlage der beruflichen Bildung sind. Es gilt diese im Sinne der Nachhaltigkeit zu interpretieren, sofern nicht bereits konkrete Nachhaltigkeitsbezüge enthalten sind.
Wichtig ist dabei, dass Auszubildende nicht mit den „Megaproblemen“ unserer Zeit überfordert werden, sondern zur Verantwortung im eigenen Wirkungsraum herausgefordert werden – sowohl im Betrieb als auch im Privaten. Denn Auszubildende sind selbst Konsument/-innen, die durch eine angeleitete Reflexion des eigenen Konsumverhaltens die Gelegenheit erhalten, ihre „Wirkungsmacht“ im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit in ihrer eigenen Branche zu verstehen.
Schritt 2 – Selbstwirksamkeit schaffen:
Eröffnung von Nachhaltigkeitsorientierten Perspektiven
4) Handlungsfolgen: Berufliches Handeln ist nie folgenlos: Machen Sie weitreichende und langfristige Wirkungen erkennbar!
5) Selbstwirksamkeit: Bleiben Sie nicht beim „business as usual“, sondern unterstützen Sie Schüler*innen dabei, Alternativen und Innovationen zu entdecken!
6) Zielkonflikte: Verstecken Sie Widersprüche nicht hinter vermeintlich einfachen Lösungen, sondern nutzen Sie sie als Lern- und Entwicklungschancen!!
7) Kompetenzen: Bildung für nachhaltige Entwicklung verbindet Wahrnehmen, Wissen, Werten und Wirken!
Im nächsten Schritt sind nachhaltigkeitsorientierte berufliche Perspektiven für die Auszubildenden zu eröffnen. Diese sollten an einer positiven Zukunftsvision und an Lösungen orientiert sein. Auszubildenden sind dabei die weitreichenden Wirkungen ihres Handelns vor Augen zu führen. Sie sollen verstehen können, warum ihr Handeln nicht folgenlos ist. Das bedeutet gleichzeitig, Auszubildenden die positiven Folgen eines nachhaltigen Handelns vor Augen zu führen. In diesem Zusammenhang ist die Selbstwirksamkeitserfahrung von großer Bedeutung. Sie ist eine der Voraussetzungen, um motiviert zu handeln. Auszubildende dabei zu unterstützen, Alternativen zum nicht-nachhaltigen Handeln zu erkennen und Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung zu entdecken, sollte dabei für Lehrpersonen selbstverständlich sein. Dabei ist immer die individuelle Motivation der Auszubildenden entscheidend, denn zum nachhaltigen Handeln braucht es nicht nur Wissen (Kopf), sondern auch authentisches Wollen (Herz). Wesentlich ist hierbei die Gestaltung ganzheitlicher Lernprozesse, die sowohl den kognitiven als auch den affektiven und psychomotorischen Bereich einbeziehen (vgl. Költze, S.206).
Schritt 3 – Ganzheitlichkeit:
Gestaltung transformativer Lernprozesse
8) Lebendigkeit: Ermöglichen Sie lebendiges Lernen mit kreativen und erfahrungsbasierten Methoden!
9) Beispiele: Nutzen Sie motivierende Beispiele: Sprechen Sie über Erfolgsgeschichten, positive Zukunftsvisionen und inspirierende Vorbilder!
Aber wie können Lernsituationen in der Praxis so gestaltet werden, dass sie ganzheitlich aktivierend für die Auszubildenden sind? Es sollte ein lebendiges Lernen mit Hilfe kreativer, erfahrungsbasierter Methoden ermöglicht werden. Dies ist ein grundlegender (kein neuer) didaktischer Ansatz für die Förderung einer nachhaltigkeitsorientierten Handlungskompetenz. Im Kern bedeutet dies: Lernen mit Lebensweltbezug, welches ausgerichtet ist auf individuelle Lebensentwürfe und das eigene (auch künftige) berufliche Handlungsfeld, z. B. indem Recherchen im eigenen Unternehmen zu Möglichkeiten der Energieeinsparung durchgeführt werden. Lernen soll vor diesem Hintergrund vor allem unter Berücksichtigung der Sinne stattfinden, d. h. mit Körper und Geist erfahrbar sowie sinnlich-stimulierend sein. Die Auszubildenden sollen sich dabei zudem als Teil einer gestalterischen Erfahrungsgemeinschaft erleben. Dies kann durch gemeinsame Reflexionen über das eigene Verhalten und persönliche Erfahrungen gefördert werden, beispielsweise durch die Entwicklung und Verkostung eigener Lebensmittelkreationen unter Nachhaltigkeitsaspekten. Hierfür muss unbestritten immer auch der „Raum“ zur Verfügung stehen (siehe z.B. Hantke 2018 „‘Resonanzräume des Subpolitischen‘ als wirtschaftsdidaktische Antwort auf ökonomisierte (wirtschafts-)betriebliche Lebenssituationen“). Ebenso können motivierende Beispiele helfen – wie z. B. Erfolgsgeschichten und inspirierende Vorbilder.
Schritt 4 – Lernort Betrieb:
Entwicklung nachhaltiger Lernorte
10) Lernende Organisationen: Auch Organisationen können „Nachhaltigkeit lernen“: Entwickeln Sie Ihre Institution Schritt für Schritt zum nachhaltigen Lernort!
Schließlich geht es im vierten Schritt darum, den Lernort in den Blick zu nehmen und diesen als nachhaltigen Lernort zu gestalten. Den gesamten Betrieb nachhaltig auszurichten ist u. a. deshalb entscheidend, da andernfalls die an Nachhaltigkeit orientierten Inhalte der Ausbildung wenig glaubwürdig für Auszubildende sind. Der Betrieb als Institution sollte dafür an einem gemeinschaftlichen Leitbild ausgerichtet sein, welches neben den üblichen ökonomischen auch soziale und ökologische Ziele beinhaltet. So kann BBNE überzeugend in die Organisation integriert und vom betrieblichen Ausbildungspersonal umgesetzt werden.
Quellenverzeichnis
ARD (2020): Ungenießbar. https://programm.ard.de/TV/Themenschwerpunkte/Dokus–Reportagen/Alle-Dokumentationen/Startseite/?sendung=287252703317494
ChangingMarkets 2018: Growing the Good: The Case For Low-Carbon Transition in the Food Sector. Report. https://changingmarkets.org/wp-content/uploads/2019/02/Growing_the_Good-The_Case_for_Low-Carbon_Transition_in_the_Food_Sector.pdf
DEFAF Deutsche Fachverband für Agroforstwirtschaft (o. J.): Leitbild. https://agroforst-info.de/
Hantke, Harald (2018): „Resonanzräume des Subpolitischen“ als wirtschaftsdidaktische Antwort auf ökonomisierte (wirtschafts-)betriebliche Lebenssituationen – eine Forschungsheuristik vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeitsidee. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik. https://www.bwpat.de/ausgabe/spezial17/hantke
Kastrup, Julia; Dagmar Winzier (2012): Nachhaltige Entwicklung als Modernisierungsstrategie in der beruflichen Bildung. Präsentation und Vortrag in der Fachtagung des BIBB. “Nachhaltigkeit in der Ernährungsbranche“. 6./7.09.2012. https://www.fh-muenster.de/ibl/downloads/downloads/bbne/Tagung_060912_Vortrag_Kastrup_Winzier_pdf.pdf
Kearney (2019): Was hilft wirklich – Persönliche Klimaschutzmaßnahmen und ihre Wirkung. Repräsentative Befragung von erwachsenen Deutschen. Online: www.de.kearney.com/documents/1117166/5477168/CO2+Aufklärung.pdf/d5fba425-3aec-6a4e-fb2d-9b537c7dd20b?t=1583241728000
Melzig, Christian (2022): Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Was ist das und wie kann es gelingen? https://www.ueberaus.de/wws/berufsbildung-fuer-nachhaltige-entwicklung.php
Scharp, Michael (Hrsg. 2019): Das KEEKS-Projekt – Eine klimafreundliche Schulküche. Online: www.keeks-projekt.de (Materialien: https://elearning.izt.de/course/view.php?id=118)
Schütt-Sayed, Sören; Thomas Vollmer, Marc Casper (2021): Förderung nachhaltigkeitsbezogener Kompetenzentwicklung. Praxisleitfaden für die Ausbildung kaufmännischer Berufe.Verlag Barbara Budrich. 2021
Statista; Pawlik, V. (2022): Interesse der Bevölkerung in Deutschland an gesunder Ernährung und gesunder Lebensweise von 2018 bis 2022. Online; https://de.statista.com/statistik/daten/studie/170913/umfrage/interesse-an-gesunder-ernaehrung-und-lebensweise/
Statistisches Bundesamt (2022): Indikatoren der UN-Nachhaltigkeitsziele 2022. Online unter: http://sdg-indikatoren.de/
UBA Umweltbundesamt (2022): Treibhausgasemissionen stiegen 2021 um 4,5 Prozent. www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/treibhausgasemissionen-stiegen-2021-um-45-prozent
SDG 6 Sauberes Wasser
“Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärversorgung für alle gewährleisten”
Das SGD 6 “Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen” verfolgt im Prinzip fünf Ziele, von denen drei für landwirtschaftliche Berufe und insbesondere Tierwirten und Tierwirtinin und Tierpfleger und Tierpflegerinnen aufgrund der Wassernutzung und den Auswirkungen der Tierhaltung auf die Grundwasserqualität relevant sind:
6.3 die Verhinderung der Verschmutzung der Wasserressourcen;
6.4 eine effiziente Nutzung von Wasser und
6.5 den Schutz der Ökosysteme.
Die Schnittmenge für das SDG 7 ergibt sich aus den Nummern a und b sowie e und f der Standardberufsbildposition (BGBL 2022):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen, Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Tierwirte und Tierwirtinnen; Tierpfleger und Tierpflegerinnen haben mit ihren Entscheidungen und Tätigkeiten unmittelbaren Einfluss auf die Ökosphäre, den Lebensraum aller Lebewesen – zumindest in der Region ihrer Arbeitsstätte. Zur beeinflussten Mitwelt gehören u. a. Grundwasser, Fließgewässer und andere Süßwasservorräte, die sie für die Haltung von Tieren und die Hygiene der Ställe und Lagerplätze für Futtermittel benötigen. Nur wenn sie sich des Wertes des Wassers bewusst sind, werden sie es effektiv einsetzen, die wertvollen Wasserressourcen nicht verschmutzen und auch Ökosysteme (des Wassers) zu schützen wissen.
Die langfristigen Ziele
Im Hinblick auf die langfristige Perspektive geht es um den Schutz des Grundwassers. Dieses wird bislang vor allem von Nitraten aus der industriellen Tierhaltung sowie durch übermäßige Düngung belastet (UBA 2021). Der Umweltindikator “Nitrat im Grundwasser” (UBA 2021) zeigt einen kontinuierlich hohen Nitratgehalt, der erst seit 2017 etwas sinkt. Seit 2008 wird der europäische Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter an jeder 6. Messstelle überschritten. Hierfür wurde Deutschland 2018 vom Europäischen Gerichtshof verurteilt. (vergleiche auch SDG 3: Gesundheit)
Im Jahr 2022 war “pflanzenverfügbares Wasser” im weltweiten Mittel nicht mehr ausreichend – eine der wissenschaftlich definierten planetaren Grenzen der Ökosysteme erreicht und verletzt (Persson 2022). Auch die hiesige Landwirtschaft hat mit der regional unterschiedlich ausgeprägten Wasserknappheit zu kämpfen. Besonders der Osten Deutschlands ist sehr stark von Dürren betroffen (UFZ o. J.). Die industrielle Landwirtschaft setzt jedoch selbst auch Ursachen dafür, wie im Folgenden anhand der Milchproduktion erläutert wird.
Kühe benötigen unterschiedlich viel Wasser. Eine trockenstehende Kuh benötigt 50 bis 70 l Wasser pro Tag, eine Kuh in der Hochlaktation bei höheren Temperaturen im Sommer bis zu 200 l (Landwirtschaftskammer o. J.). Die Anzahl der Milchkühe betrug in 2022 rund 3,8 Millionen (Milchwirtschaft o. J.). Nimmt man an, dass eine Kuh im Mittel 100 l Wasser benötigt, ergibt sich ein Tränkbedarf von 38.000.000 l pro Tag und von fast 1.400.000.000 l bzw. 1,4 Mrd. Kubikmeter pro Jahr. Zum Vergleich: Die Kühe benötigen demnach jährlich so viel Wasser wie 140 Kleinstädte in Deutschland (Tagesspiegel 2022).
Deshalb und vor dem Hintergrund der Zunahme der “Hitzesommer” sind Überlegungen für die Nutzung von Wasser dringend notwendig. Wichtig ist darüber hinaus, dass zwischen den einzelnen Berufen und Branchen diskutiert wird, wie viel Wasser uns zur Verfügung steht, wofür wir Wasser heute und morgen nutzen wollen und wo es in welcher Qualität unabdingbar ist und auch bleiben wird.
Der Wasserfußabdruck von Lebensmitteln
Jede Pflanze benötigt Wasser zum Wachsen. Das aufgenommene Wasser wird dann in den Feldfrüchten, in Obst und Gemüse gespeichert. Bei der Viehzucht nehmen Rinder, Schweine und Geflügel dieses Wasser ebenfalls auf. Die Gesamtmenge an Wasser, die schließlich für ein Kilogramm Lebensmittel benötigt wird, nennt man entweder den Wasserfußabdruck oder “virtuelles Wasser” in den Lebensmitteln (UBA 2022). Hierbei unterscheidet man “grünes Wasser”, welches aus dem Regen stammt, “blaues Wasser” aus Flüssen oder Grundwasser. “Graues Wasser” ist die Wassermenge, die benötigt wird, um in der Industrie genutztes Wasser so weit zu verdünnen, dass es den gesetzlichen Qualitätsanforderungen genügt.
Die folgende Tabelle stellt einige Wasser-Fußabdrücke dar (ifeu 2020). Sie zeigt deutlich, dass insbesondere Milchprodukte einen hohen Fußabdruck haben – sowohl was die Fläche als auch das Wasser angeht. Wichtig hierbei ist, dass auch Soja als Proteinquelle einen hohen Wasserbedarf, aber einen geringen Flächenbedarf hat:
Tabelle: Wasserbedarf und Flächenfußabdücke verschiedener Lebensmittel pro kg
Flächen- bedarf [m² ∙ a] | Wasser- bedarf [L] | Flächen- bedarf [m² ∙ a] | Wasser- bedarf [L] | ||
Apfel, Durchschnitt | 0,1 | 1.500 | Olivenöl, Glas Einwegflasche | 3 | 900.000 |
Brot, Mischbrot | 0,3 | 600 | Orange/Apfelsine | 0,1 | 15.000 |
Butter | 3 | 10.000 | Saft, Orangensaft, Verbundkarton | 0,2 | 40.000 |
Dinkel, Reisersatz | 0,6 | 600 | Quark, 40 % Fett | 0,8 | 3.000 |
Ei | 3 | 900 | Rapsöl, Glaseinwegflasche | 2 | 800 |
Fisch, Wildfang, Massenware, gefroren | 0 | 80 | Reis | 0,7 | 60.000 |
Fisch, Wildfang, Spezialität, gefroren | 0 | 100 | Rinder-Hackfleisch | 5 | 15.000 |
Fisch, Aquakultur | 3 | 15.000 | Rindfleisch | 7 | 20.000 |
Gemüsenugget /-schnitzel | 0,5 | 1.000 | Sahne-Ersatz, Hafer Cuisine | 0,3 | 800 |
Hähnchen, Durchschnitt | 4 | 20.000 | Seitan | 2 | 3.000 |
Joghurtersatz, Soja, Kunststoffbecher papierummantelt | 0,3
| 3.000
| Sojagranulat (TVP) | 2 | 30.000 |
Kartoffeln, frisch | 0,1 | 100 | Sonnenblumenkerne | 0,5 | 7.000 |
Käse, Durchschnitt | 1,5 | 6.000 | Sonnenblumenöl, Glaseinwegflasche | 1 | 7.000 |
Margarine, Halbfett | 0,9 | 3.000 | Tofu | 0,5 | 7.000 |
Milch, ESL, Vollmilch, Verbundkarton | 0,5 | 2.000 | Tomaten, frisch, Durchschnitt | 0,1 | 1.000 |
Milchersatz, Haferdrink | 0,2 | 300 | Wurstaufschnitt vom Rind, Aufschnitt | 4 | 10.000 |
Milch-Ersatz, Sojadrink | 0,3 | 3.000 | Zucker, Rübenzucker | 0,5 | 90 |
Nudeln | 0,4 | 600 |
Allerdings werden in Deutschland nur ca. 2 Prozent des Gesamtwassereinsatzes (Destatis/ Deutscher Bauernverband 2020) benutzt bzw. verbraucht. 50 Prozent des Wassers wird für die Energieerzeugung genutzt. Weltweit nutzt die Landwirtschaft rund 70 Prozent des Frischwassers (bpb 2017). Indirekt tragen Lebensmittelimporte aus Ländern mit Wassermangel dazu bei, dass wir das sogenannte “blaue Wasser” (UBA 2022) des Anbaus der Lebensmittel importieren (Finogenova et mult. al. 2019, Berger et al. 2021). Dies gilt insbesondere bei Agrarprodukten aus Nordafrika, Südafrika und Mittelasien, da diese unter Wasserknappheit leiden. Die Tierproduktion nutzt das virtuelle Wasser der Ursprungsländer in Futtermitteln und als Wasser zur Versorgung der Tiere.
Folgende Aspekte wären im (Aus-)Bildungskontext zu behandeln und hierbei die sich ergebenden Zielkonflikte mit anderen Dimensionen der Nachhaltigkeit zu diskutieren (ifeu 2020:19ff, wfd o. J.):
- Rinder haben einen sehr hohen Wasserbedarf, in den USA und Südamerika werden sie außerdem auch in Gebieten mit Wassermangel gezüchtet (Texas, Argentinien).
- Das meiste Wasser wird für die Futtermittelproduktion (Weizen, Soja, Mais) benötigt. Der Wasserfußabdruck von Rindfleisch liegt deshalb bei 20.000 Liter pro Kilogramm Fleisch.
- Tierproduktion steht in Gebieten mit Wasserknappheit in Bedarfs Konkurrenz.
Mikroplastik
Mikroplastik spielt im Hinblick auf Wasser und Wäsche eine bedeutende Rolle. Es handelt sich hierbei um feste, unlösliche, partikuläre und nicht biologisch abbaubare synthetische Polymere in einem Größenbereich von weniger als 5 Millimetern bis 1.000 Nanometer (vgl. UBA 2020, Quarks 2022). Mikroplastik wird unterschieden in primäres und sekundäres Mikroplastik. Als primäres Mikroplastik werden Partikel bezeichnet, die bei Eintritt in die Umwelt bereits im Größenbereich von Mikroplastik sind. Primäres Mikroplastik Typ A wird bereits in diesem Größenbereich eingesetzt. Dazu gehören beispielsweise Partikel, die in der Kosmetik- und Körperpflege-Industrie eingesetzt werden. Primäres Mikroplastik Typ B entsteht während der Nutzungsphase. Hierzu gehören zum Beispiel der Abrieb von Autoreifen, oder Fasern aus synthetischen Textilien, die beim Waschen ins Abwasser gelangen. Sekundäres Mikroplastik entsteht bei dem Zerfall größerer Kunststoffteile im Verwitterungsprozess z. B. durch Wellenbewegung im Meer und Sonneneinstrahlung auf Plastik an Land (vgl. ebd. 2022)
Mikroplastik in der Nahrungskette
Diese kleinsten Kunststoffteilchen werden vor allem mit der Kosmetik in Verbindung gebracht (z. B. in Peelings, Haarshampoo oder als Binde- und Füllmittel in flüssigen Waschmitteln). Auch Plastikflaschen mit (Mineral-) Wasser enthalten Mikroplastik (Schymanski 2018). Allerdings können sie auch in Putzlappen und Schwämmen verwendet werden und sind somit relevant für die Gastronomie (Quarks 2022). Über das Abwasser gelangen diese Stoffe ins Meer. Dort ziehen sie Gifte an, werden von Tieren aufgenommen und gelangen so in die Nahrungskette. Allerdings konnte bisher mit Relevanz für die Nahrungskette vor allem in Fischen Mikroplastik nachgewiesen werden, welches wir dann schlussendlich aufnehmen (ebd.). Das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) und auch die WHO sehen die Aufnahme (der bisherigen Mengen?) nicht als gesundheitsrelevant an. So sagt das BFR über die richtige Verwendung mit Kosmetikprodukten wie Cremes: “Bei dieser Partikelgröße ist bei vorhersehbarem Gebrauch der Produkte eine Aufnahme über die gesunde und intakte Haut nicht zu erwarten” (BfR zitiert nach Quarks 2022). Maria Neira von der WHO beschreibt das Risiko von Mikroplastik in Trinkwasser und in PET-Flaschen wie folgt: “Nach allen aktuell verfügbaren Informationen gehe von der derzeitigen Mikroplastik- Konzentration in Trinkwasser allerdings auch keine Gefahr aus”. Relevant aber unbeantwortet ist hierbei die Frage, wie es um die aerosolen Bestandteile des Mikroplastiks aus dem Reifenabrieb oder von Kunstrasenplätzen steht, die eine wesentliche Quelle für Mikroplastik sind (ADAC 2022, Fraunhofer Umsicht 2021). Alles in allem ist der Stand der Forschung zu den Risiken von Mikro- oder gar Nano-Plastik (kleinste Plastikteilchen) unbefriedigend, weshalb ein nachhaltiges Verhalten und ein nachhaltiger (Mikroplastik-freier) Einkauf angeraten sind.
Gesundheitsbelastung durch Mikroplastik
Laut einer Studie der Medizinischen Universität Wien aus dem Jahr 2019 gelangen durchschnittlich pro Person und Woche 5 Gramm Plastik in den menschlichen Magen-Darm-Trakt (Schwab et al. 2019). Dieses Gewicht entspricht in etwa dem Gewicht einer Kreditkarte. In die Nahrungskette gelangen Mikro- und Nanoplastikpartikel (MNP) unter anderem aus Verpackungsabfall. In den Körper werden die Plastikteilchen nicht nur über Lebensmittel wie insbesondere Fisch und andere Meeresbewohner sowie über das Meersalz in den Körper geschleust. Auch Getränke in Plastikflaschen spielen eine Rolle. Deshalb empfiehlt es sich, auf Plastikflaschen zu verzichten. „Wer die empfohlenen 1,5 bis zwei Liter Wasser pro Tag aus Plastikflaschen trinkt, nimmt […] allein auf diese Weise rund 90.000 Plastikpartikel pro Jahr zu sich. Wer zu Leitungswasser greift, kann – je nach geografischer Lage – die Menge auf 40.000 reduzieren“ (DERSTANDARD 2022:1, Wright et al. 2019). Eine neue Studie hat erstmals Mikroplastik im menschlichen Blut nachgewiesen. Drei Viertel der Getesteten hatten laut der Studie der Freien Universität Amsterdam nachweislich Kunststoff im Blut. Die Untersuchung waren der erste Beweis dafür, dass Kunststoffpartikel in den menschlichen Blutkreislauf gelangen können. Die Gesamtkonzentration von Kunststoffpartikeln im Blut der 22 Probandinnen und Probanden betrug durchschnittlich 1,6 µg/ml, was einem Teelöffel Kunststoff in 1.000 Litern Wasser (zehn große Badewannen) entspricht. Polyethylenterephthalat (PET), Polyethylen und Polymere von Styrol waren die häufigsten Kunststoffarten, gefolgt von Poly(methylmethacrylat), die in den Blutproben gefunden wurden. Auch Polypropylen wurde analysiert, aber die Konzentrationen waren zu gering für eine genaue Messung (Leslie et al., 2022).
Quellenverzeichnis
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Berger Markus; Jazmin Campos; Mauro Carolli; Ianna Dantas; Silvia Forin; Ervin Kosatica; Annika Kramer; Natalia Mikosch; Hamideh Nouri; Anna Schlattmann; Falk Schmidt; Anna Schomberg; Elsa Semmling (2021): Advancing the Water Footprint into an Instrument to Support Achieving the SDGs – Recommendations from the “Water as a Global Resources” Research Initiative (GRoW). https://bmbf-grow.de/system/files/documents/berger2021_article_advancingthewaterfootprintinto.pdf
BGBl (2022): Verordnung zur Neuordnung der Ausbildung in den Hotel- und Gastronomie- berufen. Bundesgesetzblatt Jahrgang 2022 Teil I Nr. 8, Bonn, März 2022. Online: www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl122s0314.pdf
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
bpb (2017) Bundeszentrale für politische Bildung: Globalisierung – Wasserverbrauch. Online: www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/globalisierung/52730/wasserverbrauch
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BUND-Bremen (o. J.): „Giftiger Sondermüll“ Zigarettenkippen und ihre Folgen für die Umwelt. Online: https://www.bund-bremen.net/meer/stoppt-kippen-in-der-umwelt/
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cieau le centre d’information sur l’eau (o. J.): Wie verschlechtert die Wasserverschmutzung Ökosysteme? Online: https://www.cieau.com/connaitre-leau/la-pollution-de-leau/comment-la-pollution-de-leau-degrade-les-ecosystemes/
DERSTANDARD (2022): Ein Mensch isst pro Woche eine Kreditkarte. Diese Menge an Mikro- und Nanokunststoffpartikeln nehmen wir laut Med-Uni Wien im Magen-Darm-Trakt auf. Online: www.derstandard.at/story/2000134377806/ein-mensch-isst-pro-woche-eine-kreditkarte
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Wright S et al. (2019): Stephanie Wright, Ian Mudway The Ins and Outs of Microplastics. Editorial. Annals of Internal Medicine. DOI: 10.7326/M19-2474.
SDG 7 Bezahlbare und saubere Energie
“Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und moderner Energie für alle sichern”
Das SDG 7 “Bezahlbare und saubere Energie” beinhaltet soziale und ökologische Anforderungen an den Klimaschutz. Für die Tierwirt*innen und die Tierpfleger und Tierpflegerinnen sind vor allem zwei Unterziele wichtig (Destatis o. J.):
7.2 Bis 2030 die weltweite Steigerungsrate der Energieeffizienz verdoppeln
7.3 Bis 2030 den Anteil erneuerbarer Energie am globalen Energiemix deutlich erhöhen
Im wesentlichen geht es um im SDG 7 um einen Umbau des bisherigen Energiesystems hin zu mehr Erneuerbare Energien und eine Verbesserung der Effizienz der Energienutzung, da ökologische und das Klima schützende Anforderungen schon durch andere SDGs (insbesondere 13, 14 und 15) abgedeckt werden.
“Saubere Energie”, wie dies in SDG 7 genannt wird, bedeutet heute für den Klimaschutz grundsätzlich der Umstieg auf erneuerbare Energien (EE). Die Anforderungen betreffen
- Umweltschutz und Arbeitsbedingungen bei der Rohstoffgewinnung
- Ökologische und Gesundheitsfolgen der Energienutzung
- Flächenkonkurrenzen bei dem Anbau von Energiepflanzen (Mais, Zuckerrohr u. a.)
Die Schnittmenge für das SDG 7 ergibt sich aus allen Nummern der Standardberufsbildposition (BGB 2022):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen, Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
c) für den Ausbildungsbetrieb geltende Regelungen des Umweltschutzes einhalten
d) Abfälle vermeiden sowie Stoffe und Materialien einer umweltschonenden Wiederverwertung oder Entsorgung zuführen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Saubere Energie für Tierwirt*innen und Tierpfleger*innen
Die Tierwirte und Tierwirtinnen und Tierpfleger und Tierpflegerinnen nutzen nicht nur Energie für ihre Tätigkeiten, inkl. IT, Transporte mit verschiedenen Verkehrsmitteln, sondern sie arbeiten auch in einem Bereich, der größere Flächen und große Gebäude umfasst. Damit ergeben sich umfassende Möglichkeiten für die Installationen von Anlagen für erneuerbare Energien:
- Auf Dachflächen können PV-Anlagen montiert werden.
- Auf Freiflächen können PV-Anlagen aufgestellt werden – Schafe und Ziegen können die Flächen weiterhin gut nutzen.
- Solarthermische Anlagen brauchen nur wenig Dachfläche – sie erzeugen viel warmes Wasser für die Hygiene und Reinigungsprozesse.
- Erdwärme-Anlagen lassen sich problemlos in die Freiflächen integrieren.
- Tierischer Abfall (Gülle und Mist) kann in Biogasanlagen zu Methan umgewandelt werden.
- Das Methan kann mit Blockheizkraftwerke (BHKW) in Strom und Wärme umgewandelt werden – mit der Wärme können Stallungen temperiert werden.
Darüber hinaus gibt es viele Möglichkeiten zur Verbesserung der Energieeffizienz für alle Betriebe:
- Die Beleuchtung kann auf LED umgestellt werden – dies reduziert die Kosten drastisch.
- Dienstfahrzeuge sollten elektrisch sein – hiermit werden sehr viele THG-Emissionen eingespart. Mit der eigenen PV-Anlage fahren die Fahrzeuge fast zum Nulltarif (wenn die Anlagen abgeschrieben sind)
- Auch kleine Nutzfahrzeuge werden heute im großen Umfange als Elektrofahrzeuge angeboten. Bei täglichen Strecken von 400 km ergeben sich keine Mobilitätsprobleme (und die Fahrzeuge können nach der Rückkehr wieder aufgeladen werden.
Bei all diesem stellt sich die Frage: Wie kann die Energie klimaschonend erzeugt werden, wie kann sie energiesparend genutzt werden? Dieses Kapitel beschreibt die Grundlagen der verwendeten Energieformen und eingesetzten Verfahren, soweit sie den Hintergrund der Einrichtungen und Arbeiten der Tierpflege betreffen. So wird beispielsweise auf die Wärmepumpe als mögliche Wärmequelle eingegangen, nicht aber auf die Solarthermie, da diese in der Tierpflege (bisher) eine untergeordnete Rolle spielt.
Erneuerbare Energien
Die einfachste Maßnahme zum Umstieg auf erneuerbare Energien ist der Bezug von Ökostrom. Die Produktion erfolgt dabei in der Regel aus Wind, Sonne, Biomasse und Wasserkraft. Im ersten Halbjahr 2022 lag der Anteil der Erneuerbaren bei 51,6 Prozent. Da die Stromproduktion aus verschiedenen Quellen schwankend ist, zeigt erst die Jahresendbilanz, wie die Verteilung sein wird. In 2021 stammten 23 Prozent der gesamten Stromproduktion aus Windkraft, 9,8 Prozent aus der Photovoltaik, 8,8 Prozent aus Biomasse und 4 Prozent aus Wasserkraft. Braun- und Steinkohle lieferten 20,7 Prozent des Stroms, Erdgas 10,5 Prozent und die Kernenergie gut 13,3 Prozent (Stromreport 2022).
Wichtig sind hinsichtlich des Ziel “bezahlbarer Energie” vor allem die Kosten von Strom und Wärme. Die Stromgestehungskosten waren in 2021 wie folgt (ISE 2021, gerundet): Dachkleinanlagen 6-11 Cent/kWh, große Dachanlagen 5-10 Cent/kWh, Freiflächenanlagen 3-6 Cent/kWh. Die Stromgestehungskosten fossiler Stromerzeugung lagen in 2021 zwischen 8-13 Cent/kWh für Gas- und Dampfkraftwerke, zwischen 11-28 Cent/kWh bei Gaskraftwerken, 10-15 Cent/kWh Braunkohlekraftwerke sowie 11-20 Cent/kWh bei Steinkohlekraftwerken. Für Kernkraft, mit Rückbau und Endlagerung werden die Stromgestehungskosten auf 50 bis 100 Cent/kWh geschätzt (Siemens-Stiftung 2015). Die konkreten Stromgestehungskosten sind von einer Reihe von Faktoren abhängig. Dazu zählen der Standort (z. B. Entfernung zwischen Kraftwerk und Abbaugebiet), Größe und Alter der Anlagen, Subventionen, Wartung, Abschreibungen sowie die verbaute Erzeugungstechnologien.
Im Folgenden wird eine Übersicht über die wichtigsten Technologien zur Nutzung der Erneuerbaren Energien gegeben:
- Solarenergie: Solarenergie mit Hilfe von Photovoltaik ist mit gut 21 Prozent der EE-Stromproduktion (Stromreport 2022) seit 2007 stark ausgebaut worden und damit die jüngste breit genutzte erneuerbare Stromquelle (vgl. die Graphik auf Wikimedia 2020). Ab 2013 stagnierte der Zuwachs von Solarenergie, weil die Konditionen der Einspeisung verschlechtert wurden. Insbesondere die Energiekrise im Zuge des Ukraine Krieges zeigt, dass der Ausbau jetzt stark beschleunigt werden muss.
- Solarthermie: Es stehen jährlich 1.050 KWh/m2 Solarstrahlung für die Umwandlung von Sonnenenergie in Wärme zur freien Verfügung. Hiermit lassen sich Strom sowie Wärme für Heizung und Warmwasser erzeugen. In Deutschland wird Solarthermie dennoch nur in weniger als 10 Prozent (co2online 2021) der Heizanlagen für Häuser und Wohnungen genutzt.
- Windenergie: 50 Prozent des EE-Stromes in Deutschland wurden 2021 aus Windenergie erzeugt (Stromreport 2022). Der Ausbau hat wesentlich in den Jahren von 2000 bis 2017 stattgefunden. Seitdem ist der Zuwachs geringer, weil sich lokal viele Menschen gegen Windkraftanlagen wehren. Seit Ausbruch des Ukraine-Krieges und dem damit verbundenen Gaslieferstopp Rußlands, sowie seit den deutlichen Auswirkungen der Klimakrise (Waldbrände, Flut), werden wieder höhere Ausbauziele der Windenergie genannt.
- Wärmeerzeugung: Zur Wärmeerzeugung können Bioenergie (insbesondere Festbrennstoffe wie Holz) sowie die Umgebungs- bzw. bodennahe Erdwärme eingesetzt werden. Wie bei der Stromerzeugung aus Wasserkraft gibt es für die Verbrennung von Biomasse kein Wachstumspotenzial mehr, sondern muss auf “ein naturverträgliches Maß begrenzt” werden (UBA 2021b). Im Gegensatz dazu setzt die Bundesregierung auf den Ausbau der Nutzung von Umgebungswärme, wozu auch die bodennahe Erdwärme gehört (Tagesschau 2022).
Photovoltaik
Photovoltaik ist die Umwandlung von Sonnenlicht in Strom. Dies geschieht mit Hilfe von PV-Modulen, in denen die Solarstrahlung Strom erzeugt. Der Strom wird über Leitungen zu einem Wechselrichter geführt, der den Gleichstrom aus den PV-Modulen in Wechselstrom umwandelt. Die Kosten der PV-Technologie sind bei höherer Leistung – trotz Preissteigerungen aufgrund des Krieges – deutlich günstiger als vor 20 Jahren. Für den Betrieb von Photovoltaik-Anlagen gibt es drei Betriebsmodelle:
- Dachverpachtung: Die einfachste Möglichkeit, von einem geeigneten Dach zu profitieren, ist die Verpachtung der Dachfläche an Dritte. Diese sind dann Betreiber der Anlage. Stadtwerke, Energieversorgungsunternehmen und Projektentwickler bieten bereits „schlüsselfertige“ Dachpacht Lösungen an. Dabei baut der Betreiber auf seine Kosten die Anlage, bewirtschaftet sie und übernimmt das unternehmerische Risiko.
- Eigenverbrauch mit Überschusseinspeisung: Besonders attraktiv ist die Gestaltung des Eigenverbrauchs. Der Eigentümer errichtet die Anlage auf eigene Kosten und versucht, seine Stromnutzung so zu gestalten, dass bei Sonnenschein Strom entweder verbraucht oder in Batterien gespeichert wird.
- Volleinspeisung: In diesem Fall ist der Dacheigentümer auch Betreiber der PV-Anlage. Der gesamte erzeugte Strom wird in das Netz der allgemeinen Versorgung eingespeist und der Anlagenbetreiber erhält für jede eingespeiste kWh die sog. Einspeisevergütung.
Im Folgenden werden wichtige Technologien zur Solarstromerzeugung vorgestellt:
- Solarzellen aus kristallinem Silizium: Solarzellen aus kristallinem Silizium werden mit über 90 Prozent am häufigsten verbaut. Als Ausgangsmaterial für ihre Herstellung dient Siliziumdioxid (SiO2), das als Quarzsand oder Quarzkristall abgebaut wird. Aus SiO2 wird in einem mehrstufigen und sehr energieaufwendigen Verfahren hochreines polykristallines Silizium (poly-Si) mit einer Reinheit von 99, 99 Prozent hergestellt. Die Herstellung erfolgt in einem Lichtbogenofen bei Temperaturen von etwa 2.000 °C. Anschließend werden Silizium-Einkristalle (mono-Si) gezogen. Die gewonnenen Einkristalle werden in etwa 0,2 mm dicke Scheiben («Wafer») gesägt und in einer Abfolge von mehreren Prozessschritten zu Solarzellen und dann zu PV-Modulen weiterverarbeitet.
- Dünnschicht-Solarmodule: Die Module bestehen wie die obigen PV-Module ebenfalls aus elektrischen Kontakten und einem absorbierenden Material, allerdings werden auf dem Trägermaterial verschiedene Schichten von Metallen aufgetragen. Die Dicke der lichtabsorbierenden Schicht liegt in der Regel bei 1-3 µm, also etwa hundertmal weniger als bei den Solarzellen aus kristallinem Silizium. Als Trägermaterial können, je nach Technologie, Glas, Metall- oder Kunststofffolien eingesetzt werden. Als Schichtmaterialien kommen insbesondere Halbleitermaterialien wie Galiumarsenid (GaAs), Cadmiumtellurid (CdTe) oder Kupfer-Indium-Gallium-Diselenid (CIGS) zum Einsatz. Vorteile der Dünnschichtzellen sind ihr geringes Gewicht, ihre guten Erträge bei diffusem Sonnenlicht und schlechtem Wetter sowie die schnelle energetische Amortisation aufgrund des geringen Energieeinsatzes bei ihrer Herstellung.
Hauptsächlich gibt es zwei Arten für Photovoltaikanlagen:
- Aufdachmontage: Aufdach-Photovoltaikanlagen sind eine weit verbreitete Möglichkeit für Eigenheime, Unternehmen und öffentliche Gebäude um ihren eigenen Strom zu erzeugen. Vorteile sind: Das vorhandene Dach kann optimal genutzt werden; das Dach wird vor eventuellen Umwelteinwirkungen zusätzlich geschützt; aufdach-montierte Anlagen sind meist schnell und einfach sowie mit geringem Wartungsaufwand zu installieren.
Nachteile sind höhere Kosten der Montage, mögliche Probleme bei der Befestigung und Tragfähigkeit, Platzbeschränkungen durch die Dachfläche sowie der unveränderliche Winkel des Daches (der nicht immer optimal zur Nutzung der Solarstrahlung ist).
- Bodenmontage (Freiflächenmontage): Bodenmontierte Photovoltaikanlagen sind inzwischen ebenfalls weit verbreitet, werden aber vorwiegend von großen Unternehmen, professionellen Investoren bzw. Energieanbietern genutzt. Vorteile sind: Aufgrund ihrer Größe ist auch eine größer dimensionierte Stromerzeugung möglich; bodenmontierte Anlagen haben die Möglichkeit die festen Winkelbeschränkungen zu umgehen und sie haben einfache Wartungsmöglichkeiten. Nachteilig sind die Flächenbedarfe (“ganze Äcker”) und ihre optische Auffälligkeit (Landschaftsbild).
Solarwärme
Solarthermie erzeugt warmes oder heißes Wasser, zusammen mit einem Wärmespeicher kann dann insbesondere in den Sommermonaten ein erheblicher Teil des Wärmebedarfs mit Solarenergie CO2-frei bereitgestellt werden. Im folgenden werden die beiden wichtigsten Kollektortypen sowie die Wärmespeicherung und die Einbindung der Solarwärme vorgestellt:
- Flachkollektoren: Bei Flachkollektoren ist der metallische Solarabsorber zwischen einer transparenten Abdeckung und einer Wärmedämmung eingefasst. Dies minimiert die Wärmeverluste des Kollektors, wodurch in Abhängigkeit der Bauart Nutztemperaturen bis 100 °C effizient bereitgestellt werden können. Das Spektrum reicht von kompakten Kollektormodulen mit ca. 2 m² bis hin zu Großflächenkollektoren mit 10 bis 12 m²
- Vakuumröhrenkollektoren: Bei Vakuumröhrenkollektoren können die Wärmeverluste durch Konvektion und Wärmeleitung deutlich reduziert und somit mehr Wärme erzeugt werden. Der sinnvolle Einsatzbereich dieser Kollektoren bei 80 bis 130 °C, der höhere Wert wird mit Spiegeln auf der Rückseite erzeugt.
- Speicherung: In der Regel ist ein Pufferspeicher zentraler Bestandteil einer solaren Prozesswärmeanlage, da das Solarangebot nicht immer mit dem Wärmebedarf der zu versorgenden Verbrauchsstellen zeitlich übereinstimmt. Zur Einbindung des Speichers gibt es mehrere Möglichkeiten: Typischerweise wird der mit einem Wasser-Glykol-Gemisch betriebene Solarkreis durch einen Wärmeübertrager vom Speicherkreis getrennt.
- Einbindung von Solarwärme: Bei der Einbindung von Solarwärme lässt sich grundsätzlich die Versorgungs- von der Prozessebene unterscheiden. Viele Industrie- oder Gewerbebetriebe haben ein zentrales Kesselhaus zur Erzeugung von Wärme und ein Rohrnetz zur Verteilung der Wärme an die Verbrauchsstellen. Je nach Nutztemperatur wird die Wärme über Dampf (140-200 °C), Heißwasser (90-160 °C) oder Warmwasser (<100 °C) verteilt und direkt oder indirekt über einen Wärmeüberträger an die Wärmesenke abgegeben.
Bioenergie
Unter Bioenergie wird die energetische Nutzung biogener Energieträger verstanden. Biogene Energieträger sind pflanzlicher oder tierischer Herkunft. Zu den typischen biogenen Energieträgern zählen Holz und Stroh sowie ihre Derivate wie Holzschnitzel- oder -pellets. Aber auch Biogas aus der Vergärung von Bioabfällen, Ernterückständen oder von tierischen Abfällen wie Mist und Gülle-Exkremente. Obwohl bei der Verbrennung von Biomasse oder Biogas Kohlendioxid freigesetzt wird, wird die Erzeugung und Nutzung von Bioenergie als klimaneutral angesehen, denn das freigesetzte CO2 wurde während des Pflanzenwachstums der Atmosphäre entzogen. Allerdings verursacht die Verbrennung von Biomasse weitere Luftschadstoffe wie NOX und insbesondere Feinstaub (Kamine im Eigenheimbereich).
Der typische Einsatz von Biogas zur Energieerzeugung erfolgt über Blockheizkraftwerke (BHKW), die sowohl Wärme als auch Strom erzeugen. Problematisch ist der Anbau von Energiepflanzen wie z. B. Mais, Raps, Futterrüben, Hanf, Chinaschilf, schnellwachsende Bäume (Pappeln, Weiden), Zuckerrohr und Algen. In der Regel erfolgt deren Anbau in schnell wachsenden Monokulturen und haben damit einen erheblichen Einfluss auf Landschaft und Boden. Zudem kann der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zum Verlust von Biodiversität, die Düngung zur Belastung des Grundwassers und der Verbrauch von Trinkwasser zur regionalen Verknappung führen (vgl. BUND o. J. sowie UBA 2021a). Des Weiteren ist der energetische Wirkungsgrad der Biomassenproduktion mit 0,5 – 1,5 Prozent (Pflanzenforschung 2020) wesentlich geringer als der von Photovoltaik , der in der Regel 15 – 22 Prozent beträgt (Eigensonne o. J.). Zudem gibt es eine Flächenkonkurrenz – anstelle von Energiepflanzen könnten auch Feldfrüchte oder Getreide angebaut werden – im Sinne des SDG 1 “Kein Hunger”.
Erd- und Umgebungswärme
Eine Möglichkeit der Wärmeerzeugung ist die Nutzung von Temperaturunterschieden zwischen Gebäuden und ihrer Umgebung oder dem Erdreich mit Wärmepumpen. Eine Wärmepumpe funktioniert wie ein Kühlschrank oder eine Klimaanlage (Tagesschau 2022). Die Pumpe entzieht der Umgebung (z. B. dem Erdreich) mit einem Kältemittel Wärme und kühlt sie dabei ab. Ein Kompressor verdichtet das Kältemittel und erhöht dabei dessen Temperatur, die dann zur Raumheizung genutzt wird. Das Kältemittel kondensiert und gibt die Wärme frei.
In einem Ventil verdampft das Kühlmittel wieder, kühlt sich dabei stark ab und kann aufs Neue der Umgebung Wärme entziehen. Zum Antrieb einer Wärmepumpe wird elektrischer Strom benötigt, der allerdings aus erneuerbaren Quellen stammen sollte. Bei der Nutzung von Erdwärme wird zwischen Tiefengeothermie und oberflächennaher Geothermie unterschieden.
Die oberflächennahe Geothermie nutzt den Untergrund bis zu einer Tiefe von ca. 400 m und Temperaturen von bis zu 25 °C für das Beheizen und Kühlen von Gebäuden, technischen Anlagen oder Infrastruktureinrichtungen. Hierzu wird die Wärme oder Kühlenergie aus den oberen Erd- und Gesteinsschichten oder aus dem Grundwasser gewonnen. Als Tiefengeothermie bezeichnet man die Nutzung der Erdwärme in Tiefen zwischen 400 und 5.000 Metern. Im Vergleich zur oberflächennahen Geothermie sind dort die Temperaturen weitaus höher. Der Vorteil der Geothermie ist ihre ständige Verfügbarkeit. Die geothermische Stromerzeugung in Deutschland steht noch am Anfang und ist noch ausbaufähig
Beleuchtung
Beleuchtung ist in allen Berufen ein Handlungsfeld, bei dem viel Energie eingespart werden kann. Der Standard für Energieeffizienz in der Beleuchtung sind LED-Lampen und LED-Röhren. In 2009 wurde die “Glühbirne” aus Initiative der EU vom Markt genommen, anstelle dessen wurde im breiten Umfange die Energiesparlampe bzw. Leuchtstofflampe (Fachbegriff:Kompaktleuchtstofflampen) verwendet, die bei gleiche Lichtstärke wie eine 75 Watt Glühbirne nur rund 10 Watt verbrauchte. Die technische Entwicklung ging jedoch weiter hin zu LED-Lampen, die wiederum im Vergleich zur Glühbirne rund 70 Prozent bis 90 Prozent der Energie einsparen (enterga o. J., energieexperten o. J.). In Haushalten und kleinen Gewerbebetrieben ohne eigene Produktion fallen rund 10 Prozent des Stromverbrauchs für die Beleuchtung an – dies sind zwischen 350 und 600 kWh/a. Die Bedeutung des technischen Wandel weg von der Glühbirne (und der Halogenbirne) hin zu LED-Technik lässt sich im Rückblick zeigen. In 2003 wurden ca. 71 TWh/a (Terawattstunden pro Jahr) Strom für die Beleuchtung verwendet. Dies waren 71.000 Gigawattstunden. Ein Atomkraftwerk erzeugt zwischen 9.000 und 13.000 GWh Strom, rein rechnerisch mussten fast 9 Atomkraftwerke nur die Beleuchtung laufen (in 2003, stromrechner.com o. J.).
Für Gewerbetreibende mit Büro und Werkstatt sind die LED-Leuchtstoffröhren besonders interessant, da bisher immer Leuchtstofflampen installiert wurden. Heutzutage gibt es LED-Röhren, die ohne Umbau in die vorhandenen Lichtkästen eingebaut werden können. Nur das Vorschaltgerät muss ggf. ausgewechselt werden. Die Einsparung liegt bei 50 Prozent des bisher genutzten Stroms (LEDONLINE o. J.).
Die Vorteile neben der Energieeinsparung sind offensichtlich: Die Röhren zerbrechen nicht, sie enthalten kein Quecksilber, sie flimmern nicht und haben einen hohen Leistungsfaktor (ebd.)
Eine weitere mögliche Stellschraube bei der Beleuchtung ist die Verwendung von Strom aus regenerativen Energiequellen. Eine eigene PV-Anlage auf dem Bürogebäude oder auf dem Betriebsgelände in Verbindung mit einem Batteriespeicher kann erheblich Strom aus Sonnenlicht bereitstellen. Allerdings ist die Solarstrahlung in den Wintermonaten – gerade dann, wenn die Anzucht stattfindet, nur gering. In diesem Falle sollte zumindest der Strom aus erneuerbaren Energien – im Winter fast ausschließlich aus Windenergie – bezogen werden.
Rationelle Energienutzung und Energiesparen
Neben dem Einsatz erneuerbarer Energien zählt auch die rationelle Energienutzung zu den Maßnahmen, um das Energiesystem in Richtung Nachhaltigkeit zu transformieren. Typische Handlungsfelder der rationellen Energienutzung sind die Energieeffizienz und das Energiesparen, die beide eng miteinander verknüpft sind.
- Energieeffizienz: Bei der Energieeffizienz geht es darum, Geräte und Maschinen zu nutzen, die bei gleicher Funktionserfüllung einen geringeren Energiebedarf haben. Effizienz ist dabei eine relationale Größe, die sich auf mindestens zwei vergleichbare Arten bezieht, Energie zu nutzen. Durch optimierte Prozesse sollen die quantitativen und qualitativen Verluste, die im Einzelnen bei der Umwandlung, dem Transport und der Speicherung von Energie entstehen, minimiert werden, um einen vorgegebenen (energetischen) Nutzen bei sinkendem Primär- bzw. Endenergieeinsatz zu erreichen.
- Energieeffizienzkennzeichnung: In der EU gibt die Energieeffizienzkennzeichnung gemäß Verordnung (EU) 2017/1369 Auskunft über die Energieeffizienz von Elektrogeräten und weiteren Energieverbrauchern. Die Kennzeichnung erfolgt für verschiedene Gerätegruppen in Form von Etiketten auf den Geräten und in Werbematerialien. Ab dem Jahr 2021 erfolgt die Kennzeichnung der Energieeffizienz in Form von Effizienzklassen. Deren Skala reicht von „A“ bis „G“, wobei Geräte mit der höchsten Effizienz mit der Kennzeichnung “A” ausgezeichnet werden. Daneben gibt es zahlreiche weitere Kennzeichen. Bekannt ist der amerikanische Energy Star für energiesparende Geräte, Baustoffe, öffentliche/gewerbliche Gebäude oder Wohnbauten. Der Energy Star bescheinigt die jeweiligen Stromspar Kriterien der US-Umweltschutzbehörde EPA und des US-Energieministeriums (www.energystar.gov).
- Blauer Engel: Auch nationale Umweltzeichen wie der Blaue Engel können, je nach ausgezeichnetem Produkt, aufgrund vergleichsweise hoher Energieeffizienz vergeben werden (www.blauer-engel.de). Für PKW’s gibt es ein eigenes Kennzeichen, welches die Bewertung und Kennzeichnung der Energieeffizienz neuer Personenkraftwagen hinsichtlich Kraftstoff- und Stromverbrauch regelt (Pkw-EnVKV 2020).
- Stromsparen: Die Abgrenzung des Energiesparens zur Energieeffizienz ist allerdings nicht immer eindeutig, denn die Nutzung eines energieeffizienten Gerätes stellt immer auch eine Energieeinsparung gegenüber einem weniger effizienten Gerät dar. Die wichtigsten Stromsparmaßnahmen im Haushalt sind energieeffiziente Geräte (Kühl- und Gefriergeräte, Flachbildschirme u. a.m.) sowie LED-Beleuchtung. Eine Vielzahl von Energiespartipps sind z. B. bei CO2-Online zu finden (ebd. o. J.). Selbst kleine Maßnahmen wie Reduzierung des Standby- Verbrauchs summieren sich im Großen (UBA 2015). EU-weit werden die Leerlaufverluste auf jährlich 51 Mrd. Kilowattstunden geschätzt. Dies entspricht einer Energiemenge, die etwa 14 Großkraftwerke mit jeweils 800 Megawatt Leistung pro Jahr erzeugt und dabei etwa 20 Mio. t CO2 in die Atmosphäre emittieren (ebd.).
Mobilität
Im Rahmen der sogenannten Verkehrswende spielt die Dekarbonisierung der Antriebe eine zentrale Rolle, denn die Treibhausgasemissionen der Mobilität sind, mit rund 149 Mio. t CO2-Äq bzw. fast 20 Prozent aller CO2-Emissionen allein in Deutschland im Jahr 2021, maßgeblich für den Klimawandel verantwortlich (UBA 2022). Differenziert nach verschiedenen Verkehrsarten zeigt sich, dass der Straßengüterverkehr 2020 rund 46 Mio. t CO2-Äq bzw. 30 Prozent der Verkehrsemissionen verursacht (ebd.) hat. Es sind somit zwei Trends wirksam: Zum einen eine Minderung der Emissionen (insbesondere der Schadstoffe), die aber bei LKWs deutlich größer sind (-32%) als bei PKWs (-5%). Zum anderen stieg für beide die Zahl der gefahrenen Kilometer – die PKW-Fahrleistung hat sich seit 1995 verdoppelt, die des Güterverkehrs per LKW ist um 74 Prozent gestiegen (ebd.).
Logistik
Die Wahl der Verkehrsmittel entlang der Wertschöpfungskette ist von besonderer Relevanz. Die Emissionen aus der Logistik können leicht mit Hilfe kostenloser Online Tools ermittelt werden, wie z. B. mit Carboncare (ebd. o. J.). Hier ist auch der Emissionsanteil für die Erzeugung des Kraftstoffes enthalten. Die folgende Tabelle stellt beispielhaft die CO2– Emissionen unterschiedlicher Transportmittel dar, die bei einem Transport von einer Tonne Gewicht von Shanghai nach Berlin freigesetzt werden.
Tabelle: Emissionen für einen Langstreckentransport – Shanghai nach Berlin.
Transportmittel | Strecke (km, gerundet) | WTW-CO2-Äq |
Schiff LKW | 19.900 km (Schiff) 200 km (LKW) 20.100 km (gesamt) | 73 kg (nur Schiff) 15 kg (LKW) 88 kg (gesamt) |
Bahn (im Bau) | 10.400 km | 120 kg |
Flugzeug | 8.500 km | 6.900 kg |
Quelle: Eigene Berechnungen mit carboncare (ebd. o. J.).
Geschäftsreisen und Dienstfahrzeuge
Bei Geschäftsreisen besteht vielfach die Wahl zwischen Bahn und Pkw-Nutzung, wobei die PKW-Nutzung im Mittel zum Vier- bis Fünffachen an CO2-Emissionen führt (Mein Klimaschutz o. J.). Bei innerdeutschen Flügen ist man oder Frau aufgrund der langen Check-In-Zeiten im Prinzip kaum schneller als mit der Bahn. Hier kann der UmweltMobilCheck der Deutschen Bahn eine Orientierung geben (Deutsche Bahn o. J.). Eine Fahrt von Berlin nach Hamburg führt bei Pkw-Nutzung zu etwa 54 kg CO2-Äq, bei Bahnnutzung zu 0,03 kg CO2-Äq.
Sollten Geschäftsreisen mit dem Flugzeug gelegentlich unvermeidbar sein, bieten sich Kompensationsmodelle zum Ausgleich der Klimawirkung an, bei denen eine Klimakompensation erfolgt. Hierbei wird ein Geldbetrag entsprechend der verursachten Emissionen überwiesen und dieser wird in Klimaschutzprojekte investiert z. B. in den Moorschutz oder Wiederaufforstung (vgl. atmosfair o. J.). Bei einem Hin-und Rückflug von Berlin nach Shanghai entstehen ca. 4.800 kg CO2 Emissionen. Diese können durch 111 € Ausgleichszahlung kompensiert werden.
Fuhrpark für den motorisierten Individualverkehr
Der motorisierte Individualverkehr (MIV) wird mit PKW´s durchgeführt. Alle Unternehmen besitzen zumindest ein Fahrzeug für den Geschäftsführer, größere Unternehmen stellen Dienstfahrzeuge, große Unternehmen haben ganze Fahrzeugflotten. Laut Statista gab es 2020 mehr als 5 Millionen PKW’s mit einem gewerblichen Fahrzeughalter (ca. 11% des Fahrzeugbestandes, Statista 2022b). Um die Emissionen im Verkehr deutlich zu reduzieren – dies ist unbedingt notwendig, um die international vereinbarten Klimaziele zu erreichen – muss der Fuhrpark auf emissionsarme Fahrzeuge umgestellt werden. Bei der Umstellung des betrieblichen Fuhrparks von Fahrzeugen mit (fossilen) Verbrennungsmotoren auf alternative Antriebskonzepte stehen derzeit Elektrofahrzeuge mit unterschiedlichen Antriebskonzepten, Wasserstofffahrzeuge mit Brennstoffzellen sowie die Nutzung biogener Kraftstoffe in der Diskussion:
- Hybrid-Fahrzeuge: Es gibt verschiedene Typen wie Mild-Hybrid, Voll-Hybrid, Plug-in-Hybrid oder Range Extender, die einen mehr oder weniger starken Verbrenner mit einem Elektroantrieb kombinieren. Solange die Reichweite reiner E-Autos noch begrenzt ist, wird es auch diese Fahrzeuge geben.
- Elektroauto mit Batterie: Ein vollelektrisches Fahrzeug (BEV) wird ausschließlich von einem batteriebetriebenen Elektromotor angetrieben. Der wird über das Stromnetz aufgeladen, das heißt: er benötigt keinen fossilen Kraftstoff. Dadurch fährt das Fahrzeug zu 100 Prozent emissionsfrei. Allerdings ist hier der Strommix von Bedeutung: Gas und Kohle führen zu Emissionen bei der Stromerzeugung.
- Elektroauto mit Brennstoffzelle: Ein Brennstoffzellenauto (FCEV) wird ausschließlich von einem Elektromotor angetrieben. Der Strom wird in einer Wasserstoff-Brennstoffzelle erzeugt. Bei der Nutzung von Wasserstoff in Fahrzeugen ist von entscheidender Bedeutung, dass dieser mit elektrischem Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt wird, ein sogenannter grüner Wasserstoff – denn nur dann ist sein Einsatz in Fahrzeugen CO2-frei und damit klimaneutral. Die Herstellung von grünem Wasserstoff erfolgt mittels Elektrolyse von Wasser.
- Biogene Kraftstoffe: Hier wird der Kraftstoff aus Pflanzen erzeugt. Dies können Öl-Pflanzen wie Raps sein, aus denen Biodiesel, oder Zuckerrohr, aus dem Ethanol erzeugt wird. Letzteres ist z. B. in Brasilien eine wichtige Kraftstoffquelle. Die Antriebstechnik ist vergleichbar mit konventionellen Verbrennungsmotoren mit der Ausnahme, dass das bei der Verbrennung entstehende CO2 klimaneutral ist, denn die bei der Verbrennung freigesetzte CO2-Menge entspricht in etwa derjenigen Menge, die die Pflanze während ihres Wachstums mittels Photosynthese der Atmosphäre entzogen hatte.
Wie wird sich die individuelle und die gewerbliche Mobilität der Zukunft gestalten? Vermutlich wird es die Elektromobilität mit Batterien für PKW und kleine Nutzfahrzeuge bis 3,5 Tonnen sein. Von entscheidender Bedeutung ist, dass der elektrische Strom zur Ladung der Fahrzeugbatterie mit erneuerbaren Energien erzeugt wird. Bei LKW in der Klasse ab 7,5 t ist die Frage noch nicht beantwortet – hier konkurrieren Elektromobilität mit Batterien und Fahrzeuge mit Brennstoffzellen noch miteinander.
Nutzungsverhalten
Neben der Umrüstung der Dienstwagen auf elektrische Antriebe sollte auch der individuelle Umgang mit Mobilität überdacht werden. Es können beispielsweise THG-Emissionen eingespart werden, wenn die Mitarbeitenden zu Fuß oder mit dem Rad zum Arbeitsplatz im Handel kommen, sofern aus gesundheitlichen Gründen oder einer zu großen Distanz zum Arbeitsort nichts dagegen spricht. Zudem kann der Betrieb die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel z. B. durch ein Jobticket attraktiver gestalten. Auch die Förderung von Dienstfahrrädern ist in einigen Städten und Kommunen möglich. Zusätzlich ist die Bildung von Fahrgemeinschaften denkbar, wenn es sich von den Arbeitszeiten und den Wegen anbietet. Strecken, die mit dem Auto gefahren werden müssen, sollten optimiert werden (Routenoptimierung), insbesondere gilt dies für den Transport von Waren. Außerdem hat die Fahrgeschwindigkeit einen erheblichen Einfluss auf die ausgestoßenen THG-Emissionen. Laut Umweltbundesamt verursachten im Jahr 2020 Pkw und leichte Nutzfahrzeuge auf Bundesautobahnen in Deutschland THG-Emissionen in Höhe von rund 30,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Durch die Einführung eines generellen Tempolimits von 120 km/h auf Bundesautobahnen würden die Emissionen um jährlich 2,0 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente reduziert und ein Tempolimit von 100 km/h würde sie um 4,3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr mindern (UBA 2022b). Auch ohne generelles Tempolimit kann jede*r die Fahrgeschwindigkeit reduzieren, das spart nicht nur THG-Emissionen sondern auch Kosten ein (mobile.de 2020). Denn bei hohen Geschwindigkeiten verbrauchen Fahrzeuge überdurchschnittlich viel Kraftstoff. Nach Angaben des ADAC verbraucht ein Mittelklasseauto um bis zu zwei Drittel mehr Kraftstoff, wenn es statt 100 km/h mit 160 km/h fährt (ebd.).
Nutzfahrzeuge: Elektrisch oder mit Brennstoffzellen?
In der gewerblichen Wirtschaft sind die mit fossilen Treibstoffen wie Diesel betriebenen Verbrennungsmotoren ab 3,5 t bis hin zu den üblichen 40 Tonnen und auch die schweren Nutzfahrzeuge (z. B. Abfall-Sammelfahrzeuge, Schwertransporter, Zementmischer) von besonderer Relevanz. Maßgeblich angeschoben wird die Verkehrswende im Schwerlastverkehr durch die EU-Klimaziele, den CO2-Ausstoß von neuen Pkw’s bis 2030 um 37,5 Prozent zu senken und dies bereits in fünf Jahren auch auf schwere Nutzfahrzeuge auszudehnen. Während es im PKW-Bereich fast ausschließlich batteriebetriebene Konzepte sind, kommen im Bereich der Nutzfahrzeuge möglicherweise neben Batterie-angetriebenen Fahrzeugen auch Brennstoffzellen in Betracht. Wie sich dies entwickeln wird, ist noch nicht klar.
Batteriefahrzeuge haben zwei Nachteile. Zum einen den schweren und teils voluminösen Elektrostrang. Zum anderen fehlt bisher gänzlich eine Ladeinfrastruktur für Elektro-LKW’s, so dass diese Langstreckenfahrzeuge nur zwischen zwei definierten Stationen pendeln können, um z. B. beim Abladen erneut geladen zu werden. Alternativ sind jedoch die kleineren Modelle (“7,5-Tonner”), die besonders gut für den innerstädtischen Lieferverkehr geeignet sind. Volvo z. B. bietet seit Mitte 2022 Elektro-LKWs unterschiedlicher Größe an (vgl. Volvo o. J.). Die Volvo-Modelle sind alle für den regionalen Verkehr konstruiert. Der FM Electric hat ein Gesamtzuggewicht von 44 t, eine Leistung von 490 kW, eine Batterieleistung von bis zu 540 kWh (zum Vergleich: Der Hyundai Kona / Midi-SUV hat eine Leistung von 64 kWh) und eine Reichweite von bis zu 390 km (im Sommer). Die Zuladung des Volvo-LKWs beträgt 23 t. Die Vorteile sind der niedrige Geräuschpegel (Anlieferung auch in Nachtstunden) und die Emissionsfreiheit (keine Fahreinschränkungen in städtischen Gebieten mit Emissionsbeschränkungen). Bei Gleichstromladung mit 250 kW ist eine Vollladung in 2,5 h möglich.
Alternativ zum E-LKW gibt es viele Hersteller von Nutzfahrzeugen mit Brennstoffzellen. Um bis zum Jahr 2025 bei schweren Nutzfahrzeugen 15 Prozent CO2-Emissionen und bis 2030 sogar 30 Prozent einzusparen, erscheint die Brennstoffzellentechnologie daher besonders vielversprechend. Denn einerseits sind konventionelle Lkw-Antriebsstränge mit Dieselaggregaten bereits in hohem Maße optimiert und bieten daher nur noch wenig Einsparpotenzial. Andererseits lassen sich bestehende Lösungen zum batterieelektrischen Antrieb von Pkw nicht direkt von Pkw´s auf Lkw´s übertragen, da die benötigte Batterie zu schwer und die Ladezeiten zu lang wären.
Wasserstoffbetriebene Fahrzeuge sind leiser, wartungsärmer und – bei Herstellung des Wasserstoffs aus regenerativen Quellen – CO2-neutral. Umweltzonen und emissionsbedingte Durchfahrtsverbote stellen keine Probleme mehr dar. Zwar sind erste Fahrzeuge bereits auf dem Markt verfügbar, jedoch muss die Entwicklung von Brennstoffzellen bei einer Einführung bis 2025 deutlich beschleunigt werden (KIT 2020).
Gleichwohl ist die Entwicklung von Lkw-Antrieben auf Wasserstoffbasis branchenweit auf einem nie dagewesenen Höchststand. Etablierte Unternehmen, darunter Hersteller wie Hyundai oder Daimler Trucks, aber auch völlig neue Anbieter wie die US-amerikanische Firma Nikola, die in Kooperation mit IVECO und Bosch an der Marktreife von Brennstoffzellen-Lkws feilt, überbieten sich im Rennen um Effizienz, Reichweite und Fortschrittlichkeit. Verwunderlich ist diese Entwicklung angesichts der Vorteile von grünem Wasserstoff nicht: Große Tanks ermöglichen hohe Reichweiten mit einer Tankfüllung. Verschiedene Hersteller arbeiten mit Konzepten, die Reichweiten zwischen 400 und über 1000 Kilometern versprechen. Der Tankprozess ähnelt dabei dem bisherigen Ablauf. Ein Umstellen ganzer Prozesse auf längere Lade- und Standzeiten ist daher nicht nötig. Und Innenstädte, die lärm- und feinstaubbelastet sind, können schon in wenigen Jahren deutlich entlastet werden.
Zwischen Pkw und schweren Nutzfahrzeugen liegen leichte Nutzfahrzeuge bis 3,5 t. Genau die nehmen immer mehr Hersteller als Versuchsballon für den Wasserstoffantrieb mit Brennstoffzelle, meist in Verbindung mit einer Plug-in-Ladelösung. So lässt Stellantis, der Mutterkonzern von Opel, Peugeot und Citroën, in den kommenden zwei Jahren in Rüsselsheim eine Flotte von 2000 Fahrzeugen von Elektro auf Wasserstoff, mit einer Reichweite von 400 km (bfp 2022) umrüsten. Die Brennstoffzellentechnologie wird sich vermutlich nicht im PKW-Segment durchsetzen. Eine Studie des österreichischen Umweltbundesamtes kam schon 2014 mit einer Ökobilanz zum Schluss, dass Elektroantriebe die klimafreundlichsten Antriebe noch vor der Brennstoffzellentechnologie sind (UBA 2014). Neuere Untersuchungen zeigen aber, dass die Brennstoffzellentechnologie mit zunehmender Verbesserung der Herstellung von Wasserstoff sich durchaus im Lastverkehr durchsetzen könnte (Reichweite, Tankzeiten, Temperaturstabilität u. a., vgl. Unwerth 2020).
Energiespeicherung
Eine zentrale Herausforderung bei der Nutzung erneuerbarer Energien ist ihre Fluktuation, denn Solarstrahlung steht nachts nicht zur Verfügung und auch der Wind weht nicht kontinuierlich. Eine ausgeglichene Balance von Stromerzeugung und Stromnachfrage ist aber unabdingbar für die Versorgungssicherheit sowie die Netzstabilität. Um eine gleichmäßige Frequenz im Stromnetz aufrechtzuerhalten, müssen Erzeugung und Nutzung aufeinander abgestimmt werden. Andernfalls muss die Differenz und mögliche Frequenzschwankungen durch die sogenannte Regelenergie ausgeglichen werden. Möglichkeiten dazu sind:
- Abschaltung von EE-Anlagen (geringere Einspeisung)
- Zuschaltung von Speicherkraftwerken (höhere Einspeisung)
- Abschaltung großer Verbraucher (geringere Entnahme)
Die Abschaltung ist aber unökologisch und unwirtschaftlich. Um dies zu vermeiden, bieten sich Energiespeicher an, die bei Bedarf zugeschaltet werden. Diese sind:
- Pumpspeicherkraftwerke: Kostengünstig, nur für gebirgige dünn besiedelte Regionen (z. B. Norwegen, Öst. Alpen), benötigen einen Netzanschluss z. B. durch sehr lange und teure DC-Leitungen z. B. durch die Ost- und Nordsee bei norwegischen Speichern.
- Druckluft: Einfache Technologie, gut nutzbar bei Anbindung an Windkraftanlagen, aber nur begrenztes Speicherpotential und bisher eher ein Forschungsgegenstand.
- Schwungräder: Einfache Technologie, aber hohe Masse des Rades und noch in der Entwicklung.
- Chemisch als Wasserstoff: Elektrolyse von Wasser zur Stromerzeugung, gut erforscht für Kleinanlagen, derzeit erfolgt ein großtechnischer Aufbau, wichtiger Zielkonflikt: Wasserstoff ist auch relevant für die Stahl-, Zement- und chemische Industrie sowie zum Antrieb von LKWs (evt. Flugzeuge), teure Technologie.
- Chemisch als Methan: Elektrolyse von Wasser zur Stromerzeugung, dann Reduktion von CO2 zu Methan (CH4), relevant für Gebäudeheizungen, teure Technologie.
Allen obigen Technologien ist gemeinsam, dass die Umwandlung von Kraft oder innerer Energie immer mit hohen Verlusten aufgrund der Thermodynamik (Wärmeverluste) verbunden ist. Die wichtigste Batterie ist derzeit die Lithium-Ionen-Batterie. (GRS o. J., ISE 2021): Dieser Batterietyp dient sowohl für die Versorgung von Kleingeräten (Mobiltelefone, Tablet, Notebooks, Werkzeuge) als auch für Fahrzeuge und Fahrräder sowie als Hausspeicher (s.a.u.). Batterien im Kleinstbereich und für die Elektromobilität müssen ein geringes Gewicht beim höchsten Energiegehalt haben. Weitere Faktoren sind die Kosten, die Brandsicherheit, die Ladefähigkeit und die Lebensdauer. Die Kathode enthält Kobalt-Oxid (CoO), die Anode besteht aus Graphit. Als Elektrolyt dienen Li-organische Verbindungen. Die Vorteile sind die höchste Energiedichte aller im großen Maßstab produzierten Batterien, kein Memory Effekt und eine gute Zyklenfestigkeit. Die Nachteile sind ein hoher Preis, ein aufwändiges Zellmanagement aufgrund der geringen Größe und damit verbunden mit einer hohen Anzahl von Zellen. Aus Sicht der Nachhaltigkeit ist insbesondere die Gewinnung von Cobalt in Sambia und der Demokratischen Republik Kongo, dem wichtigsten aller Lieferländer, sehr gewichtig, da hier u. a. ein illegaler und umweltzerstörender Abbaus stattfindet (FAZ-net 2022, Save the Children 2022). Lithium ist ein Salz, das in verschiedenen Ländern in Salzseen vorkommt. Der größte Produzent ist Australien (51.000 t) vor Chile (13.000 t; VW o. J.). Hierbei spielt insbesondere die Bereitstellung von Wasser und die Abwasserbehandlung eine wichtige Rolle, da die Gewinnung meist in ariden Regionen stattfindet. Die bekannten Reserven übersteigen derzeit die Bedarfe um ein Vielfaches, weshalb diskutiert wird, ob Lithium ein “knappes” Metall ist oder nicht (ebd.).
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SDG 8 Menschenwürdige Arbeit
“Dauerhaftes, inklusives und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern”
Der Zusammenhang des SDG 8 “Menschenwürdige Arbeit” und der Standardberufsbildposition ist sowohl unmittelbar als auch mittelbar, da die Landwirtschaft in der Tierproduktion einerseits selbst Arbeitsbedingungen definiert und andererseits Teil von langen und stark diversifizierten Wertschöpfungsketten ist. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Standardberufsbildposition zwar den Fokus auf den eigenen Arbeitsbereich legt (3e), aber gleichzeitig auch die Zusammenarbeit bei der nachhaltigen Entwicklung fordert und diese auch adressatengerecht kommuniziert werden soll (§ 5 Absatz 3 Nummer 3, vgl. BGBL 2022):
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Der Bezug zwischen SDG 8 und der Arbeit in der Tierproduktion lässt sich vor allem über das Unterziel 8.5 herstellen:
8.5 Bis 2030 produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle Frauen und Männer, einschließlich junger Menschen und Menschen mit Behinderungen, sowie gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit erreichen
Menschenwürdige Arbeit
Im Mittelpunkt der Tätigkeit von Tierwirte und Tierwirtinnen, wie auch der Tierpfleger und Tierpflegerinnen steht der Umgang mit Tieren, deren Ernährung, Haltung aber auch mit den damit verbundenen Kundenwünsche. Denn Tierwirte und Tierwirtinnen sowie Tierpfleger und Tierpflegerinnen können Arbeitnehmende oder Arbeitgebende und Unternehmer*innen sein. Im Folgenden werden deshalb verschiedene Themen wie Beschäftigungsstandards, Gender Pay Gap, Sorgfaltspflichtengesetz (auch wenn dies bisher nur für große Unternehmen zutrifft) oder Unternehmens- und Personalführung im Hinblick auf die Nachhaltigkeit besprochen.
Selbst wenn die Arbeitsbedingungen der Tierwirte und Tierwirtinnen und Tierpflegern und Tierpflegerinnen in der Tierproduktion fair und regelkonform sind, sollten sie auch die Bedingungen der anderen Akteure in der Wertschöpfungskette kennen. Zwar wurden anlässlich der jüngsten Fleischskandale und vor dem Hintergrund der Corona-Ausbrüche in Schlachthöfen für diesen Teil der Lebensmittelindustrie verbesserte Regeln gestaltet. Diese beziehen sich bspw. auf die Vertragsgestaltung, Entlohnung, Unterbringung und “faire Mobilität” für ausländische Vertragsarbeiter*innen, Absicherung gegen Unfall- und Gesundheitsrisiken sowie verbesserte Kontrollen der Standards von Arbeits- und Tierschutz (BMAS 2020).
Die Sicherstellung dieser Maßnahmen ist jedoch nicht sehr einfach, es bedurfte und bedarf einer Vielzahl von Gesetzesinitiativen (z. B. das Arbeitsschutzkontrollgesetz, vgl. Schulten und Specht 2021) sowie der Umsetzung auf Landes- und kommunaler Ebene (wo die Kontrollfunktion beim Ordnungsamt angesiedelt ist). Es muss sichergestellt werden, dass diese Maßnahmen auch dauerhaft umgesetzt werden. Zum anderen gilt es entsprechende Standards auf die gesamte Land- und Ernährungswirtschaft auszudehnen, denn die Fleischwirtschaft repräsentiert nur die Spitze des Eisbergs bei problematischen Arbeitsbedingungen, hat hier kein Alleinstellungsmerkmal.
Menschenwürdige Arbeit
Menschenwürdige Arbeit in Deutschland bedeutet vor allem Arbeit, die sich zumindest an internationalen Standards orientiert. Formuliert sind diese in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Vereinte Nationen 1948; UN-Charta, Artikel 23 und 24, zitiert nach DGB o. J.):
- Jeder hat das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl, auf gerechte und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie auf Schutz vor Arbeitslosigkeit.
- Jeder, ohne Unterschied, hat das Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit.
- Jeder, der arbeitet, hat das Recht auf gerechte und befriedigende Entlohnung, die ihm und seiner Familie eine der menschlichen Würde entsprechende Existenz sichert, gegebenenfalls ergänzt durch andere soziale Schutzmaßnahmen.
- Jeder hat das Recht, zum Schutze seiner Interessen Gewerkschaften zu bilden und solchen beizutreten.
Als “menschenunwürdige Arbeit” werden Kinderarbeit, Sklavenarbeit und teilweise Leiharbeit bezeichnet sowie Merkmale bei den Beschäftigungsverhältnissen, die sich nicht an den o.g. Regelwerken orientieren, wie “fehlende soziale Sicherheit”, “mangelnder Arbeitsschutz”, “Ausnutzung von Scheinselbstständigen” und “Ungleichbehandlung von Frauen”.
Saisonarbeit
Alle bei einem in Deutschland ansässigen Unternehmen befristet angestellte Arbeitnehmer: innen aus anderen Ländern werden als Saisonarbeiter bezeichnet. Laut Definition in den relevanten Vorschriften üben sie eine Tätigkeit aus die “aufgrund eines immer wiederkehrenden saisonbedingten Ereignisses oder einer immer wiederkehrenden Abfolge saisonbedingter Ereignisse an eine Jahreszeit gebunden sind, während der Bedarf an Arbeitskräften den für gewöhnlich durchgeführte Tätigkeiten erforderlichen Bedarf in erheblichem Maße übersteigt” (Zoll 2022). Folgende Bereiche setzen Saisonarbeitskräfte ein:
- Tourismus: Gaststätten, Hotels für Kellner: innen, Küchenpersonal, Zimmerservice und in Betrieben, die nicht ganzjährig geöffnet sind, wie Biergärten und Skihütten, oder auch zur Abdeckung von Arbeitsspitzen in Ausflugslokalen.
- Schaustellergewerbe auf Volksfesten, Jahrmärkten etc.
- In der Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau (Erntehilfen in Sonderkulturbetrieben wie Obst-, Gemüse- oder Weinbau).
DGB Index Gute Arbeit
Die Qualität von Arbeitsbedingungen wird seit 2012 aufgrund von 42 standardisierten Fragen in einer bundesweiten repräsentativen Erhebung ermittelt (DGB 2022). Elf Kriterien der Arbeitsqualität werden abgefragt. Im November 2022 wurde der DGB-Index Gute Arbeit 2022 veröffentlicht. Wie schon in den vorangegangenen Jahren gibt es zu den Kriterien „Arbeitsintensität“ und „Einkommen“ erheblich kritische Bewertungen.
Der Index 2022 zeigt z. B. für die Branchen „Metallerzeugung und –bearbeitung“ (64), „Ver- und Entsorgung“ (69), „Baugewerbe“ (66), „Gastgewerbe“ (62), „Information und Kommunikation“ (69), „Finanz- und Versicherungsdienstleistungen“ (68) und „Gesundheitswesen“ (62) auf, dass die Arbeitsbedingungen noch weit entfernt sind vom Anspruch „Gute Arbeit“.
In der ausführlichen Debatte über die Detailergebnisse für 2022 sticht hervor, dass Beschäftigte in Leiharbeitsverhältnissen ihre Situation auffällig schlecht bewerten (ebd.).
„Auf Branchenebene kommen Beschäftigte aus dem Gastgewerbe und dem Gesundheitswesen auf die niedrigsten Indexwerte (jeweils 62 Punkte). In der Informations- und Kommunikationsbranche (IuK) liegt der Wert dagegen bei 69 Punkten. Auch in den Branchen treten auf Ebene der Teilindizes zum Teil sehr große Unterschiede zutage. Beim Teilindex „Ressourcen“ kommen IuK-Beschäftigte auf 75 Indexpunkte, Arbeitnehmer*innen aus der Metallerzeugung und -bearbeitung dagegen lediglich auf 68 Punkte. Die höchsten Belastungen finden sich im Bereich Erziehung und Unterricht (54 Punkte) sowie im Gesundheitswesen (56 Punkte), wo häufig sowohl physische als auch psychische Belastungsfaktoren auftreten. Die größte Diskrepanz auf Branchenebene zeigt sich bei der Bewertung von „Einkommen und Sicherheit“. Hier liegen die Befragten aus dem Gastgewerbe mit 54 Punkten um 16 Punkte unter dem Wert der Beschäftigten aus der öffentlichen Verwaltung (70 Punkte).“ (a.a.O., S. 13)
Darüber hinaus zeigt der Blick in einzelne Branchen und Berufsgruppen, dass noch immer körperliche Belastungen in vielen Bereichen sehr verbreitet sind (ebd.:S. 19).
Einen wesentlichen Einfluss auf die Bewertung der eigenen Arbeitsbedingungen haben die Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten im Arbeitskontext. Im Zusammenhang mit nachhaltiger Entwicklung ist das Kriterium „Sinn der Arbeit“ eine wesentliche Ressource zur Beurteilung der eigenen Arbeitsbedingungen. Dazu führt der Bericht „Index Gute Arbeit 2022“ aus: „Der Sinngehalt von Arbeit ist eine Ressource, die sich aus unterschiedlichen Quellen speisen kann. Dazu gehört, dass die Produkte bzw. Dienstleistungen, die produziert oder erbracht werden, als nützlich erachtet werden. Häufig ist dies mit der Einschätzung verbunden, ob die Arbeit einen gesellschaftlichen Mehrwert erzeugt. Sinnhaftigkeit kann dadurch entstehen, dass die Arbeit einen Nutzen für Andere hat. Und wichtig für Sinnempfinden ist auch, dass die eigenen, ganz konkreten Arbeitsaufgaben und -merkmale nicht sinnlos erscheinen. Wird Arbeit als sinnvoll empfunden, wirkt sich das positiv auf die Motivation und das Wohlbefinden der Beschäftigten aus. Dauerhaft einer als sinnlos erachteten Arbeit nachzugehen, stellt dagegen eine mögliche psychische Belastung und damit ein gesundheitliches Risiko dar.
BDA - Die Arbeitgeber
Die Arbeitgeber argumentieren mit positiven Statistiken, dass die Arbeitsbedingungen in Deutschland sehr gut sind (BDA o. J.). So sind laut der European Working survey 89 Prozent der in Deutschland Beschäftigten mit ihrem Job zufrieden, 74 Prozent gaben in der Befragung an, dass ihnen ihr Job Spaß macht und 91 Prozent bestätigen einen fairen Umgang am Arbeitsplatz (Eurofond 2021, BDA o. J.). Auch hinsichtlich der Arbeitssicherheit ist die Entwicklung positiv: Sowohl die Arbeitsunfälle, als auch die Unfallquote hat sich seit 1991 halbiert (BDA o. J.). Diese befinden sich seit 2004 unter 1 Mio. und bewegen sich seitdem zwischen 954.000 und 760.000 gemeldeten Fällen (Statista 2021).
Außerdem wird auf die Prävention und den Gesundheitsschutz hingewiesen, für den 2016 ca. 5 Mrd. € ausgegeben wurden, was 40 Prozent der gesamten Ausgaben von 11,7 Mrd. € ausmacht (BDA o. J.). Die betriebliche Gesundheitsförderung, wie Stressmanagement, gesundheitsgerechte Mitarbeiterführung oder Reduktion der körperlichen Belastung kommt dabei sowohl den Beschäftigten als auch den Arbeitgebern zugute. Zuletzt wird noch auf die Eigenverantwortung hingewiesen, die aus selbstverantwortlichen Entscheidungen und flexibleren Arbeitszeiten resultiert.
Prekäre Beschäftigungsverhältnisse
Menschen arbeiten auch in Deutschland teilweise in prekären Beschäftigungsverhältnissen und die “Bedeutung des sogenannten Normalarbeitsverhältnisses nimmt ab, während atypische Formen von Arbeit an Bedeutung zunehmen” (Jakob 2016). Dazu zählen befristete Arbeitsverträge, geringfügige Beschäftigung, Zeitarbeit, (Ketten-)Werkverträge und verschiedene Formen der (Schein-)Selbstständigkeit oder auch Praktika. Durch die Agenda 2010 wurde das Sicherungsniveau für von Arbeitslosigkeit Betroffene deutlich gesenkt (Arbeitslosengeld I in der Regel nur für ein Jahr, danach Arbeitslosengeld II). Menschen sehen sich eher gezwungen, “jede Arbeit zu fast jedem Preis und zu jeder Bedingung anzunehmen. Das hat dazu geführt, dass die Löhne im unteren Einkommensbereich stark gesunken sind” (Jakob 2016). 2015 wurde mit der Einführung des Mindestlohns dagegen gesteuert.
Das Thema betrifft auch das SDG 10 “Ungleichheit”, denn jeder Mensch hat das Recht auf faire und gute Arbeitsverhältnisse, dies ist vielen Menschen jedoch verwehrt. Prekäre Beschäftigung widerspricht dem Leitbild von ”Guter Arbeit“, verbaut Entwicklungsmöglichkeiten von Beschäftigten und verstärkt nachweislich den Trend zu psychischen Belastungen und Erkrankungen sowie deren Folgewirkungen (Jakob 2016) (siehe auch SDG “Gesundheit”) .
Kinderarbeit
Zur Definition und Umsetzung von menschenwürdigen Arbeitsbedingungen sind global große Unterschiede zu verzeichnen. Ein Beispiel hierfür ist die Kinderarbeit, die weltweit noch immer verbreitet ist. 79 Millionen Kinder arbeiten unter ausbeuterischen Bedingungen, vor allem in Fabriken, die wenig qualifiziertes Personal benötigen oder in der Landwirtschaft sowie im Bergbau (BMZ 2021 und 2022). Nach Angaben der ILO müssen weltweit rund 152 Millionen Kinder zwischen fünf und siebzehn Jahren arbeiten, vor allem in der Landwirtschaft, als Hausangestellte oder in Minen. Viele dieser Tätigkeiten sind gesundheitsgefährdend. Die ILO setzt sich schon lange für die Abschaffung von Kinderarbeit ein, sie ist Partnerorganisation in der „Allianz 8.7“, einer globalen Partnerschaft, die sich zum Ziel gesetzt hat, Zwangsarbeit, moderne Sklaverei, Menschenhandel und Kinderarbeit weltweit zu beseitigen, wie es in den Zielen für nachhaltige Entwicklung 2030 formuliert wurde. (ILO 2021) Unter Mitwirkung der deutschen Bundesregierung wird seit 1992 ein von der ILO betriebenes Internationales Programm zur Abschaffung der Kinderarbeit umgesetzt (International Programme on the Elimination of Child Labour, IPEC, BMZ 2022)
Arbeitsschutz, Gesundheit und Gute Arbeit
Im Bereich “Gesundheit” und “Gute Arbeit” sind durch die Folgen des Klimawandels wesentliche neue Herausforderungen sowohl für die Arbeitskräfte als auch für die Gesellschaft festzustellen. Bei Bauarbeiten im Freien sind alle Arbeitenden durch Extremwetterereignisse wie hohe Temperaturen und lang anhaltende Hitzewellen, oder auch Starkregenereignisse, mit diesen neuen Herausforderungen direkt konfrontiert.
Gender Pay Gap
Unterschiedliche Entlohnung für vergleichbare Tätigkeiten und Qualifikation für Frauen und Männer lassen sich durch die statistischen Erhebungen des Statistischen Bundesamtes aufzeigen. In einer Pressemitteilung vom März 2022 wird betont, dass Frauen pro Stunde noch immer 18 Prozent weniger verdienen als Männer: „Frauen haben im Jahr 2021 in Deutschland pro Stunde durchschnittlich 18 Prozent weniger verdient als Männer. Damit blieb der Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern – der unbereinigte Gender Pay Gap– im Vergleich zum Vorjahr unverändert. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis 2022) anlässlich des Equal Pay Day am 7. März 2022 weiter mitteilt, erhielten Frauen mit durchschnittlich 19,12 Euro einen um 4,08 Euro geringeren Bruttostundenverdienst als Männer (23,20 Euro).Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 16.02.2023 müssen Frauen bei gleicher Arbeit auch gleich bezahlt werden, eine individuelle Aushandlung der Lohn- oder Gehaltshöhe ist damit nicht wirksam (Zeit Online 2023).
Deutsches Sorgfaltspflichtengesetz
Um ihrer Verantwortung zum Schutz der Menschenrechte gerecht zu werden, setzt die Bundesregierung die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen mit dem Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte von 2016 (Nationaler Aktionsplan, Bundesregierung 2017; 2021; 2022) in der Bundesrepublik Deutschland mit einem Gesetz um. Das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten ist besser unter dem Namen Lieferkettengesetz oder auch Sorgfaltspflichtengesetz bekannt (BMAS 2022, o. a. “Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz”). Dort ist die Erwartung an Unternehmen formuliert, mit Bezug auf ihre Größe, Branche und Position in der Lieferkette in angemessener Weise die menschenrechtlichen Risiken in ihren Liefer- und Wertschöpfungsketten zu ermitteln, ihnen zu begegnen, darüber zu berichten und Beschwerdeverfahren zu ermöglichen.
Das Lieferkettengesetz tritt 2023 in Kraft und gilt dann zunächst für Unternehmen mit mehr als 3.000, ab 2024 mit mehr als 1.000 Angestellten. Es verpflichtet die Unternehmen, in ihren Lieferketten menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in angemessener Weise zu beachten. Kleine und mittlere Unternehmen werden nicht direkt belastet. Allerdings können diese dann betroffen sein, wenn sie Teil der Lieferkette großer Unternehmen sind.
Unabhängig ob betroffen oder nicht: Es lohnt sich auch für kleinere Unternehmen, sich mit dem Gesetz adressierten Nachhaltigkeitsthemen auseinanderzusetzen, um das eigene Handeln entlang dieser Leitplanken zu überprüfen. Der Nachhaltigkeitsbezug ist unter anderem durch den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) gegeben, er gab einen wichtigen Impuls für das Gesetz. Der NAP wurde gemeinsam von Politik und Unternehmen verabschiedet, um zu einer sozial gerechteren Globalisierung beizutragen (Bundesregierung 2017). Ergebnisse einer 2020 im Rahmen des Nationalen Aktionsplans durchgeführten repräsentativen Untersuchungen zeigten jedoch, dass lediglich zwischen 13 und 17 Prozent der befragten Unternehmen die Anforderungen des Nationalen Aktionsplans erfüllen (VENRO 2021). Der gesetzgeberische Impuls war also erforderlich, um die Einhaltung der Menschenrechte zu fördern und damit auch zu einem fairen Wettbewerb zwischen konkurrierenden Unternehmen beizutragen.
Das Lieferkettengesetz rückt internationale Menschenrechtsabkommen und lieferkettentypische Risiken in den Blick: Dazu zählen bspw. das Verbot von Kinderarbeit, der Schutz vor Sklaverei und Zwangsarbeit, die Vorenthaltung eines gerechten Lohns, der Schutz vor widerrechtlichem Landentzug oder der Arbeitsschutz und damit zusammenhängende Gesundheitsgefahren. Es werden zudem internationale Umweltabkommen benannt. Sie adressieren die Problembereiche Quecksilber, persistente organische Schadstoffe und die grenzüberschreitende Verbringung gefährlicher Abfälle und ihre Entsorgung. Zu den jetzt gesetzlich geregelten Sorgfaltspflichten der Unternehmen gehören Aufgaben wie die Durchführung einer Risikoanalyse, die Verankerung von Präventionsmaßnahmen und das sofortige Ergreifen von Abhilfemaßnahmen bei festgestellten Rechtsverstößen. Die neuen Pflichten der Unternehmen sind nach den tatsächlichen Einflussmöglichkeiten abgestuft, je nachdem, ob es sich um den eigenen Geschäftsbereich, einen direkten Vertragspartner oder einen mittelbaren Zulieferer handelt. Bei Verstößen kann die zuständige Aufsichtsbehörde Bußgelder verhängen. Unternehmen können von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden.
Unternehmensführung
Nachhaltige Unternehmensführung stellt einen integrativen und holistischen Managementansatz dar, der auf die Berücksichtigung und das Management der Nachhaltigkeit im und durch das Unternehmen fokussiert ist. Dabei werden die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit berücksichtigt:
- Die Ökonomie (Sach- und Finanzkapital)
- die Ökologie (natürliche Ressourcen)
- das Soziale (Humankapital).
5 Grundsätze der Nachhaltigkeit in der Unternehmensführung existieren nach Günther und Ruter (2015):
- Ziel: langfristige Erhaltung des Unternehmens
- Umsetzung der Nachhaltigkeit im strategischen und operativen Geschäft
- Bildung eigener Indikatoren der nachhaltigen Unternehmensführung
- Erfolg der nachhaltigen Unternehmensführung durch Orientierung an Werten und Regeltreue
- Umsetzung der Basisprinzipien nachhaltiger Unternehmensführung: Solidarität, Transparenz und Risikomanagement (öko-Institut o. J.).
Wer seinen Betrieb nachhaltig aufstellen will, hat den Blick nach außen und nach innen zu richten. Der Blick nach außen bezieht sich auf die Gesellschaft und die Umwelt. Der Blick nach innen bezieht sich auf die ressourcen-orientierte Ökonomie und Ökologie, d. h. die Bereiche Beschaffung, Produktion, Absatz und Marketing so zu gestalten, dass die Umwelt geschützt und der Verbrauch von Ressourcen frei nach dem Prinzip so wenig wie möglich, so viel wie nötig, minimiert werden. Kosten für Umweltauswirkungen werden berechnet und in die Preisbildung mit einbezogen. Weiterhin gehören zu dem Blick nach innen die Mitarbeiter*innen.
Es gibt eine Reihe Gemeinwohl-orientierter Wirtschaftsansätze. Dazu zählt die Gemeinwohl-Ökonomie, entwickelt von Christian Felber (ebd. 2015). Dabei basiert das Unternehmen auf gemeinwohl-fördernden Werten wie Kooperation statt auf Konkurrenz und Gewinnmaximierung. Vertrauen, Verantwortung, Teilen und Solidarität sollen gefördert werden. Die Basis des Modells ist die Gemeinwohl-Bilanz, die den unternehmerischen Erfolg nicht nur aus dem monetären Gewinn ableitet (wie in konventionellen Bilanzen), sondern aus den positiven wie negativen Folgen eines Unternehmens für Gesellschaft, Umwelt und Volkswirtschaft. Es geht um das Messen der Punkte, “die wirklich zählen“. Im Vergleich zum jetzigen Wirtschaften seien das sozialer, ökologischer, demokratischer, solidarischer (ebd.).
Personalführung
Nachhaltige Führung baut auf dem Erhalt der Arbeitsfähigkeit (Können) und der Motivation (Wollen) der Mitarbeiter:innen auf (Gabler o. J., BMBF 2017). Es geht um die Nutzung der Ressourcen bei Erhalt der Arbeitsfähigkeit. Um letztere zu erhalten, kann und sollte der Arbeitgeber in verschiedene Bereiche investieren, z. B. in Weiterbildung, Kommunikationstrainings, Maßnahmen zur Gesundheitsfürsorge und ergonomische Arbeitsmittel. Auch flexible Arbeitszeiten können Stress reduzieren. Qualifizierte Mitarbeiter:innen können besser zum betriebswirtschaftlichen Unternehmenserfolg beitragen.
Die Motivation der Mitarbeiter:innen ist genauso wichtig wie die Arbeitsfähigkeit. Nachhaltig agierende Unternehmenslenker:innen und Vorgesetzte erhalten die Motivation ihrer Mitarbeiter:innen, indem sie daran glauben, dass Menschen von innen motiviert sind und einen sinnvollen Beitrag leisten wollen, indem sie ihnen mit ehrlichem Interesse begegnen und angemessenen Lohn zahlen. Wird Mitarbeiter:innen zusätzlich zum angemessenen Lohn und Lob auch Anerkennung in Form von Dank entgegengebracht, können sie das positive Menschenbild noch verstärken. Gesteigert wird die Anerkennung, wenn der Dank individuell und verbal begründet wird. Mitarbeiter:innen können so ihre Arbeit als sinnvoll erleben und motiviert bleiben, denn sie haben das Gefühl, zum Unternehmenserfolg beitragen zu können. Ein positiver Trend und relativer Vorteil bei der Einkommenssituation lässt sich im Ökolandbau – im Verhältnis zu konventionellen Betrieben – beobachten (BMEL 2023, S. 15).
Quellenverzeichnis
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BMEL Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2023): Ökologischer Landbau in Deutschland. Stand: Februar 2023. https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/OekolandbauDeutschland.pdf?__blob=publicationFile&v=4
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UBA Umweltbundesamt (2014):Ökobilanz Alternativer Antriebe – Elektrofahrzeuge im Vergleich. Online: www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/publikationen/rep0440.pdf
VENRO Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (2021): Vier Jahre Nationaler Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP). Online: https://venro.org/publikationen/detail/vier-jahre-nationaler-aktionsplan-wirtschaft-und-menschenrechte-nap
Vereinte Nationen (1948): Resolution der Generalversammlung 217 A (III). Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Online: https://www.un.org/depts/german/menschenrechte/aemr.pdf
Vereinte Nationen 2015: Resolution der Generalversammlung „Transformation unserer Welt: die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“. Online: https://www.un.org/depts/german/gv-70/band1/ar70001.pdf
Volvo (o. J.): Elektro-Lkw von Volvo Trucks. https://www.volvotrucks.de/de-de/trucks/alternative-antriebe/elektro-lkw.html
Welthungerhilfe (2020): Indien hält bei der Kinderarbeit den traurigen Spitzenplatz. Online: www.welthungerhilfe.de/welternaehrung/rubriken/wirtschaft-menschenrechte/indien-haelt-bei-kinderarbeit-den-traurigen-spitzenplatz
Zeit Online (2023): Lohnunterschiede bei gleicher Arbeit rechtswidrig. Online: www.zeit.de/arbeit/2023-02/lohngleichheit-bundesarbeitsgericht-frauen-urteil-diskriminierung?
Zoll 2022: Verpflegung und Unterkunft für Saisonarbeitskräfte. Online: https://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Arbeit/Mindestarbeitsbedingungen/Mindestlohn-Mindestlohngesetz/Berechnung-Zahlung-Mindestlohns/Verpflegung-Unterkunft-Saisonarbeitskraefte/verpflegung-unterkunft-saisonarbeitskraefte_node.html
SDG 12 Nachhaltige/r Konsum und Produktion
“Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen”
Dieses SDG 12 zielt auf die nachhaltige Nutzung der Ressourcen ab. Ressourcen sind alle Stoffe der Natur (Mineralien und Metalle, biotische Ressourcen wie Holz oder Baumwolle), aber auch Luft, Wasser und Boden. In der Tierproduktion betrifft das neben der Haltung und dem Umgang mit Energie, den Futtermittel- und Wassereinsatz für Eier-, Fleisch- und Milchproduktion und den Umgang mit den Tierexkrementen.
Für die Tierproduktion sind aufgrund ihrer Abhängigkeit von der Ressourcennutzung folgende Unterziele relevant:
12.2 Bis 2030 die nachhaltige Bewirtschaftung und effiziente Nutzung der natürlichen Ressourcen erreichen
12.3 Bis 2030 die weltweite Nahrungsmittelverschwendung pro Kopf auf Einzelhandels- und Verbraucherebene halbieren und die entlang der Produktions- und Lieferkette entstehenden Nahrungsmittelverluste einschließlich Nachernteverlusten verringern
12.5 Bis 2030 das Abfallaufkommen durch Vermeidung, Verminderung, Wiederverwertung und Wiederverwendung deutlich verringern
12.8 Bis 2030 sicherstellen, dass die Menschen überall über einschlägige Informationen und das Bewusstsein für nachhaltige Entwicklung und eine Lebensweise in Harmonie mit der Natur verfügen
Für die Tierpflege sind aufgrund ihrer Abhängigkeit von der Ressourcennutzung folgende Unterziele relevant:
12.2 Bis 2030 die nachhaltige Bewirtschaftung und effiziente Nutzung der natürlichen Ressourcen erreichen
12.8 Bis 2030 sicherstellen, dass die Menschen überall über einschlägige Informationen und das Bewusstsein für nachhaltige Entwicklung und eine Lebensweise in Harmonie mit der Natur verfügen
SDG 12, Tierwirt*innen und Tierpfleger*innen
Das SDG 12 betrifft alle Kenntnisse und Fähigkeiten der Standardberufsbildposition für beide Berufsbilder. Hierbei geht es vor allem um das Zusammenwirken mit den Kunden und Kundinnen in der Lieferkette, dem Groß- und Einzelhandel. Die Verantwortung beinhaltet Entscheidungen darüber wie die Futtermittel für die Tiere im Betrieb verwendet (nicht verschwendet) werden. Tierwirt:innen können im Kontakt mit den abnehmenden Betrieben (bspw. Systemgastronomie, Einzelhandel, verarbeitende Betriebe usw.)auch beeinflussen, wie ihre Produkte, meist Nahrungsmittel, verwendet werden (s.u.). Bei einer direkten Vermarktung sollte es diesbezüglich deshalb auch ein Zusammenwirkungen der Tierwirt*innen mit den Konsument:innen geben. Weitere Themen sind die nachhaltige Entwicklung von Unternehmen, nachhaltige Beschaffung der Futtermittel und Bewirtschaftung der Exkremente sowie der umweltverträgliche Umgang mit Chemikalien.
Beide Berufsbilder können viele Verantwortungsbereiche haben: die Bestellung von Futtermitteln, die Bewirtschaftung der Exkremente, die Umsetzung der Haltungsformen und die Nutzung von Technik. In all diesen Bereichen können sie den Energieeinsatz und somit auch die THG-Emissionen beeinflussen. Durch nachhaltige Beschaffung bei der Auswahl der Materialien für die alltäglichen Arbeiten und bei der Anschaffung von Geräten und Maschinen kann viel erreicht werden.
Für die Tierwirt:innen und Tierpflegr:innen sind das neben den Massenfuttermitteln u. a.
- Arbeitsbekleidung
- Desinfektionsmittel
- Einstreu (wenn nötig)
- IKT zur Datenerfassung
- Reinigungsgeräte
- Reinigungsmittel
- Transportbehälter
- Transportmittel
- Waagen u.v.a.m.
Eine Bestimmung der Nachhaltigkeit der produzierten Lebensmitteln ist durch verschiedene Methoden möglich, allerdings ersetzt diese nicht die Abwägung zwischen den drei Dimensionen.
Am Besten ist bisher die Umweltdimension zu fassen mit Hilfe von Ökobilanzen. Diese trifft eindeutige Aussagen wie verschiedene Studien am Beispiel der Produktion von Milch und Rindfleisch zeigen:
- Milch: Eine Weidehaltung ist für die Umwelt besser als die ausschließliche Stallhaltung (UBA 2021).
- Ökologische Milchproduktion: Öko-Betriebe produzieren Milch fast immer umweltfreundlicher als konventionelle Betriebe (UBA 2021).
- Die THG-Emissionen des Rindfleisches liegen mit fast 13 kg CO2-Äq um das Vierfache höher als wenn pflanzliches Eiweiß verwendet wird (Scharp 2019, ifeu 2020).
- Der Anbau von Soja in Brasilien als Viehfutter führt zu einer Vernichtung des tropischen Regenwaldes, der eine sehr große Bedeutung für das Weltklima und die Biodiversität hat (oro verde o. J.)
Eine Nachhaltigkeitsbewertung muss aber auch die soziale und die ökonomische Dimension beachten. Hierbei können folgende – beispielhafte – Argumente zur Bewertung herangezogen werden:
- Ökonomische Dimension
- Der Umsatz der deutschen Fleischindustrie betrug 2020 rund 40 Mrd. Euro (DWN 2022)
- Die Produktion von Fleisch und Milch ist ein wichtiger ökonomischer Pfeiler in vielen ländlichen Regionen – das Einkommen der Landwirte trägt zur regionalen Wertschöpfung und zur Nachfrage an vor- und nachgelagerten Arbeitskräften bei
- Die Umstellung zu alternativen Haltungsformen und regional angebauten Biofuttermitteln erweitert den Kreis potenzieller Kund:innen in höheren Preissegmenten.
- Soziale Dimension
- Die Anzahl der Milcherzeuger geht stetig zurück – in 2022 gab es nur noch 53.700 Milchviehhalter (MIV 2022). Es ist eine Konzentration auf Großbetriebe zu beobachten. Damit verschwindet ein “Kulturgut” insbesondere in den ländliche Regionen
- Milch und Fleisch werden in der Bevölkerung als “Grundnahrungsmittel” angesehen. Eine Verteuerung der Produkte führt zur Belastung oder zum Ausschluss einkommensarmer Schichten
- Die kleinbäuerliche Milchviehhaltung trägt zum Gemeinwohl in der Region bei (Betriebe als Lernorte für Schulen oder Hofläden)
- Ökologische Dimension
- Klimaschutz ist ausschließlich mit alternativen Haltungs- und Produktionsformen möglich.
- Auch das Tierwohl kann nur durch alternative Haltungs- und Produktionsformen gewährleistet werden. In der industriellen Viehwirtschaft (ausschließliche Stallhaltung und Maximierung des Milchertrages) kann das Tierwohl nicht gewahrt werden.
Problematisch ist eigentlich nur die Bewertung, denn jede Bewertung muss an einem Maßstab erfolgen. Aufgrund der Dreidimensionalität der Nachhaltigkeit kann man nicht nur einen Maßstab wählen. Denkbar wären:
- Ökologische Dimension: Klimaschutz, Tierwohl
- Soziale Dimension: Kostengünstige Produktion von Fleisch und Milch
- Ökonomische Dimension: Regionale Wertschöpfung
Insgesamt ist eine Nachhaltigkeitsbewertung äußerst komplex. Da Nachhaltigkeit ein Weg ist, den es zu beschreiten gilt, sind partizipative Ansätze am besten geeignet. Diese ermöglichen eine Diskussion von Handlungsansätzen und Zielstellungen unter Berücksichtigung der lokalen und regionalen Gegebenheiten ohne ein Ergebnis vorzugeben, da die unterschiedlichen Stakeholder ihre Bewertungsmaßstäbe miteinander diskutieren und aushandeln müssen.
Tierwohl
Als Tierwohl werden gemeinhin Bedingungen verstanden, die den jeweiligen Tieren erlauben, sich artgerecht zu verhalten. Im beruflichen Kontext von Tierwirt:innen und Tierpfleger:innen werden die Fragen, wie sie Tiere ihrer Art entsprechend halten und behandeln können, derzeit noch sehr unterschiedlich beantwortet. So enthalten weder die Ausbildungsordnung noch der Rahmenlehrplan für die Tierwirt:innen Hinweise darauf, dass das Wohl von Tieren zu den Aspekten der beruflichen Tätigkeiten gehört, obwohl sie für deren Gesundheit verantwortlich sind. Dagegen finden sich in dem RLP für Tierpfleger:innen Lernzielformulierung, das Wohl von Tieren betreffend:
- “Sie können Tierunterkünfte säubern und artgerecht ausstatten und stellen damit das Wohlbefinden der Tiere sicher. …
- Sie schließen aus dem Verhalten dieser Tiere auf deren Wohlbefinden bzw. Gesundheitszustand. …
- Dabei überwachen sie die Entwicklung und das Wohlbefinden der Jungtiere. …
- Bei der Versuchsdurchführung berücksichtigen sie Faktoren, die das Wohlbefinden des Tieres beeinträchtigen können. …
- Unter Beachtung des Platz- und Raumbedarfs sind sie in der Lage, erforderliche Raumgrößen zu berechnen, die Strukturierung der Tierunterkünfte zu planen, um damit das Wohlbefinden der Tiere sicherzustellen.” (KMK 2003)
Gesellschaftlich wird das Thema Tierwohl zunehmend diskutiert. Die Bedingungen in der intensiven Nutztierhaltung werden sowohl bezüglich der Haltungssysteme als auch in Hinblick auf die Züchtung aus Tierschutzgründen kritisiert. Diese Kritik kommt sowohl von Seiten der Gesellschaft als auch von Seiten der Wissenschaft. Das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung stellt fest: „ [Es] …. verschärft sich der Diskurs um das Tierwohlniveau in den intensiven Haltungsverfahren und ist zunehmend zu einem grundsätzlichen Akzeptanzproblem für den Sektor geworden.“ (Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung 2020, S. 3) Im Zentrum der Kritik stehen die reizarmen und beengten Ställe und Haltungssysteme (z. B. Kastenstände für Sauen), das Durchführen von sogenannten nicht kurativen Eingriffen (z. B. Ferkelkastration, Enthornen von Rindern) sowie die gesundheitlichen Schäden, die durch die auf Leistung fokussierte Züchtung und Fütterung entstehen.
Das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung stellt fest, dass ein erheblicher Handlungsbedarf zur Verbesserung des Tierwohls besteht. Auch weitere Experten-Gremien kommen zu dem Schluss, dass die Tierhaltung in der Landwirtschaft sowohl aus Gründen der Nachhaltigkeit, als auch aus Tierschutzsicht dringender Änderungen bedarf (ZKL 2021, WBA 2015). Dabei steht das Tierwohl im Kontext mit anderen ökologischen und sozialen Zielen einer nachhaltigen Landwirtschaft. So sind industrielle Haltungsbedingungen nicht nur aus Perspektive des Tierwohls problematisch, sondern sie sind bspw. mit dem Problem des hohen Antibiotikaeinsatzes verknüpft sowie mit Nutzungskonkurrenzen um landwirtschaftliche Flächen (Futtermittelanbau versus Pflanzenbau für die menschliche Ernährung). Das Kompetenznetzwerk empfiehlt dem BMEL, den Umbau der Nutztierhaltung im Rahmen einer langfristigen Transformationsstrategie zu unterstützen und skizziert in seinen Empfehlungen einen Weg zu einer nachhaltigeren und gesellschaftlich breiter akzeptierten landwirtschaftlichen Tierhaltung.
Die Forderungen und Empfehlungen der verschiedenen Experten-Gremien sind vom BMEL durch verschiedene Maßnahmen aufgenommen worden. Durch das Bundesprogramm Nutztierhaltung werden Aktivitäten und wissenschaftliche Projekte zur Verbesserung des Tierwohls und zur Verminderung schädlicher Umweltwirkungen gefördert und gebündelt (BLE 2023). Des Weiteren entwickelt das BMEL ein staatliches Tierwohlkennzeichen (BMEL o. J. a). Es soll den Verbrauchern verlässliche Informationen darüber geben, woher die Tiere stammen, deren Produkte sie kaufen und wie sie gehalten wurden. Für die Erzeuger soll das Kennzeichen die Möglichkeit bieten, ihre Leistungen in Bezug auf das Tierwohl transparent darzustellen und als Verkaufsargument zu nutzen. Die Anforderungen sollen neben den Haltungsformen weitere Kriterien umfassen: Platz für die Tiere, Beschäftigungsmöglichkeiten, die Strukturierung der Buchten/ des Stalls, die Tiergesundheit und die Dauer des Transports.
Ein erster Schritt der Bundesregierung ist derzeit die Einführung einer Tierhaltungskennzeichnung (BMEL o. J. b). Die Kennzeichnung soll verbindlich für alle Fleischprodukte sein. Zusätzlich sollen Anreize für Landwirte gesetzt werden, ihre Ställe im Sinne eines höheren Tierwohls umzubauen. Beispielsweise sollen im Rahmen der Investitionsförderung das Tierwohl erhöhende Investitionen besonders unterstützt werden. Darüber hinaus erhalten Landwirte für den tiergerechten Umbau ihrer Ställe eine finanzielle Förderung. Das Label unterscheidet zwischen fünf verschiedenen Haltungsformen (Beispiel Schweinehaltung; ebd. sowie BMEL 2023):
- Haltungsform Stall (gesetzliche Mindestanforderungen, 1,5 bis 2,2 qm je nach Gewicht)
- Haltungsform Stall + Platz (12,5% mehr Platz, d.h. bis 150 kg statt 1,5 qm nun ca. 1,7 qm)
- Haltungsform Frischluftstall (Zugang der Tiere zu unterschiedlichen Klimabereichen)
- Haltungsform Auslauf/ Freiland (ganztägiger Auslauf möglich)
- Haltungsform Bio (größere Auslauffläche und mehr Platz im Stall)
Um Beispiele für gute Ansätze der Tierhaltung in der Praxis zu verbreiten, fördert das BMEL auch Demonstrationsvorhaben und den Wissenstransfer zwischen Forschung und tierhaltenden Betrieben. In den Demonstrationsvorhaben wird aufgezeigt, wie sich Maßnahmen zur Erhöhung des Tierwohls konkret umsetzen lassen, beispielsweise Maßnahmen, die dabei helfen, das Risiko gegenseitiger Verletzungen der Tiere zu verringern, weniger Antibiotika einzusetzen oder die Hygiene im Stall zu verbessern. Im Rahmen des Programms „mud-tierschutz“ werden außerdem unterschiedliche Informations- und Weiterbildungsangebote für Tierhalter bereitgestellt: Trainings, Workshops, Exkursionen, Infomaterialien und Lehrvideos (BMEL 2023). Ein Beispiel stellt das Projekt „Verbesserung des Tierwohls bei der Weidehaltung von Milchkühen“ in Niedersachsen dar. Ziel ist es zu erproben, wie eine bedarfsgerechte Fütterung bei der Weidehaltung ermöglicht werden kann. Es werden Indikatoren und Beratungstools entwickelt, um Tierhaltern die Möglichkeiten und die Vorteile der Weidehaltung aufzuzeigen (Grünlandzentrum o. J.).
In der landwirtschaftlichen Ausbildung werden die Themen Tierschutz und Tierwohl bislang nur wenig adressiert – so die Diagnose der Arbeitsgruppe „Tierwohl“ am Thünen-Institut (2023). Es ist daher wichtig, neue und innovative Lehrkonzepte und Tools für die Ausbildung zu entwickeln, „die eine umfassende tierwohlorientierte Handlungskompetenz fördern“ (ebd.). Hierzu testet das Thünen-Institut in einem Projekt verschiedene bestehende Methoden und Werkzeuge zur Erfassung des Tierwohls in der Praxis und zur Beurteilung der Haltungsbedingungen. Der Fokus liegt dabei auf der Rinder- und Schweinehaltung. Ziel ist es, Konzepte, Werkzeuge und Schulungsunterlagen für die landwirtschaftliche Ausbildung bereitzustellen, um die Lernenden stärker für das Thema Tierwohl zu sensibilisieren und Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Ein Beispiel für ein gelungenes Indikatorenset, das gut in Ausbildungsbetrieben eingesetzt werden kann, ist das Tool der KTBL „Tierschutzindikatoren: Leitfäden für die Praxis – Rind, Schwein und Geflügel“ (KTBL 2020).
Nachhaltigkeitssiegel
Um in der betrieblichen Beschaffung oder auch beim privaten Einkauf Produkte unterscheiden zu können, kann man auf Siegel und Zertifikate achten. Es gibt jedoch eine schwer überschaubare Vielfalt an Siegeln und Zertifikaten – bedingt durch die Gründung von Organisationen, die ihren Betrieb mit dem Vertrieb von Siegeln und Zertifikaten finanzieren. Einen Wegweiser durch die Siegel und Zertifikate für die Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion bietet Ethik.Guide (ebd. o. J.). An dieser Stelle werden die wichtigen Bio-Siegel, die Siegel “Haltungsform” und “Vegetarisch / Vegan” sowie der “Umweltengel” besprochen, die als Orientierung für Konsumenten und Konsumentinnen dienen können:
- Cradle-To-Cradle (C2C, https://c2c.ngo/): Das Designkonzept für Produkte, die an die vorhandenen Kreisläufe angepasst entwickelt werden, zielt auf sichere, potenziell endlos zirkulierbare Materialien ab. “Alles ist Nährstoff” ist das Motto. Unterschieden wird zwischen Nährstoffen für die Produktion in der Technosphäre und der, in der Biosphäre. Alle C2C-zertifizierten Produkte und Produktionsprozesse entfalten nachgewiesene positive Mitwelt-Wirkungen. (vgl. Minkov 2018)
- EU-Biosiegel (www.bmel.de): Das EU-Biosiegel kann nur vergeben werden, wenn auf chemischen Pflanzenschutz und künstliche Düngemittel verzichtet wird, wenn eine Überdüngung durch eine Begrenzung der Tierzahl pro Hektar vermieden wird, keine Antibiotika eingesetzt werden und auch die Futtermittel “Bio” sind. Gentechnisch veränderte Organismen (Pflanzen) sind nicht erlaubt. Die Haltungsbedingungen müssen besser als bei konventioneller Haltung sein. Die Anzahl der Zusatzstoffe, die erlaubt sind, beträgt nur rund 50 (von 316 möglichen Zusatzstoffen).
- Haltungsformen (www.haltungsform.de/): In Zusammenarbeit von BMEL und Landwirtschaftsorganisationen wurde das Label “Haltungsformen” entwickelt. Es soll für mehr Transparenz in der Tierhaltung dienen. Es gibt vier Stufen: Stallhaltung, StallhaltungPlus, Außenklima und Premium. Für Hähnchen unterscheiden sich die Haltungsformen wie folgt:
- Stallhaltung: Platz: max. 39 kg/m²; Stallhaltung, trockene Einstreu zur Beschäftigung
- StallhaltungPlus: 25 kg/m² (29 kg/m² wenn Stall mit Kaltscharrraum); Zugang zum Außenbereich, mindestens zwei organische und veränderbare Beschäftigungsmaterialien
- Premium: 21 kg/m²; Stall und Außenbereich, zusätzliche Einstreu in Form von Stroh, Holzspänen, Sand oder Torf auf mind. 1/3 der Stallfläche
- Vegan (www.v-label.eu.) : Die vegane Ernährung (auch an einigen Tagen pro Woche) leistet unter allen Ernährungsoptionen den größten Beitrag zum Klimaschutz. Eine deutliche Reduktion von tierischen Komponenten zugunsten eines hohen Anteils an veganen Mahlzeiten entspricht auch den Empfehlungen der DGE (ebd. o. J.): 30 Prozent Getreide und Kartoffeln, 26 Prozent Gemüse und 17 Prozent Obst – dies sind 73 Prozent vegane Produkte (75% kann mit 2% pflanzlichen Ölen erreicht werden). Seit 2008 werden die Markenrechte in der V-Label GmbH in der Schweiz betreut. Das Label versichert, dass das Produkt nicht aus Tieren oder tierischen Bestandteilen besteht. Es werden keine Eier aus Käfighaltung verwendet. Gentechnik ist gleichfalls verboten.
- Umweltengel (www.blauer-engel.de): Der Umweltengel ist seit über 40 Jahren das Umweltzeichen der Bundesregierung und wird vom Umweltbundesamt “herausgegeben”. Inzwischen sind mehr als 20.000 Produkte und Dienstleistungen von über 1.600 Unternehmen ausgezeichnet (UBA o. J.): Zweck des Umweltzeichens ist es, privaten Verbraucherinnen und Verbrauchern, institutionellen Großverbrauchern und öffentlichen Einrichtungen eine verlässliche Orientierung beim umweltbewussten Einkauf zu geben. Denn eine gezielte Nachfrage nach umweltschonenden Produkten fördert ökologische Produktinnovationen und reduziert Umweltbelastungen. Der Blaue Engel steht für eine unabhängige, transparente und ambitionierte Kennzeichnung.
Siegelklarheit (www.siegelklarheit.de): Zur Recherche nach Siegeln für Konsument*innen empfiehlt sich die Webseite „Siegelklarheit“, eine Initiative der deutschen Bundesregierung, die eine Orientierung zu einer Vielzahl von Gütezeichen gibt (Siegelklarheit o. J.). Auf der Webseite kann nach kann Gütesiegeln für Computer-Hardware und für Mobiltelefone gesucht und recherchiert werden, welche Phasen des Produktlebensweges vom Siegel abgedeckt werden, wobei Rohstoffproduktion, Herstellung, Transportwege, Nutzungsphase und End-of-Life unterschieden werden.
Verpackungen
Die Vermeidung oder die Einsparung von Verpackungen ist ein viel diskutiertes und auch bereits umgesetztes Thema im Bereich der Ernährung. Allerdings spielen Verpackungen für Tierwirte und Tierwirtinnen sowie Tierpfleger und Tierpflegerinnen eine eher untergeordnete Rolle, da in den meisten ihrer Tätigkeitsbereiche vor allem Schüttgüter und Großgebinde vorherrschen, so dass von inhaltlichen Auseinandersetzungen mit dem Thema kaum Effekte zu erwarten sind. Zudem wird die Wirksamkeit dramatisch überschätzt. Eine repräsentative Befragung von Kearney (2019) hat gezeigt, dass 56 Prozent der Bundesbürger*innen Plastiktüten einsparen wollen. Über das Jahr hinweg spart dies ca. 3 kg THG-Emissionen pro Kopf ein. Würden die Bürger*innen auf Fleischgerichte hingegen verzichten (13% der Bürger*innen wollen das tun), so würden sie 450 kg THG-Äq einsparen.
Verpackungen sind dennoch auch in landwirtschaftlichen Wertschöpfungsketten unvermeidbar, da sie der Hygiene dienen und Futter-, wie auch Lebensmittel schützen. Deshalb werden sehr viele verschiedene Materialien eingesetzt. Auch die Nutzung von erneuerbaren Verpackungsmaterialien (gewonnen aus Zucker, Cellulose, Stärke) bedeutet nicht unbedingt, dass diese eine nachhaltigere Verpackung darstellen (ökolandbau o. J.). Polyethylen kann z. B. pflanzlich als Bio-PE gewonnen werden (ifeu 2012). Bio-PE ist wesentlich klimafreundlicher als fossiles PE, dafür hat Bio-PE ein höheres Versauerungspotential und führt mehr zur Eutrophierung von Gewässer (durch die Düngung der Pflanzen). Zudem ist der Flächenbedarf um ein Vielfaches höher und Flächen, insbesondere Ackerflächen, sind weltweit ein knappes Gut. Dieses Beispiel zeigt, dass man sich der Effekte der eigenen Handlungen bewusst sein muss.
Als einfache Handlungsregel kann man annehmen, dass:
- Mehrwegsysteme, bei denen auch tatsächlich hohe Umlaufzahlen erreicht werden, sind am umweltfreundlichsten.
- Mehrwegsysteme, bei denen lange Transporte anfallen, sind weniger umweltfreundlich.
- Einwegverpackungssysteme vermieden werden sollten.
- Große Einweggebinde aus Monomaterialien sind vermutlich klimafreundlich, da Großgebinde leicht zu recyceln sind.
- Einweg-Glas- und Metallverpackungen sollten grundsätzlich vermieden werden – das Recycling der Verpackungen ist immer mit hohem Aufwand an Energie und damit auch mit Emissionen verbunden.
- Bei Verpackungen mit Papier grundsätzlich auf Recyclingpapier gesetzt werden sollte (UBA 2020).
Desinfektions- und Reinigungsmittel
Die Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft (DVG) gibt eine Liste aller zugelassenen Desinfektions- und Reinigungsmittel heraus und ergänzt diese mit Berechnungsbeispielen und Hinweisen für den sachgerechten Einsatz (DGV o. J.). Grob unterschieden wird zwischen
- Aldehyden, wie Formaldehyd und Glutaraldehyd, bspw. zur Gülle Desinfektion
- Organische Säuren, wie Ameisensäure
- Phenole, wie Kresol ( gilt als krebserregend)
- Sauerstoff Abspaltende Desinfektionsmitteln, wie Peressigsäure (explosiv)
- Quartäre Ammoniumverbindungen, mit Aldehyden kombiniert verwendet.
Die rechtliche Basis bildet die EG-Öko-Verordnung, sie enthält eine Liste erlaubter Substanzen zur Reinigung und Desinfektion (vgl. EG 2008/ EU 2021). Sie sind äußerst vielfältig, leider gibt es nur wenige Untersuchungen über die Nachhaltigkeit von diesen Materialien. Desinfektions- und Reinigungsmaterialien werden meist mit Tensiden auf Erdölbasis hergestellt, Bio-Desinfektions- und Reinigungsmaterialien hingegen verwenden Zuckertenside oder Fettalkoholsulfate und nutzen somit erneuerbare Rohstoffe. Der Behälter kann aus recyceltem Plastik bestehen. Lappen, Schwämme oder Tücher bestehen aus Erdöl basierten Kunststoffen, aus Baumwolle oder recycelten Materialien. In ihrer Nutzbarkeit unterscheiden sie sich kaum, aber recycelte Materialien leisten den größten Beitrag zur Nachhaltigkeit.
Regionalität der Tierpflege, Land- und Tierwirtschaft
Tierwirte und Tierwirtinnen sowie Tierpfleger und Tierpflegerinnen, die Tiere zur Mitwelt (evolutionär begründet) “rechnen”, die Fütterung der Tiere von der regionalen Fläche mit der Rückführung der Reste und Exkremente auf die Böden zusammendenken, können positive Entwicklungen bewirken: Humus Wachstum in der fruchtbaren Bodenschicht, für diversen, den Trockenperioden trotzenden Bewuchs. Dies gelingt durch langfristige Fruchtfolgeplanung in “Tateinheit” mit beitragenden und nutzenden Tätigkeiten der Tierwirte und Tierwirtinnen sowie Tierpfleger und Tierpflegerinnen.
Da die Preise für Futtermittel steigen und die Futtermittel in der Tierproduktion den Hauptteil des energetischen und materiellen Aufwands darstellen, kann hier der Start in nachhaltige Produktionsweisen gelingen. Denn regionale Futtermittel können durch die Art und Weise, wie sie produziert werden, große Hebelwirkungen für Veränderungen haben (THG-Emissionen wg. Düngemittelproduktion, Nitrat- und Phosphat Problematik und Wasserverschmutzung durch Überdüngung, Biodiversität im Spannungsfeld von Pestizideinsatz und Bio-Landwirtschaft).
“…Wir brauchen eine agrarökologische Evolution der Landwirtschaft, der Lebensmittelproduktion und des Konsums. Sich ihren jeweiligen Umweltbedingungen anzupassen, ist die Kunst der Landwirtschaft seit ihren Ursprüngen vor 10.000 Jahren. ..” (Zukunftsstiftung Landwirtschaft o. J.)
Die weltweit zur Verfügung stehende fruchtbare landwirtschaftlich genutzte Fläche reicht gemeinsam mit der Fischerei und dem Obst- und Gemüseanbau aus, um alle Menschen nachhaltig zu ernähren (BMBF 2014)). Aber reichen die Flächen bspw. in Deutschland auch aus, alle Menschen (in Deutschland) und alle hier gehaltenen Nutztiere adäquat zu ernähren? Die Flächen reichen weder für die Versorgung des gegenwärtigen Tierbesatzes noch umgekehrt den natürlichen Metabolismus der Böden, aus den Exkrementen der Tiere pflanzenverfügbare Nährstoffe zu verstoffwechseln.
Die Verhältnisse zwischen Flächen und Tieren sind gegenwärtig noch nicht nachhaltig. Die Gestaltung von Nachhaltigkeit muss sich auf regionale Gegebenheiten beziehen. Denn die (Transport-)Aufwendungen und Effekte fortwährender globaler Lieferketten sind weder sozial, noch ökologisch oder ökonomisch zu rechtfertigen.
Auch die Inanspruchnahme der regionalen Fläche für die Futtermittelproduktion ist nicht nachhaltig, denn die bisherige Futtermittelproduktion führt auch dazu, dass die insbesondere regionale Ernährung im Umkreis der großen Städte kaum möglich ist. Hierzu eine modellhafte Berechnung. Schmidt hat berechnet, dass ein Mensch zur 100 prozentigen Selbstversorgung mit Obst und Gemüse rund 160 m2 braucht (Schmidt et al. 2020)). Nimmt dieser Mensch noch ca. 1.000 Kalorien durch Brot oder andere Getreidespeisen pro Tag zu sich, so wären weitere 138 m2 nötig (eigene Berechnung: 1 m2 Ackerfläche für 1 kg Weizen bzw. Brot, 265 kcal pro 100 g Brot). Öle wie Rapsöl sind sehr flächenintensiv zu gewinnen (vgl. FiBL 2018) mit 0,77 t Bio-Rapsöl pro Hektar. Nimmt man an, dass zusätzlich zu obigen Obst und Gemüse sowie Brot noch täglich 50 g Rapsöl zum Kochen und Backen verwendet werden, so ergibt dies weitere 237 qm bzw. ca. 450 kcal pro Tag – die Kalorienzahl wäre also mehr als ausreichend für aktive Menschen. Die Flächen summieren sich so auf grob geschätzt 600 m2 für eine spartanische vegane Selbstversorgung. Eine genauere Untersuchung aus der Neuen Zürcher Zeitung ergab einen Flächenbedarf von insgesamt 732 m2, wobei hier Hülsenfrüchte eine große Bedeutung bekommen, um auch eine ausreichende Ernährung mit Eiweißen sicherzustellen (NZZ 2017). Eine Großstadt wie Berlin mit 3,7 Mio. Einwohnern würde somit eine Fläche von 271.000 ha bzw. 2.710 km2 benötigen. Brandenburg hat eine Fläche von rund 2.950.000 ha, die landwirtschaftliche Fläche beträgt 1.300.000 ha (statistik Berlin Brandenburg 2022). Berlin würde somit 21 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche Brandenburgs für eine regionale Ernährung benötigen, da Berlin nur über sehr wenige Ackerflächen verfügt. Aber nur knapp 3 Prozent der Ackerfläche wird in Brandenburg für Gemüse und Hackfrüchte verwendet (39.000 ha, LfU 2021). Hingegen liegt die Fläche für den Maisanbau – der gemäß LfU zum großen Teil als Futtermittel angebaut wird – bei fast 240.000 ha. Würde Berlin sich regional ernähren wollen, müsste die gesamte Fläche, die derzeit für Mais (als Futtermittel) verwendet wird, für Gemüse, Hülsenfrüchte, Hackfrüchte und Obst verwendet werden. Fleischesser benötigen mit 2.353 m2 pro Person übrigens mehr als das dreifache der Fläche von Veganern. Eine regionale Ernährung mit Fleisch würde dazu führen, dass fast die gesamte landwirtschaftliche Fläche von Brandenburg für Berlin notwendig wäre.
Dies zeigt, dass die Ernährungsgewohnheiten und die Globalisierung unserer Landwirtschaft – indem andere Länder für uns Futtermittel anbauen, im direkten Zusammenhang mit der regionalen Tierhaltung steht. Für die langfristig-nachhaltige Ausrichtung der Tätigkeiten von Tierwirten und Tierwirtinnen und und Tierpfleger und Tierpflegerinnen ist die Zusammenarbeit mit den regional tätigen Landwirten und Landwirtinnen sinnvoll. Dabei könnte es u. a. um gemeinsame Lieferbeziehungen und auch darum gehen:
“… Anreicherung der Agrarlandschaft durch
- ein Netz von naturnah bewirtschafteten Flächen wie Hecken, das gleichzeitig dem Schutz der Biodiversität, dem Erosionsschutz, der Kohlenstoffanreicherung und der Verbesserung des Landschaftsbildes dient
- Förderung der Anbauvielfalt, ökologisch bewirtschaftender Betriebe und Agroforstbetriebe, um die Bodennutzung sowohl naturverträglicher auszugestalten als auch besser an den Klimawandel anzupassen
- Erhalt und Wiederherstellung von Dauergrünland auf geeigneten und nach den Regeln der „Guten fachlichen Praxis“ nicht ackerfähigen Böden, insbesondere auf stark vernässten Böden und erosionsgefährdeten Standorten
- Honorierung von Ökosystem- und Gemeinwohlleistungen mit Hilfe der Neuausrichtung der Förderpolitik; Prüfung weiterer Finanzierungsinstrumente wie beispielsweise privatwirtschaftlich handelbarer Zertifikate …” (UBA 2022)
Digitalisierung von Tierhaltung, -produktion und -zucht
Innovative Entwicklungen
Wie in allen anderen Wirtschaftsbereichen, hat die Digitalisierung in der Tierhaltung, -produktion und -zucht Einzug gehalten: Futterroboter, Messeinrichtungen zur Milchinhaltsstoffbestimmung oder Klimaführungssysteme leisten einen wesentlichen Beitrag zum Tierwohl und für den Umweltschutz. Außerdem dienen sie der Arbeitserleichterung. Durch neue Entwicklungen in der Sensortechnik kann das Tierverhalten ermittelt und bewertet werden. (BMEL 2022)
Tierwirte und Tierwirtinnen profitieren in umfassender Weise von den Entwicklungen. Auch die Tierpfleger und Tierpflegerinnen nutzen digitale Lösungen, bspw. für die Dokumentation und Nachverfolgung von tierbezogenen Daten, wie Gesundheitszustand und Entwicklung. Jedoch schließt hier der Digitalisierungsgrad selten vollautomatisierte Services ein. Klima- und Lüftungsanlagen in hochspezialisierten Laboren bilden dabei eine Ausnahme.
Doch für die industrielle Tierwirtschaft stehen vielfältige Angebote und Lösungen für nahezu alle Prozesse und Fragestellungen zur Verfügung. Diese reichen von der Erfassung der Tiergesundheit, der Gestaltung von Kunden- und Lieferbeziehungen, dem Monitoring der Produktion oder auch direkter Steuerung von einzelnen Prozessen oder gar kompletten Anlagen als Teil- oder vollautomatisierte Version.
Die Veränderungen, die mittels digitalisierter Prozesse erreicht wurden, sind eindrucksvoll. Im Bereich der ehemals äußerst arbeitsintensiven Tierproduktion, kann man heute auf weitgehend menschenleere Ställe treffen. 10.000 Puten, Hunderte Rinder und Tausende Schweine sind in vollautomatisierten Mastanlagen zu finden, wo die Zufuhr von Luft und Wasser sowie Futtermittel automatisiert ist. Sogar für das ehedem zeitaufwendige Melken der Kühe existieren vollautomatisierte Lösungen:
“…Das Melken über automatische Melksysteme (AMS) hat dabei eine rasante Entwicklung erfahren, im Jahr 2015 hatten schätzungsweise 3.500 Milchviehbetriebe in Deutschland Melkroboter im Einsatz.3 AMS gehören somit seit Jahren zum Stand der Technik, sodass sich beim Neukauf mittlerweile mehr als jeder zweite Milchviehhalter für ein AMS entscheidet. …” (ebd. S.13).
Auch die auf innovative Ziele ausgerichtete neue Nutzung des Grünlandes für die Weidehaltung wird durch diverse Möglichkeiten der intensiven Datenerfassung und -auswertung in erheblicher Weise unterstützt, die Forschungen dazu dauern an (Georg-August-Uni o. J.).
Risiken der Digitalisierung
Für beide Berufsbilder gibt es aber auch eine Kehrseite, die mit der Digitalisierung verbunden ist – das sind die hohen Investitionskosten, damit möglicherweise verbundene Kreditbelastungen sowie die Abhängigkeiten von einem langfristig benötigten Service. Offene Fragen betreffen außerdem Datenhoheit, Software-Kompatibilitäten in der Lieferkette, Datenschutz und -sicherheit:
“ … Illegale Hackerangriffe oder technische Störungen können zum Beispiel die Betriebssicherheit gefährden. Dies kann insbesondere bei der landwirtschaftlichen Produktion zu gravierenden Problemen führen. Sowohl bei der Fütterung, dem Melken oder der Ernte können bereits nach kurzer Zeit schwerwiegende Schäden entstehen. … “ (ebd. S. 19)
Ungeklärt ist bislang, für welche Zeiträume in den jetzigen Stand der digitalisierten Produktion investiert wurde und ob dieser sich überhaupt aufrechterhalten lässt, denn Automation und Digitalisierung haben einen enormen Ressourcenaufwand insbesondere an nicht erneuerbaren Materialien, die noch dazu kaum recyclingfähig verbaut werden. Die Resilienz vollautomatisierter Prozesse ist also aus mehreren Gründen nicht gegeben. Zum einen bieten cloudbasierte Prozesse Einfallstore für bspw. Erpressung und zum anderen sind Ersatzteile für Reparaturen nicht dauerhaft gesichert. Dazu kommen die negativen Effekte bei der Rohstoffgewinnung (UBA 2021).
Der hohe Aufwand für die Herstellung der Hardware bildet sich jedoch anderenorts ab und bleibt den Augen hierzulande verborgen. Methodisch bestehen unterschiedliche Ansätze, um Ressourcenaufwand bspw. als “Rucksack” oder “Fußabdruck” darzustellen, damit können zwar Aufwände und Effekte einzelnen Komponenten, ganzen Produkten oder Dienstleistungen angerechnet werden, geändert werden sie dadurch nicht.
Auf diese Weise werden zudem relevante Anteile des Ressourcenaufwandes und menschlicher Arbeit – vergleichbar mit der Situation bei Eiweißfuttermitteln – zu großen Teilen in Länder mit geringen Sozial- und Umweltstandards verlegt, wo die Rohstoffe für die Digitalisierung hierzulande gewonnen werden (Sühlmann-Faul 2022).
In der einflussreichen “Bits&Bäume-Konferenz” standen 2022 folgende Grundsatzfragen zur Digitalisierung in der Diskussion:
- “ … Wie kann die Digitalisierung so gestaltet werden, dass sie zu einer nachhaltigen und demokratischen Transformation der Gesellschaft beiträgt?
- Wie sieht eine global, wirtschaftlich, sozial und ökologisch gerechte Zukunft in der digitalisierten Welt aus?
- Was können Tech-Community (Bits), Gerechtigkeits- und Umweltbewegung (Bäume) voneinander lernen? Und wie können sie als Zivilgesellschaft in einen organisierten Austausch mit sozial-ökologischen Vorreiter-Unternehmen, Wissenschaft und Politik treten? … “ (Bits&Bäume 2022)
Für Tierwirt*innen fallen die Antworten zu diesen Fragen ähnlich aus wie in anderen Berufen: Daten über vorhandene Informationen teilen, damit gemeinsam lernen und Kollaborationen bilden, die in den Regionen umfassende Lösungen liefern zu: Boden, Menschen, Pflanzen, Tiere und Wasser, die regional genau zusammen angesehen und gedacht werden müssen. Dabei können KI-Modelle helfen und das Lernen unterstützen.
Dazu muss Digitalisierung in die nachhaltige Entwicklung integriert werden, deren Zielerreichungen unterstützen. Nachhaltige Innovationen der Tierhaltung und pflege:
“ … Auf der anderen Seite birgt eine digitale Transformation große Chancen für die Entwicklung eines Landwirtschaftssystems, das neben verlässlicher Agrarproduktion auch wichtige ökologische Funktionen erfüllt. So lassen sich beispielsweise durch die Verfügbarkeit von Daten zu Relief, Nährstoffen, Bodenzustand und Klima selbst sehr komplexe oder kleinteilige Anbausysteme einfacher handhaben. … Im Tierbereich könnte eine digital gesteuerte und verbesserte Tiergesundheit geringere Einsätze von Arzneimitteln nötig machen. So können Einträge in die Umwelt und mögliche negative Auswirkungen vermindert werden. Dafür ist es jedoch notwendig, dass die digitale Transformation das Ziel, die Umweltwirkung zu verbessern, explizit beinhaltet und in diesem Sinne aktiv gestaltet wird. Digitalisierung kann also ein Werkzeug sein, um die Umweltwirkung von Landwirtschaft zu verbessern. …” (UBA 2019)
Was im Positionspapier des Umweltbundesamtes von 2019 noch fehlt, ist ein Schluss, der im Grundsatzbeschluss zur Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 2022 enthalten ist: Wie alles zusammengehört (Bundesregierung 2023). Die Bereiche
- Böder/ Wälder als Kohlenstoffspeicher
- Nutztierstrategie
- Zukunftsstrategie Ökolandbau
- Ackerbaustrategie 2035
zahlen ein auf die Artenvielfalt (15.1) und den ökologischen Landbau (2.1.b) und diese auf ein nachhaltiges Agrar- und Ernährungssystem (ebd. S. 15).
Für die Ausbildung künftiger Tierwirte und Tierwirtinnen sowie Tierpfleger und Tierpflegerinnen hat das weitestgehende Konsequenzen, die im Impulspapier (IP) ausführlicher dargestellt werden. Hier sei nur darauf hingewiesen, dass die nachhaltige Innovation der Berufsbilder darin bestehen wird, den Nutzen der gehaltenen oder gepflegten Tiere nun umfassender zu verantworten als bisher und zwar primär als Nutzen für die
- Artenvielfalt
- Böden
- Mitwelt insgesamt
Diesen primären Nutzen hat die Gemeinschaft, deshalb hat sie ihn auch zu vergüten. Für Tierwirte und Tierwirtinnen wird darüber hinaus der primäre Nutzen weiterhin in der Vermarktung von Tierprodukten bestehen, aber dies wird nicht länger auf industrieller Tierhaltung beruhen. Die Auswahl an Tieren und der Viehbesatz wird an die vorhandenen regionalen Bedingungen (Bedarfe, Böden, Wasser) anzupassen sein.
Dafür sind genau und kontinuierlich erhobene Daten über die Gegebenheiten ebenso unerläßlich, wie die Fähigkeiten der Tierwirte und Tierwirtinnen die Daten, wie die Gegend selbst “lesen”, auswerten und verstehen zu können.
Anpassung der Dokumentationsprozesse
Tierpfleger: Hinsichtlich einer nachhaltigkeitsorientierten Ausrichtung der Tierpflege und ihrer Dokumentation bietet die Digitalisierung Vorteile, zum Beispiel um die Prozesse transparenter zu gestalten und dementsprechend der globalen, wie auch regionalen unternehmerischen Verantwortung gerecht zu werden. Durch neue Soft- und Hardwarekomponenten (zum Beispiel RFID-Systeme) können manipulationssichere Datenspeicherung durch Klassifizierer sowie eine lückenlose Rückverfolgung und Nachweisbarkeit gegenüber den Kund:innen gewährleistet werden (Thomas et al. 2015).
Tierwirte: Hinsichtlich einer nachhaltigkeitsorientierten Ausrichtung der Tierhaltung und ihrer Dokumentation sowie die der Produktionsprozesse bietet die Digitalisierung zum Beispiel Vorteile, um die Wertschöpfungskette transparenter zu gestalten und dementsprechend der globalen, wie auch regionalen unternehmerischen Verantwortung gerecht zu werden. Durch neue Soft- und Hardwarekomponenten (zum Beispiel RFID-Systeme) können eine manipulationssichere Datenspeicherung durch Klassifizierer sowie eine lückenlose Rückverfolgung und Nachweisbarkeit in der Lebensmittelproduktion gewährleistet werden (Thomas et al. 2015). Auch wenn der Begriff “4.0” im Zusammenhang mit der Haltung lebender Tiere ungeeignet ist, wird die Digitalisierung der Haltung, Produktion und der Prozesse intensiv ausgebaut. w+w consulting nannte u. a. folgende Beispiele (ebd. o. J.):
- Smarte Verpackungen: Bisherige Strichcodes können nur eine beschränkte Anzahl von Informationen enthalten. QR-Codes (oder 2D Barcodes) nutzen die X- und die Y-Achse. Hier können mehr Informationen hinterlegt werden, aber auch hier gibt es Grenzen der Informationsmengen. RFID-Chips hingegen können viele Informationen über ein so komplexes Produkt wie z. B. Lebensmittel der Convenience-Stufen 3 aufwärts speichern. Ein 8 kByte-Speicher kann z. B. 4 Schreibmaschinenseiten Informationen enthalten (1.800 Zeichen, smart-TEC o. J.). Sie enthalten einen Mikrochip und eine Antenne, die in einer Kunststoffhülle verpackt sind. Sie werden induktiv durch das anfragende Gerät mit Energie versorgt. Sie werden z. B. für die Tieridentifikation eingesetzt (ebd.). Die beiden großen Nachteile sind die Kosten und das im Gerät enthaltene Kupfer. Infineon gibt die Kosten mit 50 Cent pro Stück bei einem Volumen von 1 Mio. Stück an (infineon). Aber auch das Ziel von Infineon, die Kosten auf 20 Cent zu bringen, ist für Waren wie einen Joghurtbecher mit geringen Verkaufswerten noch zu hoch. Ein kleiner RFID-Chip enthält ca. 100 mg Kupfer (UBA 2009). In Europa gibt es rund 76 Mio. Rinder (statista 2022) und 130 Mio. Schweine (Schweine.net 2021). Allein hierfür werden rund 20 t Kupfer benötigt. Würde man das Fleisch der zerlegten Tiere gleichfalls mit RFID-Chips ausstatten (Schlachtgewicht Rind ca. 300 kg, Schlachtgewicht Schwein ca. 60 kg) würde man 30 Mrd. Fleischportionen a 1 kg erhalten (eigene Berechnungen). Stattet man jedes “Fleischpaket” mit einem RFID-Chip aus, so würde man 3.000 t Kupfer benötigen. Auch wenn für die Zukunft nicht länger von industrieller Fleischproduktion auszugehen ist, hat sich ein Forschungsteam dem “Smart Paper” gewidmet: Etiketten auf Papier, wo eine organische Schaltung ohne Batterie erzeugt wird (w+w Consulting 2020).
- Cow-Body Scan: Zur Feststellung von Entwicklungs- und Gesundheitsstatus dient z. B. ein Cow Body Scan (cbs). Dieser fertigt eine 3D-Bildanalyse vom ganzen Körper jeweils eines Tieres im Vorbeigehen. Mit den erfassten Daten, bspw. zu Kondition, Gangbild und Körpermaßen kann eine frühzeitige Erkennung von Krankheiten oder auch Störungen im Wachstumsverlauf festgestellt werden (dsp-Agrosoft, 2019).
Quellenverzeichnis
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ifeu Institut für Energie- und Umweltforschung (2020): Ökologische Fußabdrücke von Lebensmitteln und Gerichten in Deutschland. Online: www.ifeu.de/fileadmin/uploads/Reinhardt-Gaertner-Wagner-2020-Oekologische-Fu%C3%9Fabdruecke-von-Lebensmitteln-und-Gerichten-in-Deutschland-ifeu-2020.pdf
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SDG 13 Maßnahmen zum Klimaschutz
“Umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen ergreifen”
Das SDG 13, gehört zu den besonders zentralen Nachhaltigkeitszielen und zielt darauf ab den Klimawandel als globale Bedrohung, die bereits heute jedes Land auf allen Kontinenten betrifft und sich negativ auf die Volkswirtschaften und das Leben jedes Einzelnen auswirkt, zu begrenzen.
Für jedes Berufsbild ist insbesondere das folgende Unterziel von Relevanz (Destatis 2022):
SDG 13.3: “Die Aufklärung und Sensibilisierung sowie die personellen und institutionellen Kapazitäten im Bereich der Abschwächung des Klimawandels, der Klimaanpassung, der Reduzierung der Klimaauswirkungen sowie der Frühwarnung verbessern”
Die Schnittmengen mit der Standardberufsbildposition liegen vor allem in der Reduzierung der direkten und indirekten Emissionen (Belastung der Umwelt) sowie der nachhaltigen Nutzung von Energie (vg.: BIBB 2020):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen, Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Klimaschutz
Tierwirte und Tierwirtinnen sowie Tierpfleger und Tierpflegerinnen können mit ihren beruflichen Entscheidungen und Handlungen ganz entscheidend zum Klimaschutz beitragen. Die wesentlichen Einflussfaktoren sind
- die Art und Anzahl der gehaltenen Tiere, in Abhängigkeit vom Boden usw.,
- die artgerechten Haltungsformen (bspw. Freiland, Laufstall, Weide) und
- die Fütterung der Tiere von der zur Verfügung stehenden Fläche.
Die Zusammenhänge zwischen den regionalen Böden und den davon zu ernährenden Lebewesen müssen im Verhältnis zu den weiteren Bodenfunktionen verstanden werden (IPCC 2021, S. 700 ff). Die Böden, insbesondere die Feuchtgebiete, Moore und Grasland, als gegenwärtig größte Kohlenstoffspeicher unter den Ökosystemen, könnten durch Humusaufbau weiter in dieser Funktion gestärkt werden (Budiman et al. 2017). Dies hätte auch positive Effekte auf ihr Nährstoff- und Wasserspeichervermögen. Jedoch ist dies nur mit anderen landwirtschaftlichen Wirtschaftsweisen möglich, insbesondere von Tierwirten und Tierwirtinnen aber auch von Tierpflegern und Tierpflegerinnen. Sie können diesbezüglich den Klimaschutz beeinflussen, bspw. über die
- Ausgestaltung der Geschäftsmodelle und -Beziehungen,
- Produktion und Vermarktung der Tierprodukte und
- Wahl von Transportentfernungen und -mitteln.
Das Klima zu schützen, wird auf diese und andere ähnliche Weise künftig zunehmend zum Berufsbild von Tierwirten und Tierwirtinnen sowie Tierpflegern und Tierpflegerinnen gehören. Da es dafür bereits Best Practice Beispiele gibt, ist es keine Frage ob dies möglich ist, sondern eine Frage des wann und wie genau.
Klimawandel und Treibhausgase
Der Klimawandel wird durch die Emission von Treibhausgasen verursacht. Zahlreiche Gase sind verantwortlich für den Klimawandel. Ihnen gemeinsam ist ihre Undurchlässigkeit für die (Infrarot-)Wärmestrahlung der Erde. Dies führt bekanntlichermaßen zum Klimawandel. Jedes dieser Gase trägt in unterschiedlichem Maße zum Klimawandel bei. Die Stoffe bleiben zudem unterschiedlich lange in der Atmosphäre, weshalb sie unterschiedlich zum Treibhauseffekt beitragen. Das IPCC (International Panel for Climate Change) definiert deshalb ein GWP Global Warming Potential (erwärmende Wirkung für den Klimawandel) eines Stoffes in hundert Jahren im Vergleich zu Kohlendioxid CO2 wie folgt (vgl. My Climate o. J.):
- Kohlendioxid CO2: 1 (Bezugswert)
- Methan CH4: 28
- Stickstoffdioxid N2O: 265
- FCKW (verboten) > 12.000
Ein durchschnittlicher Bundesbürger und eine Bürgerin verursachte 2020 rund 11 t CO2-Äq pro Jahr (UBA 2021). Auf die öffentliche Infrastruktur entfallen 8 Prozent, auf den Konsum 34 Prozent, die Mobilität 15 Prozent, Strom 6 Prozent und Wohnen 18 Prozent. Die Ernährung ist für etwa 15 Prozent der Klimagase verantwortlich. Weltweit sind es laut EPA (2022) sogar doppelt so viel, denn in Südamerika und Asien wurden zumeist (Urwald)Flächen gerodet um Futtermittel (Soja) vor allem für die Viehzucht oder Palmöl als preiswerten Fettersatz oder für Treibstoffe anzubauen.
Treibhausgase aus der Ernährung sind insbesondere Methan (CH4) aus Rindermägen und Distickstoffoxid (N2O) aus der Düngung. Kohlendioxid stammt aber auch aus allen (landwirtschaftlichen) Prozessen (Ackern, Säen, Ernten), die Treibstoffe nutzen oder beim Transport der landwirtschaftlichen Produkte. Emissionen aus der Stromgewinnung entstehen insbesondere bei der Weiterverarbeitung, der Kühlkette und der Zubereitung der Lebensmittel. Zum Schluss ist der Abfall von großer Bedeutung, geschätzt 15 Prozent aller Emissionen stammen aus dem Abfall bzw. sind für Ernte, Verarbeitung und Zubereitung angefallen, ohne dass diese “Energie” von den Menschen aufgenommen wurde. Deutschlandweit waren es 2020 rund 11 Mio. t (BMEL 2022).
Die Eier-, Fleisch- und Milchproduktion hat eine hohe Bedeutung für den Klimaschutz. Rund 65 Prozent der Emissionen aus der Ernährung stammen aus den Produktionsketten von Fleisch und Milchprodukten. Fast 5 Prozent stammen noch aus weiteren tierischen Produkten (Fisch und Eier). Grundsätzlich sind pflanzliche Lebensmittel klimafreundlicher als tierische Produkte, sie verursachen weniger als 30 Prozent der Emissionen, stellen aber den weitaus größten Anteil der Kalorien. Da Tiere ca. ⅘ der Futtermittelenergie für den eigenen Metabolismus benötigen, erhalten wir nur ⅕ als Fleisch, Eier oder Milch.
Ernährungstrends und ihre Bedeutung für Tierwirt*innen
Fleischproduktion
Als unerwünschte Effekte der Tierproduktion haben besonders die Fleischprodukte hohe THG-Emissionen. Da das Interesse der Menschen an gesunder und klimagerechter Ernährung wächst, geht der Konsum an Fleisch hierzulande insbesondere in den Städten zurück, während die Kritik an der Fleischproduktion zunimmt. Vor diesem Hintergrund tragen bspw. die Systemgastronomien in Bildungseinrichtungen ihrem Bildungsauftrag u. a. auch dadurch Rechnung, dass sie zunehmend vegane und vegetarische Kost anbieten. Da auch die entsprechenden Rahmenbedingungen dahingehend angepasst werden, nehmen die Anforderungen nicht nur in Bezug auf die Fleischqualität zu, sondern auch an die Bedingungen, unter denen es produziert wird. Tierwirt*inne müssen sich darauf einstellen, dass quantitative Kennziffern zugunsten qualitativen sinken.
Milchproduktion
Auch der Konsum von Milchprodukten ist in Deutschland rückläufig, die Produktpalette hingegen wird breiter. Pflanzliche Alternativen rücken in den Markt, deren Klimabilanz besser ist als die von Milch und insbesondere Käse. Weil außerdem die Milchkühe unter hohen Leistungsdruck gesetzt werden, was zu einer kurzen Lebenszeit führt, werden auch vor diesem Hintergrund allmähliche Änderungen der Kund:innenhaltungen gegenüber den Tierwirt*innen erwartet.
Pflanzenbasierte Ernährung im Vergleich
Die Reduktion der Tierhaltung und ihrer Produktionsprozesse, zugunsten ausgeweiteter Pflanzenproduktion, wird als wichtiger Beitrag zum Klimaschutz angesehen. Die Boston Consulting Group (BCC 2022) kommt zu dem Schluss, dass mit pflanzlichen Proteinen (“Fleischersatzprodukte”) mehr Emissionen eingespart werden können als mit anderen Klimaschutzmaßnahmen z. B. im Gebäudesektor, der Zementindustrie oder durch Elektromobilität. BCC nimmt hierbei zu Recht an, dass Klimaschutz in diesen Bereichen nur durch Investitionen möglich ist.
Hingegen werden für die Umstellung von Fleisch- auf Pflanzenproduktion und pflanzenbasierte Ernährung eher Konsequenzen im Berufsbild der Tierwirt*innen in Form von geeigneten Lerninhalten und Organisationsentwicklungsprozesse in den betroffenen Bereichen erforderlich. Die politisch-rechtlichen Rahmenbedingungen werden nach und nach in dieser Weise verändert.
Bioprodukte
Produkte in Bioqualität stellen einen großen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit für unser Ernährungssystem dar. Der ökologische Landbau ist eine besonders ressourcenschonende und umweltverträgliche Wirtschaftsform, die sich am Prinzip der Nachhaltigkeit orientiert (BMEL o. J.). In Deutschland soll der Anteil der ökologischen Ackerflächen bis 2030 auf 30 Prozent der gesamten Landwirtschaftsfläche steigen (ebd.). Die Vorteile des ökologischen Landbaus sind der Schutz der Biodiversität, des Bodens und des (Grund-)Wassers sowie ein höchstes Maß an Tierwohl.
Die Konsequenzen sind jedoch ebenso weitreichend: Aufgrund des fehlenden Kunstdüngereinsatzes sind die Erträge geringer und aufgrund des Verzichts von Pestiziden ist das Ausfallrisiko höher. Bei der Vieh- und Geflügelzucht sind zudem Weide- und Auslaufflächen notwendig und der Tierbestand pro Tier niedriger, was sich auch in einem geringen Ertrag niederschlägt.
Die höheren Preise für Fleisch können eine Reduktion des Fleischkonsums und damit einen doppelten Klimaeffekt bewirken. Für den Klimaschutz bedeutet Bio-Anbau allerdings nur einen geringen Vorteil. Die eigentlich höheren THG-Einsparungen durch den Verzicht auf Kunstdünger werden zum Teil durch die weniger intensive Landwirtschaft, die einen höheren Flächenbedarf je Produktmenge hat, überkompensiert.
Biologischer Anbau von Futtermitteln
Biologische Futtermittelproduktion kann vielfältige Beiträge zur Nachhaltigkeit leisten durch den Verzicht auf synthetisch hergestellte Pestizide, Düngemittel oder Fungizide. Eine Bio-Produktion von Futtermitteln fördert die biologische Vielfalt und Bodenfruchtbarkeit und trägt somit auch zur Verbesserung der CO2-Speicherung bei. Sanders beurteilt dies wie folgt (ebd. 2019):
“… Der auf empirischen Messungen basierende Vergleich von bodenbürtigen Treibhausgasemissionen ökologischer und konventioneller Landwirtschaft in gemäßigten Klimazonen zeigt positive Effekte der ökologischen Wirtschaftsweise. Im Durchschnitt weisen ökologisch bewirtschaftete Böden einen um 10 Prozent höheren Gehalt an organischem Bodenkohlenstoff und eine um 256 kg C/Hektar höhere jährliche Kohlenstoffspeicherungsrate. Die Lachgasemissionen sind gemäß der ausgewerteten Studien im Mittel um 24 Prozent niedriger. Aus diesen Werten ergibt sich eine kumulierte Klimaschutzleistung des ökologischen Landbaus von rund 1.100 kg CO2-Äquivalente pro Hektar und Jahr. …”.
Quellenverzeichnis
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Environment Protection Agency (EPA), 2022, USA, nach: IPCC (2014), Online: https://www.epa.gov/ghgemissions/global-greenhouse-gas-emissions-data
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My Climate (o. J.): Was sind CO2-Äquivalente. Online: https://www.myclimate.org/de/website/fEq/detail/was-sind-co2-aequivalente/
UBA Umweltbundesamt (2021): Aufteilung der Erneuerbaren Energien Stand 2020. Online: https://www.umweltbundesamt.de/daten/energie/erneuerbare-konventionelle-stromerzeugung#bruttostromerzeugung-nach-energietragern
SDG 14 Leben unter Wasser
“Ozeane, Meere und Meeresressourcen im Sinne nachhaltiger Entwicklung erhalten und nachhaltig nutzen”
Das SDG 14 zielt vor allem auf den Erhalt der Meere durch Reduzierung der Meeresverschmutzung und Versauerung, den Erhalt der Küstenökosysteme, der nachhaltigen Fischerei und den Schutz der Bestände ab. Hintergrund ist, dass viele Länder die Meere immer noch zur Müllentsorgung nutzen, anstelle Plastikmüll zu vermeiden, Küstengebiete für den Tourismus umzuwandeln oder die Fischbestände ohne Rücksicht ausbeuten. Zwei Unterziele sind für die Tierproduktion t von Fisch- und Meeresfrüchten relevant:
14.2 Bis 2020 die Meeres- und Küstenökosysteme nachhaltig bewirtschaften …
14.4 Bis 2020 die Fangtätigkeit wirksam regeln und die Überfischung, die illegale, ungemeldete und unregulierte Fischerei und zerstörerische Fangpraktiken beenden und wissenschaftlich fundierte Bewirtschaftungspläne umsetzen, um die Fischbestände in kürzestmöglicher Zeit mindestens auf einen Stand zurückzuführen, der den höchstmöglichen Dauerertrag unter Berücksichtigung ihrer biologischen Merkmale sichert
Die Schnittmengen mit der Standardberufsbildposition “Umweltschutz und Nachhaltigkeit”beruhen auf dem Anteil an der Wertschöpfungskette, auf den die Tierwirt*innen und Tierpfleger*innen Einfluss auf die Nachhaltigkeit nehmen können. Die Bezüge zur Standardberufsbildposition sind (vgl. BGBL 2022):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen, Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Fisch
Fisch hat für die derzeitige industrielle Tierproduktion aber auch für die Tierpflege als Futtermittel eine hohe Bedeutung. Ein Viertel des weltweit gefangenen Fisches wird zu Fischmehl verarbeitet, überwiegend als Tierfutter in sogenannten Aquakulturen, aber auch als Schweine- und Geflügelmast eingesetzt (Miles/Chapmann 2015). Gleichzeitig spielt Fisch ebenfalls eine wichtige Rolle in der menschlichen Ernährung. Die DGE empfiehlt, aus gesundheitlichen Gründen regelmäßig Fisch zu essen (DGE 2016). Begründet wird dies mit den im Fisch enthaltenen wichtigen Omega-3-Fettsäuren.
Auch wenn es für die Omega-3-Aufnahme andere zweckmäßige Alternativen gibt, bspw. Rapsöl (Zentrum der Gesundheit, 2022), sollte hier gar keine Konkurrenz bestehen. Fisch sollte – wie auch alle anderen Tierprodukte – nicht länger als Futtermittel eingesetzt werden, insbesondere auch, um der Überfischung entgegenzuwirken (vgl. Bundestag 2021).
Folgen der Überfischung
Die derzeitige Praxis der Fischerei mit Fischfabriken, modernster Technik zur Identifikation “lohnenswerter” Schwärme, schwerste Grundschleppnetze und Entsorgung von Unmengen an Beifang, führt zu einer Zerstörung der Fischbestände (Greenpeace 2021). Überfischung bedroht die Artenvielfalt in den Meeren. Dies betrifft nicht nur Zielarten der Fischerei, sondern ebenso den Beifang und die betroffenen Nahrungsketten innerhalb der maritimen Ökosysteme. Auf der UN-Biodiversitätskonferenz im April 2022 war die Fischerei deshalb ein zentrales Thema. “Tatsächlich gehören Überfischung und Beifang zu den Hauptursachen für den Verlust der Biodiversität im Meer!” (Marine Stewardship Council, o. J.)
Überfischung bedeutet langfristig weniger Erträge, denn die überfischten Arten drohen auszusterben. Was kurzfristig eine Erhöhung der Fänge und der monetären Gewinne verspricht, bedroht langfristig die Ernährungssicherheit der Weltbevölkerung. Aufgrund des hohen Proteingehalts von Fisch gilt dies insbesondere für eine höherwertige Ernährung zur Vermeidung von Mangelkrankheiten.
Auch der Klimawandel wird durch Überfischung verstärkt. Die Funktion der Meere und Ozeane als Kohlenstoffsenke funktioniert über die Einbindung des CO2 in Phytoplankton und landet später teilweise als Fischkot auf dem Meeresgrund. Die Bedeutung der Fische bei der Kohlenstoff-Absorption ist allerdings nur gering (Marine Stewardship Council, o. J.).
Folgen von Aquafarming
- Aqua-Farming von z. B. Lachs oder Krabben kann einerseits zur Schonung der Wildbestände beitragen, andererseits kann die intensive Tierhaltung oder die Anlage von Fischfarmen auch die Umwelt sehr belasten (Lachszucht in Norwegen, vgl. Pro und Contra: Norfisk o. J. versus Quarks 2018).
- Durch die Aquakulturen gelangen große Mengen von Nahrungsresten, Fischkot und Chemikalien in die Meere und küstennahe Ökosysteme. Dies verändert und schädigt sie in jedem Fall. Weniger resistente Ökosysteme können auch völlig zerstört werden, wie dies in Vietnam bei Mangrovenwäldern durch Krabbenzucht geschehen ist (Papst 2018).
- Aber auch Fisch-Wildbestände, die ja eigentlich durch Aquakulturen geschützt werden sollen, können durch diese unter Druck geraten (WWF, o. J.). Dies droht durch die Verwendung von Fischmehl als Futtermittel, das zwar aus anderen Fischarten gewonnen wird, aber diese werden eben auch gefangen. Die gleiche Fischart ist in ihrem Bestand bedroht, wenn Jungfische aus Wildbeständen zur Zucht eingesetzt werden. Die Richtlinien des internationalen fair-fish.net regeln deshalb, dass keine Jungtiere aus Wildbeständen eingesetzt werden dürfen und dass Fischmehl nur in der Menge eingesetzt wird, in der im eigenen Betrieb Schlachtnebenprodukte anfallen (fair-fish.net, 2015)
- Besonders bedenklich ist der Einsatz von Antibiotika zur Vermeidung von Krankheiten des Bestandes. Denn diese, wie auch eingesetzte Pestizide, reichern sich im Boden und im Ökosystem an (WWF, o. J.). Das Ökosystem wird geschädigt und die eingesetzten Antibiotika verlieren auf Dauer ihre Wirkung.
Quellenverzeichnis
BGBl (2022): Verordnung zur Neuordnung der Ausbildung in den Hotel- und Gastronomie- berufen. Bundesgesetzblatt Jahrgang 2022 Teil I Nr. 8, Bonn, März 2022. Online: www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl122s0314.pdf
BMBF (2020): Insekten als Rohstoffe und Futterquelle. Online: https://www.bmbf.de/bmbf/shareddocs/kurzmeldungen/de/insekten-als-rohstoffe-und-futterquelle.html
Bundestag (2021): Zur möglichen Aufhebung des Verfütterungsverbots von verarbeiteten tierischen Proteinen. Ausarbeitung WD 5 – 3000 – 012/21.
DGE Deutsche Gesellschaft für Ernährung (2016): Trans-Fettsäuren und ihr Einfluss auf die Gesundheit. Online: https://www.dge.de/wissenschaft/weitere-publikationen/fachinformationen/trans-fettsaeuren/
DGS (o. J.): Futtermittel. Online: https://www.dgs-magazin.de/themen/themen-a-z/article-7014212-194087/futtermittel-.html
fair-fish.net (2015): Richtlinien fair-fish für die Fischzucht. Online: http://fair-fish.ch/media/filer_public/25/0a/250a01fa-219b-43d5-8fa6-a9e53eaf96db/tmpimportpaxroa.pdf
Greenpeace (2021): Hintergrundinformationen zum Marine Stewardship Council (MSC). Online: https://www.greenpeace.de/publikationen/msc-hintergrundinformationen.pdf
Marine Stewardship Council (o. J.): Überfischung: Was steht dabei auf dem Spiel für die Meere, das Klima und uns Menschen? Online: www.msc.org/de/fisch-nachhaltigkeit/ueberfischung-der-meere/die-folgen-von-ueberfischung
R. D. Miles and F. A. Chapman. FA122: The Benefits of Fish Meal in Aquaculture Diets Fisheries and Aquatic Sciences Department, UF/IFAS Extension. Original publication date November 2005. Reviewed January 2015
Norfisk (o. J.): Darf*s ein bisschen mehr sein? Siegel und Qualitätsstandards für höchste Qualität. Online: www.norfisk.de/de/qualitaet/unsere-qualitaetssiegel
Papst, Josephine (2018): Im Garnelenrausch. Online: https://www.zeit.de/wirtschaft/2018-04/vietnam-garnelen-export-wachstum-verluste-europaeische-union?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F
Proplanta (2016): Fischfutter: Fischmehl durch Lupinenmehl ersetzen. Online: https://www.proplanta.de/agrar-nachrichten/tier/fischfutter-fischmehl-durch-lupinenmehl-ersetzen_article1479546978.html
Quarks (2018): So umweltschädlich ist dein Lachssteak. Online: www.quarks.de/umwelt/landwirtschaft/fischzucht-in-norwegen-so-umweltschaedlich-ist-dein-lachssteak/
Quarks (2019): Darum macht es Sinn, Insekten zu füttern. Online: https://www.quarks.de/umwelt/tierwelt/darum-macht-es-sinn-insekten-zu-verfuettern/
Statista (2022): Produktion von Fischmehl weltweit in den Erntejahren 2011/12 bis 2022/23. Online: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1177300/umfrage/produktion-von-fischmehl-weltweit/
WWF (o. J.): Ist Aquakultur die Lösung? Online: www.wwf.de/themen-projekte/meere-kuesten/fischerei/nachhaltige-fischerei/aquakulturen
Zentrum der Gesundheit (2022): Omega-3-Bedarf vegan decken. Online: www.zentrum-der-gesundheit.de/ernaehrung/nahrungsergaenzung/omega-3-uebersicht/omega-3-vegan
SDG 15 Leben an Land
“Landökosysteme schützen, wiederherstellen und ihre nachhaltige Nutzung fördern, Wälder nachhaltig bewirtschaften, Wüstenbildung bekämpfen, Bodendegradation beenden und umkehren und dem Verlust der biologischen Vielfalt
ein Ende setzen”
Die Schnittmengen mit der Standardberufsbildposition “Umweltschutz und Nachhaltigkeit” sind unmittelbar einsichtig. Hierbei kommt am ehesten das Unterziel 15.2 (Produkte aus ehemaligen Urwäldern) und 15.5 (industrielle Landwirtschaft) in Frage:
15.2 Bis 2020 die nachhaltige Bewirtschaftung aller Waldarten fördern, die Entwaldung beenden, geschädigte Wälder wiederherstellen und die Aufforstung und Wiederaufforstung weltweit beträchtlich erhöhen
15.5 Umgehende und bedeutende Maßnahmen ergreifen, um die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume zu verringern, dem Verlust der biologischen Vielfalt ein Ende zu setzen und bis 2020 die bedrohten Arten zu schützen und ihr Aussterben zu verhindern
Die Bezüge zur Standardberufsbildposition wären dann (vgl. BGBL 2022):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Das SDG zielt auf den Schutz der Ökosysteme ab und ist eng mit unserer Landwirtschaft und Ernährung verbunden. Hierbei geht es insbesondere um die Biodiversität, gesunde Böden mit vielfältiger Flora und Fauna sowie die Fähigkeit, Wasser zu speichern und auch die Regeneration des Grundwassers.
Lebensraum “Land”
Während eine dezentrale und handwerkliche Landwirtschaft Arten- und Biotopvielfalt garantierte, hat die industrialisierte Landwirtschaft weitreichende Folgen: “Mit zunehmender Technisierung vergrößerten sich die Ackerschläge. Flurgehölze, natürliche Landschaftselemente wie Hecken oder Blühstreifen, Weiher und Ackerrandstreifen wurden vielfach entfernt und sind heute … selten anzutreffen.” (UBA 2022).
Lösungen bieten diversifizierte Haltungsformen in der Tierproduktion, vor allem in kombinierten Agroforstsystemen. Auch diversifizierte Anbauflächen für Futter- und Nahrungsmittel, reduzierte, bzw. boden- und fachgerechte Düngung sowie ein möglichst hoher Anteil an Bio-Anbau tragen zu verbesserten Lebensgrundlagen für mehr Artenreichtum bei. Letzterer wird durch eine entsprechende Nachfrage ermöglicht und nutzt aufgrund der geforderten Anbau- und Zuchtbedingungen neben dem Erhalt der Ökosysteme auch dem Tierwohl.
Allerdings ist hierbei die Globalisierung der Wertschöpfungsketten zu berücksichtigen. Deutschland importiert einen großen Teil seiner Lebensmittel – bedingt durch die Struktur der Agrarförderung – aus dem Ausland. Der Import günstiger Futtermittel aus dem Ausland mit geringen Umwelt- und Beschäftigungsstandards führt dazu, dass zu Lasten der Mitwelt in Südamerika und Asien Futtermittel angebaut werden.
Häufig wird postuliert, dass die im Interesse der Artenvielfalt vorgeschlagenen Lösungen im Widerspruch zur intensiven Landwirtschaft stehen, die zur Ernährung von weltweit aktuell 8 Mrd. und in wenigen Jahrzehnten 10 Mrd. Menschen lebenswichtig sind. In wenigen Fällen trifft dieser Einwand zu, in den meisten sicher nicht. So wird der Getreideanbau mit hoher Wahrscheinlichkeit weiterhin mit intensiv-industriellen Produktionsweisen erfolgen. Jedoch können auch hierbei die Sortenvielfalt und der Anteil an Ökolandbau steigen. Dazu würde die regionale Futtermittelproduktion in die Fruchtfolgen integriert werden. Auch der Anbau von bspw. Zuckerrüben wird – in Abhängigkeit von deren Absatzmengen – weiter vorwiegend industriell erfolgen.
Für Tierwirte und Tierwirtinnen gilt allerdings, dass eine nachhaltige Landwirtschaft arbeitsintensiver ist, als eine nicht nachhaltige Landwirtschaft, die auf Monokulturen und Massentierhaltung mit hoher Technisierung setzt. Bei gegenwärtig unter 1 Prozent am BIP und entsprechend wenig Arbeitsplätzen ist ein höherer Arbeitseinsatz gut begründbar nachhaltig. Zum Einen können die Tierwirt*innen von bspw. jahreszeitlich angepassten Arbeitsabläufen profitieren. Dazu gehört auch, Zeit im Freien und für die Beobachtung der Tiere aufzuwenden. Zum Anderen profitieren landwirtschaftlich geprägte Regionen (als lebensqualitätsbestimmende Umgebung der Tierwirt*innen) in vielfältiger Weise. Die Voraussetzungen für gesundes Leben (Boden, Wasser, Luft, Nahrung) werden positiv beeinflusst und davon abhängende touristische Angebote entsprechend ermöglicht.
Die Zielkonflikte die durch intensive Landwirtschaft, insbesondere die industrielle Tierproduktion entstehen, sind für Tierwirt*innen, die in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Betriebsstätten leben, direkt spürbar: Der Rückgang an Wildvögeln und -insekten ist so deutlich, wie erschreckend. Der Frühling ist tatsächlich beinahe stumm geworden. Obwohl Tierwirt*innen zur Ernährung beitragen und damit sowie mit ihren Tätigkeiten für die Tiere und die Mitwelt hohe Verantwortung tragen, sind die durch die Produktionsweisen verursachten Effekte genau gegenteilig zur beruflichen Intention (BMUV 2017, Umwelt im Unterricht, 2017).
Die Ergebnisse aktueller Forschungen zeigen die dringenden Handlungsfelder und mögliche alternative Lösungen auf. Die Tierproduktion muss bspw. Bestandteil der regionalen Gesamtbetrachtung und -planungen werden. Alle Medien, die als Voraussetzung genutzt und von den Tätigkeiten der Tierwirt*innen beeinflusst werden (Boden, Wasser, Luft), sind im Zusammenhang und zeitlichen Verlauf zu betrachten.
Daraus ergeben sich Perspektiven und “Spielräume” für die Anpassungen von Produktionsprozessen. So sind insbesondere die Einbindung der Wiederkäuer als Weidetiere bei der Grünlandnutzung und auch zur Wiedervernässung ehemaliger Moore wichtige Helfer. Die Umstellung der Tierhaltung an vorhandene Böden und Wasserkreisläufe anzupassen und die Nutzung von Feld, Wald und Landschaften (Grünland, Moore) gemeinsam mit anderen forst-landwirtschaftlich Aktiven auf wissenschaftlicher Basis zu gestalten, könnte Tierhaltung Zukunft geben (rbb 2021 ff).
Erhalt der Biodiversität
Während früher eine dezentrale und handwerkliche Landwirtschaft Arten- und Biotopvielfalt garantierte, droht heute das Gegenteil. “Die natürliche, aber auch die vom Menschen geschaffene und genutzte biologische Vielfalt, die so genannte Agrobiodiversität, geht zurück. Diese Entwicklung zeigt sich weltweit – auch in Deutschland. Der Erhalt und die Förderung der Artenvielfalt und Biodiversität sind auch für die Nahrungsmittelerzeugung zentrale Zukunftsaufgaben.” (BMEL 2022d)
Eine zentrale Rolle für die Biodiversität spielen Insekten. Im Frühjahr 2022 legte das BfN den neuen dritten Band der Roten Liste der gefährdeten Tierarten vor, in dem der Insektenbestand untersucht wurde (BfN 2022). Demnach sind in Deutschland ein Viertel der insgesamt 6.750 neu bewerteten Insektenarten in ihrem Bestand gefährdet. Darunter haben verschiedene Käferarten den größten Anteil. Aber auch Bienen- und Hummelarten sind bedroht. Von den ca. 550 Bienenarten, darunter Wildbienen, Honigbienen und Hummeln, sind 48 Prozent bestandsgefährdet oder bereits ausgestorben. Weitere 8 Prozent stehen auf der Vorwarnliste (Roteliste-Zentrum 2011).
Als Gründe für den Rückgang der Insektenbestände werden in der Literatur Versiegelung und Bebauung von Flächen, der Eintrag von Schadstoffen und Pflanzenschutzmitteln in die Ökosysteme sowie der Klimawandel genannt. Auch die Landwirtschaft hat daran einen Anteil. Durch Monokulturen, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und den Verlust von artenreichem Grünland, Hecken und Säumen gehen Lebensräume für Insekten, Plätze zur Überwinterung und Nahrungsquellen verloren (BMEL 2022d, BfN 2021). Andererseits ist die Landwirtschaft auf eine intakte Insektenpopulation angewiesen. Insekten übernehmen wichtige Aufgaben, wie die Bestäubung, aber auch die natürliche Schädlingsregulierung und tragen zur Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit bei (BfN 2021).
Verschiedene Maßnahmen im Rahmen der Landwirtschaft können zum Erhalt der biologischen Vielfalt und zu verbesserten Lebensbedingungen für Insekten beitragen (BMEL 2022d, BfN 2021):
- Erhalt von artenreichem Dauergrünland, Hecken, Streuobstwiesen und Säumen
- Anlegen von Blühstreifen mit insektenfreundlichen Pflanzen an den Feldrändern
- Reduktion von chemischen Pflanzenschutzmitteln durch alternative Methoden der Schädlingsbekämpfung, z. B. biologische Schädlingsbekämpfung
- weniger intensive Bewirtschaftungsformen
- reduzierte Düngung
Einen besonderen Beitrag zum Schutz der Artenvielfalt leistet der ökologische Landbau. Eine Studie des Thünen-Instituts zeigt, dass bei ökologischen Bewirtschaftungsformen deutlich positive Effekte für die Biodiversität feststellbar sind (Thünen 2019). Beispielsweise lagen die Artenzahlen der Ackerflora bei den untersuchten ökologisch bewirtschafteten Flächen um 95 Prozent höher als bei konventionellen Flächen. Die Zahl der blütensuchenden Insekten war um etwa ein Viertel höher (ebd.). Die positiven Effekte sind insbesondere auf die geringere Produktionsintensität der ökologischen Landwirtschaft zurückzuführen. Vor allem die kleineren Flächen, die geringeren Düngemittelmengen und der Verzicht auf Herbizide wirken sich günstig aus.
Ökologische Landwirtschaft
Die ökologische Landwirtschaft orientiert sich an den Prinzipien der Nachhaltigkeit und gilt als besonders ressourcenschonende und umweltfreundliche Form der Landbewirtschaftung. Sie folgt dem Prinzip eines weitgehend in sich geschlossenen Betriebskreislaufs. Dementsprechend wird die Bodennutzung und die Tierhaltung den vorhandenen Bedingungen vor Ort angepasst. Oft werden beide Produktionszweige (Tierhaltung und Pflanzenbau) innerhalb eines Betriebes miteinander verbunden. Das Handeln orientiert sich an der nachhaltigen Sicherung und Erhaltung der natürlichen Grundlagen wie Artenvielfalt, Böden, Klima und Gewässer (BÖLW o. J.). Die Regeln für den Öko-Landbau sind in der EU-Verordnung für den ökologischen Landbau festgelegt. Mit Inkrafttreten der neuen Verordnung EU 2018/848 am 1. Januar 2022 wurden die Durchführungsregeln für ökologisch wirtschaftende Betriebe neu aufgestellt. Die bisherigen Grundsätze bleiben auch in der neuen Verordnung bestehen, werden aber um einige Punkte ergänzt, z. B. um Regeln für ökologisch gezüchtete Sorten und Saatgut sowie ein Vorsorgekonzept zur Vermeidung der Verunreinigung von Bio-Waren mit nicht zugelassenen Stoffen (Ökolandbau 2022).
Wichtige Grundsätze des Öko-Landbaus sind:
- der Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel,
- der Verzicht auf Mineraldünger,
- eine schonende Bodenbearbeitung,
- kein Einsatz von Gentechnik,
- mehr Platz für die Tiere als bei konventioneller Tierhaltung, eine vielfältig gestaltete Umgebung mit Tageslicht und frischer Luft sowie
- keine präventive Verabreichung von Antibiotika in der Tierhaltung.
Mit ihrer nachhaltigen Wirtschaftsweise trägt die ökologische Landwirtschaft zu verschiedenen SDGs bei, insbesondere: Sauberes Wasser (SDG 6, Wasserschutz), Leben an Land (SDG 15, Schutz der Böden und Biodiversität), Maßnahmen zum Klimaschutz (SDG 13, auch Klimaanpassung) und Nachhaltige/r Konsum und Produktion (SDG 12). Die positiven Effekte der ökologischen Landwirtschaft in diesen Bereichen wurden in einer Studie des Thünen-Instituts (ebd. 2019) untersucht.
- Wasserschutz: Die Studie des Thünen-Instituts zeigt, dass die ökologische Landwirtschaft ein hohes Potenzial zum Schutz von Grund- und Oberflächengewässern aufweist (Thünen 2019). Die positiven Effekte entstehen vor allem dadurch, dass es bei ökologischer Bewirtschaftung zu einer geringeren Stickstoffauswaschung der Böden kommt und somit weniger Nährstoffe in die Gewässer gelangen. Bei einem Vergleich zwischen ökologisch und konventionell bewirtschafteten Flächen zeigt sich, dass bei ökologischen Betrieben die Stickstoffausträge im Mittel um 28 Prozent niedriger sind als bei konventionellen (ebd.: iii). Da der Öko-Landbau komplett auf den Einsatz von chemisch- synthetischen Pestiziden verzichtet, sind auch die aus Pestiziden entstehenden Gewässerbelastungen deutlich geringer als beim konventionellen Anbau.
- Bodenfruchtbarkeit: Auch in Bezug auf die Bodenfruchtbarkeit lassen sich messbare Vorteile des ökologischen Landbaus feststellen. Positive Effekte zeigen sich insbesondere in Bezug auf eine geringere Bodenverdichtung, geringere Versauerung und ein höheres Vorkommen von Bodenlebewesen. Beispielsweise sind die Biomassen von Regenwurmpopulationen bei ökologischen Flächen im Durchschnitt um 94 Prozent höher als bei konventionellen (Thünen 2019: iv).
- Biodiversität: Der ökologische Landbau weist deutliche Potenziale für den Erhalt und die Förderung der Biodiversität auf (siehe auch SDG 15 Leben an Land). Er wirkt positiv auf die Lebensräume von Pflanzen und Tieren. Diese vorteilhaften Effekte sind auf den Verzicht von Pestiziden, vielfältige Fruchtfolgen, reduzierte Stickstoff-Düngung und die Erhaltung und Pflege naturnaher Flächen zurückzuführen (LfL o. J.).
- Klimaschutz: Für den Klimaschutz ist es entscheidend, wie landwirtschaftliche Böden genutzt und bewirtschaftet werden (siehe auch SDG 13 Klimaschutz). In diesem Bereich sind vorteilhafte Effekte der ökologischen Landwirtschaft festzustellen. Bei ökologischer Bewirtschaftung weisen die Böden einen höheren Gehalt an Bodenkohlenstoff und eine höhere Kohlenstoffspeicherungsrate auf als vergleichbare konventionelle Flächen (Thünen 2019).
- Klimaanpassung: Der Beitrag der ökologischen Landwirtschaft zur Klimaanpassung zeigt sich u. a. in den Bereichen Erosionsvermeidung und Hochwasserschutz. Durch den erhöhten Humusgehalt und die erhöhte Aggregatstabilität der ökologisch bewirtschafteten Böden, kommt es hier zu einem geringeren Oberflächenabfluss und weniger Bodenabtrag (Kainz et al. 2009).
Die ökologische Landwirtschaft weist vielfältige Potenziale für eine nachhaltige Transformation der Landwirtschaft auf. Vor diesem Hintergrund wird diese Form der Bewirtschaftung von der deutschen Politik besonders gefördert. Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie gibt für das Jahr 2030 das Ziel vor, den Anteil der ökologischen Landwirtschaft auf mindestens 20 Prozent zu erhöhen. Im Koalitionsvertrag 2021 hat sich die Bundesregierung das Ziel gesetzt, den Anteil des Ökolandbaus an der gesamten landwirtschaftlich bewirtschafteten Fläche auf mindestens 30 Prozent zu erhöhen (UBA 2022e). Derzeit liegt der Anteil in Deutschland bei ca. 15 Prozent (BMEL 2023).
Bio-Futtermittel
Ein Blick auf die Wertschöpfungsanteile der Natur und von Menschen in Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion erleichtert die Einordnung der Bedeutung einzelner Aspekte (TEEB 2018, S. 26, Abb. 1.4). So geschieht das Wachstum der Biomasse aufgrund des zur Verfügung stehenden Süßwassers, von Bestäubung durch Insekten, natürlicher Schädlingsbekämpfung und bereits funktionierender Nährstoffkreisläufe (TEEB 2018).
Der Ökolandbau stellt neben anderen Produkten auch Futtermittel für nachhaltige Tierhaltung von etwa 2,61 Millionen Schweinen und etwa 0,90 Millionen Rinder in Deutschland bereit(Destatis 2023). Das sogenannte Feldfutter ist dabei einerseits wichtig für die Ernährung, insbesondere von Wiederkäuern. Zugleich wird damit in der Fruchtfolge die Qualität der Böden gesichert. Dazu gehören die Wasserhaltekraft, Stickstoffbindung und CO2-Speicherung im Boden. Die Durchwurzelung der Böden fördert die Humusbildung. Der Ausbau des ökologischen Landbau auf 30 Prozent bis zum Jahr 2030- so wie in der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung geplant, gelingt geplant, wird auch zu einem ausgedehnteren Feldfutterbau führen (BMEL 2019).
Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln
Pflanzenschutzmittel sind chemische oder biologische Wirkstoffe, die Pflanzen vor einer Schädigung durch Tiere oder Krankheiten schützen oder zur Bekämpfung von Unkräutern eingesetzt werden. Pflanzenschutzmittel werden in der Landwirtschaft großflächig und in verhältnismäßig großen Mengen in die Umwelt ausgebracht. Im Jahr 2019 wurden in Deutschland über 42.000 Tonnen Pestizide ausgebracht (Boell Stiftung 2022). Sie wirken toxisch auf die Schadorganismen (Unkräuter, Schädlinge, Pilze oder Bakterien). Allerdings ist die Wirkung der meisten Mittel nicht auf diese beschränkt. Pflanzenschutzmittel können sich auch auf andere Lebewesen und die natürlichen Ressourcen negativ auswirken und diese schädigen. Davon sind vor allem Insekten wie die Wildbienen betroffen. Eine Studie aus Kanada hebt hervor, dass Bienen auf Flächen, deren Böden mit Pestiziden behandelt wurden, im Vergleich zu unbehandelten Flächen deutlich weniger Pollen sammeln und weniger Nester bauen. Auf behandelten Böden bringen Wildbienen 89 Prozent weniger Nachkommen hervor und verringern somit die Bestäubung der Pflanzen (vgl. ökoreich 2021).
Tiere und Pflanzen kommen direkt auf dem Feld mit Pestiziden in Berührung. Aber es kommt auch zum Eintrag von Pflanzenschutzmitteln auf umliegende Felder und Gewässer. Wird ein Pflanzenschutzmittel auf einem Feld ausgebracht, können Spritznebel auf angrenzende Gebiete gelangen. Durch Abschwemmung nach Regenfällen können die Stoffe in Flüsse und Seen gelangen. Durch Versickerung können sie das Grundwasser verunreinigen (UBA 2015, BAFU 2015). Bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln können Umweltprobleme in verschiedenen Bereichen entstehen: Abbaubarkeit und Abbauverhalten in der Umwelt, Verschmutzung von Böden und Gewässern, Rückstände in der Nahrungskette und eine Störung des ökologischen Gleichgewichtes. Studien weisen darauf hin, dass der Einsatz von Pestiziden einer der wesentlichen Gründe für den Rückgang der Biodiversität – vor allem bei Insekten – ist (Geiger et al. 2010).
Im UN-Sonderbericht “Report of the Special Rapporteur on the right to food” (United Nations 2017: 9) heißt es zu den Gefahren von Pestiziden: “Pestizide können in der Umwelt über Jahrzehnte fortbestehen und ein weltweites Risiko für das gesamte Ökosystem darstellen, von dem die Nahrungsmittelproduktion jedoch abhängig ist. Exzessiver Einsatz und Missbrauch von Pestiziden resultiert in der Kontamination von umgebenden Ackerböden und Wasservorkommen, was einen Verlust der Biodiversität bedeutet, nützliche Insektenpopulationen zerstört, die als natürliche Feinde von Schädlingen fungieren und den Nährwert von Nahrungsmitteln reduziert.”
In den SDGs ist das Ziel der Erhaltung, Wiederherstellung und nachhaltigen Nutzung der Ökosysteme festgeschrieben (SDG 15). Parallelen gibt es auch zum SDG 2, in dem das Ziel festgelegt ist, bis 2030 die Nachhaltigkeit der Systeme der Nahrungsmittelproduktion sicherzustellen. Eine wesentliche Maßnahme hierfür ist es, den Einsatz und das Risiko von Pestiziden zu reduzieren.
Vor diesem Hintergrund wurde bereits im Jahr 2009 von der EU die sogenannte Pflanzenschutz-Rahmenrichtlinie (2009/128/EG) verabschiedet. Mit der Unterzeichnung der Richtlinie verpflichten sich die Mitgliedsstaaten zur nachhaltigen Verwendung von Pestiziden in der EU (Europäische Union 2009). Die Richtlinie schreibt weiterhin vor, nationale Aktionspläne aufzustellen, „mit denen quantitative Vorgaben, Ziele, Maßnahmen, Zeitpläne und Indikatoren zur Verringerung der Risiken und Auswirkungen der Verwendung von Pestiziden auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt festgelegt werden und die Entwicklung und Einführung eines integrierten Pflanzenschutzes sowie von alternativen Konzepten oder Techniken zur Verringerung der Abhängigkeit von der Verwendung von Pestiziden gefördert wird.“ (Europäische Union 2009).
Wege für einen Pflanzenschutz, der so weit wie möglich auf chemisch-synthetische Mittel verzichtet bzw. diese reduziert, zeigt der Nationale Aktionsplan Pflanzenschutz (NAP) auf. Zu den Maßnahmen für einen nachhaltigen Pflanzenschutz zählen folgende Punkte (BMEL 2022c):
- Pflanzenkrankheiten durch ackerbauliche Maßnahmen vorbeugen (z. B. durch Fruchtfolge, Sortenwahl, Schutz und Förderung von Nutzorganismen),
- nachhaltige und wirksame biologische Methoden bei der Bekämpfung von Schadorganismen bevorzugen (z. B. Einsatz von Nützlingen oder bestimmten Mikroorganismen zur Regulierung von Krankheiten und Schädlingen),
- physikalische und andere nicht-chemische Methoden bei der Bekämpfung von Schadorganismen bevorzugen (z. B. mechanische Unkrautbekämpfung mit Geräten wie Hacke oder Striegel, thermische Unkrautbekämpfung mit Hilfe von Abflammgeräten),
- die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln und anderen Bekämpfungsmethoden auf ein notwendiges Maß begrenzen,
- bei der Auswahl von Pflanzenschutzmitteln auf ein enges Wirkungsspektrum und geringe Nebenwirkungen für Mensch und Umwelt achten und
- bekannte Strategien zur Vermeidung von Resistenzen bei Pflanzenschutzmaßnahmen beachten.
Ein Beitrag zu einem möglichst effizienten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln kann mit Hilfe von digitalen Technologien erzielt werden (siehe SDG 12). So können mittels digitaler Technologien (z. B. Einsatz von Drohnen, Nutzung von Satellitendaten) Unkrautnester in einem Feld erkannt werden. Pflanzenschutzmittel können dann an diesen Punkten gezielt ausgebracht werden (Spot Spraying), anstatt das gesamte Feld zu behandeln.
Einen besonders großen Beitrag zum Ziel der Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln leistet der Öko-Landbau, da bei dieser Bewirtschaftungsart komplett auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel verzichtet wird. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der ökologische Landbau auf Maßnahmen zum Pflanzenschutz verzichtet. “Eines der Ziele des ökologischen Landbaus ist es, das Freisetzen gefährdender Substanzen so weit wie möglich zu vermeiden”, so Ökolandbau.de. Ein optimaler Pflanzenschutz soll durch Fruchtfolge, thermische, optische oder akustische Verfahren erreicht werden. Wenn dies nicht wirkt, sind bestimmte Pflanzenschutzmittel zugelassen. Beispielsweise können Bt-Bakterien oder ihre Sporen gespritzt werden oder Kupfersulfat als Mittel gegen Pilzbefall gespritzt werden (Nüsslein-Vollhard 2022).
Quellenverzeichnis
BAFU Bundesamt für Umwelt Schweiz (2015): Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf Mensch und Umwelt. Online: www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/chemikalien/dossiers/pflanzenschutzmittel/auswirkungen-von-pflanzenschutzmitteln-auf-mensch-und-umwelt.html
BfN – Bundesamt für Naturschutz (2021): Gezielte Insektenförderung für die Landwirtschaft ‒ mit Nützlingen Biodiversität und Produktivität verbinden. Online: biologischevielfalt.bfn.de/bundesprogramm/projekte/projektbeschreibungen/insektenfoerderung-fuer-die-landwirtschaft.html
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