Maler und Lackierer/Malerin und Lackiererin Ausbildung in Fachrichtung – Gestaltung und Instandhaltung
Einleitung
BBNE und BNE - Ziele der Projektagentur PA-BBNE
Das Ziel der „Projektagentur Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ (PA-BBNE) ist die Entwicklung von Materialien, die die um Nachhaltigkeit erweiterte neue Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ mit Leben füllen soll. Mit „Leben zu füllen“ deshalb, weil „Nachhaltigkeit“ ein Ziel ist und wir uns den Weg suchen müssen. Wir wissen beispielsweise, dass die Energieversorgung künftig klimaneutral sein muss. Mit welchen Technologien wir dies erreichen wollen und wie unsere moderne Gesellschaft und Ökonomie diese integriert, wie diese mit Naturschutz und Sichtweisen der Gesellschaft auszugestalten sind, ist noch offen.
Um sich mit diesen Fragen zu beschäftigen, entwickelt die PA-BBNE Materialien, die von unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden:
- Zum einen widmen wir uns der beruflichen Ausbildung, denn die nachhaltige Entwicklung der nächsten Jahrzehnte wird durch die jungen Generationen bestimmt werden. Die duale berufliche Ausbildung orientiert sich spezifisch für jedes Berufsbild an den Ausbildungsordnungen (betrieblicher Teil der Ausbildung) und den Rahmenlehrplänen (schulischer Teil der Ausbildung) . Hierzu haben wir dieses Impulspapier erstellt, das die Bezüge zur wissenschaftlichen Nachhaltigkeitsdiskussion praxisnah aufzeigt.
- Zum anderen orientieren wir uns an der Agenda 2030. Die Agenda 2030 wurde im Jahr 2015 von der Weltgemeinschaft beschlossen und ist ein Fahrplan in die Zukunft (Bundesregierung o. J.). Sie umfasst die sogenannten 17 Sustainable Development Goals (SDGs), die jeweils spezifische Herausforderungen der Nachhaltigkeit benennen (vgl. Destatis). Hierzu haben wir ein Hintergrundmaterial (HGM) im Sinne der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE, vgl. BMBF o. J.) erstellt, das spezifisch für unterschiedliche Berufe ist.
Die Materialien der Projektagentur
Die neue Standardberufsbildposition gibt aber nur den Rahmen vor. Selbst in novellierten Ausbildungsordnungen in Berufen mit großer Relevanz für wichtige Themen der Nachhaltigkeit wie z. B. dem Klimaschutz werden wichtige Fähigkeiten, Kenntnissen und Fertigkeiten in den berufsprofilgebenden Berufsbildpositionen nicht genannt – obwohl die Berufe deutliche Beiträge zum Klimaschutz leisten könnten. Deshalb haben wir uns das Ziel gesetzt, Ausbildenden und Lehrkräften Hinweise im Impulspapier zusammenzustellen im Sinne einer Operationalisierung der Nachhaltigkeit für die unterschiedlichen Berufsbilder. Zur Vertiefung der stichwortartigen Operationalisierung wird jedes Impulspapier ergänzt durch eine umfassende Beschreibung derjenigen Themen, die für die berufliche Bildung wichtig sind. Dieses sogenannte Hintergrundmaterial orientiert sich im Sinne von BNE an den 17 SDGs, ist faktenorientiert und wurde nach wissenschaftlichen Kriterien erstellt. Ergänzt werden das Impulspapier und das Hintergrundmaterial durch einen Satz von Folien, die sich den Zielkonflikten widmen, da „Nachhaltigkeit das Ziel ist, für das wir den Weg gemeinsam suchen müssen“. Und dieser Weg ist nicht immer gleich für alle Branchen, Betriebe und beruflichen Handlungen, da unterschiedliche Rahmenbedingungen in den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – Ökonomie, Ökologie und Soziales – gelten können. Wir haben deshalb die folgenden Materialien entwickelt:
- BBNE-Impulspapier (IP): Betrachtung der Schnittstellen von Ausbildungsordnung, Rahmenlehrplan und den Herausforderungen der Nachhaltigkeit in Anlehnung an die SDGs der Agenda 2030. Das Impulspapier ist spezifisch für einen Ausbildungsberuf erstellt, fasst aber teilweise spezifische Ausbildungsgänge zusammen (z. B. den Fachmann und die Fachfrau zusammen mit der Fachkraft sowie die verschiedenen Fachrichtungen)
- BBNE-Hintergrundmaterial (HGM): Betrachtung der SDGs unter einer wissenschaftlichen Perspektive der Nachhaltigkeit im Hinblick auf das Tätigkeitsprofil eines Ausbildungsberufes bzw. auf eine Gruppe von Ausbildungsberufen, die ein ähnliches Tätigkeitsprofil aufweisen;
- BBNE-Foliensammlung (FS) und Handreichung (HR): Folien mit wichtigen Zielkonflikten – dargestellt mit Hilfe von Grafiken, Bildern und Smart Arts für das jeweilige Berufsbild, die Anlass zur Diskussion der spezifischen Herausforderungen der Nachhaltigkeit bieten. Das Material liegt auch als Handreichung (HR) mit der Folie und Notizen vor.
Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung
Die Standardberufsbildposition “Umweltschutz und Nachhaltigkeit”
Die Standardberufsbildposition “Umweltschutz und Nachhaltigkeit”
Seit August 2021 müssen auf Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) bei einer Modernisierung von Ausbildungsordnungen die vier neuen Positionen „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“, Digitalisierte Arbeitswelt“, Organisation des Ausbildungsbetriebs, Berufsbildung, Arbeits- und Tarifrecht“ sowie „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“ aufgenommen werden (BIBB 2021). Insbesondere die letzten beiden Positionen unterscheiden sich deutlich von den alten Standardberufsbildpositionen.
Diese Positionen begründet das BIBB wie folgt (BIBB o. J.a): „Unabhängig vom anerkannten Ausbildungsberuf lassen sich Ausbildungsinhalte identifizieren, die einen grundlegenden Charakter besitzen und somit für jede qualifizierte Fachkraft ein unverzichtbares Fundament kompetenten Handelns darstellen“ (ebd.).
Die Standardberufsbildpositionen sind allerdings allgemein gehalten, damit sie für alle Berufsbilder gelten (vgl. BMBF 2022). Eine konkrete Operationalisierung erfolgt üblicherweise durch Arbeitshilfen, die für alle Berufsausbildungen, die modernisiert werden, erstellt werden. Die Materialien der PA-BBNE ergänzen diese Arbeitshilfen mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit und geben entsprechende Anregungen (vgl. BIBB o. J.b). Das Impulspapier zeigt vor allem in tabellarischen Übersichten, welche Themen der Nachhaltigkeit an die Ausbildungsberufe anschlussfähig sind.
Die neue Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ ist zentral für eine BBNE, sie umfasst die folgenden Positionen (BMBF 2022).
a) “Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
c) für den Ausbildungsbetrieb geltende Regelungen des Umweltschutzes einhalten
d) Abfälle vermeiden sowie Stoffe und Materialien einer umweltschonenden Wiederverwertung oder Entsorgung zuführen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren”
Die Schnittstellen zwischen der neuen Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit” werden in
fortlaufend aufgezeigt. Mit Ausnahme der Position c) werden in der Tabelle alle Positionen behandelt. Die Position c) wird nicht behandelt, da diese vor allem ordnungsrechtliche Maßnahmen betrifft, die zwingend zu beachten sind. Maßnahmen zur Nachhaltigkeit hingegen sind meist freiwillige Maßnahmen und können, müssen aber nicht durch das Ordnungsrecht geregelt bzw. umgesetzt werden. In der Tabelle werden die folgenden Bezüge hergestellt:
- Spalte A: Positionen der Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit”;
- Spalte B: Vorschläge für Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten, die im Sinne der nachhaltigen Entwicklung wichtig sind;
- Spalte C: Bezüge zur Nachhaltigkeit;
- Spalte D: Mögliche Aufgabenstellungen für die Ausbildung im Sinne der Position 3e) „Vorschläge für nachhaltiges Handeln entwickeln“;
- Spalte E: Zuordnung zu einem oder mehreren SDGs (Verweis auf das Hintergrundmaterial).
Bildung für nachhaltige Entwicklung
Glossar
Folgende Abkürzungen werden in diesem Dokument verwendet:
Abkürzung | Bezeichnung |
AO | Ausbildungsordnung |
BMUV | Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit |
Care | Segment der AHV, hier: Krankenhäuser, Pflegeheime |
CO2-Äq | Kohlendioxid-Äquivalente |
FS | Foliensammlung |
HGM | Hintergrundmaterial (wissenschaftliches Begleitmaterial) |
IP | Impulspapier (didaktisches Begleitmaterial) |
KI | Künstliche Intelligenz |
ÖPNV | Öffentlicher Personennahverkehr |
RLP | Rahmenlehrplan |
SBBP | Standardberufsbildposition |
SDG | Sustainable Development Goals |
THG | Treibhausgase bzw. CO2-Äquivalente (CO2-Äq) |
Quellenverzeichnis
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (2021): Vier sind die Zukunft. Online: www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/show/17281
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (o. J.a): FAQ zu den modernisierten Standardberufsbildpositionen. Online: https://www.bibb.de/de/137874.php
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (o. J.b): Ausbildung gestalten. Online: BIBB / Reihen / Ausbildung gestalten
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: https://www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (o. J.): Was ist BNE? Online: https://www.bne-portal.de/bne/de/einstieg/was-ist-bne/was-ist-bne.html
Bundesregierung (o. J.): Globale Nachhaltigkeitsstrategie – Nachhaltigkeitsziele verständlich erklärt. Online: www.bundesregierung.de/breg-de/themen/nachhaltigkeitspolitik/nachhaltigkeitsziele-verstaendlich-erklaert-232174
Destatis Statistisches Bundesamt (2022): Indikatoren der UN-Nachhaltigkeitsziele. Online: http://sdg-indikatoren.de/
SDG 3 Gesundheit und Wohlergehen
“Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern”
Um das Menschenrecht auf Gesundheit auszuüben, bestehen in Deutschland ungleich größere und zuverlässigere Chancen als in den Abbauländern beispielsweise, wo einige der im SDG 3 benannten Themen – Mütter- und Kindersterblichkeit, übertragbare Krankheiten wie AIDS oder TBC vermeiden, Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen, selbstbestimmte Familienplanung – ein immenses Problem darstellen. In den westlichen Industrieländern besteht jedoch die Herausforderung, Wohlstandsrisiken entgegenzuwirken. Hierzu zählen beispielsweise die psychische Gesundheit, worunter auch der Missbrauch von Suchtstoffen oder suchthaftes Verhalten zu verstehen ist, auf diese wird an dieser Stelle nicht im Detail Bezug genommen. (SDG 3.4, 3.5)
Der Bezug zwischen SDG 3 und dem Maler- und Lackiererhandwerk lässt sich vor allem über das Unterziel 3.9 herleiten:
3.9 “Bis 2030 die Zahl der Todesfälle und Erkrankungen aufgrund gefährlicher Chemikalien und der Verschmutzung und Verunreinigung von Luft, Wasser und Boden erheblich verringern”
Dies bedeutet zum einen, dass Gesundheitsrisiken für Maler*innen und Lackierer*innen betrachtet werden müssen, da sie mit vielfältigen Stoffen alltäglich umgehen. Zum anderen bedeutet dies aber auch, dass das SDG 3.9 auch unter dem Aspekt der Rohstoffgewinnung betrachtet werden muss. Hier ist der Fokus auf die Menschen gerichtet, die in Regionen arbeiten, in denen der Rohstoffabbau für Farben und Lacke betrieben wird. Dies erfolgt z. B. in Madagaskar unter umweltgefährlichen und ausbeuterischen Bedingungen (Behrend,2022).
Die SDG 3 spiegelt sich in den Nummern 3a -c, e der Standardberufsbildpositionen (BGBl 2022) wieder:
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
e) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Die Verbindung des Malerhandwerks zum SDG 3 lässt sich durch verschiedene Umstände begründen. Zum einen aus dem Umstand, dass das Malerhandwerk zum Arbeiten Farben, Lacke und andere Baustoffe benötigt, die häufig mit Lösemitteln oder anderen umweltschädigenden Stoffen versetzt sind, welche jedoch die Verarbeitung sowie auch den Schutz der Bausubstanz gewährleisten. Zum anderen, dass eine Kontamination der Umwelt und Umgebung niemals vollends ausgeschlossen werden kann. Dies liegt unter anderem daran, dass z. B. Beschichtungen niemals komplett abriebfest sind. Beschichtungsstoffe sind häufig nicht umweltverträglich. Dieses Problem verschärft sich eklatant, wenn für bestimmte Anwendungsgebiete keine alternativen Produkte vorhanden sind.
Gesundheitsbelastungen von Maler*innen und Lackierer*innen
Der Gesundheitszustand der Maler wird u. a. vom Arbeitsmedizinischen Dienst der BG Bau erhoben (ebd. o. J.). Auf Basis von ca. 6.500 Untersuchungen wurde festgestellt, dass “Maler leiden am häufigsten unter Erkrankungen des Muskel- und Skelettsystems (26 Prozent), des Herz- und Kreislaufsystems (23 Prozent) und Hörstörungen (20 Prozent)”. Als Ursachen geben die Betroffenen das Heben schwerer Lasten, Lärm und körperliche Schwerarbeit an. Bringt man dies in Verbindung mit anderen Faktoren wie Rauchen (50 Prozent der Maler), erhöhte Cholesterinwerte (26 Prozent) sowie Übergewicht mit (17 Prozent).
Im Handwerksbericht liegt der Krankenstand 2020 bei AOK-versicherten Beschäftigten des Malerhandwerks bei 6,15 Prozent in der oberen Gruppe der Bauberufe (vgl. BGF und AOK 2022). Zum Vergleich: Spitzenreiter sind Maurer 8,39 Prozent und Gerüstbauer 8,24 Prozent. Hier finden sich auch die höchste Zahl der Arbeitsunfälle mit ca. 194 je 100 Versicherungsjahre (ebd.). Auch hier liegen die Erkrankungen im Schwerpunkt auf Muskel-Skeletterkrankungen und psychischen Erkrankungen. Deutlich zeigt sich aber die Gesundheitsgefährdung bei den Atemwegserkrankungen (305,9 Ausfalltage pro 100 Versicherungsjahren), die von BGF und AOK dem Arbeiten unter anderem mit Staub und Lösungsmitteldämpfen in Verbindung gebracht werden.
Nutzung von Titandioxid
Das Pigment, welches zur Zeit als Weißpigment regelrecht ein Marktmonopol hält, ist Titandioxid. Mordor schätzt den Weltmarkt auf ca. 6 Mio. t pro Jahr (ebd. 2022). Die Haupteinsatzgebiete von Titandioxid liegen im Bereich der Beschichtungen wie Lacke und Anstriche, gefolgt von Kunststoffeinfärbungen und Laminatpapieren. Farbige Kunststoffprodukte und Lacke enthalten in der Regel ebenfalls Weißpigmente, um ein hohes Deckvermögen und Helligkeit zu erreichen. Eine Nutzung von Titandioxid in Lebensmitteln, Kosmetika (als UV-Filter bei Sonnencreme) oder anderen Stoffen mit häufigem Hautkontakt wie Zahnpasta ist auch üblich. Hier wird Titandioxid als Lebensmittelzusatzstoff E171 bezeichnet. Als Leichtbauwerkstoff und wegen seiner hohen Festigkeit (Ferro-Titan) dient Titan in der Luft- und Raumfahrtindustrie aber auch für Konstruktionsteile in Maschinen, Fahrzeugen und Schiffen. Es wird auch in der Medizintechnik, im Elektronikbereich und in Akkumulatoren verwendet (vgl. BGR, 2021). Allerdings dominieren Farben und Lacke den Markt, der größte Teil wird in der Region Asien-Pazifik eingesetzt.
Gesundheitsrisiken von Titandioxid
Seit einigen Jahren wird Titandioxid jedoch hinsichtlich der Umwelt- und Gesundheitswirkungen kritisch gesehen. Die Diskussion und Einstufung wurde für pulverförmige Partikel in einer Teilchengröße kleiner 10 µm durch den Europäischen Gerichtshof jedoch widerrufen (curia.europa.eu, 2022).
In Farben und Lacken war und ist das Pigment im Bindemittel fest gebunden. Jegliche kleine Partikel können in die Lunge vordringen, deshalb gibt der allgemeine Staubgrenzwert (ASGW) die Schutzmaßnahmen bei Schleifstaub vor (DGUV o. J.). Im Profibereich sind für Schleifarbeiten absaugende Maschinen, kombiniert mit einem Entstauber, als Standard anzusehen.
Unabhängig vom o.g. Urteil ist seit dem 7. August 2022 die Anwendung von Titandioxid in Lebensmitteln im europäischen Wirtschaftsraum nicht mehr zulässig.
Umweltgefahren der Rohstoffgewinnung
Titandioxid wird aus verschiedenen Mineralen gewonnen, wobei Ilmenit (auch Titaneisen genannt) das häufigste ist. Die Titanproduktion erfolgte 2014 zu 90 Prozent aus Ilmenit und zu 10 Prozent aus Rutil. Aus dem Mineral Ilmenit wird das Titan mit Chlor und Kohle bei Temperaturen von 1.000 oC in Titantetrachlorid umgewandelt, um dann mit flüssigem Magnesium zu Titanschwamm reduziert zu werden. Der Prozess verbraucht sehr viel Energie und erzeugt hohe Emissionen (Miedler 2015). Weltweit werden 2021 Titanmineralien mit einem Gehalt an Titandioxid von ca. 7,8 Millionen Tonnen gewonnen (statista 2022) Die größten Produzenten sind China mit fast 40 Prozent (3 Mio. t), Südafrika (1,1 Mio. t), Mozambique (ca. 1 Mio. t) und Kanada (0,6 Mio. t, statista 2022). Auch wenn keine aktuellen Daten für die spezifische Verwendung vorliegen, so haben ältere Untersuchungen gezeigt, dass mehr als die Hälfte der Produktionsmenge in Lacken eingesetzt wird, gefolgt von Polymeren und Papier (vgl. Forum-titandioxd o. J.) 70 Prozent der Weltproduktion an Titandioxid wurden 2014 von fünf Herstellern der westlichen Welt hergestellt (JOT 2021).
Der Abbau von Titandioxid hat wie die meisten Mineralien, die im Bergbau gewonnen werden, die gleichen Probleme hinsichtlich der Umweltwirkungen und deren Folgen für die Beschäftigten als auch für die regionale Bevölkerung. Solange keine Umweltschutzauflagen vorhanden sind oder vorhandene nicht umgesetzt werden, führen Bergbauprojekte weltweit zu lokalen oder regionalen Umwelt- und Gesundheitsproblemen. Dies lässt sich auch an einem Beispiel für Titandioxid zeigen.
Im Süden Madagaskars liegt eine gemeinschaftliche Titandioxid-Mine des Bergbaukonzerns Rio Tinto und dem madagassischen Staat. “Mit einem großen Bergbauprojekt sollte ihre Armut bekämpft werden – das versprach die Regierung den umliegenden Gemeinden. Die Menschen, die von der Fischerei, dem eigenen Landanbau und von der Weberei aus Mahamy-Schilf leben, verlieren ihr Land, den Zugang zum Wald, die Versorgung mit sauberem Wasser. Ihr Einkommen hat sich seit dem Bau der Mine halbiert.Im Februar und März 2022 brachen nach starken Regenfällen zwei Dämme. Um den kompletten Einsturz zu verhindern, wurde aus dem Sammelbecken der Mine eine Million Liter Abwasser abgelassen. Die giftigen Abwässer verursachten ein Fischsterben. Ein Fischfangverbot wurde für fast drei Monate ausgesprochen. In unabhängigen Studien wurden flussabwärts deutlich erhöhte Blei- und Urankozentrationen nachgewiesen (Behrend 2022:8).
Möglicherweise könnten die Umweltwirkungen der Titandioxid-Herstellung deutlich gemindert werden, wenn natürliches Rutil für die Herstellung genutzt werden würde (Minenportal 2021). Eine Ökobilanz für Sovereign Metals Ltd. hat gezeigt, dass natürliches Rutil mit deutlichen Umweltvorteilen aufgearbeitet werden kann: “Pro verwendeter Tonne natürlichen Rutils könnten im Vergleich zur Veredelung von Ilmenit durch Schmelzen und chemische Prozesse zu hochgradigen Titanrohstoffen wie Titanschlacke und synthetischem Rutil bis zu 2,8 Tonnen CO2-Äquivalent eingespart werden” (ebd.)
Alles in allem liegen jedoch nur wenige Informationen über die Umweltgefahren bei der Titandioxidgewinnung vor. Dieses wird zum einen zum größten Teil in Ländern wie China und Mozambique gewonnen, zu denen unabhängige Institutionen keinen ungehinderten Zugang haben. Andere Produzenten wie Norwegen, Kanada und Australien hingegen verfügen über hohe Umweltstandards. Deshalb ist es schwierig, die direkten Folgen des Bergbaus einzuschätzen. Allerdings ist die Informationslage über die Herkünfte meist nur schwierig zu bestimmen, insbesondere gilt dies für kleine Betriebe.
Quellenverzeichnis
Arbeitsmedizinischer Dienst der BG Bau ( o. J.). Betriebsärztlicher Gesundheitsbericht für Maler. 10. Bericht S.:3-6. Online: https://www.bgbau.de/fileadmin/Themen/Arbeitsschutz/Arbeitsmedizin_Vorsorge/Gesundheitsbericht-Maler.pdf
Behrend, Bettina (2022): „Diese Mine zerstört unsere Existenz!“, in: Regenwald Report, Ausgabe: 03/22: S.8:Online: https://www.regenwald.org/regenwaldreport/2022/614/diese-mine-zerstoert-unsere-existenz
BGF und AOK: Branchenbericht Handwerk. Online: https://www.bgf-institut.de/fileadmin/redaktion/downloads/gesundheitsberichte/aktuelle_Gesundheitsberichte/2022/BGF_Handwerk_2022_Einzelseiten.pdf
BGR – Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (2021): Deutschland – Rohstoffsituation 2020 – 158, S.42; Hannover.
Europäischer Gerichtshof (2022), Pressemitteilung 190/22, online: www.curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2022-11/cp220190de.pdf
DGUV- Deutsche gesetzliche Unfallversicherung (2022, o. J.) Online: www.dguv.de/staub-info/rechtsgrundlagen/grenzwerte/asgw/index.jsp
Horber, Matthias (2011): “Wird Weiß unerschwinglich?”, in JOT Journal für Oberflächentechnik, 51(8), S. 8–9. doi:10.1365/s35144-011-0140-4
Minenportal (2021): Studien bestätigen, dass Sovereigns natürlicher Rutil die globalen CO2-Emissionen der Titanbranche entscheidend senken könnte. Online: https://www.minenportal.de/artikel/340889–Studien-bestaetigen-dass-Sovereigns-natuerlicher-Rutil-die-globalen-CO2-Emissionen-der-Titanbranche-entscheidend-senken-koennte.html
Mordor Intelligence (2022): Online: https://www.mordorintelligence.com/de/industry-reports/titanium-dioxide-market
statista (2022): Minenproduktion von Titanmineralien weltweit im Jahr 2021 nach Ländern. Online: https://www.statista.com/statistics/759972/mine-production-titanium-minerals-worldwide-by-country/
Forum Titandioxid (2022): Online: https://forum-titandioxid.de/2020/03/12/sachlage-zu-titandioxid-und-titandioxidhaltigen-farben-und-lacken/
SDG 4 Hochwertige Bildung
“Inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten lebenslangen Lernens für alle fördern”
Das SDG zielt primär auf die globale Entwicklung von guten Bildungssystemen ab. Im Berufsbildungssystem ist Deutschland weltweit führend – trotz einiger Defizite wie Personalausstattung, Digitalisierung oder knappe Investitionsbudgets – viele Länder versuchen ein ähnliches Berufsbildungssystem wie in Deutschland aufzubauen. Insofern ist vor allem das Unterziel 4.7 relevant:
Bis 2030 sicherstellen, dass alle Lernenden die notwendigen Kenntnisse und Qualifikationen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung erwerben, unter anderem durch Bildung für nachhaltige Entwicklung und nachhaltige Lebensweisen, Menschenrechte, Geschlechtergleichstellung, eine Kultur des Friedens und der Gewaltlosigkeit, Weltbürgerschaft und die Wertschätzung kultureller Vielfalt und des Beitrags der Kultur zu nachhaltiger Entwicklung
Das SDG 4 spiegelt sich in der fachlichen Unterrichtung der Stichpunkte der anderen SDG wieder, mündet aber in den Positionen e und f der neuen Standardberufsbildposition (BMBF 2022):
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
10 “Goldene Handlungsregeln” für eine BBNE
Die Nachhaltigkeitsforschung und die Bildungswissenschaften haben inzwischen umfassende Erkenntnisse gesammelt, wie eine berufliche Bildung für Nachhaltigkeit gefördert werden kann (vgl. u. a. vgl. Schütt-Sayed u.a. 2021; Kastrup u. a. 2012; Melzig u. a. 2021). Das Ergebnis sind die folgenden 10 didaktischen Handlungsregeln, die das Berufsbildungspersonal dabei unterstützen, Lehr-/Lernprozesse zielgruppengerecht und angemessen zu gestalten. Diese insgesamt 10 Handlungsregeln lassen sich in vier Schritten zuordnen.
Schritt 1 – Richtig anfangen:
Identifizierung von Anknüpfungspunkten für BBNE
1) Ansatzpunkte: Fordern Sie die Verantwortung im eigenen Wirkungsraum heraus, ohne die Berufsschüler und Berufsschülerinnen mit „Megaproblemen“ zu überfordern!
2) Anknüpfungspunkte: Die Curricula sind Grundlage der Lehr-/Lernprozesse – es kommt darauf an, sie im Sinne der Nachhaltigkeit neu zu interpretieren!
3) Operationalisierung: Nachhaltigkeit ist kein „Extra- Thema“, sondern ein integraler Bestandteil des beruflichen Handelns!
Um nachhaltigkeitsorientierte Lehr-/Lernarrangements zu entwickeln, sind zunächst Anknüpfungspunkte für Nachhaltigkeit in den betrieblichen Abläufen zu identifizieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Ausbildungsordnungen und Lehrpläne die rechtliche Grundlage der beruflichen Bildung sind. Es gilt diese im Sinne der Nachhaltigkeit zu interpretieren, sofern nicht bereits konkrete Nachhaltigkeitsbezüge enthalten sind.
Wichtig ist dabei, dass Auszubildende nicht mit den „Megaproblemen“ unserer Zeit überfordert werden, sondern zur Verantwortung im eigenen Wirkungsraum herausgefordert werden – sowohl im Betrieb als auch im Privaten. Denn Auszubildende sind selbst Konsument/-innen, die durch eine angeleitete Reflexion des eigenen Konsumverhaltens die Gelegenheit erhalten, ihre „Wirkungsmacht“ im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit in ihrer eigenen Branche zu verstehen.
Schritt 2 – Selbstwirksamkeit schaffen:
Eröffnung von Nachhaltigkeitsorientierten Perspektiven
4) Handlungsfolgen: Berufliches Handeln ist nie folgenlos: Machen Sie weitreichende und langfristige Wirkungen erkennbar!
5) Selbstwirksamkeit: Bleiben Sie nicht beim „business as usual“, sondern unterstützen Sie Schüler*innen dabei, Alternativen und Innovationen zu entdecken!
6) Zielkonflikte: Verstecken Sie Widersprüche nicht hinter vermeintlich einfachen Lösungen, sondern nutzen Sie sie als Lern- und Entwicklungschancen!!
7) Kompetenzen: Bildung für nachhaltige Entwicklung verbindet Wahrnehmen, Wissen, Werten und Wirken!
Im nächsten Schritt sind nachhaltigkeitsorientierte berufliche Perspektiven für die Auszubildenden zu eröffnen. Diese sollten an einer positiven Zukunftsvision und an Lösungen orientiert sein. Auszubildenden sind dabei die weitreichenden Wirkungen ihres Handelns vor Augen zu führen. Sie sollen verstehen können, warum ihr Handeln nicht folgenlos ist. Das bedeutet gleichzeitig, Auszubildenden die positiven Folgen eines nachhaltigen Handelns vor Augen zu führen. In diesem Zusammenhang ist die Selbstwirksamkeitserfahrung von großer Bedeutung. Sie ist eine der Voraussetzungen, um motiviert zu handeln. Auszubildende dabei zu unterstützen, Alternativen zum nicht-nachhaltigen Handeln zu erkennen und Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung zu entdecken, sollte dabei für Lehrpersonen selbstverständlich sein. Dabei ist immer die individuelle Motivation der Auszubildenden entscheidend, denn zum nachhaltigen Handeln braucht es nicht nur Wissen (Kopf), sondern auch authentisches Wollen (Herz). Wesentlich ist hierbei die Gestaltung ganzheitlicher Lernprozesse, die sowohl den kognitiven als auch den affektiven und psychomotorischen Bereich einbeziehen (vgl. Költze, S.206).
Schritt 3 – Ganzheitlichkeit:
Gestaltung transformativer Lernprozesse
8) Lebendigkeit: Ermöglichen Sie lebendiges Lernen mit kreativen und erfahrungsbasierten Methoden!
9) Beispiele: Nutzen Sie motivierende Beispiele: Sprechen Sie über Erfolgsgeschichten, positive Zukunftsvisionen und inspirierende Vorbilder!
Aber wie können Lernsituationen in der Praxis so gestaltet werden, dass sie ganzheitlich aktivierend für die Auszubildenden sind? Es sollte ein lebendiges Lernen mit Hilfe kreativer, erfahrungsbasierter Methoden ermöglicht werden. Dies ist ein grundlegender (kein neuer) didaktischer Ansatz für die Förderung einer nachhaltigkeitsorientierten Handlungskompetenz. Im Kern bedeutet dies: Lernen mit Lebensweltbezug, welches ausgerichtet ist auf individuelle Lebensentwürfe und das eigene (auch künftige) berufliche Handlungsfeld, z. B. indem Recherchen im eigenen Unternehmen zu Möglichkeiten der Energieeinsparung durchgeführt werden. Lernen soll vor diesem Hintergrund vor allem unter Berücksichtigung der Sinne stattfinden, d. h. mit Körper und Geist erfahrbar sowie sinnlich-stimulierend sein. Die Auszubildenden sollen sich dabei zudem als Teil einer gestalterischen Erfahrungsgemeinschaft erleben. Dies kann durch gemeinsame Reflexionen über das eigene Verhalten und persönliche Erfahrungen gefördert werden, beispielsweise durch die Entwicklung und Verkostung eigener Lebensmittelkreationen unter Nachhaltigkeitsaspekten. Hierfür muss unbestritten immer auch der „Raum“ zur Verfügung stehen (siehe z.B. Hantke 2018 „‘Resonanzräume des Subpolitischen‘ als wirtschaftsdidaktische Antwort auf ökonomisierte (wirtschafts-)betriebliche Lebenssituationen“). Ebenso können motivierende Beispiele helfen – wie z. B. Erfolgsgeschichten und inspirierende Vorbilder.
Schritt 4 – Lernort Betrieb:
Entwicklung nachhaltiger Lernorte
10) Lernende Organisationen: Auch Organisationen können „Nachhaltigkeit lernen“: Entwickeln Sie Ihre Institution Schritt für Schritt zum nachhaltigen Lernort!
Schließlich geht es im vierten Schritt darum, den Lernort in den Blick zu nehmen und diesen als nachhaltigen Lernort zu gestalten. Den gesamten Betrieb nachhaltig auszurichten ist u. a. deshalb entscheidend, da andernfalls die an Nachhaltigkeit orientierten Inhalte der Ausbildung wenig glaubwürdig für Auszubildende sind. Der Betrieb als Institution sollte dafür an einem gemeinschaftlichen Leitbild ausgerichtet sein, welches neben den üblichen ökonomischen auch soziale und ökologische Ziele beinhaltet. So kann BBNE überzeugend in die Organisation integriert und vom betrieblichen Ausbildungspersonal umgesetzt werden.
Quellenverzeichnis
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
Kastrup, Julia; Kuhlmeyer, Werner; Nölle-Krug, Marie (2022): Aus- und Weiterbildung des betrieblichen Bildungspersonals zur Verankerung einer Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. In: MICHAELIS, Christian; BERDING, Florian (Hrsg.): Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Umsetzungsbarrieren und interdisziplinäre Forschungsfragen. Bielefeld 2022, S. 173-189
Költze, Horst (1993): Lehrerbildung im Wandel. Vom technokratischen zum humanen Ausbildungskonzept. In Cohn, Ruth C.; Terfurth, Christina (Hrsg.): Lebendiges Lehren und Lernen. TZI macht Schule. Klett-Cotta. S. 192 – 212
Handke, Harald (2018): „Resonanzräume des Subpolitischen“ als wirtschaftsdidaktische Antwort auf ökonomisierte (wirtschafts-)betriebliche Lebenssituationen – eine Forschungsheuristik vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeitsidee. In bwp@Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online (Nr. 35), 2018, S. 1-23.
Melzig, Christian; Kuhlmeyer, Werner; Kretschmer, Susanne (Hrsg. 2021): Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Die Modellversuche 2015–2019 auf dem Weg vom Projekt zur Struktur. Bonn 2021. Online: https://www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/show/16974
Schütt-Sayed, Sören; Casper, Marc; Vollmer, Thomas (2021): Mitgestaltung lernbar machen – Didaktik der Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. In: Melzig, Christian; Kuhlmeier, Werner; Kretschmer, Susanne (Hrsg.): Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Die Modellversuche 2015–2019 auf dem Weg vom Projekt zur Struktur. S. 200-227. Online: https://www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/show/16974
SDG 6 Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen
“Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärversorgung für alle gewährleisten”
6.3 “Bis 2030 die Wasserqualität durch Verringerung der Verschmutzung, Beendigung des Einbringens und Minimierung der Freisetzung gefährlicher Chemikalien und Stoffe, Halbierung des Anteils unbehandelten Abwassers und eine beträchtliche Steigerung der Wiederaufbereitung und gefahrlosen Wiederverwendung weltweit verbessern die Verhinderung der Verschmutzung der Wasserressourcen”
6.6 Schutz der Ökosysteme.
Die Schnittmenge für das SDG 6 ergibt sich aus den Nummern a -d, f der Standardberufsbildposition (BGBl 2022):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
d) Abfälle vermeiden sowie Stoffe und Materialien einer umweltschonenden Wiederverwertung oder Entsorgung zuführen
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Besonders relevant für Deutschland ist das Unterziel 6.3 der Verschmutzung der Wasserressourcen. Deutschland ist ein sehr wasserreiches Land, das seinen Bedarf von 20 Milliarden Kubikmetern (UBA 2022) – außer beim Import von Mineralwasser – aus eigenen Ressourcen deckt. Grundwasser, Fließgewässer und Seen decken sowohl den industriellen-gewerblichen und Bergbaubedarf (ca. 27 Prozent), den Bedarf für die Energieversorgung (ca.44 Prozent) als auch die öffentliche Wasserversorgung (ca. 27 Prozent) ausreichend ab. Zudem verfügt Deutschland über eine hohe Ausbaustufe der Abwasserreinigung. Das SDG 6 ist mit unserer Produktion, Verarbeitung von Farben, Lacken, Produkten und Arbeitsbereichen direkt und indirekt über die Aspekte “Wasserqualität” und “Blaues und Graues Wasser” verbunden. Die Blitzlicht Studie “Gewässer und Seen in Deutschland 2022” ergab, dass bereits viele Seen unter den Auswirkungen menschlicher Aktivitäten und zugenommenen Nutzungsansprüchen leiden und somit verwundbarer gegenüber den negativen Auswirkungen des Klimawandels sind. Auch die steigenden Wassertemperaturen sowie die veränderte Hydrologie verringern die Widerstandskraft der Gewässer (vgl. BMUV 2022).
Jede Person in Deutschland verbraucht täglich zum Trinken, Waschen, Putzen und Kochen ca. 130 Liter Wasser. Der konsum induzierte Wasserverbrauch liegt täglich bei ca. 7.200 Liter pro Kopf.
Zahlreiche der im Malerhandwerk verwendeten Beschichtungen und Bauchemie können bei unsachgemäßer Verwendung, Entsorgung als umweltunverträglich eingestuft werden. Das Verstehen der Zusammenhänge dieses globalen Systems ist ein wichtiges Ziel im Bereich der Aus- und Weiterbildung. Die sich hierbei ergebenden Zielkonflikte mit anderen Dimensionen der Nachhaltigkeit sind zu diskutieren.
Ein weggeworfener Zigarettenstummel in der Pause oder eines wartenden Kundens auf dem Hof kann bis zu 1000 l Wasser verunreinigen (BUND-Bremen o. J.). 2/3 aller gerauchten Zigarettenstummel landen auf dem Boden. Im Filter stecken die hochkonzentrierten Giftstoffe. Sobald die Filter (konventionell aus Kunststoff hergestellt) nun mit Wasser in Berührung kommen, lösen sich die Stoffe auf und werden in den Boden oder die Kanalisation geschwemmt. (vgl. Ökotoxzentrum/WHO 2022).
Biozide, Fungizide, Algizide
Der Einsatzzweck von Bioziden, Fungiziden, Herbiziden und Insektiziden ist in vielen Bereichen gegeben. Zur Bekämpfung von Organismen, die für die Gesundheit von Mensch oder Tier schädlich sind, sind Biozidprodukte erforderlich. Sie tragen zur Hygiene bei und werden zur Bekämpfung von Organismen verwendet, welche die natürlichen oder gefertigten Materialien schädigen (BAuA o. J.).
Produkte, die direkt auf Schadorganismen wirken, wie Desinfektionsmittel, Insektizide, Rodentizide und Holzschutzmittel als auch Produkte, die Schädigungen vorbeugen, gelten als Biozidprodukt. Auch Lockmittel und Repellentien (Vergrämungsmittel) können somit Biozidprodukte sein. Die Einstufung erfolgt in sogenannten Produktarten (epd BAuA). Der Umsatz der Branche, die Biozide und Pestizide in Deutschland erzielt, liegt seit 2012 bei etwas über 600 Mio. Euro (statista 2022). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass Pestizide und Biozide aufgrund ihrer hohen Wirksamkeit nur in sehr geringen Mengen eingesetzt werden. Der größte Nutzer ist jedoch die Landwirtschaft. Im Jahr 2019 wurden in Deutschland über 42.000 Tonnen Pestizide ausgebracht (Boell Stiftung 2022). Allerdings stehen Holzschutzmittel vermutlich an zweiter Stelle, da der Umsatz mit Holzschutzmitteln und Lasuren in 2022 bei rund 175 Mio. Euro lag (statista 2022).
Im Malerhandwerk werden Biozide in Fassadenputzen und -farben zum Schutz vor Bewuchs durch Algen und Pilze eingesetzt. Damit die Biozide wirken, ist eine Abschwemmung funktionell unumgänglich, deshalb müssen sie oberflächlich präsent sein, um gegen Bewuchs wirken zu können. Bei Holz und Holzbauteilen finden Sie ihre Wirkungsweise im Bläueschutz (Inhaltsstoffe sind z. B.2 g/kg 3-Iod-2-Propinylbutylcarbamat (IPBC), 2 g/kg Tebuconazol, 0,6 g/kg Permethrin; einza o. J.) . In flüssigen oder pastösen Produkten mit organischen Inhaltsstoffen (wasserverdünnbar) werden Biozide zur Topfkonservierung verwendet. Der Einsatzzweck im Innenraum liegt bei ”fungizid” oder „pilzhemmend“ eingestellten Dichtmassen (Silikon), welche für die Abdichtung in Nasszellen und feuchten Innenräumen verwendet werden. Insektizide finden bei Dämmstoffen aus Naturfasern, Teppichen gegen Fraßschäden ihre Anwendung (vgl. UBA 2022).
Da Schädlings-, Desinfektions-, Konservierungs-, Holz- und Mauerschutzmittel zum Teil dieselben Wirkstoffe enthalten bzw. ähnliche Umweltprobleme verursachen können, wird an dieser Stelle nicht auf weitere Anwendungsbereiche eingegangen, sondern auf die Auswaschung der Biozide etc., denn darin begründet sich der Zielkonflikt zum SDG 6.6 – Schutz der Ökosysteme.
Biozide, Insektizide, Herbizide werden inzwischen sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene intensiv diskutiert. Im Mittelpunkt steht (derzeit noch) die Landwirtschaft. Durch zahlreiche Quellen wird belegt, dass sich die Verwendung von chemischen Pestiziden in der Landwirtschaft und im Gartenbau negativ auf die menschliche Gesundheit, Natur und Umwelt auswirkt (u. a. UBA 2016, Boell Stiftung 2022). Im Jahr 2021 wurden in Deutschland 39 Pestizide verwendet, die laut EU-Regularien ersetzt werden sollten, sogenannte Substitutionskandidaten. Ohne Frage wirken die vielen Pestizide auf die menschliche Gesundheit. Neben akuten Vergiftungen (in der Landwirtschaft, den Gärtnerberufen und in privaten Haushalten) werden Pestizide zunehmend mit chronischen Krankheiten wie Parkinson, Leukämie, Leber- und Brustkrebs, Typ-II-Diabetes und Asthma in Verbindung gebracht (Boell Stiftung 2022).
Vor dem Hintergrund der oben skizzierten Problemfelder wurde bereits im Jahr 2009 die sogenannte Pflanzenschutz-Rahmenrichtlinie (2009/128/EG) verabschiedet. Mit der Unterzeichnung der Richtlinie verpflichten sich die Mitgliedsstaaten zur nachhaltigen Verwendung von Pestiziden in der EU (Europäische Union 2009). Die Richtlinie schreibt weiterhin vor, nationale Aktionspläne aufzustellen, „mit denen quantitative Vorgaben, Ziele, Maßnahmen, Zeitpläne und Indikatoren zur Verringerung der Risiken und Auswirkungen der Verwendung von Pestiziden auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt festgelegt werden und die Entwicklung und Einführung eines integrierten Pflanzenschutzes sowie von alternativen Konzepten oder Techniken zur Verringerung der Abhängigkeit von der Verwendung von Pestiziden gefördert wird.“ (Europäische Union, 2009).
Mit einer zunehmend kritisch werdenden Öffentlichkeit wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis der Einsatz von Bioziden, Fungiziden und Algiziden auch in anderen Gewerken als den “grünen Berufen” in die Diskussion kommen wird.
Die im Malerhandwerk eingesetzten Materialien mit inklusiven Schutz vor Befall sind aus Sicht des Gewässerschutzes bedenklich – denn eine künstlich erzeugte Chemikalie hat eine Wirkung auch auf die Ökosysteme. Da die Substanzen mit der Berührung von Feuchtigkeit, Regenwasser ausgewaschen und in die Umwelt eingebracht werden, können sie auch unbeabsichtigt auf Pflanzen und Lebewesen wirken. Allerdings werden alle Stoffe gemäß REACH – dem europäischen Chemikaliengesetz – einer Prüfung hinsichtlich der Umweltwirkung und der Wirkung auf den Menschen unterzogen (vgl. z. B. BUND o. J.). Auch wenn noch nicht alle menschengemachten Chemikalien einer intensiven Prüfung unterzogen wurden, so gibt es bei der Zulassung der Substanzen umfangreiche Untersuchungen, die die meisten Risiken ausschließen. Die Zulassungsverfahren für Neuentwicklungen der Rohstoffe sind zeit- und kostenintensiv und werden von den Herstellern mit bis zu zehn Jahre angegeben (vgl. VDL 2022). Ein kompletter Verzicht auf Biozide etc. ist flächendeckend nicht umsetzbar, deshalb ist die Verarbeitung von einigen Produkten nur durch den Fachbetrieb möglich. Der fachliche Laie kann diese Produkte nicht käuflich erwerben.
Ein wichtiges Ziel der beruflichen Bildung im Malerhandwerk ist es deshalb, die zu beachtenden Auflagen, Verordnungen u. a. beim Materialeinsatz, der Werkzeug- und Fassadenreinigung in der Aus- und Weiterbildung zu verdeutlichen und im Kontext auf den Schutz der Umwelt zu diskutieren. Hierbei geht es vor allem um Zielkonflikte. Zum Beispiel sind Biozid eingestellte Fassadenanstriche, welche das Wachstum von Algen und Pilze verringern, aus ökologischer Betrachtung umwelttechnisch fraglich, denn sie werden mit dem Regen in die Umwelt ausgewaschen. Werden die Produkte jedoch nicht eingesetzt, können Algen und Pilze den Fassadenputz vorzeitig schädigen und die Bausubstanz schneller zerstören.
Mittlerweile werden durch den Einsatz von modifizierten Materialien mit verkapselten Bioziden in Polymerkugeln die anfängliche Toxizität bei Wasserorganismen um das bis zu zehnfache vermindert (vgl. Burkhard, Umtec 2021). Hier wird die Auswirkung der Biozide quasi aufgeschoben und verlängert. Die Flächen werden länger vom erneuten Algen- und Pilzbefall geschützt, der Wartungsintervall verlängert sich und die Bausubstanz bleibt länger erhalten.
Die Abwägung bei der Planung und Produktauswahl zwischen Ökologie, Ökonomie und sozialer Verantwortung wird hier sehr deutlich. Aufgrund der geänderten Biozidverordnung EU Nr. 528/2012 wurden Wirkstoffe für die Verwendung verboten, so dass neue Rohstoffe entwickelt und zugelassen werden mussten/müssen (vgl. BAuA).
Mikroplastik
Mikroplastik spielt im Hinblick auf Wasser eine bedeutende Rolle. Es handelt sich hierbei um feste, unlösliche, partikuläre und nicht biologisch abbaubare synthetische Polymere in einem Größenbereich von weniger als 5 Millimetern bis 1.000 Nanometer (vgl. UBA 2020, Quarks 2022). Mikroplastik wird unterschieden in primäres und sekundäres Mikroplastik. Als primäres Mikroplastik werden Partikel bezeichnet, die bei Eintritt in die Umwelt bereits im Größenbereich von Mikroplastik sind.
Primäres Mikroplastik Typ A, dazu gehören beispielsweise Partikel, die in der Kosmetik- und Körperpflege – Industrie eingesetzt werden. Primäres Mikroplastik Typ B entsteht während der Nutzungsphase. Hierzu gehören zum Beispiel der Abrieb von Autoreifen oder Fasern aus synthetischen Textilien, die beim Waschen ins Abwasser gelangen. Sekundäres Mikroplastik entsteht bei dem Zerfall größerer Kunststoffteile im Verwitterungsprozess z. B. durch Wellenbewegung und Sonneneinstrahlung (vgl. Quarks 2022).
Aufkommen von Mikroplastik
Für Deutschland schätzt das Fraunhofer Institut UMSICHT die gesamten Kunststoff-Emissionen für Mikroplastik A auf 330.000 t/a bzw. 4.000 g/ pro Kopf pro Jahr (cap/a). Zu den Hauptquellen des Mikroplastiks gehört der Reifenabrieb, gefolgt von der Abfallentsorgung. Diese Positionen machen alleine ca. 1.500 g/cap*a aus. Die Einflüsse des Malerhandwerks dagegen sind mit dem Abrieb von Farben mit 65 g/cap*a. weniger schwer bewertet. Der Einfluss durch unsachgemäße Entsorgung kann hierbei jedoch nicht beziffert werden, da eine Mengeneinschätzung aus logischen Gründen nicht möglich ist.
Das Problem der Substitutionslosigkeit von künstlichen Polymeren zeigt sich in vielen Einsatzgebieten, so dass die Freisetzung von Mikroplastik im Malerhandwerk deutlich geringer mit 65 g/cap a zu der Verwehung von Sport- und Spielplätzen welche mit ca. 130 g/cap a zu Buche schlägt (vgl. UMSICHT 2018). Dies verdeutlicht einmal mehr, warum eine intensive und sensible Auseinandersetzung mit dem Thema essentiell für eine Reduktion des Gesamtaufkommens ist.
Tabelle: Quellen für Mikro- und Makroplastik (UMSICHT 2018)
Nr. | Quelle | Emissionen [g/cap*a] |
1 | Abrieb Reifen | 1228,5 |
2 | Freisetzung bei der Abfallentsorgung | 302,8 |
2.4 | Kunststoffrecycling | 101 |
5 | Verwehungen Sport- und Spielplätze | 131,8 |
6 | Freisetzung Baustelle | 117,1 |
6.1 | Abrieb auf der Baustelle bei Abbrucharbeiten | 90 |
11 | Abrieb Farben und Lacke | 65 |
11.1 | Abrieb Gebäudefassaden | 37 |
11.2 | Abrieb lackierte Oberflächen | inkl. |
11.3 | Abrieb Schiffsfarben | inkl. |
11.4 | Abrieb Windkraftanlagen | inkl. |
Mikroplastik in Farben und Lacken
Primäres Mikroplastik A wird den Farben und Lacken in Form von synthetischen Polymeren zugefügt, welche der Beschichtung gewisse Eigenschaften wie z. B. Kratzfestigkeit verleihen. Mikroplastik kann nun schlussendlich auf zwei Wegen in die Umwelt gelangen. Zum einen durch unsachgemäße Entsorgung von Resten sowie unsachgemäßer Reinigung der Werkzeuge und Geräte. Zum anderen durch den Abrieb und die Ausspülung der mikroplastikhaltigen Beschichtungsstoffe. Eine Verhinderung des Materialabriebes an den beschichteten Flächen lässt sich in der Praxis nach heutigem Kenntnisstand nicht verhindern.
Je nach Datenquelle sind die Angaben der Emissionen in Tonnen sehr unterschiedlich und mit Bedacht zu werten. Da die wissenschaftliche Diskussion der ECHA und die daraus resultierenden Vorschläge vom EU Parlament noch beraten und abgestimmt werden. Mit dem Vorschlag soll die Freisetzung von 500.000 Tonnen Mikroplastik über einen Zeitraum von 20 Jahren vermieden werden. Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) schätzt, dass jährlich circa 5.200-10.200 Tonnen Mikroplastik durch Farben und Lacke in die Umwelt gelangen. Diese sollen freigesetzt werden durch die Reinigung von Werkzeugen und Geräten sowie die unsachgemäße Entsorgung von Farbresten (vgl. ECHA, 2018). Diese Verschmutzung kann jedoch nicht ausschließlich auf Betriebe zurückgeführt werden, da auch private Anwender ihre Abfälle vielfach durch Unkenntnis nicht fachgerecht entsorgen. Der Gesamtumsatz an Lacken und Farben betrug 2021 ca. 5,6 Mrd. Euro mit ca. 1,6 Mio. t (Chemie Technik 2022). Davon entfielen zwei Drittel auf die Industrie und das Druckgewerbe. Der Bautenschutz verbrauchte rund 860.000 t, dies entspricht einem Drittel der nationalen Produktion. Wir schätzen, dass ein großer Teil hiervon von privaten Haushalten genutzt wird (v.a. Innenanstriche und Holzschutz in Gärten). Kommunale Entsorger bieten immer eine gesonderte Erfassung von alten flüssigen, pastösen Farben und Lacken an, aber das Reinigen von Pinseln und Rollen – so unsere Einschätzung – erfolgt in privaten Haushalten bei wasserverdünnbaren Produkten “im Waschbecken”.
Es ist deshalb umso wichtiger, das Bewusstsein für diese Zusammenhänge aller am Bau Beteiligten zu sensibilisieren. Denn die Planung und Ausschreibung hat einen erheblichen Anteil auf die zu verwendenden Produkte. Im Malerbetrieb wird in der Werkstatt das Reinigungswasser der Walzen, Geräte u. a. bereits über Fällungsmittel in Spaltanlagen, Sedimentation vorbehandelt und dann in die Schmutzwasserkanalisation eingeleitet.
Humane Aufnahme von Mikroplastik
Laut einer Studie der Medizinischen Universität Wien aus dem Jahr 2019 gelangen durchschnittlich pro Person und Woche 5 Gramm Plastik in den menschlichen Magen-Darm-Trakt (Schwab et al. 2019). Dieses Gewicht entspricht in etwa dem Gewicht einer Kreditkarte. In die Nahrungskette gelangen Mikro- und Nanoplastikpartikel (MNP) unter anderem aus Verpackungsabfall. In den Körper werden die Plastikteilchen nicht nur über Lebensmittel wie insbesondere Fisch und andere Meeresbewohner sowie über das Meersalz in den Körper geschleust. Auch Getränke in Plastikflaschen spielen eine Rolle. Deshalb empfiehlt es sich, auf Plastikflaschen zu verzichten. „Wer die empfohlenen 1,5 bis zwei Liter Wasser pro Tag aus Plastikflaschen trinkt, nimmt […] allein auf diese Weise rund 90.000 Plastikpartikel pro Jahr zu sich. Wer zu Leitungswasser greift, kann – je nach geografischer Lage – die Menge auf 40.000 reduzieren“ (DERSTANDARD 2022:1, Wright et al. 2019). Eine neue Studie hat erstmals Mikroplastik im menschlichen Blut nachgewiesen. Drei Viertel der Getesteten hatten laut der Studie der Freien Universität Amsterdam nachweislich Kunststoff im Blut. Die Untersuchung waren der erste Beweis dafür, dass Kunststoffpartikel in den menschlichen Blutkreislauf gelangen können. Die Gesamtkonzentration von Kunststoffpartikeln im Blut der 22 Probandinnen und Probanden betrug durchschnittlich 1,6 µg/ml, was einem Teelöffel Kunststoff in 1.000 Litern Wasser (zehn große Badewannen) entspricht. Polyethylenterephthalat (PET), Polyethylen und Polymere von Styrol waren die häufigsten Kunststoffarten, gefolgt von Poly(methylmethacrylat), die in den Blutproben gefunden wurden. Auch Polypropylen wurde analysiert, aber die Konzentrationen waren zu gering für eine genaue Messung (Leslie et al., 2022).
Quellenverzeichnis
bestimmten Biozidprodukten“ der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin baua, Online: https://www.wecobis.de/externelinks/bfu-info/baua-suche-biozid-link.html
BAuA, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (o. J.). Online: http://www.baua.de/DE/Themen/Anwendungssichere-Chemikalien-und-Produkte/Chemikalienrecht/Biozide/Biozide_node.html
Boell Stiftung (2022): Pestizidatlas. Daten und Fakten zu Giften in der Landwirtschaft. Online: https://www.boell.de/sites/default/files/2022-01/Boell-Pestizidatlas-2022.pdf
BUND (o. J.): REACH: Das Chemikaliengesetz für Europa. Online: https://www.bund.net/themen/chemie/chemikalienpolitik/reach/?gclid=CjwKCAiAzKqdBhAnEiwAePEjkmEK5pGnh1SFuFpaSUILfk2rNatwcDtKj4zSVHnZomliLCBl_pw4RRoC9ZIQAvD_BwE
BUND-Bremen (o. J.): „Giftiger Sondermüll“, Zigarettenkippen und ihre Folgen für die Umwelt. Online: https://www.bund-bremen.net/meer/stoppt-kippen-in-der-umwelt/
Burkhard,Umtec (2021) :80,85 Online: Echa (2018), Online: https:/https://www.umtec.ch/fileadmin/user_upload/umtec.hsr.ch/Dokumente/Fachartikel/2021/Burkhardt_Algen_an_Fassaden_Biozide_folgenlos_fuer_Umwelt_durch_Verkapselung_2021.pdf
Chemie Technik (2022): Bilanz der deutschen Lack- und Druckfarbenindustrie 2021. Online: https://www.chemietechnik.de/markt/bilanz-der-deutschen-lack-und-druckfarbenindustrie-2021-484.html#:~:text=Insgesamt%20betrug%20der%20Absatz%20in,Euro.
Echa (2018), Online: https://echa.europa.eu/de/hot-topics/microplastics
einzA (o.J): Bläueschutz. Online: https://www.einza.com/detail/einza-blaeueschutz
Europäische Union (2009): Pflanzenschutzrahmenrichtlinie 2009/128/EG. Richtlinie 2009/128/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für die nachhaltige Verwendung von Pestiziden. Online: eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServdo?uri=OJ:L:2009:309:0071:0086:dePDF
statista (2022): Umsatz der Branche Herstellung von Bioziden und Pestiziden in Deutschland von 2012 bis 2019 und Prognose bis zum Jahr 2025. Online: https://de.statista.com/prognosen/313714/herstellung-von-bioziden-und-petiziden-umsatz-in-deutschland
statista (2022): Umsatz mit Holzschutzmitteln und Lasuren in Deutschland im Zeitraum 2018 bis 2022 und prognostiziert bis 2023. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1340701/umfrage/umsatz-mit-holzschutzmitteln-und-lasuren-in-deutschland/
UBA, Umweltbundesamt (2014) Merkblätter 1-5, Entscheidungshilfen zur Verringerung des Biozideinsatzes an Fassaden. Umweltbundesamt, Berlin. Online: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/dokumente/merkblaetter_1-5_entscheidungshilfen_zur_verringerung_des_biozideinsatzes_an_fassaden.pdf
UBA, Umweltbundesamt (o. J.), Informationen zu Bioziden, Online: www.umweltbundesamt.de/daten/chemikalien/biozide-in-der-umwelt#prufung-der-umweltwirkung-von-chemikalien
UBA (2016): Positionspapier 5-Punkte-Programm für einen nachhaltigen Pflanzenschutz. Online: www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/377/publikationen/uba-positionspapier_5-punkte-programm_nachhaltigkeit_pflanzenschutz_web.pdf
UBA Umweltbundesamt (2022): Wasserressourcen und ihre Nutzung. Online: www.umweltbundesamt.de/daten/wasser/wasserressourcen-ihre-nutzung
UMSICHT(2018:10-11), Online: www.umsicht.fraunhofer.de/content/dam/umsicht/de/dokumente/publikationen/2018/kunststoffe-id-umwelt-konsortialstudie-mikroplastik.pdf
VDL, Verband der deutschen Lack- und Druckfarbeindustrie e.V. (2022), Farbe im Green Deal, Online: www.wirsindfarbe.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/PDFs/2022-10_VdL_Farbe_im_Green_Deal_web.pdf.
SDG 7 Bezahlbare und saubere Energie
“Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und moderner Energie für alle sichern”
Das SDG 7 beinhaltet soziale und ökologische Anforderungen an den Klimaschutz. Für die Kreislauf- und Abfallwirtschaft sind daher vor allem 3 Unterziele wichtig (Destatis 2022):
SDG 7.1 “Bis 2030 den allgemeinen Zugang zu bezahlbaren, verlässlichen und modernen Energiedienstleistungen sichern.”
SDG 7.2 “Bis 2030 den Anteil erneuerbarer Energie am globalen Energiemix deutlich erhöhen.”
SDG 7.3 “Bis 2030 die weltweite Steigerungsrate der Energieeffizienz verdoppeln.”
Das SDG 7 “Bezahlbare und saubere Energie” beinhaltet soziale und ökologische Anforderungen an den Klimaschutz. Ökologische und das Klima schützende Anforderungen werden durch andere SDGs (insbesondere 13, 14 und 15) abgedeckt (Destatis 2022). “Saubere Energie”, wie dies in SDG 7 genannt wird, bedeutet heute für den Klimaschutz grundsätzlich der Umstieg auf erneuerbare Energien (EE), eine höhere Energieeffizienz und Energiesparen. Die Schnittmenge für das SDG 7 ergibt sich aus vier Nummern der Standardberufsbildposition (BiBB 2020):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen.
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Dieses Kapitel beschreibt die Grundlagen der verwendeten Energieformen und eingesetzten Verfahren sowie wichtige Themen aus dem Bereich „Bezahlbare und saubere Energie”. Es ist sozusagen das Basiswissen, welches heute in jeder Ausbildung vermittelt werden sollte, da kein Beruf mehr ohne die nachhaltige Nutzung von Energie auskommen kann.
Energienutzung im Malerhandwerk
Maler und Lackierer nutzen – sofern es sich um gewerbliche und keine industrielle Nutzung handelt – Energie und Energieträger nur im üblichen Maße: Sie haben ein Lager, teilweise eine Werkstatt, ein Büro und einen Fuhrpark. Fahrzeuglackierer hingegen nutzen in größerem Umfang Druckluft. Im Folgenden werden deshalb wesentliche Themen für diese Berufsbilder beschrieben, die den Stand des Wissens und die Notwendigkeit für die Energiewende wiedergeben.
Hierzu ein Beispiel: Bei Gewerbetreibenden mit eigener Werkstatt und/oder Bürogebäude bietet sich die Kombination von Aufdachanlagen in Verbindung mit einem Batteriespeicher und der Umstieg auf Elektrofahrzeuge an. Tagsüber kann von März bis Oktober der eigene Batteriespeicher aufgeladen werden und wenn die Fahrzeuge zum Feierabend zurückkommen, können diese über den Batteriespeicher für den nächsten Tag wieder aufgeladen werden. Hierdurch werden in erheblichem Maße Treibstoffkosten eingespart.
Erneuerbare Energien
Die einfachste Maßnahme zum Umstieg auf erneuerbare Energien ist der Bezug von Ökostrom. Die Produktion erfolgt dabei in der Regel aus Wind, Sonne, Biomasse und Wasserkraft. Im ersten Halbjahr 2022 lag der Anteil der Erneuerbaren bei 51,6 Prozent. Da die Stromproduktion aus verschiedenen Quellen schwankend ist, zeigt erst die Jahresendbilanz, wie die Verteilung sein wird. In 2021 stammten 23 Prozent der gesamten Stromproduktion aus Windkraft, 9,8 Prozent aus der Photovoltaik, 8,8 Prozent aus Biomasse und 4 Prozent aus Wasserkraft. Braun- und Steinkohle lieferten 20,7 Prozent des Stroms, Erdgas 10,5 Prozent und die Kernenergie gut 13,3 Prozent (Stromreport 2022).
Wichtig sind hinsichtlich des Ziels “bezahlbarer Energie” vor allem die Kosten von Strom und Wärme. Die Stromgestehungskosten waren in 2021 wie folgt (ISE 2021, gerundet): Dachkleinanlagen 6-11 Cent/kWh, große Dachanlagen 5-10 Cent/kWh, Freiflächenanlagen 3-6 Cent/kWh. Die Stromgestehungskosten fossiler Stromerzeugung lagen in 2021 zwischen 8-13 Cent/kWh für Gas- und Dampfkraftwerke, zwischen 11-28 Cent/kWh bei Gaskraftwerken, 10-15 Cent/kWh Braunkohlekraftwerke sowie 11-20 Cent/kWh bei Steinkohlekraftwerken. Für Kernkraft, mit Rückbau und Endlagerung werden die Stromgestehungskosten auf 50 bis 100 Cent/kWh geschätzt (Siemens-Stiftung 2015). Die konkreten Stromgestehungskosten sind von einer Reihe von Faktoren abhängig. Dazu zählen der Standort (z. B. Entfernung zwischen Kraftwerk und Abbaugebiet), Größe und Alter der Anlagen, Subventionen, Wartung, Abschreibungen sowie die verbaute Erzeugungstechnologien.
Im Folgenden wird eine Übersicht über die wichtigsten Technologien zur Nutzung der Erneuerbaren Energien gegeben:
Solarenergie: Solarenergie mit Hilfe von Photovoltaik ist mit gut 21 Prozent der EE-Stromproduktion (Stromreport 2022) seit 2007 stark ausgebaut worden und damit die jüngste breit genutzte erneuerbare Stromquelle (vgl. die Graphik auf Wikimedia 2020). Ab 2013 stagnierte der Zuwachs von Solarenergie, weil die Konditionen der Einspeisung verschlechtert wurden. Insbesondere die Energiekrise im Zuge des Ukraine Krieges zeigt, dass der Ausbau jetzt stark beschleunigt werden muss.
Solarthermie: Es stehen jährlich 1.050 KWh/m2 Solarstrahlung für die Umwandlung von Sonnenenergie in Wärme zur freien Verfügung. Hiermit lassen sich Strom sowie Wärme für Heizung und Warmwasser erzeugen. In Deutschland wird Solarthermie dennoch nur in weniger als 10 Prozent (co2online 2021) der Heizanlagen für Häuser und Wohnungen genutzt.
Windenergie: 50 Prozent des EE-Stromes in Deutschland wurden 2021 aus Windenergie erzeugt (Stromreport 2022). Der Ausbau hat wesentlich in den Jahren von 2000 bis 2017 stattgefunden. Seitdem ist der Zuwachs geringer, weil sich lokal viele Menschen gegen Windkraftanlagen wehren. Seit Ausbruch des Ukraine-Krieges und dem damit verbundenen Gaslieferstopp Rußlands, sowie seit den deutlichen Auswirkungen der Klimakrise (Waldbrände, Flut), werden wieder höhere Ausbauziele der Windenergie genannt.
Wärmeerzeugung: Zur Wärmeerzeugung können Bioenergie (insbesondere Festbrennstoffe wie Holz) sowie die Umgebungs- bzw. bodennahe Erdwärme eingesetzt werden. Wie bei der Stromerzeugung aus Wasserkraft gibt es für die Verbrennung von Biomasse kein Wachstumspotenzial mehr, sondern muss auf “ein naturverträgliches Maß begrenzt” werden (UBA 2021b). Im Gegensatz dazu setzt die Bundesregierung auf den Ausbau der Nutzung von Umgebungswärme, wozu auch die bodennahe Erdwärme gehört (Tagesschau 2022).
Photovoltaik
Photovoltaik ist die Umwandlung von Sonnenlicht in Strom. Dies geschieht mit Hilfe von PV-Modulen, in denen die Solarstrahlung Strom erzeugt. Der Strom wird über Leitungen zu einem Wechselrichter geführt, der den Gleichstrom aus den PV-Modulen in Wechselstrom umwandelt. Die Kosten der PV-Technologie sind bei höherer Leistung – trotz Preissteigerungen aufgrund des Krieges – deutlich günstiger als vor 20 Jahren. Für den Betrieb von Photovoltaik-Anlagen gibt es drei Betriebsmodelle:
- Dachverpachtung: Die einfachste Möglichkeit, von einem geeigneten Dach zu profitieren, ist die Verpachtung der Dachfläche an Dritte. Diese sind dann Betreiber der Anlage. Stadtwerke, Energieversorgungsunternehmen und Projektentwickler bieten bereits „schlüsselfertige“ Dachpacht Lösungen an. Dabei baut der Betreiber auf seine Kosten die Anlage, bewirtschaftet sie und übernimmt das unternehmerische Risiko.
- Eigenverbrauch mit Überschusseinspeisung: Besonders attraktiv ist die Gestaltung des Eigenverbrauchs. Der Eigentümer errichtet die Anlage auf eigene Kosten und versucht, seine Stromnutzung so zu gestalten, dass bei Sonnenschein Strom entweder verbraucht oder in Batterien gespeichert wird.
- Volleinspeisung: In diesem Fall ist der Dacheigentümer auch Betreiber der PV-Anlage. Der gesamte erzeugte Strom wird in das Netz der allgemeinen Versorgung eingespeist und der Anlagenbetreiber erhält für jede eingespeiste kWh die sog. Einspeisevergütung.
Im Folgenden werden kurz die wichtigsten Technologien zur Solarstromerzeugung vorgestellt:
- Solarzellen aus kristallinem Silizium: Solarzellen aus kristallinem Silizium werden mit über 90 Prozent am häufigsten verbaut. Als Ausgangsmaterial für ihre Herstellung dient Siliziumdioxid (SiO2), das als Quarzsand oder Quarzkristall abgebaut wird. Aus SiO2 wird in einem mehrstufigen und sehr energieaufwendigen Verfahren hochreines polykristallines Silizium (poly-Si) mit einer Reinheit von 99, 99999 Prozent hergestellt. Die Herstellung erfolgt in einem Lichtbogenofen bei Temperaturen von etwa 2.000 °C. Anschließend werden Silizium-Einkristalle (mono-Si) gezogen. Die gewonnenen Einkristalle werden in etwa 0,2 mm dicke Scheiben («Wafer») gesägt und in einer Abfolge von mehreren Prozessschritten zu Solarzellen und dann zu PV-Modulen weiterverarbeitet.
- Dünnschicht-Solarmodule: Die Module bestehen wie die obigen PV-Module ebenfalls aus elektrischen Kontakten und einem absorbierenden Material, allerdings werden auf dem Trägermaterial verschiedene Schichten von Metallen aufgetragen. Die Dicke der lichtabsorbierenden Schicht liegt in der Regel bei 1-3 µm, also etwa hundertmal weniger als bei den Solarzellen aus kristallinem Silizium. Als Trägermaterial können, je nach Technologie, Glas, Metall- oder Kunststofffolien eingesetzt werden. Als Schichtmaterialien kommen insbesondere Halbleitermaterialien wie Galiumarsenid (GaAs), Cadmiumtellurid (CdTe) oder Kupfer-Indium-Gallium-Diselenid (CIGS) zum Einsatz. Vorteile der Dünnschichtzellen sind ihr geringes Gewicht, ihre guten Erträge bei diffusem Sonnenlicht und schlechtem Wetter sowie die schnelle energetische Amortisation aufgrund des geringen Energieeinsatzes bei ihrer Herstellung.
Hauptsächlich gibt es zwei Arten für Photovoltaikanlagen:
- Aufdachmontage: Aufdach-Photovoltaikanlagen sind eine weit verbreitete Möglichkeit für Eigenheime, Unternehmen und öffentliche Gebäude um ihren eigenen Strom zu erzeugen. Vorteile sind: Das vorhandene Dach kann optimal genutzt werden; das Dach wird vor eventuellen Umwelteinwirkungen zusätzlich geschützt; aufdach-montierte Anlagen sind meist schnell und einfach sowie mit geringem Wartungsaufwand zu installieren. . Nachteile sind höhere Kosten der Montage, mögliche Probleme bei der Befestigung und Tragfähigkeit, Platzbeschränkungen durch die Dachfläche sowie der unveränderliche Winkel des Daches (der nicht immer optimal zur Nutzung der Solarstrahlung ist).
- Bodenmontage (Freiflächenmontage): Bodenmontierte Photovoltaikanlagen sind inzwischen ebenfalls weit verbreitet, werden aber vorwiegend von großen Unternehmen, professionellen Investoren bzw. Energieanbietern genutzt. Vorteile sind: Aufgrund ihrer Größe ist auch eine größer dimensionierte Stromerzeugung möglich; bodenmontierte Anlagen haben die Möglichkeit die festen Winkelbeschränkungen zu umgehen und sie haben einfache Wartungsmöglichkeiten. Nachteilig sind die Flächenbedarfe (“ganze Äcker”) und ihre optische Auffälligkeit (Landschaftsbild).
Solarwärme
Solarthermie erzeugt Warmwasser, zusammen mit einem Wärmespeicher kann dann insbesondere in den Sommermonaten ein erheblicher Teil des Wärmebedarfs mit Solarenergie CO2-frei bereitgestellt werden. Es gibt zwei Arten von Kollektoren, die das Sonnenlicht einfangen und die Solarflüssigkeit (Wasser-Glykol-Gemisch) erwärmen. Bei Flachkollektoren ist der metallische Solarabsorber zwischen einer transparenten Abdeckung und einer Wärmedämmung eingefasst. Dies minimiert die Wärmeverluste des Kollektors, wodurch in Abhängigkeit der Bauart Nutztemperaturen bis 100 °C effizient bereitgestellt werden können. Das Spektrum reicht von kompakten Kollektormodulen mit ca. 2 m² bis hin zu Großflächenkollektoren mit 10 bis 12 m². Bei Vakuumröhrenkollektoren können die Wärmeverluste durch Konvektion und Wärmeleitung deutlich reduziert und somit mehr Wärme erzeugt werden. Der sinnvolle Einsatzbereich dieser Kollektoren bei 80 bis 130 °C, der höhere Wert wird mit Spiegeln auf der Rückseite erzeugt.
Die Wärmespeicherung erfolgt in der Regel über einen Pufferspeicher als zentralen Bestandteil einer solaren Prozesswärmeanlage, da das Solarangebot nicht immer mit dem Wärmebedarf der zu versorgenden Verbrauchsstellen zeitlich übereinstimmt. Zur Einbindung des Speichers gibt es mehrere Möglichkeiten: Typischerweise wird der mit einem Wasser-Glykol-Gemisch betriebene Solarkreis durch einen Wärmeübertrager vom Speicherkreis getrennt.
Erd- und Umgebungswärme
Eine Möglichkeit der Wärmeerzeugung ist die Nutzung von Temperaturunterschieden zwischen Gebäuden und ihrer Umgebung oder dem Erdreich mit Wärmepumpen. Eine Wärmepumpe funktioniert wie ein Kühlschrank oder eine Klimaanlage (Tagesschau 2022). Die Pumpe entzieht der Umgebung (z. B. dem Erdreich) mit einem Kältemittel Wärme und kühlt sie dabei ab. Ein Kompressor verdichtet das Kältemittel und erhöht dabei dessen Temperatur, die dann zur Raumheizung genutzt wird. Das Kältemittel kondensiert und gibt die Wärme frei. In einem Ventil verdampft das Kühlmittel wieder, kühlt sich dabei stark ab und kann aufs Neue der Umgebung Wärme entziehen. Zum Antrieb einer Wärmepumpe wird elektrischer Strom benötigt, der allerdings aus erneuerbaren Quellen stammen sollte. Bei der Nutzung von Erdwärme wird zwischen Tiefengeothermie und oberflächennaher Geothermie unterschieden, relevant für die Wärmeversorgung von Gebäuden ist nur die letztere. Die oberflächennahe Geothermie nutzt den Untergrund bis zu einer Tiefe von ca. 400 m und Temperaturen von bis zu 25 °C für das Beheizen und Kühlen von Gebäuden, technischen Anlagen oder Infrastruktureinrichtungen. Hierzu wird die Wärme oder Kühlenergie aus den oberen Erdschichten oder aus dem Grundwasser gewonnen.
Eine weitere – einfacher zu installierende – Alternative sind Luft-Wasser-Wärmepumpen, die die Wärme aus der Luft entnehmen. Sie funktionieren gleichfalls nach dem Prinzip des Kühlschranks. Luft wird an einen Verdampfer geführt, in dem ein leicht verdampfbares Kältemittel (z. B. Propan) zirkuliert. Das Kältemittel verdampft und wird komprimiert. Die Wärme des komprimierten Kältemittel wird an ein Trägermedium abgeführt (z. B. Wasser-Glykol), welches über einen Wärmetauscher einen Heizkreislauf erwärmt (vgl. Viessmann o. J.).
Rationelle Energienutzung und Energiesparen
Neben dem Einsatz erneuerbarer Energien zählt auch die rationelle Energienutzung zu den Maßnahmen, um das Energiesystem in Richtung Nachhaltigkeit zu transformieren. Typische Handlungsfelder der rationellen Energienutzung sind die Energieeffizienz und das Energiesparen, die beide eng miteinander verknüpft sind.
- Energieeffizienz: Bei der Energieeffizienz geht es darum, Geräte und Maschinen zu nutzen, die bei gleicher Funktionserfüllung einen geringeren Energiebedarf haben. Effizienz ist dabei eine relationale Größe, die sich auf mindestens zwei vergleichbare Arten bezieht, Energie zu nutzen. Durch optimierte Prozesse sollen die quantitativen und qualitativen Verluste, die im Einzelnen bei der Umwandlung, dem Transport und der Speicherung von Energie entstehen, minimiert werden, um einen vorgegebenen (energetischen) Nutzen bei sinkendem Primär- bzw. Endenergieeinsatz zu erreichen.
- Energieeffizienzkennzeichnung: In der EU gibt die Energieeffizienzkennzeichnung gemäß Verordnung (EU) 2017/1369 Auskunft über die Energieeffizienz von Elektrogeräten und weiteren Energieverbrauchern. Die Kennzeichnung erfolgt für verschiedene Gerätegruppen in Form von Etiketten auf den Geräten und in Werbematerialien. Ab dem Jahr 2021 erfolgt die Kennzeichnung der Energieeffizienz in Form von Effizienzklassen. Deren Skala reicht von „A“ bis „G“, wobei Geräte mit der höchsten Effizienz mit der Kennzeichnung “A” ausgezeichnet werden. Daneben gibt es zahlreiche weitere Kennzeichen. Bekannt ist der amerikanische Energy Star für energiesparende Geräte, Baustoffe, öffentliche/gewerbliche Gebäude oder Wohnbauten. Der Energy Star bescheinigt die jeweiligen Stromspar Kriterien der US-Umweltschutzbehörde EPA und des US-Energieministeriums (www.energy star.gov). Auch nationale Umweltzeichen wie der Blaue Engel können, je nach ausgezeichnetem Produkt, aufgrund vergleichsweise hoher Energieeffizienz vergeben werden (www.blauer-engel.de). Für Pkw’s gibt es ein eigenes Kennzeichen, welches die Bewertung und Kennzeichnung der Energieeffizienz neuer Personenkraftwagen hinsichtlich Kraftstoff- und Stromverbrauch regelt (Pkw-EnVKV 2020).
- Stromsparen: Die Abgrenzung des Energiesparens zur Energieeffizienz ist allerdings nicht immer eindeutig, denn die Nutzung eines energieeffizienten Gerätes stellt immer auch eine Energieeinsparung gegenüber einem weniger effizienten Gerät dar. Die wichtigsten Stromsparmaßnahmen im Haushalt sind energieeffiziente Geräte (Kühl- und Gefriergeräte, Flachbildschirme u. a.m.) sowie LED-Beleuchtung. Eine Vielzahl von Energiespartipps sind z. B. bei CO2-Online zu finden (ebd. o. J.). Selbst kleine Maßnahmen wie Reduzierung des Standby-Verbrauchs summieren sich im Großen (UBA 2015). EU-weit werden die Leerlaufverluste auf jährlich 51 Mrd. Kilowattstunden geschätzt. Dies entspricht einer Energiemenge, die etwa 14 Großkraftwerke mit jeweils 800 Megawatt Leistung pro Jahr erzeugt und dabei etwa 20 Mio. t CO2 in die Atmosphäre emittieren (ebd.).
Beleuchtung
Beleuchtung ist in allen Berufen ein Handlungsfeld, bei dem viel Energie eingespart werden kann. Der Standard für Energieeffizienz in der Beleuchtung sind LED-Lampen und LED-Röhren. In 2009 wurde die “Glühbirne” aus Initiative der EU vom Markt genommen, anstelle dessen wurde im breiten Umfange die Energiesparlampe bzw. Leuchtstofflampe (Fachbegriff:Kompaktleuchtstofflampen) verwendet, die bei gleiche Lichtstärke wie eine 75 Watt Glühbirne nur rund 10 Watt verbrauchte. Die technische Entwicklung ging jedoch weiter hin zu LED-Lampen, die wiederum im Vergleich zur Glühbirne rund 70 Prozent bis 90 Prozent der Energie einsparen (enterga o. J., energieexperten o. J.). In Haushalten und kleinen Gewerbebetrieben ohne eigene Produktion fallen rund 10 Prozent des Stromverbrauchs für die Beleuchtung an – dies sind zwischen 350 und 600 kWh/a.
Die Bedeutung des technischen Wandel weg von der Glühbirne (und auch der Halogenbirne) hin zu LED-Technik lässt sich im Rückblick zeigen. In 2003 wurden ca. 71 TWh/a (Terawattstunden pro Jahr) Strom für die Beleuchtung verwendet. Dies waren 71.000 Gigawattstunden. Ein Atomkraftwerk erzeugt zwischen 9.000 und 13.000 GWh Strom, rein rechnerisch mussten fast 9 Atomkraftwerke nur die Beleuchtung laufen (in 2003, stromrechner.com o. J.).
Für Gewerbetreibende mit Büro und Werkstatt sind die LED-Leuchtstoffröhren besonders interessant, da bisher immer Leuchtstofflampen installiert wurden. Heutzutage gibt es LED-Röhren, die ohne Umbau in die vorhandenen Lichtkästen eingebaut werden können. Nur das Vorschaltgerät muss ggf. ausgewechselt werden. Die Einsparung liegt bei 50 Prozent des bisher genutzten Stroms (LEDONLINE o. J.). Die Vorteile neben der Energieeinsparung sind offensichtlich: Die Röhren zerbrechen nicht, sie enthalten kein Quecksilber, sie flimmern nicht und haben einen hohen Leistungsfaktor (ebd.)
Eine weitere mögliche Stellschraube bei der Beleuchtung ist die Verwendung von Strom aus regenerativen Energiequellen. Eine eigene PV-Anlage auf dem Bürogebäude oder auf dem Betriebsgelände in Verbindung mit einem Batteriespeicher kann erheblich Strom aus Sonnenlicht bereitstellen. Allerdings ist die Solarstrahlung in den Wintermonaten – gerade dann, wenn die Anzucht stattfindet, nur gering. In diesem Falle sollte zumindest der Strom aus erneuerbaren Energien – im Winter fast ausschließlich aus Windenergie – bezogen werden.
Mobilität
Im Rahmen der sogenannten Verkehrswende spielt die Dekarbonisierung der Antriebe eine zentrale Rolle, denn die Treibhausgasemissionen der Mobilität sind, mit rund 149 Mio. t CO2-Äq bzw. fast 20 Prozent aller CO2-Emissionen allein in Deutschland im Jahr 2021, maßgeblich für den Klimawandel verantwortlich (UBA 2022). Differenziert nach verschiedenen Verkehrsarten zeigt sich, dass der Straßengüterverkehr 2020 rund 46 Mio. t CO2-Äq bzw. 30 Prozent der Verkehrsemissionen verursacht (ebd.) hat. Es sind somit zwei Trends wirksam: Zum einen eine Minderung der Emissionen (insbesondere der Schadstoffe), die aber bei Lkws deutlich größer sind (-32 Prozent) als bei Pkws (-5 Prozent). Zum anderen stieg für beide die Zahl der gefahrenen Kilometer – die Pkw-Fahrleistung hat sich seit 1995 verdoppelt, die des Güterverkehrs per Lkw ist um 74 Prozent gestiegen (ebd.).
Logistik
Die Wahl der Verkehrsmittel entlang der Wertschöpfungskette ist von besonderer Relevanz. Die Emissionen aus der Logistik können leicht mit Hilfe kostenloser Online Tools ermittelt werden, wie z. B. mit carboncare (ebd. o. J.). Hier ist auch der Emissionsanteil für die Erzeugung des Kraftstoffes enthalten. Die folgende Tabelle stellt beispielhaft die CO2– Emissionen unterschiedlicher Transportmittel dar, die bei einem Transport von einer Tonne Gewicht von Shanghai nach Berlin freigesetzt werden.
Tabelle: Emissionen für einen Langstreckentransport – Shanghai nach Berlin.
Transportmittel | Strecke (km, gerundet) | WTW-CO2-Äq |
Schiff Lkw | 19.900 km (Schiff) 200 km (Lkw) 20.100 km (gesamt) | 73 kg (nur Schiff) 15 kg (Lkw) 88 kg (gesamt) |
Bahn (im Bau) | 10.400 km | 120 kg |
Flugzeug | 8.500 km | 6.900 kg |
Quelle: Eigene Berechnungen mit carboncare (ebd. o. J.).
Geschäftsreisen
Bei Geschäftsreisen besteht vielfach die Wahl zwischen Bahn und Pkw-Nutzung, wobei die Pkw-Nutzung im Mittel zum Vier- bis Fünffachen an CO2-Emissionen führt (Mein Klimaschutz o. J.). Bei innerdeutschen Flügen ist man oder Frau aufgrund der langen Check-In-Zeiten im Prinzip kaum schneller als mit der Bahn. Hier kann der UmweltMobilCheck der Deutschen Bahn eine Orientierung geben (Deutsche Bahn o. J.). Eine Fahrt von Berlin nach Hamburg führt bei Pkw-Nutzung zu etwa 54 kg CO2-Äq, bei Bahnnutzung zu 0,03 kg CO2-Äq.
Sollten Geschäftsreisen mit dem Flugzeug gelegentlich unvermeidbar sein, bieten sich Kompensationsmodelle zum Ausgleich der Klimawirkung an, bei denen eine Klimakompensation erfolgt. Hierbei wird ein Geldbetrag entsprechend der verursachten Emissionen überwiesen und dieser wird in Klimaschutzprojekte investiert z. B. in den Moorschutz oder Wiederaufforstung (vgl. atmosfair o. J.). Bei einem Hin-und Rückflug von Berlin nach Shanghai entstehen ca. 4.800 kg CO2 Emissionen. Diese können durch 111 € Ausgleichszahlung kompensiert werden.
Antriebskonzepte
Darüber hinaus stellt sich die Frage nach den “Kraftstoffen” für die Mobilität der Zukunft. In der Diskussion stehen Elektrofahrzeuge mit unterschiedlichen Antriebskonzepten, Wasserstofffahrzeuge mit Brennstoffzellen sowie biogene Kraftstoffe.
- Hybrid-Fahrzeuge: Es gibt verschiedene Typen wie Mild-Hybrid, Voll-Hybrid, Plug-in-Hybrid oder Range Extender, die einen mehr oder weniger starken Verbrenner mit einem Elektroantrieb kombinieren. Solange die Reichweite reiner E-Autos noch begrenzt ist, wird es auch diese Fahrzeuge geben.
- Elektroauto mit Batterie: Ein vollelektrisches Fahrzeug (BEV) wird ausschließlich von einem batteriebetriebenen Elektromotor angetrieben. Der wird über das Stromnetz aufgeladen, das heißt: er benötigt keinen fossilen Kraftstoff. Dadurch fährt das Fahrzeug zu 100 Prozent emissionsfrei. Allerdings ist hier der Strommix von Bedeutung: Der Anteil von Gas und Kohle führt zu Emissionen bei der Stromerzeugung.
- Elektroauto mit Brennstoffzelle: Ein Brennstoffzellenauto (FCEV) wird ausschließlich von einem Elektromotor angetrieben. Der Strom wird in einer Wasserstoff-Brennstoffzelle erzeugt. Bei der Nutzung von Wasserstoff in Fahrzeugen ist von entscheidender Bedeutung, dass dieser mit elektrischem Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt wird, ein sogenannter grüner Wasserstoff – denn nur dann ist sein Einsatz in Fahrzeugen CO2-frei und damit klimaneutral. Die Herstellung von grünem Wasserstoff erfolgt mittels Elektrolyse von Wasser.
- Biogene Kraftstoffe: Hier wird der Kraftstoff aus Pflanzen erzeugt. Dies können Öl-Pflanzen wie Raps sein, aus denen Biodiesel, oder Zuckerrohr, aus dem Ethanol erzeugt wird. Letzteres ist z. B. in Brasilien eine wichtige Kraftstoffquelle. Die Antriebstechnik ist vergleichbar mit konventionellen Verbrennungsmotoren mit der Ausnahme, dass das bei der Verbrennung entstehende CO2 klimaneutral ist, denn die bei der Verbrennung freigesetzte CO2-Menge entspricht in etwa derjenigen Menge, die die Pflanze während ihres Wachstums mittels Photosynthese der Atmosphäre entzogen hatte.
Wie wird sich die individuelle und die gewerbliche Mobilität der Zukunft gestalten? Vermutlich wird es die Elektromobilität mit Batterien für Pkw und kleine Nutzfahrzeuge bis 3,5 Tonnen sein. Von entscheidender Bedeutung ist, dass der elektrische Strom zur Ladung der Fahrzeugbatterie mit erneuerbaren Energien erzeugt wird. Bei Lkw in der Klasse ab 7,5 t ist die Frage noch nicht beantwortet – hier konkurrieren Elektromobilität mit Batterien und Fahrzeuge mit Brennstoffzellen noch miteinander.
Fuhrpark für den motorisierten Individualverkehr
Der motorisierte Individualverkehr (MIV) wird mit Pkw´s durchgeführt. Alle Unternehmen besitzen zumindest ein Fahrzeug für den Geschäftsführer, größere Unternehmen stellen Dienstfahrzeuge, große Unternehmen haben ganze Fahrzeugflotten. Laut Statista gab es 2020 mehr als 5 Millionen Pkw’s mit einem gewerblichen Fahrzeughalter (ca. 11 Prozent des Fahrzeugbestandes, Statista 2022b). Um die Emissionen im Verkehr deutlich zu reduzieren – dies ist unbedingt notwendig, um die international vereinbarten Klimaziele zu erreichen – muss der Fuhrpark auf emissionsarme Fahrzeuge umgestellt werden. Bei der Umstellung des betrieblichen Fuhrparks von Fahrzeugen mit (fossilen) Verbrennungsmotoren auf alternative Antriebskonzepte stehen derzeit Elektrofahrzeuge mit unterschiedlichen Antriebskonzepten, Wasserstofffahrzeuge mit Brennstoffzellen sowie die Nutzung biogener Kraftstoffe in der Diskussion:
- Hybrid-Fahrzeuge: Es gibt verschiedene Typen wie Mild-Hybrid, Voll-Hybrid, Plug-in-Hybrid oder Range Extender, die einen mehr oder weniger starken Verbrenner mit einem Elektroantrieb kombinieren. Solange die Reichweite reiner E-Autos noch begrenzt ist, wird es auch diese Fahrzeuge geben.
- Elektroauto mit Batterie: Ein vollelektrisches Fahrzeug (BEV) wird ausschließlich von einem batteriebetriebenen Elektromotor angetrieben. Der wird über das Stromnetz aufgeladen, das heißt: er benötigt keinen fossilen Kraftstoff. Dadurch fährt das Fahrzeug zu 100 Prozent emissionsfrei. Allerdings ist hier der Strommix von Bedeutung: Der Anteil von Gas und Kohle führt zu Emissionen bei der Stromerzeugung.
- Elektroauto mit Brennstoffzelle: Ein Brennstoffzellenauto (FCEV) wird ausschließlich von einem Elektromotor angetrieben. Der Strom wird in einer Wasserstoff-Brennstoffzelle erzeugt. Bei der Nutzung von Wasserstoff in Fahrzeugen ist von entscheidender Bedeutung, dass dieser mit elektrischem Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt wird, ein sogenannter grüner Wasserstoff – denn nur dann ist sein Einsatz in Fahrzeugen CO2-frei und damit klimaneutral. Die Herstellung von grünem Wasserstoff erfolgt mittels Elektrolyse von Wasser.
- Biogene Kraftstoffe: Hier wird der Kraftstoff aus Pflanzen erzeugt. Dies können Öl-Pflanzen wie Raps sein, aus denen Biodiesel, oder Zuckerrohr, aus dem Ethanol erzeugt wird. Letzteres ist z. B. in Brasilien eine wichtige Kraftstoffquelle. Die Antriebstechnik ist vergleichbar mit konventionellen Verbrennungsmotoren mit der Ausnahme, dass das bei der Verbrennung entstehende CO2 klimaneutral ist, denn die bei der Verbrennung freigesetzte CO2-Menge entspricht in etwa derjenigen Menge, die die Pflanze während ihres Wachstums mittels Photosynthese der Atmosphäre entzogen hatte.
Wie wird sich die individuelle und die gewerbliche Mobilität der Zukunft gestalten? Vermutlich wird es die Elektromobilität mit Batterien für Pkw und kleine Nutzfahrzeuge bis 3,5 Tonnen sein. Von entscheidender Bedeutung ist, dass der elektrische Strom zur Ladung der Fahrzeugbatterie mit erneuerbaren Energien erzeugt wird. Bei Lkw in der Klasse ab 7,5 t ist die Frage noch nicht beantwortet – hier konkurrieren Elektromobilität mit Batterien und Fahrzeuge mit Brennstoffzellen noch miteinander.
Nutzungsverhalten
Neben der Umrüstung der Dienstwagen auf elektrische Antriebe sollte auch der individuelle Umgang mit Mobilität überdacht werden. Es können beispielsweise THG-Emissionen eingespart werden, wenn die Mitarbeitenden zu Fuß oder mit dem Rad zum Arbeitsplatz im Handel kommen, sofern aus gesundheitlichen Gründen oder einer zu großen Distanz zum Arbeitsort nichts dagegen spricht. Zudem kann der Betrieb die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel z. B. durch ein Jobticket attraktiver gestalten. Auch die Förderung von Dienstfahrrädern ist in einigen Städten und Kommunen möglich. Zusätzlich ist die Bildung von Fahrgemeinschaften denkbar, wenn es sich von den Arbeitszeiten und den Wegen anbietet. Strecken, die mit dem Auto gefahren werden müssen, sollten optimiert werden (Routenoptimierung), insbesondere gilt dies für den Transport von Waren. Außerdem hat die Fahrgeschwindigkeit einen erheblichen Einfluss auf die ausgestoßenen THG-Emissionen. Laut Umweltbundesamt verursachten im Jahr 2020 Pkw und leichte Nutzfahrzeuge auf Bundesautobahnen in Deutschland THG-Emissionen in Höhe von rund 30,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Durch die Einführung eines generellen Tempolimits von 120 km/h auf Bundesautobahnen würden die Emissionen um jährlich 2,0 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente reduziert und ein Tempolimit von 100 km/h würde sie um 4,3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr mindern (UBA 2022b). Auch ohne generelles Tempolimit kann jede*r die Fahrgeschwindigkeit reduzieren, das spart nicht nur THG-Emissionen sondern auch Kosten ein (mobile.de 2020). Denn bei hohen Geschwindigkeiten verbrauchen Fahrzeuge überdurchschnittlich viel Kraftstoff. Nach Angaben des ADAC verbraucht ein Mittelklasseauto um bis zu zwei Drittel mehr Kraftstoff, wenn es statt 100 km/h mit 160 km/h fährt (ebd.).
Druckluft
Druckluft wird im Schwerpunkt stationär in der Werkstatt genutzt, somit ist dies eher ein Thema für Fahrzeuglackierer als für den klassischen Malereibetrieb mit immer wechselnden Baustellen. Der Vollständigkeit halber wird dieses Thema mit aufgenommen.
Druckluft ist ein universeller, jedoch auch relativ teurer Energieträger, denn ca. 95 Prozent der Energie gehen als Abwärme verloren. Die Größe der Anlage ist abhängig von der Betriebsgröße und den damit verbundenen Nutzungsstunden der Druckluftanlage. (Bm o. J.). Druckluft-Anlagen verlieren auf verschiedenen Wegen Energie, durch undichte Stellen, also etwa defekte Ventile oder Rohre und – vor allem bei großen Anlagen – durch ungenutzte Wärmeentwicklung. Aber auch ineffektive Druckluftgeräte, Verunreinigungen, Anschlussfehler und mangelnde Kompressoren-Regelung können für eine schlechte Energieeffizienz und dadurch für hohe Energiekosten sorgen.
Mit Ultraschall lassen sich über Luftschall unterschiedlichste Lecks erkennen und orten: Druck-, Vakuum- und jede Art von Gasleckage (Mittelstandsinitiative, Energiewende und Klimaschutz- KFZ o. J.). “Das an den Leckstellen austretende Gas erzeugt dabei für den Menschen nicht hörbare Geräusche im Ultraschall-Frequenzbereich.“ Diese durch Strömungsreibung verursachten Schallschwingungen werden von der Ultraschallsonde empfangen und vom Messgerät in Hörschall transformiert, der auf einem angeschlossenen Kopfhörer wiedergegeben und zusätzlich als Indikatorwert auf dem Display angezeigt werden kann. Das digitale Inspektionssystem ist auch zur Leckageortung bei mechanischen Inspektionen (per Körperschall bei Maschinenlagern, Schmierungen) und elektrischen Inspektionen (Schaltanlagen, Kabel & Isolatoren, Transformatoren, Stromunterbrechern) einsetzbar.”
Tabelle: Jährliche Energiekosten durch Leckagen im Rohrleitungssystem (Energieeffizienz im Handwerk o. J.)
Lochdurchmesser (mm) | Luftverlust bei 12 bar (l/s) | Energieverlust bei 12 bar (kWh) | Kosten bei 12 bar (€/a) |
1 | 1,8 | 1,0 | 560 |
5 | 58,5 | 33,7 | 18.872 |
10 | 235,5 | 132,0 | 73.920 |
(Annahme: 6.000 Betriebsstunden p.a., Strompreis 14 Cent/kWh)
Folgende Tipps zum Umgang von Druckluft sollten beachtet werden:
- Der richtige Druck.
- Energierückgewinnung nutzen.
- Zentrale Kompressorsteuerung, Optimierung von Prozesstemperatur und Laufzeit.
- Leckagen verhindern und reparieren (ein Pfeifen an Leistungen weist auf Leckagen hin).
- Kompressor, Filter richtig warten.
- Minimierung der Standby-Wärmeabgabe bzw. Abschaltung der Anlage bei Nichtnutzung.
In größeren Fahrzeuglackierbetrieben wird die größte Energieersparnis erreicht, wenn die ohnehin entstehende Wärme (95 Prozent) an Kompressoren weiter genutzt wird. Dies erfolgt in der Regel für Heizung oder Warmwasser, gelegentlich auch für sogenannte Prozesswärme, also die Erwärmung eines Werkstücks oder Ähnliches. Selten wird die erwärmte Kühlluft dafür eingefangen und weitergeleitet, effektiver ist ein Wärmetauscher-System, welches das erhitzte Kompressor-Motoröl an einem Wasserkreislauf vorbei führt. (ebd.).
Bei geringen Nutzungsstunden der Anlage sollte zusätzlich der Einsatz von Werkzeugen und Geräten mittels Druckluft überprüft werden. So kann ein elektrisches Gerät deutlich energiesparender sein als die Verwendung von druckluftbetriebenen Werkzeugen, denn es entfällt die teuer und aufwendig aufbereitete Druckluft.
Energiespeicherung
Eine zentrale Herausforderung bei der Nutzung erneuerbarer Energien ist ihre Fluktuation, denn Solarstrahlung steht nachts nicht zur Verfügung und auch der Wind weht nicht kontinuierlich. Eine ausgeglichene Balance von Stromerzeugung und Stromnachfrage ist aber unabdingbar für die Versorgungssicherheit sowie die Netzstabilität. Um eine gleichmäßige Frequenz im Stromnetz aufrechtzuerhalten, müssen Erzeugung und Nutzung aufeinander abgestimmt werden. Andernfalls muss die Differenz und mögliche Frequenzschwankungen durch die sogenannte Regelenergie ausgeglichen werden. Möglichkeiten dazu sind:
- Abschaltung von EE-Anlagen (geringere Einspeisung)
- Zuschaltung von Speicherkraftwerken (höhere Einspeisung)
- Abschaltung großer Verbraucher (geringere Entnahme)
Die Abschaltung ist aber unökologisch und unwirtschaftlich. Um dies zu vermeiden, bieten sich Energiespeicher an, die bei Bedarf zugeschaltet werden. Diese sind:
- Pumpspeicherkraftwerke: Kostengünstig, nur für gebirgige dünn besiedelte Regionen (z. B. Norwegen, Öst. Alpen), benötigen einen Netzanschluss z. B. durch sehr lange und teure DC-Leitungen z. B. durch die Ost- und Nordsee bei norwegischen Speichern.
- Druckluft: Einfache Technologie, gut nutzbar bei Anbindung an Windkraftanlagen, aber nur begrenztes Speicherpotential und bisher eher ein Forschungsgegenstand.
- Schwungräder: Einfache Technologie, aber hohe Masse des Rades und noch in der Entwicklung.
- Chemisch als Wasserstoff: Elektrolyse von Wasser zur Stromerzeugung, gut erforscht für Kleinanlagen, derzeit erfolgt ein großtechnischer Aufbau, wichtiger Zielkonflikt: Wasserstoff ist auch relevant für die Stahl-, Zement- und chemische Industrie sowie zum Antrieb von Lkws (evt. Flugzeuge), teure Technologie.
- Chemisch als Methan: Elektrolyse von Wasser zur Stromerzeugung, dann Reduktion von CO2 zu Methan (CH4), relevant für Gebäudeheizungen, teure Technologie.
Allen obigen Technologien ist gemeinsam, dass die Umwandlung von Kraft oder innerer Energie immer mit hohen Verlusten aufgrund der Thermodynamik (Wärmeverluste) verbunden ist. Die wichtigste Batterie ist derzeit die Lithium-Ionen-Batterie. (GRS o. J., ISE 2021): Dieser Batterietyp dient sowohl für die Versorgung von Kleingeräten (Mobiltelefone, Tablet, Notebooks, Werkzeuge) als auch für Fahrzeuge und Fahrräder sowie als Hausspeicher (s.a.u.). Batterien im Kleinstbereich und für die Elektromobilität müssen ein geringes Gewicht beim höchsten Energiegehalt haben. Weitere Faktoren sind die Kosten, die Brandsicherheit, die Ladefähigkeit und die Lebensdauer. Die Kathode enthält Kobalt-Oxid (CoO), die Anode besteht aus Graphit. Als Elektrolyt dienen Li-organische Verbindungen. Die Vorteile sind die höchste Energiedichte aller im großen Maßstab produzierten Batterien, kein Memory Effekt und eine gute Zyklenfestigkeit. Die Nachteile sind ein hoher Preis, ein aufwändiges Zellmanagement aufgrund der geringen Größe und damit verbunden mit einer hohen Anzahl von Zellen. Aus Sicht der Nachhaltigkeit ist insbesondere die Gewinnung von Cobalt in Sambia und der Demokratischen Republik Kongo, dem wichtigsten aller Lieferländer, sehr gewichtig, da hier u. a. ein illegaler und umweltzerstörender Abbaus stattfindet (FAZ-net 2022, Save the Children 2022). Lithium ist ein Salz, das in verschiedenen Ländern in Salzseen vorkommt. Der größte Produzent ist Australien (51.000 t) vor Chile (13.000 t; VW o. J.). Hierbei spielt insbesondere die Bereitstellung von Wasser und die Abwasserbehandlung eine wichtige Rolle, da die Gewinnung meist in ariden Regionen stattfindet. Die bekannten Reserven übersteigen derzeit die Bedarfe um ein Vielfaches, weshalb diskutiert wird, ob Lithium ein “knappes” Metall ist oder nicht (ebd.).
Quellenverzeichnis
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BM Online, das Portal für Schreiner, Tischler, Fensterbauer (o. J.) Online: https://www.bm-online.de/allgemein/jede-menge-einsparpotenzial-2/
BUND (o. J.): Mais & Umwelt. Online: http://www.bund-rvso.de/mais-umwelt.html
Carboncare-Rechner (o. J.): CO2Äq/a für internationale Transporte: Online: https://www.carboncare.org/co2-emissions-rechner
CO2Online (o. J.): Strom sparen im Haushalt: 25 einfache Tipps. Online: https://www.co2online.de/energie-sparen/strom-sparen/strom-sparen-stromspartipps/strom-sparen-tipps-und-tricks/
DESTATIS-Statistisches Bundesamt (2022): Indikatoren der UN-Nachhaltigkeitsziele 2022. Online unter: http://sdg-indikatoren.de/
Deutsche Bahn (o. J.): Der Mobilitätscheck der Deutschen Bundesbahn. Online: https://www.umweltmobilcheck.de
Dumke (2017): Erneuerbare Energien für Regionen – Flächenbedarfe und Flächenkonkurrenzen. Online: repositum.tuwien.at/handle/20.500.12708/8290
EcoTransIT (o. J.): Emissionsrechner für Treibhausgase und Luftschadstoffe. Online: https://www.ecotransit.org/de/emissionsrechner/
Eigensonne (o. J.): Der Wirkungsgrad moderner Solarzellen – einfach und verständlich erklärt. Online: https://www.eigensonne.de/wirkungsgrad-solarzelle/
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Energieexperten (o. J.): Ratgeber: Kennwerte für den Stromverbrauch von Beleuchtungen. Online: https://www.energie-experten.org/energie-sparen/energieverbrauch/stromverbrauch-berechnen/stromverbrauch-beleuchtung
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EU 2017/1369 zur Festlegung eines Rahmens für die Energieverbrauchskennzeichnung und zur Aufhebung der Richtlinie 2010/30/EU. Online: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32017R1369&from=EL#:~:text=(1)%20Die%20Union%20hat%20sich,der%20Energienachfrage%20von%20zentraler%20Bedeutung.
FAZ-Net Frankfurter Allgemeine Zeitung (2022 online): Die dunkle Seite der Verkehrswende. https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/schneller-schlau/kobalt-aus-kongo-der-dunkle-preis-der-verkehrswende-17731386.html
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Mein Klimaschutz (o. J.) CO2 durch Verkehrsmittel im Vergleich https://www.mein-klimaschutz.de/unterwegs/a/einkauf/welches-verkehrsmittel-verursacht-im-vergleich-mehr-co2/
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Pflanzenforschung.de/ Anabel Mechela (2020): Photosynthese 2.0 Von der Jagd nach mehr Effizienz bis zum künstlichen Blatt https://www.pflanzenforschung.de/de/pflanzenwissen/journal/photosynthese-20#
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Wikimedia (2020): Installierte PV-Leistung in Deutschland. online: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=90477752
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SDG 8 Menschenwürdige Arbeit
“Dauerhaftes, inklusives und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und
menschenwürdige Arbeit für alle fördern”
In der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie wird zum SDG 8 auf das Leitbild „Soziale Marktwirtschaft“ verwiesen (Bundesregierung 2021: 2214):
„Soziales Ziel ist es, unternehmerische Freiheit und funktionierenden Wettbewerb mit sozialem Ausgleich und sozialer Sicherheit zu verbinden. Mit Hilfe der Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft, wie fairer Wettbewerb, Unternehmerverantwortung, Sozialpartnerschaft, Mitbestimmung und gerechte Verteilung des erwirtschafteten Wohlstands, werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass wir auch in Zukunft noch Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung haben.“
Hinsichtlich des SDG 8 sind zwei Ebenen zu betrachten: Eine nationale Ebene und die globale Ebene.
Auf der nationalen Ebene steht Deutschland laut der „European Working Survey” hinsichtlich der Arbeitsbedingungen sehr gut da – 89 Prozent der Befragten geben an, mit ihrem Job zufrieden zu sein und 91 Prozent bestätigen einen fairen Umgang mit ihnen als Arbeitnehmer*innen (Eurofond 2021). Jedoch zeigt der Index “Gute Arbeit” des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB 2022) detailliert, dass es in manchen Branchen, wie dem Gesundheitssektor und bei Beschäftigten in Leiharbeitsverhältnissen noch große Defizite gibt (DGB 2022). Besonders negativ sind hierbei die Kriterien “Arbeitsintensität” und “Einkommen” aufgefallen, die notwendigen Handlungsbedarf in Berufsbildern aufzeigen.
Auch wenn Kinderarbeit und Sklaverei in Deutschland keine Rolle spielen, so ist die Umsetzung der verschiedenen Unterziele des SDG 8 eine dauerhafte Aufgabe im Sinne einer kontinuierlichen Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Noch ein zweites gilt: Aufgrund der komplexen Lieferketten müssen Unternehmen Verantwortung für ihre Produkte auch in den Ländern, wo diese hergestellt werden, übernehmen. An dieser Stelle sollen folgende Unterziele betrachtet werden:
8.5 Bis 2030 produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle Frauen und Männer, einschließlich junger Menschen und Menschen mit Behinderungen, sowie gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit erreichen
8.6 Bis 2020 den Anteil junger Menschen, die ohne Beschäftigung sind und keine Schul- oder Berufsausbildung durchlaufen, erheblich verringern
8.b Bis 2020 eine globale Strategie für Jugendbeschäftigung erarbeiten und auf den Weg bringen und den GLOBALEN BESCHÄFTIGUNGSPAKT DER INTERNATIONALEN ARBEITSORGANISATION umsetzen (ILO o. J.; Destatis o. J.)
8.7 Sofortige und wirksame Maßnahmen ergreifen, um Zwangsarbeit abzuschaffen, moderne Sklaverei und Menschenhandel zu beenden und das Verbot und die Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit, einschließlich der Einziehung und des Einsatzes von Kindersoldaten, sicherstellen und bis 2025 jede Form von Kinderarbeit ein Ende setzen
8.8 Die Arbeitsrechte schützen und sichere Arbeitsumgebungen für alle Arbeitnehmer, einschließlich der Wanderarbeitnehmer, insbesondere der Wanderarbeitnehmerinnen, und der Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen, fördern.
Die Schnittstellen zur neuen Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ ergibt sich über die Beachtung der gesellschaftlichen Folgen des beruflichen sowie der zu entwickelnden Beiträge für ein nachhaltiges Handeln (BMBF 2022)
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Menschenwürdige Arbeit
Menschenwürdige Arbeit in Deutschland bedeutet vor allem Arbeit, die sich zumindest an internationalen Standards orientiert. Formuliert sind diese in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Vereinte Nationen 1948; UN-Charta, Artikel 23 und 24). Als “menschenunwürdige Arbeit” werden Kinderarbeit, Sklavenarbeit und teilweise Leiharbeit bezeichnet sowie Merkmale bei den Beschäftigungsverhältnissen, die sich nicht an den o.g. Regelwerken orientieren, wie “fehlende soziale Sicherheit”, “mangelnder Arbeitsschutz”, “Ausnutzung von Scheinselbstständigen” und “Ungleichbehandlung von Frauen”.
Saisonarbeit
Alle bei einem in Deutschland ansässigen Unternehmen befristet angestellte Arbeitnehmer: innen aus anderen Ländern werden als Saisonarbeiter bezeichnet. Laut Definition in den relevanten Vorschriften üben sie eine Tätigkeit aus die “aufgrund eines immer wiederkehrenden saisonbedingten Ereignisses oder einer immer wiederkehrenden Abfolge saisonbedingter Ereignisse an eine Jahreszeit gebunden sind, während der Bedarf an Arbeitskräften den für gewöhnlich durchgeführte Tätigkeiten erforderlichen Bedarf in erheblichem Maße übersteigt” (Zoll 2022). Folgende Bereiche setzen Saisonarbeitskräfte ein:
- Tourismus: Gaststätten, Hotels für Kellner: innen, Küchenpersonal, Zimmerservice und in Betrieben, die nicht ganzjährig geöffnet sind, wie Biergärten und Skihütten, oder auch zur Abdeckung von Arbeitsspitzen in Ausflugslokalen.
- Schaustellergewerbe auf Volksfesten, Jahrmärkten etc.
- In der Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau (Erntehilfen in Sonderkulturbetrieben wie Obst-, Gemüse- oder Weinbau).
DGB Index Gute Arbeit
Die Qualität von Arbeitsbedingungen wird seit 2012 aufgrund von 42 standardisierten Fragen in einer bundesweiten repräsentativen Erhebung ermittelt (DGB 2022). Elf Kriterien der Arbeitsqualität werden abgefragt. Im November 2022 wurde der DGB-Index Gute Arbeit 2022 veröffentlicht. Wie schon in den vorangegangenen Jahren gibt es zu den Kriterien „Arbeitsintensität“ und „Einkommen“ erheblich kritische Bewertungen.
Der Index 2022 zeigt z. B. für die Branchen „Metallerzeugung und –bearbeitung“ (64), „Ver- und Entsorgung“ (69), „Baugewerbe“ (66), „Gastgewerbe“ (62), „Information und Kommunikation“ (69), „Finanz- und Versicherungsdienstleistungen“ (68) und „Gesundheitswesen“ (62) auf, dass die Arbeitsbedingungen noch weit entfernt sind vom Anspruch „Gute Arbeit“.
In der ausführlichen Debatte über die Detailergebnisse für 2022 sticht hervor, dass Beschäftigte in Leiharbeitsverhältnissen ihre Situation auffällig schlecht bewerten (ebd.).
„Auf Branchenebene kommen Beschäftigte aus dem Gastgewerbe und dem Gesundheitswesen auf die niedrigsten Indexwerte (jeweils 62 Punkte). In der Informations- und Kommunikationsbranche (IuK) liegt der Wert dagegen bei 69 Punkten. Auch in den Branchen treten auf Ebene der Teilindizes zum Teil sehr große Unterschiede zutage. Beim Teilindex „Ressourcen“ kommen IuK-Beschäftigte auf 75 Indexpunkte, Arbeitnehmer*innen aus der Metallerzeugung und -bearbeitung dagegen lediglich auf 68 Punkte. Die höchsten Belastungen finden sich im Bereich Erziehung und Unterricht (54 Punkte) sowie im Gesundheitswesen (56 Punkte), wo häufig sowohl physische als auch psychische Belastungsfaktoren auftreten. Die größte Diskrepanz auf Branchenebene zeigt sich bei der Bewertung von „Einkommen und Sicherheit“. Hier liegen die Befragten aus dem Gastgewerbe mit 54 Punkten um 16 Punkte unter dem Wert der Beschäftigten aus der öffentlichen Verwaltung (70 Punkte).“ (a.a.O., S. 13)
Darüber hinaus zeigt der Blick in einzelne Branchen und Berufsgruppen, dass noch immer körperliche Belastungen in vielen Bereichen sehr verbreitet sind (ebd.:S. 19).
Einen wesentlichen Einfluss auf die Bewertung der eigenen Arbeitsbedingungen haben die Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten im Arbeitskontext. Im Zusammenhang mit nachhaltiger Entwicklung ist das Kriterium „Sinn der Arbeit“ eine wesentliche Ressource zur Beurteilung der eigenen Arbeitsbedingungen. Dazu führt der Bericht „Index Gute Arbeit 2022“ aus: „Der Sinngehalt von Arbeit ist eine Ressource, die sich aus unterschiedlichen Quellen speisen kann. Dazu gehört, dass die Produkte bzw. Dienstleistungen, die produziert oder erbracht werden, als nützlich erachtet werden. Häufig ist dies mit der Einschätzung verbunden, ob die Arbeit einen gesellschaftlichen Mehrwert erzeugt. Sinnhaftigkeit kann dadurch entstehen, dass die Arbeit einen Nutzen für Andere hat. Und wichtig für Sinnempfinden ist auch, dass die eigenen, ganz konkreten Arbeitsaufgaben und -merkmale nicht sinnlos erscheinen. Wird Arbeit als sinnvoll empfunden, wirkt sich das positiv auf die Motivation und das Wohlbefinden der Beschäftigten aus. Dauerhaft einer als sinnlos erachteten Arbeit nachzugehen, stellt dagegen eine mögliche psychische Belastung und damit ein gesundheitliches Risiko dar.
BDA - Die Arbeitgeber
Die Arbeitgeber argumentieren mit positiven Statistiken, dass die Arbeitsbedingungen in Deutschland sehr gut sind (BDA o. J.). So sind laut der European Working survey 89 Prozent der in Deutschland Beschäftigten mit ihrem Job zufrieden, 74 Prozent gaben in der Befragung an, dass ihnen ihr Job Spaß macht und 91 Prozent bestätigen einen fairen Umgang am Arbeitsplatz (Eurofond 2021, BDA o. J.). Auch hinsichtlich der Arbeitssicherheit ist die Entwicklung positiv: Sowohl die Arbeitsunfälle, als auch die Unfallquote hat sich seit 1991 halbiert (BDA o. J.). Diese befinden sich seit 2004 unter 1 Mio. und bewegen sich seitdem zwischen 954.000 und 760.000 gemeldeten Fällen (Statista 2021).
Außerdem wird auf die Prävention und den Gesundheitsschutz hingewiesen, für den 2016 ca. 5 Mrd. € ausgegeben wurden, was 40 Prozent der gesamten Ausgaben von 11,7 Mrd. € ausmacht (BDA o. J.). Die betriebliche Gesundheitsförderung, wie Stressmanagement, gesundheitsgerechte Mitarbeiterführung oder Reduktion der körperlichen Belastung kommt dabei sowohl den Beschäftigten als auch den Arbeitgebern zugute. Zuletzt wird noch auf die Eigenverantwortung hingewiesen, die aus selbstverantwortlichen Entscheidungen und flexibleren Arbeitszeiten resultiert.
Prekäre Beschäftigungsverhältnisse
Menschen arbeiten auch in Deutschland teilweise in prekären Beschäftigungsverhältnissen und die “Bedeutung des sogenannten Normalarbeitsverhältnisses nimmt ab, während atypische Formen von Arbeit an Bedeutung zunehmen” (Jakob 2016). Dazu zählen befristete Arbeitsverträge, geringfügige Beschäftigung, Zeitarbeit, (Ketten-)Werkverträge und verschiedene Formen der (Schein-)Selbstständigkeit oder auch Praktika. Durch die Agenda 2010 wurde das Sicherungsniveau für von Arbeitslosigkeit Betroffene deutlich gesenkt (Arbeitslosengeld I in der Regel nur für ein Jahr, danach Arbeitslosengeld II). Menschen sehen sich eher gezwungen, “jede Arbeit zu fast jedem Preis und zu jeder Bedingung anzunehmen. Das hat dazu geführt, dass die Löhne im unteren Einkommensbereich stark gesunken sind” (Jakob 2016). 2015 wurde mit der Einführung des Mindestlohns dagegen gesteuert.
Das Thema betrifft auch das SDG 10 “Ungleichheit”, denn jeder Mensch hat das Recht auf faire und gute Arbeitsverhältnisse, dies ist vielen Menschen jedoch verwehrt. Prekäre Beschäftigung widerspricht dem Leitbild von ”Guter Arbeit“, verbaut Entwicklungsmöglichkeiten von Beschäftigten und verstärkt nachweislich den Trend zu psychischen Belastungen und Erkrankungen sowie deren Folgewirkungen (Jakob 2016) (siehe auch SDG “Gesundheit”) .
Kinderarbeit
Zur Definition und Umsetzung von menschenwürdigen Arbeitsbedingungen sind global große Unterschiede zu verzeichnen. Ein Beispiel hierfür ist die Kinderarbeit, die weltweit noch immer verbreitet ist. 79 Millionen Kinder arbeiten unter ausbeuterischen Bedingungen, vor allem in Fabriken, die wenig qualifiziertes Personal benötigen oder in der Landwirtschaft sowie im Bergbau (BMZ 2021 und 2022). Nach Angaben der ILO müssen weltweit rund 152 Millionen Kinder zwischen fünf und siebzehn Jahren arbeiten, vor allem in der Landwirtschaft, als Hausangestellte oder in Minen. Viele dieser Tätigkeiten sind gesundheitsgefährdend. Die ILO setzt sich schon lange für die Abschaffung von Kinderarbeit ein, sie ist Partnerorganisation in der „Allianz 8.7“, einer globalen Partnerschaft, die sich zum Ziel gesetzt hat, Zwangsarbeit, moderne Sklaverei, Menschenhandel und Kinderarbeit weltweit zu beseitigen, wie es in den Zielen für nachhaltige Entwicklung 2030 formuliert wurde. (ILO 2021) Unter Mitwirkung der deutschen Bundesregierung wird seit 1992 ein von der ILO betriebenes Internationales Programm zur Abschaffung der Kinderarbeit umgesetzt (International Programme on the Elimination of Child Labour, IPEC<, BMZ 2022)
Gender Pay Gap
Unterschiedliche Entlohnung für vergleichbare Tätigkeiten und Qualifikation für Frauen und Männer lassen sich durch die statistischen Erhebungen des Statistischen Bundesamtes aufzeigen. In einer Pressemitteilung vom März 2022 wird betont, dass Frauen pro Stunde noch immer 18 Prozent weniger verdienen als Männer: „Frauen haben im Jahr 2021 in Deutschland pro Stunde durchschnittlich 18 Prozent weniger verdient als Männer. Damit blieb der Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern – der unbereinigte Gender Pay Gap– im Vergleich zum Vorjahr unverändert. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) anlässlich des Equal Pay Day am 7. März 2022 weiter mitteilt, erhielten Frauen mit durchschnittlich 19,12 Euro einen um 4,08 Euro geringeren Bruttostundenverdienst als Männer (23,20 Euro). Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 16.02.2023 müssen Frauen bei gleicher Arbeit auch gleich bezahlt werden, eine individuelle Aushandlung der Lohn- oder Gehaltshöhe ist damit nicht wirksam (Zeit Online 2023).
Deutsches Sorgfaltspflichtengesetz
Um ihrer Verantwortung zum Schutz der Menschenrechte gerecht zu werden, setzt die Bundesregierung die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen mit dem Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte von 2016 (Nationaler Aktionsplan, Bundesregierung 2017; 2021; 2022) in der Bundesrepublik Deutschland mit einem Gesetz um. Das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten ist besser unter dem Namen Lieferkettengesetz oder auch Sorgfaltspflichtengesetz bekannt (BMAS 2022, o. a. “Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz”). Dort ist die Erwartung an Unternehmen formuliert, mit Bezug auf ihre Größe, Branche und Position in der Lieferkette in angemessener Weise die menschenrechtlichen Risiken in ihren Liefer- und Wertschöpfungsketten zu ermitteln, ihnen zu begegnen, darüber zu berichten und Beschwerdeverfahren zu ermöglichen.
Das Lieferkettengesetz tritt 2023 in Kraft und gilt dann zunächst für Unternehmen mit mehr als 3.000, ab 2024 mit mehr als 1.000 Angestellten. Es verpflichtet die Unternehmen, in ihren Lieferketten menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in angemessener Weise zu beachten. Kleine und mittlere Unternehmen werden nicht direkt belastet. Allerdings können diese dann betroffen sein, wenn sie Teil der Lieferkette großer Unternehmen sind.
Unabhängig ob betroffen oder nicht: Es lohnt sich auch für kleinere Unternehmen, sich mit dem Gesetz adressierten Nachhaltigkeitsthemen auseinanderzusetzen, um das eigene Handeln entlang dieser Leitplanken zu überprüfen. Der Nachhaltigkeitsbezug ist unter anderem durch den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) gegeben, er gab einen wichtigen Impuls für das Gesetz. Der NAP wurde gemeinsam von Politik und Unternehmen verabschiedet, um zu einer sozial gerechteren Globalisierung beizutragen (Bundesregierung 2017). Ergebnisse einer 2020 im Rahmen des Nationalen Aktionsplans durchgeführten repräsentativen Untersuchungen zeigten jedoch, dass lediglich zwischen 13 und 17 Prozent der befragten Unternehmen die Anforderungen des Nationalen Aktionsplans erfüllen (VENRO 2021). Der gesetzgeberische Impuls war also erforderlich, um die Einhaltung der Menschenrechte zu fördern und damit auch zu einem fairen Wettbewerb zwischen konkurrierenden Unternehmen beizutragen.
Das Lieferkettengesetz rückt internationale Menschenrechtsabkommen und lieferkettentypische Risiken in den Blick: Dazu zählen bspw. das Verbot von Kinderarbeit, der Schutz vor Sklaverei und Zwangsarbeit, die Vorenthaltung eines gerechten Lohns, der Schutz vor widerrechtlichem Landentzug oder der Arbeitsschutz und damit zusammenhängende Gesundheitsgefahren. Es werden zudem internationale Umweltabkommen benannt. Sie adressieren die Problembereiche Quecksilber, persistente organische Schadstoffe und die grenzüberschreitende Verbringung gefährlicher Abfälle und ihre Entsorgung. Zu den jetzt gesetzlich geregelten Sorgfaltspflichten der Unternehmen gehören Aufgaben wie die Durchführung einer Risikoanalyse, die Verankerung von Präventionsmaßnahmen und das sofortige Ergreifen von Abhilfemaßnahmen bei festgestellten Rechtsverstößen. Die neuen Pflichten der Unternehmen sind nach den tatsächlichen Einflussmöglichkeiten abgestuft, je nachdem, ob es sich um den eigenen Geschäftsbereich, einen direkten Vertragspartner oder einen mittelbaren Zulieferer handelt. Bei Verstößen kann die zuständige Aufsichtsbehörde Bußgelder verhängen. Unternehmen können von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden.
Arbeitsschutz
Im Bereich “Gesundheit” und “Gute Arbeit” sind durch die Folgen des Klimawandels wesentliche neue Herausforderungen sowohl für die Arbeitskräfte als auch für die Gesellschaft festzustellen. Bei Bauarbeiten im Freien sind alle Arbeitenden durch Extremwetterereignisse, wie hohe Temperaturen und lang anhaltende Hitzewellen, oder auch Starkregenereignisse, mit diesen neuen Herausforderungen direkt konfrontiert.
Im Maler- und Lackiererhandwerk werden die gesetzlich geforderten Dokumentationen häufig als lästige Arbeit angesehen, die jedoch immer stärkere Präsenz erhält. Betriebe, die sich um die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten kümmern und die gesetzlichen Pflichten erfüllen, führen auch eher zusätzliche Arbeitsschutzmaßnahmen ein (Arbeitsschutz 03/20). Es geht hier nicht mehr um formal einzuhaltende gesetzliche Auflagen, sondern gleichzeitig um einen hohen Wirkungsgrad der ergriffenen Maßnahmen wie z. B. um die Motivation der Mitarbeitenden sowie um Zeit- und Kosteneinsparungen. Laut Untersuchung der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft kann durch die Investition in den systematischen Arbeitsschutz Ausfalltage gesenkt und die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens sowie die Motivation der Beschäftigten gesteigert werden. Die Berufsgenossenschaft BAU bietet den Betrieben Präventionsprogramme und Themen spezifische Unterstützungen an. So z. B. bei Hitze, Staub, Lärm, Haut. So sind Arbeits-, Gesundheits- und Klimaschutz eng miteinander verbunden.
Die Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit (IVSS), welcher mehr als 320 Mitgliedsvereinigungen aus über 160 Ländern angehören, startete auf dem Weltkongress für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit in Singapur 2017 erstmalig eine Vision Zero-Präventionskampagne mit globalem Ansatz (issa o. J.). Das ursprünglich aus der Verkehrspolitik stammende Konzept der Vision Zero beruht auf der Überzeugung, dass alle Unfälle, Krankheiten und Schadensfälle bei der Arbeit vermieden werden und Exzellenz in Sicherheit, Gesundheit und Wohlbefinden gefördert wird. Diese sind (ebd. und vgl. BG Bau 2022):
- Leben Sie Führung – zeigen Sie Flagge!
- Gefahr erkannt – Gefahr gebannt!
- Ziele definieren – Programm aufstellen!
- Gut organisiert – mit System!
- Maschinen, Technik, Anlagen – sicher und gesund!
- Wissen schafft Sicherheit!
- In Menschen investieren – Motivieren durch Beteiligung!
Vision Zero möchte als Prozess und als Weg zum Idealzustand verstanden werden. Es geht aber auch um eine auf Werten basierende Vision, wonach die Sicherheit, die Gesundheit und das Wohlbefinden der Beschäftigten nicht durch die Arbeit beeinträchtigt werden sollten und ihnen möglichst dabei geholfen werden sollte, Sicherheit, Gesundheit und Wohlbefinden bei der Arbeit zu verbessern und Selbstvertrauen, Kompetenz und Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt zu stärken.
Planung - Lebenszyklus von Gebäuden
Bereits bei der Planung eines Gebäudes werden die Weichen für die sichere und wirtschaftliche Durchführung der Baumaßnahmen und Bauausführung gestellt. Die richtige Auswahl und Dimensionierung der einzelnen Elemente, sowie die Art der Baustoffe, deren Abmessung und deren Standort im Bauwerk beeinflussen die Verwendung von Produkten, Verfahren und Arbeitsweisen. Die gegenseitigen Abhängigkeiten der Festlegungen, Entscheidungen untereinander, aber auch die Auswirkungen auf die gewählten Bauverfahren sind zu berücksichtigen. Ebenso wichtig sind diese Einflüsse auf das Bauwerk, auf die Gebäude in der Nachbarschaft sowie auf die Umwelt. Mit der Festlegung der Anforderungen werden dann vom Ausschreibenden oder dem Handwerksbetrieb die dafür geeigneten Materialien, Werkzeuge und Geräte bestimmt.
Quellenverzeichnis
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BDA (o. J.): ARBEITSBEDINGUNGEN IN DEUTSCHLAND MIT SPITZENWERTENARBEITSBEDINGUNGEN IN DEUTSCHLAND MIT SPITZENWERTEN
BGBl Bundesgesetzblatt Jahrgang 2021 Teil I Nr. 46, ausgegeben zu Bonn am 22. Juli 2021, Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten. Online: https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl121s2959.pdf
Bliedtner, Beate; Landesinnungsverband für das Maler- und Lackiererhandwerk Berlin-Brandenburg (2022): „Vision Zero, Utopie oder umsetzbar?” in info.tipp, Ausgabe: 03/22:8
BMAS Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2022): Sorgfaltspflichtengesetz – Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten. Online: https://www.bmas.de/DE/Service/Gesetze-und-Gesetzesvorhaben/gesetz-unternehmerische-sorgfaltspflichten-lieferketten.html
BMAS Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2020) Eckpunkte „Arbeitsschutzprogramm für die Fleischwirtschaft“. Online: www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Pressemitteilungen/2020/eckpunkte-arbeitsschutzprogramm-fleischwirtschaft.pdf
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: https://www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2017): Nachhaltigkeit im Personalmanagement. Online: nachhaltig-forschen.de/fileadmin/user_upload/FactSheets_LeNa_Personal.pdf
BMZ Bundesministerium für Wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) 2021: Das Lieferkettengesetz. Online: https://www.bmz.de/de/entwicklungspolitik/lieferkettengesetz
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SDG 9 Industrie, Innovation und Infrastruktur
“Eine widerstandsfähige Infrastruktur aufbauen, inklusive und nachhaltige Industrialisierung fördern und Innovationen unterstützen”
Das SDG 9 befasst sich mit dem Bestreben, die Industrie nachhaltiger und effizienter zu machen sowie die Infrastruktur auszubauen. Auch soll die Forschung und Technologieentwicklung unterstützt werden, um die Industrie durch Innovationen in allen Bereichen weiterzubringen. Die Unterpunkte, die für das Malerhandwerk am relevantesten sind, sind die Punkte 9.1 und 9.4 die wie folgt lauten:
9.1 “ Eine hochwertige, verlässliche, nachhaltige und widerstandsfähige Infrastruktur aufbauen, einschließlich regionaler und grenzüberschreitender Infrastruktur, um die wirtschaftliche Entwicklung und das menschliche Wohlergehen zu unterstützen, und dabei den Schwerpunkt auf einen erschwinglichen und gleichberechtigten Zugang für alle legen”
9.4 “Bis 2030 die Infrastruktur modernisieren und die Industrien nachrüsten, um sie nachhaltig zu machen, mit effizienteren Ressourceneinsatz und unter vermehrter Nutzung sauberer und umweltverträglicher Technologien und Industrieprozesse, wobei alle Länder Maßnahmen entsprechend ihren jeweiligen Kapazitäten ergreifen”
Diese Punkte spiegeln sich in den Berufsbildpositionen b und d.
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
d) Abfälle vermeiden sowie Stoffe und Materialien einer umweltschonenden Wiederverwertung oder Entsorgung zuführen
Die Verwebung des SDG 9 und der Berufsbildpositionen kommt zustande, da die Anforderungen aus den technischen Vorgaben (Leistungsbeschreibung) und den einzuhaltenden Rahmenbedingungen bzw. Gewährleistungszeiten den Unternehmer, Auszuführenden entscheiden lassen, welches Material und vor allem welche Arbeitsschritte angewendet werden.
Das Malerhandwerk sieht sich einigen großen Innovationen gegenüber, die zum Teil noch entwickelt bzw. zum Teil schon implementiert werden. Diese neuartigen Produkte und Geräte sind unter anderem Spritzroboter, Pilze als neuer Baustoff, aber auch APPs (Kurzform von Applikation, die auf einem digitalen Endgerät läuft), die es vereinfachen, die Baustelle gewerkeübergreifend zu vernetzen. Hierzu ein einfaches Beispiel: Mit Hilfe von Google Maps kann der Anfahrtsweg, die energieeffizienteste Route und die Abfahrtszeit geplant werden. Die Angaben sind so genau, dass der Kunde vorab informiert werden kann, um z. B. das Hoftor aufzuschließen. Ebenso kann der Meister oder die Meisterin einer Kundin mitteilen, dass die Maler in einer halben Stunde eintreffen werden, wenn die Gesellen eine Standortfreigabe geschaltet haben. Mit derart einfachen Mitteln kann die Arbeitszeit effizienter geplant und die Kundenzufriedenheit gesteigert werden. Allein schon diese Innovationen lassen erahnen, welches disruptive Potential in neuen Technologien steckt. Die Frage ist also nicht, ob sich das Malerhandwerk verändern muss, sondern nur, wie diese Veränderung aussehen wird, um die Effizienz und Nachhaltigkeit in allen Bereichen zu erhöhen.
Digitalisierung im Malerhandwerk
Die Digitalisierung des Malerhandwerks ist genau so prävalent wie in allen anderen Gewerken und der Gesellschaft. Die Bemühungen zielen im ersten Schritt weniger darauf ab, die Arbeit als solche zu automatisieren, sondern die immer wiederkehrenden Verwaltungsaufgaben (kaufmännische Prozesse), welche mit dem Baustellenbetrieb (technische Prozesse) einhergehen, zu verkürzen und verlässlicher zu machen. Mögliche Anwendungsgebiete sind hier:
- Baustellendokumentation,
- digitale Farbgestaltung
- Kundenkommunikation,
- Rechnungslegung,
- Mitarbeiterplanung,
- Nachverfolgbarkeit von Materialien, Maschinen und Geräten,
- vorbeugende Wartung,
- Bestandsplanung von Arbeitsmaterialien sowie
- vernetztes Arbeiten zwischen Büro und Baustelle und anderen am Bau Beteiligten.
In diesen und vielen weiteren Punkten der kaufmännischen und technischen Prozesse unter Einbindung von mobilen und mit smarter Technik ausgestatteten Mitarbeiter*innen können Optimierungspotenziale recht kurzfristig und meist unkompliziert erschlossen werden. Schon jetzt gibt es cloudbasierte Softwarelösungen, welche z. B. Aufmaße, Dokumentationen, Material- und Geräteplanung, Kommunikation, Verwaltungsabläufe oder Farbberatungen für die Kunden oder auch die Angestellten vereinfachen. Viele Malerbetriebe haben hierbei ein großes Digitalisierungspotential, welches eine Effizienzsteigerung in wiederkehrenden Prozessen ermöglicht.
Das Malerhandwerk ist zudem vielfach Nutzer von Industrieprodukten, die Innovationskraft und die bewusste Nutzung alternativer Produkte haben im Markt noch Potenzial gehoben zu werden. Das Bewusstsein bei den Unternehmen, auch Innovationsgeber zu sein, ist nicht automatisch vorhanden. Industrie und Startups geben Innovationen vielfach vor. Eine gute Quelle rund um die aktuellen Entwicklungen im Handwerk und wie das Handwerk auch Impulsgeber sein kann, ist unter Mittelstand Digital, Zentrum Handwerk zu finden. Hier werden gemeinsam mit Handwerksbetrieben die Themen AR, VR & Datenbrillen, Virtuelle Realitäten, Cybersicherheit, Digitales Bauen, digitaler Zwilling, digitale Geschäftsprozesse, Künstliche Intelligenz, Smart Home, Internet der Dinge etc. bearbeitet. z. B. wurde in einem Malerbetrieb ein Online -Farbgenerator entwickelt, der Beratung, professionelles Farbkonzept, Auswahl von unterschiedlichen Malertechniken und Bestellung der erforderlichen Produkte in einem ermöglicht (vgl. handwerkdigital).
Building Information Modeling (BIM)
Building Information Modeling (BIM, vgl. handwerk.digital. o. J.) soll die Arbeitsschritte und -prozesse von allen am Bau beteiligten Gewerken in einer synchronisierten Datenbasis eingespeist, kombiniert und erfasst und in einer Cloud gespeichert werden. So stehen z. B. auch Änderungen in der Planung, Bauausführung sofort allen Projektpartnern zur Verfügung. Die digitalen Prozesse sollen den gesamten Lebenszyklus umfassen. Somit vom Entwurf der Bau-, Betriebs-, Wartungs-, Instandhaltungsphase bis hin zum optimierten Rückbau des Gebäudes.
Nach wie vor gibt es in den Büros von Architekten, Planern und Ingenieuren die Aktensammlung, Papiere und ausgedruckte Pläne, hier muss die digitale Vorarbeit geleistet werden. Im Bereich der Anlagentechnik und Gebäudeinstallation wurde auch von Seiten der herstellenden Industrie bereits Vorarbeit geleistet. Jedoch birgt es die Gefahr, dass über die zur Verfügung gestellten Informationen, Schnittstellen etc. bereits beim Planer direkt Einfluß auf das auszuschreibende, zu verwendende Produkt genommen wird.
Im Malerhandwerk hat sich BIM im Moment noch nicht etabliert, es könnte z. B. auch für die Meldung von Änderungen, Fehlermanagement eingesetzt werden. Jedoch wird dies aktuell durch einzelne eigenständige Softwarelösungen abgebildet (vgl. Allgemeine Bauzeitung, 2021).
Robotisierung
Zurzeit sind erste Ansätze der Automatisierung durch Roboter auf der Baustelle im Malerhandwerk zu sehen. So stellt das Berliner Startup “Conbotics” eine Markteinführung ihres “MalerRoboter” 2024 in Aussicht (Conbotics o. J.). Dieser Roboter soll in der Lage sein, große Flächen an Decken und Wänden mithilfe der Airless-Spritztechnik selbstständig zu spritzen. Hierbei ist das selbsterklärte Ziel, durch den Leichtbauroboter personelle Lücken zu schließen, körperlich belastende Arbeiten zu übernehmen und für einen effizienteren Arbeitsablauf zu sorgen. Detailarbeiten, z. B. das Streichen von Ecken, Leibungen, Nischen, Türrahmen oder Materialnachschub müssen jedoch noch von einem Menschen ausgeführt werden. Weitere Anbieter von Spritzroboter, z. B. okibo, welche jedoch schwerer und nicht zerlegbar sind, befinden sich bereits in der praktischen Testphase.
Die Zukunft wird zeigen, wie sich diese Innovation auf das Handwerk, insbesondere auf die Mitarbeiteranzahl in Betrieben, auswirken wird. Zum einen könnte der “MalerRoboter” den ihn anwendenden Malereibetrieb konkurrenzfähiger gegenüber seinen Mitbewerbern machen. Zum anderen wäre es auch möglich, dass durch diese Innovation die klassisch arbeitenden Malerbetriebe unter Preisdruck geraten, da Mitbewerber die eingesparten Kosten für die Arbeitszeit nun direkt an den Kunden weitergeben.
Bio-Komposite
Intensiv erforscht wird der Einsatz von Biokompositen im Bauwesen. Biokomposite sind Verbundwerkstoffe mit einer biogenen Komponente (vgl. Rehau o. J.). Hierbei wird die auf erdöl basierende Komponente ergänzt und teilweise ersetzt durch natürliche Materialien wie Naturfasern, natürliche Füllstoffe oder Bio-Polymere. Die Anwendungen reichen von Dämmpaneelen im Innenbereich über Fassadenverkleidungen bis zu Schalenkonstruktionen sowie Fußgänger- und Fahrradbrücken. Je nach Anwendung mit gewünschten Geometrien und technischen Anforderungen werden geeignete Naturfasern wie z. B. Flachs und Bindemittel sowie ein passendes Herstellungsverfahren ausgewählt (nbau 2022).
Große Fortschritte macht die Forschung im Bereich Pilze (Fraunhofer o. J.). Was für den Praktiker noch Fragen offen lässt, ist in den Laboren bereits Realität. Der Bioverbundstoff wächst in einer Form und bildet dort sein dichtes Wurzelgeflecht, das Myzelium, das nach dem Erhitzen auf 70 Grad abstirbt und seine Form beibehält. Das Material hat gute isolierende und schallabsorbierende Eigenschaften und soll im Innenausbau eingesetzt werden.
Marktreife hat bereits ein italienisches Produkt als Schallschutzplatten erlangt, der als biobasierte Alternative zur Verfügung steht und als CO2-Speicher fungiert (elp, nbau 2022). Vielfach fehlen für diese Innovationen noch die normativen Grundlagen. So dass es noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird, bis diese Produkte als Anstrichuntergrund im Malerhandwerk auftauchen werden.
3D-Druck und 3D-Scan
3D-Drucker haben inzwischen die Arbeitswelt durchdrungen. Wann immer es gilt, kleine Formstücke zu erstellen, sind sie schneller als eine Postbestellung. Gerade wenn es um kleine Stückzahlen geht wie im Flugzeugbau, ist der 3D-Druck konkurrenzlos gegenüber z. B. Spritzgussverfahren (vgl. eos o. J.a). Inzwischen ist auch ein 3D-Druck mit Metallen möglich, weshalb dieses Verfahren auch Einzug in die Automobilindustrie gehalten hat (vgl. eos o. J.b).
Der computergesteuerte 3D-Druck ermöglicht die Verarbeitung auf einem schnellen und exakten Weg, um komplexe Strukturen exakt zu erstellen. Der große Vorteil ist hierbei, dass keine Produktionsanlagen erstellt werden müssen, da der 3D-Drucker nur einen beweglichen und beheizbaren Drucktisch, Antriebe für die drei Achsen, die Spule mit den Filamenten sowie eine Steuereinheit benötigt. Im Unterschied zur industriellen Fertigung bewegt sich nicht das Produkt von Bearbeitungsstation zu Bearbeitungsstation, sondern die Maschine kreist um das stationäre Produkt.
Durch die Verwendung unterschiedlicher Filamente können komplexe Bauteile – wie sie im Flugzeug- oder Fahrzeugbau benötigt werden – schnell erstellt werden. Interessanterweise wird 3D-Druck auch in Bereichen erprobt, die vermutlich nur zur Demonstration des Möglichen dienen wie z. B. dem Hausbau oder der Erstellung von komplexen Bauteilen für ein Gebäude (vgl. Mittelstand Digital 4.0 2022). Hierbei wird jedoch vergessen, dass der 3D-Druck ein sehr langsamer Prozess ist, da der Materialaufwuchs aufgrund der Notwendigkeit des Härtens einige Zeit dauert und Schicht um Schicht nur langsam aufgebaut werden kann. Deshalb eignet sich 3D-Druck besonders gut für sehr komplexe Formteile wie z. B. Betonsegmente in Flugzeugkabinen, die eine hohe Stabilität aufgrund eines internen „Knochengerüstes“ erhalten. Für den Hausbau haben wir effizientere Verfahren wie z. B. den Betonfertigteilebau oder Holzhaus-Ständerkonstruktionen, die in wesentlich kürzerer Zeit errichtet werden können.
Im Prinzip könnte der 3D-Druck zu einer Konkurrenz für das Malerhandwerk werden, da mit dem Druckverfahren auch die Farbgebung erfolgt. Allerdings ist wie oben beschrieben 3D-Druck ein langsame Technologie, die hinsichtlich der Zeit für die Oberflächenbeschichtung durch Maler*innen und Lackierer*innen nicht “mithalten” kann. Nur wenn es darauf ankommt, ein ganz besonderes Objekt zu errichten mit einer aufwändig gestalteten Fassade, kann das additive Fertigungsverfahren mit dem 3D-Druck die erste Wahl sein (vgl. TU München o. J.).
3D-Druck könnte insbesondere für Lackier und Lackiererinnen interessant sein, wenn es sich um Werkstätten für KFZ-Reparaturen handelt. Hierbei werden üblicherweise Schäden behandelt und beseitigt. Oft ist ein Ausbau von Teilen notwendig und gerade bei älteren Fahrzeugen zeigen sich die Verbindungsteile “Altersschwäche” und zerbrechen. Für sehr alte Fahrzeuge fehlen dann die Verbindungsteile oder es sind langwierige Bestellprozesse notwendig, da diese “Pfennigartikel” meist global produziert werden. Sofern eine 3D-Datenbank vorhanden ist, können diese Formteile schnell neu produziert und der Arbeitsfluss effizient durchgeführt werden.
Quellenverzeichnis
Allgemeine Bauzeitung / Rudi Pistora (2021): BIM-Nutzung im Ländervergleich – Wer führt bei der Implementierung in Europa? Online: https://allgemeinebauzeitung.de/abz/bim-nutzung-im-laendervergleich-wer-fuehrt-bei-der-implementierung-in-europa-41421
BIM4 INFRA 2020 (o. J.): UMSETZUNG DES STUFENPLANS „DIGITALES PLANEN UND BAUEN.” Online: https://bim4infra.de/
conbotics (o. J.): Wir bieten Robotiklösungen für die Baubranche. Online. https://conbotics.com/
Deutsche Bauzeichnung (2021). Baustoffe aus Pilzen, Algen und Sonnenlicht. Online: www.db-bauzeitung.de/news/baustoffe-aus-pilzen-algen-und-sonnenlicht/
eos (o. J.a): 3D-Druck für Airbus A350. Online: https://www.eos.info/de/beispiele-additive-fertigung/3d-druck-airbus
eos (o. J.a): 3D-Druck für Airbus A350. Online: https://www.eos.info/de/beispiele-additive-fertigung/mobilitaet-und-logistik/automobilindustrie-3d-druck
fraunhofer (o. J.): Pilze als Schallabsorber. Online https://www.fraunhofer.de/de/forschung/aktuelles-aus-der-forschung/biooekonomie/neue-materialien/pilze-als-schalldaemmer.html
Fraunhofer IBP (o. J.): Fassadenintegrierte Anlagentechnik und PV: raumweises Heizen, Kühlen und Lüften mittels vorgefertigtem Fassadenmodul (EE-Modul). Online: https://www.ibp.fraunhofer.de/de/projekte-referenzen/ee-modul.html
Gebäudeforum Klimaneutral (o. J.): Pilze als organischer Baustoff. Online: https://www.gebaeudeforum.de/realisieren/baustoffe/nachwachsende-rohstoffe/pilze/
Handwerk.com (2017): Wie viel Handwerkerpotenzial steckt im 3D-Druck? Online: https://www.handwerk.com/anwendungsmoeglichkeiten-von-3d-druck-im-handwerk
handwerk.digital. (o. J.): Was ist Building Information Modeling (BIM). Online: https://www.handwerkdigital.org/index.php/themen/digitales-bauen/10-was-ist-bim-building-information-modeling
https://www.nbau.org/2022/04/27/biobasierte-werkstoffe-fuer-architektur-und-infrastruktur/
HZT (2020): Solarfassade am HZB im Praxistest. Online: www.helmholtz-berlin.de/pubbin/news_seite?nid=22102&sprache=de&seitenid=384
KIT (2023): arte 42: Werden wir von Pilzen regiert? Online: https://nb.ieb.kit.edu/
mittelstand 4.0, online https://www.kompetenzzentrum-planen-und-bauen.digital/kos/WNetz?art=News.show&id=1263
nbau 2022, online
Rehau (o. J.): Auf der Suche nach nachhaltigen Materialalternativen: Welches Potenzial steckt in Biokompositen? Online: https://www.rehau.com/de-de/welches-potenzial-steckt-in-biokompositen
Technokon (o. J.): TECHKON ColorCatcher Mit dem Smartphone echte Farben erfassen und anzeigen. Online: https://www.techkon.com/colorcatcher.html
TU München (o. J.): Fassade aus dem 3D-Drucker. Online: https://www.malerblatt.de/themen/farbe-inspiration/fassade-aus-dem-3d-drucker/
SDG 12 Nachhaltige/r Konsum und Produktion
“Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen”
Dieses SDG 12 zielt auf die nachhaltige und effiziente Nutzung der Ressourcen ab. Ressourcen sind alle Stoffe der Natur (Mineralien und Metalle, biotische Ressourcen wie z. B. Holz ), aber auch Luft, Wasser und Boden (vgl. ProgRess 2016). Aufgrund der weitreichenden Zielsetzung des SDGs hat es auch einen direkten Einfluss auf die SDGs 3,6,8 und 9. SDG 12 wird daher auch als Querschnittsziel bezeichnet. Für das Maler- und Lackiererhandwerk sind folgende Unterziele von besonderer Relevanz:
SDG 12.2 “Bis 2030 die nachhaltige Bewirtschaftung und effiziente Nutzung der natürlichen Ressourcen erreichen.”
SDG 12.4 „Bis 2020 einen umweltverträglichen Umgang mit Chemikalien und allen Abfällen während ihres gesamten Lebenszyklus in Übereinstimmung mit den vereinbarten internationalen Rahmenregelungen erreichen und ihre Freisetzung in Luft, Wasser und Boden erheblich verringern, um ihre nachteiligen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt auf ein Mindestmaß zu beschränken.“
SDG 12.5 „Bis 2030 das Abfallaufkommen durch Vermeidung, Verminderung, Wiederverwertung und Wiederverwendung deutlich verringern.“
SDG 12.8 „Bis 2030 sicherstellen, dass die Menschen überall über einschlägige Informationen und das Bewusstsein für nachhaltige Entwicklung und eine Lebensweise in Harmonie mit der Natur verfügen.”
Das SDG 12 betrifft im Prinzip alle Standardberufsbildpositionen aber besonders “Umweltschutz und Nachhaltigkeit” Positionen a, d und f :
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
d) Abfälle vermeiden sowie Stoffe und Materialien einer umweltschonenden Wiederverwertung oder Entsorgung zuführen
f) Unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Durch die umfangreiche Ver- bzw. Bearbeitung von potentiell umweltschädlichen Materialien und Baustoffen, ist es essentiell für jede Fachkraft die effiziente Nutzung sowie die Vermeidung von Abfällen zu beherzigen. Dies ist wichtig, da, wie in SDG 6 beschrieben, eine Kontamination der Umwelt durch Schadstoffe, nach heutigem Stand nicht auszuschließen ist. Die Beschichtungen enthalten häufiger Bestandteile, die als umweltbedenklich eingestuft werden. Als Anwender der Produkte stehen die Maler*innen in der Pflicht, möglichst nachhaltig und ohne gravierende Umwelteinflüsse zu arbeiten, des Weiteren können letztendlich nur sie Innovationen und neue Ansätze umsetzen.
Die wichtigsten Zielkonflikte, welche aus diesem Sachverhalt für das Malerhandwerk abgeleitet werden können, sind zum einen das Aufkommen und die Verwertung von Abfällen und zum anderen, ob eine vorausschauende Planung und Materialauswahl zur Problemlösung beitragen könnte.
Nachhaltigkeit in der Beschaffung
Die öffentliche Hand als großer Nachfrager von Produkten und Dienstleistungen ist ein wichtiger Marktteilnehmer mit Vorbildfunktion für private Akteure (BMWI, 2020). Durch die im März 2020 von der Bundesregierung beschlossene Neufassung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Beschaffung energieeffizienter Leistungen, wird mit der Verwaltungsvorschrift ein hohes Maß an Energieeffizienz bei den Beschaffungsvorgängen des Bundes gesichert. Grundsätzlich müssen die Beschaffenden Waren und Produkte mit der höchsten verfügbaren Effizienzklasse im Sinne der EU-Verordnung über die Energieverbrauchskennzeichnung einkaufen. Sollte ein solches Leistungsniveau an Energieeffizienz (noch) nicht erreicht werden, ist alternativ das höchste erreichbare Leistungsniveau an Energieeffizienz auszuwählen. Diese Verpflichtung gilt unabhängig davon, ob es sich um einen rein nationalen oder um einen europaweit ausgeschriebenen Auftrag handelt. In vielen Ländern und Kommunen wurden mittlerweile ebenfalls ähnliche Verwaltungsvorschriften erlassen.
Für das Malerhandwerk bedeutet dies, dass die Ausschreibenden Stellen die zu verarbeitenden Materialien vorgeben. Jedoch sind eine Vielzahl der durch den Malerbetrieb zu verarbeitenden Beschichtungsmaterialien nicht mit einem Umweltsiegel z. B. Blauer Engel oder Gütesiegel, Prüfverfahren z. B. Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB),(BBSR o.J) zertifiziert. So ist ggf. eine Konformitätserklärung oder ein Nachhaltigkeitsnachweis für den zu verarbeitenden Beschichtungsstoff beim Hersteller einzuholen. Denn auch Beschichtungsstoffe ohne Umweltsiegel oder Zertifizierung können die an die Zertifizierung erforderlichen Anforderungen und Vorgaben erfüllen.
Hinsichtlich der Beschaffung ist ein zweiter Aspekt wichtig: Das Gebäude wird zum Rohstofflager für Sekundärrohstoffe, diese Entwicklung ist in vielen Bereichen deutlich erkennbar. Nach Zahlen von BNP Paribas gab es in Deutschland 2013 lediglich 550 nachhaltig zertifizierte Gebäude, in 2021 schon 2600. Nachhaltigkeit, Green Buildings werden im Immobilienmarkt, spätestens seit die Europäische Union den Green Deal vorgestellt hat, weiter an Bedeutung gewinnen. Bekannte Siegel für die Immobilien sind z. B. die deutschen DGNB-Siegel (Deutsches Gütesiegel Nachhaltiges Bauen) und BNB (Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen), das in Großbritannien entwickelte BREEAM (Building Research Establishment Environmental Assessment Method) und das US-amerikanische LEED (Leadership in Energy and Environmental Design). Üblicherweise vergeben diese Zertifizierungssysteme Punkte. Je nachdem, wie ein Gebäude abschneidet, wird das Zertifikat in verschiedenen Stufen vergeben.
Das Malerhandwerk kann sowohl zum nachhaltigen Beschaffungsprozess als auch für das DGNB-Siegel (vgl. DGNB o. J.) bzw. des Beiträge leisten, die nicht in erster Hinsicht wichtig erscheinen, aber dennoch auf Angeboten vermerkt werden könnten:
- Recycling- und biobasierte Folien: Folien sind unverzichtbar für das Malerhandwerk. Für Fensterabdeckungen werden spezielle selbsthaftende Folien verwendet oder klassische Folien zusätzlich mit einem Klebeband versehen, um die Montage effizienter zu gestalten. Die Folien bestehen aus LDPE Low Density Polyethylen-Folie oder HDPE High-Desity-Polyethylen, einem absoluten Massenprodukt der chemischen Industrie. Ihre Dicke liegt im Mikrometerbereich, was für die Folie an sich einen minimalen Materialaufwand bedeutet. Abdeckfolien sind aufgrund der Verschmutzung Einwegmaterialien. Alternativen bestehen zur Zeit nicht. Auch die Verwendung von Bio-PE-Folien ist nur in erster Hinsicht eine Alternative (vgl. ifeu 2018). Bio-PE kann aus Zuckerrohr hergestellt werden, weshalb sein THG-Potential (Treibhausgas-Emissionen während der Rohstoffgewinnung und der Verarbeitung) geringer ist als wenn PE aus Erdöl hergestellt wird. Hinsichtlich der Nachhaltigkeit sind aber auch andere Faktoren relevant wie der Flächenverbrauch oder die Eutrophierung von Gewässern. Da Zuckerrohr auf Plantagen angebaut wird, führt dies zu einer schlechteren Ökobilanz als die Erdöl-Variante. Die Nachhaltigkeit in Bezug auf Abdeckfolien kann aber deutlich verbessert werden, wenn Folien aus recycelten Kunststoffen verwendet werden. Hierbei entfallen alle Umweltbelastungen der Vorkette.
- Malervlies: Derartige Vliese werden üblicherweise aus Alttextilien hergestellt und wenn sie denn mehrfach genutzt werden, sind sie per se schon nachhaltiger als Einweg-Folien. Vliese haben viele Vorteile, da sie absorbierend, saugfähig, stoßdämpfend und je nach Ausführung rutschsicher und/ oder flüssigkeitsdicht sind. Nachteilig ist, dass sie je nach Ausführung mit einer Kunststofffolie beschichtet werden, was ein Recycling erschwert. Auch durch die Folie ist ein Waschen nicht sinnvoll. Die mehrfache Verwendung verlängert die Lebensdauer und spart somit Ressourcen ein.
- Klebebänder: Klebebänder sind per se Einwegmaterialien, weshalb sie nur durch eine nachhaltige Herstellung umweltfreundlicher gemacht werden können (vgl. tesa o. J.). Hierbei kommen drei Prinzipien zum Tragen: Zum einen die Verwendung von FSC-zertifizierten Papierprodukten oder die Nutzung von Altpapier. Zum anderen die Verwendung von lösemittelfreien oder biobasierten Klebstoffen. Weiterhin können Kunststoffanteile aus biobasierten Material (z. B. Polymilchsäure oder Naturkautschuk) genutzt oder untergemischt werden. Allerdings bestehen bei biobasierten Materialien immer Flächenkonkurrenzen mit der Gewinnung von Lebensmitteln – eine Fläche kann nur für einen Zweck genutzt werden. Die großen Hersteller wie Beiersdorf (vgl. Tesa o. J.) haben dies erkannt.
- Schleifmaterialien: Diese bestehen üblicherweise aus einem Trägermaterial wie Leinen, Vulkanfiber (mit Zinkchlorid oder Schwefelsäure vernetzte und gepresste Baumwolle) oder Papier (vgl. innonexxt 2020). Auf die Trägerschicht wird ein Grund Leim (Kunstharz oder Hautleim) aufgebracht, der die Schleifkörner am Grundkörper haften lässt. Die Schleifkörner bestehen aus Korund (Aluminiumoxid), Siliciumcarbid, Bornitrid oder – wenn sehr harte Oberflächen geschliffen werden müssen – aus Diamant. Die Herstellung der Schleifkörner ist sehr energieaufwändig und damit mit hohen Emissionen verbunden. Die letzte Schicht ist ein Deckbinder zur Verbindung der Schleifkörner. Im Prinzip könnte das Malerhandwerk durch die Auswahl der Lieferanten mit hohen Umweltstandards einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten. Schleifpapiere werden aber von vielen Herstellern angeboten, auch von kleinen und mittelständischen Unternehmen, die nur selten Auskunft über ihre Nachhaltigkeitsstrategie geben. Abnehmer können deshalb nur darauf vertrauen und das Gespräch mit Lieferanten suchen, dass die großen Hersteller wie z. B. 3M auch Wert auf Nachhaltigkeit bei Schleifpapieren legen (vgl. 3M o. J.).
Nachhaltiges Bauen
In Europa verbringen die Menschen die meiste Zeit in Gebäuden. Der Bau- und Gebäudebestand ist unter der Berücksichtigung aller Aspekte für etwa 40 Prozent der Treibhausgasemissionen in Deutschland verantwortlich. So wird das nachhaltige Bauen mit den erforderlichen Recyclingmöglichkeiten der verwendeten Stoffe und Produkte einen umfangreichen Stellenwert in Zukunft einnehmen (vgl. deutsche Nachhaltigkeitsstrategie, 2021:57).
Bis ins 19. Jahrhundert wurden natürliche Rohstoffe für den Bau von Gebäuden und die Herstellung von Einrichtungsgegenständen zum Beispiel aus Holz, Lehm, Ziegel oder Leder verwendet (dialogbiooekonomie o. J.). Durch die u. a. kostengünstige Entwicklung und Herstellung von Werkstoffen auf fossiler Basis, verloren diese jedoch mehr und mehr Marktpräsenz.
Aktuell wächst die Nachfrage bei Privatkunden nach Endprodukten aus nachwachsenden Rohstoffen, wie z. B. Dämmmaterialien und Innenfarben. Der Markt wächst, allerdings bestehen biobasierte Materialien immer in Flächenkonkurrenzen mit der Gewinnung von Lebensmitteln – eine Fläche kann nur für einen Zweck genutzt werden.
Anforderungen
Zukünftige, spätere Verwertungsmöglichkeiten werden maßgeblich von den bautechnischen Eigenschaften des Ausgangsmaterials und der Zusammensetzung des Bauschutts bestimmt (bmuv o. J.). Daher sind selektive Rückbau- und Abbruchverfahren, bei denen die Baustofffraktionen bereits an der Abbruchstelle sorgfältig getrennt und Schadstoffe frühzeitig ausgeschleust werden, von zentraler Bedeutung. Sortenreine mineralische Bauabfälle lassen sich durch Zerkleinern, Sieben und Klassieren zu Recycling-Baustoffen aufbereiten. Sie könnten dann im konstruktiven Bau als gleichwertiger Zuschlagstoff (Rezyclate) bei der Neuproduktion von Materialien und Baustoffen eingesetzt werden. Auf diese Weise tragen sie als Sekundärrohstoffe zu einer Ressourcenschonung bei.
Der Einsatz von mineralischen Rezyklaten mit definierten technischen, gütegesicherten Eigenschaften, wird somit bereits von der Zusammensetzung des Bauschutt bestimmt.
In der Vermeidung, im Recycling (Sekundärrohstoffe) und in der Verwertung von Baurestmassen und Abfällen liegt somit ein großes Potential zur Ressourcenschonung für den Neu- und Ausbau.
Auf Grundlage des Kreislaufwirtschaftsgesetzes, sollen auch die öffentlichen Beschaffungsstellen des Bundes bei der Auftragsvergabe Produkte aus Recycling gegenüber Neuanfertigungen bevorzugen (bmuv 2020). Dies jedoch nur soweit die Angebotssumme nicht zu unzumutbaren Mehrkosten führt. Ist dies nicht der Fall, sind beim Einkauf Produkte, die rohstoffschonend, abfallarm, reparierbar, schadstoffarm und recyclingfähig sind zu bevorzugen.
Gütezeichen / Nachhaltigkeitssiegel
Um zwischen “guten”, “besseren” oder “schlechten” Produkten zu entscheiden, kann man auf Siegel zurückgreifen. Es gibt jedoch inzwischen eine kaum überschaubare Vielfalt an Umwelt-, Qualitäts- und Sozialsiegeln – bedingt ist dies durch die Gründung von Organisationen, die ihren Betrieb mit dem Vertrieb von Siegeln finanzieren. Die Auflistung der folgenden Siegel ist nicht vollständig und stellt keine Wertung dar.
- Blauer Engel: Umweltengel: Der Umweltengel ist seit über 40 Jahren das Umweltzeichen der Bundesregierung und wird vom Umweltbundesamt “herausgegeben”. Inzwischen sind mehr als 20.000 Produkte und Dienstleistungen von über 1.600 Unternehmen ausgezeichnet (UBA o. J.): Zweck des Umweltzeichens ist es, privaten Verbraucherinnen und Verbrauchern, institutionellen Großverbrauchern und öffentlichen Einrichtungen eine verlässliche Orientierung beim umweltbewussten Einkauf zu geben. Denn eine gezielte Nachfrage nach umweltschonenden Produkten fördert ökologische Produktinnovationen und reduziert Umweltbelastungen. Der Blaue Engel steht für eine unabhängige, transparente und ambitionierte Kennzeichnung. Mit Bezug auf das Malerhandwerk gibt es u. a. folgende Produkte welche mit dem Blauen Engel zertifiziert sind:
- Dispersionsfarben: Umweltfreundliche Wandfarben (DE-UZ 102)
- Abdeckfolien: Umweltfreundliche Recyclingkunststoffe (DE-UZ 30a)
- Lacke, Lasuren: Schadstoffarme Lacke (DE-UZ 12a)
- Abfallsäcke: Umweltfreundliche Recyclingkunststoffe (DE-UZ 30a)
- Dichtstoffe: Umweltfreundliche Dichtstoffe (DE-UZ 123)
- Tapeten: Umweltfreundlich hergestellte Tapeten (DE-UZ 35)
- Bodenbeläge: Emissionsarme textile Bodenbeläge (DE-UZ 128), Umweltfreundliche Elastische Bodenbeläge (DE-UZ 120), Umweltfreundliche Bodenbeläge, Paneele, Türen (DE-UZ 176)
- Klebstoffe Boden: Emissionsarme Bodenbelagsklebstoffe (DE-UZ 113)
- Wärmedämmverbundsysteme : Umweltfreundliche Wärmedämmverbundsysteme (DE-UZ 140)
- Innendämmung: Emissionsarme Wärmedämmstoffe und Unterdecken für Innenanwendungen (DE-UZ 132)
- cradle to cradle: Cradle to Cradle® (C2C) ist ein Designkonzept, welches die Natur zum Vorbild hat (cradle-mag, o. J.). Auf Deutsch bedeutet es „Von der Wiege zur Wiege“. Alle Produkte werden hierbei (im Prinzip) nach dem Prinzip einer potentiell unendlichen Kreislaufwirtschaft konzipiert. Bei der Produktion nach C2C ist das Ziel, keinerlei gesundheits- und umweltschädliche Materialien zu verwenden (analog dem Blauen Engel). Alle Produkte werden so konzipiert, dass sie nach ihrem Gebrauch kompostiert oder in geschlossene technische Kreisläufe eingebracht und wiederverwendet werden können. Neben dem Material Gesundheit und Recyclingfähigkeit spielen bei einer C2C-Zertifizierung auch der Umgang mit Wasser und Energie sowie Sozialstandards eine entscheidende Rolle. Bezüglich der Produkte für den Malerbedarf gibt es jedoch eine Einschränkung: Jede Farbe und jedes Mittel zur Ausbesserung ist ein Einwegprodukt – Farbe kann nicht mehr von Hauswänden entfernt werden, um in den Kreislauf (zur Cradle) zurückgeführt zu werden. Unabhängig davon finden sich 26 Produkte im Bereich “Farben, Oberflächen und Beschichtungen” (vgl. .c2ccertified o. J.)
- EU Euro Label: Das EU Ecolabel wurde 1992 von allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union als anerkanntes EU-Umweltzeichen verabschiedet. “Das eingeführte freiwillige Zeichen hat sich nach und nach zu einer Referenz für Verbraucher*innen entwickelt, die mit dem Kauf von umweltfreundlichen Produkten und Dienstleistungen zu einer Verringerung der Umweltverschmutzung beitragen wollen (eu-ecolabel, o. J.). Mit dem Label (EU) 2014/312 wurden auch Innen- und Außenfarben sowie Lacke und Papierprodukte zertifiziert.
- FSC: Dieses Siegel vom “Forest Stewardship Council – Recycled” ist sehr bekannt. “Das „FSC Recycled-Siegel gewährleistet, dass ein Holz- oder Papierprodukt ausschließlich aus Recyclingmaterial besteht“ (Siegelklarheit o. J.). Chemikalien werden nicht geprüft (ebd. vom Institut nicht bewertet, nur aufgelistet). Greenpeace hat die Zusammenarbeit mit FSC abgebrochen (Greenpeace 2018).
Die Belastbarkeit von Siegeln ist nicht immer leicht zu durchschauen, da es eine Vielzahl von Siegeln für viele Produktgruppen gibt, welche die Umweltverträglichkeit, Qualität oder sozialen Einfluss bewerten. Für das Malerhandwerk ist jedoch die Möglichkeit, sich an Siegeln zu orientieren, gering wie oben dargestellt. Im Prinzip gibt es folgende Empfehlungen:
- Gespräche mit Lieferanten führen – was wissen diese über die Nachhaltigkeit ihrer Produkte
- Gebrauch, Nutzung von Einwegprodukten vermeiden, reduzieren – auf Recycling-Produkte achten
- Farben, Lacke, Bodenbeläge, Tapeten mit einem Umweltsiegel, -zeichen bzw. Konformitätserklärung dem Kunden anbieten
Verpackungen und Verpackungsabfälle
Ein besonderes Potential der Abfallvermeidung findet sich bei den Verpackungsabfällen. Im Jahr 2020 fielen ca. 6,4 Mio. t. Verpackungsabfälle an (Destatis 2022b). Das entspricht ca. 14 Prozent aller haushaltstypischen Siedlungsabfälle (Destatis 2022b). Davon entfielen je ca. 30 Prozent auf Verpackungen aus Glas sowie aus Papier, Pappe und Karton. 20 Prozent entfielen auf Kunststoffverpackungen und ca. 6 Prozent auf Metallverpackungen. Bei dem Rest handelt es sich um Sortierreste und sonstiges Verpackungsmaterial. Seit 2010 ist das Verpackungsaufkommen um 18 Prozent gestiegen. Maßgeblich ursächlich sind die zunehmenden Umverpackungen, die zunehmende Verbreitung von verpackungsintensiven convenience Food, der steigende Anteil von separat verpackten Einzelportionen sowie die zunehmende Nutzung des Onlinehandels und die Inanspruchnahme von Lieferservice. Verpackungen sind oftmals für den Schutz, die Handhabung und den Transport von Produkten notwendig. Zudem haben die unterschiedlichen Verpackungsarten auch unterschiedliche Besonderheiten bezüglich des Produktes bzw. des Herstellungsprozesses – weshalb eine Optimierung im Sinne der Nachhaltigkeit oftmals schwierig ist. Es gibt jedoch Produkte, die gar keine Verpackung benötigen oder überflüssig materialintensiv verpackt sind. Daher ist es angebotsseitig wichtig, dass Hersteller und Erstinverkehrbringer von Verpackungen auf unnötige Verpackungen verzichten und notwendige Verpackungen möglichst als Mehrweg Lösung konzipieren. Wo dies nicht möglich ist, sollten die Verpackungen möglichst materialsparend und recyclingfreundlich konzipiert sein und soweit möglich Rezyklate enthalten.
Die Umsetzung erfolgt über das Verpackungsgesetz (VerpackG), dieses löste die zuvor geltende Verpackungsverordnung ab. Es ist nicht nur das Ziel, das Recycling zu verbessern, zusätzlich wird gezielt über die Zentrale Stelle des Verpackungsregisters überwacht, dass der Ressourceneinsatz bei der Herstellung bereits minimiert wird. Die Höhe der Lizenzentgelte, die Inverkehrbringer von verpackten Waren bei dualen Systemen entrichten müssen, variiert je nach Einsatzmenge des Verpackungsmaterials. Auf diese Weise wird ein ökonomischer Anreiz geschaffen, um schonende Verpackungsmaterialien zu nutzen. So soll eine umfassende Produktverantwortung durch Hersteller und Vertreiber gewährleistet werden. Diese Verantwortung erstreckt sich von der Herstellung bis hin zur umweltgerechten Entsorgung des Produkts. (bmuv o. J.).
Welchem Dualen System (z. B. Grüner Punkt, Zentek, Eco-Punkt) sich der jeweilige Hersteller angeschlossen hat, ist vielfach auf dem Produkt per Signet vermerkt. Ist dies nicht erkennbar, muss die Information vom Lieferanten angefordert werden.
Abfälle im Malerhandwerk
Eine fortschrittliche Kreislaufwirtschaft setzt auf die Vermeidung, Wiederverwertung, Recycling, energetische Nutzung und sichere Entsorgung von Abfall (vgl. UBA o. J.). Ziel ist es, die Kreisläufe von Materialien vollständig zu schließen und Schadstoffe zu eliminieren, so dass die Abfälle als Sekundärrohstoffe für die Wirtschaft nutzbar gemacht werden können. Diese Art der Nutzung von Abfällen trägt zu einer Schonung der natürlichen Ressourcen bei.
Essenziell ist es, sich auf die erste Stufe der Abfallhierarchie zu besinnen, um eine erfolgreiche Kreislaufwirtschaft zu erreichen. Durch das Vermeiden von Abfall werden Ressourcen und Kosten gespart, somit ist später keine Verwertung und Entsorgung notwendig. Für den Handel stellt dieser Aspekt eine Herausforderung dar, da die Menge an Verpackungen bis zuletzt immer weiter gestiegen ist. Bei der Umsetzung der Plastikstrategie der Europäischen Kommission (vgl. EU 2018) sollen bis 2030 alle Kunststoffverpackungen recyclebar und in großem Umfang verwertet werden.
Abfälle als solches sind ein integraler – aber häufig unvermeidbarer – Bestandteil jedes Auftrages. Es ist gerade deshalb wichtig, sich intensiv mit dem Thema der Abfallvermeidung sowie dem Recycling auseinanderzusetzen. Das oberste Gebot der Abfallvermeidung erfolgt bereits durch eine gezielte Materialauswahl, Kalkulation und Bestellung der Produkte und Hilfsstoffe. Für die Wiederverwertung eignen sich Materialreste von Wärmedämmverbundsystemen aus expandiertem Polystyrol (EPS) oder Mineralwolle. Restentleerte Kunststoffeimer werden dem Recycling über das Duale System des Verpackungsgesetzes zugeführt. Der Einsatz von Pinsel- und Rollenboxen erspart das tägliche Auswaschen dieser Arbeitsmittel. Hilfsmittel wie Schleifpapiere und Abdeckvliese werden bis zur endgültigen Abnutzung ggf. mehrfach verwendet und dann der thermischen Verwertung zugeführt. Klebebänder und Abdeckfolien sind Einwegprodukte und werden thermisch verwertet.
Quellenverzeichnis
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