Gärtner/Gärtnerin Ausbildung in Fachrichtung – Friedhofsgärtnerei
Wichtiger Hinweis
Die Tabelle 1 „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ und Tabelle 2 der „Berufsprofilgebenden Berufsbildpositionen“ ist für alle Fachrichtungen der Ausbildung zum Gärtner und zur Gärtnerin gültig, für das dritte Lehrjahr werden Projektaufgaben vorgeschlagen.
Einleitung
Ziele der Projektagentur PA-BBNE
Das Ziel der „Projektagentur Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ (PA-BBNE) ist die Entwicklung von Materialien, die die um Nachhaltigkeit erweiterte neue Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ mit Leben füllen soll. Mit „Leben zu füllen“ deshalb, weil „Nachhaltigkeit“ ein Ziel ist und wir uns den Weg suchen müssen. Wir wissen beispielsweise, dass die Energieversorgung künftig klimaneutral sein muss. Mit welchen Technologien wir dies erreichen wollen und wie unsere moderne Gesellschaft und Ökonomie diese integriert, wie diese mit Naturschutz und Sichtweisen der Gesellschaft auszugestalten sind, ist noch offen.
Um sich mit diesen Fragen zu beschäftigen, entwickelt die PA-BBNE Materialien, die von unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden:
- Zum einen widmen wir uns der beruflichen Ausbildung, denn die nachhaltige Entwicklung der nächsten Jahrzehnte wird durch die jungen Generationen bestimmt werden. Die duale berufliche Ausbildung orientiert sich spezifisch für jedes Berufsbild an den Ausbildungsordnungen (betrieblicher Teil der Ausbildung) und den Rahmenlehrplänen (schulischer Teil der Ausbildung). Hierzu haben wir dieses Impulspapier erstellt, das die Bezüge zur wissenschaftlichen Nachhaltigkeitsdiskussion praxisnah aufzeigt.
- Zum anderen orientieren wir uns an der Agenda 2030. Die Agenda 2030 wurde im Jahr 2015 von der Weltgemeinschaft beschlossen und ist ein Fahrplan in die Zukunft (Bundesregierung o. J.). Sie umfasst die sogenannten 17 Sustainable Development Goals (SDGs), die jeweils spezifische Herausforderungen der Nachhaltigkeit benennen (vgl. Destatis 2022). Hierzu haben wir ein Hintergrundmaterial (HGM) im Sinne der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE, vgl. BMBF o. J.) erstellt, das spezifisch für unterschiedliche Berufe ist.
Die Materialien der Projektagentur
Die neue Standardberufsbildposition gibt aber nur den Rahmen vor. Selbst in novellierten Ausbildungsordnungen in Berufen mit großer Relevanz für wichtige Themen der Nachhaltigkeit wie z. B. dem Klimaschutz werden wichtige Fähigkeiten, Kenntnissen und Fertigkeiten in den berufsprofilgebenden Berufsbildpositionen nicht genannt – obwohl die Berufe deutliche Beiträge zum Klimaschutz leisten könnten. Deshalb haben wir uns das Ziel gesetzt, Ausbildenden und Lehrkräften Hinweise im Impulspapier zusammenzustellen im Sinne einer Operationalisierung der Nachhaltigkeit für die unterschiedlichen Berufsbilder. Zur Vertiefung der stichwortartigen Operationalisierung wird jedes Impulspapier ergänzt durch eine umfassende Beschreibung derjenigen Themen, die für die berufliche Bildung wichtig sind. Dieses sogenannte Hintergrundmaterial orientiert sich im Sinne von BNE an den 17 SDGs, ist faktenorientiert und wurde nach wissenschaftlichen Kriterien erstellt. Ergänzt werden das Impulspapier und das Hintergrundmaterial durch einen Satz von Folien, die sich den Zielkonflikten widmen, da „Nachhaltigkeit das Ziel ist, für das wir den Weg gemeinsam suchen müssen“. Und dieser Weg ist nicht immer gleich für alle Branchen, Betriebe und beruflichen Handlungen, da unterschiedliche Rahmenbedingungen in den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – Ökonomie, Ökologie und Soziales – gelten können. Wir haben deshalb die folgenden Materialien entwickelt:
- BBNE-Impulspapier (IP): Betrachtung der Schnittstellen von Ausbildungsordnung, Rahmenlehrplan und den Herausforderungen der Nachhaltigkeit in Anlehnung an die SDGs der Agenda 2030. Das Impulspapier ist spezifisch für einen Ausbildungsberuf erstellt, fasst aber teilweise spezifische Ausbildungsgänge zusammen (z. B. den Fachmann und die Fachfrau zusammen mit der Fachkraft sowie die verschiedenen Fachrichtungen)
- BBNE-Hintergrundmaterial (HGM): Betrachtung der SDGs unter einer wissenschaftlichen Perspektive der Nachhaltigkeit im Hinblick auf das Tätigkeitsprofil eines Ausbildungsberufes bzw. auf eine Gruppe von Ausbildungsberufen, die ein ähnliches Tätigkeitsprofil aufweisen;
- BBNE-Foliensammlung (FS) und Handreichung (HR): Folien mit wichtigen Zielkonflikten – dargestellt mit Hilfe von Grafiken, Bildern und Smart Arts für das jeweilige Berufsbild, die Anlass zur Diskussion der spezifischen Herausforderungen der Nachhaltigkeit bieten. Das Material liegt auch als Handreichung (HR) mit der Folie und Notizen vor.
Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung
Die Standardberufsbildposition “Umweltschutz und Nachhaltigkeit”
Seit August 2021 müssen auf Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) bei einer Modernisierung von Ausbildungsordnungen die vier neuen Positionen „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“, Digitalisierte Arbeitswelt“, Organisation des Ausbildungsbetriebs, Berufsbildung, Arbeits- und Tarifrecht“ sowie „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“ aufgenommen werden (BIBB 2021). Insbesondere die letzten beiden Positionen unterscheiden sich deutlich von den alten Standardberufsbildpositionen.
Diese Positionen begründet das BIBB wie folgt (BIBB o. J.a): „Unabhängig vom anerkannten Ausbildungsberuf lassen sich Ausbildungsinhalte identifizieren, die einen grundlegenden Charakter besitzen und somit für jede qualifizierte Fachkraft ein unverzichtbares Fundament kompetenten Handelns darstellen“ (ebd.).
Die Standardberufsbildpositionen sind allerdings allgemein gehalten, damit sie für alle Berufsbilder gelten (vgl. BMBF 2022). Eine konkrete Operationalisierung erfolgt üblicherweise durch Arbeitshilfen, die für alle Berufsausbildungen, die modernisiert werden, erstellt werden. Die Materialien der PA-BBNE ergänzen diese Arbeitshilfen mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit und geben entsprechende Anregungen (vgl. BIBB o. J.b). Das Impulspapier zeigt vor allem in tabellarischen Übersichten, welche Themen der Nachhaltigkeit an die Ausbildungsberufe anschlussfähig sind.
Die neue Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ ist zentral für eine BBNE, sie umfasst die folgenden Positionen (BMBF 2022).
a) “Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
c) für den Ausbildungsbetrieb geltende Regelungen des Umweltschutzes einhalten
d) Abfälle vermeiden sowie Stoffe und Materialien einer umweltschonenden Wiederverwertung oder Entsorgung zuführen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren”
Die Schnittstellen zwischen der neuen Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit” werden in
fortlaufend aufgezeigt. Mit Ausnahme der Position c) werden in der Tabelle alle Positionen behandelt. Die Position c) wird nicht behandelt, da diese vor allem ordnungsrechtliche Maßnahmen betrifft, die zwingend zu beachten sind. Maßnahmen zur Nachhaltigkeit hingegen sind meist freiwillige Maßnahmen und können, müssen aber nicht durch das Ordnungsrecht geregelt bzw. umgesetzt werden. In der Tabelle werden die folgenden Bezüge hergestellt:
- Spalte A: Positionen der Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit”;
- Spalte B: Vorschläge für Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten, die im Sinne der nachhaltigen Entwicklung wichtig sind;
- Spalte C: Bezüge zur Nachhaltigkeit;
- Spalte D: Mögliche Aufgabenstellungen für die Ausbildung im Sinne der Position 3e) „Vorschläge für nachhaltiges Handeln entwickeln“;
- Spalte E: Zuordnung zu einem oder mehreren SDGs (Verweis auf das Hintergrundmaterial).
Bildung für nachhaltige Entwicklung
Die Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) meint eine Bildung, die Menschen zu zukunftsfähigem Denken und Handeln befähigt. Sie ermöglicht jedem Einzelnen, die Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Welt zu verstehen (BMBF o. J.). BBNE ist somit nur ein Teil von BNE, der an alle Bürger*innen adressiert ist. Eine Entwicklung ist dann nachhaltig, wenn Menschen weltweit, gegenwärtig und in Zukunft würdig leben und ihre Bedürfnisse und Talente unter Berücksichtigung planetarer Grenzen entfalten können. … BNE ermöglicht es allen Menschen, die Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Welt zu verstehen und verantwortungsvolle, nachhaltige Entscheidungen zu treffen (ebd.).
Grundlage für BNE ist heutzutage die Agenda 2030 mit ihren 17 SDG (Sustainable Development Goals). Die 17 Ziele bilden den Kern der Agenda und fassen zusammen, in welchen Bereichen nachhaltige Entwicklung gestärkt und verankert werden muss (ebd.). Die Materialien der Projektagentur sollen Lehrkräften an Berufsschulen und Ausbildende dabei helfen, die Ideen der SDG in die Bildungspraxis einzubringen. Sie sind somit ein wichtiges Element insbesondere für das Ziel vier “Hochwertige Bildung”: “Bis 2030 sicherstellen, dass alle Lernenden die notwendigen Kenntnisse und Qualifikationen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung erwerben, unter anderem durch Bildung für nachhaltige Entwicklung und nachhaltige Lebensweisen, …” (ebd.).
Während die Grundlage in den Impulspapieren die Ausbildungsordnungen und die Rahmenlehrpläne der beruflichen Bildung waren, die mit den SDG vernetzt wurden, geht das Hintergrundpapier den umgekehrten Weg: Wir betrachten die SDG im Hinblick auf ihre Bedeutung für die berufliche Bildung und stellen uns der Frage, welche Anforderungen ergeben sich aufgrund der SDG und deren Unterziele an die Berufsbildung? Die folgenden Beschreibungen haben deshalb immer die gleiche Struktur:
- Es wird das SDG beschrieben.
- Es werden relevante Unterziele benannt.
- Es wird (wissenschaftlich) ausgeführt, was diese Unterziele für das jeweilige Berufsbild bedeuten.
Gärtner und BBNE
Die gärtnerischen Berufe gestalten in ihren vielfältigen Handlungsräumen die natürliche Umwelt mit. Sie arbeiten mit natürlichen Ressourcen – mit dem Boden, dem Wasser und den Pflanzen. Sie wissen um die Bedeutung intakter Ökosysteme für den Menschen und dessen Wohlbefinden und die Ernährungssicherheit. Viele Aspekte der Nachhaltigkeit sind integraler Bestandteil des Fachwissens, der Fertigkeiten und Fähigkeiten dieses Berufsfeldes. Jugendliche können durch eine Ausbildung in einer der Gärtner:innen Fachrichtungen früh in die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung hineinwachsen, indem sie zur Produktion von nachhaltigen Lebensmitteln und Pflanzen sowie zur Pflege von Böden und Grünanlagen beitragen.
Die aktuellen Krisen, besonders der Klimawandel und die Unterbrechung von globalen Lieferketten während der Pandemie, tragen womöglich zu verstärkter Aufmerksamkeit gegenüber der pflanzlichen Natur in der direkten, heimischen Umgebung bei. Das Grün in der Stadt, das Gemüse auf den Feldern und in den Gewächshäusern – das alles wird von Gärtnern und Gärtnerinnen angelegt, gesät und gepflegt. Eine berufliche Bildung für Nachhaltigkeit als Gärtner oder Gärtnerin hat das Potenzial, zum Wirkfaktor einer nachhaltigen Transformation der Gesellschaft zu werden (BIBB 2022).
Die Motivation der Fachkräfte und die Attraktivität des Berufes können erhöht werden, wenn das Interesse der Gärtnerinnen und Gärtner an der Grünen Branche auf ein Arbeitsumfeld trifft, das gesundheitsfördernde Aspekte in den Vordergrund stellt. So schützt der Einsatz lärmarmer Landschafts- und Gartengeräte, wie zum Beispiel Kettensägen, Laubbläser und Rasenmäher, nicht nur die Gärtnerinnen und Gärtner sondern auch die Bürgerinnen und Bürger im unmittelbaren Umfeld der Arbeitsmaßnahmen (Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg 2016).
Nachdem die Gartenbaubranche die Bedeutung einer nachhaltigen Wirtschaftsweise in den Betrieben sowie seitens der Zulieferbetriebe erkannt hat (LWG 2018), bestehen gute Chancen, an der Durchführung innovativer Projekte und Erprobung nachhaltiger Produkte beteiligt zu werden. So werden beispielsweise zahlreiche Studien durchgeführt, in denen Versuchsanstalten oder auch Betriebe selbst Alternativen zu herkömmlichen Pflanzgefäßen aus Kunststoff auf ihre Nachhaltigkeit sowie ihre Eignung im Erwerbsgartenbau untersuchen (Biowert 2022, BLE 2022). Vor dem Hintergrund der Flächenkonkurrenz bietet auch die Weiterentwicklung der Agri-Photovoltaik, ein Verfahren zur gleichzeitigen Nutzung von Flächen für die Pflanzenproduktion und die PV-Stromproduktion, große Chancen für den Gartenbau, z. B. den Obstbau (Fraunhofer ISE 2022). Zunehmend werden die Potenziale durch die Begrünung des urbanen Raums, z. B. in Form von Vertikalbegrünung, erkannt und genutzt. Positive Effekte umfassen eine Verbesserung des Mikroklimas, Kühlungseffekte und die Förderung der Biodiversität (Fraunhofer Umsicht 2022). Diese vielfältigen Beispiele zeigen, dass nachhaltiges Handeln und nachhaltige Produktion im Gartenbau einer dynamischen Entwicklung unterliegen. Teil dieser Entwicklungen zu sein, bedeutet die unternehmerische Kreativität durch die Erzeugung neuer Produkte bzw. die Realisierung zukunftsweisender, gemeinschaftsorientierter Wirtschaftsformen zu entfalten und Kunden, die nachhaltig arbeitende Betriebe bevorzugt auswählen, gute Lösungen anzubieten.
Gartenbau in Deutschland
Die Gesamtzahl der Betriebe mit Anbau von Gartenbauerzeugnissen lag in Deutschland 2016 bei 27.195 (BMEL 2016). Sie beschäftigten insgesamt 121.200 Arbeitnehmer:innen und bewirtschafteten 229 130 Hektar Fläche. Von der Gesamtzahl werden als Gartenbaubetriebe diejenigen eingeordnet, die mehr als 50 Prozent ihrer Betriebseinnahmen aus Gartenbau, Handel und Dienstleistung erwirtschafteten. Das sind etwas mehr als die Hälfte (15.543) mit 93.000 Arbeitskräften und 182.334 ha Fläche (ebd.).
Der überwiegende Teil sind Gartenbaubetriebe mit Schwerpunkt Erzeugung, die sich aus den Fachrichtungen Obstbau, Gemüsebau einschließlich Erdbeeren, Baumschulen, Blumen- und Zierpflanzenbau und sonstigen Betrieben zusammensetzen (ebd.).
In allen Bundesländern werden Gartenbauprodukte erzeugt, jedoch mit unterschiedlichen Produktgewichtungen. In Baden-Württemberg z. B. liegt der Schwerpunkt bei Obst. Insgesamt liegen in Niedersachsen und Baden-Württemberg mit je über 30.000 ha die größten Anbauflächen , gefolgt von Nordrhein-Westfalen mit knapp unter 30.000 ha (ebd.).
Die Pro-Kopf-Ausgaben für Blumen und Zierpflanzen lagen in Deutschland 2018 bei 105 € (AMI 2019). Dieser Wert lag relativ stabil im Vergleich zu den Vorjahren (ebd.). Die auf der Endverbraucherebene eingekauften Waren hatten im selben Jahr einen Wert von 8,4 Mrd. € (ebd.), davon entfielen 43 Prozent auf den Systemhandel und 57 Prozent auf den Blumenfachhandel. Mengenmäßig wurden 61 Prozent im Systemhandel eingekauft, und 39 Prozent im Fachhandel (ebd.).
Bei den Importen – Gesamtwert im Jahr 2018 ca. 2,5 Mrd. € – dominieren Schnittblumen und Zimmerpflanzen den Warenkorb, während es bei den Exporten – Gesamtwert von 876 Mio. € in 2018 – die Zierpflanzen und Gehölze sind (ebd.).
Glossar
Folgende Abkürzungen werden in diesem Dokument verwendet:
AO – Ausbildungsordnung
BBNE – Berufliche Bildung für nachhaltige Entwicklung
BfN – Bundesamt für Naturschutz
BfR – Bundesinstitut für Risikobewertung
BLE – Bundesamt für Landwirtschaft und Ernährung
BMEL – Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft
BMUV – Bundesministerium für Umweltschutz, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz
BNE – Bildung für nachhaltige Entwicklung
CH4 – Methan
CO2-Äq – Kohlendioxid-Äquivalente
DAS – Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel
EE – Erneuerbare Energien
EMAS – Eco-Management and Audit Scheme
EU – Europäische Union
FKW – perfluorierte Kohlenwasserstoffe
FS – Foliensammlung mit Beispielen für Zielkonflikte
GIZ – Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit
GWP – Global Warming Potential
HFKW – wasserstoffhaltige Fluorkohlenwasserstoffe
HGM – Hintergrundmaterial (wissenschaftliches Begleitmaterial)
IP – Impulspapier (didaktisches Begleitmaterial)
IPCC – International Panel for Climate Change
IPS – integrierten Pflanzenschutzes
N2O – Lachgas bzw. Distickstoffoxid
NABU – Naturschutzbund Deutschland
NAP- Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln
NGO – Nichtregierungsorganisation
PE / PP – Polyethylen / Polypropylen
PV – Photovoltaik
RLP – Rahmenlehrplan
SBBP – Standardberufsbildposition
SDG – Sustainable Development Goals (Ziele für nachhaltige Entwicklung)
SF6 – Schwefelhexafluorid
THG – Treibhausgase bzw. CO2-Äquivalente (CO2-Äq)
UBA – Umweltbundesamt
UN – Vereinte Nationen
WRRL – Wasserrahmenrichtlinie
Quellenverzeichnis
AMI Agrarmarkt Informationsgesellschaft mbH (2019): Warenstromanalyse 2018 – Blumen, Zierpflanzen und Gehölze. Online: www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Landwirtschaft/Pflanzenbau/warenstromanalyse-2018.pdf?
BIBB (2022): Green Economy: Gesellschaftlicher Wandel. Online: www.bibb.de/de/154643.php
BIBB Bundesinstitut für berufliche Bildung (2021): Vier sind die Zukunft. Online: www.bibb.de/de/pressemitteilung_139814.php
BIBB Bundesinstitut für berufliche Bildung (2021): Vier sind die Zukunft. Online: www.bibb.de/de/pressemitteilung_139814.php
BIBB Bundesinstitut für berufliche Bildung (o. J.): Nachhaltigkeit in der Ausbildung. Online: www.bibb.de/de/142299.php
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (o. J.a): FAQ zu den modernisierten Standardberufsbildpositionen. Online: www.bibb.de/de/137874.php
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (o. J.b): Ausbildung gestalten. Online: https://www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/series/list/2
Biowert (2022): Nachhaltige Pflanzgefäße. Online: biowert.com/products
BLE (2022): Plastiktöpfe im Öko-Gartenbau: Welche Alternativen gibt es? Online: www.oekolandbau.de/landwirtschaft/pflanze/spezieller-pflanzenbau/zierpflanzenbau/plastiktoepfe-im-oeko-gartenbau-welche-alternativen-gibt-es/
BMBF (o. J.): Was ist BNE. Online: https://www.bne-portal.de/bne/de/einstieg/was-ist-bne/was-ist-bne.html Bundesregierung (o. J.): Globale Nachhaltigkeitsstrategie – Nachhaltigkeitsziele verständlich erklärt. Online: www.bundesregierung.de/breg-de/themen/nachhaltigkeitspolitik/nachhaltigkeitsziele-verstaendlich-erklaert-232174
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
BMEL (2016): Der Gartenbau in Deutschland. Online: www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/Gartenbauerhebung.pdf?
BMEL Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2016): Die Fachrichtungen des Gartenbaus. Online: www.bmel.de/DE/themen/landwirtschaft/pflanzenbau/gartenbau/fachrichtungen.html
BMJ Bundesministerium für Justiz (1996): Verordnung über die Berufsausbildung zum Gärtner/zur Gärtnerin. Online: https://www.gesetze-im-internet.de/g_rtnausbv/G%C3%A4rtnAusbV.pdf
Fraunhofer ISE – Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE (2022): Agri-Photovoltaik. Online: www.ise.fraunhofer.de/de/leitthemen/integrierte-photovoltaik/agri-photovoltaik-agri-pv.html
Destatis Statistisches Bundesamt (2022): Indikatoren der UN-Nachhaltigkeitsziele. Online: http://sdg-indikatoren.de/
Fraunhofer Umsicht – Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (2022): Vertikale Begrünung im urbanen Raum. Online: www.umsicht.fraunhofer.de/de/projekte/vertikale-begruenung.html
KMK Kultusministerkonferenz (1995): Rahmenlehrplan für den Ausbildungsberuf Gärtner/Gärtnerin. Online www.kmk.org/fileadmin/pdf/Bildung/BeruflicheBildung/rlp/Gaertner95-12-08.pdf
LWG Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (2018): 6 Thesen zur Nachhaltigkeit im GaLaBau – eine Standortbestimmung. Online: www.lwg.bayern.de/mam/cms06/landespflege/dateien/nachhaltigkeit_galabau.pdf
Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg (2016): Leiser werden! Lärmarme Baumaschinen, Werkzeuge, Fahrzeuge. Online: pudi.lubw.de/detailseite/-/publication/79916
SDG 2 Kein Hunger
“Den Hunger beenden, Ernährungssicherheit und eine bessere Ernährung erreichen und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern”
Das SDG 2 zielt primär auf die Welternährung im Kampf gegen den Hunger vor allem durch eine nachhaltigere Landwirtschaft ab. Zwei Unterziele sind (Destatis o. J.):
SDG 2.1 „sicherstellen, dass alle Menschen, insbesondere die Armen und Menschen in prekären Situationen, einschließlich Kleinkindern, ganzjährig Zugang zu sicheren, nährstoffreichen und ausreichenden Nahrungsmitteln haben“
SDG 2.4 „nachhaltige Nahrungsmittelproduktion sicherstellen und resiliente landwirtschaftliche Methoden anwenden, die die Produktivität und den Ertrag steigern, zur Erhaltung der Ökosysteme beitragen, die Anpassungsfähigkeit an Klimaänderungen, extreme Wetterereignisse, Dürren, Überschwemmungen und andere Katastrophen erhöhen und die Flächen- und Bodenqualität schrittweise verbessern. (…) den Anteil der landwirtschaftlichen Fläche unter produktiver und nachhaltiger landwirtschaftlicher Bewirtschaftung schrittweise verbessern“
SDG 2.5 „die genetische Vielfalt von Saatgut, Kulturpflanzen (…) ihren wildlebenden Artverwandten bewahren, unter anderem durch gut verwaltete und diversifizierte Saatgut- und Pflanzenbanken auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene, und den Zugang zu den Vorteilen aus der Nutzung der genetischen Ressourcen und des damit verbundenen traditionellen Wissens sowie die ausgewogene und gerechte Aufteilung dieser Vorteile fördern“
SDG 2.c. „Maßnahmen zur Gewährleistung des reibungslosen Funktionierens der Märkte für Nahrungsmittelrohstoffe und ihre Derivate ergreifen und den raschen Zugang zu Marktinformationen, unter anderem über Nahrungsmittelreserven, erleichtern, um zur Begrenzung der extremen Schwankungen der Nahrungsmittelpreise beizutragen“
“Abfall” ist eine eigene Position 3 d) in der Standardberufsbildposition “Umweltschutz und Nachhaltigkeit (BIBB 2020):
d) Abfälle vermeiden sowie Stoffe und Materialien einer umweltschonenden Wiederverwertung oder Entsorgung zuführen
Ernährungssicherung
Nach der “Aktion Deutschland hilft” leiden weltweit rund 830 Millionen Menschen unter chronischem Hunger (ebd. o. J.). Mehr als die Hälfte von ihnen lebt in Asien und ein Drittel in Afrika. In Deutschland existiert das Problem Hunger nicht als statistische Größe. Die Grundversorgung scheint gesichert. Hier geht es vorwiegend um gesellschaftliche Teilhabe aller, was auch den Zugang zu ausreichender Menge und Qualität der Nahrungsmittel beinhaltet.
Gärtner*innen, insbesondere der Fachrichtungen Gemüse- und Obstbau, tragen wesentlich zur Bereitstellung von Lebensmitteln und damit zur Ernährungssicherung bei (Destatis 2022). Insgesamt werden für Gartenbauerzeugnisse auf dem Ackerland in Deutschland gut 140 tausend Hektar Fläche genutzt (Destatis 2022). Der Selbstversorgungsgrad dieses Landes liegt im Dokumentationsjahr 2020/21 bei rund 35 Prozent (Destatis 2022b). Deutschland ist also auf Importe angewiesen, lediglich bei Weiß-und Rotkohl liegt die Produktionsmenge leicht über dem Bedarf (ebd.). Das bedeutet wirtschaftlich betrachtet: Hier gibt es noch viel Entwicklungsbedarf für die gärtnerische Gemüseproduktion.
Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie hält in Bezug auf SDG 2 fest, dass für die Ernährungssicherung der Weltbevölkerung im 21. Jahrhundert eine nachhaltige Transformation der globalen Agrar- und Ernährungssysteme notwendig ist (Bundesregierung 2021b). Diese Transformation muss auf eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion ebenso abzielen wie auf eine nachhaltige Nutzung und den Schutz der natürlichen Ressourcen. Ein wesentlicher Baustein in der globalen Perspektive ist die gerechte Verteilung der Nahrungsmittel (BMEL 2022e).
Zentrales Ziel von SDG 2 ist die Bekämpfung von Hunger und Unterernährung. Schätzungsweise sind derzeit weltweit etwa 821 Millionen Menschen von Hunger und chronischer Unterernährung betroffen (Bundesregierung 2021b). Im Jahr 2021 hatten ca. 2,3 Milliarden Menschen (29,3 % der Weltbevölkerung) keinen zuverlässigen und sicheren Zugang zu ausreichenden Nahrungsmitteln (BMEL 2022e). Der Großteil der von Hunger und Ernährungsunsicherheit betroffenen Menschen lebt in Entwicklungsländern. Die Folgen der Corona-Pandemie und des Ukraine-Kriegs haben den Druck auf die Ernährungssituation weiter erhöht.
Die Basis dafür, dass in Zukunft die Ernährung für alle Menschen sichergestellt werden kann, ist eine nachhaltige Landwirtschaft bzw. ein nachhaltiger Gartenbau. Die Bereiche Landwirtschaft und Gartenbau und die Art und Weise, wie diese gestaltet werden, sind besonders eng mit den Nachhaltigkeitszielen verknüpft. Denn die landwirtschaftliche und gartenbauliche Pflanzenproduktion ist einerseits auf intakte und ausreichende natürliche Ressourcen angewiesen und andererseits greift sie direkt in die Ökosysteme ein und beeinflusst diese (BMUV o. J.). Das SDG 2 ist mit mehreren anderen SDGs verknüpft – insbesondere mit SDG 15 “Leben an Land”, das auf den Schutz von Landökosystemen, von Böden und Gewässern sowie auf den Erhalt der Biodiversität abzielt.
Eine Zahl, die bei der 15. Uno-Biodiversitätskonferenz 2022 (COP 15) aufgerüttelt hat: Weltweit sind jährlich 217 Milliarden Dollar Verlust zu befürchten, wenn die Bestäuber nicht geschützt werden (WBS 2022). Auch die deutsche BLE schreibt, dass etwa 80 Prozent unserer Nutzpflanzen, vor allem Obst und Gemüse. ..von Bestäubern abhängig sind (BLE o. J.) und schätzt den monetären Wert der Bestäubung auf 1,7 Milliarden Euro (ebd.).
Flächenkonkurrenz
Neben der Frage, wie Landwirtschaft und Gartenbau ökologisch nachhaltig gestaltet werden können, geht es zentral um die Frage, wie Produktivität und Erträge erhöht werden können. In Wissenschaft und Politik werden verschiedene Strategien zur Erhöhung der Ernährungssicherheit diskutiert. Grundlegende Voraussetzung für die Sicherung der Ernährung sind ausreichende Anbauflächen (Bundesregierung 2021b). Nach Berechnungen des Umweltbundesamtes gehen weltweit etwa 10 Millionen Hektar landwirtschaftliche Flächen pro Jahr verloren, z. B. durch Bebauung, anderweitige Nutzung oder aufgrund von Bodendegradation und Klimawandel (UBA 2015b). Diesen Flächenverlusten gilt es entgegenzuwirken. Ein zunehmender Anteil der Anbauflächen wird für die Produktion von Energiepflanzen zur Gewinnung von Biodiesel oder zur Nutzung in Biogasanlagen verwendet. Diese Flächenkonkurrenz wird von vielen Wissenschaftlern sehr kritisch gesehen. Die Entwicklungen im Bereich Bioenergienutzung sollten daher überdacht werden. “Bei den heutigen Nutzungsformen gibt es eine unmittelbare Konkurrenz mit der Verfügbarkeit von Nahrung, die man nicht aus den Augen verlieren darf. „ Die politische Förderung von Bioenergie, die diese Konkurrenz weiter schürt, sollte mit Blick auf die Welternährung neu bewertet werden.” (Qaim 2014).
Integrierter Pflanzenschutz (IPS)
In der Pflanzentechnologie geht es darum, Versuche und Untersuchungsreihen mit Kulturpflanzen zu Vermehrungs- oder Züchtungszwecken sowie im Bereich des Pflanzenschutzes im Freiland, Gewächshaus oder Labor durchzuführen. Bedingt durch den Versuchsaufbau sind nicht alle Parameter frei wählbar. So muss auch im Hinblick auf den Pflanzenschutz sichergestellt werden, dass das jeweilige Versuchsziel erreicht werden kann, und der Schaden an Pflanzen durch Schädlinge und Krankheiten den Versuchsaufbau nicht unkontrolliert beeinflusst. Der Integrierte Pflanzenschutz stellt in diesem Zusammenhang eine Anforderung dar, die nicht auf dem Freiwilligenprinzip basiert, sondern seit 1987 im deutschen Pflanzenschutzgesetz und seit 2013 im „Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (NAP) “ verankert ist. Auch die Europäische Pflanzenschutzrahmenrichtlinie (2009/128/EG) hat den IPS als Leitlinie im Pflanzenschutz in der Europäischen Union aufgenommen (BMEL 2021). Die Bedeutung des IPS als systemischer Ansatz, den Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden signifikant zu reduzieren, wird in einer aktuellen Studie von BUND/Ecologic (2022) unterstrichen.
Konzept des IPS
“So viel wie nötig, so wenig wie möglich“ – auf diesem Grundsatz baut das Konzept des integrierten Pflanzenschutzes (IPS) auf. Bei der Umsetzung sind alle verfügbaren Maßnahmen, gemäß der Maßnahmenpyramide des IPS, sorgsam gegeneinander abzuwägen und vorbeugende Maßnahmen vor nicht-chemischen und chemischen Maßnahmen zu priorisieren. Dadurch soll die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf ein notwendiges Maß beschränkt werden (BMEL 2021):
1. Maßnahmen zur Vorbeugung und/oder Bekämpfung eines Schadorganismus, z. B.
● Fruchtfolge
● Geeignete Kultivierungsverfahren
● Anbau resistenter/toleranter Sorten
● Verwendung zertifizierten Saat- und Pflanzguts
● Hygienemaßnahmen (z. B. Reinigen der Maschinen und Geräte)
● Ökologische Lebensräume zum Schutz und zur Förderung von Nützlingen, wie Hecken und Blühstreifen, Graswege
● Bedarfsgerechte Düngung und Bewässerung
2. Alternative, nicht-chemische Pflanzenschutzverfahren
● Biologische, biotechnische Pflanzenschutzverfahren, Grundstoffe, Biostimulanzien
● Physikalische und mechanische Pflanzenschutzverfahren
● Andere nicht chemische Pflanzenschutzverfahren
3. Chemischer Pflanzenschutz
● Pflanzenschutzmittel werden spezifisch und zielgenau eingesetzt Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf das unbedingt notwendige Maß beschränken
Anbau resistenter/toleranter Sorten
Die Wahl standortangepasster, trockentoleranter und krankheitsresistenter Sorten ist laut Nationalem Aktionsplan Pflanzenschutz (BMEL 2017: 50) als vorbeugende Maßnahme des integrierten Pflanzenschutzes (IPS) hervorzuheben. Für eine standortangepasste Landwirtschaft steht Landwirt*innen und Erwerbsgärtner*innen bereits eine breite Auswahl an Sorten einer bestimmten Kulturart zur Verfügung, z. B.:
● Nematoden-tolerante Zuckerrübensorten (z. B. Lunella KWS, Thaddea KWS RZ, Caprianna KWS RZ, Blandina KWS) in Anbaugebieten mit hohem Nematodendruck (KWS 2022)
● Anbauempfehlungen für Winterraps-Sorten unter hessischen Anbaubedingungen: Architect, DK Exception, DK Expansion und Puzzle (LLH 2021)
Öko-Weizensorte Moschus auf stickstoffreichen Standorten oder nach Kleegrasumbruch und wenig Unkrautdruck (LWK NRW 2021).
Technische Lösungen
Auf der technischen Ebene ermöglichen neue Lösungen im Bereich der Sensorik eine zielgenaue und bedarfsgerechte Ausbringung von Pestiziden. Sensorsysteme werden direkt an der Feldspritze montiert. Während der Überfahrt wird der Pflanzenbestand auf beiden Seiten der Fahrgasse gescannt. Vom Sensormessgerät wird dann automatisch die optimale Dosis für die Pflanzenschutzmittel abgeleitet und die erforderliche Menge zur Ausbringung bemessen. So können beispielsweise in dünnen Pflanzenbeständen mit geringem Krankheitsdruck weniger Pflanzenschutzmittel ausgebracht werden. Durch die zielgenaue Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln werden die Umweltbelastungen, insbesondere die Einträge in Boden und Gewässer sowie der Abtrieb reduziert und Kosten gespart. Umgekehrt steigt die Ausbringungsmenge mit dem Krankheitsdruck und der Bestandesdichte. Die teilschlag- bzw. pflanzenspezifische Feldbearbeitung mittels Sensorik bietet eine Möglichkeit, dem Zielkonflikt zwischen Nachhaltigkeit und Produktivität zu begegnen (Fraunhofer o. J.).
Das Thema “Digitaler Pflanzenschutz” wird umfassend vom Projekt FarmerSpace des Fraunhofer Instituts aufgegriffen. Um marktfähige, digitale Lösungen für den praxisnahen Einsatz auf dem Feld zu entwickeln, werden verschiedene Technologien, wie Sensorik, Robotik und digitale Lösungen auf den Prüfstand gestellt, um Handlungsempfehlungen abzuleiten und die Landwirte entsprechend zu beraten (Fraunhofer 2021).
Kritische Betrachtung des IPS
Wie oben dargelegt, sieht die Maßnahmenpyramide des IPS den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel als letzte Maßnahme vor. Dies ließe den Schluss auf eine Verringerung des Pflanzenschutzmittelkonsums in Deutschland und das Risiko für Mensch und Umwelt zu. Trotz anspruchsvoller Ziele und rechtlicher Rahmenbedingungen belegen Zahlen jedoch, dass die jährlichen Verkaufsmengen von Pflanzenschutzmitteln in Deutschland nicht gesunken sind und das Potenzial zur Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln bisher nicht ausreichend genutzt wurde. Laut NABU (2022) reichen die Ursachen für eine ungenügende Anwendung des IPS seitens Landwirt*innen von Nutzergewohnheiten, über einen Fokus auf der Verbesserung der Pestizideffizienz bis hin zur Ausgestaltung der EU-Agrarpolitik. Die Anwendung des IPS erfordert ein umfangreiches Wissen der Landwirt*innen zu alternativen Maßnahmen, z. B. Anwendung biologischer Schädlingsbekämpfung (ebd.). Der integrierte Pflanzenschutz ist ein Mindeststandard, der hinter den Anforderungen der biologischen Landwirtschaft zurückfällt. Auch das Umweltbundesamt hat mit dem Scientific Opinion Paper: Auf dem Weg zu einem nachhaltigen Pflanzenschutz (2022d) zahlreiche zusätzliche Handlungsempfehlungen vorgeschlagen, die von Schulung, Aufklärung und Sensibilisierung bis hin zur Ausweisung von pestizidfreien Flächen zum Tier- und Artenschutz reichen. Nichtregierungsorganisationen (NGOs) wie der NABU schlagen ebenfalls eine stärkere finanzielle Honorierung und Förderung von Biodiversität Leistungen seitens der Europäischen Agrarpolitik vor (NABU 2022).
Der Einsatz von Pestiziden gilt als eine der Hauptursachen für das Insektensterben (Tennekes, Henk 2011), zumal mit der Ausbringung von Pestiziden nicht nur Schädlinge, sondern auch Nützlinge erfasst werden. Die Auswirkungen des Pflanzenschutzmitteleinsatzes werden besonders am Beispiel der Stoffe der Neonikotinoide deutlich, die in einigen Pflanzenschutzmitteln, auch für den Hobbygarten Bereich, enthalten sind. Diese Stoffe stören das Orientierungsvermögen der Bienen und schwächen ihr Immunsystem. Dies kann zum Aussterben eines ganzen Bienenvolkes führen (ebd.). Auch hier hat der IPS noch keinen nennenswerten Beitrag geleistet. Eine Studie aus Kanada hebt zudem hervor, dass Wildbienen auf Flächen, deren Böden mit Pestiziden behandelt wurden, im Vergleich zu unbehandelten Flächen deutlich weniger Pollen sammeln und weniger Nester bauen. Auf behandelten Böden bringen Wildbienen 89 Prozent weniger Nachkommen hervor und verringern somit die Bestäubung der (Kultur)Pflanzen (vgl. ökoreich, 2021).
Konventionelle Züchtung versus Grüne Gentechnik
Im Zusammenhang mit der Ernährungssicherung spielt die Pflanzenzüchtung eine besondere Rolle. Die Züchtungsziele beschränken sich längst nicht mehr auf die Ertragssteigerung oder Verbesserung der Verarbeitungsqualität, sondern nehmen die Stärkung biotischer und abiotischer Stresstoleranzen, verursacht z. B. durch Dürre, Versalzung, Temperatur, Schädlinge verstärkt in den Blick (Leopoldina o. J.).
In den folgenden Abschnitten stehen folgende Methoden zur Diskussion:
● Konventionelle Züchtung: Hierzu zählen die Kreuzung und Selektion, bei der Elternpflanzen mit den gewünschten Merkmalen und Eigenschaften gekreuzt werden. Die Samen, die mit dem Zuchtziel am meisten übereinstimmen, werden weiter ausgesät. Bei der Hybridzüchtung werden zwei genetisch unterschiedliche Linien gekreuzt. Die Hybriden vereinen die gewünschten Zuchtziele und potenzieren sie zum Teil (Grossniklaus et al 2020) .
● Gentechnik der ersten Generation: Bei der Gentechnik der ersten Generation erhält eine Pflanzenzelle neue genetische Eigenschaften, indem Erbgut aus anderen Pflanzen oder Bakterien in das Erbgut der Zielpflanze übertragen wird. Bei den Verfahren der ersten Generation konnte nicht genau bestimmt werden, an welcher Stelle das eingeschleuste Erbgut eingebaut wird (Leopoldina o. J.).
● Markergestützte Selektion (MAS): Bei der markergestützten Selektion werden Pflanzen mit Hilfe von Genmarkern auf bestimmte Eigenschaften hin untersucht, um dann für die weitere Züchtung ausgewählt zu werden. Das Markern von Genen dient als Vehikel, eine gentechnische Veränderung findet nicht statt (LfL 2022).
● Genome Editing ist ein weiteres gentechnisches Verfahren, das seit 2013 in der Pflanzenzüchtung angewandt wird. Mit Hilfe von Enzymen wird die DNA einer Pflanzenzelle an bestimmten Stellen geschnitten. An diesen Stellen können einzelne oder mehrere Bausteine gezielt entfernt, ausgetauscht oder eingefügt werden. Mit der Genomeditierung, darunter ist die “Genschere” das bekannteste Verfahren (“CRISPR”), lassen sich durch die gezielte Veränderung des Genoms bestimmte Eigenschaften bearbeiten. Der Fortschritt gegenüber der Gentechnik der ersten Generation besteht darin, dass mit dieser Technik steuerbar ist, an welcher Stelle des Erbgutes ein neuer Baustein eingefügt wird (Leopoldina o. J.).
In der Züchtung stehen sich unterschiedliche Positionen gegenüber: Befürworter*innen gentechnisch veränderter Pflanzen argumentieren, dass Erträge gesteigert und Kosten gesenkt werden können. Weiterhin können mittels Gentechnik gezielt Pflanzen mit Eigenschaften wie Resistenz gegen Krankheiten und Schädlingsbefall gezüchtet werden.
Expert*innen der konventionellen Züchtung kommen zu dem Schluss, dass Gentechnik langwierig und kostspielig ist und die konventionelle Züchtung Probleme schneller lösen kann (CIMMYT o. J.). Dies wird am Forschungsprojekt “Improved Maize for African Soils” deutlich: Kleinbauern in afrikanischen und vielen anderen Ländern des globalen Südens müssen auf nährstoffarmen Böden wirtschaften, können sich keinen Dünger leisten oder haben keinen Zugang dazu. Auf die Umweltbelastung durch Gewässerverunreinigung wurde bereits hingewiesen. Im Rahmen des genannten Projektes wurden in vier Jahren über 20 Maissorten konventionell (durch Kreuzung und Selektion) gezüchtet, die mehr Ertrag aus stickstoffarmen Böden gewinnen können. Die Wissenschaftler*innen kamen zu dem Schluss, dass sie für eine vergleichbare Gentechnik-Maissorte weitere zehn Jahre gebraucht hätten (Gilbert 2014).
Derzeit setzt die Forschung große Hoffnungen in das Verfahren der markergestützen Selektion (LfL 2022). Diese Methode ermöglicht eine schnelle Selektion von Pflanzen mit den gewünschten Eigenschaften, ohne dass eine gentechnische Veränderung stattfindet (ebd.). Mit der Entwicklung neuer gentechnischer Verfahren, wie der Genschere, kommt Bewegung in die politische Diskussion auf europäischer Ebene (Leopoldina o. J.). Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kommen zu dem Schluss, dass die Genomeditierung geeignet ist, Eigenschaften von Nutzpflanzen kosten- und zeitsparend zu verändern. Auf diese Art und Weise kann eine neue Form der Gentechnik dazu beitragen, die Ernährung weltweit zu sichern und gleichzeitig landwirtschaftliche Nutzungsformen nachhaltiger zu gestalten (ebd.).
Während der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in einigen Ländern der Welt zugelassen und praktiziert wird, werden in Deutschland seit 2012 keine gentechnisch veränderten Pflanzen kommerziell angebaut. Mit dem „Ohne Gentechnik“-Siegel soll der Verbraucher/ die Verbraucherin zusätzlich geschützt und aufgeklärt werden. Das Siegel gewährleistet, dass gekennzeichnete Lebensmittel keine gentechnisch veränderten Bestandteile enthalten, also keine gentechnisch veränderten Enzyme oder Zusatzstoffe wie Vitamine, Aminosäuren oder Aromen (ebd.).
Reduzierung der Nahrungsmittelverluste
Zur Sicherung der Ernährung gehören auch Strategien, um die Nahrungsmittelverluste drastisch zu reduzieren. Weltweit gehen etwa 33 Prozent der produzierten Nahrungsmittel auf allen Stufen der Kette vom Landwirt über den Handel bis zum Verbraucher als Lebensmittelverluste und Abfälle verloren (Bundesregierung 2021b). Daher stellt die Reduzierung dieser Verluste einen wichtigen Ansatzpunkt dar. Im Obst- und Gemüsebereich entstehen Nahrungsmittelverluste unter anderem durch “Nicht-Ernte”. Gründe dafür, dass die Erzeugnisse die Anbaufläche nicht verlassen, liegen darin, dass das Erntegut bestimmte Standards nicht einhält (WWF 2015) oder sich die Ernte, z. B. von Spargel oder Erdbeeren, aus ökonomischen Gründen in bestimmten Regionen nicht lohnt (Agrar heute 2022). Während sich der Spargelanbau in einigen Regionen Deutschlands in der Saison 2022 durchaus rentierte, haben Betriebe in anderen Regionen Flächen mangels Nachfrage aus der Kultur genommen (ebd.). In der Zukunft wird sich für bestimmte Kulturen ein neues Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage einstellen müssen, um einerseits das Einkommen für die Betriebe zu sichern und andererseits wertvolle Flächen für eine nachhaltige Nahrungsmittelproduktion zu nutzen. Im Obst- und Gemüseanbau entstehen weitere Nahrungsmittelverluste entlang der Versorgungskette nach der Ernte, z. B. bei der Lagerung, während des Transports und bei der Verarbeitung (BMEL 2022). Bisher ist die Datenlage zu sogenannten Nachernteverlusten jedoch vage und nicht belastbar (WWF 2015).
Bewahrung von alten Kulturpflanzen und Saatgut
Die Zahl der in der Landwirtschaft genutzten Pflanzenarten und -sorten ist stark zurückgegangen. So stehen über 1.000 traditionelle Gemüsesorten in Deutschland auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Kulturpflanzen (BMEL 2018). Dazu gehören seltene Kartoffelsorten wie z. B. “Ackersegen”, “Blauer Schwede” oder “Deodora”, ebenso wie bestimmte Salat- und Rübensorten (ProSpecieRara o. J.).
Bedenklich ist, dass aktuell über 50 Prozent der für die menschliche Ernährung weltweit benötigten Nahrungsenergie aus lediglich drei Pflanzenarten (Mais, Reis, Weizen) erzeugt wird. (BMEL 2019) Das bedeutet, dass andere Kulturpflanzenarten entsprechend weniger genutzt werden.”Vorhandene Ansätze, wie zum Beispiel Initiativen und Agrarumweltmaßnahmen mit dem Ziel, die biologische Vielfalt zu erhalten und nachhaltig zu nutzen, gilt es weiter zu entwickeln.” (ebd.)
Eine möglichst große genetische Vielfalt bei Kulturpflanzen ist für die Ernährungssicherheit von zentraler Bedeutung. Mit dem Anbau alter Sorten werden pflanzengenetische Ressourcen am Leben erhalten, die wiederum der Grundstein für neue Sorten sind. Auch in Bezug auf den Klimawandel sind die Potenziale vieler alter Arten und Sorten hervorzuheben. Sie sind oft resistenter gegen extreme Witterungsbedingungen, gegen Schädlingsbefall oder Krankheiten. Da es sich vielfach um lokal gezüchtete Sorten handelt, sind sie oft besser an die jeweiligen lokalen Umweltbedingungen angepasst (BMEL 2018). Dennoch werden sie heute nur noch selten in der Landwirtschaft genutzt. Oft sind sie schwerer anzubauen, eignen sich nicht für eine intensive Landwirtschaft oder liefern weniger Erträge. Eine Schwierigkeit besteht zunächst darin, genügend Saatgut zu erhalten. Alte Sorten sind zwar noch in den Gendatenbanken oder bei Vereinen wie VERN (vern.de) oder ProSpecieRara (prospecierara.ch) zu erhalten. In der Regel erhält man jedoch nur kleine Mengen Saatgut, das zunächst über Jahre weiter vermehrt werden muss, bevor der wirtschaftliche Anbau erfolgen kann (VERN o. J.).
Die Landwirtschaft inkl. Gemüse- und Obstanbau kann einen erheblichen Beitrag zum Erhalt alter Sorten und Arten leisten. Neben den Potenzialen für Umwelt und Nachhaltigkeit ergeben sich auch wirtschaftliche Potenziale, beispielsweise indem mit alten Sorten besondere kulinarische Angebote geschaffen oder innovative Produkte entwickelt werden. Um alte Sorten erfolgreich einsetzen zu können, ist es für Gärtnerinnen und Gärtner wichtig, sich das Wissen über den Umgang damit anzueignen und Wege für eine erfolgreiche Vermarktung zu entwickeln. Projekte, wie “Vielfalt schmeckt” unterstützen Landwirte, Obst- und Gemüsebaubetriebe dabei, mehr traditionelle, samenfeste Sorten anzubauen und in den Handel zu bringen und somit zu deren Erhalt beizutragen (vgl. Naturpark Bergisches Land, 2008; vielfaltschmeckt.de o. J.).
Saatgut - Auswahl und Anbau resistenter / toleranter Sorten
Biologisch bedeutet, dass in der Züchtung und Vermehrung des Saatguts keine Herbizide und Pestizide – kurz Chemikalien – eingesetzt wurden. Im ökologischen Gemüse- und Obstanbau arbeiten die Gärtner*innen im Einklang mit der Natur.
Die Wahl standortangepasster, trockentoleranter und krankheitsresistenter Sorten ist laut Nationalem Aktionsplan Pflanzenschutz (BMEL 2017: 50) als vorbeugende Maßnahme des integrierten Pflanzenschutzes (IPS) hervorzuheben. Für eine standortangepasste Landwirtschaft stehen Erwerbsgärtner*innen eine breite Auswahl an Sorten einer bestimmten Kulturart zur Verfügung. Auf diese Weise wird ökologische Vielfalt gefördert und aktiver Umweltschutz betrieben.
Insbesondere Gärtner*innen können durch eine nachhaltige Pflanzenwahl, z. B. einheimische Sträucher, nachhaltige Lebensräume auch in städtisch verdichteten Gebieten stattfinden (s. SDG 11 Pflanzenverwendung).
Durch die Industrialisierung der Landwirtschaft konzentriert sich der Saatgutmarkt auf einige wenige Firmen, welche hauptsächlich Hybridsaatgut vertreiben. Hybridsaaten sind Züchtungen, die im Zuge der Entwicklung der technologischen Landwirtschaft entstanden. Über mehrere Generationen wird dieses Pflanzgut “perfektioniert”, das heißt, gewünschte Eigenschaften wie Fruchtgröße, Aussehen und Ertrag werden herausgearbeitet und nicht gewünschte Eigenschaften wie Bitterstoffe weggezüchtet. Diesem Saatgut wird die Reproduktionsfähigkeit genommen. Es muss jedes Jahr neu erworben werden.
Samenfest ist die Beschreibung für Saatgut, das aus sich selbst reproduzierbar ist. Mit anderen Worten. Es kann wieder eingepflanzt und vermehrt werden. Auf diese Weise können alte Sorten erhalten und weitergegeben werden. 2016 wurde in einer Beobachtungsstudie der Charité Berlin herausgefunden, dass Allergiker alte Apfelsorten aufgrund des Gehalts an gesundheitsfördernden Polyphenolen besser vertragen können als neue Züchtungen. Alte Sorten können als allergenarm gelten (Forschung&Lehre 2018).
Saatgutbanken oder Saatgutbibliotheken haben zum Zweck, die Vielfalt des genetischen Pflanzenpools für die Nachwelt, aber auch für den Katastrophenfall, zu bewahren. Die weltweit größte und am besten gesicherte Stätte dieser Art befindet sich auf Spitzbergen (www.seedvault.no/). In Deutschland ist es das Herbarium sowie die Kulturpflanzenbank und Genbankinformationssystem des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben (IPK o. J.). Für die Zulassung von Saatgut ist das Bundessortenamt zuständig, wer welches Saatgut in den kommerziellen Verkehr bringen darf, durch das Saatgutverkehrsgesetz geregelt.
Heilpflanzenanbau in Deutschland
Ein Produktbereich, der zum Wohlergehen und zur Gesundheit beitragen kann, ist der Heilpflanzenanbau. Im Jahr 2017 haben in Deutschland 750 Betriebe 120 Sorten auf 12000 Hektar angebaut (Taspo 2017). Der Schwerpunkt des Heilpflanzenanbaus lag auf den Kulturen Kamille, Lein, Mariendistel, Pfefferminze, Sanddorn, Fenchel, Johanniskraut und Wolliger Fingerhut (ebd.). Obgleich eine Nische in Sachen Erntemengen und Flächennutzung, besitzt der Heilpflanzenanbau großes Potenzial für die nachhaltige Entwicklung. Einerseits stellen Heilpflanzen einen Beitrag zur Volksgesundheit dar, und weiterhin tragen diese Pflanzenkulturen zum Erhalt der Biodiversität bei, denn sie werden auf kleinen Flächen mit diversen Sorten angebaut und häufig reifen sie bis zur Blüte und Samenbildung aus, was auch für die Insektenpopulation günstig ist. Die Pharma- und Lebensmittelindustrie haben einen großen Bedarf an dieser Produktgruppe (LFL Bayern o. J.). Im Jahr 2017 konnte die pharmazeutische, kosmetische und Nahrungsergänzungsmittelindustrie in Deutschland nur 15 Prozent der benötigten pflanzlichen Rohstoffe aus der deutschen Landwirtschaft beziehen (Taspo 2017). Deutschland importierte im Jahr 2019 knapp 21 tausend Tonnen Ingwer sowohl für Heilzwecke (Apotheker-Zeitung 2019) als auch als Lebensmittel und für Getränke (Destatis 2021). Über das Instrument des Vertragsanbaus (Verträge zwischen Anbaubetrieben und der verarbeitenden Industrie) kann auch die Nachhaltigkeit in ökonomischer Hinsicht gewährleistet werden (Taspo 2017).
Quellenverzeichnis
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SDG 3 Gesundheit und Wohlergehen
“Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern”
Das SDG 3 zielt darauf ab, Menschen jeden Alters ein gesundes Leben zu ermöglichen und ihr Wohlergehen zu fördern. Das im Rahmen der Pflanzentechnologie relevante Unterziel 3.9 strebt an,
SDG 3.9 Bis 2030 die Zahl der Todesfälle und Erkrankungen aufgrund gefährlicher Chemikalien und der Verschmutzung und Verunreinigung von Luft, Wasser und Boden erheblich zu verringern.
Folglich tragen alle Beiträge und Maßnahmen in den Bereichen Luftreinhaltung, Chemikaliensicherheit, Wiederherstellung gesunder Böden und sauberen Wassers dazu bei, die menschliche Gesundheit zu erhalten und das SDG 3 zu erreichen.
Die Schnittmenge für das SDG 3 ergibt sich aus der Berufsprofil gebenden Berufsbildposition “A1 Kulturpflanzen zu Versuchs- und Vermehrungszwecken anbauen, pflegen und ernten”, und hier die Nummer “c) Pflanzenmaterial ausbringen, pflegen und ernten”. Für den (Aus)Bildungskontext ist zum einen der Themenbereich “Sauberes Trink- und Grundwasser für die Erhaltung der menschlichen Gesundheit” relevant, zum anderen “die Abwehr negativer gesundheitlicher Folgen durch den Einsatz von Pestiziden” (BIBB 2020).
Die Tätigkeiten von Gärtner*innen leisten Beiträge zur Gesundheit und zum Wohlbefinden. Die Erzeugnisse des Obst- und Gemüseanbaus beinhalten diverse Vitamine und Mineralstoffe, die für die menschliche Ernährung nötig sind. (BzgA 2007) Die Produkte anderer Fachrichtungen tragen zur Begrünung öffentlicher und privater Anlagen bei, die die Luftqualität – deren Sauerstoffgehalt – begünstigen und gleichsam nebenbei zur Freude und damit zur Lebensqualität insgesamt von Menschen beitragen.
Im beruflichen Handlungsfeld gibt es doch auch Bereiche, die besonderer Sorgfalt und Aufmerksamkeit bedürfen, hinsichtlich möglicher Gefahren für Mensch und Umwelt. Im Zusammenhang mit landwirtschaftlichen und gartenbaulichen Tätigkeiten sind die gesundheitlichen Risiken eines übermäßigen Eintrags von Nitrat in Böden und Grundwasser von Bedeutung sowie die Risiken der Verwendung von Pestiziden.
Sauberes Grund- und Trinkwasser
Trinkwasser in Deutschland gilt als Lebensmittel, wird sorgfältig kontrolliert und überwacht und ist in den Wasserversorgungsgebieten flächendeckend von guter bis sehr guter Qualität. Das Rohwasser für die Trinkwassergewinnung kommt zu 68,5 Prozent (UBA und BMG 2021: 1) aus Grundwasser, zu 15,8 Prozent (ebd.) aus Oberflächenwasser und zu 15,7 Prozent (ebd.) aus sonstigen Ressourcen wie z. B. Uferfiltrat.
Sowohl für Trinkwasser als auch für Grundwasser gelten gesetzlich festgeschriebene Grenzwerte für Nitrat von 50 mg pro Liter (TrinkwV 2021 und GrwV 2017). Die Messungen des Grundwassers zeigen jedoch, dass dieser Grenzwert oft überschritten wird, insbesondere in Einzugsgebieten, die landwirtschaftlich genutzt werden, z. B. als Ackerflächen, Grünland oder Gemüseanbauflächen. Rund 30 Prozent der Grundwassermessstellen in Deutschland überschreiten den Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat pro Liter (BMUV und BMEL 2020: 5, 10, 21). Da Grundwasser die überwiegend genutzte Ressource für die Trinkwassergewinnung in Deutschland ist, gilt dieser Zustand auch in Fachkreisen als besorgniserregend.
Wie gelangt Nitrat ins Grundwasser? Wird dem Boden über die landwirtschaftliche Düngung mehr Stickstoff zugeführt, als von den Kulturpflanzen aufgenommen werden kann, kommt es zu einem Nitratüberschuss. Nitrat ist leicht löslich und wird mit dem Sickerwasser über tiefere Erdschichten in das Grundwasser transportiert. Grundsätzlich kann Nitrat im Grundwasserkörper bis zu einem gewissen Grad mit Hilfe von Bakterien abgebaut werden. Dieses Potenzial ist jedoch begrenzt und je nach Belastungsgrad zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgeschöpft. Steigende Nitratkonzentrationen im Grundwasser sind die Folge.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR, 2013) stuft Nitrat selbst als gesundheitlich unbedenklich ein. Gesundheitlich problematisch ist der Stoff Nitrit, der im Lebensmittel oder während der Verdauung durch die Einwirkung von Bakterien aus Nitrat entstehen kann. Nitrit im Körper sorgt dafür, dass der rote Blutfarbstoff, das Hämoglobin, in Methämoglobin umgewandelt und dadurch die Sauerstoffbindung im Blut unterbunden wird. Die Folge ist eine mangelnde Sauerstoffversorgung des Gewebes und der Organe des menschlichen Körpers. Ein gesundheitliches Risiko durch zu hohe Nitrat- bzw. Nitritaufnahme besteht vor allem für Säuglinge. Ein weiteres Risiko besteht, wenn nitrathaltige Lebensmittel bei einer bakteriellen Infektion des Magen-Darm-Traktes aufgenommen werden, da in diesem Fall Nitrat im Darm verstärkt zu Nitrit umgewandelt wird. Insbesondere bei Kindern wird dann zu nitratarmer Kost geraten (ebd.).
Neben den oben genannten akuten Wirkungen, wird die chronische Wirkung durch die Aufnahme von Nitrat oder Nitrit und die Umwandlung in krebserregende N-Nitrosoverbindungen im menschlichen Körper in der Fachwelt diskutiert. Das BfR empfiehlt daher, die Nitrat- und Nitritzufuhr beim Menschen weitestgehend zu reduzieren, beispielsweise durch entsprechende Ernte- und Anbaumaßnahmen bei nitrathaltigem Gemüse (ebd.).
Die Aufnahme von Nitrat erfolgt in erster Linie über den Verzehr von Frischgemüse, Getreide und Obst sowie über das Trinkwasser. Zu den Gemüsesorten mit hohem Nitratgehalt (1.000–4.000 mg Nitrat/kg Gemüse) zählen (LgL 2021):
● Blattgemüse, z. B. Kopfsalat, Endivie, Eissalat, Feldsalat, Spinat, Stielmangold, Rucola
● Kohlgemüse, z. B. Grünkohl, Weißkohl, Wirsing
● Wurzelgemüse, z. B. Rote Rüben, Radieschen, Rettich
Folgende Gemüsearten weisen niedrigere Nitratgehalte auf (<500 mg Nitrat/ kg Gemüse):
● Fruchtgemüse, z. B. Erbsen, Gurken, Grüne Bohnen, Paprika, Tomate
● Kohlgemüse, z. B. Rosenkohl
● Zwiebelgemüse, z. B. Knoblauch, Zwiebeln
Zu Gemüsearten mit mittleren Nitratgehalt (1.000–500 mg Nitrat/kg Gemüse) zählen:
● Wurzel- und Knollengemüse, zB. Karotten, Kohlrabi, Sellerie
● Kohlgemüse, z. B. Blumenkohl
● Zwiebelgemüse, z. B. Lauch
Pestizide und gesundheitliche Risiken
Pestiziden in der Landwirtschaft und im Gartenbau negativ auf die menschliche Gesundheit, Natur und Umwelt auswirkt (u. a. UBA 2016, Boell Stiftung 2022). Dennoch steigt der Pestizideinsatz weltweit. Im Jahr 2019 wurden in Deutschland über 42.000 Tonnen Pestizide ausgebracht (Boell Stiftung 2022). Im Jahr 2021 wurden in Deutschland 39 Pestizide verwendet, die laut EU-Regularien ersetzt werden sollten, sogenannte Substitutionskandidaten. Bei diesen Pestiziden handelt es sich um Stoffe, die für die Gesundheit oder Umwelt als besonders gefährlich gelten und für die eine ungefährliche Alternative gefunden werden soll (ebd.). Die Zahl der jährlichen Pestizidvergiftungen weltweit ist mittlerweile auf 385 Millionen Fälle gestiegen (Boedeker et al 2020). Neben diesen akuten Schäden werden Pestizide zunehmend mit chronischen Krankheiten wie Parkinson, Leukämie, Leber- und Brustkrebs, Typ-II-Diabetes und Asthma in Verbindung gebracht (Boell Stiftung 2022b).
Die Böll-Stiftung hat in einer Studie zu “Pestiziden in Lebensmitteln” sich intensiv mit der Belastung von Lebensmitteln auseinandergesetzt (ebd. 2022):
Insgesamt war die Hälfte der Lebensmittel auf dem EU-Markt frei von Pestizidbelastungen, 27 Prozent der untersuchten Nahrungsmittel enthielten Mehrfachrückstände. Besonders häufig wurden Mehrfachrückstände in frischen Produkten wie Johannisbeeren, Süßkirschen, Grapefruits, Rucola und Tafeltrauben festgestellt. Trauriger Spitzenreiter war eine Probe Rosinen mit Rückständen von 28 verschiedenen Pestiziden.
Ein besonderer Kritikpunkt von Gesundheitsexperten sind die Mehrfachbelastungen (ebd.), da es keinen summarischen Höchstwert gibt, der alle Belastungen zusammengefasst. Wichtig hierbei ist, dass sich Untersuchungen zur Wirksamkeit und Schadwirkung immer nur auf einzelne Pestizide bezieht, aber nicht auf die Kombination von unterschiedlichen Substanzen. Greenpeace stellte hierzu schon 2003 fest: “ Für die meisten Pestizide gibt es einen erheblichen Mangel an Langzeituntersuchungen. Studien zur Wechselwirkung mehrerer Wirkstoffe existieren kaum” (Greenpeace 2003). Das Umweltbundesamt bestätigte dies im Rahmen einer Untersuchung der Umweltwirkung indirekt erneut in 2021: “Auf unseren Äckern werden oft mehrere Pestizide gleichzeitig oder nacheinander verwendet. Wie die einzelnen Mittel zusammenwirken, wird vorher in der Zulassung nicht überprüft. Dort werden Mittel nur einzeln bewertet. Die Folge: Unerwünschte Kombinationswirkungen von Pestiziden auf die Umwelt bleiben oft unentdeckt.” (UBA 2021). Diese Mehrfachbelastungen finden sich besonders in folgenden Obst- und Gemüsesorten (Boell Stiftung 2022):
● Erdbeeren 98%
● Weintrauben 98 %
● Äpfel 96 %
● Paprika 87 %
● Tomaten 84 %
● Eisbergsalat 82 %
Der Pestizid-Einsatz sichert derzeit Ernährung weltweit – auch wenn ein Großteil der Pestizide für den Anbau von Futtermitteln verwendet wird. Würde der Fleischkonsum reduziert, könnten die Felder für Futtermittel vermutlich mit erheblich weniger Pestiziden und damit geringeren Erträgen die Ernährung sicherstellen. Nach AMI und BioHandel lag der Ertrag von deutschen Bio-Bauern für Getreide bei rund 3,4 Tonnen je Hekatar, während die konventionelle Landwirtschaft rund 7,1 Tonnen je Hekatar einfuhren (ca. 50 % mehr bzw. doppelter Ertrag, Zeitraum 2012-2018, AMI zitiert nach BioHandel 2019). Auch wenn der hälftige Ertrag deutlich weniger ist durch Bio-Landbau, sollte nicht vergessen werden, wie die globale landwirtschaftliche Flächennutzung ist: Die Viehwirtschaft nutzt rund 30 Prozent der eisfreien Landoberfläche. Hierbei wird zwar zu 50 Prozent Grasland genutzt, aber dieses ist “gleichzeitig weiterhin das Epizentrum von Landumwandlungsprozessen” (ebd.).
Vor dem Hintergrund der oben skizzierten Problemfelder wurde bereits im Jahr 2009 die sogenannte Pflanzenschutz-Rahmenrichtlinie (2009/128/EG) verabschiedet. Mit der Unterzeichnung der Richtlinie verpflichten sich die Mitgliedsstaaten zur nachhaltigen Verwendung von Pestiziden in der EU (Europäische Union 2009). Die Richtlinie schreibt weiterhin vor, nationale Aktionspläne aufzustellen, „mit denen quantitative Vorgaben, Ziele, Maßnahmen, Zeitpläne und Indikatoren zur Verringerung der Risiken und Auswirkungen der Verwendung von Pestiziden auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt festgelegt werden und die Entwicklung und Einführung eines integrierten Pflanzenschutzes sowie von alternativen Konzepten oder Techniken zur Verringerung der Abhängigkeit von der Verwendung von Pestiziden gefördert wird.“ (Europäische Union 2009).
Es gibt jedoch noch eine weitere Schwachstelle in den Genehmigungsverfahren (Boell Stiftung 2022b): Wenn es sich abzeichnet, dass ein Pestizid seine EU-Zulassung verliert aufgrund der Einstufung als krebserregend zu sein, wird der Rückstandhöchstgehalt automatisch auf 0,01 mg/kg herabgestuft. Dies gilt auch für Importwaren. Wenn die Hersteller aber die Genehmigung auslaufen lassen vor der Herabstufung, gelten “Importtoleranzen”, die von den Herstellern beantragt werden können und die höher als die EU-Vorgaben liegen (ebd.). In Japan dürfen Mandeln beispielsweise mit einemMilligramm pro Kilogramm und somit um das Zehnfache stärker mit Glyphosat belastet sein als in der EU. Eine Webrecherche zeigt schnell, dass in verschiedenen Geschäften japanische Mandeln verfügbar sind.
Das BMEL hat in 2022 die Initiative ergriffen und ein Exportverbot vorbereitet. Es soll gesundheitsschädliche Pflanzenschutzmittel umfassen, die in Deutschland produziert werden, aber in der EU nicht eingesetzt werden (BMEL 2022).Im Jahr 2021 wurden aus Deutschland insgesamt 53.020 Tonnen Wirkstoffe in Pflanzenschutzmitteln ausgeführt. Davon waren 8.525 Tonnen nicht genehmigte Wirkstoffe (ebd.). Begründet wird dies vor allem mit dem Schutz von Kleinbauern und Kleinbäuerinnen im globalen Süden, aber auch dem fairen Wettbewerb von Agrarprodukten. Angesichts der globalen Produktion auch deutscher Chemieunternehmen muss man sicher die Frage nach der Wirksamkeit einer nationalen Umsetzung stellen wenn eine Produktion leicht verlagerbar ist oder die Patente der Pflanzenschutzmittel auslaufen. Ziel soll aber ein europäisches Exportverbot sein.
Weitere Aspekte des Integrierten Pflanzenschutzes werden im Zusammenhang mit den SDGs 12 und 15 erläutert.
Quellenverzeichnis
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BfR Bundesamt für Risikobewertung (2013): Fragen und Antworten zu Nitrat und Nitrit in Lebensmitteln. Online: https://www.bfr.bund.de/de/fragen_und_antworten_zu_nitrat_und_nitrit_in_lebensmitteln-187056.html
BioHandel (2021): Bio-Landbau: Weniger Ertrag, aber besser bei Dürre. Online: https://biohandel.de/markt-branche/bio-landbau-weniger-ertrag-aber-besser-bei-duerre
BMEL (2022): Özdemir: Exportverbot gesundheitsschädlicher Pestizide kommt. Online: https://www.bmel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2022/119-vo-exportverbot-pestizide.html
BMUV und BMEL (2020): Nitratbericht 2020. Gemeinsamer Bericht der Bundesministerien für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit sowie für Ernährung und Landwirtschaft. Online: www.bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Binnengewaesser/nitratbericht_2020_bf.pdf
Boedeker, W., Watts, M., Clausing, P. et al (2020): The global distribution of acute unintentional pesticide poisoning:estimations based on a systematic review. BMC Public Health 20, 1875 . Online: https://doi.org/10.1186/s12889-020-09939-0.
Boell Stiftung (2022): Pestizidatlas. Daten und Fakten zu Giften in der Landwirtschaft. Online: www.boell.de/sites/default/files/2022-01/Boell-Pestizidatlas-2022.pdf
BoellStiftung (2022b): Pestizide in Lebensmitteln: Drauf und dran. Online: https://www.boell.de/de/2022/01/12/pestizide-lebensmitteln-pestizidrueckstaende-drauf-und-dran#
Bundesanzeiger (2020): Bundesinstitut für Berufsbildung. Empfehlung des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung vom 17. November 2020 zur „Anwendung der Standardberufsbildpositionen in der Ausbildungspraxis“. Online: www.bibb.de/dokumente/pdf/HA172.pdf
BzgA Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2007): Ernährung und Gesundheit Materialien für 5.–10. Klassen. Online: shop.bzga.de/pdf/20340003.pdf
DVWG Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches (o. J.): Nitrat und Trinkwasser. Online: www.dvgw.de/themen/umwelt/nitrat-im-wasser
Europäische Union (2009): Pflanzenschutzrahmenrichtlinie 2009/128/EG. Richtlinie 2009/128/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für die nachhaltige Verwendung von Pestiziden. Online: eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServdo?uri=OJ:L:2009:309:0071:0086:dePDF
Greenpeace (2003): Pestizide machen krank. Online: https://www.greenpeace.de/biodiversitaet/landwirtschaft/anbau/pestizide-krank
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LgL Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (2021): Nitrat-Gehalt in Gemüse. Online: www.lgl.bayern.de/lebensmittel/chemie/kontaminanten/nitrat/index.htm#:~:text=Niedrig%20sind%20die%20Nitratgehalte%20zum,%2C%20Gurken%2C%20Blumenkohl%20und%20Kartoffeln
TrinkwV (2021): Verordnung über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (Trinkwasserverordnung) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. März 2016 (BGBl. I S. 459), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 22. September 2021 (BGBl. I S. 4343). Online: www.gesetze-im-internet.de/trinkwv_2001/BJNR095910001.html
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UBA & BMG Umweltbundesamt und Bundesministerium für Gesundheit (2021): Bericht des Bundesministeriums für Gesundheit und des Umweltbundesamtes an die Verbraucherinnen und Verbraucher über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (Trinkwasser) in Deutschland (2017-2019). Berichtszeitraum: 1. Januar 2017 bis 31. Dezember 2019. Online: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/5750/publikationen/2021-04-06_uug_01-2021_trinkwasserqualitaet_0.pdf
UBA Umweltbundesamt (2016): Leitfaden Nachhaltige Chemikalien. Eine Entscheidungshilfe für Stoffhersteller, Formulierer und Endanwender von Chemikalien. Online: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1968/publikationen/161215_uba_fb_chemikalien_dt_bf.pdf
UBA Umweltbundesamt (2022): Umweltrisiken durch Pestizid-Cocktails werden unterschätzt. Online: https://www.umweltbundesamt.de/themen/umweltrisiken-durch-pestizid-cocktails-werden
UBA Umweltbundesamt 2021: Konsum und Umwelt: Zentrale Handlungsfelder. Online: www.umweltbundesamt.de/themen/wirtschaft-konsum/konsum-umwelt-zentrale-handlungsfelder#bedarfsfelder
UBA und BMG Umweltbundesamt und Bundesministerium für Gesundheit (2021): Bericht des Bundesministeriums für Gesundheit und des Umweltbundesamtes an die Verbraucherinnen und Verbraucher über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (Trinkwasser) in Deutschland (2017-2019). Berichtszeitraum: 1. Januar 2017 bis 31. Dezember 2019. Online: www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/5750/publikationen/2021-04-06_uug_01-2021_trinkwasserqualitaet_0.pdf
SDG 4 Hochwertige Bildung
“Inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten lebenslangen Lernens
für alle fördern”
Das SDG zielt primär auf die globale Entwicklung von guten Bildungssystemen ab. Im Berufsbildungssystem ist Deutschland weltweit führend – trotz einiger Defizite wie Personalausstattung, Digitalisierung oder knappe Investitionsbudgets – viele Länder versuchen ein ähnliches Berufsbildungssystem wie in Deutschland aufzubauen. Insofern ist vor allem das Unterziel 4.7 relevant:
Bis 2030 sicherstellen, dass alle Lernenden die notwendigen Kenntnisse und Qualifikationen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung erwerben, unter anderem durch Bildung für nachhaltige Entwicklung und nachhaltige Lebensweisen, Menschenrechte, Geschlechtergleichstellung, eine Kultur des Friedens und der Gewaltlosigkeit, Weltbürgerschaft und die Wertschätzung kultureller Vielfalt und des Beitrags der Kultur zu nachhaltiger Entwicklung
Das SDG 4 spiegelt sich in der fachlichen Unterrichtung der Stichpunkte der anderen SDG wieder, mündet aber in den Positionen e und f der neuen Standardberufsbildposition (BMBF 2022):
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
10 “Goldene Handlungsregeln” für eine BBNE
Die Nachhaltigkeitsforschung und die Bildungswissenschaften haben inzwischen umfassende Erkenntnisse gesammelt, wie eine berufliche Bildung für Nachhaltigkeit gefördert werden kann (vgl. u. a. vgl. Schütt-Sayed u. a. 2021; Kastrup u. a. 2012; Melzig u. a. 2021). Das Ergebnis sind die folgenden 10 didaktischen Handlungsregeln, die das Berufsbildungspersonal dabei unterstützen, Lehr-/Lernprozesse zielgruppengerecht und angemessen zu gestalten. Diese insgesamt 10 Handlungsregeln lassen sich in vier Schritten zuordnen.
Schritt 1 - Richtig anfangen: Identifizierung von Anknüpfungspunkten für BBNE
1. Ansatzpunkte: Fordern Sie die Verantwortung im eigenen Wirkungsraum heraus, ohne die Berufsschüler und Berufsschülerinnen mit „Megaproblemen“ zu überfordern!
2. Anknüpfungspunkte: Die Curricula sind Grundlage der Lehr-/Lernprozesse – es kommt darauf an, sie im Sinne der Nachhaltigkeit neu zu interpretieren!
3. Operationalisierung: Nachhaltigkeit ist kein „Extra- Thema“, sondern ein integraler Bestandteil des beruflichen Handelns!
Um nachhaltigkeitsorientierte Lehr-/Lernarrangements zu entwickeln, sind zunächst Anknüpfungspunkte für Nachhaltigkeit in den betrieblichen Abläufen zu identifizieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Ausbildungsordnungen und Lehrpläne die rechtliche Grundlage der beruflichen Bildung sind. Es gilt diese im Sinne der Nachhaltigkeit zu interpretieren, sofern nicht bereits konkrete Nachhaltigkeitsbezüge enthalten sind.
Wichtig ist dabei, dass Auszubildende nicht mit den „Megaproblemen“ unserer Zeit überfordert werden, sondern zur Verantwortung im eigenen Wirkungsraum herausgefordert werden – sowohl im Betrieb als auch im Privaten. Denn Auszubildende sind selbst Konsument/-innen, die durch eine angeleitete Reflexion des eigenen Konsumverhaltens die Gelegenheit erhalten, ihre „Wirkungsmacht“ im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit in ihrer eigenen Branche zu verstehen.
Schritt 2 - Selbstwirksamkeit schaffen: Eröffnung von Nachhaltigkeitsorientierten Perspektiven
4. Handlungsfolgen: Berufliches Handeln ist nie folgenlos: Machen Sie weitreichende und langfristige Wirkungen erkennbar!
5. Selbstwirksamkeit: Bleiben Sie nicht beim „business as usual“, sondern unterstützen Sie Schüler*innen dabei, Alternativen und Innovationen zu entdecken!
6. Zielkonflikte: Verstecken Sie Widersprüche nicht hinter vermeintlich einfachen Lösungen, sondern nutzen Sie sie als Lern- und Entwicklungschancen!!
7. Kompetenzen: Bildung für nachhaltige Entwicklung verbindet Wahrnehmen, Wissen, Werten und Wirken!
Im nächsten Schritt sind nachhaltigkeitsorientierte berufliche Perspektiven für die Auszubildenden zu eröffnen. Diese sollten an einer positiven Zukunftsvision und an Lösungen orientiert sein. Auszubildenden sind dabei die weitreichenden Wirkungen ihres Handelns vor Augen zu führen. Sie sollen verstehen können, warum ihr Handeln nicht folgenlos ist. Das bedeutet gleichzeitig, Auszubildenden die positiven Folgen eines nachhaltigen Handelns vor Augen zu führen. In diesem Zusammenhang ist die Selbstwirksamkeitserfahrung von großer Bedeutung. Sie ist eine der Voraussetzungen, um motiviert zu handeln. Auszubildende dabei zu unterstützen, Alternativen zum nicht-nachhaltigen Handeln zu erkennen und Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung zu entdecken, sollte dabei für Lehrpersonen selbstverständlich sein. Dabei ist immer die individuelle Motivation der Auszubildenden entscheidend, denn zum nachhaltigen Handeln braucht es nicht nur Wissen (Kopf), sondern auch authentisches Wollen (Herz). Wesentlich ist hierbei die Gestaltung ganzheitlicher Lernprozesse, die sowohl den kognitiven als auch den affektiven und psychomotorischen Bereich einbeziehen (vgl. Költze, S.206).
Schritt 3 - Ganzheitlichkeit: Gestaltung transformativer Lernprozesse
8. Lebendigkeit: Ermöglichen Sie lebendiges Lernen mit kreativen und erfahrungsbasierten Methoden!
9. Beispiele: Nutzen Sie motivierende Beispiele: Sprechen Sie über Erfolgsgeschichten, positive Zukunftsvisionen und inspirierende Vorbilder!
Aber wie können Lernsituationen in der Praxis so gestaltet werden, dass sie ganzheitlich aktivierend für die Auszubildenden sind? Es sollte ein lebendiges Lernen mit Hilfe kreativer, erfahrungsbasierter Methoden ermöglicht werden. Dies ist ein grundlegender (kein neuer) didaktischer Ansatz für die Förderung einer nachhaltigkeitsorientierten Handlungskompetenz. Im Kern bedeutet dies: Lernen mit Lebensweltbezug, welches ausgerichtet ist auf individuelle Lebensentwürfe und das eigene (auch künftige) berufliche Handlungsfeld, z. B. indem Recherchen im eigenen Unternehmen zu Möglichkeiten der Energieeinsparung durchgeführt werden. Lernen soll vor diesem Hintergrund vor allem unter Berücksichtigung der Sinne stattfinden, d. h. mit Körper und Geist erfahrbar sowie sinnlich-stimulierend sein. Die Auszubildenden sollen sich dabei zudem als Teil einer gestalterischen Erfahrungsgemeinschaft erleben. Dies kann durch gemeinsame Reflexionen über das eigene Verhalten und persönliche Erfahrungen gefördert werden, beispielsweise durch die Entwicklung und Verkostung eigener Lebensmittelkreationen unter Nachhaltigkeitsaspekten. Hierfür muss unbestritten immer auch der „Raum“ zur Verfügung stehen (siehe z. B. Hantke 2018 „‘Resonanzräume des Subpolitischen‘ als wirtschaftsdidaktische Antwort auf ökonomisierte (wirtschafts-)betriebliche Lebenssituationen“). Ebenso können motivierende Beispiele helfen – wie z. B. Erfolgsgeschichten und inspirierende Vorbilder.
Schritt 4 - Lernort Betrieb: Entwicklung nachhaltiger Lernorte
10. Lernende Organisationen: Auch Organisationen können „Nachhaltigkeit lernen“: Entwickeln Sie Ihre Institution Schritt für Schritt zum nachhaltigen Lernort!
Schließlich geht es im vierten Schritt darum, den Lernort in den Blick zu nehmen und diesen als nachhaltigen Lernort zu gestalten. Den gesamten Betrieb nachhaltig auszurichten ist u. a. deshalb entscheidend, da andernfalls die an Nachhaltigkeit orientierten Inhalte der Ausbildung wenig glaubwürdig für Auszubildende sind. Der Betrieb als Institution sollte dafür an einem gemeinschaftlichen Leitbild ausgerichtet sein, welches neben den üblichen ökonomischen auch soziale und ökologische Ziele beinhaltet. So kann BBNE überzeugend in die Organisation integriert und vom betrieblichen Ausbildungspersonal umgesetzt werden.
BBNE für Gärtner und Gärtnerinnen
Bildung ist mehr als nur Wissen: Im Ausbildungskontext betrifft BNE vor allem die Kompetenz, dieses Wissen artikulieren zu können und in einen Dialog mit wechselseitiger Kommunikation zu gehen. Die adressatengerechte Kommunikation über Vorschläge für nachhaltiges Handeln stellt eine wichtige Qualifikation dar. Im erweiterten Kontext des Lebenslangen Lernens hat BNE die Aufgabe, Lernende mit Kompetenzen auszustatten, die es ihnen ermöglichen, auch jenseits der Ausbildung Entscheidungen für das eigene Handeln zu treffen und dafür Verantwortung zu tragen (Bundesregierung 2022). Daher hat die BNE in der Ausbildung auch die Chance, Inhalte an Auszubildende so zu vermitteln, dass sie sich auch zukünftig für Nachhaltigkeitsthemen engagieren und sich in gesellschaftliche Anliegen aktiv einbringen können. In der Ausbildung können Methoden wechselseitiger Kommunikation einen Beitrag leisten, die über reine Gespräche hinausgehen. Beispielsweise können Recherchen zu bestimmten Themen so aufbereitet werden, dass Kernbotschaften auch für Außenstehende zur Verfügung stehen (z B. in Form einer Ausstellung oder eines Standes auf einem Nachbarschaftsfest). Hier haben junge Erwachsene auch die wertvolle Aufgabe, rein praktisches Wissen zu verschiedenen Nachhaltigkeitsthemen aus ihrer Ausbildung einem größeren Kreis verfügbar zu machen und so den abstrakten Terminus Nachhaltigkeit mit Leben zu füllen. Sie werden gewissermaßen als Botschafter*innen der Nachhaltigkeit aktiv und als solche wahrgenommen. Konkrete Umfragen (auch untereinander) können helfen, mehr über das Interesse und Problembewusstsein junger Menschen zu erfahren und sie bei ihren Themen abzuholen. Beispielsweise wurden im Zuge der Erstellung des Pestizidatlasses (Boell Stiftung 2022: 40) über 1100 junge Erwachsene mit unterschiedlichen Bildungshintergründen und aus verschiedenen Regionen Deutschlands zum Themenkomplex “Pestizideinsatz und Auswirkungen auf den Umwelt- und Artenschutz” befragt. Im Ergebnis hat die Mehrheit der Befragten dafür gestimmt, auf chemisch-synthetischen Pflanzenschutz in der Landwirtschaft zu verzichten oder den Einsatz erheblich zu reduzieren. Auch Diskussionsfelder wie Glyphosat oder Insektensterben waren den Befragten durchaus bekannt. Insgesamt ergab die Umfrage keine signifikanten Unterschiede zwischen Stadt, Land und Bildungsabschlüssen (ebd.).
Folgende Aspekte wären im (Aus)Bildungskontext zu behandeln bzw. zu diskutieren, um mögliche Antworten zu suchen:
● Probleme und Lösungen im Themenfeld Pestizide, Gesundheit, Biodiversität und Umweltschutz. Welche Lösungen können im Ausbildungskontext (Integrierter Pflanzenschutz) gefunden werden, welche im privaten Kontext (z. B. über das Einkaufsverhalten)?
● Verbinden von fachlichen Kompetenzen mit globalem Lernen: Bumerang-Effekte bei Pestiziden durch deutsche Exporte von Pestiziden ohne EU-Zulassung und Import von Früchten, die mit diesen Pestiziden belastet sind.
● Warum bedeutet Moorschutz gleich Klimaschutz? Welche Lösungen können im Ausbildungskontext (Torfminderung, Torfersatzstoffe, geeignete Substratmischungen) gefunden werden, welche im Hobbygartenbereich (z. B. torffreie Erden)?
● Ursachen der Nitratbelastung des Grundwassers in Deutschland, praktische, politische und wirtschaftliche Lösungsansätze
● Potenziale und Risiken unterschiedlicher Züchtungsmethoden (z. B. sind marktfähige trockenresistente Sorten oft gentechnisch verändert und in Deutschland nicht zugelassen; neue Verfahren wie markergestützte Selektion befinden sich noch in der Versuchsphase; klassische Züchtung trocken und krankheitstoleranter Sorten steckt noch in den Kinderschuhen)
● Für die Bewusstseinsbildung und um verschiedene Aspekte der Ernährungssicherheit in Beziehung zu Nachhaltigkeit im Unterricht aufzugreifen, eignen sich die Materialien des Projektes 2000m² gut. Sie sind anschaulich und die Fakten beruhen auf gut recherchierten wissenschaftlichen Fakten (2000m2.eu)
Quellenverzeichnis
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
Bundesregierung (2022): Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie. Online: www.deutsche-nachhaltigkeitsstrategie.de
Boell Stiftung (2022:40): Pestizidatlas. Daten und Fakten zu Giften in der Landwirtschaft. Online: www.boell.de/sites/default/files/2022-01/Boell-Pestizidatlas-2022.pdf
Zukunftsstiftung Landwirtschaft (2020): Projekt: 2000m2. Online: www.2000m2.eu/de
Kastrup, Julia; Kuhlmeyer, Werner; Nölle-Krug, Marie (2022): Aus- und Weiterbildung des betrieblichen Bildungspersonals zur Verankerung einer Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. In: MICHAELIS, Christian; BERDING, Florian (Hrsg.): Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Umsetzungsbarrieren und interdisziplinäre Forschungsfragen. Bielefeld 2022, S. 173-189
Költze, Horst (1993): Lehrerbildung im Wandel. Vom technokratischen zum humanen Ausbildungskonzept. In Cohn, Ruth C.; Terfurth, Christina (Hrsg.): Lebendiges Lehren und Lernen. TZI macht Schule. Klett-Cotta. S. 192 – 212
Handke, Harald (2018): „Resonanzräume des Subpolitischen“ als wirtschaftsdidaktische Antwort auf ökonomisierte (wirtschafts-)betriebliche Lebenssituationen – eine Forschungsheuristik vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeitsidee. In bwp@Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online (Nr. 35), 2018, S. 1-23.
Melzig, Christian; Kuhlmeyer, Werner; Kretschmer, Susanne (Hrsg. 2021): Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Die Modellversuche 2015–2019 auf dem Weg vom Projekt zur Struktur. Bonn 2021. Online: https://www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/show/16974
Schütt-Sayed, Sören; Casper, Marc; Vollmer, Thomas (2021): Mitgestaltung lernbar machen – Didaktik der Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. In: Melzig, Christian; Kuhlmeier, Werner; Kretschmer, Susanne (Hrsg.): Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Die Modellversuche 2015–2019 auf dem Weg vom Projekt zur Struktur. S. 200-227. Online: https://www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/show/16974
SDG 6 Sauberes Wasser
“Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärversorgung für alle gewährleisten”
Das SDG 6 “Sauberes Wasser und sanitäre Einrichtungen für alle“ strebt an, die Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärversorgung für alle zu gewährleisten. Mit diesem SDG wurde auf globaler Ebene ein umfassendes und ganzheitliches Wasserziel formuliert. Im Kontext des Gärtners und der Gärtnerin sind folgende Unterziele relevant:
SDG 6.3 Bis 2030 die Wasserqualität durch Verringerung der Verschmutzung, Beendigung des Einbringens und Minimierung der Freisetzung gefährlicher Chemikalien und Stoffe, … weltweit verbessern
SDG 6.4 Bis 2030 die Effizienz der Wassernutzung in allen Sektoren wesentlich steigern und eine nachhaltige Entnahme … von Süßwasser gewährleisten, um der Wasserknappheit zu begegnen …
SDG 6.6. Bis 2020 wasserverbundene Ökosysteme schützen und wiederherstellen …
Die Schnittmenge für das SDG 6 ergibt sich aus den Berufsprofil gebenden Berufsbildposition a und b der Standardberufsbildposition (BIBB 2020):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
In Deutschland sind der Zugang zu sicherem Trinkwasser und eine Grundsanitärversorgung für alle sichergestellt. Im Hinblick auf die Verbesserung der Gewässerqualität fällt Deutschland jedoch hinter den Zielvorgaben der Europäischen Union deutlich zurück. Die Probleme der Belastung von Gewässern stehen auch mit dem Beruf Gärtner und Gärtnerin in engem Zusammenhang. Das betrifft insbesondere die Anwendung von Phosphat- und Stickstoffdüngern sowie Pflanzenschutzmitteln sowohl im Freiland als auch im Gewächshaus.
Europäischer Rahmen für den Gewässerschutz
Die deutschen Bemühungen im Gewässerschutz und Wassermanagement sind mit dem Regelwerk der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL – 2000/60/EG) in Einklang zu bringen. Die WRRL legt die Ziele für den guten chemischen und ökologischen Gewässerzustand für Oberflächengewässer und den guten chemischen und mengenmäßigen Grundwasserzustand fest. Diese Ziele, alle Flüsse, Seen, Küstengewässer und Grundwasser in einen „guten Zustand“ zu bringen, müssen die EU Mitgliedsstaaten, so auch Deutschland, bis spätestens 2027 umsetzen (Bundesregierung 2016: 105).
Die Neubildung von Grundwasser findet im Wesentlichen während der vegetarionsfreien und verdunstungsarmen Wintermonate statt. Neubildung und Entnahme von Grundwasser sollen sich im Gleichgewicht befinden. Die 2010 ins Leben gerufene Grundwasserverordnung (GrwV) stellt Kriterien für die Beschreibung, Beurteilung, Einstufung und Überwachung des Grundwasserzustands auf und setzt die Trendumkehr in deutsches Recht um.
Zustand der Oberflächengewässer inkl. Fließgewässer in Deutschland
Nach Angaben des UBA (2022a) erreichen aktuell nur 9 Prozent aller Oberflächengewässer einen sehr guten oder guten ökologischen Zustand. Der Grad des ökologischen Gewässerzustands wird anhand der im Wasser lebenden Organismen einer Lebensgemeinschaft bestimmt. Je größer die Abweichung der Zusammensetzung einer Lebensgemeinschaft vom natürlichen Zustand ist, desto schlechter ist der Zustand eines Gewässers. Grund sind die hohen Nährstoffeinträge aus der Landwirtschaft und die Strukturveränderungen der Flüsse durch Schifffahrt und Wasserkrafterzeugung (BfN, o. J.)
Einen guten chemischen Zustand erreicht hingegen keines der Oberflächengewässer in Deutschland. Die Gründe dafür, dass die Oberflächengewässer den guten chemischen Zustand nicht erreichen, sind hohe Nährstoffbelastungen, vor allem durch Phosphat und Stickstoff, beides Stoffe, die durch die Landwirtschaft eingetragen werden. Ein weiterer Faktor ist die Belastung mit Quecksilber, das durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe entsteht und über die Luft und Niederschläge in Böden und Gewässer eingetragen wird (ebd.).
Zustand der Grundwasserkörper in Deutschland
Aktuell erreichen 67 Prozent der Grundwasserkörper einen guten chemischen Zustand (ebd.). Verschiedene Ursachen führen dazu, dass 33 Prozent diesen Zustand nicht erreichen. Auf die Problematik des Stickstoffeintrags in Grundwasserkörpern und die gesundheitlichen Auswirkungen wurde bereits unter SDG 3 eingegangen. Weitere Belastungen des Grundwassers entstehen durch Pestizide, insbesondere durch sechs Unkrautvernichtungsmittel, die in der Landwirtschaft und im Gemüsebau eingesetzt werden, und die z. T. in Deutschland nicht mehr zugelassen sind (Atrazin, Bentazon und Chloridazon) (ebd.). Bei 77 Prozent (ebd.) der Oberflächengewässer und 29 Prozent (ebd.) des Grundwassers ist die Landwirtschaft verantwortlich für die Auswirkungen auf den Gewässerzustand . Unter dem Dach der WRRL werden an die Landwirtschaft zukünftig hohe Anforderungen gestellt, um den Eintrag von Nähr- und Schadstoffen aus der Landwirtschaft in Gewässer zu verringern.
Maßnahmen zum Gewässerschutz
Oberflächengewässer zukünftig besser schützen
Folgende Maßnahmen sollen zukünftig dazu beitragen, Belastungen der Oberflächengewässer durch die Landwirtschaft zu verringern (ebd.):
● Reduzierung der Nährstoffeinträge durch Auswaschung durch optimierten Düngeeinsatz oder die Umstellung von konventionellem auf ökologischen Landbau
● Reduzierung der Nährstoff- und Feinmaterialeinträge durch Erosion, z. B. durch Hangbegrünung oder Zwischenfruchtanbau
● Anlage von Gewässerrandstreifen mit naturnahen Gehölzen als Puffer gegen Nährstoff- und Feinmaterialeinträge
● Reduzierung diffuser Nährstoffeinträge durch Drainagen
● Reduzierung der Einträge von Pflanzenschutzmitteln (schonende Ausbringungsverfahren oder Ausbringungsverbote)
Pflanzenbauliche Maßnahmen zur Verringerung des Stickstoffeintrags können gleichzeitig zum Schutz von Insekten beitragen und ihren stark reduzierten Bestand erhöhen. Damit gehört das (indirekte) “Bienen füttern” durch eine vielfältige Fruchtfolge oder ökologische Landbaupraktiken zu den Aufgaben der Landwirtschaft. Die Initiative “Bienen füttern” setzt hier an und wurde 2014 vom BMEL ins Leben gerufen. Sie richtet sich zuerst an die Landwirtschaft und Politik, aber auch an andere Einrichtungen wie Unternehmen und Schulen (BMEL, 2022 b). Gerade Ausbildungsbetriebe für “Grüne Berufe” können sich an der Initiative beteiligen, um ihre nachhaltige Ausrichtung zu vertiefen und zu dokumentieren.
Maßnahmen zum Grundwasserschutz
Um Belastungen des Grundwassers durch die Landwirtschaft zu verringern, sollen folgende Maßnahmen verstärkt zum Einsatz kommen (UBA 2022):
● Reduzierung der Nährstoffeinträge durch Auswaschung durch optimierten Düngeeinsatz, Zwischenfruchtanbau
● Reduzierung der Nährstoffeinträge in Wasserschutzgebieten (Vertragliche Vereinbarungen zwischen Landwirten und Kommunen)
● Reduzierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln (Maßnahmen des Integrierten Pflanzenschutzes)
Wasserbelastungen
Wasserbelastungen entstehen sowohl durch Stickstoff, Nitrat und Phosphor als auch durch Rückstände von Pflanzenschutzmittel und Chemikalien.
Nitrat
Eines der größten Umweltprobleme stellt die Gefährdung des Grundwassers durch Stickstoffverbindungen dar. Stickstoffverbindungen belasten auch die menschliche Gesundheit und die Umwelt. … Für die Stickstoffeinträge in den Meeren, Binnengewässern und im Grundwasser ist insbesondere die Landwirtschaft verantwortlich. So stammen etwa 80 Prozent der Nitrateinträge in die deutschen Oberflächengewässer aus landwirtschaftlichen Prozessen. … Reaktive Stickstoffverbindungen, wie beispielsweise Stickstoffoxide, Ammoniak und Nitrat, belasten die menschliche Gesundheit und die Umwelt auf vielfältige und komplexe Weise. Reaktiver Stickstoff trägt durch Eutrophierung und Versauerung in erheblichem Maße zum Verlust von Biodiversität bei und beeinflusst die Nutzung und Qualität von Grundwasser als Trinkwasserreserve. (Foth, Salomon, Wiese, 2015).
Nach der Trinkwasserverordnung ist eine Nitratkonzentration von bis zu 50 mg/l zulässig und als gesundheitlich unbedenklich eingestuft. Wird dieser Wert überschritten, ist das Nitrat aus dem Trinkwasser zu entfernen oder unbelastetes Wasser beizumischen, bis der Wert auf ein unbedenkliches Maß gesunken ist.
Durch Massentierhaltung fällt mehr Gülle an, als auf die Äcker aufgebracht werden kann. Untersuchungen von 2012 bis 2014 zum Nitratgehalt im Grundwasser wiesen eine erhöhte Nitratkonzentration auf, bei 28 Prozent lag sie sogar über dem zulässigen Grenzwert für Trinkwasser.
Technische Neuerungen im Bereich der teilflächenspezifischen Düngung ermöglichen eine zielgenaue und bedarfsgerechte Ausbringung von Düngemitteln, die nicht nur übermäßige Nitratbelastungen vermeiden, sondern auch den Ernteertrag erhöhen können. In diesem Kontext werden große Hoffnungen in die Nahinfrarotspektroskopie (NIR) und in Nahinfrarotspektroskopie-Sensoren (NIRS) gesetzt. Die Verwendung eines solchen Sensors ermöglicht es dem Nutzer, Gülleinhaltsstoffe exakt zu bestimmen – sowohl bei der Entnahme von Gülle aus Silos als auch bei der Ausbringung der Gülle auf Feldflächen. Die Verwendung der Sensoren gepaart mit Applikationskarten, welche die unterschiedlichen Bedarfe der Kulturpflanzen auf verschiedenen Bereichen der Fläche darstellen, ermöglicht eine zielgenaue statt großflächige Ausbringung von Gülle und Nährstoffen (Bökle et al. 2020). Vorteilhaft ist hierbei nicht nur, dass die Nitratbelastung im Grundwasser gesenkt werden kann, sondern auch, dass Ressourcen und Mittel auf effizientere Weise genutzt werden und die Pflanzen ideal mit Nährstoffen versorgt werden (Henseling et al. 2022).
Phosphor
Phosphoreinträge haben sich durch die Einführung phosphatfreier Waschmittel, den Bau industrieller Kläranlagen (Phosphatfällungsanlagen) sowie den Anschluss der Bevölkerung an die Abwasserreinigung deutlich verringert. Trotz allem machen die Phosphoreinträge in Oberflächengewässern noch immer einen Anteil von 34 Prozent (UBA, 2017:54) aus. Den größten Anteil an Phosphoreinträgen hat die Landwirtschaft mit 50 Prozent (ebd.).
Pflanzenschutzmittel
Pflanzenschutzmittel reichern sich überall an und sind schwer abbaubar. Das vor 30 Jahren verbotene Herbizid Atrazin ist noch immer das dritt häufigste im Grundwasser nachgewiesene Herbizid (podcast pestizidatlas 2022). Hexachlorbenzol reichert sich in Wassertieren an. Laut Johanna Bär ergab die Studie Urinale von 2015, dass 99,6 Prozent aller Bürger Pestizide im Urin haben, egal wie sie sich ernährt haben (ebd.). Pestizide verteilen sich durch physikalische Vorgänge auch über die Luft.
Seit 2018 sind in Deutschland sind 41 Pestizide (ebd.) verboten, deren gesundheitliche Auswirkungen für eine akute Lebensgefahr beim Einatmen sorgen, zur Entstehung von Krebserkrankungen, zu drohenden Fortpflanzungs- und Hormonstörungen, zu Fehlbildungen bei Neugeborenen führen können und allgemein als Gefahren für das Trinkwasser dienen sowie Ökosysteme nachhaltig schädigen können. Diese Mittel werden jedoch nach Übersee exportiert, dort unsachgemäß angewendet und die Ernte wieder nach Deutschland importiert. Das importierte Gemüse und Obst, welches mit den verbotenen Pflanzenschutzmitteln behandelt wurde, wird in Deutschland verzehrt und kann auf diese Weise im menschlichen Organismus zu gesundheitlichen Schädigungen führen. Im SDG 15 wird noch einmal zentral auf die Thematik Pflanzenschutzmittel eingegangen.
Mikroplastik durch Folienanbau
Mikroplastik ist überall zu finden, im Meer, an Land und auf dem Acker. Untergepflügte Plastikfolie sowie achtlos weggeworfener Müll zerfallen im Erdboden zu Mikroplastik. Mikroplastik besteht hauptsächlich aus Fragmenten von Makroplastikteilchen. Die Belastung der Böden durch Mikroplastik ist wahrscheinlich noch viel größer als die Ansammlungen von Mikroplastik in den Meeren. Kulturpflanzen wachsen anders, wenn Mikroplastik im Boden steckt, fand ein Berliner Forscherteam des µPlastik heraus. „Das Mikroplastik im Boden müssen wir heute als einen Faktor des globalen Wandels begreifen“ (Rilling, 2020). Es ist ein internationales Problem. Plastik in Reinform ist nicht giftig, aber Zusatzstoffe, z. B. Weichmacher, können negative Auswirkungen auf den Boden haben. Mikroplastik verändert über physikalische Parameter die Böden, insbesondere die Größe und Form der Erdkrümel. Es gibt ebenfalls Hinweise, dass Bodenbewohner, z. B. Regenwürmer oder Bodenprozesse durch das Vorhandensein von Mikroplastik verändert werden. Änderungen des Bodengefüges tragen dazu bei, dass manche Pflanzen und Pilze besser wachsen können. Dadurch können sich Pflanzengesellschaften im Ökosystem verändern, z. B. durch vermehrtes Auftreten von Schädlingen bei gleichzeitiger Reduzierung von Bodenlebewesen. Kleinste Plastikteilchen können den Boden instabiler werden lassen. Sauerstoff und dadurch ebenfalls Stickoxide, welche ebenfalls verantwortlich für den Klimawandel sind, können vermehrt in den Boden gelangen. Maßnahmen zur Reduzierung des Mikroplastiks für Umwelt und Menschen werden noch erforscht (Roll 2020).
Mit Hilfe der Fourier-Transformations-Infrarotspektrometrie (FTIR) wurde in der Studie zum Aufspüren von Makro- und Mikroplastikpartikeln im und auf dem 10.000 qm großen Ackerboden zufolge insgesamt 81 Makroplastikteilchen (ebd.) mit einer Größe von mehr als fünf Millimetern identifiziert allein auf der Oberfläche des Bodens werden. E Bezogen auf die Gesamtfläche ergibt sich somit eine Makroplastikbelastung von 206 Teilen (ebd.) pro Hektar. Insgesamt spürten die Forscher sechs verschiedene Kunststoffarten auf. In 68 Prozent (ebd.) der Fälle handelte es sich um Makroplastikteile aus Polyethylen – ein Kunststoff, der besonders oft für Einwegverpackungen verwendet wird. 14 Prozent (ebd.) der Plastikpartikel waren aus Polystyrol. Der Anteil von Polypropylen lag wiederum bei 8 Prozent und der von PVC bei 5 Prozent (ebd.).
Darüber hinaus wurde der Boden auch stichprobenartig auf Mikroplastikteilchen untersucht. Diese weniger als fünf Millimeter kleinen Partikel sind in der Regel für das bloße Auge kaum sichtbar. Hier zeigte sich, dass der Ackerboden pro Kilogramm Trockengewicht im Durchschnitt 0,34 Mikroplastikteilchen enthielt. Hochgerechnet auf eine Fläche von einem Hektar bedeutet das eine Kontamination von mindestens 150.000 Mikroplastikteilchen. Auch hier war der Anteil von Polyethylen mit 62,5 Prozent am größten. „Unsere Berechnungen zeigen, dass die Anzahl der Mikroplastikpartikel pro Hektar punktuell noch viel höher liegen kann“, (Löder, 2019).
Maßnahmen zur Reduzierung von Wasserbelastungen
Die Folgen des Einsatzes von Pestiziden für das Ökosystem sind noch gar nicht absehbar, sagt Dr. Christine Chemnitz (Boell-Podcast 1/3). Maßnahmen zur Reduzierung von Wasserbelastungen sind für den Erhalt der Ressource Wasser dringend notwendig. Durch Folgende Möglichkeiten stellen im Berufsfeld Gärtner*in stellen eine Auswahl an Maßnahmen zur Reduzierung an Wasserbelastungen dar:
○ Einsparung der Pflanzenschutzmittel um 50 Prozent einsparen ist schon jetzt möglich sagt Dr. Brühl von der Universität Landau
○ kein prophylaktischer Einsatz von Pflanzenschutzmitteln
○ Pflanzen weiter auseinander setzen, um Pilzbildung zu reduzieren
○ Trend zu immer giftigeren Chemikalien durchbrechen
○ Internationale Doppelstandards verbieten
○ Zulassungsverfahren von Pestiziden ändern (Dr. Brühl / Uni Landau)
○ Verbot von Neonicotinoiden, da sie Bienen orientierungslos machen und zum Bienensterben führen
○ Verbot von Totalherbiziden, z. B. Glyphosat
○ Einsatz von Nahinfrarotspektroskopie-Sensoren (NIRS), um die Nitratbelastungen zu reduzieren
○ Vermeidung von Einmalartikeln aus Kunststoff, Einweg-Obst- und Gemüsebeutel aus Plastik, To-Go-Kaffeebecher oder Take-Away-Essensboxen.
Biozide - Fungizide und Algizide
Der Einsatzzweck von Bioziden und Insektiziden ist in vielen Baubereichen, u. a. auch bei der Anlage von Hochbeeten und Beeteinfassungen aus Holz und Mauerwerk durch Garten- und Landschaftsgärtner:innen, gegeben. In Fassadenputzen und -farben werden Biozide eingesetzt. Damit diese wirken, ist eine Abschwemmung funktionell unumgänglich, deshalb müssen sie oberflächlich präsent sein, um gegen Bewuchs wirken zu können. Bei Holzbauteilen werden diese als Bläueschutz eingesetzt. (vgl. UBA 2022)
Da Schädlings-, Desinfektions-, Konservierungs-, Holz- und Mauerschutzmittel zum Teil dieselben Wirkstoffe enthalten bzw. ähnliche Umweltprobleme verursachen können, wird an dieser Stelle nicht auf die weiteren Anwendungsbereiche eingegangen, sondern auf die Auswaschung der Biozide etc., denn darin begründet sich der Zielkonflikt zum SDG 6.6 – Schutz der Ökosysteme.
Denn Biozide, Insektizide, Herbizide etc. sind immer umwelttechnisch fraglich. Sie werden mit der Berührung von Feuchtigkeit, Regenwasser ausgewaschen und in die Umwelt eingebracht. So ist es ein wichtiges Ziel, die zu beachtenden Auflagen, Verordnungen u. a. bei der Werkzeug-, Fassadenreinigung und Materialeinsatz in der (Aus-) Weiterbildung zu verdeutlichen und im Kontext auf den Schutz der Umwelt diskutieren.
Pflanzenkläranlagen und Wasseraufbereitung
Pflanzenkläranlagen, sogenannte bepflanzte Bodenfilter, optimieren die Selbstreinigungskräfte eines Gewässers und bereiten das Abwasser biologisch wieder auf. Betreiber einer Pflanzenkläranlage bezahlen keine Anschlussgebühren oder Abwasserbeiträge. Sie sind jedoch verpflichtet, die Funktion der Anlage regelmäßig den Wasserbehörden nachzuweisen. Dafür müssen sie einen Wartungsvertrag mit einem geeigneten Unternehmen vorlegen. Eine horizontal durchströmte Anlage funktioniert stromlos. (Janisch & Schulz, o. J.). Der Bau von Kläranlagen wird in der DWA-A 262 geregelt. Sie haben eine hohe Lebensdauer und zeichnen sich durch Prozessstabilität aus (aqua nostra).
Wasser ist eine wertvolle Ressource. Leicht verschmutztes Grauwasser aus Küche und Bad, ohne das Wasser aus Toiletten, fällt in großen Mengen an. Es kann durch ein Klärsystem aufbereitet und als Brauchwasser, Toilettenspülwasser oder zur Gartenbewässerung genutzt werden (pipifax, o. J.). Pflanzenkläranlagen können sowohl im privaten Garten als auch in Kommunen oder im Erwerbsgartenbau eingesetzt werden.
Bewässerung von Grünanlagen
Die Idee der Bewässerung von Feldern reicht historisch bis in die Jungsteinzeit zurück. (Spektrum 2017). Anlagen, die Flusswasser durch Gräben und Dämme umleiten, um die Zeiträume der Hochwasser längerfristig für den Anbau von Lebensmitteln zu nutzen, sind bekannt aus China, Jordanien, Ägypten und Mesopotamien. In Europa gelten solch traditionelle Bewässerungsanlagen und -techniken heute weithin als Kulturerbe (Leibundgut 2012) und sind modernen, technisch-mechanisch gesteuerten Systemen gewichen. Oft waren diese Systeme mit Wasserkraftanlagen – Mühlrädern – verbunden und stellten zusammen eine Basis von Produktion und Handwerk dar.
Die Fähigkeit der intelligenten Wassernutzung scheint in Zusammenhang mit dem Aufbau und Erhalt von Wohlstand zu stehen.
Während die handwerklich-technische Produktion seit der Marktfähigkeit der Dampfmaschine andere Wege der Antriebe beschritt, ist Wasser in der Landwirtschaft und Gärtnerei nach wie vor von zentraler Wichtigkeit.
Die Versorgung mit Trinkwasser in Deutschland gilt als sicher, denn es gibt ausreichend Wasservorkommen (UBA 2018). Nur aus 4 Prozent der 1000 Grundwasserkörper in Deutschland wird mehr entnommen als sich bilden kann, was vor allem durch den Bergbau und dessen Abpump Aktivitäten bedingt ist (ebd.).
Trinkwasser ist ein Naturprodukt und wird zu 70 Prozent aus Grund- und Quellwasser gewonnen. Zu 13 Prozent wird See-, Talsperren- oder Flusswasser direkt genutzt. Die übrigen 17 Prozent sind ein Mittelding: ursprünglich Oberflächenwasser, aber durch eine Bodenpassage oder Uferfiltration fast wie Grundwasser (UBA 2019).
Aufgrund der unterirdischen Wassernetze aus Rohrleitungen, die manchmal über weite Strecken über 100 km das Wasser zum heimischen Wasserhahn durchleiten, scheint die Verfügbarkeit selbstverständlich und regelbar, obgleich dahinter sehr viel technische Koordination und als Ursprung die natürlichen Wasservorkommen stehen.
In den vergangenen Jahren wird die Sorge laut, dass durch die Veränderungen des Klimas – geringere Regenmengen bei gleichzeitig längeren Hitzeperioden (ARD 2022) – ein Mangel an Wasser in der Zukunft zu erwarten ist. Da für den menschlichen Konsum nur das begrenzt vorhandene Süßwasser – dessen Anteil an den weltweiten Wasserreserven beträgt ca. 2,5 Prozent (Quarks 2019/2022) – in Frage kommt, sollte diese Ressource nicht für die Produktion von Dingen und andere Nutzungen verschwendet oder verunreinigt werden.
In den unterschiedlichen Fachrichtungen des / der Gärtner*in werden für verschiedene Bewirtschaftungssysteme unterschiedliche Bewässerungssysteme eingesetzt, die in den folgenden Abschnitten erläutert werden:
Bewässerung und Pflanzenwachstum
Wassermangel trifft besonders in der Wachstumsphase des Frühsommers die Stickstoffversorgung, denn die Stickstofffixierleistung zentraler Kulturen wird durch Trockenheit gemindert. (Ökolandbau.de 2022)
Außerdem ist Wasser ein wichtiger Baustein für die Photosynthese. Bei Wassermangel ist die Fähigkeit der Bäume, Sauerstoff zu produzieren, also eingeschränkt (Schurr et al. 2010). Besonders bei der Pflege von innerstädtischen Grünanlagen und Bäumen ist dieser Faktor von Bedeutung.
Pflanzen leben nicht von Wasser und Kohlendioxid allein. Wie effizient sie diese Nährstoffe für ihr Wachstum umsetzen, hängt wesentlich davon ab, wie viel und in welchem Verhältnis Stickstoff und Phosphor in ihrem Ökosystem verfügbar sind. ..Dabei beobachteten sie, dass der alleinige Eintrag von Stickstoff die Pflanzen zwar besser wachsen lässt, aber auch zu einem stärkeren Wasserverbrauch führt. Werden hingegen gleichzeitig Stickstoff und Phosphor zugeführt, wächst die Vegetation stärker und nimmt mehr Kohlenstoff auf, benötigt aber nicht mehr Wasser (MPG 2021).
Der Ökolandbau wirkt der drohenden Austrocknung durch Maßnahmen zur Stärkung der Bodenfruchtbarkeit (Ökolandbau.de 2022) entgegen. Dies geschieht zum Teil durch breitere Fruchtfolgen, durch Zwischenfruchtanbau und Kompostwirtschaft, wodurch ein höherer Humusgehalt erwirtschaftet wird.
Bewässerungssysteme im Gemüseanbau (Produktionsgartenbau)
Eine ausgewogene Wasserversorgung ist für das Wachstum und für vermarktungssichere Erträge von Frucht und Korn notwendig; diese wird zum Teil durch natürlichen Niederschlag, Grundwasser und Speicherfähigkeit des Boden geleistet, aber zusätzlich bei Trockenheit im Freiland und bei Anbau unter Glas durch künstliche, technisch gesteuerte Systeme. Bei der nachhaltigen Bewässerung von Pflanzen geht es wirtschaftlich betrachtet um die Ertragssicherung bzw. -steigerung. Zudem wirkt sich die Steigerung heimischer Produktion und Befriedigung inländischer Nachfrage positiv auf das BIP aus (UBA 2020). Dieses Anliegen beinhaltet auch den sozialen Aspekt der Ernährungssicherheit, ausreichend Grundnahrungsmittel für die Bevölkerung des Landes zur Verfügung stellen zu können. Aus der Perspektive der Umwelt erweitert sich das Blickfeld um den Erhalt der Bodennährstoffe und die Vermeidung von Einträgen schädlicher Stoffe in Gewässer, sowie das Anliegen, Süßwasservorräte möglichst im Kreislauf zu halten und diese nicht zu verschwenden. Last but not least hat die Politik die Rolle, Vorschriften und Gesetze im Einklang mit den Zielen nachhaltiger Entwicklung zu beschließen und mit anderen Staaten, für Deutschland vorwiegend der Europäischen Union, abzustimmen.
Freiland-Bewässerung
Die Wasserentnahme für die Beregnung erfolgt meist aus Grundwasser oder aus Oberflächenwasser. Durch den Einsatz von Pumpen und Rohrleitungssytemen wird das Wasser zum Bedarfsort befördert. Ein Modellprojekt der BLE – Effiziente Bewässerung im Gemüsebau – erbrachte u.a die Erkenntnis, dass in der technischen Konzeption und Einstellung der Anlage viel Energieeinsparungspotential liegt. Die Wahl der Pumpengröße und die Vermeidung von Druckverlusten sind dabei wesentliche Faktoren (BLE 2017). Ein Beispiel: eine Beregnungspumpe, die für den Einsatz mit einer Trommelberegnungsmaschine mit einem Bedarf von 70 m³/h bei 7 bar konzipiert ist, an einer Tropfbewässerungsanlage mit einem Bedarf von 20 m³/h bei 2 bar betrieben, dann wird ca. 14 kW Energie unnötig verbraucht, da der Druck am Druckminderer reduziert werden muss. In diesem Fall bietet es sich an, einen Frequenzumformer für die Pumpe einzusetzen, der die Drehzahl der Pumpe auf ca. 50 Prozent drosselt und somit die Energieaufnahme der Pumpe von 16,5 kW auf 2,5 kW reduziert. (BLE 2017:10)
Tropfbewässerung (Micro-Dripping) funktioniert mit niedrigerem Druck und ist daher energieeffizienter. Das Wasser wird durch Schlauchleitungen tröpfchenweise direkt an die Pflanze abgegeben und erreicht somit mittels hoher Verteilgenauigkeit fast unmittelbar deren Wurzel. Die Verwehung durch Wind wird vermieden und die Verluste durch Verdunstung minimiert, sodass diese Methode mit geringeren Wassermengen auskommt.
Die Automatisierung, das heißt die computergestützte Steuerung von Bewässerung, scheint sinnvoll. In Kombination mit Sensoren, die Boden- bzw. Substratfeuchte aufzeichnen, kann die Wassermenge bedarfsgerecht zugeleitet werden. (vgl. z. B. Reber o. J.)
Unter-Glas-Bewässerungssysteme
In Gewächshauskulturen scheint heute die Tropfbewässerung aufgrund vieler Vorteile die bevorzugte Methode. Im Vergleich zu konventionellen Systemen (Sprühbewässerung, Regner) kann eine Tröpfchenbewässerung zu signifikanten Ertragserhöhungen führen. Es wurden Ertragssteigerungen von 34 Prozent bei Erdbeerkulturen nachgewiesen (Exarchou 2006).
Die Pflanzen können in Erde, Substrat oder Nährlösung wurzeln. Je nachdem ist der Umgang und ggf. die Wiederaufbereitung von Abwasser unterschiedlich. Beim Einsatz von Erden und Substraten muss das Drainagewasser desinfiziert werden, bevor es wieder für Pflanzen eingesetzt werden kann, um die Übertragung von Bakterien, Viren und Pilzen zu verhindern. Ozon-, Wärme- und UV-Behandlung stehen hier, neben der Langzeit-Sandfiltration, zur Auswahl.
Gewächshäuser können als ganzheitliches System konstruiert werden, in dem unter kontrollierbaren/steuerbaren Bedingungen Gemüse von der Aussaat bis zur Ernte produziert wird. Es erfordert das Management von Licht, Energie, Nährstoffen und Wasser. Im Sinne der nachhaltigen, verantwortungsvollen Ressourcennutzung ermöglicht der Unterglasanbau ein zirkuläres Wassersystem. Überschüssige Bewässerung kann nahezu vermieden werden, und Verdunstung kann aufgefangen werden. Da innerhalb des Systems alle Stoffe aus Nährstoffzufuhr und Schädlingsbekämpfung bekannt sind, ist die Klärung und Rückführung problemlos möglich. Traditionell wurde das Restwasser direkt in die Gräben oder eine Kläranlage geleitet, heutzutage können wir jedoch sehen, dass Gärtner das Wasser standardmäßig auffangen, um es wiederzuverwenden. Mehr als 95 Prozent des Wassers in einem Gewächshaus wird wiederverwendet. Man kann also schon beinahe von einem geschlossenen System sprechen, zumindest was das Wasser betrifft (Bade 2017). Diese Bau- und Betriebsart ist bisher in Pilotprojekten im Erprobungsstadium bzgl. der Nachhaltigkeit; es besteht Bedarf an der Erforschung und der Entwicklung zur Marktreife.
Vom Gewächshaus zum vertikalen Anbau
Unter der Bezeichnung “Vertical farming” werden Großprojekte erprobt und diskutiert, um vor allem in Trockengebieten Gemüseanbau zu realisieren. Darin wird Gemüse auf mehreren Etagen ohne Erde auf geringer Fläche angebaut. Das System kommt nach Aussage der Firma Aerofarms mit 95 Prozent weniger Wasser aus. Das geschlossene System der Wassernutzung wird als Hydroponik bezeichnet. Ernteerträge lassen sich in wesentlich kürzeren Zyklen im Vergleich zum Feldanbau, z. B. bei Blattgemüse und Salat in einem Drittel der Zeit, erzielen (DW 2020). Diese Anbautechnologie setzt vielfältig digitale Sensorik und Datenverarbeitung zur Steuerung der Nährstoff-, Wasser-, Licht-, und Klimatechnik ein.
Regenwassernutzung
Regenwasser zu nutzen, kann den Verbrauch an Trinkwasser, Grund- und Oberflächenwasser entlasten. Dazu bedarf es Auffang- und Speicherkapazitäten. Bei Regenwasser, welches über Dachflächen abläuft, kann die Verwertbarkeit eingeschränkt sein. Aus Kupfer- und Zinkeindeckungen können unlösliche Metallverbindungen abschwemmen. Bitumenabdeckungen mit Teerpappe können Biozide freisetzen (UBA 2022). Zudem Möglichkeiten zur Versickerung des Niederschlags vor Ort, z. B. Rückhalteteiche, zu schaffen, wirkt sich positiv auf den Grundwasserspiegel aus. Indirekt wird dadurch die Wasserqualität verbessert, da Überläufe aus Mischwasserkanälen verringert werden (ebd.). Regenwasserbewirtschaftung funktioniert optimal, wenn in Trockenperioden die Speicher voll, in Regenzeiten aber möglichst leer sind, damit ein Starkregen so gepuffert werden kann, dass die Versickerung hydraulisch nicht überlastet wird (haustec 2022).
Bewässerung öffentlicher Plätze und Sportstätten
In Deutschland gibt es etwa 80.000 unbedeckte Sportstätten, darunter etwa 13.000 Tennisplätze (Statista 2022). Sportstätten sind gesellschaftlich von Bedeutung, weil sie zur Gesundheitsförderung und für den sozialen Zusammenhalt förderlich sind.
Aus Sicht des nachhaltigen Wassermanagements stellen Sportplätze eine besondere Herausforderung für Landschaftsgärtner:innen dar. Die großen Flächen müssen die Anforderungen der Bespielbarkeit in verschiedenen Jahreszeiten mit unterschiedlichen Niederschlagsmengen erfüllen.
● Z.B. Tennenplätze (Hartplätze) benötigen zur Durchfeuchtung der Deckschicht etwa 3 l/m² (= 3 mm), bei ausgetrockneter Dynamischer Schicht auch bis zu 10 l/m² (LFVM-V).
● Rasenplätze bedürfen je nach örtlich vorhandenen Regenmengen unterschiedlich starker Bewässerung: dafür gibt die DIN 18035-2 Orientierung.Der tägliche Wasserbedarf der Gräser schwankt je nach Temperatur und Verdunstung zwischen 1 und 7 l/m² (= mm). Das sind für eine ausreichende Beregnung auf einem Rasenplatz pro Beregnungsgang ca. 100 bis 140 m³ Wasser (ebd.).
Woher kommt dieses Wasser? Hier gibt es Erkundungsbedarf, was jeweils vor Ort möglich ist. Ob es z. B. Möglichkeiten der Regenwasserspeicherung gibt, oder die Regulierung der Schnitthöhe und-häufigkeit Ersparnis bringen kann. Selbstverständlich ist immer das Ziel, einen bedarfsgerechten Zustand der Anlage zu gewährleisten.
Die Nutzung von Bewässerungsanlagen im privaten und öffentlichen Raum sollte bedarfsgerecht und unter ökologischen und ökonomischen Aspekten erfolgen. Auf den ersten Blick erscheint der Einsatz von Bewässerungssystemen gerade im privaten Bereich als der pure Luxus und wird als Wasserverschwendung bezeichnet. Aber sinnvolle Kombinationen von Bewässerungssystemen, Steuerungstechnik und auch die Wahl der Wasserquelle ergeben ein konträres Ergebnis. Der gezielt durch eine genaue Planung berechnete Einsatz einer automatischen Bewässerungsanlage, sowie die Handhabung der Steuerung können dem Anwender helfen, seinen kostbaren Pflanzenbestand zu pflegen und zu erhalten und das verwendete Wasser so sinnvoll wie möglich zu verwenden. (Schumann, 2013)
Wasserfußabdruck (Gemüse und Obst)
Dieses SDG “Sauberes Wasser …” ist auch mit unserer Ernährung direkt und indirekt über die Aspekte “Wasserqualität” und “Graues Wasser” verbunden. Im Hinblick auf die nationale Perspektive geht es primär um den schonenden Umgang mit dem Grundwasser in Deutschland. Das Grundwasser wird vor allem von Nitraten aus der Vieh- und Geflügelzucht sowie durch übermäßige Düngung belastet (UBA 2021). Der Umweltindikator “Nitrat im Grundwasser” (ebd.) zeigt einen kontinuierlich hohen Nitratgehalt, der erst seit 2017 etwas sinkt. Seit 2008 wird der europäische Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter an jeder 6. Messstelle überschritten. Hierfür wurde Deutschland 2018 vom Europäischen Gerichtshof verurteilt.
Jede Pflanze benötigt Wasser zum Wachsen. Das aufgenommene Wasser wird dann in den Feldfrüchten, in Obst und Gemüse gespeichert. Bei der Viehzucht nehmen Rinder, Schweine und Geflügel dieses Wasser ebenfalls auf. Die Gesamtmenge an Wasser, die schließlich für ein Kilogramm Lebensmittel benötigt wird, nennt man entweder den Wasserfußabdruck oder “virtuelles Wasser” in den Lebensmitteln (ebd.). Hierbei unterscheidet man “grünes Wasser”, welches aus dem Regen stammt, “blaues Wasser” aus Flüssen oder Grundwasser. “Graues Wasser” ist die Wassermenge, die benötigt wird, um in der Industrie genutztes Wasser so weit zu verdünnen, dass es den gesetzlichen Qualitätsanforderungen genügt.
Im Bereich von Obst und Gemüse haben Erdbeeren, Kartoffeln und Zwiebeln einen Wasserbedarf von ca. 280 l pro kg (ebd.) , Tomaten von 110 l pro kg (ebd.). Bei der Errechnung des Wasserfußabdrucks ist zu berücksichtigen, woher die Waren stammen. Werden sie in der Region angebaut oder werden die Waren aus wasserarmen Gebieten importiert und dadurch die Ökosysteme dieser Länder entwässert (wfd o. J.a). Am Beispiel Erdbeeren lässt sich der Wasserfußabdruck gut erläutern: “Erdbeeren aus Spanien benötigen auf den ersten Blick weniger Produktionswasser als deutsche – durchschnittlich 209 l Produktionswasser für 1 kg” statt 280 l (WVG 2018). “Aber: Die Bewässerung macht den Unterschied. Während der Wasserbedarf in Deutschland mit Regenwasser fast gedeckt werden kann, muss in Spanien Wasser aus Bewässerungsanlagen zugeführt werden – gespeist aus Grundwasserreserven, die langsam zur Neige gehen.” (wfd o. J.a).
In Deutschland werden nur ca. 2 Prozent des Gesamtwassereinsatzes (Destatis/Deutscher Bauernverband 2020) benutzt bzw. verbraucht. 50 Prozent des Wassers wird für die Energieerzeugung genutzt. Weltweit nutzt die Landwirtschaft rund 70 Prozent des Frischwassers (bpb 2017). Besonders wasserdurstig sind Baumwolle und Reis. Indirekt tragen Lebensmittelimporte aus Ländern mit Wassermangel dazu bei, dass wir das sogenannte “blaue Wasser” (UBA 2022) des Anbaus der Lebensmittel importieren (Finogenova et mult. al. 2019). Dies gilt insbesondere bei Agrarprodukten aus Nordafrika, Südafrika und Mittelasien, da diese unter Wasserknappheit leiden. Folgende Aspekte wären im (Aus-)Bildungskontext zu behandeln und hierbei die sich ergebenden Zielkonflikte mit anderen Dimensionen der Nachhaltigkeit zu diskutieren (ifeu 2020:19ff, wfd o. J.):
● Tropische und andere Früchte, die viel Wasser zum Wachsen brauchen, werden in Gegenden mit Wassermangel gezüchtet (Mangos aus Indien und Peru, Avocados aus Chile, Melonen in Marokko, Obst in Andalusien, Nüsse aus Kalifornien).
● Orangen haben einen sehr hohen Wasserfußabdruck mit 15.000 l/kg
● Spargel wird seit einigen Jahren in Peru angebaut und mit Flugtransport nach Deutschland geflogen. Das Inka-Tal ist aber ein Wassermangelgebiet und der Wasserfußabdruck von Spargel liegt bei 700 l/kg
Quellenverzeichnis
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Bade, Tom (2017): Kenniscentrum Natuur en Economie (2017). Vorwärts Mars(ch) – Über das zirkuläre Gewächshaus als Chance für die Zukunft (www.tripleee.nl). Online: vorwaertsmars.ltoglaskrachtnederland.nl/VerantwortungsbewussterUnterglasanbau.pdf
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Bioökonomie (2020): Wie Mikroplastik das Pflanzenwachstum beeinflusst. Online: biooekonomie.de/node/200026
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BMEL (2022): Die Fachrichtungen des Gartenbaus. Online: www.bmel.de/DE/themen/landwirtschaft/pflanzenbau/gartenbau/fachrichtungen
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Boell-Stiftung (2022a): Podcast-Episode. Pestizidatlas – Pestizide in der Landwirtschaft (1/3). Online: www.boell.de/de/media/soundcloud/pestizidatlas-pestizide-der-landwirtschaft-13
Boell-Stiftung (2022b): Podcast-Episode. Pestizidatlas – Welt der Doppelstandards (2/3). Online: www.boell.de/de/media/soundcloud/pestizidatlas-welt-der-doppelstandards-23
Boell-Stiftung (2022c): Podcast-Episode. Pestizidatlas – Die Causa Glyphosat (3/3). Online: www.boell.de/de/media/soundcloud/pestizidatlas-die-causa-glyphosat-33
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SDG 7 Bezahlbare und saubere Energie
“Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und moderner Energie für alle sichern”
Das SDG 7 beinhaltet soziale und ökologische Anforderungen an den Klimaschutz. Für die Kreislauf- und Abfallwirtschaft sind daher vor allem 3 Unterziele wichtig (Destatis o. J.):
SDG 7.1 “Bis 2030 den allgemeinen Zugang zu bezahlbaren, verlässlichen und modernen Energiedienstleistungen sichern.”
SDG 7.2 “Bis 2030 den Anteil erneuerbarer Energie am globalen Energiemix deutlich erhöhen.”
SDG 7.3 “Bis 2030 die weltweite Steigerungsrate der Energieeffizienz verdoppeln.”
Beim SDG 7 “Bezahlbare und saubere Energie” geht es im wesentlichen um den “allgemeinen Zugang zu bezahlbaren, verlässlichen und modernen Energiedienstleistungen” sowie darum den “Anteil erneuerbarer Energie zu erhöhen”(Destatis o. J.) , da ökologische und das Klima schützende Anforderungen schon durch andere SDGs (insbesondere 13, 14 und 15) abgedeckt werden.
“Saubere Energie”, wie dies in SDG 7 genannt wird, bedeutet heute für den Klimaschutz grundsätzlich der Umstieg auf erneuerbare Energien (EE) sowie eine höhere Energieeffizienz. Weitere Probleme der Energieerzeugung mit der Nachhaltigkeit betreffen
Umweltschutz und Arbeitsbedingungen bei der Rohstoffgewinnung
Ökologische und Gesundheitsfolgen der Energienutzung, insbesondere bei der Verbrennung
Flächenkonkurrenzen bei dem Anbau von Energiepflanzen (Mais, Zuckerrohr u. a.)
Die Schnittmenge für das SDG 7 ergibt sich aus den Nummern a und b der Standardberufsbildposition (BIBB 2020):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Die Menschheit ist weltweit auf Energie angewiesen. Bisher wurde die Energie vor allem aus fossilen Energieträgern erzeugt, bei deren Verbrennung Treibhausgase in die Atmosphäre freigesetzt werden und die den Klimawandel bewirken. Um weiteren erheblichen Schäden des Klimawandels mit enormen Zerstörungen und Kosten in weiten Teilen der Welt entgegenzuwirken, ist die Dekarbonisierung der Wirtschaft und insbesondere des Energiesystems zwingend notwendig für das Überleben auf diesem Planeten. Im Berufsfeld von Gärtner:innen wird Energie in verschiedenen Bereichen benötigt wie z. B.:
- Strom für Bewässerungsanlagen im Freiland
- Strom für Steuer- und Regelungstechnik (Bewässerung, Düngung, Pflanzenschutz, Beleuchtung) im Gewächshaus
- Strom oder Kraftstoffe für motorbetriebene Gartenwerkzeuge oder Maschinen
- Wärme für Unterglasanbau oder für Folienhäuser (bei sehr kalten Temperaturen)
- Strom und Wärme für Büro und Werkstatträume
- Kraftstoffe für den Fuhrpark des Unternehmens
- indirekt bei der Beschaffung und Lieferung von Waren
Andererseits verfügen Gartenbaubetriebe über Betriebsgebäude und Betriebsflächen, die zur Erzeugung von Strom mittels Photovoltaik nutzbar wären, um Eigenstrom zu erzeugen.
Das folgende Kapitel beschreibt die Grundlagen der verwendeten Energieformen und eingesetzten Verfahren, soweit sie den Hintergrund der Einrichtungen und Arbeiten der Gärtner und Gärtnerinnen betreffen. Es handelt sich um ein Basiswissen, welches heutzutage zur Grundbildung in den verschiedenen Berufen gehören sollte.
Erneuerbare Energien
Die einfachste Maßnahme zum Umstieg auf erneuerbare Energien ist der Bezug von Ökostrom. Die Produktion erfolgt dabei in der Regel aus Wind, Sonne, Biomasse und Wasserkraft. Im ersten Halbjahr 2022 lag der Anteil der Erneuerbaren bei 51,6%. Da die Stromproduktion aus verschiedenen Quellen schwankend ist, zeigt erst die Jahresendbilanz, wie die Verteilung sein wird. In 2021 stammten 23 Prozent der gesamten Stromproduktion aus Windkraft, 9,8 Prozent aus der Photovoltaik, 8,8 Prozent aus Biomasse und 4 Prozent aus Wasserkraft. Braun- und Steinkohle lieferten 20,7 Prozent des Stroms, Erdgas 10,5 Prozent und die Kernenergie gut 13,3 Prozent (Stromreport 2022).
Wichtig sind hinsichtlich des Ziel “bezahlbare Energie” vor allem die Kosten von Strom und Wärme. Die Stromgestehungskosten waren in 2021 wie folgt (ISE 2021, gerundet): PV-Dachkleinanlagen 6-11 Cent/kWh, große PV-Dachanlagen 5-10 Cent/kWh und PV-Freiflächenanlagen 3-6 Cent. Die Stromgestehungskosten fossiler Stromerzeugung liegen aktuell zwischen 4 und 15 Cent/kWh. Diese werden jedoch, im Gegensatz zur erneuerbaren Stromerzeugung, aufgrund steigender CO2-Preise zukünftig steigen. Für Braunkohle – einem der wichtigsten, weil heimischen Energieträger – wurde für das Jahr 2040 ein Stromgestehungspreis von mehr als 20 Cent/kWh prognostiziert (ISE 2021). Allerdings sind diese Vergleiche vor dem Hintergrund des Krieges von Russland gegen die Ukraine hinfällig geworden, da die Untersuchung 2021 mit einem funktionierenden und ausgeglichenen Markt von Angebot und Nachfrage erfolgte.
Im Folgenden wird eine Übersicht über die wichtigsten Technologien zur Nutzung der Erneuerbaren Energien gegeben:
● Solarenergie: Solarenergie mit Hilfe von Photovoltaik ist mit gut 21 Prozent der EE-Stromproduktion (Stromreport 2022) seit 2007 stark ausgebaut worden und damit die jüngste breit genutzte erneuerbare Stromquelle (vgl. die Graphik auf Wikimedia 2020). Ab 2013 stagnierte der Zuwachs von Solarenergie, weil die Konditionen der Einspeisung verschlechtert wurden. Insbesondere die Energiekrise im Zuge des Ukraine Krieges zeigt, dass der Ausbau jetzt stark beschleunigt werden muss.
● Solarthermie: Es stehen jährlich 1.050 KWh/m2 Solarstrahlung für die Umwandlung von Sonnenenergie in Wärme zur freien Verfügung. Hiermit lassen sich Strom sowie Wärme für Heizung und Warmwasser erzeugen. In Deutschland wird Solarthermie dennoch nur in weniger als 10 Prozent (co2online 2021) der Heizanlagen für Häuser und Wohnungen genutzt.
● Windenergie: 50 Prozent des EE-Stromes in Deutschland wurden 2021 aus Windenergie erzeugt (Stromreport 2022). Der Ausbau hat wesentlich in den Jahren von 2000 bis 2017 stattgefunden. Seitdem ist der Zuwachs geringer, weil sich lokal viele Menschen gegen Windkraftanlagen wehren. Seit Ausbruch des Ukraine-Krieges und dem damit verbundenen Gaslieferstopp Rußlands, sowie seit den deutlichen Auswirkungen der Klimakrise (Waldbrände, Flut), werden wieder höhere Ausbauziele der Windenergie genannt.
● Wärmeerzeugung: Zur Wärmeerzeugung können Bioenergie (insbesondere Festbrennstoffe wie Holz) sowie die Umgebungs- bzw. bodennahe Erdwärme eingesetzt werden. Wie bei der Stromerzeugung aus Wasserkraft gibt es für die Verbrennung von Biomasse kein Wachstumspotenzial mehr, sondern muss auf “ein naturverträgliches Maß begrenzt” werden (UBA 2021b). Im Gegensatz dazu setzt die Bundesregierung auf den Ausbau der Nutzung von Umgebungswärme, wozu auch die bodennahe Erdwärme gehört (Tagesschau 2022).
Allerdings ist der Ausbau der Erneuerbaren mit Energie- und Ressourcenaufwand verbunden und ein häufiges Gegenargument. Mit Hilfe von Ökobilanzen lässt sich dieser Aufwand und seine ökologischen Wirkungen jedoch bilanzieren (vgl. Quaschning o. J.). Bei der Photovoltaik ist z. B. für die Herstellung des hochreinen Siliziums ein erheblicher Energieaufwand in Höhe von ca. 2.000 bis 19.000 kWh/kWp. und im Mittel von ca. 10.000 kWh/kWp notwendig. Hinzu kommen noch die Energiebedarfe für andere Materialien wie z. B. Aluminium für die Montage und Kupfer für die Leitungen sowie weitere notwendige Anlagenbestandteile (Wechselrichter, Zähler u. a.). Bei einer durchschnittlichen Lebensdauer einer PV-Anlage von ca. 25 Jahren (ebd.) liegt die energetische Amortisation, also die Zeit, in der die Anlage die zu ihrer Herstellung eingesetzte Energie wieder erzeugt hat, zwischen 1 und 3 Jahren. Im Folgenden werden die verschiedenen Systeme der erneuerbaren Energieerzeugung und deren Herausforderungen dargestellt.
Strom
Die einfachste Maßnahme zum Umstieg auf erneuerbare Energien ist der Bezug von Ökostrom. Der Wechsel des Stromanbieters zu einem Versorger mit Ökostrom im Angebot ist mit einem geringen Aufwand verbunden und kann in wenigen Minuten vollzogen werden. Der Strom wird dabei nicht aus fossilen Energieträgern wie Kohle, Öl, Gas oder Uran erzeugt, sondern aus regenerativen Energieträgern wie Sonne, Wind, Wasser oder Biomasse.
Im ersten Halbjahr 2022 lag der Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen bei ca. 52 Prozent des ins Netz eingespeisten Stroms. Da die Stromproduktion aus verschiedenen Quellen schwankend ist, zeigt erst die Jahresendbilanz, wie die Verteilung sein wird. In 2021 stammten 23 Prozent der gesamten Stromproduktion aus Windkraft, 9,8 Prozent aus der Photovoltaik, 8,8 Prozent aus Biomasse und 4 Prozent aus Wasserkraft. Braun- und Steinkohle lieferten 20,7 Prozent des Stroms, Erdgas 10,5 Prozent und die Kernenergie gut 13,3 Prozent (Stromreport 2022).
Die Kosten pro Kilowattstunde erzeugten Strom sind je nach Anlagentyp unterschiedlich (ISE 2021). Sie liegen etwa zwischen 3 (PV-Freiflächenanlagen) und 12 Cent (Wind Offshore). Zum Vergleich: Braunkohle Kraftwerke erzeugen Strom für 10 bis 15 Cent/kWh, modernste Gaskraftwerke haben Kosten von 8 bis 13 Cent/kWh. Mit anderen Worten: Die Erneuerbaren Energien sind großtechnisch kostengünstiger als fossile Kraftwerke zumal deren Stromgestehungskosten aufgrund steigender CO2 Preise in der Zukunft noch zunehmen werden, während die Stromgestehungskosten von regenerativ erzeugten Strom durch technologische Verbesserung z. B. beim Wirkungsgrad und aufgrund von Massenfertigung weiter sinken.
Aus heutiger Sicht ist in Deutschland der weitere Ausbau nur bei Sonnen- und Windenergie nachhaltig. Wasserkraft ist im Wesentlichen erschöpft, weitere Stauseen sollten aus Landschaftsschutzgründen nicht angelegt werden. Allerdings bedingt die Fluktuation der erneuerbaren Energieträger auch die Herausforderung, Energiespeicher zu bauen. Die kostengünstigste Möglichkeit wären Pumpspeicherkraftwerke. Nachteilig sind der Flächenbedarf und der Landschaftsverbrauch und auch die notwendigen geomorphologischen Voraussetzungen wie Höhenunterschied und Kessellage für das Speicherbecken, sowie der Zugang zu Fließgewässern. Inzwischen gibt es jedoch erste Ansätze um Alternativen zu den Speicherkraftwerken zu errichten. Günstig und machbar könnten sehr groß dimensionierte Batteriesysteme mit einer hohen Leistung sein. Diese dienen als Kurzzeitspeicher, die dann einspringen, wenn es in der Stromversorgung Ungleichheiten zwischen Erzeugung und Verbrauch gibt. Die größten stationären Batteriespeicher haben eine Leistung von 100 MW (Australien, vgl. Power and Storage 2019) bis 200 MW (China, vgl. Erneuerbare Energie 2021).
Photovoltaik
Photovoltaik ist die Umwandlung von Sonnenlicht in Strom. Dies geschieht mit Hilfe von PV-Modulen, in denen die Solarstrahlung Strom erzeugt. Der Strom wird über Leitungen zu einem Wechselrichter geführt, der den Gleichstrom aus den PV-Modulen in Wechselstrom umwandelt. Die Kosten der PV-Technologie sind bei höherer Leistung – trotz Preissteigerungen aufgrund des Krieges – deutlich günstiger als vor 20 Jahren.
Betriebsmodelle
Für den Betrieb von Photovoltaik-Anlagen gibt es drei Betriebsmodelle:
● Dachverpachtung: Die einfachste Möglichkeit, von einem geeigneten Dach zu profitieren, ist die Verpachtung der Dachfläche an Dritte. Diese sind dann Betreiber der Anlage. Stadtwerke, Energieversorgungsunternehmen und Projektentwickler bieten bereits „schlüsselfertige“ Dachpachtlösungen an. Dabei baut der Betreiber auf seine Kosten die Anlage, bewirtschaftet sie und übernimmt das unternehmerische Risiko.
● Eigenverbrauch mit Überschusseinspeisung: Besonders attraktiv ist die Gestaltung des Eigenverbrauchs. Der Eigentümer errichtet die Anlage auf eigene Kosten und versucht, seine Stromnutzung so zu gestalten, dass bei Sonnenschein Strom entweder verbraucht oder in Batterien gespeichert wird.
● Volleinspeisung: In diesem Fall ist der Dacheigentümer auch Betreiber der PV-Anlage. Der gesamte erzeugte Strom wird in das Netz der allgemeinen Versorgung eingespeist und der Anlagenbetreiber erhält für jede eingespeiste kWh die sog. Einspeisevergütung.
Typen von Solarzellen
Im Folgenden werden kurz die wichtigsten Technologien zur Solarstromerzeugung vorgestellt:
● Solarzellen aus kristallinem Silizium: Solarzellen aus kristallinem Silizium werden mit über 90 Prozent am häufigsten verbaut. Als Ausgangsmaterial für ihre Herstellung dient Siliziumdioxid (SiO2), das als Quarzsand oder Quarzkristall abgebaut wird. Aus SiO2 wird in einem mehrstufigen und sehr energieaufwendigen Verfahren hochreines polykristallines Silizium (poly-Si) mit einer Reinheit von 99, 99999 Prozent hergestellt. Die Herstellung erfolgt in einem Lichtbogenofen bei Temperaturen von etwa 2.000 °C. Anschließend werden Silizium-Einkristalle (mono-Si) gezogen. Die gewonnenen Einkristalle werden in etwa 0,2 mm dicke Scheiben («Wafer») gesägt und in einer Abfolge von mehreren Prozessschritten zu Solarzellen und dann zu PV-Modulen weiterverarbeitet.
● Dünnschicht-Solarmodule: Die Module bestehen wie die obigen PV-Module ebenfalls aus elektrischen Kontakten und einem absorbierenden Material, allerdings werden auf dem Trägermaterial verschiedene Schichten von Metallen aufgetragen. Die Dicke der lichtabsorbierenden Schicht liegt in der Regel bei 1-3 µm, also etwa hundertmal weniger als bei den Solarzellen aus kristallinem Silizium. Als Trägermaterial können, je nach Technologie, Glas, Metall- oder Kunststofffolien eingesetzt werden. Als Schichtmaterialien kommen insbesondere Halbleitermaterialien wie Galiumarsenid (GaAs), Cadmiumtellurid (CdTe) oder Kupfer-Indium-Gallium-Diselenid (CIGS) zum Einsatz. Vorteile der Dünnschichtzellen sind ihr geringes Gewicht, ihre guten Erträge bei diffusem Sonnenlicht und schlechtem Wetter sowie die schnelle energetische Amortisation aufgrund des geringen Energieeinsatzes bei ihrer Herstellung.
Montagearten
Hauptsächlich gibt es zwei Arten für Photovoltaikanlagen:
● Aufdachmontage: Aufdach-Photovoltaikanlagen sind eine weit verbreitete Möglichkeit für Eigenheime, Unternehmen und öffentliche Gebäude um ihren eigenen Strom zu erzeugen. Vorteile sind: Das vorhandene Dach kann optimal genutzt werden; das Dach wird vor eventuellen Umwelteinwirkungen zusätzlich geschützt; aufdach-montierte Anlagen sind meist schnell und einfach sowie mit geringem Wartungsaufwand zu installieren. . Nachteile sind höhere Kosten der Montage, mögliche Probleme bei der Befestigung und Tragfähigkeit, Platzbeschränkungen durch die Dachfläche sowie der unveränderliche Winkel des Daches (der nicht immer optimal zur Nutzung der Solarstrahlung ist).
● Bodenmontage (Freiflächenmontage): Bodenmontierte Photovoltaikanlagen sind inzwischen ebenfalls weit verbreitet, werden aber vorwiegend von großen Unternehmen, professionellen Investoren bzw. Energieanbietern genutzt. Vorteile sind: Aufgrund ihrer Größe ist auch eine größer dimensionierte Stromerzeugung möglich; bodenmontierte Anlagen haben die Möglichkeit die festen Winkelbeschränkungen zu umgehen und sie haben einfache Wartungsmöglichkeiten. Nachteilig sind die Flächenbedarfe (“ganze Äcker”) und ihre optische Auffälligkeit (Landschaftsbild).
Aufdach-Anlagen für Gärtnereien
Bisher findet die Photovoltaik im Gartenbau in Deutschland vor allem auf den Betriebsgebäuden Anwendung, vereinzelt auch als bodenmontierte Anlage bei großen Betriebsgeländen. Studien und Entwicklungen liefern jedoch interessante Ansätze und zeigen Potenziale auf, wie Photovoltaik als erneuerbare Energiequelle zukünftig wesentlich breiter eingesetzt werden kann. Interessant sind insbesondere die Gewächshäuser mit ihren großen Dachflächen. Hierbei gibt es aber den Zielkonflikt, dass Pflanzen für ihre Entwicklung ausreichend Licht benötigen und dieses Licht teilweise von den PV-Anlagen absorbiert wird.
Es gibt in der Solartechnik inzwischen ein immer breiter werdendes Angebot an transparenten PV-Modulen, da auch Bürohäuser diese anstelle von Fenstern gut nutzen können. Transparente bzw. halbtransparente PV-Module haben zwar eine geringere Leistung, lassen jedoch in unterschiedlichen Maße Licht hindurchgehen (solarenergie.de 2022, energie-experten o. J.). Transparente Solarmodule haben eine Transparenz von 30 Prozent (zwischen stark / Transparenz 20-30 Prozent und und leichtgetöntem Glas / Transparenz 30-50 Prozent) und einem Wirkungsgrad von ca. 10–15 Prozent (Dickschichtgmodule bis zu 30 Prozent Wirkungsgrad). Der Lichteinfall unter diesen Dünnschichtmodulen ist insgesamt gleichmäßiger (ebd.). Die Lichtdurchlässigkeit dieser Module ist geringer als eine reine Glaseindeckung, dieser Faktor muss in Beziehung zum Bedarf für Sonnenlicht der angebauten Pflanzen betrachtet werden.
Es ist absehbar, dass insbesondere organische Solarzellen hier große Vorteile haben werden. Organische Solarzellen sind Folien, in denen lichtaktive organische Verbindungen ähnlich wie das Chlorophyll der Pflanzen das Licht einfangen und dann elektrischen Strom leiten können. Eine Studie der North Carolina State University hat ein Projekt im Tomatenanbau in drei US-Bundesstaaten durchgeführt (RESET 2020). Organische Solarzellen sind sehr leicht, haben sehr geringe Kosten und können halbtransparent ausgeführt werden. Werden sie auf einem Glas befestigt, ersetzen sie das Glasdach, wodurch weitere Kosten eingespart werden. Es ist auch möglich, dass die organischen Solarzellen nur die Lichtfrequenzen für die Stromerzeugung nutzen, die die Pflanzen nicht benötigen. Die “richtigen” Lichtfrequenzen werden dann durchgelassen (ebd.). Unter guten Bedingungen können so energieneutrale Gewächshäuser errichtet werden. In der Schweiz wurde von der Firma Voltiris ein ähnliches Verfahren eingesetzt (golem 2022). Hier lenken semitransparente Spiegel bestimmte Wellenlängen des Lichts auf PV-Module, die senkrecht hängen, also nicht verschatten. Durch eine optimierte Motorsteuerung von Spiegeln und Modulen erhöht sich die Belichtung auch der Pflanzen um 40 Prozent. Mit dem Voltiris-System lassen sich 60-100 Prozent des Energiebedarfs decken, zeigte der Modellversuch.
Gleichzeitig kann der entstehende Beschattungseffekt womöglich Vorteile bringen, allerdings gibt es hierzu nur Untersuchungen aus der Nutzung von Agri-PV-Anlagen (auf dem Feld), die aber nicht vergleichbar zu Gewächshäusern sind (Stern 2022; Bioökonomie.de 2022). Verschiedene Anbieter werben mit ihrer Erfahrung mit derartigen Modulen für Gewächshäuser (vgl. RESET 2020).
Bodenmontierte Anlagen - im Falle des Obstanbaus Agri Photovoltaik
In der Agri-Photovoltaik werden zwei Ansätze kombiniert: Die Nutzung von Feldern für die Photovoltaik und der gleichzeitige Anbau von Agrarprodukten. Derzeit laufen mehrere Forschungsvorhaben, um zu erproben, wie dies genauer auszusehen hat und welche Acker- und Feldfrüchte – besonders im Obstbau – sich eignen. Im Verlauf der Auswirkungen des Klimawandels stellen sich auch für den Obstanbau im Freiland neue Herausforderungen. Steigende Temperaturen im Sommer mit mehr Hitzetagen und Starkregen- oder Hagelereignisse gilt es zu bewältigen, d. h. die Früchte zu schützen. Hierin könnte eine weitere Synergie bei der Anwendung von Photovoltaik liegen. Bislang wird dieses Konzept nur in einigen Pilotprojekte erprobt (Stern 2022; Bioökonomie.de 2022, Fraunhofer ISE 2022).
Solarwärme
Solarthermie erzeugt warmes oder heißes Wasser, zusammen mit einem Wärmespeicher kann dann insbesondere in den Sommermonaten ein erheblicher Teil des Wärmebedarfs mit Solarenergie CO2-frei bereitgestellt werden. Das Prinzip ist ganz einfach: Das Sonnenlicht erwärmt die Solarflüssigkeit (Wasser-Glykol-Gemisch) und über einen Wärmtauscher erwärmt die heiße Solarflüssigkeit Wasser. Im folgenden werden die beiden wichtigsten Kollektortypen sowie die Wärmespeicherung und die Einbindung der Solarwärme vorgestellt:
● Flachkollektoren: Bei Flachkollektoren ist der metallische Solarabsorber zwischen einer transparenten Abdeckung und einer Wärmedämmung eingefasst. Dies minimiert die Wärmeverluste des Kollektors, wodurch in Abhängigkeit der Bauart Nutztemperaturen bis 100 °C effizient bereitgestellt werden können. Das Spektrum reicht von kompakten Kollektormodulen mit ca. 2 m² bis hin zu Großflächenkollektoren mit 10 bis 12 m²
● Vakuumröhrenkollektoren: Bei Vakuumröhrenkollektoren können die Wärmeverluste durch Konvektion und Wärmeleitung deutlich reduziert und somit mehr Wärme erzeugt werden. Der sinnvolle Einsatzbereich dieser Kollektoren bei 80 bis 130 °C, der höhere Wert wird mit Spiegeln auf der Rückseite erzeugt.
● Speicherung: In der Regel ist ein Pufferspeicher zentraler Bestandteil einer solaren Prozesswärmeanlage, da das Solarangebot nicht immer mit dem Wärmebedarf der zu versorgenden Verbrauchsstellen zeitlich übereinstimmt. Zur Einbindung des Speichers gibt es mehrere Möglichkeiten: Typischerweise wird der mit einem Wasser-Glykol-Gemisch betriebene Solarkreis durch einen Wärmeübertrager vom Speicherkreis getrennt.
Gärtnereien verwenden auch Rohrheiz-Systeme (Untertischheizung, hohe oder niedere Rohrheizung u. a.) mit Warmwasser als Energieträger für die Pflanztische in den Wintermonaten zur Anzucht (vgl. gewerbegas o. J.). Die Energieeffizienz der Rohrsysteme ist vergleichbar mit Warmluftheizungen (ebd.). Im Prinzip ließe sich die Heizwärme auch mit Solarthermie gewinnen. Aus dem Wohnungsbau weiß man allerdings, dass die Effizienz der Solarthermie im Winter gering ist (solaranlage o. J.). Der sogenannte Solare Deckungsgrad – d. h. wie viel Warmwasser aus der Solarenergie stammt und wie viel durch eine Zusatzheizung erbracht werden muss, liegt von November bis Februar bei nur 25 bis 40 Prozent (ebd.). D. h. in den winterlichen Anzuchtmonaten ist eine Zusatzheizung (meist Gas) notwendig.
Bioenergie
Unter Bioenergie wird die energetische Nutzung biogener Energieträger verstanden. Biogene Energieträger sind pflanzlicher oder tierischer Herkunft. Zu den typischen biogenen Energieträgern zählen Holz und Stroh sowie ihre Derivate wie Holzschnitzel- oder -pellets aber auch Biogas aus der Vergärung von Bioabfällen, Ernterückständen oder von tierischen Abfällen wie Mist und Gülle Exkremente. Obwohl bei der Verbrennung von Biomasse oder Biogas CO2 freigesetzt wird, ist die Erzeugung und Nutzung von Bioenergie klimaneutral, denn das freigesetzte CO2 wurde während des Pflanzenwachstums der Atmosphäre entzogen. Allerdings verursacht die Verbrennung von Biomasse auch Emissionen weiterer Luftschadstoffe wie NOX und insbesondere von Feinstaub.
Der typische Einsatz von Biogas zur Energieerzeugung erfolgt über Blockheizkraftwerke (BHKW), die sowohl Wärme als auch Strom erzeugen. Problematisch ist der Anbau von Energiepflanzen wie z. B. Mais, Raps, Futterrüben, Hanf, Chinaschilf, schnellwachsende Bäume (Pappeln, Weiden), Zuckerrohr und Algen. In der Regel erfolgt deren Anbau in schnell wachsenden Monokulturen und diese haben damit einen erheblichen Einfluss auf die Umwelt. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Monokulturen führen zum Verlust von Biodiversität, die Düngung wird zur Belastung des Grundwassers und der Verbrauch von Grundwasser oder Wasser aus Fließgewässern führt zur regionalen Verknappung von Wasser (vgl. BUND o. J. sowie BIZL o. J.). Des Weiteren ist der energetische Wirkungsgrad der Biomassenproduktion mit 0,5 – 1,5 Prozent (Pflanzenforschung 2020) wesentlich geringer als der von Photovoltaik, der in der Regel 15-22 Prozent beträgt (Eigensonne o. J.).
● Entsprechend vertritt das Umweltbundesamt die Auffassung, dass die Verbrennung von Biomasse kein Wachstumspotenzial mehr besitzt, sondern vielmehr auf ein „naturverträgliches Maß“ begrenzt werden muss (UBA 2021b).
● Hingegen kann die Erzeugung von Biogas aus Gülle und Mist, solange diese aufgrund der hohen Nachfrage nach tierischem Protein in großen Mengen anfallen, einen wichtigen Beitrag vor allem zur Wärmeerzeugung leisten.
● Insgesamt ergeben sich jedoch erhebliche Zielkonflikte zwischen Energiegewinnung, Futtermittelanbau und Produktion von Nahrungsmitteln hinsichtlich der begrenzten Ressource “Fläche”.
Damit steht die Energiegewinnung durch den Anbau von Energiepflanzen im Konflikt zum SDG 1 “Kein Hunger”. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Ausbau der energetischen Biomassenutzung aus Agrarpflanzen, die auch der Ernährung dienen können (Mais, Getreide), eine nicht verantwortbare Flächenkonkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion darstellt und damit im direkten Konflikt zum SDG 1 “Kein Hunger” steht. Wenn der Bezug von EE-Strom besonders nachhaltig sein soll, ist daher darauf zu achten, dass er aus möglichst aktuell neuen effizienten Wind- oder Solaranlagen stammt. Dieser Strom wird von von verschiedenen Einrichtungen wie dem TÜV oder dem Grüner Strom Label e.V. zertifiziert (Ökostromanbieter o. J.)
Erd- und Umgebungswärme
Die Nutzung von Erd- und Umgebungswärme ist für Gärtnereien sehr interessant. Während im Wohnungsbau diese ausschließliche zur Erzeugung von “Wohnwärme” und Heißwasser benötigt wird, kann diese Wärmeerzeugung auch genutzt werden, um Gewächshäuser oder andere geschützte Pflanzungen mit einer Niedertemperaturwärme zu versorgen. In Wohnungen muss die Wärmepumpe mindestens eine angenehme Raumtemperatur erreichen, wenn es zu kalt ist, schaltet sich ein (Gas)Spitzenlastkessel hinzu. Bei Gärtnereien reicht es, den Frostschutz zu gewährleisten. Und dies bedeutet, dass auch Luftwärmepumpen noch bei Minusgraden Wärme erzeugen – wenn auch mit fallender Temperatur energieineffizienter (vgl. thermondo o. J.). In mehreren Modellversuchen haben Rüter und Kölbel gezeigt, dass Gewächshäuser mit spezieller Photovoltaik und Kombination mit Erdwärmespeichern energieautark funktionieren können (Rüter und Kölbel o. J.). Mit Hilfe von Fresnel-Linsen haben sie das Licht gebündelt und mit hoher Intensität auf Fotozellen geleitet. Mit dem Strom wurde ein saisonaler Warmwasserspeicher erwärmt, der über Flächenheizung die Wärme wieder abgeben kann. Überschüssige Wärme wird über ein Rohrsystem in der Erde gespeichert. Im Winter holte eine Wärmepumpe diese aus der Erde und heizte das Gewächshaus. Der Vorteil der Solarthermie ist, dass die Fresnel-Linsen aufgrund ihrer Transparenz und Lichtbündelungen nur einen Teil der Solarstrahlung nutzen und der größte Teil den Pflanzen zur Verfügung steht (ebd.).
Wärmepumpen nutzen Temperaturunterschiede. Eine Wärmepumpe funktioniert wie ein Kühlschrank oder eine Klimaanlage (Tagesschau 2022). Die Pumpe entzieht der Umgebung (z. B. dem Erdreich) mit einem Kältemittel Wärme und kühlt sie dabei ab. Ein Kompressor verdichtet das Kältemittel und erhöht dabei dessen Temperatur, die dann zur Raumheizung genutzt wird. Das Kältemittel kondensiert dabei und gibt die Wärme frei. In einem Ventil verdampft das Kühlmittel wieder, kühlt sich dabei stark ab und kann aufs Neue der Umgebung Wärme entziehen. Zum Antrieb einer Wärmepumpe wird allerdings elektrischer Strom benötigt. Dieser sollte dann aus Klimaschutzgründen aus erneuerbaren Energieträgern wie Sonne oder Wind erzeugt werden. Bei der Nutzung von Erdwärme wird zwischen Tiefengeothermie und Oberflächennaher Geothermie unterschieden.
Die oberflächennahe Geothermie nutzt den Untergrund bis zu einer Tiefe von ca. 400 m und Temperaturen von bis zu 25 °C für das Beheizen und Kühlen von Gebäuden, technischen Anlagen oder sogar Infrastruktureinrichtungen. Hierzu wird die Wärme (oder im Sommer Kälte wie beim Deutschen Bundestag) aus den oberen Erd- und Gesteinsschichten oder aus dem Grundwasser gewonnen. Als Tiefengeothermie bezeichnet man die Nutzung der Erdwärme in Tiefen zwischen 400 und 5.000 Metern. Im Vergleich zur oberflächennahen Geothermie sind dort die Temperaturen weitaus höher. Neben der Wärmeversorgung ist Tiefengeothermie auch für die Stromerzeugung nutzbar. Ab einer Temperatur von etwa 90 Grad Celsius ist eine wirtschaftliche Stromerzeugung möglich. Der Vorteil der Geothermie ist ihre ständige Verfügbarkeit. Die geothermische Stromerzeugung in Deutschland steht noch am Anfang. Bis heute sind nur wenige Anlagen, vor allem in Süd- und Südwestdeutschland, in Betrieb.
Umgebungswärme umfasst sowohl Umweltwärme als auch oberflächennahe Geothermie. Umweltwärme schließt die in bodennahen Luftschichten („aerothermische Umweltwärme“) und in Oberflächengewässern („hydrothermische Umweltwärme“) entnommene und technisch nutzbar gemachte Wärme ein. Für die Nutzung werden Sonden ins Erdreich eingeführt oder Matten benutzt, die weniger als 2 Meter unter der Erdoberfläche verlegt werden. Möglich sind auch Luftwärmepumpen, die der Umgebungsluft die Wärme entziehen. Die Nutzung von Umgebungswärme erfolgt überwiegend im Wohnungssektor und ist insbesondere bei Ein- und Zweifamilienhäusern verbreitet. Möglich sind aber auch größere Gebäude wie der Bundestag (Deutscher Bundestag o. J.).
Mobilität
Im Rahmen der Verkehrswende spielt die Dekarbonisierung der Antriebe eine zentrale Rolle, denn die Treibhausgasemissionen der Mobilität sind maßgeblich für den Klimawandel verantwortlich.
Bei einer Betrachtung der Emissionen aus dem Verkehrssektor wird deutlich, dass in Deutschland 2021 rund 149 Mio. t CO2-Äq bzw. fast 20 Prozent aller CO2-Emissionen aus der Mobilität stammen (UBA 2022). Differenziert nach verschiedenen Verkehrsarten zeigt sich, dass der Straßengüterverkehr 2020 rund 46 Mio. t CO2-Äq bzw. 30 Prozent der Verkehrsemissionen verursacht (UBA 2022) hat. Es sind somit zwei Trends wirksam: Zum einen eine Minderung der Emissionen (insbesondere der Schadstoffe), die aber bei Lkw deutlich größer sind (-32 Prozent) als bei Pkw (-5 %). Zum anderen stieg für beide die Zahl der gefahrenen Kilometer – die Pkw-Fahrleistung hat sich seit 1995 verdoppelt, die des Güterverkehrs per Lkw ist um 74Prozent gestiegen (ebd.).
Logistik
Zum anderen ist die Wahl der Verkehrsmittel entlang der Wertschöpfungskette von Relevanz. Die Emissionen aus der Logistik können leicht mit Hilfe kostenloser Online Tools ermittelt werden wie z. B. mit carboncare (ebd. o. J.), die die Emissionen nach EN 16258-Standard berechnet. Darin ist auch der Emissionsanteil des Kraftstoffes selbst enthalten, der bei dessen Förderung, Aufbereitung und Verteilung entsteht, eingeschlossen. Die folgende Tabelle stellt beispielhaft die CO2- Emissionen unterschiedlicher Transportmittel dar, die bei einem Transport von einer Tonne Gewicht von Shanghai nach Berlin freigesetzt werden. Die Datenauswertung zeigt deutlich, dass Ferntransporte per Schiff zu den energieeffizientesten Transporten gehören. Bereits 1.000 km per Lkw emittieren genauso viel CO2 wie bei 20.000 km Schiffstransport. Die Daten zeigen auch, dass selbst bei einem Transport von Elektronikbauteilen mit geringem Gewicht per Flugzeug, um ein Vielfaches mehr CO2 freigesetzt wird als ein Transport mit anderen Verkehrsmitteln. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die CO2 Intensität unterschiedlicher Transportmittel
Tabelle: Emissionen für einen Langstreckentransport einer Tonne Ware – Shanghai nach Berlin.
Transportmittel | Strecke (km, gerundet) | WTW-CO2-Äq |
Schiff Lkw | 19.900 km (Schiff) 200 km (Lkw) 20.100 km (gesamt) | 73 kg (nur Schiff) 15 kg (Lkw) 88 kg (gesamt) |
Bahn (im Bau) | 10.400 km | 120 kg |
Flugzeug | 8.500 km | 6.900 kg |
Quelle: Eigene Berechnungen mit carboncare (ebd. o. J.).
Im Kern geht es dabei bei der Dekarbonisierung der Mobilität darum, die Verbrennung fossiler Kraftstoffe wie Benzin, Diesel und Kerosin durch biogene Kraftstoffe, Wasserstoff oder elektrischen Strom zu ersetzen. Im Weiteren werden die zentralen Option zur Dekarbonisierung der Mobilität beschrieben:
Biogene Kraftstoffe
Bei biogenen Kraftstoffen handelt es sich um flüssige Energieträger die aus Pflanzen, Pflanzenresten und -abfällen oder Gülle statt aus Erdöl gewonnen werden. Die Antriebstechnik ist vergleichbar mit konventionellen Verbrennungsmotoren mit der Ausnahme, dass das bei der Verbrennung entstehende CO2 klimaneutral ist, denn die bei der Verbrennung freigesetzte CO2-Menge entspricht in etwa derjenigen Menge, die die Pflanze während ihres Wachstums mittels Photosynthese der Atmosphäre entzogen hatte. Das Problem der biogenen Kraftstoffe zeigte sich schon Anfang der 2000er-Jahre, als Raps zur Erzeugung von Biodiesel angebaut wurde. Zentral ist der Zielkonflikt zwischen Ernährung und Mobilität: Auf einer Ackerfläche können nur Nahrungsmittel oder Treibstoffe angebaut werden – für beides reicht der Platz nicht (Deutschlandfunk 2012). Wie sich die biogenen Treibstoffe für den Verkehrssektor entwickeln werden und ob sie eine Zukunft haben, ist politisch auch 10 Jahre später noch nicht entschieden (vgl. Deutscher Bundestag 2022).
Elektromobilität
Die Mobilität ist für einen wesentlichen Teil des Klimawandels verantwortlich. In Deutschland verantwortet die Mobilität rund 20 Prozent der Emissionen (Bundesregierung o. J.b). Der Verkehrssektor ist damit nach der Energiewirtschaft und der Industrie mit je rund 20 Prozent CO2-Ausstoß der drittgrößte Verursacher von Treibhausgasemissionen. Den weitaus größten Teil der Verkehrsemissionen verursacht der Straßenverkehr 96 Prozent (Stand 2019). Für etwa 61 Prozent davon sind Benzin- und Diesel-Pkw und für 36 Prozent entsprechende Lkw verantwortlich. Seit 1995 ist der CO2-Ausstoß des Personenverkehrs nicht gesunken, obwohl die Fahrzeuge energieeffizienter sind. Denn es werden fast 60 Prozent mehr Personenkilometer gefahren als Anfang der 90er Jahre. Das hebt den Einspareffekt auf. Auch die Beförderungsleistung auf der Straße nahm erheblich zu: Verglichen mit dem Jahr 2000 haben sich bis 2021 die zurückgelegten Tonnenkilometer (zurückgelegte Entfernung multipliziert mit beförderten Gütermenge) um fast 50 Prozent erhöht (Destatis 2022e). Um die Klimaziele zu erreichen, muss der Anteil der Fahrzeuge mit alternativen Antrieben zunehmen. Im Schwerlastverkehr sind es jedoch nur wenige Modellprojekte, in denen Lkw mit alternativen Antrieben wie Batterien oder Brennstoffzellen fahren. Positiv hingegen ist der Trend bei den Pkw: Im Jahresverlauf 2020 stiegen die Neuzulassungen von Elektroautos deutlich: von Januar 2020 mit drei Prozent auf 14 Prozent Ende des Jahres (KBA 2022). Auch bei den Kleintransportern gibt es Bewegung (bfp 2022): Nach dem Branchenverband ACEA wurden in 2021 rund 44.600 leichte Nutzfahrzeuge mit reinem Batterieantrieb neu zugelassen (2,9 % der Neuzulassungen).
Derzeit sind die vier wichtigsten Fahrzeugtypen die folgenden (Beispiel Pkw und leichte Nutzfahrzeuge):
● Vollhybrid: Ein Vollhybrid (sHEV) hat einen Verbrennungs- und einen batteriebetriebenen Motor. Bei niedrigen Geschwindigkeiten bis zu 50 km/h und auf kurzen Strecken bis etwa 3 km ist ein reiner Elektroantrieb möglich. Die für den Betrieb des Elektromotors erforderliche Elektrizität wird vom Verbrennungsmotor erzeugt.
● Plug-in-Hybrid: Im Vergleich zum Vollhybrid kann ein Plug-in-Hybridfahrzeug (PHEV) rein elektrisch schneller und weiter fahren. Der Verbrennungsmotor lädt die Batterie auf, wenn die Leistung nicht ausreicht. Der Akku kann über ein externes Netzteil geladen werden.
● Vollelektrisches Fahrzeug: Dieser BEV genannte Typ wird ausschließlich von einem batteriebetriebenen Elektromotor angetrieben. Der wird über das Stromnetz aufgeladen, das heißt: er benötigt keinen fossilen Kraftstoff. Dadurch fährt das Fahrzeug zu 100Prozent emissionsfrei.
● Elektroauto mit Brennstoffzelle: Ein Brennstoffzellenauto (FCEV) wird ausschließlich von einem Elektromotor angetrieben. Im Gegensatz zum vollelektrischen Fahrzeug wird der Strom nicht mit Batterien, sondern mit Wasserstoff Brennstoffzellen erzeugt. Wasserstoffbrennstoffzellen erzeugen Strom, indem sie Wasserstoff mit Sauerstoff kombinieren. Auch ein Auto mit Brennstoffzelle ist lokal zu 100 Prozent emissionsfrei.
Zum 01.01.2022 waren insgesamt 2.815.122 Fahrzeuge mit alternativen Antrieben angemeldet. Dazu zählen sowohl Fahrzeuge mit Elektroantrieben wie BEV, Brennstoffzellen als auch Fahrzeuge mit Hybrid-Antrieben sowie Gas. Das entspricht 4,7 Prozent aller knapp 60 Mio. Fahrzeuge im Bestand. Davon entfielen 4,5 Prozent allein auf Pkw. Mit großem Abstand folgen Lkws mit 0,13 Prozent und Krafträder mit 0,03 Prozent. Omnibusse, Zugmaschinen und sonstige Kfz haben lediglich einen Anteil von 0,01Prozent bis 0,007 Prozent an Fahrzeugen mit alternativen Antrieben (KBA 2022).
Schon heute verursacht ein Elektrofahrzeug der Kompaktklasse über den gesamten Lebensweg bis zu 30 Prozent weniger Treibhausgase als ein vergleichbares Benzin- oder Dieselfahrzeug (Bundesregierung o. J. b). Im Betriebsalltag ist das Elektrofahrzeug wesentlich effizienter. Ein Hyundai Kona verbraucht im Stadtverkehr rund 14,5 kWh, dies entspricht bei einem Stromfaktor von 450 g CO2-Äq/kWh rund 65 g THG-Emissionen/km/100 km. Ein vergleichbarer Kona-Diesel verbraucht ca. 4,5 l Diesel, dies entspricht Emissionen von ca. 120 g/km (eigenes Fahrzeug der Autoren, Berechnung nach (vgl. My Climate o. J.).
Brennstoffzellen
In der gewerblichen Wirtschaft sind die mit fossilen Treibstoffen wie Diesel betriebenen Verbrennungsmotoren ab 3,5 t bis hin zu den üblichen 40 Tonnen und auch die schweren Nutzfahrzeuge (z. B. Abfall-Sammelfahrzeuge, Schwertransporter, Zementmischer) von besonderer Relevanz. Während es im PKw-Bereich eher batteriebetriebene Konzepte sind, kommen diese im Bereich der Nutzfahrzeuge aufgrund des schweren und teils voluminösen Elektrostrangs mit Batterie weniger in Betracht. Stattdessen bieten immer mehr Hersteller von Nutzfahrzeugen Brennstoffzellen an. Maßgeblich angeschoben wird dies durch die EU-Klimaziele, den CO2-Ausstoß von neuen Pkw bis 2030 um 37,5 Prozent zu senken und dies bereits in fünf Jahren auch auf schwere Nutzfahrzeuge auszudehnen. Um bis zum Jahr 2025 bei schweren Nutzfahrzeugen 15 Prozent CO2-Emissionen und bis 2030 sogar 30 Prozent einzusparen, erscheint die Brennstoffzellentechnologie daher besonders vielversprechend. Denn einerseits sind konventionelle Lkw-Antriebsstränge mit Dieselaggregaten bereits in hohem Maße optimiert und bieten daher nur noch wenig Einsparpotenzial. Andererseits lassen sich bestehende Lösungen zum batterieelektrischen Antrieb von Pkw nicht direkt von Pkw´s auf Lkw´s übertragen, da die benötigte Batterie zu schwer und die Ladezeiten zu lang wären.
Wasserstoffbetriebene Fahrzeuge sind leiser, wartungsärmer und – bei Herstellung des Wasserstoffs aus regenerativen Quellen – CO2-neutral. Umweltzonen und emissionsbedingte Durchfahrtsverbote stellen keine Probleme mehr dar. Zwar sind erste Fahrzeuge bereits auf dem Markt verfügbar, jedoch muss die Brennstoffzellenentwicklung bei einer Einführung bis 2025 deutlich beschleunigt werden (KIT 2020).
Gleichwohl ist die Entwicklung von Lkw-Antrieben auf Wasserstoffbasis branchenweit auf einem nie dagewesenen Höchststand. Etablierte Unternehmen, darunter Hersteller wie Hyundai oder Daimler Trucks, aber auch völlig neue Anbieter wie die US-amerikanische Firma Nikola, die in Kooperation mit IVECO und Bosch an der Marktreife von Brennstoffzellen-Lkw feilt, überbieten sich im Rennen um Effizienz, Reichweite und Fortschrittlichkeit. Verwunderlich ist diese Entwicklung angesichts der Vorteile von grünem Wasserstoff nicht: Große Tanks ermöglichen hohe Reichweiten mit einer Tankfüllung. Verschiedene Hersteller arbeiten mit Konzepten, die Reichweiten zwischen 400 und über 1000 Kilometern versprechen. Der Tankprozess ähnelt dabei dem bisherigen Ablauf. Ein Umstellen ganzer Prozesse auf längere Lade- und Standzeiten ist daher nicht nötig. Und Innenstädte, die lärm- und feinstaubbelastet sind, können schon in wenigen Jahren deutlich entlastet werden.
Zwischen Pkw und schweren Nutzfahrzeugen liegen leichte Nutzfahrzeuge bis 3,5 t. Genau die nehmen immer mehr Hersteller als Versuchsballon für den Wasserstoffantrieb mit Brennstoffzelle, meist in Verbindung mit einer Plug-in-Ladelösung. So lässt Stellantis, der Mutterkonzern von Opel, Peugeot und Citroën, in den kommenden zwei Jahren in Rüsselsheim eine Kleinflotte von 2000 Fahrzeugen von Elektro auf Wasserstoff umrüsten, jeweils mit einer Reichweite von 400 Kilometern (bfp 2022). Die Brennstoffzellentechnologie wird sich vermutlich nicht im Pkw-Segment durchsetzen. Eine Studie des österreichischen Umweltbundesamtes kam schon 2014 mit einer Ökobilanz zum Schluss, dass Elektroantriebe die klimafreundlichsten Antriebe noch vor der Brennstoffzellentechnologie sind (Umweltbundesamt 2014). Neuere Untersuchungen zeigen aber, dass die Brennstoffzellentechnologie mit zunehmender Verbesserung der Herstellung von Wasserstoff sich durchaus im Lastverkehr durchsetzen könnte (Reichweite, Tankzeiten, Temperaturstabilität u. a., vgl. Unwerth 2020).
E-Fahrzeuge im Gartenbau
Im Gartenbau kommen diverse Fahrzeuge im Arbeitsprozess zum Einsatz. Gerade bei Kleinfahrzeugen, die in Grünanlagen genutzt werden, gibt es ein großes Angebot an kleineren Transportfahrzeugen (Pritschenfahrzeuge, Kipper, geschlossene Transporter, vgl. ari o. J.; dergartenbau 2013; B_I o. J.). Aber auch Kleinstbagger mit bis zu 3 t Gesamtgewicht sind heute als Elektrobagger verfügbar (vgl. Limbach Minibagger o. J.). Vereinzelt werden aber auch inzwischen Großgeräte wie der Limach Elektrobagger E88.1 angeboten. Hierbei handelt es sich um einen batteriebetriebenen Bagger mit austauschbaren Akkupacks (tecklenborg 2021). Der Vorteil ist, dass nach dem Batteriewechsel die Arbeit nicht eingestellt werden muss.
Nutzungsverhalten
Neben der Umrüstung der Dienstwagen auf elektrische Antriebe sollte auch der individuelle Umgang mit Mobilität überdacht werden. Es können beispielsweise THG-Emissionen eingespart werden, wenn die Mitarbeitenden zu Fuß oder mit dem Rad zum Arbeitsplatz im Handel kommen, sofern aus gesundheitlichen Gründen oder einer zu großen Distanz zum Arbeitsort nichts dagegen spricht. Zudem kann der Betrieb die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel z. B. durch ein Jobticket attraktiver gestalten. Auch die Förderung von Dienstfahrrädern ist in einigen Städten und Kommunen möglich. Zusätzlich ist die Bildung von Fahrgemeinschaften denkbar, wenn es sich von den Arbeitszeiten und den Wegen anbietet. Strecken, die mit dem Auto gefahren werden müssen, sollten optimiert werden (Routenoptimierung), insbesondere gilt dies für den Transport von Waren. Außerdem hat die Fahrgeschwindigkeit einen erheblichen Einfluss auf die ausgestoßenen THG-Emissionen. Laut Umweltbundesamt verursachten im Jahr 2020 Pkw und leichte Nutzfahrzeuge auf Bundesautobahnen in Deutschland THG-Emissionen in Höhe von rund 30,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Durch die Einführung eines generellen Tempolimits von 120 km/h auf Bundesautobahnen würden die Emissionen um jährlich 2,0 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente reduziert und ein Tempolimit von 100 km/h würde sie um 4,3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr mindern (UBA 2022b). Auch ohne generelles Tempolimit kann jede*r die Fahrgeschwindigkeit reduzieren, das spart nicht nur THG-Emissionen sondern auch Kosten ein (mobile.de 2020). Denn bei hohen Geschwindigkeiten verbrauchen Fahrzeuge überdurchschnittlich viel Kraftstoff. Nach Angaben des ADAC verbraucht ein Mittelklasseauto um bis zu zwei Drittel mehr Kraftstoff, wenn es statt 100 km/h mit 160 km/h fährt (ebd.).
Rationelle Energienutzung
Neben dem Einsatz erneuerbarer Energien zählt auch die rationelle Energienutzung zu den Maßnahmen, um das Energiesystem in Richtung Nachhaltigkeit zu transformieren. Typische Handlungsfelder der rationellen Energienutzung sind die Energieeffizienz und das Energiesparen, die beide eng miteinander verknüpft sind.
Energieeffizienz
Bei der Energieeffizienz geht es darum, Geräte und Maschinen zu nutzen, die bei gleicher Funktionserfüllung einen geringeren Energiebedarf haben. Effizienz ist dabei eine relationale Größe, die sich auf mindestens zwei vergleichbare Arten bezieht, Energie zu nutzen. Dann kann bestimmt werden, welche Art effizienter ist. Unter Energieeffizienz wird somit also die rationelle Verwendung von Energie verstanden. Durch optimierte Prozesse sollen „die quantitativen und qualitativen Verluste, die im Einzelnen bei der Umwandlung, dem Transport und der Speicherung von Energie“ entstehen, minimiert werden, „um einen vorgegebenen (energetischen) Nutzen bei sinkendem Primär- bzw. Endenergieeinsatz zu erreichen.
Nützliche Orientierung, um die Energieeffizienz zu überprüfen, können dabei Kennzeichnungen geben. Im Europäischen Wirtschaftsraum gibt die Energieeffizienzkennzeichnung gemäß Verordnung (EU) 2017/1369 Auskunft über die Energieeffizienz von Elektrogeräten und weiteren Energieverbrauchern. Die Kennzeichnung des Energieverbrauchs erfolgt für verschiedene Gerätegruppen in der EU in Form von Etiketten auf den Geräten und in den Werbematerialien für diese. Ab dem Jahr 2021 erfolgt die Kennzeichnung der Energieeffizienz in Form von Effizienzklassen. Deren Skala reicht von „A“ bis „G“, wobei Geräte mit der höchsten Effizienz mit der Kennzeichnung “A” ausgezeichnet werden. Allerdings gelten diese Energieverbrauchskennzeichnungen nur für Haushaltsgeräte und nicht für Werkzeuge und gewerbliche Maschinen. Bei gewerblich genutzten Geräten und Maschinen kann man nur über Leistungsaufnahme und Leistungsabgabe entscheiden, wie effizient die Geräte mit der Energie umgehen.
In gärtnerischen Betrieben kommen diverse Geräte zur Bearbeitung von Böden und Pflanzen zum Einsatz: Kettensägen, Laubpuster, Häcksler, Rasenmäher, Vertikutierer, Kantenschneider u.v.m. Alle diese Geräte gibt es heute als Elektrogeräte. Insbesondere, wenn es auf die Handhabung ankommt, liegen die E-Geräte vorne, da sie nicht an eine Steckdose angeschlossen werden und kein Kabel hinterhergezogen werden muss. Für kürzere Nutzungszeiten sind E-Geräte vorteilhaft, aber bei aufwändigen gärtnerischen Tätigkeiten wie das Zusammenkehren von Laub auf großen Flächen (größer 1.000 qm, vgl. Vergleich.org) oder sehr große Rasenflächen haben motorbetriebene Geräte immer noch Vorteile. Bei der Neuanschaffung sollte aber ein möglicher Vorteil einer eigenen PV-Anlage nicht unberücksichtigt gelassen werden. Eine PV-Anlage mit Batteriespeicher vermag alle Elektrogeräte über Nacht aufzuladen, so dass vom Frühjahr bis zum Herbst hinein keine Treibstoffe eingekauft werden müssen, wenn die Geräte mit zusätzlichen Akkus verwendet werden.
Energiesparen
Eine weitere Art Energie rationell zu nutzen ist das Energiesparen. Die Abgrenzung des Energiesparens zur Energieeffizienz ist allerdings nicht immer eindeutig, denn die Nutzung eines energieeffizienten Gerätes stellt immer auch eine Energieeinsparung gegenüber einem weniger effizienten Gerät dar. Eine typische Maßnahme, um Energie zu sparen, ist der Verzicht auf den „Stand-by-Betrieb“ von Elektrogeräten. Damit wird vermieden, dass Geräte durchgängig „unter Strom“ stehen und das spart gleichzeitig jährlich mehrere Kilowattstunden ein. Allein in Deutschland kostet der Stromverbrauch durch Leerlaufverluste mehrere Milliarden Euro pro Jahr. EU-weit werden die Leerlaufverluste auf jährlich 51 Mrd. Kilowattstunden geschätzt. Dies entspricht einer Energiemenge, die etwa 14 Großkraftwerke mit jeweils 800 Megawatt Leistung pro Jahr erzeugt und dabei etwa 20 Mio. t CO2 in die Atmosphäre emittieren. Insbesondere elektrische Geräte der Informations- und Kommunikationstechnik, wie sie für die betriebseigene Verwaltung zum Einsatz kommen, aber auch Elektromotoren, Transformatoren, Netzteile und Steckerleisten haben im “Stand-By-Betrieb“ erhebliche Leerlaufverluste die zwischen acht und bis zu 20 Prozent der elektrischen Nennleistung ausmachen können (UBA 2015).
Neben den Stand-by Verlusten im allgemeinen Betrieb der Gärtnerei ist eine Energieeinsparung durch optimierte Temperaturführung in Gewächshäuser möglich. In einem Modellprojekt der Hochschule Weihenstephan konnte gezeigt werden, dass rund 40 Prozent der (fossilen) Energie eingespart werden konnte (HSWT 2022). Im Prinzip geht es um eine Optimierung der Temperaturkalibrierung und der Steuerung der Heizungspumpe in Abhängigkeit von der Tageszeit in Zierpflanzenbetrieben. Von September bis Mai muss in den Zierpflanzenbetrieben eine Temperatur von 16 Grad in den Gewächshäusern erreicht werden, was zu rund 350 kWh/m2*a führt (ebd.). Dies entspricht rund 35 l Heizöl, bei einem Gewächshaus von 1.000 qm (40 m x 25 m) rund 35.000 Liter (4.200 Euro, 12.12.2022). Zu der damaligen Zeit (Untersuchungszeitraum war vor 2022) waren die Energiekosten rund 20-25 Prozent der Produktionskosten. Das “Weihenstephaner Modell” nutzt eine veränderte Temperaturführung: “Statt fest eingestellter Temperatursollwerte für den Tag und für die Nacht werden in den Morgen- und Abendstunden die Temperaturanforderungen im Gewächshaus so angepasst, dass möglichst viel Energie eingespart und der CO2-Ausstoß verringert wird.” (ebd.). Die Idee dahinter ist die Wärmesumme, die eine Pflanze zum Wachsen benötigt und nicht die gleichmäßige Temperatur über Tag und Nacht hinweg.
Beleuchtung
Die Beleuchtung im Gewächshausanbau und seine Beheizung haben einen maßgeblichen Einfluss auf den Ertrag. Daher bestehen hohe Anforderungen an die Leuchtmittel. Durch eine Umstellung von Natrium-Hochdrucklampen (HPS) auf LED-Lampen kann deutlich Energie eingespart werden (HSWT 2015). Schon 2011 zeigte Siemens in einem Modellprojekt in Dänemark, wie effizient eine angepasste LED-Beleuchtung sein kann (Siemens AG 2011). Ein Tochterunternehmen machte sich hierbei zunutze, dass Pflanzen nur spezielle Frequenzen des Lichts für die Photosynthese nutzen und entwickelten eine tiefrote Leuchtdiode für die Wellenlänge 660 Nanometer. Der Wirkungsgrad der LED betrug 37 Prozent, damals der höchstmögliche Wirkungsgrad für diese Farbe (und was bedeutet, dass 63 Prozent der eingesetzten Energie nicht zielgerichtet genutzt wird). Mit 50.000 LED wurde eine Anbaufläche von mehreren 1.000 Quadratmetern beleuchtet. Der Stromverbrauch in dem Gewächshaus sank um 40 Prozent.
Eine weitere mögliche Stellschraube bei der Beleuchtung ist die Verwendung von Strom aus regenerativen Energiequellen. Eine eigene PV-Anlage auf dem Bürogebäude oder auf dem Betriebsgelände in Verbindung mit einem Batteriespeicher kann erheblich Strom aus Sonnenlicht bereitstellen. Allerdings ist die Solarstrahlung in den Wintermonaten – gerade dann, wenn die Anzucht stattfindet, nur gering. In diesem Falle sollte zumindest der Strom aus erneuerbaren Energien – im Winter fast ausschließlich aus Windenergie – bezogen werden.
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SDG 8 Menschenwürdige Arbeit
“Dauerhaftes, inklusives und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern”
In der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie wird zum SDG 8 auf das Leitbild „Soziale Marktwirtschaft“ verwiesen (Bunderegierung 2021: 2214):
„Soziales Ziel ist es, unternehmerische Freiheit und funktionierenden Wettbewerb mit sozialem Ausgleich und sozialer Sicherheit zu verbinden. Mit Hilfe der Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft, wie fairer Wettbewerb, Unternehmerverantwortung, Sozialpartnerschaft, Mitbestimmung und gerechte Verteilung des erwirtschafteten Wohlstands, werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass wir auch in Zukunft noch Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung haben.“
Hinsichtlich des SDG 8 sind zwei Ebenen zu betrachten: Eine nationale Ebene und die globale Ebene.
Auf der nationalen Ebene steht Deutschland laut der „European Working Survey” hinsichtlich der Arbeitsbedingungen sehr gut da – 89 Prozent der Befragten geben an, mit ihrem Job zufrieden zu sein und 91 Prozent bestätigen einen fairen Umgang mit ihnen als Arbeitnehmer*innen (Eurofond 2021). Jedoch zeigt der Index “Gute Arbeit” des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB 2022) detailliert, dass es in manchen Branchen, wie dem Gesundheitssektor und bei Beschäftigten in Leiharbeitsverhältnissen noch große Defizite gibt (DGB 2022). Besonders negativ sind hierbei die Kriterien “Arbeitsintensität” und “Einkommen” aufgefallen, die notwendigen Handlungsbedarf in Berufsbildern aufzeigen.
Auch wenn Kinderarbeit und Sklaverei in Deutschland keine Rolle spielen, so ist die Umsetzung der verschiedenen Unterziele des SDG 8 eine dauerhafte Aufgabe im Sinne einer kontinuierlichen Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Noch ein zweites gilt: Aufgrund der komplexen Lieferketten müssen Unternehmen Verantwortung für ihre Produkte auch in den Ländern, wo diese hergestellt werden, übernehmen. An dieser Stelle sollen folgende Unterziele betrachtet werden:
8.5 Bis 2030 produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle Frauen und Männer, einschließlich junger Menschen und Menschen mit Behinderungen, sowie gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit erreichen
8.6 Bis 2020 den Anteil junger Menschen, die ohne Beschäftigung sind und keine Schul- oder Berufsausbildung durchlaufen, erheblich verringern
8.b Bis 2020 eine globale Strategie für Jugendbeschäftigung erarbeiten und auf den Weg bringen und den GLOBALEN BESCHÄFTIGUNGSPAKT DER INTERNATIONALEN ARBEITSORGANISATION umsetzen (ILO o. J.; Destatis o. J.)
8.7 Sofortige und wirksame Maßnahmen ergreifen, um Zwangsarbeit abzuschaffen, moderne Sklaverei und Menschenhandel zu beenden und das Verbot und die Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit, einschließlich der Einziehung und des Einsatzes von Kindersoldaten, sicherstellen und bis 2025 jede Form von Kinderarbeit ein Ende setzen
8.8 Die Arbeitsrechte schützen und sichere Arbeitsumgebungen für alle Arbeitnehmer, einschließlich der Wanderarbeitnehmer, insbesondere der Wanderarbeitnehmerinnen, und der Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen, fördern.
Die Schnittstellen zur neuen Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ ergibt sich über die Beachtung der gesellschaftlichen Folgen des beruflichen sowie der zu entwickelnden Beiträge für ein nachhaltiges Handeln (BMBF 2022)
a)Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Menschenwürdige Arbeit
Menschenwürdige Arbeit in Deutschland bedeutet vor allem Arbeit, die sich zumindest an internationalen Standards orientiert. Formuliert sind diese in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Vereinte Nationen 1948; UN-Charta, Artikel 23 und 24). Als “menschenunwürdige Arbeit” werden Kinderarbeit, Sklavenarbeit und teilweise Leiharbeit bezeichnet sowie Merkmale bei den Beschäftigungsverhältnissen, die sich nicht an den o.g. Regelwerken orientieren, wie “fehlende soziale Sicherheit”, “mangelnder Arbeitsschutz”, “Ausnutzung von Scheinselbstständigen” und “Ungleichbehandlung von Frauen”.
Saisonarbeit
Alle bei einem in Deutschland ansässigen Unternehmen befristet angestellte Arbeitnehmer: innen aus anderen Ländern werden als Saisonarbeiter bezeichnet. Laut Definition in den relevanten Vorschriften üben sie eine Tätigkeit aus die “aufgrund eines immer wiederkehrenden saisonbedingten Ereignisses oder einer immer wiederkehrenden Abfolge saisonbedingter Ereignisse an eine Jahreszeit gebunden sind, während der Bedarf an Arbeitskräften den für gewöhnlich durchgeführte Tätigkeiten erforderlichen Bedarf in erheblichem Maße übersteigt” (Zoll 2022). Folgende Bereiche setzen Saisonarbeitskräfte ein:
● Tourismus: Gaststätten, Hotels für Kellner: innen, Küchenpersonal, Zimmerservice und in Betrieben, die nicht ganzjährig geöffnet sind, wie Biergärten und Skihütten, oder auch zur Abdeckung von Arbeitsspitzen in Ausflugslokalen.
● Schaustellergewerbe auf Volksfesten, Jahrmärkten etc.
● In der Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau (Erntehilfen in Sonderkulturbetrieben wie Obst-, Gemüse- oder Weinbau).
DGB Index Gute Arbeit
Die Qualität von Arbeitsbedingungen wird seit 2012 aufgrund von 42 standardisierten Fragen in einer bundesweiten repräsentativen Erhebung ermittelt (DGB 2022). Elf Kriterien der Arbeitsqualität werden abgefragt. Im November 2022 wurde der DGB-Index Gute Arbeit 2022 veröffentlicht. Wie schon in den vorangegangenen Jahren gibt es zu den Kriterien „Arbeitsintensität“ und „Einkommen“ erheblich kritische Bewertungen.
Der Index 2022 zeigt z. B. für die Branchen „Metallerzeugung und –bearbeitung“ (64), „Ver- und Entsorgung“ (69), „Baugewerbe“ (66), „Gastgewerbe“ (62), „Information und Kommunikation“ (69), „Finanz- und Versicherungsdienstleistungen“ (68) und „Gesundheitswesen“ (62) auf, dass die Arbeitsbedingungen noch weit entfernt sind vom Anspruch „Gute Arbeit“.
In der ausführlichen Debatte über die Detailergebnisse für 2022 sticht hervor, dass Beschäftigte in Leiharbeitsverhältnissen ihre Situation auffällig schlecht bewerten (ebd.).
„Auf Branchenebene kommen Beschäftigte aus dem Gastgewerbe und dem Gesundheitswesen auf die niedrigsten Indexwerte (jeweils 62 Punkte). In der Informations- und Kommunikationsbranche (IuK) liegt der Wert dagegen bei 69 Punkten. Auch in den Branchen treten auf Ebene der Teilindizes zum Teil sehr große Unterschiede zutage. Beim Teilindex „Ressourcen“ kommen IuK-Beschäftigte auf 75 Indexpunkte, Arbeitnehmer*innen aus der Metallerzeugung und -bearbeitung dagegen lediglich auf 68 Punkte. Die höchsten Belastungen finden sich im Bereich Erziehung und Unterricht (54 Punkte) sowie im Gesundheitswesen (56 Punkte), wo häufig sowohl physische als auch psychische Belastungsfaktoren auftreten. Die größte Diskrepanz auf Branchenebene zeigt sich bei der Bewertung von „Einkommen und Sicherheit“. Hier liegen die Befragten aus dem Gastgewerbe mit 54 Punkten um 16 Punkte unter dem Wert der Beschäftigten aus der öffentlichen Verwaltung (70 Punkte).“ (a.a.O., S. 13)
Darüber hinaus zeigt der Blick in einzelne Branchen und Berufsgruppen, dass noch immer körperliche Belastungen in vielen Bereichen sehr verbreitet sind (ebd.:S. 19).
Einen wesentlichen Einfluss auf die Bewertung der eigenen Arbeitsbedingungen haben die Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten im Arbeitskontext. Im Zusammenhang mit nachhaltiger Entwicklung ist das Kriterium „Sinn der Arbeit“ eine wesentliche Ressource zur Beurteilung der eigenen Arbeitsbedingungen. Dazu führt der Bericht „Index Gute Arbeit 2022“ aus: „Der Sinngehalt von Arbeit ist eine Ressource, die sich aus unterschiedlichen Quellen speisen kann. Dazu gehört, dass die Produkte bzw. Dienstleistungen, die produziert oder erbracht werden, als nützlich erachtet werden. Häufig ist dies mit der Einschätzung verbunden, ob die Arbeit einen gesellschaftlichen Mehrwert erzeugt. Sinnhaftigkeit kann dadurch entstehen, dass die Arbeit einen Nutzen für Andere hat. Und wichtig für Sinnempfinden ist auch, dass die eigenen, ganz konkreten Arbeitsaufgaben und -merkmale nicht sinnlos erscheinen. Wird Arbeit als sinnvoll empfunden, wirkt sich das positiv auf die Motivation und das Wohlbefinden der Beschäftigten aus. Dauerhaft einer als sinnlos erachteten Arbeit nachzugehen, stellt dagegen eine mögliche psychische Belastung und damit ein gesundheitliches Risiko dar.
BDA - Die Arbeitgeber
Die Arbeitgeber argumentieren mit positiven Statistiken, dass die Arbeitsbedingungen in Deutschland sehr gut sind (BDA o. J.). So sind laut der European Working survey 89 Prozent der in Deutschland Beschäftigten mit ihrem Job zufrieden, 74 Prozent gaben in der Befragung an, dass ihnen ihr Job Spaß macht und 91 Prozent bestätigen einen fairen Umgang am Arbeitsplatz (Eurofond 2021, BDA o. J.). Auch hinsichtlich der Arbeitssicherheit ist die Entwicklung positiv: Sowohl die Arbeitsunfälle als auch die Unfallquote hat sich seit 1991 halbiert (BDA o. J.). Diese befinden sich seit 2004 unter 1 Mio. und bewegen sich seitdem zwischen 954.000 und 760.000 gemeldeten Fällen (Statista 2021).
Außerdem wird auf die Prävention und den Gesundheitsschutz hingewiesen, für den 2016 ca. 5 Mrd. Euro ausgegeben wurden, was 40 Prozent der gesamten Ausgaben von 11,7 Mrd. Euro ausmacht (BDA o. J.). Die betriebliche Gesundheitsförderung, wie Stressmanagement, gesundheitsgerechte Mitarbeiterführung oder Reduktion der körperlichen Belastung kommt dabei sowohl den Beschäftigten als auch den Arbeitgebern zugute. Zuletzt wird noch auf die Eigenverantwortung hingewiesen, die aus selbstverantwortlichen Entscheidungen und flexibleren Arbeitszeiten resultiert.
Prekäre Beschäftigungsverhältnisse
Menschen arbeiten auch in Deutschland teilweise in prekären Beschäftigungsverhältnissen und die “Bedeutung des sogenannten Normalarbeitsverhältnisses nimmt ab, während atypische Formen von Arbeit an Bedeutung zunehmen” (Jakob 2016). Dazu zählen befristete Arbeitsverträge, geringfügige Beschäftigung, Zeitarbeit, (Ketten-)Werkverträge und verschiedene Formen der (Schein-)Selbstständigkeit oder auch Praktika. Durch die Agenda 2010 wurde das Sicherungsniveau für von Arbeitslosigkeit Betroffene deutlich gesenkt (Arbeitslosengeld I in der Regel nur für ein Jahr, danach Arbeitslosengeld II). Menschen sehen sich eher gezwungen, “jede Arbeit zu fast jedem Preis und zu jeder Bedingung anzunehmen. Das hat dazu geführt, dass die Löhne im unteren Einkommensbereich stark gesunken sind” (Jakob 2016). 2015 wurde mit der Einführung des Mindestlohns dagegen gesteuert.
Das Thema betrifft auch das SDG 10 “Ungleichheit”, denn jeder Mensch hat das Recht auf faire und gute Arbeitsverhältnisse, dies ist vielen Menschen jedoch verwehrt. Prekäre Beschäftigung widerspricht dem Leitbild von ”Guter Arbeit“, verbaut Entwicklungsmöglichkeiten von Beschäftigten und verstärkt nachweislich den Trend zu psychischen Belastungen und Erkrankungen sowie deren Folgewirkungen (Jakob 2016) (siehe auch SDG “Gesundheit”).
Kinderarbeit
Zur Definition und Umsetzung von menschenwürdigen Arbeitsbedingungen sind global große Unterschiede zu verzeichnen. Ein Beispiel hierfür ist die Kinderarbeit, die weltweit noch immer verbreitet ist. 79 Millionen Kinder arbeiten unter ausbeuterischen Bedingungen, vor allem in Fabriken, die wenig qualifiziertes Personal benötigen oder in der Landwirtschaft sowie im Bergbau (BMZ 2021 und 2022). Nach Angaben der ILO müssen weltweit rund 152 Millionen Kinder zwischen fünf und siebzehn Jahren arbeiten, vor allem in der Landwirtschaft, als Hausangestellte oder in Minen. Viele dieser Tätigkeiten sind gesundheitsgefährdend. Die ILO setzt sich schon lange für die Abschaffung von Kinderarbeit ein, sie ist Partnerorganisation in der „Allianz 8.7“, einer globalen Partnerschaft, die sich zum Ziel gesetzt hat, Zwangsarbeit, moderne Sklaverei, Menschenhandel und Kinderarbeit weltweit zu beseitigen, wie es in den Zielen für nachhaltige Entwicklung 2030 formuliert wurde. (ILO 2021) Unter Mitwirkung der deutschen Bundesregierung wird seit 1992 ein von der ILO betriebenes Internationales Programm zur Abschaffung der Kinderarbeit umgesetzt (International Programme on the Elimination of Child Labour, IPEC<, BMZ 2022).
Arbeitsschutz, Gesundheit und Gute Arbeit
Im Bereich “Gesundheit” und “Gute Arbeit” sind durch die Folgen des Klimawandels wesentliche neue Herausforderungen sowohl für die Arbeitskräfte als auch für die Gesellschaft festzustellen. Bei Bauarbeiten im Freien sind alle Arbeitenden durch Extremwetterereignisse wie hohe Temperaturen und langanhaltende Hitzewellen, oder auch Starkregenereignisse, mit diesen neuen Herausforderungen direkt konfrontiert.
Gender Pay Gap
Unterschiedliche Entlohnung für vergleichbare Tätigkeiten und Qualifikation für Frauen und Männer lassen sich durch die statistischen Erhebungen des Statistischen Bundesamtes aufzeigen. In einer Pressemitteilung vom März 2022 wird betont, dass Frauen pro Stunde noch immer 18 Prozent weniger verdienen als Männer: „Frauen haben im Jahr 2021 in Deutschland pro Stunde durchschnittlich 18 Prozent weniger verdient als Männer. Damit blieb der Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern – der unbereinigte Gender Pay Gap– im Vergleich zum Vorjahr unverändert. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) anlässlich des Equal Pay Day am 7. März 2022 weiter mitteilt, erhielten Frauen mit durchschnittlich 19,12 Euro einen um 4,08 Euro geringeren Bruttostundenverdienst als Männer (23,20 Euro). Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 16.02.2023 müssen Frauen bei gleicher Arbeit auch gleich bezahlt werden, eine individuelle Aushandlung der Lohn- oder Gehaltshöhe ist damit nicht wirksam (Zeit Online 2023).
Deutsches Sorgfaltspflichtengesetz
Um ihrer Verantwortung zum Schutz der Menschenrechte gerecht zu werden, setzt die Bundesregierung die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen mit dem Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte von 2016 (Nationaler Aktionsplan, Bundesregierung 2017; 2021; 2022) in der Bundesrepublik Deutschland mit einem Gesetz um. Das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten ist besser unter dem Namen Lieferkettengesetz oder auch Sorgfaltspflichtengesetz bekannt (BMAS 2022, o.a. “Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz”). Dort ist die Erwartung an Unternehmen formuliert, mit Bezug auf ihre Größe, Branche und Position in der Lieferkette in angemessener Weise die menschenrechtlichen Risiken in ihren Liefer- und Wertschöpfungsketten zu ermitteln, ihnen zu begegnen, darüber zu berichten und Beschwerdeverfahren zu ermöglichen.
Das Lieferkettengesetz tritt 2023 in Kraft und gilt dann zunächst für Unternehmen mit mehr als 3.000, ab 2024 mit mehr als 1.000 Angestellten. Es verpflichtet die Unternehmen, in ihren Lieferketten menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in angemessener Weise zu beachten. Kleine und mittlere Unternehmen werden nicht direkt belastet. Allerdings können diese dann betroffen sein, wenn sie Teil der Lieferkette großer Unternehmen sind.
Unabhängig ob betroffen oder nicht: Es lohnt sich auch für kleinere Unternehmen, sich mit dem Gesetz adressierten Nachhaltigkeitsthemen auseinanderzusetzen, um das eigene Handeln entlang dieser Leitplanken zu überprüfen. Der Nachhaltigkeitsbezug ist unter anderem durch den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) gegeben, er gab einen wichtigen Impuls für das Gesetz. Der NAP wurde gemeinsam von Politik und Unternehmen verabschiedet, um zu einer sozial gerechteren Globalisierung beizutragen (Bundesregierung 2017). Ergebnisse einer 2020 im Rahmen des Nationalen Aktionsplans durchgeführten repräsentativen Untersuchungen zeigten jedoch, dass lediglich zwischen 13 und 17 Prozent der befragten Unternehmen die Anforderungen des Nationalen Aktionsplans erfüllen (VENRO 2021). Der gesetzgeberische Impuls war also erforderlich, um die Einhaltung der Menschenrechte zu fördern und damit auch zu einem fairen Wettbewerb zwischen konkurrierenden Unternehmen beizutragen.
Das Lieferkettengesetz rückt internationale Menschenrechtsabkommen und lieferkettentypische Risiken in den Blick: Dazu zählen bspw. das Verbot von Kinderarbeit, der Schutz vor Sklaverei und Zwangsarbeit, die Vorenthaltung eines gerechten Lohns, der Schutz vor widerrechtlichem Landentzug oder der Arbeitsschutz und damit zusammenhängende Gesundheitsgefahren. Es werden zudem internationale Umweltabkommen benannt. Sie adressieren die Problembereiche Quecksilber, persistente organische Schadstoffe und die grenzüberschreitende Verbringung gefährlicher Abfälle und ihre Entsorgung. Zu den jetzt gesetzlich geregelten Sorgfaltspflichten der Unternehmen gehören Aufgaben wie die Durchführung einer Risikoanalyse, die Verankerung von Präventionsmaßnahmen und das sofortige Ergreifen von Abhilfemaßnahmen bei festgestellten Rechtsverstößen. Die neuen Pflichten der Unternehmen sind nach den tatsächlichen Einflussmöglichkeiten abgestuft, je nachdem, ob es sich um den eigenen Geschäftsbereich, einen direkten Vertragspartner oder einen mittelbaren Zulieferer handelt. Bei Verstößen kann die zuständige Aufsichtsbehörde Bußgelder verhängen. Unternehmen können von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden.
Grundsätzliche Vorschriften für die Beschäftigung von Saisonarbeiterinnen und Saisonarbeitern in Deutschland
Alle befristet bei einem in Deutschland ansässigen Unternehmen angestellten Arbeitnehmer:innen aus anderen Ländern werden als Saisonarbeitende bezeichnet. Laut Definition in den relevanten Vorschriften üben sie eine Tätigkeit aus die “aufgrund eines immer wiederkehrenden saisonbedingten Ereignisses oder einer immer wiederkehrenden Abfolge saisonbedingter Ereignisse an eine Jahreszeit gebunden sind, während der der Bedarf an Arbeitskräften den für gewöhnlich durchgeführte Tätigkeiten erforderlichen Bedarf in erheblichem Maße übersteigt”. (Zoll 2022)
Folgende Bereiche setzen Saisonarbeitskräfte ein:
● Tourismus: Gaststätten, Hotels für Kellner:innen, Küchenpersonal, Zimmerservice und in Betrieben, die nicht ganzjährig geöffnet sind, wie Biergärten und Skihütten, oder auch zur Abdeckung von Arbeitsspitzen in Ausflugslokalen.
● Schaustellergewerbe auf Volksfesten, Jahrmärkten etc.
● In der Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau (Erntehilfen in Sonderkulturbetrieben wie Obst-, Gemüse- oder Weinbau).
Grundsätzlich gelten für alle Unternehmen, die Saisonarbeiter:innen beschäftigen, folgende Vorschriften:
● Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG)
● Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV)
● Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG)
● Mindestlohngesetz (MiLoG)
● Sozialversicherungsentgeltordnung(SvEV)
● Gewerbeordnung (GewO)
● Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
● Nachweisgesetz (NachwG)
● Zivilprozessordnung (ZPO)
● Technische Regeln für Arbeitsstätten-Unterkünfte (ASAR 4.4)
● Entsenderichtlinie (Richtlinie 96/71/EG)
● Änderungsrichtlinie zur Entsenderichtlinie (Richtlinie (EU)2018/957)
● Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung (PfändfreiGrBek)
Durch zahlreiche Verfehlungen von Unternehmen, die während der Coronakrise aufgedeckt wurden, gerieten u. a. die Unterbringung von Saisonbeschäftigten, deren Krankenversicherungen und Besoldungen ins Visier der Öffentlichkeit. Für die Zahlung von Mindestlohn gelten Ausnahmeregelungen zur Anrechnung von Verpflegung und Unterkunft (nach §107 Abs.2 GewO). (Zoll 2022): ““Soweit Arbeitgeber jedoch zur Zahlung eines Mindestentgelts auf der Grundlage des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG) oder des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) verpflichtet sind, ist eine Anrechnung von Sachleistungen nicht zulässig”.
Zur Qualität von Sachleistung – die Unterkünfte von Saisonarbeitskräften sind teilweise katastrophal, siehe unten “Beispiel Obstbetrieb in Baden-Württemberg” – werden auch Vorschriften gemacht (Zoll 2022): “Die vom Arbeitgeber gewährte Sachleistung muss von „mittlerer Art und Güte“ sein; d. h. Unterkunft und Verpflegung dürfen qualitativ nicht zu beanstanden sein. Als Maßstab für die Bewertung können die „Technischen Regeln für Arbeitsstätten – Unterkünfte (ASR A4.4)“ herangezogen werden. Die Anforderungen nach der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) an Unterkünfte, die vom Arbeitgeber für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die von ihrem regelmäßigen Arbeitsplatz entfernt eingesetzt werden, unmittelbar oder mittelbar, entgeltlich oder unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden, sind zwingend einzuhalten.”
Im Bericht “Saisonarbeit in der Landwirtschaft”(Initiative Faire Landarbeit 2021) wird u. a. auf Arbeitsrechtsverletzungen bezüglich fehlender Sozial- und Krankenversicherung aufgrund kurzfristiger Beschäftigung, unvollständige Lohnzahlungen und überhöhte Lohnabzüge, mangelhafte Unterkünfte und Verstöße gegen Infektionsschutzmaßnahmen und gegen den Gesundheitsschutz (Initiative Faire Landarbeit 2021, S. 23) hingewiesen.
“Katastrophale Unterbringung bei einem Obstbetrieb in Baden-Württemberg: Durch eine Videoaufzeichnung eines Beschäftigten und einen Presseartikel wurden die Beratungsstelle mira und die Betriebsseelsorge Stuttgart-Rottenburg auf die Situation einer Gruppe von 24 georgischen Saisonarbeiter*innen auf einem Obsthof aufmerksam. Mehrfach suchten sie die Menschen aus Georgien auf dem Betriebsgelände auf. Was sie vorfanden, waren unzumutbare Verhältnisse: Container mit verschimmelten Wänden und Decken, als Toiletten dienten zum Teil Dixie-Kabinen im Freien, Fenster ließen sich nicht öffnen oder waren zugemauert. In einer Toilette war der Bretterboden durchgebrochen, in einigen Containern gab es keine Spinde für Kleidung. Frauen mussten zur Toilette durch den Männer-Container. Kakerlaken und Ungeziefer waren ständige Begleiter. Arbeitskleidung, die ihnen in Georgien zugesichert worden war, bekamen die Beschäftigten nicht, so dass sie mit Sandalen oder Halbschuhen im Matsch und in der Kälte Erdbeeren pflücken mussten. Verpflegung gab es nur abends, obwohl die Beschäftigten zeitweise um fünf Uhr morgens mit der Arbeit beginnen mussten. Den Hof durften die Saisonarbeiter*innen nicht verlassen, da immer wieder kurzfristig Arbeit angeordnet wurde. …..”
Über die Hauptprobleme in der Landwirtschaft gibt auch die Branchenkoordination Landwirtschaft bei “Faire Mobilität” Auskunft (Europäischer Verein für Wanderarbeiterfragen – EVW; DGB o. J.).
Saisonarbeit in Gemüsebau, Obstbau und Landwirtschaft
Die Saisonarbeit stellt eine wichtige Unterstützung des landwirtschaftlichen Sektors in Deutschland dar. Nach Erhebungen des Statistischen Bundesamtes machten Saisonarbeitskräfte in den Jahren 2019/ 2020 rund 30 Prozent der Arbeitskräfte in der Landwirtschaft aus (Destatis 2022; BMEL 2022). Im Berichtszeitraum März 2019 bis Februar 2020 – also noch vor der Corona-Krise – waren von den bundesweit rund 940.000 Arbeitskräften in der Landwirtschaft 43,4.000 als Familienarbeitskräfte beschäftigt. Von den 504.000 familienfremden Arbeitskräften waren ca. 275.000 als Saisonarbeitskräfte beschäftigt (55 %, BMEL 2022). In Rheinland-Pfalz waren es rund 50 Prozent, in Hamburg 44 Prozent und in Brandenburg 40 Prozent aller landwirtschaftlichen Arbeitskräfte (Destatis 2022).
Somit ist aus Sicht der Arbeitgeber*innen und der Volkswirtschaft die Saisonarbeit eine wichtige Stütze der landwirtschaftlichen Betriebe. Ohne Saisonarbeiter*innen wären, besonders in der Erntezeit von Beeren, Baumobst, Weintrauben und Spargel, die anfallenden Arbeiten kaum zu bewältigen (DGB 2022). In den Anfängen von Covid-19 mussten aufgrund der großen Abhängigkeit von Saisonkräften sogar Sonderregelungen geschaffen werden, um Erntehelfer/innen einreisen lassen zu können (Lechner 2020:5). In Deutschland konnte, anders als in anderen EU-Staaten, die Saisonarbeit mehrheitlich mit EU-Bürger*innen abgedeckt werden (v.a. aus Rumänien und Polen, Lechner 2020:5). Sie benötigen keine Arbeitserlaubnis. Allerdings möchten dies immer weniger Menschen aus der EU-Saisonarbeit verrichten. Folgedessen wird mit einem wachsenden Bedarf aus Drittstaaten gerechnet (ebd.). Dafür müssen die Voraussetzungen für die Beschäftigung durch die Bundesagentur für Arbeit geprüft werden. Mit Georgien und der Republik Moldau wurde hierfür die Befreiung von der Visapflicht geregelt (BA 2021), weitere Absprachen mit Ländern wie Albanien, Bosnien-Herzegowina und Nord Mazedonien stehen an (Lechner 2020:5).
Zuständig für die Vermittlung der Saisonkräfte aus dem Ausland ist die Zentrale Auslandsvermittlung (ZAV). Sie informiert die ausländischen Beschäftigten in einem Info-Brief über den Mindestlohn, die Arbeitszeiten und Pausen, den Arbeitsschutz, Krankheit, Unterkunft und Sozialversicherungsabgaben und Steuern (ZAV 2021) und weist auf Internetseiten wie www.faire-integration.de/en (IQ o. J.) mit Informationen in z. B. rumänisch hin.
Ein großer Anteil der Saisonarbeiter*innen arbeitet auf der Basis der “kurzfristigen Beschäftigung“ (DGB o. J.). Eine kurzfristige Beschäftigung ist sozialversicherungsfrei und an bestimmte Voraussetzungen gebunden: Sie darf maximal 70 Tage pro Jahr und nicht „berufsmäßig“ ausgeübt werden (ebd.). Diese Form der Beschäftigung führt zu einer Reihe von Nachteilen für die Saisonarbeiter*innen, die über unterschiedliche Kanäle aus Ost- und Südosteuropa rekrutiert werden (DGB o. J.). Eines der Hauptprobleme sind für die Betroffenen nicht nachvollziehbare Lohnkürzungen (ebd.). Weiterhin ist die Unterbringung der Arbeitskräfte aufgrund baulicher Mängel und schlechten Sanitäreinrichtungen teilweise problematisch (ebd.). Mangelhafter Arbeitsschutz, insbesondere fehlender UV-Schutz, erschwert die Arbeitsbedingungen auf dem Feld. Ein fehlender bzw. eingeschränkter Krankenversicherungsschutz von kurzfristig Beschäftigten führt zu Problemen im Krankheitsfall, insbesondere bei der Behandlung chronischer Krankheiten (ebd.).
Auf europäischer Ebene werden zurzeit sowohl Regelungen zur Sozialversicherung bzgl. wandernder Arbeitskräfte als auch die Möglichkeit,für die deutsche Bevölkerung in Bezug auf Sozialleistungen und kurzfristig Beschäftigten diskutiert. Solange diese “Grauzone” besteht, wird im Sinne sozialer Nachhaltigkeit die Sorgfaltspflicht von Unternehmen angesprochen.
Zur Stärkung der arbeitsrechtlichen Situation haben der DGB und die IG BAU Forderungen aufgestellt, die Unternehmen als Leitlinien dienen können (DGB 2022):
● Eine transparente, monatlich ausgehändigte Entgeltabrechnung,
● Aushändigung von schriftlichen Arbeitsverträgen (oder im Fall mündlicher Arbeitsverträge der wichtigsten Arbeitsbedingungen nach § 2 Nachweisgesetz) vor der Abreise im Heimatland, in einer für sie verständlichen Sprache in doppelter Ausführung,
● Schutz vor einer Unterschreitung des Mindestlohnes aufgrund von Akkordvereinbarungen durch Verpflichtung aller Betriebe zur Einrichtung eines verlässlichen, objektiven und manipulationssicheren Zeiterfassungssystems,
● ausreichende, flächendeckende und konzertierte Kontrollen durch die unterschiedlichen zuständigen Behörden, die zumindest in der anstehenden Erntesaison durch eine „Task-Force Faire Arbeit in der Landwirtschaft“ zusammengeführt werden sollten,
● Erleichterung der Zutrittsregelungen der IG BAU und der Beratungsstellen der Initiative Faire Landarbeit zu den Beschäftigten, um diese über ihre Rechte am Arbeitsplatz in Deutschland in ihrer jeweiligen Muttersprache aufzuklären und über die Angebote der Beratungsstellen und Gewerkschaft zu informieren.
Die Bundesagentur für Arbeit sieht in fairen und attraktiven Lohn- und Arbeitsbedingungen auch einen wichtigen Faktor, um im europaweiten Wettbewerb um Saisonarbeitskräfte konkurrenzfähig zu bleiben (Lechner 2020:6).
Quellenverzeichnis
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BA Bundesagentur für Arbeit (2021): Saisonbeschäftigung in der Landwirtschaft, Hinweisblatt für Arbeitgeber. Online: www.arbeitsagentur.de/datei/saisonbeschaeftigung-in-der-landwirtschaft_ba146892.pdf
BDA (o. J.): ARBEITSBEDINGUNGEN IN DEUTSCHLAND MIT SPITZENWERTENARBEITSBEDINGUNGEN IN DEUTSCHLAND MIT SPITZENWERTEN
BMAS Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2020) Eckpunkte „Arbeitsschutzprogramm für die Fleischwirtschaft“. Online: www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Pressemitteilungen/2020/eckpunkte-arbeitsschutzprogramm-fleischwirtschaft.pdf
BMAS Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2022): Sorgfaltspflichtengesetz – Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten. Online: https://www.bmas.de/DE/Service/Gesetze-und-Gesetzesvorhaben/gesetz-unternehmerische-sorgfaltspflichten-lieferketten.html
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: https://www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2017): Nachhaltigkeit im Personalmanagement. Online: nachhaltig-forschen.de/fileadmin/user_upload/FactSheets_LeNa_Personal.pdf
BMEL Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2022): Beschäftigung und Mindestlohn. Online: https://www.bmel.de/DE/themen/landwirtschaft/agrarsozialpolitik/saisonarbeitskraefte-landwirtschaft.html BMZ Bundesministerium für Wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (2021): Das Lieferkettengesetz. Online: https://www.bmz.de/de/entwicklungspolitik/lieferkettengesetz
BMZ Bundesministerium für Wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) 2021: Das Lieferkettengesetz. Online: https://www.bmz.de/de/entwicklungspolitik/lieferkettengesetz
BMZ Bundesministerium für Wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) 2022: Gemeinsam gegen Kinderarbeit. Online: https://www.bmz.de/de/themen/kinderarbeit
Bundesregierung (2017): Online: Nationaler Aktionsplan Umsetzung der VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Online: https://india.diplo.de/blob/2213082/a20dc627e64be2cbc6d2d4de8858e6af/nap-data.pdf
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Bundesregierung (2022): Grundsatzbeschluss 2022 zur Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Online: https://www.bundesregierung.de/resource/blob/992814/2146150/16d54e524cf79a6b8e690d2107226458/2022-11-30-dns-grundsatzbeschluss-data.pdf?download=1
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SDG 11 Nachhaltige Städte und Gemeinden
“Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig gestalten”
Das SDG 11 zielt darauf ab, die Umweltqualität pro Kopf in den Städten zu reduzieren. Luftqualität und Abfallbehandlung sowie Todesfälle aufgrund von Katastrophen sollen reduziert werden. Zudem soll der sichere und inklusive Zugang zu Grünflächen im öffentlichen Raum gefördert werden. Soziale und ökologische Verbindungen zwischen Land und Stadt sowie der Bau nachhaltiger Gebäude unter Nutzung regionaler Materialien sollen gefördert werden. Für den Gärtner und die Gärtnerin sind die klimaangepasste Gestaltung öffentlicher Grünflächen sowie die regionale innovative Ernährungssicherung durch nachhaltigen Anbau unter Nutzung erneuerbarer Energien relevant:
SDG 11.a durch verstärkte nationale und regionale Entwicklungsplanung positive wirtschaftliche, soziale und ökologische Verbindungen zwischen städtischen, stadtnahen und ländlichen Gebieten unterstützen.
SDG 11.b Die Zahl der Städte, die Pläne zur Förderung der Ressourceneffizienz, der Abschwächung des Klimawandels, der Klimaanpassung und der Widerstandsfähigkeit gegenüber Katastrophen … umsetzen, erhöhen…
Die Schnittmenge für das SDG 11 ergibt sich aus den Nummern a und b der Standardberufsbildposition (BIBB 2020):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen.
Besonders der Gala-Bau hat viel Potenzial, zur nachhaltigen Gestaltung von Siedlungen beizutragen, aber ohne Baumschulen und Stauden kann er nicht arbeiten. Ebenso kann die Friedhofsgärtnerei zu grünen Inseln in der Stadt beitragen. Ansichts höherer Temperaturen und vermehrter Hitzetage ist die innerstädtische/innerörtliche Begrünung, obwohl dies schon seit Jahren bekannt ist, verstärkt in der Diskussion (vgl. z. B. UBA 2015). Die Beschattung von Straßenzügen und die Nutzung öffentlicher Flächen sind unter diesem Aspekt der Klimaveränderungen neu zu bedenken. Weiterhin ist das Wassermanagement zur Bewässerung von Sportstätten und Grünanlagen eine Herausforderung.
Die Fachrichtungen des Produktionsgartenbaus können ebenfalls Know-How einbringen. Sie stellen klimaangepasste Pflanzensorten für verschiedene Pflanzungen in öffentlichen wie in privaten Bereichen zur Verfügung. Auch Friedhöfe sind ein wesentlicher Teil innerstädtischen Grüns und es gibt Modellprojekte für neue Nutzungsformen (z. B. Urbanes Gärtnern, Deutschlandfunk 2019). Auch scheinbar alltägliche Standard-Pflegeaufgaben wie das Unkrautmanagement können auf energie-und umweltfreundliche Weise geplant werden. Weiterhin sind Obst-und Gemüsegärtner:innen vielerorts an partnerschaftlichen Konzepten zwischen Stadt und Land zur Nahrungsmittelversorgung beteiligt.
Farm-to-Fork
Die Europäische Union hat im Rahmen des sogenannten “Green Deal” die “Farm-to-Fork-Strategie” entwickelt (Bundesregierung 2020). Der Fokus liegt im Wesentlichen auf Ernährungssicherheit, Nachhaltigkeit und Transparenz. Ziel ist es, eine nachhaltige und wirtschaftlich tragfähige Land- und Ernährungswirtschaft zu entwickeln bzw. zu stützen, die auf Innovation und digitale Technik setzt und das gesamte Ernährungssystem von der Erzeugung bis zum Verbraucher einschließt. Die Bundesregierung hat sich dieser Strategie 2020 unter der Bezeichnung „Hof auf den Teller“-Strategie angeschlossen (ebd.). Dies ist auch ein Beitrag, dass die EU bis 2050 klimaneutral wird. Die Strategie beinhaltet: Sicheres Ernährungssystem, gerechtes Einkommen für Primärerzeuger, Forschung und Innovation, Kennzeichnung von Lebensmitteln, gesunde und nachhaltige Ernährung sowie Bodenfruchtbarkeit.
Solidarische Landwirtschaft und Prosument*innen
Beim Konzept der solidarischen Landwirtschaft ( inkl. Gemüse-/Obstanbau) werden die Lebensmittel nicht mehr über öffentliche Vermarktung vertrieben, sondern fließen in einen eigenen überschaubaren Wirtschaftskreislauf, der von den Konsument*innen mit organisiert und finanziert wird (vgl. Solidarische-landwirtschaft.org). Der Begriff “Prosument” setzt sich aus den Teilen PROduzent und KONsument zusammen und wurde zuerst von Alvin Toffler Anfang der 80er Jahre eingeführt (Toffler 1983 nach Wikipedia 2022, s.a. Gabler o. J.). Gemeint ist eine Beteiligung von Konsumierenden an der Produktion der Waren. So werden sie zu “Prosumenten”, die einen aktiven Beitrag zur Erzeugung ihres eigenen Konsumguts leisten.
Besonders für kleine (Familiengeführte-)Betriebe scheint die solidarische Landwirtschaft auch in Verbindung mit der Prosumenten-Strategie eine Zukunftsperspektive sowohl in der Landwirtschaft als auch im Gemüse- und Obstanbau zu sein, da ihre Produktion garantiert abgenommen wird und sie mit den Einnahmen kalkulieren können. Die Kunden und Kundinnen leben häufig in der nahegelegenen Stadt und können sich zudem an der Organisation der Verteilung der Ernte sowie auch, je nach Möglichkeiten, an unterstützenden Außenarbeiten (z. B. im Sommer das Beikraut entfernen) beteiligen. In Deutschland gab es 2020 bereits ca. 300 SoLaWis (Bioland 2020a,b). In Frankreich ca. 4.000, in den USA 12.000, und in Südkorea wurden schon 2014 ca. 1,6 Mio Menschen über das dort heimische “Hansalim”-Projekt – auf deutsch “Alles Lebendige bewahren” – versorgt (One-World-Award 2014, vgl. auch die Übersicht in Wikipedia o. J.). Bezogen auf gärtnerische Gemüse- oder Obstbaubetriebe kann die Solidarische Landwirtschaft in dieses Konzept eingeordnet werden. Die Anregungen von Toffler könnten auch andere Handlungsbereiche inspirieren, wo Menschen zur Partizipation an der Gestaltung ihres Umfeldes eingeladen und zugelassen werden sollen.
Urban gardening
Konzepte, die aktuell unter dem Sammelbegriff “Städtisches Gärtnern/Urban Gardening” in populärer Form im Kontext von Klimawandel und der “Transition-Town-Bewegung” vielerorts auftauchen, haben eine lange Geschichte (vgl. hierzu die Übersicht in wikipedia o. J. sowie Gartenbau 2021). In Kriegs- und Krisenzeiten haben Menschen vielerorts kurzerhand städtische Grünflächen umgegraben, um zu überleben. Schrebergärten gibt es in Deutschland schon seit 200 Jahren (planet-wissen 2020). Im 19. Jahrhundert beschrieb Landbesitzer und Wirtschaftsgeograf Johann Heinrich von Thünen ein Landnutzungsmodell (die sogenannten Thünensche Ringe), das die Nachfrage der Stadtbevölkerung und die Transportkosten und -möglichkeiten gewichtete (Thünen 1842 nach wikipedia o. J.): “Eine rational handelnde Bevölkerung baute in unmittelbarer Nähe der Städte schnell verderbliche Lebensmittel an, die auf den Märkten der Stadt hohe Preise erzielen konnte. Je transportfähiger ein Lebensmittel war, desto weiter entfernt wurde es von den Absatzmärkten angebaut (Steel zitiert nach Wikipedia o. J.). Aus heutiger Perspektive der Nachhaltigkeit und der Globalisierung der Ernährung scheint dieser Ansatz geradezu revolutionär: Kurze Transportwege, Ernährungssicherheit und Wirtschaftlichkeit wurden miteinander verwoben.
Aktuelle Initiativen des Urban Gardening verbinden oft vorwiegend soziale Ziele, Menschen im Stadtteil interessenorientiert und durch sinnvolle Tätigkeiten in Begegnung und Kommunikation zu bringen, mit Bildungsanliegen, durch Eigeninitiative zur Erzeugung von Lebensmitteln beitragen zu können. Das auf diese Weise ermutigte Engagement der Bevölkerung richtet sich meist auf kleine Flächen, die (wieder) fruchtbar gemacht werden und gleichsam nebenbei zur Verbesserung des Stadtklimas beitragen können. Ein Beispiel ist der Stadtacker in Berlin auf dem Tempelhofer Feld, auf dem Mitglieder eines Vereins auf Hochbeeten Gemüse anbauen können (GRÜNBERLIN o. J.).
Großprojekte hingegen sind auf die Unterstützung professioneller Gärtner*innen angewiesen, um erfolgreich Ernten einzufahren. Es ist die Kernkompetenz von Gärtnern und Gärtnerinnen mit ihrem Fachwissen, welche Erden und Substrate sich eignen, wie Pflanzen zu pflegen sind und auch wie evtl. auftretende Schädlinge behandelt werden können. In Paris gibt es z. B. ein Großprojekt auf einem Pariser Expo-Gebäude, eine der größten Hydrokulturen in Europa (ProSieben 2021). Frankreich hat hierzu ein Gesetz erlassen, dass alle neuen Dächer von kommerziellen Hochhäusern mit PV-Anlagen und/oder Dachgärten angelegt werden müssen (ebd.). Projektbeispiele existieren inzwischen in vielen Städten. Orientierung mit vielen Basisinformationen und Vernetzungsangeboten finden sich bei dem landesweiten Netzwerk “Urbane Gemeinschaftsgärten” (anstiftung 2022).
Schmidt hat berechnet, dass ein Mensch zur 100 prozentigen Selbstversorgung mit Obst und Gemüse rund 160 m2 Fläche braucht (Schmidt/Energievoll 2020/Badenova). Nimmt dieser Mensch noch ca. 1.000 Kalorien durch Brot oder andere Getreidespeisen pro Tag zu sich, so wären weitere 138 m2 nötig (eigene Berechnung: 1 m2 Ackerfläche für 1 kg Weizen bzw. Brot, 265 kcal pro 100 g Brot). Öle wie Rapsöl sind sehr flächenintensiv zu gewinnen (vgl. FiBL 2018) mit 0,77 t Bio-Rapsöl pro Hektar. Nimmt man an, dass zusätzlich zu obigen Obst und Gemüse sowie Brot noch täglich 50 g Rapsöl zum Kochen und Backen verwendet werden, so ergibt dies weitere 237 qm bzw. ca. 450 kcal pro Tag – die Kalorienzahl wäre also mehr als ausreichend für aktive Menschen. Die Flächen summieren sich so auf grob geschätzt 600 m2 für eine spartanische vegane Selbstversorgung. Eine genauere Untersuchung aus der Neuen Zürcher Zeitung ergab einen Flächenbedarf von insgesamt 732 m2, wobei hier Hülsenfrüchte eine große Bedeutung bekommen, um auch eine ausreichende Ernährung mit Eiweißen sicherzustellen (NZZ 2017). Eine Großstadt wie Berlin mit 3,7 Mio. Einwohnern würde somit eine Fläche von 271.000 ha bzw. 2.710 km2 benötigen. Die Fläche von Gesamtberlin beträgt aber nur knapp 900 km2. Fleischesser benötigen mit 2.353 m2 pro Person übrigens mehr als das dreifache der Fläche von Veganern.
Stadtbegrünung und Klimaanpassung
“Gerade Städte haben mit höheren Maximal- und Durchschnittstemperaturen zu kämpfen, wegen des hohen Bebauungs- und Versiegelungsgrades” so das Umweltbundesamt schon in 2014 (UBA 2014). Angesichts von Klimawandel und mehr Hitzetagen muss die Stadtbegrünung unbedingt voranschreiten (BMBF 2022). Unter dem Stichwort “Blau-grüne Infrastruktur” (Enercity 2022) entwickeln sich aktuell Konzepte, wie das städtische Klima angesichts steigender Temperaturen in der Zukunft gestaltet werden kann. Es meint eine Kombination von Bepflanzung und Gewässerflächen bei Stadtplanungskonzepten zu integrieren; also ein Zusammenspiel von Beschattung und Verdunstungskälte (ebd.). Schnell rankende Pflanzen, z. B. Hopfen und Wein an Fassaden, Dachgärten auf öffentlichen Gebäuden, Turnhallen mit Gründächern, Entsiegelung von nicht notwendigen Flächen oder die Verwendung von Gittersteinen auf großen Parkplätzen von Einkaufszentren, wären viele Möglichkeiten, mehr Grün in die Stadt zu bringen. Gleichzeitig würde auch das Prinzip der Schwammstadt – den Erhalt des Regenwassers in der Stadt – unterstützt werden (vgl. BWB o. J.). Jedes Grün in der Stadt hat einen kühlenden Effekt und sorgt mit seiner Filterfunktion und Sauerstoffproduktion bei enger Bebauung und viel Beton für ein besseres Mikroklima (UBA 2015). Im Prinzip ist die Stadtbegrünung in allen Städten, Stadtverwaltungen und Stadt- und Kommunalparlamenten angekommen (Anmerkung: Der Autor war jahrelang Mitglied verschiedener Umweltausschüsse). Mit der Umsetzung dieser Erkenntnis der letzten Dekaden hapert es jedoch, denn städtisches Grün sind vor allem Parks und Straßenbäume. Beispielsweise hat die Stadt Hannover 2021 eine Befragung zu einem Projekt “City Roof Walk” – eine Verbindung von Dachgärten mit Fußwegen in der Innenstadt von Hannover – durchgeführt, um mit der Planung 2023 zu beginnen (Hannover o. J.). Auf der politischen Ebene wurde das Thema durchaus als relevant erkannt. (BMBF 2022).
Pflanzenverwendung
Vor dem Hintergrund der oben genannten Vorteile des Stadtgrüns für das städtische Klima stellt sich die Frage nach einer geeigneten Pflanzenauswahl. Unter urbanes Grün fallen unterschiedliche Elemente, wie Straßenbäume, Straßenbegleitgrün, Garten- und Parkanlagen, sowie Bauwerksbegrünungen, alle Einsatzgebiete des Garten- und Landschaftsbaus sowie der Baumschule, sowie die Zulieferbetrieb für Gehölze.
Stadtbäume sind wesentliche Elemente des städtischen Grüns, jedoch sind nicht alle heimischen oder in Deutschland weit verbreiteten Baumarten gleichermaßen geeignet, da die Wachstumsbedingungen in der Stadt weitaus ungünstiger sind als in der freien Natur (ESKP o. J.). Stadtbäume sind nicht nur menschlichen Einflüssen ausgesetzt (z. B. Abgase, Vermüllung), sondern zunehmend auch klimatische Stressfaktoren wie Hitze und Trockenheit (ebd.). Nach einer Untersuchung des Climate Service Center Germany (GERICS) zeigen sich z. B. Hänge-Birke, Spitz-Ahorn, gemeine Esche und Stieleiche, tolerant oder sehr tolerant gegenüber Trockenstress und Hitzestress, während Berg-Ahorn und Rotbuche sensibler auf diese Stressfaktoren reagieren. Im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprojekts “Stadtgrün 2021” werden 30 heimische und nicht heimische Baumarten in mehreren bayerischen Städten auf ihre Stresstoleranz hin getestet. Ziel ist es, das heimische Baumartensortiment durch weitere klimafeste Baumarten aus dem (südosteuropäischen, nordamerikanischen und asiatischen Raum zu erweitern (LWG o. J.).
Eine geeignete Pflanzenauswahl wirkt sich nicht nur positiv auf das Klima, sondern auch auf die Biodiversität aus. Zur Förderung der Artenvielfalt werden sowohl vom Berliner Senat (SenUMVK o. J.) als auch vom NABU (o. J.) fruchttragende heimische Sträucher für Gartenanlagen und Hecken empfohlen. Die größte Anzahl an fruchtfressenden Vogelarten weisen z. B. Eberesche und Schwarzer Holunder auf.
Der Projektbericht „Gehölze in historischen Gärten im Klimawandel – Transdisziplinäre Ansätze zur Erhaltung eines Kulturguts“ (Kühn et. al. 2017) beschreibt die Herausforderungen, die der Wandel des Klimas und sich häufenden Extremwitterungen für die Gartendenkmalpflege von Parks und Gärten ausgesetzt sind. Verschiedene Themen und Fragestellungen, die von naturwissenschaftlichen und kunsthistorischen bis zu ökonomischen und gärtnerischen Aspekten reichen, zum Beispiel: zukünftige Klimaszenarien für die historischen Gärten, ökologisch fundierte Pflegestrategien, Klimaadaption der Gehölze, historisches Wissen um Katastrophen-ereignisse, Revitalisierung von Altbäumen, Pflanzung neuer Bäume, Anzucht von Gehölzen in lokalen Baumschulen (ebd.) werden diskutiert.
Initiative “Bienen füttern”
Der Einsatz von Insektiziden in der Landwirtschaft führt unweigerlich auch zum Bienensterben wie ein Fall aus dem Oberrhein zeigte (BUND o. J.). Verantwortlich sind hierbei u. a. die sogenannten Neonicotinoide, welche u. a. zur Saatgutbehandlung eingesetzt wurden (ebd.). Der Fall ist allerdings umstritten, da es unterschiedliche Gutachten seitens der Industrie und Umweltverbänden gab. 2015 veröffentlichte die EU-Lebensmittelbehörde EFSA Berichte zu drei Insektiziden, die den betroffenen Substanzen “hohe Risiken” für Bienen und andere Bestäuber bescheinigten. Die Biene als ein Symbol für das Artensterben hat eine hohe mediale Wirkung. Dieses führte auch dazu, dass das bayerische Volksbegehren “Artenvielfalt und Naturschönheit in Bayern – Rettet die Bienen” zu einem Gesetz wurde. Gemäß diesem soll zum Erhalt von Wiesen und Weiden die Umwandlung in Dauergrünland nicht mehr möglich werden. Weitere Schutzmaßnahmen sind u. a. dass Grünland nicht mehr umgebrochen werden muss (und die Pflanzen “untergepflügt werden”), nur damit der Subventionsstatus erhalten bleibt (BayStUV o. J.).
Vor diesem Hintergrund kommt den Gärtnern und Gärtnerinnen in städtischen Bereichen um so mehr die Aufgabe zu, bienenfreundliche Stauden zu verbreiten, sowohl im Galabau als auch in privaten Gärten und insbesondere auf Friedhofsanlagen, die bisher eher auf Dauergrün ausgelegt sind. Ein (indirektes) “Bienen füttern” gehört damit zu den Aufgaben der Gärtner und Gärtnerinnen. Die Initiative “Bienen füttern” setzt hier an und wurde 2014 vom BMEL ins Leben gerufen. Sie richtet sich zuerst an die Landwirtschaft und Politik, aber auch an andere Einrichtungen wie Unternehmen und Schulen (BMEL, 2022). Gerade Ausbildungsbetriebe und Bildungseinrichtungen in den Bereichen Gärtnern, Agrar- und Gastronomie können sich an der Initiative beteiligen, um ihre nachhaltige Ausrichtung zu vertiefen und zu dokumentieren.
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SDG 12 Nachhaltige/r Konsum und Produktion
“Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen”
Das SDG 12 zielt auf die nachhaltige und effiziente Produktion und Nutzung von Ressourcen ab. Ressourcen sind alle Stoffe der Natur (Mineralien und Metalle, biotische Ressourcen wie Holz oder Baumwolle), aber auch Luft, Wasser und Boden (vgl. ProgRess 2016).
Das SDG legt auch einen Schwerpunkt auf das Thema Abfälle, die vermieden oder recycelt und gefährliche Abfälle sicher entsorgt werden, zudem soll die Nahrungsmittelverschwendung verringert werden. Weitere Themen sind die nachhaltige Entwicklung von Unternehmen, eine bessere Verbraucher*innen-Bildung und die nachhaltige Beschaffung. Der umweltverträgliche Umgang mit Chemikalien (SDG 12.14)- insbesondere der Umgang mit Pflanzenschutzmitteln – wird unten bei SDG 15 besprochen. Für Gärtner*innen sind unter Berücksichtigung der Einsatzgebiete Produktionsanbau bzw. des Angebotes von Dienstleistungen (Gärten, Gala-Bau, Friedhöfe) im Freiland, Gewächshaus oder Labor folgende Unterziele relevant:
SDG 12.2 Bis 2030 die nachhaltige Bewirtschaftung und effiziente Nutzung der natürlichen Ressourcen erreichen
SDG 12.3 Bis 2030 die weltweite Nahrungsmittelverschwendung pro Kopf auf Einzelhandels- und Verbraucherebene halbieren und die entlang der Produktions- und Lieferkette entstehenden Nahrungsmittelverluste einschließlich Nachernteverlusten verringern
SDG 12.4 Bis 2020 einen umweltverträglichen Umgang mit Chemikalien und allen Abfällen während ihres gesamten Lebenszyklus … erreichen und ihre Freisetzung in Luft, Wasser und Boden erheblich verringern, um ihre nachteiligen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt auf ein Mindestmaß zu beschränken
SDG 12.5. Bis 2030 das Abfallaufkommen durch Vermeidung, Verminderung, Wiederverwertung und Wiederverwendung deutlich verringern
SDG 12.7 In der öffentlichen Beschaffung nachhaltige Verfahren fördern, im Einklang mit den nationalen Politiken und Prioritäten
SDG 12.8 Bis 2030 sicherstellen, dass die Menschen überall über einschlägige Informationen und das Bewusstsein für nachhaltige Entwicklung und eine Lebensweise in Harmonie mit der Natur verfügen.
Die Schnittmenge für das SDG 12 ergibt sich aus den Nummern a, b und d der Standardberufsbildposition (BIBB 2020):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen.
d) Abfälle vermeiden sowie Stoffe und Materialien einer umweltschonenden Wiederverwertung oder Entsorgung zuführen Das weite Spektrum des SDG 12 betrifft eine Vielzahl von Fähigkeiten, Kenntnissen und Fertigkeiten der Standardberufsbildpositionen.
Deutschlands Rohstoffverbrauch
Der Rohstoffverbrauch, z. B. von Erdöl, Holz, Metallen und Seltenen Erden, von Deutschland liegt laut des aktuellen Rohstoffberichts des Umweltbundesamtes fast 30 Prozent über dem weltweiten Durchschnitt (UBA 2022h). Statistisch betrachtet liegen damit pro Bundesbürger:in 16 Tonnen Rohstoffe und Materialien pro Person im Jahr in unserem “ökologischen Konsum-Rucksack” (ebd.). Bei den nicht-nachwachsenden Rohstoffen konnte ein Trend zur Verringerung beobachtet werden, während im selben Zeitraum die Entnahme nachwachsender Rohstoffe (Erzeugnisse der Land- und Forstwirtschaft) zunahm (ebd.:18).
Hier stellt sich zuerst die Frage: Was haben Gärtner:innen in ihren beruflichen Handlungsfeldern mit dem Verbrauch von Rohstoffen zu tun?
Auf der betriebsinternen Seite und bei der Ausführung von Arbeiten sind dies vor allem der Einsatz von Energie – Strom und Kraftstoffen – sowie Fahrzeuge, Werkzeuge, Geräte und Maschinen. Hinzukommen noch die Unterglasbauten oder andere Hüllen für die Anzucht sowie Bewässerungsanlagen. Alle diese Produkte werden aus Materialien einer langen Lieferkette und damit vielen Ressourcen hergestellt: Metalle für Maschinen und Elektrogeräte, Mineralien für Baukonstruktionen und Gläser, Holz und Kunststoffe als Bestandteil fast aller Geräte, Werkzeuge und Behältnisse. Gärtner und Gärtnerinnen benötigen für ihre Arbeit aber noch viel mehr Rohstoffe: Steine und Erden, Dünger und Wasser, Holz in allen Formen und Kunststoffen (Folien, Befestigungsmaterialien, Bewässerungsrohre etc.).
Im Folgenden werden einige ausgewählte Bereiche der Beschaffung und Produktion im Gartenbau exemplarisch genauer betrachtet, um einen Eindruck zu vermitteln, wie Aspekte der Nachhaltigkeit in diesen Sektor integriert werden können. Verschiedene Einsatzorte des Unterglasanbaus, des Freilands und der öffentlichen Anlagen sind exemplarisch berücksichtigt.
Nachhaltige Beschaffung
Vor dem Hintergrund des breiten Tätigkeitsspektrums der Gärtner:innen können die Schwerpunkte der nachhaltigen Beschaffung sehr unterschiedlich sein. Je nachdem, ob es sich um den Bereich des Obst-und Gemüsebaus, der Zierpflanzen-, Stauden- und Baumschulgärtnerei, der Landschafts- und Friedhofsgärtnerei oder der Pflanzenzucht handelt, der Arbeitsort im Freiland oder im Gewächshaus ist, sind die Handlungsspielräume für einen nachhaltigen Ressourcenverbrauch und die nachhaltige Beschaffung der zum Einsatz kommenden Betriebsmittel sehr unterschiedlich. Für staatliche Stellen gelten Vorgaben für die öffentliche Beschaffung (s. a. SDG 12.7), während Unternehmen der Privatwirtschaft vielfach zertifizierte Umweltmanagementsysteme (EMAS oder ISO 14001) etabliert haben. Als aktueller Standard für nachhaltige Beschaffung wurde im April 2017 die ISO 20400 (ISO 2017) eingeführt. Diese ist ein Leitfaden zur nachhaltigen Beschaffung, jedoch kein Standard, nach dem sich Organisationen zertifizieren lassen können. Sie ergänzt den Standard ISO 26000 zur gesellschaftlichen Verantwortung (UBA 2017b). Die nachhaltige Beschaffung privater und öffentlicher Organisationen wird konkret unterstützt, finanzielle, ökologische und Reputationsrisiken entlang der Lieferkette zu vermeiden. Außerdem enthält die ISO 20400 Hinweise, die Nachhaltigkeit in Ausschreibungsprozesse integriert, der Lieferant ausgewählt sowie letztlich die Auftragsausführung gestaltet werden kann (ebd.).
Nachhaltigkeitssiegel
Um zwischen “guten”, “besseren” oder “schlechten” Produkten zu entscheiden, kann man nur auf Siegel vertrauen. Es gibt jedoch inzwischen eine kaum überschaubare Vielfalt an Siegeln. Dies ist zum einen bedingt durch die Gründung von Organisationen, die ihren Betrieb mit dem Vertrieb von Siegeln finanzieren. Zum anderen gibt es bisher keine Siegel, die für gewerblich genutzte Produkte herausgegeben wurden. Das wichtigste breit verfügbare Siegel ist der Blaue Engel.
Der Blauer Engel ist seit über 40 Jahren das Umweltzeichen der Bundesregierung und wird vom Umweltbundesamt “herausgegeben”. Inzwischen sind mehr als 20.000 Produkte und Dienstleistungen von über 1.600 Unternehmen ausgezeichnet (Blauer Engel o. J.): Zweck des Umweltzeichens ist es, privaten Verbraucherinnen und Verbrauchern, institutionellen Großverbrauchern und öffentlichen Einrichtungen eine verlässliche Orientierung beim umweltbewussten Einkauf zu geben. Denn eine gezielte Nachfrage nach umweltschonenden Produkten fördert ökologische Produktinnovationen und reduziert Umweltbelastungen. Der Blaue Engel steht für eine unabhängige, transparente und ambitionierte Kennzeichnung.”
Folgende Produkte bzw. Produktgruppen, die für Unternehmen im gärtnerischen Bereich – auch für die Beratung von Kunden und Kundinnen – relevant sind, werden hier behandelt.
● Abdeck- und Sperrfolien sowie Abfallsäcke – Umweltfreundliche Recyclingkunststoffe (DE-UZ 30a, Blauer Engel o. J. – umweltfreundliche Recyclingkunststoffe): Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Anbietern, die ihre Folien und Säcke aus Reyclingmaterialien herstellen. Viele der Angebote sind im Gartenbau nutzbar und tragen dazu bei, den Einsatz von fossilem Rohöl zu vermeiden.
● Baumaschinen (Blauer Engel o. J.- Baumaschinen): Der Blaue Engel richtet sich eigentlich an Konsument*innen, der gewerblich genutzte Geräte und Maschinen werden eigentlich nicht bewertet. Es gibt jedoch erste Ansätze, da Unternehmen ihre Produkte nachhaltiger gestalten wollen. Deshalb finden sich bei den Baumaschinen auch nur solche von Caterpillar und hierbei werden nur die Lärmarmut und die Emissionsarmut bewertet, also nur ein kleiner Teil der Nachhaltigkeit.
● Büromaterialien (Blauer Engel o. J. – Büromaterialien): Für nahezu alle Büromaterialien gibt es einen Blauen Engel, der nachhaltige Produkte ausweist.
● Gartengeräte (DE-UZ 206; Blauer Engel o. J. – Gartengeräte): “In schutzbedürftigen Gebieten, aber auch in privaten Gärten empfinden viele Personen die Geräusche von Gartengeräten als eine erhebliche Lärmbelästigung. Durch die Vergabe des Umweltzeichens für lärmarme und schadstoffarme Gartengeräte soll daher vor allem eine Reduzierung der Lärmemissionen erreicht werden. Der Blaue Engel zeichnet Gartengeräte aus, die dem fortgeschrittenen Stand der Lärmminderungstechnik entsprechen. Da verbrennungsmotorbetriebene Geräte mit den aktuellen technischen Möglichkeiten keine auszeichnungswürdigen Anforderungen erreichen, sind diese Geräte in den aktuellen Vergabekriterien nicht mehr enthalten. Der Geltungsbereich umfasst Gartengeräte mit Elektromotor (Netz- oder Akkubetrieb) wie Motorkettensägen, Heckenscheren, Rasenmäher, Elektrische Sensen und Trimmer, Vertikutierer, Häcksler und Hochentaster. Zusätzlich ist bei allen Geräten die Verwendung umwelt- und gesundheitsschädlicher Stoffe in den Materialien der Geräte ausgeschlossen. Akkubetriebene Geräte müssen schadstoffarme und langlebige Akkus verwenden. Die Akkus müssen austauschbar sein.”
● Klimageräte (DE-UZ 204, Blauer Engel o. J. – Klimageräte): “umweltfreundliche und energieeffiziente Raumklimageräte [können] Einsparungen an Treibhausgasemissionen ermöglichen, insbesondere durch den Einsatz natürlicher Kältemittel und die Erhöhung der Wirkungsgrade der Geräte. Außerdem soll durch die Anforderungen des Umweltzeichens eine hohe fachliche Qualität der Dienstleistung durch den Anbieter der Raumklimageräte realisiert werden.”
● Pflanztöpfe (DE-UZ 17; Blauer Engel o. J. – Pflanzentöpfe): “Dieses Umweltzeichen fördert den Einsatz von Pflanzentöpfen und anderen im Gartenbau eingesetzten Formteilen, die aus 100 Prozent biologisch abbaubaren Materialien bestehen. So können Pflanzentöpfe komplett an den Pflanzen verbleiben bzw. andere Formteile direkt einer Kompostierung zugeführt werden.”
● Schädlingsbekämpfung (EU-UZ 57b, blauer Engel o.J – Schädligsbekämpfung.): “Gesundheitsschädliche, vorratsschädliche und parasitische Gliedertiere (z. B. Bettwanzen, Motten, Käfer und Holzschädlinge) in Innenräumen können durch Wärmeentwicklung abgetötet werden. Thermische Verfahren stellen daher eine wirksame Alternative zu chemischen Bekämpfungsverfahren dar und tragen zu einer Verringerung der Belastung von Mensch und Umwelt durch Biozide bei. Zudem können auch insektizidresistente Schädlinge abgetötet und weitere Resistenzbildung verhindert werden.” Gewöhnliche Schädlings-Sprays enthalten giftige Wirkstoffe, die die Raumluft belasten. Alternativen hierzu sind mit Leim oder Licht arbeitende Insektenschutzgewebe oder Fliegenfänger.
● Schmierstoffe und Hydraulikflüssigkeiten – biologisch abbaubar (DE-UZ 178,Blauer Engel o. J. – Schmierstoffe und Hydraulikflüssigkeiten): Da Schmierstoffe und Hydraulikflüssigkeiten oft human- oder ökotoxische Bestandteile enthalten und zudem ungenügend abbaubar sind, können sie zu einer relevanten Belastung von Boden und Wasser führen. Der blaue Engel zeichnet Produkte aus, die aus überwiegend nachwachsenden Rohstoffen bestehen (pflanzliche oder tierische Öle) und gut biologisch abbaubar sind. Zudem ist ein Mindestgehalt von PCR für Kunststoffbehälter gefordert.
● Server und Datenspeicherprodukte (DE-UZ 213, blauer Engel o. J. – Server und Datenspeicherprodukte): Um den Energieverbrauch von Servern und Datenspeicherprodukte zu reduzieren und Resourcceneffizienz und die Langlebigkeit von Geräten zu steigern zeichnet das Siegel eine hohe Energieeffizienz von Servern, Datenspeicherprodukten und Netzteilen aus. Zudem ist die Schadstofffreiheit der verwendeten Kunststoffmaterialien und die Auszeichnung des US-amerikanischen Umweltzeichens “Energy Star” garantiert.
● Umweltfreundliche Papiertragbehältnisse aus Recyclingpapier (DE-UZ 217b, blauer Engel o. J. – Papiertragbehältnisse): Die Zertifizierung durch den blauen Engel garantiert die Recyclingfähigkeit des Papiers. Klebstoffe und Druckfarben dürfen nur verwendet werden, wenn sie sich beim Recycling entfernen lassen, das schließt Druckfarben mit PFAS (per- und polyfluorierte Alkylverbindungen) und Phthalathaltige Klebstoffe aus.
Siegel für PKW und Haushaltsgeräte
Ein weiteres Siegel bildet die Effizienzklassen von Pkw und leichten Transportern ab. Seit 2011 ist die Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen in Form eines CO2 Labels verpflichtend. Das soll den Verbrauchern zeigen, wie effizient ein Fahrzeug mit dem Kraftstoff umgeht. Das Siegel weist allerdings Probleme bei der Berechnung und Interpretierbarkeit auf (ADAC 2021).
Zunächst basiert die Angabe der CO2-Emissionen auf der inzwischen veralteten NEFZ Methode (Neuer Europäischer Fahrzyklus), anstatt auf der neueren WLTP Zyklus Prüfung (Worldwide Harmonised Light-Duty Vehicles Test Procedure, ADAC 2021). Das WLTP Verfahren ist genauer und praxisnäher, da die Daten auf realen Fahren in 14 Ländern basieren, aus denen durchschnittliche Fahrprofile gewonnen wurden. Zudem verlängert sich die Testdauer von 20 auf 30 min und damit auch die gefahrene Strecke von 11 auf 23 km, damit mehr Daten gesammelt werden können. Seit 2021 gibt es die Verpflichtung durch die EU, alle Neuwagen mit dem WLTP-Verfahren zu prüfen und auch die Kfz- Steuer bezieht sich auf diese Angaben (ADAC 2022).
Ein weiteres Problem des CO2-Siegels ist die fehlende Vergleichbarkeit zwischen unterschiedlichen Fahrzeugklassen. Denn es werden nicht die absoluten Werte, sondern die Werte in Relation zum Gewicht des Autos betrachtet (ADAC 2021). Demnach ist es möglich, dass ein verbrauchsarmer Kleinwagen in eine rote Effizienzklasse eingeteilt wird, während ein großer Pkw mit hohem Verbrauch als „grün“ eingestuft wird. Mit dem Siegel können demnach nur Autos verglichen werden, die ein ähnliches Gewicht haben. Das stiftet Verwirrung bei den Käufern, da die Farbeinteilung vermittelt, dass alle grün gekennzeichneten Autos bessere CO2 Bilanzen als rot gekennzeichnete haben.
Ein alternatives Siegel ist der ADAC Ecotest, der mit eigenen Messwerten alle Autoklassen auf ihre Umweltfreundlichkeit überprüft. Dabei wird nicht nur auf den CO2-Ausstoß geachtet, sondern auch auf andere Schadstoffe, wie Partikel oder Stickoxide. Bei diesem kann man sich anhand von Sternen orientieren, welche Modelle klimafreundlich und schadstoffarm sind (ADAC 2021).
Sollten Beschaffungsgegenstände keiner Zertifizierung nach einem anerkannten Siegel unterzogen worden sein, können folgende allgemeine Kriterien Orientierung geben:
● Mit den Lieferanten sollten Gespräche über die Nachhaltigkeit ihrer Produkte geführt werden. Gemeinsam sollte überlegt werden, wie die nachhaltigen Produkte aussehen könnten und wie konventionelle Produkte optimiert werden können.
● Für die Lieferantenauswahl sollten betriebsintern Kriterien festgelegt werden, die nachhaltiges Wirtschaften erkennen lassen. Dieser Prozess kann beispielsweise mittels eines anerkannten Umweltmanagementsystems wie ISO 14001 oder EMAS transparent dokumentiert werden.
● Bei Neuanschaffungen von elektrischen Geräten ist vor allem auf Energieeffizienz zu achten. Am besten ist eine Kombination von eigener PV-Anlage und Akku-Geräten. Bei derartigen Geräten sollte auch das mögliche Recycling eine Rolle spielen.
● Bei Geräten mit Wassernutzung ist auf einen schonenden Wasserverbrauch zu achten.
● Pkws sollten als Elektrofahrzeuge angeschafft oder geleast werden.
Für Haushaltsgeräte – also Kühlschränke, Herde, Mikrowellen, Fernseher und Waschmaschinen – gelten die EU-Energieeffizienzklassen. Diese weisen die Energieeffizienz und den Energieverbrauch – und bei wassernutzenden Geräten den Wasserverbrauch – aus mit einer Skala von A bis G. Hieran können sich Unternehmen bei ihren Geräten für Büro- und Werkräume orientieren.
Lieferkettensorgfaltsgesetz
Jedes Produkt hat im Zeitalter der Globalisierung eine lange Lieferkette. Insbesondere China ist die “Werkbank der Welt” geworden und liefert eine sehr große Vielfalt an Produkten, die im Gartenbau verwendet werden. Aber unter welchen Bedingungen für Mensch und Umwelt diese Produkte hergestellt werden, ist kaum nachvollziehbar. Vor diesem Hintergrund gibt es vor allem vorangetrieben von der EU neue Richtlinien seit einigen Jahren, die die EU-Mitglieder verpflichten, Gesetze zu erlassen, Unternehmen zu verpflichten “ihre Lieferkette unter die Lupe” zu nehmen.
Als allgemeine Richtlinie kann in Deutschland das Lieferkettensorgfaltsgesetz angesehen werden (kurz: LkSG; BGBL 2021). Um ihrer Verantwortung zum Schutz der Menschenrechte gerecht zu werden, setzt die Bundesregierung die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen mit dem Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte von 2016 (Auswärtiges Amt, 2017) in der Bundesrepublik Deutschland mit einem Gesetz um. Das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten ist besser unter dem Namen Lieferkettengesetz oder auch Sorgfaltspflichtengesetz bekannt (BMAS 2022, o. a. “Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz”). Dort ist die Erwartung an Unternehmen formuliert, mit Bezug auf ihre Größe, Branche und Position in der Lieferkette in angemessener Weise die menschenrechtlichen Risiken in ihren Liefer- und Wertschöpfungsketten zu ermitteln, ihnen zu begegnen, darüber zu berichten und Beschwerdeverfahren zu ermöglichen.
Das Lieferkettengesetz tritt 2023 in Kraft und gilt dann zunächst für Unternehmen mit mehr als 3.000, ab 2024 mit mehr als 1.000 Angestellten. Es verpflichtet die Unternehmen, in ihren Lieferketten menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in angemessener Weise zu beachten. Kleine und mittlere Unternehmen werden nicht direkt belastet. Allerdings können diese dann betroffen sein, wenn sie Teil der Lieferkette großer Unternehmen sind.
Unabhängig ob betroffen oder nicht: Es lohnt sich auch für kleinere Unternehmen, sich mit dem Gesetz adressierten Nachhaltigkeitsthemen auseinanderzusetzen, um das eigene Handeln entlang dieser Leitplanken zu überprüfen. Der Nachhaltigkeitsbezug ist unter anderem durch den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) gegeben, er gab einen wichtigen Impuls für das Gesetz. Der NAP wurde gemeinsam von Politik und Unternehmen verabschiedet, um zu einer sozial gerechteren Globalisierung beizutragen (Bundesregierung 2017) . Ergebnisse einer 2020 im Rahmen des Nationalen Aktionsplans durchgeführten repräsentativen Untersuchungen zeigten jedoch, dass lediglich zwischen 13 und 17 Prozent der befragten Unternehmen die Anforderungen des Nationalen Aktionsplans erfüllen (VENRO 2021). Der gesetzgeberische Impuls war also erforderlich, um die Einhaltung der Menschenrechte zu fördern und damit auch zu einem fairen Wettbewerb zwischen konkurrierenden Unternehmen beizutragen.
Anzuchttöpfe
Das Spektrum der nachhaltigen Beschaffung für den professionellen Anbau unter Glas reicht von nachhaltigen Produkten für Anzucht und Vermehrung über die Verwendung torfreduzierter Substrate bis hin zu alternativen Energiekonzepten zur Beheizung und Beleuchtung der Gewächshäuser (s. a. SDG 7).
Sowohl im konventionellen als auch im ökologischen Gartenbau werden überwiegend Pflanztöpfe, Anzuchtplatten oder Pflanzpaletten aus Kunststoff eingesetzt. Nur ein geringer Teil davon wird recycelt (BLE 2022). Mittlerweile gibt es umweltfreundlichere Alternativen, die in Versuchsanstalten oder von den Betrieben selbst auf ihre Eignung im Erwerbsgartenbau untersucht werden (ebd.). Biologisch abbaubare oder kompostierbarer Stoffe werden wie folgt definiert:
● Biologisch abbaubare Stoffe können von Mikroorganismen zersetzt werden, wobei der Zeitraum, der für die Zersetzung erforderlich ist, nicht festgelegt ist (definiert vom Deutschen Institut für Normierung – DIN).
Folgende Alternativen sind derzeit auf dem Markt erhältlich und/ oder werden erprobt:
● Pflanztöpfe aus recyceltem Kunststoff mit dem Potenzial, den Wertstoffkreislauf zu schließen: Der Ausgangsstoff der Töpfe stammt aus der haushaltsnahen Wertstoffsammlung. Nach Gebrauch können diese Töpfe dem Recycling zugeführt werden (Ökolandbau 2021).
● Töpfe aus biobasiertem Kunststoff, die ganz oder teilweise aus natürlichen Ausgangsstoffen hergestellt werden, wie z. B. Mais, Zuckerrohr, Holz, Cellulose. Diese Töpfe sind biologisch abbaubar oder industriell kompostierbar, aber nicht per se nachhaltig (UBA o. J.).
● Anzuchttöpfe und Transportschalen aus Altkarton: Hierbei bestehen die Töpfe aus recyceltem Karton (der vermutlich oberflächenbehandelt wurde). Diese Materialien stellen aus Sicht der Nachhaltigkeit vermutlich die beste Variante dar. Die Pflanzen können mitsamt dem Topf eingepflanzt werden, der nach einiger Zeit umweltfreundlich verrottet (pulp-tec o. J.).
● Der Blaue Engel hat ein Umweltzeichen für umweltfreundliche Kompostierbare Pflanztöpfe (DE-UZ 17) vergeben (Blauer Engel o. J.): “Dieses Umweltzeichen fördert den Einsatz von Pflanzentöpfen und anderen im Gartenbau eingesetzten Formteilen, die aus 100 Prozent biologisch abbaubaren Materialien bestehen. So können Pflanzentöpfe komplett an den Pflanzen verbleiben bzw. andere Formteile direkt einer Kompostierung zugeführt werden.”
Die Verwendung von verrottbaren Töpfen unterstützt ein gutes Anwachsen der Pflanzen. Gleichzeitig spart diese Methode den Zeitaufwand für die Entfernung und Entsorgung herkömmlicher Produkte und daher Kosten (FNR o. J.a,b).
Folien
Der Anbau von Gemüse und Pflanzen im Freiland kann als naturnah und saisonal betrachtet werden. Die natürlichen Jahreszeiten jedoch, in denen Gemüseanbau in Deutschland gelingen kann, sind begrenzt. Daher kommen auch hier Hilfsmittel zum Einsatz, die durch Schutz vor Kälte (insbesondere nachts oder sogar vor Frost) einen früheren Beginn der Ernte ermöglichen (Folien als “Ernteverfrühungshilfen”) oder sogar die Erntezeit verlängern (LWG o. J.). Oder durch eine Bodenabdeckung sowohl die Verdunstung verringern als auch den Unkrautwuchs. Letzteres hat zumindest den Vorteil, dass weniger oder gar keine Pestizide eingesetzt werden müssen. Die Menge des eingesetzten Kunststoffs – vor allem unterschiedliche Folien und Netze – ist beachtlich, sie könnte in der Größenordnung von 80.000 t liegen pro Jahr (BR 2021) – und hierbei werden vor allem Kunststoffprodukte aus Erdöl eingesetzt.
Mulchfolien
Im Freilandanbau kommen häufig Mulchfolien zum Einsatz, um die Temperatur zu halten, das Unkrautwachstum zu bekämpfen und den Wasserverbrauch durch Verdunstung zu minimieren. Schwarze Folien absorbieren das Sonnenlicht und erwärmen die Pflanzen zusätzlich. Weiße Folie hingegen absorbiert und verzögert das Wachstum – die Erntezeit kann so ein wenig gesteuert werden. Bisher werden vorwiegend Folien verwendet, deren Ausgangsstoff erdölbasiertes Polyethylen (PE) ist. Beim Einsammeln der Folie nach der Ernte lässt es sich kaum vermeiden, dass Rückstände auf dem Acker verbleiben und mit dem nächsten Arbeitsgang in die Erde eingearbeitet werden. Auf diese Weise ist es möglich, dass die Folienrückstände sehr langsam zersetzt werden und als Mikroplastik in den Boden gelangen. Ob sie von dort in Gewässer und von dort in die Nahrungsmittelkette gelangen, ist bisher unbekannt. Auch die Auswirkungen auf Bodenorganismen (z. B. Regenwürmer) ist noch nicht erforscht, erste Indizien deuten aber darauf hin (NABU nach BR 2021). Leider gibt es nur wenige Alternativen zu PE. Die klassische PE-Folie wird jedoch von zwei Seiten “auf mehr Nachhaltigkeit” getrimmt:
● Zum einen gibt es ein breites Angebot am Markt, von biologisch abbaubaren Folien (vgl. u. a. Hartmann-Brockhaus o. J.; BayWa o. J.; carmen e.V. 2021; Bio-Folien.at o. J.). Aber die Entwicklung ist noch nicht zu Ende, weshalb an weiteren Verbesserungen geforscht wird insbesondere um die Zersetzung schneller zu gestalten. so wird z. B. in einem länderübergreifenden Projekt NewHyPe wird an einer biologisch abbaubaren Papier-Mulchfolie mit einer Beschichtung geforscht (eNewHyPe o. J.). Eine Variante mit beschichtetem Papier befindet sich schon in der Erprobung (DEGA 2021).
● Die andere Variante ist die Nutzung von biobasierten Plastik, z. B. aus Polymilchsäuren oder Zucker. Hiermit lassen sich in Hinsicht auf die Stabilität und Haltbarkeit den PE-Folien vergleichbare biobasierte Folien herstellen, die kein Erdöl verbrauchen. Allerdings verhalten sie sich wie eine PE-Folien: Sie zerfallen sehr, sehr langsam und werden nicht biologisch abgebaut (LWG o. J.; BR 2021).
Die Abbaubarkeit der Mulchfolien wird durch die Vergabe entsprechender Zertifikate sichergestellt („DIN geprüft bioabbaubar im Boden“ von DIN CERTCO oder „OK biodegradable SOIL“ von TÜV AUSTRIA) (carmen e.V. 2021). Im Freiland sollten ausschließlich zertifizierte Mulchfolien eingesetzt werden.
PE-Folien und Bio-Folien
Für Foliengewächshäuser oder für Folientunnel werden üblicherweise PE Polyethylen auf Erdölbasis verwendet. Die Folien sind stabil und sehr preiswert, da sie ein absolutes Massenprodukt sind. Die Folien können sowohl schwarz oder weiß sein, je nach Bedarf. Sowohl Gewächshäuser als auch Folientunnel ermöglichen ein frühere Ernte, z. B. von Spargel oder Erdbeeren.
Es gibt inzwischen diverse Folien aus natürlichen Bestandteilen, anstelle aus rohölbasierten Ethylen wie z. B. Folien aus Polymilchsäuren, Zucker, Stärke oder Cellulose. Kürbisse können mit Folien aus Maisstärke geschützt werden (BR 2021), die Folie ist biologisch abbaubar. Je nach Herstellung können die Folien dünn (zerreißbar und schnell verrottbar) oder dick und damit als langlebig hergestellt werden und gut verwendbar, sind zur Zeit jedoch noch sehr teuer (BR 2021).
Die Verfügbarkeit von biologisch abbaubaren Folien scheint begrenzt und bislang eine überschaubare Angebotspalette bereitzuhalten, z. B. gibt es nahezu ausschließlich schwarze Mulchfolien (LWG o. J.).
Steine und Holz
Im Gala-Bau werden neben oben schon besprochenen Materialien vor allem Erden, Sand und Kies, Steine verschiedener Art, Zement sowie Holz – heimische Arten aber auch Tropenhölzer – verwendet, um der gestalteten Landschaft, Parks und Gärten sowie öffentlichen Flächen eine Struktur zu geben und Natur vor allem in die Städte zu holen. Sand, Kies, Erden, Natursteine und Holz werden zwar mit Maschinen gewonnen, bearbeitet und und auch teilweise über weite Strecken per Schiff transportiert, jedoch bedingen diese Schritte nur geringe THG-Emissionen – im Vergleich zu vielen Produkten des alltäglichen Lebens, des Wohnens oder der Mobilität. Von diesen Materialien gehen auch keine Umweltgefahren aus (sofern sie nicht mit umweltschädigenden Stoffen behandelt werden) und sie haben auch als Naturmaterialien kein wassergefährdendes Potential. Einzig ihre Gewinnung (Steinbrüche, Kiesgruben, Monokulturen für Fichten und Kiefern) stellt immer einen Eingriff in die Ökosysteme dar. Zwei Aspekte sind jedoch zu bedenken:
● Beton hingegen wird aus Kalksandstein gewonnen, gebrochen, gemahlen und dann in Zementöfen gebrannt. Hierbei entstehen im großen Umfange Kohlendioxid-Emissionen. Aus der Zementindustrie stammen rund 4,5 Milliarden Tonnen CO2, die Hälfte der weltweiten Verkehrsemissionen (Johannes Gutenberg Universität 2021). Auf jedes Kilogramm Zement, welches aus 500 g Kies, 500 g Zement und ca. 0,2 l Wasser hergestellt wird, kommt als Treibhaus Rucksack noch einmal rund 600 g CO2-Äq (WWF 2019).
● Der zweite Aspekt ist der Anbau oder der Raubbau von Holz. Insbesondere Fichte und Kiefer werden großflächig in Monokulturen (“Holzplantagen”) angebaut, die nicht als natürliche Wälder angesehen werden können. Und diese sind nicht an den Klimawandel angepasst, wie die Trockenschäden der letzten Jahre zeigen (vgl. z. B. Forst Brandenburg 2022). Während in Deutschland umfassende Waldgesetze die Nutzung der Forsten regeln, wird insbesondere in den asiatischen und südamerikanischen Ländern nach wie vor Raubbau an den Urwäldern betrieben, um edle Hölzer zu gewinnen.
In der Gestaltung öffentlicher Anlagen liegt viel Potenzial für die Verwendung nachwachsender Rohstoffe (FNR o. J.). Vor allem Holz und Natursteine können aus Sicht der nachhaltigen, sozial- und umweltverträglichen Beschaffung Chancen und Herausforderungen beinhalten. Bei regionaler Beschaffung ist die Lieferkette der Holzwirtschaft und des Steinbruchs überschaubar. Bei der Beschaffung aus anderen Ländern, können Zertifizierungen Orientierung geben, ersetzen jedoch nicht die unternehmerische Sorgfaltspflicht. Auch Hölzer finden vielfältige Verwendung im GaLaBau. Tropenhölzer gelten zwar als langlebiger, sollten jedoch aus Gründen des Regenwaldschutzes, der wiederum im Zusammenhang mit dem Klimaschutz steht, vermieden werden.
Natursteine
Natursteine stellen ein besonders langlebiges Gestaltungsmaterial dar, als Pflastermaterial, für Aufschüttungen, als Spritzschutz bei Zäunen, für Beeteinfassungen oder Sitzelemente (DNV 2022). Da es in Deutschland nach Schätzungen des DNV 200-250 aktive Steinbrüche gibt (Natursteinonline.de o.J), bestehen hier auch gute Möglichkeiten der Beschaffung aus einheimischen Quellen – wenn auch die mineralische und farbliche Auswahl bedingt durch die Geologie – eingeschränkt ist. Natursteine haben aus Sicht der Nachhaltigkeit wesentliche Vorteile: Ihre Gewinnung ist mit einem geringen Energieaufwand (im Vergleich z. B. zum Beton) möglich, sie sind äußerst haltbar (Kopfsteinpflaster aus römischer Zeit ist immer noch begeh- und befahrbar), sind umweltfreundlich, da sie keine Emissionen verursachen, und zudem können Steine aus Beständen recycled bzw. umgearbeitet werden.
In Deutschland werden bedeutend weniger Natursteine abgebaut als verbraucht, denn der Großteil des in Deutschland verwendeten Natursteins wird als Rohmaterial oder verarbeitetes Produkt importiert. 2019 wurden ca. 800.000 t Naturstein-Material in mehr als 200 Steinbrüchen gewonnen (EMG o. J.), hiervon entfällt allerdings nur ein Teil auf Naturstein, der oberirdisch im Galabau eingebaut wird. Der gesamte Verbrauch in Deutschland betrug 2017 ca. 1,9 Mio. t (ebd.). Der Import betrug im selben Jahr rund 1,6 Mio. t., davon wurden lediglich 0,5 Mio. heimisch produziert, der Export lag bei 0,2 Mio. t. (ebd.). Damit liegt die Importquote des heimischen Verbrauchs für Rohmaterialien bei ca. 47 Prozent und für Fertigware bei 84 Prozent (EMG o. J., Montani 2021)
Weltweit werden laut Bericht von Natursteinonline rund 316 Mio Tonnen Rohmaterial aus Steinbrüchen geholt (Natursteinonline 2021), wovon netto nach Abzug des Bergeverlustes und der Restmaterialien aus der Bearbeitung ca. 155 Mio t an Blöcken verblieben (ebd.2021). Etwa ein Drittel der Blockproduktion (ca. 50 Mio. t) stammt aus China, rund 26 Mio. t (17 %) aus Indien und fast 12 Mio t (ca. 8 %) aus der Türkei – diese drei Länder zusammen haben einen Weltmarktanteil von rund 58 Prozent (ebd.). Ca. 75 Prozent aller Gesteine finden im Baubereich Verwendung, ca. 17 Prozent im Grabmal Sektor und der Rest u. a. als Galabau-Produkte (ca. 8 %, ebd.). Deutschland lag nach diesen Zahlen von 2019 auf Rang 7 der weltweiten Verbraucherländer mit 34,6 Mio. m² (420 m²/1.000 Ewh, während der weltweite Durchschnittsverbrauch/1000 bei 268 m² deutlich niedriger lag (ebd.)
Im Jahr 2021 fiel China bzgl. des Exports auf Platz drei zurück, zugunsten von Indien und der Türkei, gefolgt von Brasilien (Montani 2022). Montani erwartet, dass sich im globalen Handel mit Natursteinen in naher Zukunft etwas ändern wird, weil die Kosten für Natur, Klima und Menschen, die deren Abbau verursacht haben, in den Preis einbezogen werden (ebd.).
Die Natursteingewinnung und -verarbeitung erfolgt zunehmend in industrieller Fertigung und die Handarbeit nimmt ab (WEED 2019). Dadurch sinkt auch die Kinderarbeit in Steinbrüchen. Sowohl China als auch Indien verfügen inzwischen über Steinbrüche, die vom Arbeitsstandard mit deutschen oder europäischen Steinbrüchen vergleichbar sind. Allerdings gibt es von Steinbruch zu Steinbruch sowie zwischen den Verarbeitungsbetrieben große Unterschiede. Vor allem für Steine aus Indien ist Kinderarbeit nicht völlig auszuschließen, aber häufig sind Familien auf ein zusätzliches Einkommen ihrer Kinder angewiesen (ebd.). Daher ist auch die Modernisierung von Betrieben kein Garant für die Beendigung von Kinderarbeit. Denn für Kinder werden neue Arbeitsgebiete geschaffen wie die Weiterverwertung der Blockabfälle, die Herstellung kleiner Blöcke oder das Polieren von Steinen. Aber auch die Arbeitsbedingungen für erwachsene Arbeiter*innen sind alles andere als akzeptabel: Niedrige Löhne unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns, unsichere und ungesunde Arbeitsbedingungen durch hohe Staubbelastung, fehlende Sicherheitsmaßnahmen, extreme Temperaturen und ein Mangel an Trinkwasser. In Indien ist zudem moderne Sklaverei durch Schuldknechtschaft verbreitet, die auch auf Kinder übertragen wird (ebd.).
Ein weiteres Problem betrifft die Gesundheit. Stichproben- Kontrollen des indischen Rats für medizinische Forschung haben ergeben, dass 16-57 Prozent der Bergbauarbeiter:innen an Silikose (einer Lungenkrankheit) erkrankt waren (Kumar&Sorge 2020), d. h. allein im Bundesstaat Rajasthan könnten bis zu 800.000 Arbeiter:innen gefährdet sein (ebd.). Ein Grund dafür sind illegal durchgeführte Trockenbohrungen mit hoher Staubentwicklung, während zumindest am Ende der Monsunzeit genügend Wasser für Nassbohrungen vorhanden wäre (ebd.).
Seit einigen Jahren geht die chinesische Regierung massiv gegen Steinbrüche und Verarbeitungsbetriebe vor, die nicht den chinesischen Gesetzen entsprechen und gegen Umwelt- und Sozialauflagen verstoßen (WEED 2019). Ganze Steinbrüche werden geschlossen. Von daher ist von einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen in China auszugehen. Bezüglich Kinderarbeit gehen wissenschaftliche Studien jedoch auch davon aus, dass auch wenn es keine aktuellen, substanziell belegten Berichte über Kinderarbeit im Natursteinsektor in China gibt, Verstöße wahrscheinlich sind. Denn in anderen Sektoren ist belegt, dass es vielfache und schwere Kinderarbeit (einschließlich staatlich organisierter Zwangsarbeit, z. B. für straffällige Jugendliche) gibt.
Vor diesem Hintergrund gibt es für die Gewinnung und Weiterverarbeitung von Natursteinen Zertifizierungssysteme, die insbesondere die Einhaltung von Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards sicherstellen sollen. Die bekanntesten sind:
● Fair Stone (vgl. (www.fairstone.org): Das Siegel wird von Fair Stone e.V. vergeben. Der zugrunde liegende Standard wurde 2007 von der WiN=WiN GmbH in Zusammenarbeit mit einem deutschen Natursteinhändler, sowie Expert:innen der ISSA (International Social Security Association) und internationalen Arbeitsrechts- und Sozialexpert:innen im Rahmen eines ko-finanzierten DeveloPPP-Projekts entwickelt. Zielsetzung und Schwerpunkt des Siegels ist die Überprüfung und Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Steinbrüchen und steinverarbeitenden Betrieben in Entwicklungs- und Schwellenländern. Fair Stone ist seit 2018 bei der Deutschen Gesellschaft Nachhaltiges Bauen DGNB akkreditiert. Importeure von Natursteinen erhalten das Siegel erst, nachdem die Einhaltung von Mindestkriterien in der Lieferkette durch unabhängige Auditor:innen überprüft wurde. Jährliche Audits, mit steigenden Anforderungen, bereiten die Lieferant:innen auf eine umfangreiche Prüfung der Fair Stone Standardinhalte nach einer Phase von maximal 36 Monaten vor. Die Abgabe einer Selbstverpflichtung oder Eigenbestätigung durch die Lieferant:innen ist nicht ausreichend für die Siegel-Nutzung.
● XertifiX ((www.xertifix.de) ist eine NGO, die als Verein organisiert ihren Sitz in Hannover hat. Sie setzte sich für bessere Arbeitsbedingungen und Umweltschutz im asiatischen Steinsektor ein. Für die so genannten „Third-Party-Audits“ beauftragt XertifiX in Indien, China und Vietnam Auditor:innen mit den Kontrollen der Lieferketten. Dabei werden regelmäßig Fabriken und Steinbrüche in Indien, China und Vietnam überprüft, um sicherzustellen, dass die Standardkriterien erfüllt werden: Der Standard umfasst die IAO-Kernarbeitsabkommen, darunter das Verbot von Kinderarbeit und Sklaverei, einen besseren Schutz der Gesundheit und Sicherheit von erwachsenen Arbeitnehmer:innen, gerechte Löhne und Arbeitszeiten, Umweltschutz und Rechtmäßigkeit. Neben der Bekämpfung von Kinder- und Sklavenarbeit werden schulische und berufliche Bildung gefördert und die deutsche Öffentlichkeit für sozialverträglich hergestellte Produkte aus Naturstein sensibilisiert. XertifiX versteht seine Audits nicht nur als Prüfinstrument, sondern als langfristig angelegte Bausteine zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und des Umweltschutzes.
● IGEP (www.igep.org) Das Siegel wird von der IGEP Consult Pvt. Ltd. vergeben. IGEP steht ursprünglich für Indo German Export Promotion, ein gemeinsames Projekt der deutschen und indischen Regierung, welches bis 2005 von der GIZ (ehemals GTZ) durchgeführt wurde. Seit 2005 wird IGEP unabhängig als privates Beratungsunternehmen fortgeführt. IGEP setzt sich unverändert für die Förderung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen indischen und deutschen Unternehmen ein. Ziel des Siegels ist es, Kinderarbeit in der Natursteinindustrie in Indien und China zu verhindern und die Eignung für den europäischen Markt sicherzustellen. Dies geschieht durch den ISES 2020-Standard, der zusätzlich zu Kinderarbeit Managementsysteme, Zwangsarbeit, Gesundheit und Sicherheit an Arbeitsplatz, Vereinigungsfreiheit und Recht auf Kollektivverhandlungen, Diskriminierung, Disziplinarpraktiken, Arbeitszeiten, Vergütung, Zulieferer und Umweltaspekte umfasst. Die Gebühr für die IGEP-Zertifizierung fließt nicht nur in die Organisation selbst, sondern wird auch für die Finanzierung sozialer Aktivitäten, wie Ausbildungsinitiativen und Gesundheitsversorgung an Schulen, in ganz Indien verwendet.
Holz
Als natürlicher, nachwachsender Rohstoff bietet Holz sich für konstruktive Bauelemente, wie Zäune, Rankhilfen, Hochbeete, im Garten- und Landschaftsbau an. Beim Einsatz von Holz im Außenbereich ist vor allem die Frage der Witterungsbeständigkeit ein Kriterium für die Wahl der Sorte. Im Holzhandel werden aus einheimischen Beständen Lärche, Douglasie, Kiefer, Buche und Esche angeboten. Lärche, Douglasie und Kiefer sind Weichhölzer, die sich durch einen hohen Harzgehalt auszeichnen ( arbor-holz o. J.). Besonders Lärchenholz vergraut mit der Zeit ohne weitere Behandlung, was jedoch gleichsam als Gestaltungselement angesehen werden kann. Buchen- und Eschenholz kann durch thermische Behandlung haltbar gemacht werden (ebd.).
Auch wenn Holz ein nachwachsender natürlicher Rohstoff ist, ist nicht jede Holzgewinnung und -produktion gleichermaßen nachhaltig. Es bietet sich hierbei an, die Holzbewirtschaftung und die Lieferketten gemäß anerkannten Zertifizierungen zu bewerten. Im Folgenden wird im Überblick auf die verschiedenen eingeführten Zertifizierungen eingegangen. Die Zertifizierung ist eine freiwillige Selbstverpflichtung der Forstbetriebe, über die gesetzlichen Mindestanforderungen der Wald- und Naturschutzgesetze hinaus weitere Mindestnormen im ökologischen, ökonomischen und sozialen Bereich einzuhalten. Mit der Zertifizierung nach einem anspruchsvollen Zertifizierungssystem dokumentieren die Waldbesitzer ihre Bereitschaft, bei der Bewirtschaftung ihrer Flächen Erfordernisse der Nachhaltigkeit sowie des Natur- und Artenschutzes über den gesetzlich vorgegebenen Standard hinaus zu berücksichtigen (UBA 2022a). Die verbreitetsten Zertifizierungssysteme sind die folgenden:
● Beim FSC (Forest Stewardship Council) werden Entscheidungen durch ein 3-Kammern-System (Sozial-, Umwelt-, Wirtschaftskammer) getroffen. In diesen Kammern sind neben weiteren Akteur*innen hauptsächlich Vertreter der Umweltverbände aktiv (Fraunhofer-Institut 2015) .
● Beim PEFC (Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes) werden Entscheidungen durch den Forstzertifizierungsrat, der neben weiteren Akteur*innen hauptsächlich durch Vertreter verschiedener Waldeigentumsarten besetzt ist, getroffen (ebd.).
● Bei den Systemen DFSZ (Deutschen Forst-Service-Zertifikat), KFP (Kompetente Forst Partner) erfolgt die Entwicklung (erstmalige Ausarbeitung des Standards) mit einer sog. Stakeholderbeteiligung, d. h. unter Einbeziehung verschiedener Interessensvertreter*innen der Branche. Weiterentwicklungen des Standards und der Systembeschreibung werden bei diesen Systemen ausschließlich vom Systemträger selbst und unter Einbeziehung der Zertifizierungsstelle und der Auditor*innen vorgenommen (ebd.).
● Entscheidungen zur weiteren Entwicklung des KUQS-Systems (Kompetenznachweis in Umwelt-, Qualitäts- und Sicherheitsmanagement) trifft ein Zertifizierungsbeirat, in dem neben Vertreter*innen weiterer Interessengruppen hauptsächlich (Forst-) Unternehmer*innen ihre Belange einbringen (ebd.).
● Beim RAL (Reichsausschuss für Lieferbedingungen) Gütezeichen werden Entscheidungen durch einen Güteausschuss getroffen, in dem neben Vertreter*innen weiterer Interessengruppen hauptsächlich Vertreter*innen der Wissenschaft und Waldeigentümer*innen ihre Anforderungen einbringen (ebd.).
Die Bundesregierung geht bei der Beschaffung mit gutem Beispiel voran: Der Beschaffungserlass fördert eine zertifizierte Forstwirtschaft: Seit 2007 beschaffen die Dienststellen des Bundes nur noch Produkte aus Holz, die nach PEFC, FSC oder vergleichbaren Systemen zertifiziert sind oder denen per Einzelnachweis die Erfüllung entsprechender Standards nachgewiesen wurde (FNR o. J.b).
Schmierstoffe
Schmierstoffe werden für alle Geräte und Maschinen genutzt, bei denen es auf die Schnelligkeit eines sich bewegenden Teils ankommt, wie z. B. bei Kettensägen und Fräsen. Schmierstoffe werden in der Land- und Forstwirtschaft, dem Bau, aber auch im Gartenbau genutzt. Ein Verlust durch die Nutzung von Geräten oder Maschinen ist durch die offene Anwendung nie zu vermeiden. Das UBA schätzt, dass allein beim Holzeinschlag rund 10.000 Tonnen Kettenschmierstoffe in die Umwelt gelangen (Blauer Engel o. J. – Schmierstoffe). Auch schwere Geräte im Gartenbau wie Bagger oder Hublader verlieren immer Hydraulik-Flüssigkeiten. Deshalb ist eines besonders wichtig: “Enthalten die Schmierstoffe Bestandteile mit human- oder ökotoxischer Wirkung sowie mit ungenügender Abbaubarkeit können diese Umwelteinträge zu einer relevanten Belastung von Boden und Wasser führen” (ebd.). Die Minimierung ist ein Weg, die Verwendung von Produkten aus nachwachsenden Rohstoffen – d. h. pflanzliche oder tierische Öle – ist der bessere Weg. Zudem sollten die Schmierstoffe biologisch abbaubar sein, nur dann erhalten sie den Blauen Engel “Schmierstoffe”. Hier gilt noch die “DIN EN 16807 Bioschmierstoffe – Kriterien und Anforderungen” seit 2016. Sowohl auf der Forschungs- und Entwicklungsebene (vgl. die Vorträge auf der Bioschmierstoff-Tagung 2021, FNR o. J.) als am Markt (vgl. die Produkte beim Blauen Engel o. J. – Schmierstoffe) gibt es zahlreiche neue Konzepte oder schon marktreife Produkte oder neue Konzepte.
Digitale Endgeräte
Kein Unternehmen kann heute noch ohne digitale Endgeräte arbeiten und in Zukunft werden es noch mehr sein. Ein Beispiel ist die inzwischen schon ausgereifte Drohnentechnologie, mit deren Hilfe ein Garten von oben erfasst und die zukünftige Gestaltung digital vorgestellt werden kann.
Digitale Endgeräte werden einerseits für die Kommunikation des Betriebes und der Mitarbeitenden eingesetzt, andererseits zunehmend für die Vernetzung verschiedener Mess- und Monitoring-Geräte mit Steuereinheiten für Bewässerung, Beschattung, Nährstoffgabe und Pflanzenschutzmittel Dosierung. Diese Geräte bieten viele Vorteile für die Arbeitsprozesse in gärtnerischen Betrieben und können Einsparungen des Energie-, Wasser- und Materialbedarfs ermöglichen.
Ohne Frage sind diese Geräte auf Strom angewiesen, aber der Betriebsstrom der digitalen Geräte ist im Vergleich zu anderen Energienutzungen nur gering. Bei täglicher Aufladung eines Smartphones mit einem Akku von 1.400 mAh und 3,7 V beträgt der jährliche Energiebedarf weniger als 2 kWh (VZ NRW 2012). Dennoch sollte der Stromverbrauch in der Summe nicht unterschätzt werden, denn es wird nicht nur ein Gerät, sondern Dutzende genutzt.
Die eigentlichen THG-Emissionen eines digitalen Endgerätes stammen aus der Herstellung und insbesondere aus der Gewinnung der Rohstoffe (vgl. Öko-Institut 2020): Für ein iPhone 6 entfallen auf die Geräteherstellung 80 kg CO2-Äq, auf den Transport rund 3 kg CO2-Äq und auf die Nutzung ca. 12 CO2-Äq. Digitale Endgeräte enthalten zudem viele, z. T. seltene und wertvolle Rohstoffe. So empfiehlt die Expertengruppe Green-IT (UBA 2021) unterschiedliche Maßnahmen für die Beschaffung, die Nutzungsphase und nach dem Ende der Nutzungsphase. Für die Beschaffung sollen (im Unternehmen) Ziele und Kriterien zur nachhaltigen Beschaffung festgelegt werden. Wenn möglich sollten Gespräche mit Lieferanten für eine möglichst nachhaltige Beschaffung geführt werden. Die Geräte sollten aufrüstbar und langlebig sein.
Besonders wichtig ist zu prüfen, was mit Geräten erfolgen soll, die nicht mehr genutzt werden. Es ist sinnvoll, wenn außer Betrieb genommene IKT-Geräte einer weiteren Nutzungsphase zugeführt werden, indem sie kostenlos an Initiativen abgegeben werden, die Geräte instand setzen oder aufarbeiten, damit die Geräte “ein zweites Leben bekommen”. So gibt es beispielsweise das gemeinnützige Unternehmen AfB gGmbH, das als sogenannter Refurbisher durch Aufarbeitung und Verkauf gebrauchter IT- und Mobilgeräte Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung schafft. Das Unternehmen übernimmt gebrauchte IT von Unternehmen und arbeitet diese nach zertifizierter Datenlöschung für die Wiederverwendung auf.
Sollte dies nicht möglich sein, sollte soziale Einrichtungen oder Schulen abgegeben werden oder auch innerhalb des Betriebes in anderen Abteilungen weiter genutzt werden oder an private Nutzer*innen verkauft oder an Aufbereiter, Wiederverwender abgegeben werden (UBA 2021). Es existieren unterschiedliche Projekte, die IT-Geräte sammeln, die nicht mehr benötigt werden. Dies erweitert den Produktlebenszyklus, natürliche Ressourcen werden geschont und THG-Emissionen reduziert. Es existieren bereits Geschäftsmodelle für Unternehmen, die sich auf Runderneuerung und Verkauf gebrauchter Geräte, das sogenannte Refurbishment spezialisiert haben. Dieses Geschäftsmodell verfolgt auch Online-Marktplätze wie asgoodasnew.de oder refurbed.de. Das Unternehmen “Das macht Schule gemeinnützige GmbH” aus Hamburg vermittelt gebrauchte Hardware an Schulen, die diese selbst abholen und schließlich auch darüber berichten.
Verpackungen
Die Wahl der Verpackungsart kann zur Erreichung des SDG 12.5 beitragen, bis 2030 das Abfallaufkommen durch Vermeidung, Verminderung, Wiederverwertung und Wiederverwendung deutlich zu verringern.
Verpackungen werden auch in Gärtnereien eingesetzt, da sie den geschützten Transport von Produkten ermöglichen, beispielsweise bei der Beschaffung und Belieferung, im Online-Handel und im Direktverkauf von Zierpflanzen. Die wichtigsten Verpackungsmaterialien sind:
● Papier z. B. zum Einrollen von Blumensträußen oder Zimmerpflanzen
● Cellophan-Folien Klarsicht) für dekorative Blumensträuße
● PP-Folien (Klarsicht) für das feste Verbinden von großen Gebinden
● PE-Einweg-Transportschalen für mehrere Blumentöpfe
● Pappkartons für den Online-Verkauf
● Papiertüten für die Kunden und Kundinnen für den Einkauf
● PP-Klarsichtbeutel für kleine Stückware (z. B. Kabelverbinder)
Weiterhin erhalten Gärtnereien die meisten Waren – sofern sie “Stückware” sind – verkaufsfertig von den Herstellern in verpackter Form. Hier gibt es ohne Frage gute und schlechte Verpackungen:
● Mulche, Erden, Split oder Streumaterialien zwischen 5 kg und 80 l werden in PE- oder PP-Säcken angeliefert. Die Folien sind zumeist materialoptimiert und es gibt kaum nachhaltige Alternativen. Die mit der Folienherstellung verbundenen THG-Emissionen sind gering, eine umweltfreundlichere Alternative gibt es derzeit nicht.
● Kleinteiliges Gartenzubehör wie Sprinklersysteme oder Messer für Mähroboter werden vom Hersteller oft aufwändig verpackt mit einer Papp-Rückseite und einem Klarsicht-Kunststoff. Derartige Verpackungsformen sind zwar praktisch, aber erschweren oder verhindern das stoffliche Recycling aufgrund von Klebeberbindungen.
● Flüssige Hilfs- und Betriebsmittel werden entweder in Kunststoff- oder Metallgebinden verkauft. Die Kunststoffvariante ist die klimafreundlichste Variante.
Kunststoffe haben gegenüber Papier viele Vorteile, weshalb Bio-Kunststoffe vermehrt eingesetzt werden. Es gibt erneuerbare Verpackungsmaterialien aus Zucker, Cellulose oder Stärke. Erneuerbare Rohstoffe zu nutzen, führt aber nicht unbedingt dazu, dass diese eine nachhaltigere Verpackung darstellen (ökolandbau o. J.). Polyethylen kann z. B. pflanzlich als Bio-PE gewonnen werden (ifeu 2012). Bio-PE ist wesentlich klimafreundlicher als fossiles PE, dafür hat Bio-PE ein höheres Versauerungspotential und führt zu mehr Eutrophierung von Gewässern (durch die Düngung der Pflanzen). Zudem ist der Flächenbedarf für den Pflanzenanbau um ein Vielfaches höher und Flächen sind weltweit ein knappes Gut. Wie oben beschrieben, ist die Wahl der Verpackungsmaterialien nicht einfach. Dennoch gibt es drei einfache Handlungsregeln:
● Vermeiden Sie wo immer möglich Kunststoffe, Papier hat ein besseres Recycling.
● Nutzen Sie nur Papierprodukte aus Altpapier.
● Besprechen Sie mit Ihrem Händler, ob “unverpackt” eine Lösung für Stückgut ist – ein Produkt für einen Garten braucht keinen besonderen Schutz, wenn er im Nachhinein Wind und Wetter ausgesetzt ist.
● Prüfen Sie für flüssige Produkte – ist eine Abgabe aus einem Vorratsbehälter möglich, wenn die Kunden und Kundinnen ihr eigenes Gefäß mitbringen?
Kunststoffe
Landschaftgärtner:innen legen im Rahmen ihrer Tätigkeit u. a. Außensportplätze und Spielplätze an. Hierbei werden Kunstrasen, Kunststoff- oder Gummigranulate für den Belag verwendet (European Chemicals Agency – ECHA o. J.). Die Materialien bewirken, dass Plätze wetterfest und damit dauerhaft (ideal für unterschiedliche Sportarten) bespielbar sind. Es erhöht die Stoßdämpfung und Bodenhaftung. Auch auf Spielplätzen werden Granulate sowohl fest gebunden als auch lose eingesetzt, vor allem als Fallschutz (ebd.).
Kunstrasen
Nach Informationen des Deutschen Fußballbundes gibt es allein 5.000 für den Fußball Betrieb gemeldete Kunstrasenplätze (ca. 530 ha) sowie 1.000 Minispielfelder (svt 2019). Kunstrasen wird aber auch für andere Sportarten wie z. B. Hockey verwendet, so dass allein die sportliche Nutzung sicher mehr als 1.000 ha bzw. 10 km2 beträgt. Die private Nutzung in Gärten dürfte noch viel höher liegen, da Kunstrasen intensiv beworben wird (“Echte Männer mähen nicht”).
In 2019 begann eine Debatte über die Umweltfolgen von Kunstrasen, insbesondere aufgrund der Freisetzung von Mikroplastik sowie dem Bestreben des EU-Parlamentes, Einwegartikel aus Kunststoffen zu regulieren (vgl. BMU 2019, svz 2019): Mikroplastik-Granulat wird u. a. als Füllmaterial für Kunstrasen auf Fußballplätzen genutzt (BMU 2019). ECHA ging davon aus, dass erhebliche Mengen an Mikroplastik aus dieser Nutzung in die Umwelt gelangen, das UBA konnte dies bestätigen (UBA 2019). Aus dem Reifenabrieb stammen schätzungsweise 130.000 bis 160.000 t, aus Sport- und Reitplätzen schätzungsweise 11.000 t (ebd.).
Bei Mikroplastik handelt sich hierbei um feste, unlösliche, partikuläre und nicht biologisch abbaubare synthetische Polymere in einem Größenbereich von weniger als 5 Millimetern bis 1.000 Nanometer (vgl. UBA 2020, Quarks 2022). Mikroplastik wird unterschieden in primäres und sekundäres Mikroplastik. Als primäres Mikroplastik werden Partikel bezeichnet, die bei Eintritt in die Umwelt bereits im Größenbereich von Mikroplastik sind. Primäres Mikroplastik Typ A wird bereits in diesem Größenbereich eingesetzt. Dazu gehören beispielsweise Partikel, die in der Kosmetik- und Körperpflege-Industrie eingesetzt werden. Primäres Mikroplastik Typ B entsteht während der Nutzungsphase. Hierzu gehören zum Beispiel der Abrieb von Autoreifen, oder Fasern aus synthetischen Textilien, die beim Waschen ins Abwasser gelangen. Sekundäres Mikroplastik entsteht bei dem Zerfall größerer Kunststoffteile im Verwitterungsprozess z. B. durch Wellenbewegung und Sonneneinstrahlung (vgl. Quarks 2022).
Gummigranulate und Gummimulche
Gummigranulate werden inzwischen häufig aus Altreifen hergestellt. In Deutschland fielen in 2019 ca. 600.000 t Altreifen an, die entweder stofflich (Gummiprodukte, Granulate, Mulch u. a.) oder thermisch (Zementindustrie, Verfeuerung in Müllverbrennungsanlagen als Brennstoff) verwertet wurden (statista 2022). Die Nutzung der Altreifen für Gummigranulate und Mulche ist eine Wiederverwertung im Sinne der Reycling-Kaskade, d. h. die Materialien eines Produktes werden für einen anderen Zweck genutzt. Da bei den Altreifen nur ein Schreddern, von anderen Materialien befreien und reinigen notwendig ist (sofern sie als Untergrundmaterial genutzt werden und eine farbiger Belag oben aufgezogen wird), ist dies eine nachhaltige Verwendungsweise. Ein Material wird mit geringem Energieaufwand gewonnen und langlebig genutzt. Das UBA schätzt, dass fast 50 Prozent der Plätze mit Materialien aus alten Reifen hergestellt werden (UBA 2019).
Die Granulate und Mulche können allerdings potenziell schädliche Chemikalien einschließlich polyzyklischer aromatischer Kohlenwasserstoffe (PAK), Metalle und Phthalate enthalten. Auch können flüchtige und halbflüchtige organische Kohlenwasserstoffe (VOC und SVOC) freigesetzt werden. Die Granulate tragen ferner zur Verschmutzung durch Mikroplastik bei, da sie von den Plätzen aus in die Umwelt getragen werden können, z. B. durch Witterung oder den Abrieb durch Spielerschuhe. Die EU ergreift im Rahmen der ECHA Maßnahmen , um einerseits den Gehalt schädlicher Inhaltsstoffe zu begrenzen, ohne andererseits den Gesundheitsschutz (hier Fallschutz) zu vernachlässigen. (ECHA o. J.). Als Alternative für den Fallschutz auf Spielplätzen können Holzhackschnitzel eingesetzt werden. Diese müssen entsprechend DIN EN 1177 zertifiziert sein (z. B. Holz-Energie-Zentrum o. J.)
Nachhaltigkeit, Kunstrasen und Gummigranulat
Aus Sicht der Nachhaltigkeit ergibt sich somit ein nicht leicht aufzulösender Zielkonflikt bei Sportplätzen (aber nicht bei privater Gartenverwendung). Ohne Frage führen Kunstrasenplätze zu Emissionen von Partikeln, über deren Umweltwirkungen nur wenig und über deren gesundheitliche Wirkungen noch weniger bekannt ist. Positiv für die ökologische Dimension ist die Verwendung von gebrauchten Altmaterialien, die mit einem geringen Energieaufwand gewonnen werden. Andererseits sind Kunstrasenplätze aus Sicht einer ökonomischen Perspektive sinnvoll: Sie benötigen weniger Pflege (Arbeitskosten) und sind langlebig. In der sozialen Dimension erfüllen sie gleichfalls wichtige Zwecke durch die Freizeitgestaltung und das soziale Miteinander. Hinsichtlich einer abschließenden Bewertung, ob Kunstrasenplätze nachhaltig sind oder nicht, muss man die Alternativen betrachten. Asphaltierte Plätze nutzen im wesentlich größeren Umfange nicht-erneuerbare Ressourcen und haben zudem auch höhere THG-Emissionen in der Herstellung. Zudem sind sie bei Stürzen wesentlich gefährlicher als Kunstrasen oder Gummigranulatplätze. Für Spielplätze sind sie undenkbar. Rasenplätze hingegen sind ökologisch vorteilhafter, auch wenn sie sie eine mindere Wertigkeit für Lebewesen und Pflanzen haben. Der Pflegeaufwand ist wesentlich höher – und ausschlaggebend – ist die unzureichende Belastbarkeit. Nach wenigen Fußballspielen müssen sie intensiv wiederhergestellt werden, weshalb sie nicht zur Dauernutzung geeignet sind. Aus Sicht der Nachhaltigkeit stellen Kunstrasen- und Gummigranulat-Plätze also die beste Form dar, wenn eine intensive Nutzung möglich sein soll. Als Alternative für den Fallschutz auf Spielplätzen können Holzhackschnitzel eingesetzt werden. In privaten Gärten hingegen sollte auf Kunstrasen und Gummigranulate verzichtet werden.
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SDG 13 Maßnahmen zum Klimaschutz
“Umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen ergreifen”
Das SDG 13 “Maßnahmen zum Klimaschutz” zielt darauf ab, umfassende Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen ergreifen. Mit dem SDG 13 soll in erster Linie erreicht werden, den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Im Zusammenhang mit den Handlungsfeldern der Pflanzentechnologie sind folgende Unterziele des SDG 13 von Bedeutung:
13.1. Die Widerstandskraft und die Anpassungsfähigkeit gegenüber klimabedingten Gefahren und Naturkatastrophen in allen Ländern stärken
13.3. Die Aufklärung und Sensibilisierung sowie die personellen und institutionellen Kapazitäten im Bereich der Abschwächung des Klimawandels, der Klimaanpassung, der Reduzierung der Klimaauswirkungen sowie der Frühwarnung verbessern
Die Schnittmenge für das SDG 13 “Maßnahmen zum Klimaschutz” ergibt sich aus den Nummern a, b und d der berufsprofilgebenden Berufsbildpositionen “:
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen.
d) Abfälle vermeiden sowie Stoffe und Materialien einer umweltschonenden
Wiederverwertung oder Entsorgung zuführen
Im Produktions-Gartenbau geht es sowohl um Anbau, Pflege und Ernte von Kulturpflanzen zu Versuchs- und Vermehrungszwecken als auch um Züchtungs- und Vermehrungsverfahren und deren Vorgaben zur Umsetzung des Sortenrechtes.
In der internationalen Diskussion wird zwischen Maßnahmen zum Klimaschutz und solchen zur Klimaanpassung unterschieden. Bei der Klimaanpassung geht es darum, geeignete Maßnahmen zur Adaption an den Klimawandel zu entwickeln und umzusetzen, um dadurch die Empfindlichkeit gegenüber klimabedingten Risiken zu vermindern (Klimaresilienz). Die Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS) ist das grundlegende Strategiepapier (Bundesregierung 2008), um Anpassungsmaßnahmen auch politisch zu verankern und wirksam werden zu lassen. Die folgenden Abschnitte gehen vor dem Hintergrund der Tätigkeiten des Pflanzentechnologen und der Pflanzentechnologin auf die Bedeutung von Mooren als CO2-Speicher und und ihren Beitrag zum natürlichen Klimaschutz, die Reduktion von Stickstoff-Emissionen als wichtige Klimaschutzmaßnahme sowie standortangepasste und trockenresistente Pflanzensorten als Anpassungsmaßnahme ein.
Moore als CO2-Speicher
In der Pflanzentechnologie werden bei der Durchführung von Versuchen im Freiland und im Gewächshaus sowie bei der Vermehrung von Pflanzenmaterial Kultursubstrate eingesetzt, die vollständig oder zu einem großen Anteil aus Torf bestehen. Weiterhin findet Torf als (Haupt-)Bestandteil in Blumenerden und als Bodenverbesserungsstoff Verwendung. Hinsichtlich der Torfgewinnungsmengen und deren Verwendung gibt es wenig belastbare und aktuelle Zahlen. In Deutschland wurden 2021 rund 12 Millionen Kubikmeter Kultursubstrate erzeugt. Davon gelangen 5,8 Millionen Kubikmeter auf den deutschen Markt. Für die Produktion dieser Menge an Kultursubstraten werden circa 4,2 Millionen Kubikmeter Torf benötigt. 1,6 Millionen Kubikmeter werden durch andere organische Ausgangsstoffe gedeckt (IVG 2020).
In den folgenden Abschnitten werden die Hintergründe dargestellt, inwiefern die Minderung des Torfeinsatzes zum Klimaschutz beiträgt.
Klimawirkung bei der Verwendung von Torf
Kohlenstoffsenken spielen eine zentrale Rolle im Klimaschutz, da sie große Mengen CO2 speichern können. Moore speichern weltweit circa ein Drittel des gesamten organischen Kohlenstoffs, obwohl sie nur 3 Prozent der Landfläche der Erde bedecken. Das macht Moore, neben Wäldern und Permafrostböden, zu den Stars unter den Kohlenstoffsenken der Landbiosphäre (BMEL 2022a,b,c) und damit wertvoll für den Klimaschutz. Der Wert der Moore wird umso deutlicher, wenn man bedenkt, dass eine Torfschicht durchschnittlich nur einen Millimeter pro Jahr wächst und für eine Schicht von zehn Zentimetern 100 Jahre erforderlich sind (UBA & DEHst 2022). Ein CO2-Überschuss von mehreren Gigatonnen in der Atmosphäre, der von den weltweit vorhandenen Kohlenstoffsenken nicht gebunden werden kann, bereitet den Klimaschützerinnen und Klimaschützern zunehmend Sorge. Die CO2-Senken, darunter wertvolle Moore, zu erhalten und in der Zukunft zu stärken, ist daher ein wesentlicher Baustein des Klimaschutzes (Global Carbon Budget 2019).
Schutz der Moore bedeutet Klimaschutz
Um feuchte Moorböden landwirtschaftlich oder forstwirtschaftlich nutzen und bewirtschaften zu können, wurden sie in der Vergangenheit in großem Umfang entwässert und trockengelegt. In der Folge gelangt Sauerstoff in die trocken gelegten Moorböden und regt Zersetzungsprozesse in der Torfschicht an. Durch diese Prozesse wird der in Mooren gespeicherte Kohlenstoff in Form von CO2 freigesetzt und trägt als Treibhausgas zur Erwärmung der Erde, mit negativen Folgen für Ökosysteme und die Landwirtschaft, bei (UBA & DEHst 2022). Politische, wirtschaftliche und ökologische Akteure stehen nun vor folgendem Dilemma: Intakte Moore könnten einerseits als wertvolle Kohlenstoffsenken dienen und überschüssiges CO2 speichern. Andererseits spielt die Nutzung von Torf als Blumenerde, als Kultursubstrat oder zur Bodenverbesserung eine wirtschaftliche Rolle und führt dazu, dass durch den Abbau der Moorböden gebundener Kohlenstoff in großem Umfang als CO2 freigesetzt wird.
Torfabbau in Deutschland und Minderungsstrategie
In Deutschland wird durch politische Vorgaben versucht, den Einsatz von Torf schrittweise zu mindern. So ist im Klimaschutzprogramm 2030 (BMUV 2019) festgeschrieben, den Einsatz von Torf als Kultursubstrat und Bodenverbesserer weitestgehend zu verringern oder ganz darauf zu verzichten. Im Hobbybereich soll die Verwendung von Torf bis 2026 eingestellt werden. Diese Ziele stehen im Einklang mit der Nationalen Moor Schutzstrategie (BMUV 2022a), die darauf abzielt, die Torfverwendung im Gartenbau gänzlich einzustellen.
Ersatzstoffe und Substrate
Die Torfminderungsstrategie wird nur akzeptiert und kann nur dann nachhaltig erfolgreich sein, wenn entsprechende Alternativen zur Verfügung stehen. Die Entwicklung von Ersatzstoffen nimmt daher eine zentrale Rolle in der Torfminderungsstrategie ein. Die Bundes- und Landesregierungen fördern deutschlandweit Verbundprojekte, in denen an Ersatzstoffen und torfreduzierten Substraten geforscht wird und Betriebe dabei begleitet werden, diese zu testen und langfristig einzusetzen (LWK Niedersachsen 2019). Im Jahr 2021 wurden 22 Prozent der Ausgangsstoffe für Kultursubstrate für den Erwerbsgartenbau durch Torfalternativen ersetzt. Einen Überblick über die Anteile von Substratausgangsstoffen für den Erwerbsgartenbau gibt die folgende Übersicht (BMEL 2022: 10):
● Schwarztorf: 43 Prozent (dunkel, stammt aus den tieferen Moorschichten und ist viel älter als Weißtorf)
● Weißtorf: 35 % (hellbraun, wird aus den oberen Schichten der Moore gewonnen)
● Kokosprodukte: 2 %
● Holzfasern: 11 %
● Rindenhumus: 1 %
● Grüngutkompost: 3 %
● Sonstige organische Stoffe (z. B. Pinienrinde): 1 %
● Mineralische Ausgangsstoffe (z. B. Ton): 4 %
Je nach Branche im Gartenbau sehen Fachleute und Praktiker unterschiedliche Potenziale für den Ersatz von Torf in Substraten (BMEL 2022a,b,c):
● Dem Hobbybereich wird das größte Potenzial zum vollständigen Torfersatz eingeräumt, sofern ausreichende Ersatzprodukte zur Verfügung stehen.
● Im Garten- und Landschaftsbau stellt der insbesondere die Sportrasenproduktion eine Herausforderung für die Torfminderung dar.
● Für den Beerenobstanbau besteht mittelfristig ein Minderungspotenzial von 50-70 Prozent (ebd.) .
● Im Zierpflanzenbau gibt es die meiste einschlägige Erfahrung, gestützt durch zahlreiche Versuche mit Torfminderungspotenzialen von mindestens 50 Prozent (ebd.). Dies gilt auch für Containerpflanzen im Baumschulbereich.
● In der Jungpflanzenproduktion im ökologischen Gemüsebau werden für Presstöpfe (unter Druck hergestellte Pflanzbehälter zur Pflanzenanzucht) bis zu 40 Prozent alternative Substratausgangsstoffe beigemischt. Weiteres Reduktionspotenzial für den Torfeinsatz könnte durch die Verkleinerung von Presstöpfen erreicht werden oder einen grundsätzlichen Umstieg auf andere Anzuchtsysteme (ebd.).
Auch wenn die Entwicklung von Torfersatzstoffen noch nicht für alle Einsatzbereiche ausgereift ist, ist es für angehende Gärtnerinnen und Gärtner wichtig, die Bedeutung des Schutzes der Moore für den Klimaschutz zu verstehen, ein Bewusstsein für Torfminderungspotenziale zu entwickeln und ihr zukünftiges Handeln an den Leitlinien der Bundesregierung sowie dem aktuellen Forschungsstand auszurichten. Torfreduzierte oder torffreie Substrate müssen für die gartenbauliche Nutzung hohe Qualitätsanforderungen erfüllen. Hier ist es wichtig, die richtigen Mischungen zu kennen und anzuwenden, um mögliche Risiken für die jeweilige Kultur zu vermeiden.
Für den Bereich der privaten Gartengestaltung hat der BUND einen umfassenden Einkaufsführer veröffentlicht (BUND 2022). Diesen Leitfaden können Gartenbaubetriebe ihren Kunden und Kundinnen aushändigen, nach Anlage eines Gartens oder beim Einkauf von Erden.
Kompost
Während einige der möglichen Ersatzmaterialien weite Wege der Zulieferung zurücklegen müssen (Kokos, Pinienrinde) oder in Konkurrenz zu anderen Nutzungen stehen (Holz, Ton), scheint Kompost eine naheliegende Möglichkeit.
Kompost gilt als günstige Nährstoffquelle und liefert stabile Humusstoffe (fibl 1999). Er enthält Stickstoff, Phosphat, Kalium, Magnesium, basisch verwertbare Stoffe, Mikronährstoffe (Bor, Eisen, Molybdän, Kupfer Zink, Mangan) in variablen Mengen (BGK/ZVG 2002). Jedoch gilt es bei der Anwendung einerseits die Eignung und weiterhin die chemische Zusammensetzung und die hygienische Einwandfreiheit zu beachten. Beim Einsatz sind die Bestimmungen der Bioabfallverordnung (BioAbfV) zu beachten (BMJ 2022). Insbesondere im Gemüsebau, da Lebensmittel zum Verzehr geerntet werden, ist dies ein wichtiger Aspekt. Das RAL-Gütezeichen stellt ein unabhängiges Prüfzeugnis, womit der Einhalt aller gesetzlich vorgeschriebenen Werte zertifiziert wird, für Komposte aus und wird vom Zentralverband Gartenbau empfohlen (BGK/ZVG 2002). Entsprechend gütegesicherte Produkte können der Betriebsmittelliste des FiBL (FiBL 2022) entnommen werden. Zwei Arten Kompost werden aufgrund ihres Ausgangsmaterials, für die es separate Sammelstellen gibt, unterschieden: Grünschnittkompost und Bioabfallkompost (früher auch als Küchenabfall Kompost bezeichnet (fibl 1999)). Erfahrungen liegen vor allem aus dem Ökolandbau vor, da Kompost in diesem Segment professionell genutzt wird (BLE 2020).
Blick über den deutschen Tellerrand
Um den Torfabbau in Deutschland zu decken, importieren Erdenbetriebe Torf aus anderen Ländern der Europäischen Union (BMEL 2022a,b,c). Dies hat verheerende Folgen für die Biodiversität in diesen Ländern, da die Regelungen zum Torfabbau dort weniger streng sind. In Deutschland darf der Torfabbau nur auf landwirtschaftlichen und entwässerten Flächen erfolgen, während in anderen Ländern naturnahe Moore abgetorft werden (ebd.). Wie in den obigen Abschnitten skizziert, erstreckt sich das Themenfeld Torfminderung von rein praktischen Fragen in der Substratauswahl bis hin zu politischen Herausforderungen im In- und Ausland.
Distickstoffoxid-Emissionen
Stickstoffhaltiger Dünger in der Landwirtschaft sowie die landwirtschaftliche Tierhaltung bilden die Hauptquellen für Distickstoffoxid-Emissionen (N2O), auch Lachgas genannt. Im Jahr 2021 betrugen die N2O-Emissionen landwirtschaftlichen Ursprungs knapp 80 Prozent der gesamten Lachgasemissionen (UBA 2022). Distickstoffoxid-Emissionen, verursacht durch Stickstoff-Düngergaben sind auch für das Berufsfeld Pflanzentechnologie von Bedeutung und sollten daher verstärkt betrachtet werden.
Lachgas (N2O) ist neben Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), wasserstoffhaltigen Fluorkohlenwasserstoffen (HFKW), perfluorierten Kohlenwasserstoffen (FKW) und Schwefelhexafluorid (SF6) eins von sechs Treibhausgasen, die im Rahmen des Kyoto-Protokolls reglementiert werden und für die Berichtspflichten der Vertragsstaaten bestehen. Mit der Verabschiedung und Ratifizierung des Kyoto-Protokolls hat sich die internationale Staatengemeinschaft erstmals vertraglich dazu verpflichtet, dem Klimawandel zu begegnen und die Treibhausgasemissionen zu senken (UBA 2021).
Der Weltklimarat (International Panel for Climate Change -IPCC) definiert für jedes Gas einen sogenannten GWP-Wert (Global Warming Potential). Der GWP-Wert ist eine Messgröße, die den Beitrag eines Gases zum Treibhauseffekt (Erwärmungswirkung) über einen bestimmten Zeitraum, in der Regel 100 Jahre, ausdrückt. Als Bezugsgröße dient der GWP-Wert von CO2. Der GWP-Wert eines Treibhausgases gibt an, wie viel eine bestimmte Masse eines Gases im Vergleich zur gleichen Masse CO2 zur Erderwärmung beiträgt. Die GWP-Werte unterschiedlicher Treibhausgase betragen gemäß dem 5. Sachstandsbericht des IPCC (IPCC 2014: 87):
● Kohlendioxid CO2: 1 (Bezugswert)
● Methan CH4: 28
● Distickstoffoxid (Lachgas) N2O: 265
● FCKW (in Deutschland verboten) > 12.000
Im Jahr 2020 hatten die unterschiedlichen Gase folgenden Anteile an der Gesamtemission der Treibhausgase in Deutschland (UBA 2022):
● Kohlendioxid: 87,1 %
● Methan: 6,5 %
● Lachgas: 4,6 %
● Fluorierte Treibhausgase (F-Gase): wasserstoffhaltige Fluorkohlenwasserstoffe (HFKW) und perfluorierte Kohlenwasserstoffe (FKW): 1,7 %
Auf den ersten Blick hat Lachgas mit 4,6 Prozent einen vergleichsweise geringen Anteil an den Gesamtemissionen. Jedoch beträgt das CO2-Äquivalent für Lachgas bei einem Zeithorizont von 100 Jahren 265. Das bedeutet, dass ein Kilogramm Lachgas innerhalb der ersten 100 Jahre nach der Freisetzung 265-mal so stark zum Treibhauseffekt beiträgt wie ein Kilogramm CO2. Die Potenziale zur Reduzierung der Lachgasemissionen durch eine Verringerung des Stickstoffeintrags sind daher von besonderer Bedeutung und werden unter SDG 6 dargelegt.
Lachgas entsteht aus der Zersetzung von Stickstoff im Boden infolge übermäßiger Düngung. Um den Düngereinsatz zu mindern bzw. genau an den Pflanzenbedarf anzupassen, sind die Prinzipien des integrierten Pflanzenschutzes (IPS) anzuwenden. Die Basis des integrierten Pflanzenschutzes bildet die Kenntnis vorbeugender Maßnahmen, zu denen auch eine gute Kulturführung und eine angepasste Sortenwahl gehören, z. B. bei der Planung und Durchführung von Versuchen im Freiland. Diese vorbeugenden Maßnahmen sind sorgsam zu planen und während der Kulturzeit durchzuführen, da sie sowohl den Boden als auch die Pflanzen stärken und gesund erhalten. Eine bedarfsgerechte Düngung, insbesondere mit Stickstoff, trägt zur Pflanzengesundheit bei und verhindert, dass Stickstoff-Überschüsse im Boden zu Lachgas umgewandelt werden, das in die Atmosphäre entweicht (BMEL 2021: 41).
Standortangepasste und trockenresistente Pflanzensorten
Auch die Wahl standortangepasster, trockentoleranter und krankheitsresistenter Sorten ist laut Nationalem Aktionsplan Pflanzenschutz (BMEL 2017: 50) als vorbeugende Maßnahme des integrierten Pflanzenschutzes (IPS) hervorzuheben. Für eine standortangepasste Landwirtschaft steht Landwirt*innen und Erwerbsgärtner*innen bereits aus eine breite Auswahl an Sorten einer bestimmten Kulturart zur Verfügung, z. B.:
● Nematoden-tolerante Zuckerrübensorten (z. B. Lunella KWS, Thaddea KWS RZ, Caprianna KWS RZ, Blandina KWS) in Anbaugebieten mit hohem Nematodendruck (KWS 2022)
● Anbauempfehlungen für Winterraps-Sorten unter hessischen Anbaubedingungen: Architect, DK Exception, DK Expansion und Puzzle (LLH 2021)
● Öko-Weizensorte Moschus auf stickstoffreichen Standorten oder nach Kleegrasumbruch und wenig Unkrautdruck (LWK NRW 2021).
Die Pflanzenzüchtung kann einen wesentlichen Beitrag zur Pflanzengesundheit und Widerstandsfähigkeit gegenüber Trockenstress und Schaderregern leisten. Für die Landwirtschaft und den Erwerbsgartenbau ist es wichtig, dass neue Sorten Trocken- oder Krankheitsresistenz auf der einen Seite mit guten Anbaueigenschaften und einer hohen Ertragsleistung auf der anderen Seite verbinden (BMEL 2021). Bisher wurde die Vermeidung von Trockenheit im Pflanzenbau, wenn möglich, über die Bewässerung geregelt. In der Zukunft wird die Entwicklung trockenresistenter und angepasster Sorten jedoch nicht nur als vorbeugende Pflanzenschutzmaßnahme, sondern auch als Anpassungsmaßnahme im Klimaschutz an Bedeutung gewinnen.
Neben der Entwicklung neuer Sorten kann die Erweiterung der bestehenden Palette an Kulturarten um neue oder bislang unbedeutende Kulturarten einen wichtigen Baustein darstellen, um Landwirtschaft und Erwerbsgartenbau an sich ändernde Umwelt- und Klimabedingungen anzupassen. Dies setzt voraus, dass für diese neuen Kulturen auch ein wirtschaftliches Potenzial besteht oder erschlossen wird. Beispielsweise stellt sich die wirtschaftliche Bedeutung verschiedener bisher untergeordneter, trockentoleranter Kulturarten in Deutschland wie folgt dar (GFPi o. J.):
● Erbse: mittlere wirtschaftliche Bedeutung
● Süßlupine: geringe wirtschaftliche Bedeutung
● Soja: geringe wirtschaftliche Bedeutung
● Linse: Wirtschaftliche Bedeutung noch nicht absehbar
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Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (o. J.)/LWK Niedersachsen 2019 – Landwirtschaftskammer Niedersachsen und Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau Bad Zwischenahn-Rostrup (2019): Projekt TeiGa. Forschungsverbundprojekt auf dem Gebiet der Torfersatzstoffe im Gartenbau. Online: www.ml.niedersachsen.de/themen/landwirtschaft/ue_pflanzen_und_duengemanagement/reduzierung_torfeinsatz/reduzierung-torfeinsatz-140831.html
UBA & DEHst Umweltbundesamt und Deutsche Emissionshandelsstelle(2022) – Umweltbundesamt und Deutsche Emissionshandelsstelle: Factsheet Moorschutz ist Klimaschutz. Online: www.dehst.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/Factsheet_Moore.pdf?__blob=publicationFile&v=6
UBA Umweltbundesamt (2021): Die Treibhausgase. Online: www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/klimaschutz-energiepolitik-in-deutschland/treibhausgas-emissionen/die-treibhausgase
UBA (2022b): Ressourcenbericht 2022. Online: www.umweltbundesamt.de/ressourcenbericht2022
SDG 15 Leben an Land
“Landökosysteme schützen, wiederherstellen und ihre nachhaltige Nutzung fördern, Wälder nachhaltig bewirtschaften, Wüstenbildung bekämpfen, Bodendegradation beenden und umkehren und dem Verlust der biologischen
Vielfalt ein Ende setzen”
Das SDG 15 “Leben an Land” umfasst eine Vielzahl von Handlungszielen. Es strebt an, Landökosysteme zu schützen, wiederherzustellen und ihre nachhaltige Nutzung zu fördern, Wälder nachhaltig zu bewirtschaften, Wüstenbildung zu bekämpfen, Bodenverschlechterung zu stoppen und umzukehren und den Biodiversitätsverlust zu stoppen.
SDG 15.3 Bis 2030 die Wüstenbildung bekämpfen, die geschädigten Flächen und Böden einschließlich der von Wüstenbildung, Dürre und Überschwemmungen betroffenen Flächen sanieren und eine Welt anstreben, in der die Landverödung neutralisiert wirdSDG 15 Umgehende und bedeutende Maßnahmen ergreifen, um die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume zu verringern, dem Verlust der biologischen Vielfalt ein Ende zu setzen und bis 2020 die bedrohten Arten zu schützen und ihr Aus- sterben zu verhindern
SDG 15.6 Die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergebenden Vorteile und den angemessenen Zugang zu diesen Ressourcen fördern, wie auf internationaler Ebene vereinbart
SDG 15.9 Ökosystem- und Biodiversitätswerte in nationale Planungen, Entwicklungsprozesse, … mit einbeziehen
Die Schnittmenge für das SDG 15 “Leben an Land” ergibt sich aus den Nummern a, b und d der berufsprofilgebenden Berufsbildpositionen“ (BIBB 2020):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen.
d) Abfälle vermeiden sowie Stoffe und Materialien einer umweltschonenden Wiederverwertung oder Entsorgung zuführen
Die Erderwärmung hat Auswirkungen auf alle Ökosysteme an Land und unter Wasser. Gärtner*innen der verschiedenen Fachrichtungen haben die Aufgabe zu bewältigen, ihre Arbeit an die Auswirkungen des Klimawandels anzupassen. Klimawandel bezeichnet langfristige Temperatur- und Wetterveränderungen, die hauptsächlich durch menschliche Aktivitäten verursacht sind, insbesondere durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe (united nations, 2021).
Die Bedeutung von Ökosystemen an Land
Fruchtbarer Boden ist die Lebens- und Nahrungsgrundlage für Menschen, Tiere und Pflanzen. Hohe Bodenverdichtung, Hitzewellen, Starkregen und Trockenphasen verändern die ländlichen Ökosysteme und die biologische Vielfalt des Bodens. Dies hat Konsequenzen für weitere Ökosysteme. Um fruchtbaren Boden zu erhalten, ist Wasser notwendig. Längere Trockenphasen können sowohl zur Nährstoffknappheit von Pflanzen als auch zur Verschiebung der Grundwasserneubildung führen.
Artenvielfalt trägt zu einem stabilen Klima und dem Funktionieren natürlicher Stoffkreisläufe bei. Aus diesem Grund sind Artenschutz und Klimaschutz gerade im Beruf des/der Gärtner*in stets zusammen zu denken. Laut Weltbiodiversitätsrat IPBES (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services) ist das Artensterben von Lebewesen heutzutage mindestens 10 – bis 100 mal höher (ipbes, 2022) als im Durchschnitt der letzten 10 Mio. Jahre (ebd.).
Erhalt der Biodiversität
“Die natürliche, aber auch die vom Menschen geschaffene und genutzte biologische Vielfalt, die so genannte Agrobiodiversität, geht zurück.“ Diese Entwicklung zeigt sich weltweit – auch in Deutschland. Der Erhalt und die Förderung der Artenvielfalt und Biodiversität sind auch für die Nahrungsmittelerzeugung zentrale Zukunftsaufgaben” (BMEL, 2022)
Der ökologische Landbau weist deutliche Potenziale für den Erhalt und die Förderung der Biodiversität auf. Er wirkt positiv auf die Lebensräume von Pflanzen und Tieren. Diese vorteilhaften Effekte sind auf den Verzicht von Pestiziden, vielfältige Fruchtfolgen, reduzierte Stickstoff-Düngung und die Erhaltung und Pflege naturnaher Flächen zurückzuführen (LfL, o. J.).
Eine zentrale Rolle für die Biodiversität spielen Insekten. Im Frühjahr 2022 legte das BfN den neuen dritten Band der Roten Liste der gefährdeten Tierarten vor, in dem der Insektenbestand untersucht wurde (BfN 2022). Demnach sind in Deutschland ein Viertel der insgesamt 6.750 neu bewerteten Insektenarten in ihrem Bestand gefährdet. Darunter haben verschiedene Käferarten den größten Anteil. Aber auch Bienen- und Hummelarten sind bedroht. Von den ca. 550 Bienenarten, darunter Wildbienen, Honigbienen und Hummeln, sind 48 Prozent bestandsgefährdet, vom Aussterben bedroht oder stehen auf der Vorwarnliste (Roteliste-Zentrum, 2011).
Als Gründe für den Rückgang der Insektenbestände werden in der Literatur Versiegelung und Bebauung von Flächen, der Eintrag von Schadstoffen und Pflanzenschutzmitteln in die Ökosysteme sowie der Klimawandel genannt. Auch die Gärtner*innen innerhalb der verschiedenen Fachrichtungen haben daran einen Anteil. Durch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und das Schneiden von Hecken außerhalb der Ruhezeiten, durch den Verlust von artenreichem Grünland gehen Lebensräume für Insekten, Plätze zur Überwinterung und Nahrungsquellen verloren (BMEL 2022, BfN 2021). Andererseits sind insbesondere Gemüse- und Obstgärtner*innen auf eine intakte Insektenpopulation angewiesen. Insekten übernehmen wichtige Aufgaben, wie die Bestäubung, aber auch die natürliche Schädlingsregulierung und tragen zur Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit bei (BfN 2021).
Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln
Pflanzenschutzmittel sind chemische oder biologische Wirkstoffe, die Pflanzen vor einer Schädigung durch Tiere oder Krankheiten schützen oder zur Bekämpfung von Unkräutern eingesetzt werden. Im SDG 2 wird näher auf das Konzept des Integrierten Pflanzenschutzes eingegangen.
Im Hinblick auf die oben genannten Insekten wird nachfolgend auf den alternativen Pflanzenschutz mit Pheromonen eingegangen.
Eine nachhaltige Form des Pflanzenschutzes wird mit Pheromonen, sogenannten biologischen Signalstoffen statt herkömmlicher Pestizide, zur Kontrolle der Schadinsekten betrieben. Der Einsatz ist kostspielig und geht mit hohem Arbeitsaufwand einher. Ökologische Insektenpheromone sind weder für den Landwirt, der sie verwendet, für die Pflanze, die bestäubt wird, noch für die bestäubenden Insekten schädlich. Chemisch-synthetisch hergestellte Pheromone sind ebenso kostspielig in der Herstellung und zudem umweltschädlich (vgl. fraunhofer, o. J.).
Pflanzenschutzmittel werden auch beim Gärtnern großflächig und in verhältnismäßig großen Mengen in die Umwelt ausgebracht. Im Jahr 2019 wurden in Deutschland über 42.000 Tonnen Pestizide ausgebracht (Boell Stiftung 2022). Sie wirken toxisch auf die Schadorganismen (Unkräuter, Schädlinge, Pilze oder Bakterien). Allerdings ist die Wirkung der meisten Mittel nicht auf diese beschränkt. Pflanzenschutzmittel können sich auch auf andere Lebewesen und die natürlichen Ressourcen negativ auswirken und diese schädigen. Davon sind vor allem Insekten wie die Wildbienen betroffen. Eine Studie aus Kanada hebt hervor, dass Bienen auf Flächen, deren Böden mit Pestiziden behandelt wurden, im Vergleich zu unbehandelten Flächen deutlich weniger Pollen sammeln und weniger Nester bauen. Auf behandelten Böden bringen Wildbienen 89 Prozent weniger Nachkommen hervor und verringern somit die Bestäubung der Pflanzen (vgl. ökoreich 2021).
Pflanzen kommen direkt auf dem Feld mit Pestiziden in Berührung. Aber es kommt auch zum Eintrag von Pflanzenschutzmitteln auf umliegende Felder und Gewässer. Wird ein Pflanzenschutzmittel auf einem Feld ausgebracht, können Spritznebel auf angrenzende Gebiete gelangen. Durch Abschwemmung nach Regenfällen können die Stoffe in Flüsse und Seen gelangen. Durch Versickerung können sie das Grundwasser verunreinigen (UBA 2015, BAFU 2015). Bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln können Umweltprobleme in verschiedenen Bereichen entstehen: Abbaubarkeit und Abbauverhalten in der Umwelt, Verschmutzung von Böden und Gewässern, Rückstände in der Nahrungskette und eine Störung des ökologischen Gleichgewichtes. Studien weisen darauf hin, dass der Einsatz von Pestiziden einer der wesentlichen Gründe für den Rückgang der Biodiversität – vor allem bei Insekten – ist (Geiger et al. 2010).
Im UN-Sonderbericht “Report of the Special Rapporteur on the right to food” (United Nations 2017: 9) heißt es zu den Gefahren von Pestiziden: “Pestizide können in der Umwelt über Jahrzehnte fortbestehen und ein weltweites Risiko für das gesamte Ökosystem darstellen, von dem die Nahrungsmittelproduktion jedoch abhängig ist. Exzessiver Einsatz und Missbrauch von Pestiziden resultiert in der Kontamination von umgebenden Ackerböden und Wasservorkommen, was einen Verlust der Biodiversität bedeutet, nützliche Insektenpopulationen zerstört, die als natürliche Feinde von Schädlingen fungieren und den Nährwert von Nahrungsmitteln reduziert.”
Im SDG 2 ist das Ziel festgelegt, bis 2030 die Nachhaltigkeit der Systeme der Nahrungsmittelproduktion sicherzustellen. Eine wesentliche Maßnahme hierfür ist es, den Einsatz und das Risiko von chemisch-synthetischen Pestiziden zu reduzieren. Im SDG 6 werden die Auswirkungen des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln auf Grundwasser und Oberflächengewässer beschrieben.
Vor diesem Hintergrund wurde bereits im Jahr 2009 von der EU die sogenannte Pflanzenschutz-Rahmenrichtlinie (2009/128/EG) verabschiedet. Mit der Unterzeichnung der Richtlinie verpflichten sich die Mitgliedsstaaten zur nachhaltigen Verwendung von Pestiziden in der EU (Europäische Union 2009). Die Richtlinie schreibt weiterhin vor, nationale Aktionspläne aufzustellen, „mit denen quantitative Vorgaben, Ziele, Maßnahmen, Zeitpläne und Indikatoren zur Verringerung der Risiken und Auswirkungen der Verwendung von Pestiziden auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt festgelegt werden und die Entwicklung und Einführung eines integrierten Pflanzenschutzes sowie von alternativen Konzepten oder Techniken zur Verringerung der Abhängigkeit von der Verwendung von Pestiziden gefördert wird.“ (Europäische Union 2009).
Maßnahmen zum Schutz der Ökosysteme
Laut BMUV übernehmen Ökosysteme zahlreiche Aufgaben, die für uns Menschen zum Teil lebensnotwendig sind (bmuv, 2022). So produzieren Ökosysteme Nahrung, die wir essen und Sauerstoff, den wir atmen. Sie filtern unser Wasser und recyceln Nährstoffe. Sie bieten uns Menschen Orte der Erholung und liefern zahlreiche Rohstoffe, von denen ganze Wirtschaftszweige abhängen … speichern gesunde Böden, Moore, Wälder und Meere das Treibhausgas CO2. Wälder kühlen bei sommerlicher Hitze die Luft. Intakte Küsten und Flussauen verstärken zudem den Schutz vor Fluten und Hochwassern. Und eine dichte Pflanzendecke schützt Böden vor Austrocknung.
Die bis 2020 (ipbes, 2022) zu erreichenden Aichi-Biodiversitätsziele der Convention on Biological Diversity wurden deutlich verfehlt. Darüber hinaus wird auch das Erreichen der 2015 (ebd.) verabschiedeten Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen kritisch diskutiert.
Folgende Maßnahmen können zum Klimaschutz des Ökosystems Land im Beruf des / der Gärtner*in beitragen:
● Eine ressourcenschonende Bodenbearbeitung und Bodenregeneration sind essentiell für das Bodenleben sowie für die Bodenfruchtbarkeit. Ein intaktes Bodenleben zeigt sich u. a. an der Anzahl der Regenwürmer pro qm Boden, z. B. 100 Regenwürmer pro 1 m2 Boden (Nickelsen, nabu, o. J.)
● Pflanzenimmunität schaffen durch Säen resistenter / toleranter, samenfester Sorten
● Einsatz nachhaltiger Methoden der Unkraut- und Schädlingsbekämpfung sowohl durch physikalische Methoden, z. B. Abflammen als auch durch den gezielten Einsatz von Nützlingen
● Gärten und Grünflächen auf naturbasierten Lösungen anlegen oder umgestalten, um den natürlichen Schutz gegen Klimakatastrophen aufzubauen bzw. die Gefahren zu reduzieren.
● angepasste, alternative Pflanzenauswahl treffen, um den klimatischen Bedingungen zu entsprechen
● Erhöhung und Erhalt der Biodiversität in Gärten, in Grünanlagen zur Verbesserung der Lebensbedingungen für Insekten (BMEL 2022, BfN 2021) durch
○ torffreie Blumenerde als Beitrag zum Artenschutz
○ heimische Wildpflanzen, zur Überwinterung vieler Blütenbesucher
○ Erhalt von Streuobstwiesen
○ Begrünung einer Wand, um das Mikroklima zu stärken
○ Blumenwiesen im Garten, auf Dächern, sowohl zur Steigerung der Biodiversität als auch zur Verbesserung des Verdunstungsschutzes
● bis 2030 sollen 30 Prozent Naturschutzgebiete in der Fläche weltweit angestrebt werden (Settele 2021; Tagesschau 2022).
● Torffreie Erde nutzen (s. SDG 13)
Biologischer Gartenbau
Einen besonderen Beitrag zum Schutz der Artenvielfalt leistet der biologische Gartenbau. Eine Studie des Thünen-Instituts zeigt, dass bei ökologischen Bewirtschaftungsformen deutlich positive Effekte für die Biodiversität feststellbar sind (Thünen 2019). Beispielsweise lagen die Artenzahlen der Ackerflora bei den untersuchten ökologisch bewirtschafteten Flächen um 95 Prozent höher als bei konventionellen Flächen. Die Zahl der blütensuchenden Insekten war um etwa ein Viertel höher (ebd.). Der ökologische Pflanzen- / Feld-/Gemüseanbau schützt die Ökosysteme wesentlich durch den Erhalt der
● Bodenfruchtbarkeit: Positive Effekte zeigen sich insbesondere in Bezug auf eine geringere Bodenverdichtung, geringere Versauerung und ein höheres Vorkommen von Bodenlebewesen. Beispielsweise sind die Biomassen von Regenwurmpopulationen bei ökologischen Flächen im Durchschnitt um 94 Prozent höher als bei konventionellen (Thünen 2019: iv).
● Biodiversität: Er wirkt positiv auf die Lebensräume von Pflanzen und Tieren. Diese vorteilhaften Effekte sind auf den Verzicht von Pestiziden, vielfältige Fruchtfolgen, reduzierte Stickstoff-Düngung und die Erhaltung und Pflege naturnaher Flächen zurückzuführen (LfL o. J.).
● Klimaschutz: Für den Klimaschutz ist es entscheidend, wie landwirtschaftliche Böden genutzt und bewirtschaftet werden (siehe auch SDG 13 Klimaschutz). Ökologisch bewirtschaftete Böden weisen einen höheren Gehalt an Bodenkohlenstoff und eine höhere Kohlenstoffspeicherung Rate auf als vergleichbare konventionelle Flächen (Thünen 2019).
● Klimaanpassung: Ökologisch bewirtschaftete Böden haben einen erhöhten Humusgehalt und eine erhöhte Aggregatstabilität. Diese wirken sich u. a. in den Bereichen Erosionsvermeidung und Hochwasserschutz insofern positiv aus, dass es hier zu einem geringeren Oberflächenabfluss und weniger Bodenabtrag kommt (Kainz et al. 2009).
Die ökologische Landwirtschaft weist vielfältige Potenziale für eine nachhaltige Transformation der Landwirtschaft auf. Vor diesem Hintergrund wird diese Form der Bewirtschaftung von der deutschen Politik besonders gefördert. Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie gibt für das Jahr 2030 das Ziel vor, den Anteil der ökologischen Landwirtschaft auf mindestens 20 Prozent zu erhöhen. Im Koalitionsvertrag 2021 hat sich die Bundesregierung das Ziel gesetzt, bis 2030 sogar 30 Prozent Ökolandbau zu erreichen.
Quellenverzeichnis
BAFU Bundesamt für Umwelt Schweiz (2015): Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf Mensch und Umwelt. Online: www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/chemikalien/dossiers/pflanzenschutzmittel/auswirkungen-von-pflanzenschutzmitteln-auf-mensch-und-umwelt.html
BfN – Bundesamt für Naturschutz (2021): Gezielte Insektenförderung für die Landwirtschaft ‒ mit Nützlingen Biodiversität und Produktivität verbinden. Online: biologischevielfalt.bfn.de/bundesprogramm/projekte/projektbeschreibungen/insektenfoerderung-fuer-die-landwirtschaft.html
BfN – Bundesamt für Naturschutz (2022): Neue Rote Liste: Mehr als ein Viertel der Insekten-Arten bestandsgefährdet. Online: www.bfn.de/pressemitteilungen/neue-rote-liste-mehr-als-ein-viertel-der-insekten-arten-bestandsgefaehrdet
BMEL – Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2022c): Biologische Vielfalt: Bienen und Insekten schützen. Online: www.bmel.de/DE/themen/landwirtschaft/artenvielfalt/insekten-biologische-vielfalt.html
BMEL Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2017): Nationaler Aktionsplan Pflanzenschutz. Online: www.nap-pflanzenschutz.de/fileadmin/SITE_MASTER/content/Startseite/NAP_2013-2__002_.pdf
BMUV (2022): Klimaschutz durch intakte Natur: Wie Ökosysteme Treibhausgase speichern. Online: www.bmuv.de/jugend/wissen/details/klimaschutz-durch-intakte-natur-wie-oekosysteme-treibhausgase-speichern
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Boell-Stiftung (2022a): Podcast-Episode. Pestizidatlas – Pestizide in der Landwirtschaft (1/3). Online: www.boell.de/de/media/soundcloud/pestizidatlas-pestizide-der-landwirtschaft-13
Boell-Stiftung (2022b): Podcast-Episode. Pestizidatlas – Welt der Doppelstandards (2/3). Online: www.boell.de/de/media/soundcloud/pestizidatlas-welt-der-doppelstandards-23
Boell-Stiftung (2022c): Podcast-Episode. Pestizidatlas – Die Causa Glyphosat (3/3). Online: www.boell.de/de/media/soundcloud/pestizidatlas-die-causa-glyphosat-33
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Geiger, Flavia et al. (2010): Persistent negative effects of pesticides on biodiversity and biological control potential on European farmland. Online: www.wur.nl/upload_mm/b/3/8/94e7760f-3dca-4cc1-8365-018832a8d729_Persistent%20negative%20effects%20of%20pesticides%20Geiger%20et%20al%202010.pdf
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Kainz, M.; Siebrecht, N., Reents, H.-J. (2009): Wirkungen des Ökologischen Landbaus auf Bodenerosion. In: Mayer et al. (Hrsg.): Werte – Wege – Wirkungen: Biolandbau im Spannungsfeld zwischen Ernährungssicherung, Markt und Klimawandel. Beiträge zur 10. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau, ETH Zürich, Februar 2009. Online: orgprints.org/id/eprint/14385/1/Kainz_14385.pdf
LfL Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (o. J.): Biodiversität in der Landwirtschaft. Online: www.lfl.bayern.de/biodiversitaet
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Pflanzenschutz-Rahmenrichtlinie: EU Richtlinie 2009/128/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für die nachhaltige Verwendung von Pestiziden. Online: eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2009:309:0071:0086:de:PDF
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Rote Liste Zentrum (2011): Das Rote-Liste-Zentrum. Online: www.rote-liste-zentrum.de/de/Das-Rote-Liste-Zentrum-1708.html
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