Fachkraft für Lebensmitteltechnik
Einleitung
Ziele der Projektagentur PA-BBNE
Das Ziel der „Projektagentur Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ (PA-BBNE) ist die Entwicklung von Materialien, die die um Nachhaltigkeit erweiterte neue Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ mit Leben füllen soll. Mit „Leben zu füllen“ deshalb, weil „Nachhaltigkeit“ ein Ziel ist und wir uns den Weg suchen müssen. Wir wissen beispielsweise, dass die Energieversorgung künftig klimaneutral sein muss. Mit welchen Technologien wir dies erreichen wollen und wie unsere moderne Gesellschaft und Ökonomie diese integriert, wie diese mit Naturschutz und Sichtweisen der Gesellschaft auszugestalten sind, ist noch offen.
Um sich mit diesen Fragen zu beschäftigen, entwickelt die PA-BBNE Materialien, die von unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden:
- Zum einen widmen wir uns der beruflichen Ausbildung, denn die nachhaltige Entwicklung der nächsten Jahrzehnte wird durch die jungen Generationen bestimmt werden. Die duale berufliche Ausbildung orientiert sich spezifisch für jedes Berufsbild an den Ausbildungsordnungen (betrieblicher Teil der Ausbildung) und den Rahmenlehrplänen (schulischer Teil der Ausbildung). Hierzu haben wir dieses Impulspapier erstellt, das die Bezüge zur wissenschaftlichen Nachhaltigkeitsdiskussion praxisnah aufzeigt.
- Zum anderen orientieren wir uns an der Agenda 2030. Die Agenda 2030 wurde im Jahr 2015 von der Weltgemeinschaft beschlossen und ist ein Fahrplan in die Zukunft (Bundesregierung o. J.). Sie umfasst die sogenannten 17 Sustainable Development Goals (SDGs), die jeweils spezifische Herausforderungen der Nachhaltigkeit benennen (vgl. Destatis 2022). Hierzu haben wir ein Hintergrundmaterial (HGM) im Sinne der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE, vgl. BMBF o. J.) erstellt, das spezifisch für unterschiedliche Berufe ist.
Die Materialien der Projektagentur
Die neue Standardberufsbildposition gibt aber nur den Rahmen vor. Selbst in novellierten Ausbildungsordnungen in Berufen mit großer Relevanz für wichtige Themen der Nachhaltigkeit wie z. B. dem Klimaschutz werden wichtige Fähigkeiten, Kenntnissen und Fertigkeiten in den berufsprofilgebenden Berufsbildpositionen nicht genannt – obwohl die Berufe deutliche Beiträge zum Klimaschutz leisten könnten. Deshalb haben wir uns das Ziel gesetzt, Ausbildenden und Lehrkräften Hinweise im Impulspapier zusammenzustellen im Sinne einer Operationalisierung der Nachhaltigkeit für die unterschiedlichen Berufsbilder. Zur Vertiefung der stichwortartigen Operationalisierung wird jedes Impulspapier ergänzt durch eine umfassende Beschreibung derjenigen Themen, die für die berufliche Bildung wichtig sind. Dieses sogenannte Hintergrundmaterial orientiert sich im Sinne von BNE an den 17 SDGs, ist faktenorientiert und wurde nach wissenschaftlichen Kriterien erstellt. Ergänzt werden das Impulspapier und das Hintergrundmaterial durch einen Satz von Folien, die sich den Zielkonflikten widmen, da „Nachhaltigkeit das Ziel ist, für das wir den Weg gemeinsam suchen müssen“. Und dieser Weg ist nicht immer gleich für alle Branchen, Betriebe und beruflichen Handlungen, da unterschiedliche Rahmenbedingungen in den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – Ökonomie, Ökologie und Soziales – gelten können. Wir haben deshalb die folgenden Materialien entwickelt:
- BBNE-Impulspapier (IP): Betrachtung der Schnittstellen von Ausbildungsordnung, Rahmenlehrplan und den Herausforderungen der Nachhaltigkeit in Anlehnung an die SDGs der Agenda 2030. Das Impulspapier ist spezifisch für einen Ausbildungsberuf erstellt, fasst aber teilweise spezifische Ausbildungsgänge zusammen (z. B. den Fachmann und die Fachfrau zusammen mit der Fachkraft sowie die verschiedenen Fachrichtungen)
- BBNE-Hintergrundmaterial (HGM): Betrachtung der SDGs unter einer wissenschaftlichen Perspektive der Nachhaltigkeit im Hinblick auf das Tätigkeitsprofil eines Ausbildungsberufes bzw. auf eine Gruppe von Ausbildungsberufen, die ein ähnliches Tätigkeitsprofil aufweisen;
- BBNE-Foliensammlung (FS) und Handreichung (HR): Folien mit wichtigen Zielkonflikten – dargestellt mit Hilfe von Grafiken, Bildern und Smart Arts für das jeweilige Berufsbild, die Anlass zur Diskussion der spezifischen Herausforderungen der Nachhaltigkeit bieten. Das Material liegt auch als Handreichung (HR) mit der Folie und Notizen vor.
Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung
Die Standardberufsbildposition “Umweltschutz und Nachhaltigkeit”
Seit August 2021 müssen auf Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) bei einer Modernisierung von Ausbildungsordnungen die vier neuen Positionen „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“, Digitalisierte Arbeitswelt“, Organisation des Ausbildungsbetriebs, Berufsbildung, Arbeits- und Tarifrecht“ sowie „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“ aufgenommen werden (BIBB 2021). Insbesondere die letzten beiden Positionen unterscheiden sich deutlich von den alten Standardberufsbildpositionen.
Diese Positionen begründet das BIBB wie folgt (BIBB o. J.a): „Unabhängig vom anerkannten Ausbildungsberuf lassen sich Ausbildungsinhalte identifizieren, die einen grundlegenden Charakter besitzen und somit für jede qualifizierte Fachkraft ein unverzichtbares Fundament kompetenten Handelns darstellen“ (ebd.).
Die Standardberufsbildpositionen sind allerdings allgemein gehalten, damit sie für alle Berufsbilder gelten (vgl. BMBF 2022). Eine konkrete Operationalisierung erfolgt üblicherweise durch Arbeitshilfen, die für alle Berufsausbildungen, die modernisiert werden, erstellt werden. Die Materialien der PA-BBNE ergänzen diese Arbeitshilfen mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit und geben entsprechende Anregungen (vgl. BIBB o. J.b). Das Impulspapier zeigt vor allem in tabellarischen Übersichten, welche Themen der Nachhaltigkeit an die Ausbildungsberufe anschlussfähig sind.
Die neue Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ ist zentral für eine BBNE, sie umfasst die folgenden Positionen (BMBF 2022).
a) “Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
c) für den Ausbildungsbetrieb geltende Regelungen des Umweltschutzes einhalten
d) Abfälle vermeiden sowie Stoffe und Materialien einer umweltschonenden Wiederverwertung oder Entsorgung zuführen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren”
Die Schnittstellen zwischen der neuen Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit” werden in
fortlaufend aufgezeigt. Mit Ausnahme der Position c) werden in der Tabelle alle Positionen behandelt. Die Position c) wird nicht behandelt, da diese vor allem ordnungsrechtliche Maßnahmen betrifft, die zwingend zu beachten sind. Maßnahmen zur Nachhaltigkeit hingegen sind meist freiwillige Maßnahmen und können, müssen aber nicht durch das Ordnungsrecht geregelt bzw. umgesetzt werden. In der Tabelle werden die folgenden Bezüge hergestellt:
- Spalte A: Positionen der Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit”;
- Spalte B: Vorschläge für Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten, die im Sinne der nachhaltigen Entwicklung wichtig sind;
- Spalte C: Bezüge zur Nachhaltigkeit;
- Spalte D: Mögliche Aufgabenstellungen für die Ausbildung im Sinne der Position 3e) „Vorschläge für nachhaltiges Handeln entwickeln“;
- Spalte E: Zuordnung zu einem oder mehreren SDGs (Verweis auf das Hintergrundmaterial).
Bildung für nachhaltige Entwicklung
Die Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) meint eine Bildung, die Menschen zu zukunftsfähigem Denken und Handeln befähigt. Sie ermöglicht jedem Einzelnen, die Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Welt zu verstehen (BMBF o. J.). BBNE ist somit nur ein Teil von BNE, der an alle Bürger*innen adressiert ist. Eine Entwicklung ist dann nachhaltig, wenn Menschen weltweit, gegenwärtig und in Zukunft würdig leben und ihre Bedürfnisse und Talente unter Berücksichtigung planetarer Grenzen entfalten können. … BNE ermöglicht es allen Menschen, die Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Welt zu verstehen und verantwortungsvolle, nachhaltige Entscheidungen zu treffen (ebd.).
Grundlage für BNE ist heutzutage die Agenda 2030 mit ihren 17 SDG (Sustainable Development Goals). Die 17 Ziele bilden den Kern der Agenda und fassen zusammen, in welchen Bereichen nachhaltige Entwicklung gestärkt und verankert werden muss (ebd.). Die Materialien der Projektagentur sollen Lehrkräften an Berufsschulen und Ausbildende dabei helfen, die Ideen der SDG in die Bildungspraxis einzubringen. Sie sind somit ein wichtiges Element insbesondere für das Ziel vier “Hochwertige Bildung”: “Bis 2030 sicherstellen, dass alle Lernenden die notwendigen Kenntnisse und Qualifikationen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung erwerben, unter anderem durch Bildung für nachhaltige Entwicklung und nachhaltige Lebensweisen, …” (ebd.).
Während die Grundlage in den Impulspapieren die Ausbildungsordnungen und die Rahmenlehrpläne der beruflichen Bildung waren, die mit den SDG vernetzt wurden, geht das Hintergrundpapier den umgekehrten Weg: Wir betrachten die SDG im Hinblick auf ihre Bedeutung für die berufliche Bildung und stellen uns der Frage, welche Anforderungen ergeben sich aufgrund der SDG und deren Unterziele an die Berufsbildung? Die folgenden Beschreibungen haben deshalb immer die gleiche Struktur:
- Es wird das SDG beschrieben.
- Es werden relevante Unterziele benannt.
- Es wird (wissenschaftlich) ausgeführt, was diese Unterziele für das jeweilige Berufsbild bedeuten.
Glossar
Folgende Abkürzungen werden in diesem Dokument verwendet:
Abkürzung | Bezeichnung |
AO | Ausbildungsordnung |
BMUV | Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit |
Care | Segment der AHV, hier: Krankenhäuser, Pflegeheime |
CO2-Äq | Kohlendioxid-Äquivalente |
FS | Foliensammlung |
HGM | Hintergrundmaterial (wissenschaftliches Begleitmaterial) |
IP | Impulspapier (didaktisches Begleitmaterial) |
KI | Künstliche Intelligenz |
ÖPNV | Öffentlicher Personennahverkehr |
RLP | Rahmenlehrplan |
SBBP | Standardberufsbildposition |
SDG | Sustainable Development Goals |
THG | Treibhausgase bzw. CO2-Äquivalente (CO2-Äq) |
Quellenverzeichnis
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (2021): Vier sind die Zukunft. Online: www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/show/17281
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (o. J.a): FAQ zu den modernisierten Standardberufsbildpositionen. Online: https://www.bibb.de/de/137874.php
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung (o. J.b): Ausbildung gestalten. Online: BIBB / Reihen / Ausbildung gestalten
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: https://www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (o. J.): Was ist BNE? Online: https://www.bne-portal.de/bne/de/einstieg/was-ist-bne/was-ist-bne.html
Bundesregierung (o. J.): Globale Nachhaltigkeitsstrategie – Nachhaltigkeitsziele verständlich erklärt. Online: www.bundesregierung.de/breg-de/themen/nachhaltigkeitspolitik/nachhaltigkeitsziele-verstaendlich-erklaert-232174
Destatis Statistisches Bundesamt (2022): Indikatoren der UN-Nachhaltigkeitsziele. Online: http://sdg-indikatoren.de/
SDG 2 Kein Hunger
“Den Hunger beenden, Ernährungssicherheit und eine bessere Ernährung erreichen und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern”
Das SDG 2 zielt primär auf die Welternährung im Kampf gegen den Hunger vor allem durch eine nachhaltigere Landwirtschaft ab. Zwei Unterziele sind (Destatis o. J.):
2.1 „sicherstellen, dass alle Menschen, insbesondere die Armen und Menschen in prekären Situationen, einschließlich Kleinkindern, ganzjährig Zugang zu sicheren, nährstoffreichen und ausreichenden Nahrungsmitteln haben“
2.2 „alle Formen der Fehlernährung beenden“ (s. SDG 3: Gesundheit und Wohlergehen).
Diese beiden Unterziele lassen sich am besten mit zwei Positionen der Standardberufsbildposition verbinden, denn für alle Berufe, die mit der Ernährung zu tun haben, sind Lebensmittelreste immer ein Thema, da diese kaum vermeidbar sind. Im Jahr 2020 fielen ca. elf Millionen Tonnen entlang der gesamten Lebensmittelversorgungskette an Lebensmittelabfällen an. 15 Prozent (1,6 Tonnen) entstanden hierbei bei Verarbeitungsprozessen in der Lebensmittelindustrie (BMEL 2022). “Abfall” ist eine eigene Position 3d in der Standardberufsbildposition “Umweltschutz und Nachhaltigkeit:
d) Abfälle vermeiden sowie Stoffe und Materialien einer umweltschonenden Wiederverwertung oder Entsorgung zuführen
Hunger und Armut
Nach der “Aktion Deutschland hilft” leiden weltweit rund 830 Millionen Menschen unter chronischem Hunger (ebd. o. J.). Mehr als die Hälfte von ihnen lebt in Asien und ein Drittel in Afrika. “Hunger” in Deutschland ist vermutlich kein originäres sondern eher ein Einzelfallproblem.
Eigentlich sollte das deutsche Sozialsystem mit einem Grundrecht auf Unterstützung durch den Staat diesen Zustand vermeiden. Die finanziellen Sozialleistungen sind im Prinzip so ausgestaltet, dass jeder Empfänger sich (gut?) ernähren kann. Aber gerade Corona, die Ukraine-Krise und die Inflation von 2022 mit dem Verlust von Minijobs, sehr hohen Energie- und Lebensmittelpreisen zeigen, dass es Situationen gibt, bei denen sich Menschen zwischen einer warmen Wohnung oder einem warmen Essen entscheiden müssen. Ein Beleg dafür sind die Statistiken der Tafeln in Deutschland (Tafeln Deutschland 2020). In 2019 hatten die Tafeln 1,65 Millionen Kund*innen. 30 Prozent der Kund*innen der Tafeln waren Kinder, 44 Prozent Erwachsene und 26 Prozent Senior*innen. Die drei größten Gruppen waren Empfänger*innen von Arbeitslosengeld II (47%), Rentner*innen (26%) sowie Bezieher*innen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (20%).
Speiseabfälle
Bei der Entstehung von Lebensmittelabfällen ist in der Lebensmittelindustrie zwischen nicht vermeidbaren und vermeidbaren Abfallprodukten zu unterscheiden:
Nicht vermeidbare organische Nebenprodukte/Reststoffe/Abfälle entstehen im Zuge des Herstellungsprozesses und sind für den menschlichen Verzehr nicht geeignet. Deshalb müssen sie entsprechend entsorgt, verwertet oder weiterverarbeitet werden. Nicht vermeidbare Lebensmittelabfälle sind beispielsweise Knochen, Blut, Schlachtabfälle, Sauermolke, Trester etc.).
Vermeidbare Lebensmittelabfälle sind beispielsweise fertig verpackte Produkte, überlagerte Lebensmittel, Retourware oder verzehrfähige Rohprodukte, die als Abfall anfallen und entsorgt werden müssen (Österreichisches Ökologie-Institut 2017: 4).
Wenn unvermeidbare oder vermeidbare Lebensmittelabfälle anfallen, sind diese gemäß den Regelungen der Gewerbeabfallverordnung (GewAbfV) zu entsorgen. Diese müssen entsprechend § 3 Abs. 7 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) getrennt, gesammelt und befördert sowie in zugelassenen Bioabfallbehandlungsanlagen verwertet werden. Noch verpackte Lebensmittelabfälle sollten vor der Entsorgung aus ihrer Verpackung entnommen werden, um eine hochwertige Entsorgung zu gewährleisten (LAGA nach abfallmanager-medizin 2022).
Lebensmittelabfälle sind insofern für den Klimaschutz relevant, als dass alle im Produktionsprozess erzeugten Emissionen unnötig angefallen sind. Mit der Biogas-Verwertung wird nur ein kleiner Teil der Energie zurückgewonnen. Besonders kritisch sind tierische Lebensmittelabfälle zu sehen, da diese die höchsten THG-Werte aufweisen. Aber auch hoch-fetthaltige Soßen oder als Sättigungsbeilage zu große Reisportionen führen zu unnötigen THG-Emissionen.
Minderung des Abfallaufkommens
Die Herausforderung für Fachkräfte für Lebensmitteltechnik liegt darin, innerhalb ihres Wirtschaftssystems den Anteil an Lebensmittelabfällen zu minimieren. Problematisch ist nicht nur das hohe und stetig steigende Aufkommen von Abfall und Abfallnebenprodukten, die an allen Stationen der Lebensmittelwertschöpfungskette in unterschiedlichen Formen und Arten (Lebensmittel, Kunststoff, Holz, etc.) entstehen, sondern insbesondere deren geringe Wiederverwertungsraten. Ausschusswaren hingegen sind Erzeugnisse oder Erzeugnisteile, die, nachdem sie für den vorgesehenen Zweck nicht mehr verwendet werden können, (minderwertigen) Prozessen zugeführt werden und daher nicht mit Abfall und Abfallnebenprodukten gleichzusetzen sind. Ein klassisches Beispiel ist Weizen, der durch Mykotoxine (sekundäre Stoffwechselprodukte aus Schimmelpilzen) befallen ist und deshalb verbrannt oder (im besten Fall) zur Tierfutterproduktion verwendet werden muss. Schätzungen nach sind ca. 25 Prozent der weltweiten Ertragsmenge mit Schimmelpilzen befallen (ZHAW 2020).
Es gibt diverse Ursachen für das Entstehen von Ausschuss, wie z. B.
- die fehlerhafte Lieferung durch Material- und Teile-Lieferanten;
- Fehlleistungen in der Fertigung, etwa durch fehlerhafte Bearbeitung oder Montage, durch Konstruktions- und Zeichnungsfehler, Transportschäden oder Fehlleistungen der Arbeitsvorbereitung; sowie
- die fehlerhafte Lagerung des Endproduktes.
Maßnahmen zur Ausschussverhütung sind Wareneingangskontrollen, Ausschusskontrollen in der Fertigung, exakte Arbeitsunterlagen, intensive Mitarbeiterschulungen sowie Mitarbeitermotivation, Konstruktionsveränderungen bei besonders Ausschuss erzeugenden Werkstücken, Gewährung von Prämien bei Ausschussminderung, bedarfsgerechte Ausstattung des Arbeitsplatzes (z. B. Werkzeuge, Maschinen, IT-Infrastruktur), Optimierung der internen Kommunikation sowie eine regelmäßige Analyse der Ausschussursachen (Pranger et al. 2021).
Lieferantenauswahl
In den letzten Jahrzehnten haben technologische, ökonomische und politische Entwicklungen dazu beigetragen, dass die Menge an produzierten Lebensmitteln steigt. Obwohl inzwischen weltweit genug Lebensmittel produziert werden, leiden immer noch Menschen an Hunger und Unterernährung. Für eine gute Ernährung benötigt man nicht nur Nahrungsmittel, sondern auch eine Vielzahl an Ressourcen und Saatgütern. Landflächen und Wasserquellen müssen nachhaltig genutzt und bewirtschaftet werden. Bei der Auswahl von Lieferanten sollten Unternehmen der Lebensmittelindustrie darauf achten, dass diese auf Biodiversität setzen, fair bezahlen und Rohstoffe möglichst klimaschonend oder sogar klimaneutral produzieren. Das ab 2023 gültige Lieferkettensorgfaltsgesetz (BMAS 2022) bietet in diesem Zusammenhang einen guten Anlass, dass sich die auszubildenden Fachkräfte für Lebensmitteltechnik mit der Liefer- und Wertschöpfungskette ihres Ausbildungsbetriebs auseinandersetzen und diese bspw. hinsichtlich der Biodiversität untersuchen (siehe ausführlich SDG 4).
Quellenverzeichnis
Abfallmanager-medizin.de (2022b): Entsorgung nach LAGA. Online: www.abfallmanager-medizin.de/abfall-abc/entsorgungswege-nach-laga-orientierungshilfe
Aktion Deutschland hilft (o. J.): Online: www.aktion-deutschland-hilft.de/de/fachthemen/natur-humanitaere-katastrophen/hungersnoete/infografik-hunger-weltweit/ sowie https://www.youtube.com/watch?v=37enBQ5Fg8Y
BMAS Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2022): Sorgfaltspflichtengesetz – Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten. Online: https://www.bmas.de/DE/Service/Gesetze-und-Gesetzesvorhaben/gesetz-unternehmerische-sorgfaltspflichten-lieferketten.html
BMEL Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2022): Lebensmittelabfälle in Deutschland: Aktuelle Zahlen zur Höhe der Lebensmittelabfälle nach Sektoren. Online: https://www.bmel.de/DE/themen/ernaehrung/lebensmittelverschwendung/studie-lebensmittelabfaelle-deutschland.html
Destatis (o. J.): : Indikatoren der UN-Nachhaltigkeitsziele. Online: sdg-indikatoren.de/
Österreichisches Ökologie-Institut (2017): Studie „Abfallvermeidung in der österreichischen Lebensmittelproduktion“. Online: https://ecology.at/files/pr886_6.pdf
Pranger, Jan; Hantke, Harald; Heitzhausen, Stella; Loga, Denise; Flohr-Spence, Nadja (2021): Abfall- und Kreislaufwirtschaft. Online: https://narele.de/wp-content/uploads/2021/10/NaReLe_Basismodul_5_Abfall-Kreislaufwirtschaft_Berufsbildungspersonal.pdf
Tafeln Deutschland (2020): Faktenblätter. Online: www.tafel.de/fileadmin/media/Presse/Hintergrundinformationen/2022-05-25_TAFEL_Faktenblaetter.pdf
ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (2020): Mykotoxine reduzieren. Online: https://www.zhaw.ch/storage/lsfm/institute-zentren/ilgi/lm-technologie/magazin-lt-2020-09-mycotoxine.pdf
SDG 3 Gesundheit und Wohlergehen
“Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern”
Für Deutschland sind die im SDG 3 benannten Themen – Mütter- und Kindersterblichkeit, übertragbare Krankheiten wie AIDS oder TBC vermeiden, Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen, selbstbestimmte Familienplanung – eigentlich sehr gering oder kaum bedeutsam. Eine Herausforderung ist allerdings die Herstellung hochverarbeiteter Lebensmittel, die einerseits den Ansprüchen einer gesunden Ernährung entspricht und andererseits in großen Massen effizient produziert werden kann. Die Risikobewertung in Deutschland zeigt deutliche Defizite in Bezug auf eine gesunde Ernährung auf (BfR o. J.), weshalb das Unterziel
SDG 2.2 „alle Formen der Fehlernährung beenden“
gerade hier seine Relevanz hat. Ernährung ist eben mehr als nur “satt zu werden”. Ernährung bestimmt unser Wohlergehen, damit können die ernährungsbezogenen Berufe essentiell zu einem guten Leben beitragen. Die Schnittmenge für das SDG 3 ergibt sich aus den Nummern a und e der Standardberufsbildposition (BMBF 2022):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Gesundheit in Deutschland
Laut Gesundheitsbericht des RKI wird der Gesundheitszustand der Bevölkerung ganz wesentlich durch die Lebensbedingungen und das Gesundheitsverhalten beeinflusst (RKI 2016). Dabei sind Gesundheitschancen und Krankheitsrisiken sozial ungleich verteilt. Menschen mit niedrigem Sozialstatus sind häufiger von chronischen Krankheiten, Beschwerden oder Behinderungen betroffen und schätzen ihre eigene Gesundheit schlechter ein. Dieser Zusammenhang stellt sich vielfach als sozialer Gradient dar, der in allen Altersstufen sichtbar ist: je niedriger der soziale Status, desto mehr Gesundheitsprobleme und Krankheitsrisiken. Frauen und Männer mit geringem Einkommen, niedriger Bildung oder Berufen, in denen schlechte Arbeitsbedingungen herrschen, haben letztendlich auch eine geringere Lebenserwartung als sozial bessergestellte Teile der Bevölkerung. Zwischen der niedrigsten und der höchsten Einkommensgruppe in Deutschland werden heute Unterschiede in der Lebenserwartung (bei Geburt) von 8,4 Jahren bei Frauen und 10,8 Jahren bei Männern berichtet. Auch für die Lebenserwartung ab dem Renteneintritt mit 65 Jahren (RKI 2016) bestehen erhebliche soziale Differenzen. Schon die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen wird durch den Sozialstatus ihrer Familie geprägt. Bereits während der Schwangerschaft und in den ersten Monaten nach der Geburt zeichnen sich soziale Unterschiede ab: Der Anteil der Mütter, die während der Schwangerschaft rauchen, sinkt mit zunehmendem Sozialstatus, während der Anteil der Mütter, die während der Schwangerschaft Alkohol trinken, mit zunehmendem Sozialstatus ansteigt.
Gesundheit und Ernährung
Das Fachblatt “The Lancet” hat von 1990 – 2017 eine globale Ernährungsstudie durchgeführt, die ergab, dass jährlich circa elf Millionen Menschen durch ungesunde Ernährung sterben (The Lancet 2019, zitiert nach nutrition-impact 2022). Das Hauptproblem sei ein zu niedriger Konsum von Vollkornprodukten. Deutschland liegt auf Platz 38 von 195 Staaten und verzeichnet etwa 160.000 Todesfälle jährlich (ebd.). Nicht berücksichtigt wurden Todesfälle, die auf Mangelernährung, Hunger oder Alkoholmissbrauch zurückzuführen sind. Folgende Aspekte wären im (Aus)Bildungskontext zu behandeln:
Lebensmittelallergien und Unverträglichkeiten: Zwischen 2 bis 3 Prozent der Erwachsenen und 4 Prozent der Kleinkinder reagieren allergisch auf spezielle Lebensmittel-Inhaltsstoffe (BfR o. J.). Allergene müssen von allen gastronomischen Betrieben gekennzeichnet werden (EU-Verordnung 2011). Nach einer Feststellung der Auslöser sollte eine allergenfreie Ernährung möglich sein, da Allergene in Lebensmitteln auf Verpackungen oder Speisekarten aufgeführt werden müssen. Die globale Produktion von Lebensmittel führt aber auch dazu, dass die Vermeidung von allergenen Spuren kaum noch realisierbar ist. Von Lebensmittelallergien zu unterscheiden sind Lebensmittelunverträglichkeiten, die meistens sehr individuell sind. Während eine Allergie oftmals eine Reaktion des Immunsystems mit den Folgen Hautausschlag, Juckreiz u. a. ist, liegt bei einer Lebensmittelunverträglichkeit häufig eine eingeschränkten Fähigkeit des Darms zugrunde, bestimmte Lebensmittelbestandteile abzubauen (Melzer 2019). Die wichtigsten Unverträglichkeiten sind Fructose-Intoleranz, Lactose-Intoleranz und Glutenunverträglichkeit (Zöliakie), Histamin-Intoleranz.
- Adipositas liegt vor, wenn der Body-Mass-Index BMI größer als 30 Prozent beträgt. Adipositas ist europaweit endemisch geworden, mehr als 50 Prozent der erwachsenen Bevölkerung hat Übergewicht (BMI > 25) oder ist adipös (BfR o. J.). Bei Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen drei – 17 waren im Jahr 2017 15,4 Prozent übergewichtig, davon 5,9 Prozent Adipös (RKI 2018). Die Ursachen sind klar zu benennen – eine falsche Energiebilanz: Zu viel Essen, zu viel Fett, zu viel Zucker bei zu wenig Bewegung.
- Diabetes Mellitus ist die Störung der körpereigenen Insulinproduktion, sie betrifft mehr als sieben Prozent (%) der erwachsenen Bevölkerung (fast 6 Mio. Menschen, BfR o. J.). Diabetes Mellitus ist häufig eine Folge von Übergewicht und Adipositas.
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Diese sind deutschlandweit die häufigste Zivilisationskrankheit und die häufigste Todesursache (BfR o. J.). Die wichtigste Erkrankung hierbei ist die koronare Herzkrankheit, durch Ablagerungen verengen sich die Herzkranzgefäße. Weitere Krankheiten sind Schlaganfall und Bluthochdruck. Hoher Salzkonsum und Zutaten mit Transfettsäuren gelten neben dem Bewegungsmangel als wesentliche Ursachen.
Die Ursachen dieser Erkrankungen liegen sehr häufig in einer falschen Ernährungsweise (das Ungesunde zu viel essen) und einem Bewegungsmangel (zu viel Essen bei zu wenig Bewegung). Die DGE hat Regeln aufgestellt, was eine gesunde Ernährung ist (DGE o. J.a):
2. Gemüse und Obst – nimm “5 am Tag” 3. Vollkorn wählen 4. Mit tierischen Lebensmitteln die Auswahl ergänzen 5. Gesundheitsfördernde Fette nutzen | 6. Zucker und Salz einsparen 7. Am Besten Wasser trinken 8. Schonend zubereiten 9. Achtsam essen und genießen 10. Auf das Gewicht achten und in Bewegung bleiben |
industrielle Convenience-Produkte und Zusatzstoffe
Unternehmen der Lebensmittelindustrie stehen vor diesem Hintergrund vor der Herausforderung, dass die Produkte die sie herstellen, je nach Grad der Convenience-Stufe, einen hohen Anteil an Zusatzstoffen und einen geringen Nährstoffgehalt haben. Nach der DGE können die gängigen Convenience-Produkte folgendermaßen unterschieden werden:
Convenience Stufe | Beispiel |
| entbeintes, zerlegtes Fleisch, geputztes Gemüse |
2. Garfertige Lebensmittel | Filet, Teigwaren, TK-Gemüse, TK-Obst |
3. Aufbereitfertige Lebensmitte | Salatdressing, Kartoffelpüree, Puddingpulver |
4. Regenerierfertige Lebensmittel | einzelne Komponenten oder fertige Menüs |
5. Verzehrfertige Lebensmittel | kalte Soßen, fertige Salate, Obstkonserven, Desserts |
(DGE o. J.a)
Convenience-Produkte, die auch als Fertigprodukte bezeichnet werden, bestehen aus einem oder mehreren Lebensmitteln und weisen häufig einen hohen Gehalt an Zucker, Fetten und Salz auf (BMEL 2018: 8), was den Prinzipien einer gesunden Ernährung grundsätzlich entgegensteht. Weiterhin werden Convenience-Produkten in der Regel Zusatzstoffe hinzugefügt. Hierdurch sollen spezifische Wirkungen der Lebensmittel entfaltet werden. Beispielsweise zur Regulierung oder Stabilisierung der Struktur, des Geschmacks, der Farbe oder der chemischen und mikrobiologischen Haltbarkeit (Hudson & Elsermann 2020: 35). Für die industrielle Herstellung von Lebensmitteln sind diese Zusatzstoffe von hoher Relevanz, da sie Prozesssicherheit während der Produktion sicherstellen. Die erzeugten Produkte haben so zum einen den gleichen Geschmack, weiterhin können Unterschiede der Ausgangsprodukte (beispielsweise Kartoffeln bei der Herstellung von Pommes-Frites) kompensiert werden (ebd.: 35 f.). Die verwendeten Zusatzstoffe müssen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 zugelassen und dementsprechend für gesundheitlich unbedenklich eingestuft sein. Sie werden mit einer entsprechenden E-Nummer auf den Verpackungen der Lebensmittelprodukte gekennzeichnet. In der EU gibt es derzeit rund 320 zugelassene Zusatzstoffe, die nach ihrem Verwendungszweck eingeteilt werden. Eine vollständige Auflistung liefert das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL): Überblick über die einzelnen Klassen der Zusatzstoffe
Seitens der Wissenschaft bestehen allerdings Bedenken “hinsichtlich nicht untersuchter langfristiger bzw. durch Kombination mehrerer Zusatzstoffe ausgelöster negativer gesundheitlicher Wirkungen, z. B. auf das Darmmikrobiom” (Bechthold 2022 nach Fardet et al. 2020, Lee et al. 2020). Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bewertet die Zulassung von Zusatzstoffen, die vor dem 20. Januar 2009 in der EU zur Verwendung zugelassen wurden, nach einer EU-Rechtsvorschrift von 2008 neu. Die Prüfung ist aufgrund des Datenvolumen noch nicht abgeschlossen (EFSA 2021a). Allerdings wurde beispielsweise schon der als Lebensmittelfarbstoff eingesetzte Zusatzstoff Titandioxid (E171), der in feinen Backwaren, Suppen, Brühen, Soßen, Salaten und herzhaften Brotaufstrichen verwendet wird, von der EFSA 2021 als nicht mehr sicher eingestuft (EFSA 2021a). Trotzdem ist Titandioxid weiterhin als Zusatzstoff zugelassen. Ein grundsätzliches Verbot muss erst von der EU-Kommission, den EU-Mitgliedsstaaten und dem EU-Parlament beschlossen werden (BfR 2021).
Unternehmen der Lebensmittelindustrie sind dementsprechend hinsichtlich ihrer Verantwortung gegenüber den Verbraucher*innen selbst dazu aufgerufen, ihre Rezepturen zu überprüfen und bei neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zu gesundheitlichen Risiken von Inhalts- und Zusatzstoffen anzupassen. Allerdings gibt es auch politische Signale. So hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft beispielsweise die Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie für Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten beschlossen. Hiermit wird das Ziel verfolgt “die übergeordneten Ziele, eine gesunde Lebensweise zu fördern, den Anteil der Übergewichtigen und Adipösen in der Bevölkerung, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, zu senken und die Häufigkeit von Krankheiten, die durch Ernährung mitbedingt werden, zu verringern” (BMEL 2018: 5). Nach Einschätzung des Lebensmittelverbandes Deutschland (ebd. 2022) beginnt die Strategie zu greifen: “Lebensmittel, die sich in ihrer Aufmachung an Kinder richten, weisen mehrheitlich niedrigere Gehalte an Energie, Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz auf als vergleichbare Produkte, die nicht an Kinder gerichtet sind. In allen Produktgruppen wurden zwischen 2016 und 2021 zudem signifikante Reduktionen von Energie- oder Nährstoffgehalten festgestellt.” Allerdings wird die Umsetzung von NGO wie z. B. Foodwatch sehr kritisch gesehen (ebd. 2020): “Eine Zuckerreduktion von sehr viel zu viel auf viel zu viel ist kein Erfolg, sondern eine Bankrotterklärung. 99 Prozent der Frühstücksflocken für Kinder enthalten zu viel Zucker, Joghurts für Kinder enthalten 40 Prozent mehr Zucker als von der Weltgesundheitsorganisation empfohlen – das zeigen Daten der AOK und vom Max Rubner-Institut. Bei Zuckergetränken, einer der Haupt-Ursachen für die Fettleibigkeits-Epidemie, ging der Zuckeranteil sogar nur um läppische 0,2 Gramm pro 100 Milliliter zurück.”
Antibiotika und multiresistente Keime
Eine weitere Problematik, die im Rahmen der industriellen Lebensmittelherstellung entsteht, sind Antibiotika (siehe auch SDG 14), die Nutztieren in der konventionellen Landwirtschaft teilweise übermäßig und weit verbreitet verabreicht werden (VZ 2022). Rückstände können in Lebensmittel gelangen und gesundheitsgefährdende Folgen für die Konsument*innen haben. Allerdings gibt es festgelegte Zeiten, die Landwirte einhalten müssen, bis sie Tiere nach der Behandlung von Antibiotika schlachten dürfen oder Milch und Eier weiterverkaufen können (ebd.).
Das größere Problem stellen mittlerweile multiresistente Keime dar, die über die Zunahme tierischer Lebensmittel auf den Menschen übertragen und im schlimmsten Fall schwere Krankheitsverläufe verursachen, die sogar tödlich sein können (BMBF 2015). Multiresistente Keime treten mittlerweile aber nicht mehr nur in tierischen Lebensmittelprodukten auf. So konnten beispielsweise Keime mit mehreren Antibiotika-Resistenzen auf Fertigsalaten nachgewiesen werden (Blau et al. 2018, BfR 2018). In der Studie gehen die Wissenschaftler*innen davon aus, dass dies durch tierische Ausscheidungen in Form von Gülle, welche auf den Salatfeldern ausgetragen wurde, verursacht wird (ebd.). Vor allem für schwangere und ältere Menschen mit einem schwachen Immunsystem entstehen durch diese multiresistenten Keime gesundheitliche Risiken, sodass diesen die Vermeidung des Verzehrs von Fertigsalaten empfohlen wird (BfR 2018). Allerdings ist wissenschaftlich nicht geklärt, inwieweit Multiresistente Keime (MRK) in der Nahrungskette auch zu Krankheitsverläufen beitragen, da bisher nur der Bereich der Krankenhausinfektionen gut untersucht wurde (ca. 2.000 Tote jährlich durch MRK, vgl. Helios Kliniken). Das Europäische Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten hat für 2015 Daten erhoben und ausgewertet (ECDC zitiert nach RKI 2016). Es schätzt, dass europaweit ca. 670.000 Menschen jährlich durch MRK erkranken, in Deutschland rund 54.000 Menschen.
Eine wichtige Möglichkeit für die Lebensmittelindustrie, diese Entwicklungen zu begrenzen bzw. umzukehren, stellt die Umstellung der Lieferkette auf Bio-Produkte dar. Durch die EU-Rechtsvorschriften zum ökologischen Landbau ist der Einsatz von Antibiotika stark begrenzt (siehe SDG 12 – Nachhaltigkeitssiegel), weshalb multiresistente Keime hier weniger nachgewiesen werden können (VZ 2022).
Lebensmittelskandale
Deutschland hat eine lange Tradition von Lebensmittelskandalen (Welt o. J., Spiegel Online o. J., BMEL 2013).
April 2022: Mit Keimen belastete Gurken werden von einer hessischen Lebensmittelfirma in den Verkehr gebracht – vier Menschen starben
April 2022: Ferrero hat ein Problem mit Keimen in der belgischen Produktion – es erfolgt ein umfassender Rückruf von Produkten
November 2021: Die Stiftung Warentest ermittelt, dass in vielen Vanillepasten und -extrakten kaum natürliches Gewürz ist
November 2021: In über 40 Prozent aller kontrollieren Eisdielen und Bäckereien finden sich Reinigungsmittel und Desinfektionsmittel – die Verkäufer und Verkäuferinnen vergessen zu häufig das Nachspülen
2013: Pferdefleisch in Millionen Fertiggerichten, die von allen großen deutschen Ketten verkauft wurden
2012: Eine Brotfabrik in München wird geschlossen – eklatante Hygienemängel sind der Grund
2011: Rund 50 Menschen sterben am EHEC-Virus, der auf Sprossen aus Ägypten sich befand
2010: Mit Dioxin belastetes Futtermittel wird als Bio-Futtermittel verkauft, viele Biobauernhöfe müssen die Eierproduktion einstellen
2008: 11.000 t mit Mäusekot und Würmern belasteter Mozzarella wird als “Frischer Mozzarella“ verkauft
Die Ursachen lassen sich klar benennen: Möglichst preiswert produzieren, da Verbraucher “billig” einkaufen wollen (Schulten und Specht 2021). Im europäischen Vergleich zeigt sich, dass der Preisniveauindex in Deutschland bei 104,5 Prozent des EU-Durchschnitts (100 Prozent, statista 2022) liegt, in Dänemark bei 120 Prozent und in Luxemburg bei ca. 125 Prozent – und das obwohl das Durchschnittseinkommen mit 3.715 Euro (statista 2022 b) das Dritthöchste nach Dänemark (5.000 €) und Luxemburg (4.672 €) aufweist. Das preiswerte Produzieren erfolgt in verschiedenen Bereichen der Wertschöpfungskette:
In der Landwirtschaft durch Produktionsmethoden, die einen maximalen Ertrag mit den oben genannten Folgen sicherstellen sollen.
in der Verarbeitungsindustrie, wo insbesondere die Fleischskandale der Jahre 2021/2022 ein erschreckendes Bild auf die Arbeitsbedingungen in den Schlachthöfen geworfen haben (Stichworte: Corona-Ausbrüche und gekennzeichnetes Separatorenfleisch).
in der Lebensmittelindustrie, bei deren Herstellung von Convenience-Produkten ab Stufe zwei bis vier (garfertig, mischfertig, regenerierfertig) eine Vielzahl von Hilfsstoffen verwendet werden, die in der Gastronomie sonst nicht verwendet werden, Verbraucherzentrale 2021).
Die Arbeitskosten in den Industrieländern führen zu nicht-nachhaltigen Arbeitsprozessen. Krabben aus der Nordsee werden z. B. zum Pulen nach Marokko transportiert um dann zu den Kund*innen zurückgefahren zu werden.
Autokratische Systeme, z. B. in Afrika, haben Fischfang-Lizenzen zu Lasten der einheimischen Küstenfischerei verkauft. Hierbei ist oft Korruption lokaler Politiker im Spiel. Die lokalen Fischer verlieren damit ihre Lebensgrundlage (DFK 2022).
Donat Modell, Planetary Boundaries und Sustainable Levels
Kate Raworth veröffentlichte 2012 das “Donut Modell”, ein alternatives Wirtschaftssystem, in dem die Bedürfnisse aller Menschen innerhalb der Mittel eines lebendigen Planetens erfüllt werden. Dabei stellt die Außenschicht die ökologische Grenze und die Innenschicht die sozialen Grundlagen dar, sodass dazwischen ein Donut förmiger, sicherer und gerechter Raum für die Menschheit und eine regenerative und distributive Gesellschaft besteht (Doughnut Economics o. J.).
Die soziale Fundation basiert auf den 12 festgelegten Mindeststandards in den SDGs und darf in keinem der Bereiche ein Defizit haben, um einen “shortfall” zu vermeiden.
Die äußeren, ökologische Grenze setzt sich aus den zehn, von Rockström et al. definierten, planetaren Grenzen zusammen: Wird deren sicherer Handlungsraum überschritten, liegt eine inakzeptable Umweltzerstörung vor, sogenannte Kipppunkte für das Erdsystem (Stockholm Resilience Centre o. J.).
Deshalb muss auf die Nutzung der natürlichen Ressourcen und den Erhalt von Lebensraum besonders geachtet werden. Dabei spielt Ernährung eine wichtige Rolle, denn Nahrung und Nachhaltigkeit sind unmittelbar miteinander verbunden. Die Ernährung ist zu einem erheblichen Anteil an dem Klimawandel Schuld.
Um ein Defizit und das Erreichen eines Kipppunktes zu verhindern, kann man mit einer richtigen Ernährung dazu beitragen. Dafür veröffentlichte die EAT-Lancet Kommission Ende 2019 die “Planetary Health Diet”, eine flexitarischen Speiseplan, die sowohl für den Menschen, als auch den Planeten gesund ist (EAT-Lancet 2019). Sie gibt Referenzwerte für verschiedene Lebensmittelgruppen und empfiehlt den Anteil von Obst, Gemüse, Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten und Nüssen zu erhöhen, nur moderate Mengen an Fleisch und Fisch zu sich zu nehmen und Zucker zu reduzieren (BZfE o. J.).
Ein ähnlicher Ansatz ist die Implementierung der Sustainable Level – einer sogenannten Nachhaltigkeits Skala, einer Nachhaltigkeitsampel oder einem Score. Dieser soll den abstrakten Begriff der “nachhaltigen Ernährung”, der u. a. die THG-Emissionsreduktion, aber auch die Berücksichtigung der Gesundheitswirkung der persönlichen Ernährung auf das tägliche Mittagessen, in den Einrichtungen herunterbrechen und allgemein verständlich machen. Mit der Systematik der Sustainable Level können die planetarischen Grenzen (u. a. mit ausgewählten Indikatoren wie dem Carbon Footprint oder dem Flächenverbrauch) greifbarer werden. Durch die Festlegung von Grenzen und Empfehlungen kann pro Menü eindeutig bestimmt werden, ob sich diese Mahlzeit (oder häufig realistischer: der vier-Wochen-Speiseplan) innerhalb der Empfehlungen bewegt oder nicht.
Die Veröffentlichungen von Willett et al. (2019) ebenso wie Lukas et al. (2015). orientieren sich an der Idee, die planetarischen Grenzen messbar zu machen und als Bezugseinheit den Teller bzw. die Mittagsmahlzeit zu setzen. Dies impliziert, dass eine Systematik etabliert werden muss, die er ermöglicht nicht nur z. B. THG-Emissionen zu messen, sondern diese auch auf die Bezugseinheit des Alltags (bei der Ernährung der Teller bzw. die Mahlzeit) herunter zu deklinieren und mit Zielwerten zu versehen. Die Sustainable Level definieren sich also als ein Maß für die Umsetzung nachhaltiger Ernährung pro Mahlzeit.
Ausgehend von u. a. Leitzmann et al. (2009) sollten bei einer solchen Beurteilung sowohl die Umwelt, als auch die gesundheitliche Perspektive sowie die soziale Dimension der Verpflegung berücksichtigt werden. So bedient sich die Systematik aus einem Katalog von Indikatoren zur Abbildung der ökologischen (hier: THG Emissionen, Phosphat, Flächenverbrauch, Wasserverbrauch) sowie der gesundheitlichen Dimension (Makro-Indikatoren: Energiegehalt (kcal), Gehalt an gesättigten Fettsäuren (g), Zuckeranteil (g), etc.) und definiert für die Indikatoren Schwellenwerte, die eine Einschätzung entsprechend nach “empfehlenswert”, “weniger empfehlenswert”, “nicht empfehlenswert” beurteilen und damit das Nachhaltigkeitspotenzial einer Mittagsmahlzeit berücksichtigen. Diese Herleitung basiert auf unterschiedlichsten Empfehlungen, u. a. abgeleitet aus den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und den Nachhaltigkeitszielen der Bundesregierung für 2030 (Lukas et al. 2015) und basiert schließlich auf einer einfachen Aufsummierung der einzelnen Kategorien miteinander.
Quellenverzeichnis
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BfR Bundesinstitut für Risikobewertung (2018): Resistente Keime: Können Rohkost und Salat ein Gesundheitsrisiko sein? Online: https://www.bfr.bund.de/de/presseinformation/2018/40/resistente_keime__koennen_rohkost_und_salat_ein_gesundheitsrisiko_sein_-207735.html
BfR Bundesinstitut für Risikobewertung (o. J.): Ernährungsbedingte Erkrankungen. Online: https://www.bfr.bund.de/de/ernaehrungsbedingte_erkrankungen-54472.html
Blau, Khald et al. (2018): The Transferable Resistome of Produce. Online: https://journals.asm.org/doi/epub/10.1128/mBio.01300-18
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BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2015): Antibiotika-Resistenzen – Kleine Erreger – große Gefahr. Online: https://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/antibiotika-resistenzen-kleine-erreger-grosse-gefahr-3282.php
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SDG 4 Hochwertige Bildung
“Inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten lebenslangen Lernens
für alle fördern”
Das SDG zielt primär auf die globale Entwicklung von guten Bildungssystemen ab. Im Berufsbildungssystem ist Deutschland weltweit führend – trotz einiger Defizite wie Personalausstattung, Digitalisierung oder knappe Investitionsbudgets – viele Länder versuchen ein ähnliches Berufsbildungssystem wie in Deutschland aufzubauen. Insofern ist vor allem das Unterziel 4.7 relevant:
Bis 2030 sicherstellen, dass alle Lernenden die notwendigen Kenntnisse und Qualifikationen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung erwerben, unter anderem durch Bildung für nachhaltige Entwicklung und nachhaltige Lebensweisen, Menschenrechte, Geschlechtergleichstellung, eine Kultur des Friedens und der Gewaltlosigkeit, Weltbürgerschaft und die Wertschätzung kultureller Vielfalt und des Beitrags der Kultur zu nachhaltiger Entwicklung
Das SDG 4 spiegelt sich in der fachlichen Unterrichtung der Stichpunkte der anderen SDG wieder, mündet aber in den Positionen e und f der neuen Standardberufsbildposition (BMBF 2022):
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
10 “Goldene Handlungsregeln” für eine BBNE
Die Nachhaltigkeitsforschung und die Bildungswissenschaften haben inzwischen umfassende Erkenntnisse gesammelt, wie eine berufliche Bildung für Nachhaltigkeit gefördert werden kann (vgl. u. a. vgl. Schütt-Sayed u.a. 2021; Kastrup u. a. 2012; Melzig u. a. 2021). Das Ergebnis sind die folgenden 10 didaktischen Handlungsregeln, die das Berufsbildungspersonal dabei unterstützen, Lehr-/Lernprozesse zielgruppengerecht und angemessen zu gestalten. Diese insgesamt 10 Handlungsregeln lassen sich in vier Schritten zuordnen.
Schritt 1 – Richtig anfangen:
Identifizierung von Anknüpfungspunkten für BBNE
1) Ansatzpunkte: Fordern Sie die Verantwortung im eigenen Wirkungsraum heraus, ohne die Berufsschüler und Berufsschülerinnen mit „Megaproblemen“ zu überfordern!
2) Anknüpfungspunkte: Die Curricula sind Grundlage der Lehr-/Lernprozesse – es kommt darauf an, sie im Sinne der Nachhaltigkeit neu zu interpretieren!
3) Operationalisierung: Nachhaltigkeit ist kein „Extra- Thema“, sondern ein integraler Bestandteil des beruflichen Handelns!
Um nachhaltigkeitsorientierte Lehr-/Lernarrangements zu entwickeln, sind zunächst Anknüpfungspunkte für Nachhaltigkeit in den betrieblichen Abläufen zu identifizieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Ausbildungsordnungen und Lehrpläne die rechtliche Grundlage der beruflichen Bildung sind. Es gilt diese im Sinne der Nachhaltigkeit zu interpretieren, sofern nicht bereits konkrete Nachhaltigkeitsbezüge enthalten sind.
Wichtig ist dabei, dass Auszubildende nicht mit den „Megaproblemen“ unserer Zeit überfordert werden, sondern zur Verantwortung im eigenen Wirkungsraum herausgefordert werden – sowohl im Betrieb als auch im Privaten. Denn Auszubildende sind selbst Konsument/-innen, die durch eine angeleitete Reflexion des eigenen Konsumverhaltens die Gelegenheit erhalten, ihre „Wirkungsmacht“ im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit in ihrer eigenen Branche zu verstehen.
Schritt 2 – Selbstwirksamkeit schaffen:
Eröffnung von Nachhaltigkeitsorientierten Perspektiven
4) Handlungsfolgen: Berufliches Handeln ist nie folgenlos: Machen Sie weitreichende und langfristige Wirkungen erkennbar!
5) Selbstwirksamkeit: Bleiben Sie nicht beim „business as usual“, sondern unterstützen Sie Schüler*innen dabei, Alternativen und Innovationen zu entdecken!
6) Zielkonflikte: Verstecken Sie Widersprüche nicht hinter vermeintlich einfachen Lösungen, sondern nutzen Sie sie als Lern- und Entwicklungschancen!!
7) Kompetenzen: Bildung für nachhaltige Entwicklung verbindet Wahrnehmen, Wissen, Werten und Wirken!
Im nächsten Schritt sind nachhaltigkeitsorientierte berufliche Perspektiven für die Auszubildenden zu eröffnen. Diese sollten an einer positiven Zukunftsvision und an Lösungen orientiert sein. Auszubildenden sind dabei die weitreichenden Wirkungen ihres Handelns vor Augen zu führen. Sie sollen verstehen können, warum ihr Handeln nicht folgenlos ist. Das bedeutet gleichzeitig, Auszubildenden die positiven Folgen eines nachhaltigen Handelns vor Augen zu führen. In diesem Zusammenhang ist die Selbstwirksamkeitserfahrung von großer Bedeutung. Sie ist eine der Voraussetzungen, um motiviert zu handeln. Auszubildende dabei zu unterstützen, Alternativen zum nicht-nachhaltigen Handeln zu erkennen und Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung zu entdecken, sollte dabei für Lehrpersonen selbstverständlich sein. Dabei ist immer die individuelle Motivation der Auszubildenden entscheidend, denn zum nachhaltigen Handeln braucht es nicht nur Wissen (Kopf), sondern auch authentisches Wollen (Herz). Wesentlich ist hierbei die Gestaltung ganzheitlicher Lernprozesse, die sowohl den kognitiven als auch den affektiven und psychomotorischen Bereich einbeziehen (vgl. Költze, S.206).
Schritt 3 – Ganzheitlichkeit:
Gestaltung transformativer Lernprozesse
8) Lebendigkeit: Ermöglichen Sie lebendiges Lernen mit kreativen und erfahrungsbasierten Methoden!
9) Beispiele: Nutzen Sie motivierende Beispiele: Sprechen Sie über Erfolgsgeschichten, positive Zukunftsvisionen und inspirierende Vorbilder!
Aber wie können Lernsituationen in der Praxis so gestaltet werden, dass sie ganzheitlich aktivierend für die Auszubildenden sind? Es sollte ein lebendiges Lernen mit Hilfe kreativer, erfahrungsbasierter Methoden ermöglicht werden. Dies ist ein grundlegender (kein neuer) didaktischer Ansatz für die Förderung einer nachhaltigkeitsorientierten Handlungskompetenz. Im Kern bedeutet dies: Lernen mit Lebensweltbezug, welches ausgerichtet ist auf individuelle Lebensentwürfe und das eigene (auch künftige) berufliche Handlungsfeld, z. B. indem Recherchen im eigenen Unternehmen zu Möglichkeiten der Energieeinsparung durchgeführt werden. Lernen soll vor diesem Hintergrund vor allem unter Berücksichtigung der Sinne stattfinden, d. h. mit Körper und Geist erfahrbar sowie sinnlich-stimulierend sein. Die Auszubildenden sollen sich dabei zudem als Teil einer gestalterischen Erfahrungsgemeinschaft erleben. Dies kann durch gemeinsame Reflexionen über das eigene Verhalten und persönliche Erfahrungen gefördert werden, beispielsweise durch die Entwicklung und Verkostung eigener Lebensmittelkreationen unter Nachhaltigkeitsaspekten. Hierfür muss unbestritten immer auch der „Raum“ zur Verfügung stehen (siehe z.B. Hantke 2018 „‘Resonanzräume des Subpolitischen‘ als wirtschaftsdidaktische Antwort auf ökonomisierte (wirtschafts-)betriebliche Lebenssituationen“). Ebenso können motivierende Beispiele helfen – wie z. B. Erfolgsgeschichten und inspirierende Vorbilder.
Schritt 4 – Lernort Betrieb:
Entwicklung nachhaltiger Lernorte
10) Lernende Organisationen: Auch Organisationen können „Nachhaltigkeit lernen“: Entwickeln Sie Ihre Institution Schritt für Schritt zum nachhaltigen Lernort!
Schließlich geht es im vierten Schritt darum, den Lernort in den Blick zu nehmen und diesen als nachhaltigen Lernort zu gestalten. Den gesamten Betrieb nachhaltig auszurichten ist u. a. deshalb entscheidend, da andernfalls die an Nachhaltigkeit orientierten Inhalte der Ausbildung wenig glaubwürdig für Auszubildende sind. Der Betrieb als Institution sollte dafür an einem gemeinschaftlichen Leitbild ausgerichtet sein, welches neben den üblichen ökonomischen auch soziale und ökologische Ziele beinhaltet. So kann BBNE überzeugend in die Organisation integriert und vom betrieblichen Ausbildungspersonal umgesetzt werden.
Quellenverzeichnis
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Kastrup, Julia; Kuhlmeyer, Werner; Nölle-Krug, Marie (2022): Aus- und Weiterbildung des betrieblichen Bildungspersonals zur Verankerung einer Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. In: Michaelis, Christian; Berding, Florian (Hrsg.): Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Umsetzungsbarrieren und interdisziplinäre Forschungsfragen. Bielefeld 2022, S. 173-189
Költze, Horst (1993): Lehrerbildung im Wandel. Vom technokratischen zum humanen Ausbildungskonzept. In Cohn, Ruth C.; Terfurth, Christina (Hrsg.): Lebendiges Lehren und Lernen. TZI macht Schule. Klett-Cotta. S. 192-212
Handke, Harald (2018): „Resonanzräume des Subpolitischen“ als wirtschaftsdidaktische Antwort auf ökonomisierte (wirtschafts-)betriebliche Lebenssituationen – eine Forschungsheuristik vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeitsidee. In bwp@Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online (Nr. 35), 2018, S. 1-23.
Melzig, Christian; Kuhlmeyer, Werner; Kretschmer, Susanne (Hrsg. 2021): Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Die Modellversuche 2015–2019 auf dem Weg vom Projekt zur Struktur. Bonn 2021. Online: https://www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/show/16974
Schütt-Sayed, Sören; Casper, Marc; Vollmer, Thomas (2021): Mitgestaltung lernbar machen – Didaktik der Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. In: Melzig, Christian; Kuhlmeier, Werner; Kretschmer, Susanne (Hrsg.): Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Die Modellversuche 2015–2019 auf dem Weg vom Projekt zur Struktur. S. 200-227. Online: https://www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/show/16974
SDG 6 Sauberes Wasser
“Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärversorgung für alle gewährleisten”
Das SGD 6 “Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen” verfolgt im Prinzip fünf Ziele:
- Die Versorgung der Menschen mit Trinkwasser,
- Den Zugang zu Hygieneeinrichtungen,
- Die Verhinderung der Verschmutzung der Wasserressourcen,
- Eine effiziente Nutzung von Wasser und
- Den Schutz der Ökosysteme
Die Schnittmenge für das SDG 7 ergibt sich aus den Nummern a und b der Standardberufsbildposition (BMBF 2022):
f) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
g) Bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
Besonders relevant für Deutschland ist das Unterziel 6.3 der Verschmutzung der Wasserressourcen. Vor dem Hintergrund der Zunahme des “Hitzesommers” ist die effiziente Nutzung von Wasser notwendig. Das SDG ist mit unserer Ernährung direkt und indirekt über die Aspekte “Wasserqualität” und “Graues Wasser” verbunden. Im Hinblick auf die nationale Perspektive geht es primär um den schonenden Umgang mit dem Grundwasser in Deutschland. Dieses wird vor allem von Nitraten aus der Vieh- und Geflügelzucht sowie durch übermäßige Düngung belastet (UBA 2021). Der Umweltindikator “Nitrat im Grundwasser” (UBA 2021) zeigt einen kontinuierlich hohen Nitratgehalt, der erst seit 2017 etwas sinkt. Seit 2008 wird der europäische Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter an jeder 6. Messstelle überschritten. Hierfür wurde Deutschland 2018 vom Europäischen Gerichtshof verurteilt.
Wasserfußabdruck
Jede Pflanze benötigt Wasser zum Wachsen. Das aufgenommene Wasser wird dann in den Feldfrüchten, in Obst und Gemüse gespeichert. Bei der Viehzucht nehmen Rinder, Schweine und Geflügel dieses Wasser ebenfalls auf. Die Gesamtmenge an Wasser, die schließlich für ein Kilogramm Lebensmittel benötigt wird, nennt man entweder den Wasserfußabdruck oder “virtuelles Wasser” in den Lebensmitteln (UBA 2022). Hierbei unterscheidet man “grünes Wasser”, welches aus dem Regen stammt, “blaues Wasser” aus Flüssen oder Grundwasser. “Graues Wasser” ist die Wassermenge, die benötigt wird, um in der Industrie genutztes Wasser so weit zu verdünnen, dass es den gesetzlichen Qualitätsanforderungen genügt.
Den höchsten Wasserfußabdruck haben Obst, Gemüse und Nüsse. Insbesondere Erdbeeren haben einen sehr hohen Wasserbedarf: mehr als 200 Liter pro Kilogramm (wfd o. J.). Allerdings werden in Deutschland nur ca. 2 Prozent des Gesamtwassereinsatzes (Destatis/Deutscher Bauernverband 2020) benutzt bzw. verbraucht. 50 Prozent des Wassers wird für die Energieerzeugung genutzt. Weltweit nutzt die Landwirtschaft rund 70 Prozent des Frischwassers (bpb 2017). Besonders wasserdurstig sind Baumwolle und Reis. Indirekt tragen Lebensmittelimporte aus Ländern mit Wassermangel dazu bei, dass wir das sogenannte “blaue Wasser” (UBA 2022) des Anbaus der Lebensmittel importieren (Finogenova et mult. al. 2019). Dies gilt insbesondere bei Agrarprodukten aus Nordafrika, Südafrika und Mittelasien, da diese unter Wasserknappheit leiden. Folgende Aspekte wären im (Aus-)Bildungskontext zu behandeln und hierbei die sich ergebenden Zielkonflikte mit anderen Dimensionen der Nachhaltigkeit zu diskutieren (ifeu 2020:19ff, wfd o. J.):
- Rinder haben einen sehr hohen Wasserbedarf, in den USA und Südamerika werden sie auch in Gebieten mit Wassermangel gezüchtet (Texas, Argentinien).
- Das meiste Wasser wird für die Futtermittelproduktion – Weizen, Soja, Mais – benötigt. Der Wasserfußabdruck von Rindfleisch liegt bei 20.000 Liter pro Kilogramm Fleisch.
- Tropische und andere Früchte werden ebenfalls in Gegenden mit Wassermangel gezüchtet (Mangos aus Indien und Peru, Avocados aus Chile, Melonen in Marokko, Obst in Andalusien).
- Soja-Milch (3.000 l/kg) hat einen höheren Wasserfußabdruck als Kuhmilch (2.000 l/kg).
- Soja-Granulat (Textured Vegetable Protein TVP) hat einen höheren Wasserfußabdruck mit 30.000 l/kg als Rindfleisch.
- Olivenöl hat seinen sehr hohen Wasserfußabdruck mit 900.000 l/kg, Rapsöl hingegen liegt bei nur 800 l/kg
- Orangen haben einen sehr hohen Wasserfußabdruck mit 15.000 l/kg
- Mandeln haben einen Wasserfußabdruck von ca. 11.000 l/kg. Sie stammen zu 80 Prozent aus Kalifornien – einem Staat mit hohem Wassermangel und extremen Waldbränden
- Spargel wird seit einigen Jahren in Peru angebaut und mit Flugtransport nach Deutschland geflogen. Das Inka-Tal ist aber ein Wassermangelgebiet und der Wasserfußabdruck von Spargel liegt bei 700 l/kg
- Baumwolle für Tischgedecke stammt häufig aus ariden Anbaugebieten wie Kasachstan, Usbekistan und Indien.
Die Systemgastronomie nutzt das virtuelle Wasser der Ursprungsländer in Lebensmitteln und Wasser zur Zubereitung. Der Klimawandel wird zu einer Veränderung der Niederschläge führen und einige Gebiete, wie z. B. die neuen Bundesländer, leiden seit 2019 unter zu geringen Niederschlägen. Wasser wird somit zu einem raren, wertvollen Gut, um das viele Verbraucher konkurrieren. In der Küche ist vor allem auf das effiziente Spülen mit Spülmaschinen, die einen geringen Wasserverbrauch haben, zu achten. Gastronomiebetriebe benötigen neben dem Prozesswasser der Küche auch Hygieneeinrichtungen für die Tischgäste. Sparsame Armaturen und wasserfreie Pissoirs können einen Beitrag zum Wassersparen leisten.
Mikroplastik
Mikroplastik spielt im Hinblick auf Wasser und Wäsche eine bedeutende Rolle. Es handelt sich hierbei um feste, unlösliche, partikuläre und nicht biologisch abbaubare synthetische Polymere in einem Größenbereich von weniger als fünf Millimetern bis 1.000 Nanometer (vgl. UBA 2020, Quarks 2022). Mikroplastik wird unterschieden in primäres und sekundäres Mikroplastik. Als primäres Mikroplastik werden Partikel bezeichnet, die bei Eintritt in die Umwelt bereits im Größenbereich von Mikroplastik sind. Primäres Mikroplastik Typ A wird bereits in diesem Größenbereich eingesetzt. Dazu gehören beispielsweise Partikel, die in der Kosmetik- und Körperpflege-Industrie eingesetzt werden. Primäres Mikroplastik Typ B entsteht während der Nutzungsphase. Hierzu gehören zum Beispiel der Abrieb von Autoreifen, oder Fasern aus synthetischen Textilien, die beim Waschen ins Abwasser gelangen. Sekundäres Mikroplastik entsteht bei dem Zerfall größerer Kunststoffteile im Verwitterungsprozess z. B. durch Wellenbewegung im Meer und Sonneneinstrahlung auf Plastik an Land(vgl. Quarks 2022).
Mikroplastik in der Nahrungskette
Diese kleinsten Kunststoffteilchen werden vor allem mit der Kosmetik in Verbindung gebracht (z. B. in Peelings, Haarshampoo oder als Binde- und Füllmittel in flüssigen Waschmitteln). Auch Plastikflaschen mit (Mineral-) Wasser enthalten Mikroplastik (Schymanski 2018). Allerdings können sie auch in Putzlappen und Schwämmen verwendet werden und sind somit relevant für die Gastronomie (Quarks 2022). Über das Abwasser gelangen diese Stoffe ins Meer. Dort ziehen sie Gifte an, werden von Tieren aufgenommen und gelangen so in die Nahrungskette. Allerdings konnte bisher mit Relevanz für die Nahrungskette vor allem in Fischen Mikroplastik nachgewiesen werden, welches wir dann schlussendlich aufnehmen (Quarks 2022). Das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) und auch die WHO sehen die Aufnahme (der bisherigen Mengen?) nicht als gesundheitsrelevant an. So sagt das BFR über die richtige Verwendung mit Kosmetikprodukten wie Cremes: “Bei dieser Partikelgröße ist bei vorhersehbarem Gebrauch der Produkte eine Aufnahme über die gesunde und intakte Haut nicht zu erwarten” (BfR zitiert nach Quarks 2022). Maria Neira von der WHO beschreibt das Risiko von Mikroplastik in Trinkwasser und in PET-Flaschen wie folgt: “Nach allen aktuell verfügbaren Informationen gehe von der derzeitigen Mikroplastik- Konzentration in Trinkwasser allerdings auch keine Gefahr aus”. Relevant aber unbeantwortet ist hierbei die Frage, wie es um die aerosolen Bestandteile des Mikroplastiks aus dem Reifenabrieb oder von Kunstrasenplätzen steht, die eine wesentliche Quelle für Mikroplastik sind (ADAC 2022, Fraunhofer Umsicht 2021). Alles in allem ist der Stand der Forschung zu den Risiken von Mikro- oder gar Nano-Plastik (kleinste Plastikteilchen) unbefriedigend, weshalb ein nachhaltiges Verhalten und ein nachhaltiger (Mikroplastik-freier) Einkauf angeraten sind.
Gesundheitsbelastung durch Mikroplastik
Laut einer Studie der Medizinischen Universität Wien aus dem Jahr 2019 gelangen durchschnittlich pro Person und Woche fünf Gramm Plastik in den menschlichen Magen-Darm-Trakt (Schwab et al. 2019). Dieses Gewicht entspricht in etwa dem Gewicht einer Kreditkarte. In die Nahrungskette gelangen Mikro- und Nanoplastikpartikel (MNP) unter anderem aus Verpackungsabfall. In den Körper werden die Plastikteilchen nicht nur über Lebensmittel wie insbesondere Fisch und andere Meeresbewohner sowie über das Meersalz in den Körper geschleust. Auch Getränke in Plastikflaschen spielen eine Rolle. Deshalb empfiehlt es sich, auf Plastikflaschen zu verzichten. „Wer die empfohlenen 1,5 bis zwei Liter Wasser pro Tag aus Plastikflaschen trinkt, nimmt […] allein auf diese Weise rund 90.000 Plastikpartikel pro Jahr zu sich. Wer zu Leitungswasser greift, kann – je nach geografischer Lage – die Menge auf 40.000 reduzieren“ (DERSTANDARD 2022:1, Wright et al. 2019). Eine neue Studie hat erstmals Mikroplastik im menschlichen Blut nachgewiesen. Drei Viertel der Getesteten hatten laut der Studie der Freien Universität Amsterdam nachweislich Kunststoff im Blut. Die Untersuchung waren der erste Beweis dafür, dass Kunststoffpartikel in den menschlichen Blutkreislauf gelangen können. Die Gesamtkonzentration von Kunststoffpartikeln im Blut der 22 Probandinnen und Probanden betrug durchschnittlich 1,6 µg/ml, was einem Teelöffel Kunststoff in 1.000 Litern Wasser (zehn große Badewannen) entspricht. Polyethylenterephthalat (PET), Polyethylen und Polymere von Styrol waren die häufigsten Kunststoffarten, gefolgt von Poly(methylmethacrylat), die in den Blutproben gefunden wurden. Auch Polypropylen wurde analysiert, aber die Konzentrationen waren zu gering für eine genaue Messung (Leslie et al., 2022).
Quellenverzeichnis
ADAC (2022): Dem Mikroplastik auf der Spur: Weniger Reifenabrieb ist möglich. Online: www.adac.de/rund-ums-fahrzeug/ausstattung-technik-zubehoer/reifen/reifenkauf/reifenabrieb-mikroplastik/
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
DERSTANDARD (2022): Ein Mensch isst pro Woche eine Kreditkarte. Diese Menge an Mikro- und Nanokunststoffpartikeln nehmen wir laut Med-Uni Wien im Magen-Darm-Trakt auf. 24. März 2022. Online: www.derstandard.at/story/2000134377806/ein-mensch-isst-pro-woche-eine-kreditkarte
Destatis/Deutscher Bauernverband (2020): Landwirtschaft und Umwelt. Online: www.bauernverband.de/faktencheck/wasser-landwirtschaft-und-klimawandel
Fraunhofer Umsicht (2021): Fraunhofer UMSICHT untersucht Nachhaltigkeit von Kunstrasenplätzen. Online: www.umsicht.fraunhofer.de/de/presse-medien/pressemitteilungen/2021/systemanalyse-kunstrasenplaetze.html
Leslie et al (2022): Heather A. Leslie, Martin J.M.van Velzen, Sicco H.Brandsma, A. DickVethaak, Juan J.Garcia-Vallejo, Marja H.Lamoree: Discovery and quantification of plastic particle pollution in human blood. Environment International Volume 163, May 2022.
Quarks (2022): Mikroplastik überall: Und jetzt? Podcast. Online: www.quarks.de/podcast/quarks-daily-spezial-folge-50-mikroplastik-ueberall-und-jetzt/
Quarks (2022): Wie gefährlich ist Mikroplastik. Online: www.quarks.de/umwelt/muell/fakten-zu-mikroplastik/
Schwab et al. (2019): Philipp Schwabl, Sebastian Köppel, Philipp Königshofer, Theresa Bucsics, Michael Trauner, Thomas Reiberger, and Bettina Liebmann: Detection of Various Microplastics in Human Stool. Annals of Internal Medicine. DOI: 10.7326/M19-0618i.
Schymanski, Dana (2018) / Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Münsterland-Emscher-Lippe: Untersuchung zu Mikroplastik in Lebensmitteln und Kosmetika. Zusammenfassung einer Studie der Universität Münster. Online: www.cvua-mel.de/index.php/aktuell/138-untersuchung-von-mikroplastik-in-lebensmitteln-und-kosmetika
UBA Umweltbundesamt (2021): Indikator – Nitrat im Grundwasser. Online: https://www.umweltbundesamt.de/daten/umweltindikatoren/indikator-nitrat-im-grundwasser
UBA Umweltbundesamt (2022a): Was ist der Wasserfußabdruck? Online: www.umweltbundesamt.de/themen/wasser/wasser-bewirtschaften/wasserfussabdruck#was-ist-der-wasserfussabdruck
UBA Umweltbundesamt (2020): Was ist Mikroplastik. Online: www.umweltbundesamt.de/service/uba-fragen/was-ist-mikroplastik
Wright S et al. (2019): Stephanie Wright, Ian Mudway The Ins and Outs of Microplastics. Editorial. Annals of Internal Medicine. DOI: 10.7326/M19-2474.
SDG 7 Bezahlbare und saubere Energie
“Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und moderner Energie für alle sichern”
Das SDG 7 “Bezahlbare und saubere Energie” beinhaltet soziale und ökologische Anforderungen an den Klimaschutz. Im wesentlichen geht es um den “allgemeinen Zugang zu bezahlbaren, verlässlichen und modernen Energiedienstleistungen” (Destatis o. J.), da ökologische und das Klima schützende Anforderungen schon durch andere SDGs (insbesondere 13, 14 und 15) abgedeckt werden.
“Saubere Energie”, wie dies in SDG 7 genannt wird, bedeutet heute für den Klimaschutz grundsätzlich der Umstieg auf erneuerbare Energien (EE) sowie eine höhere Energieeffizienz. Weitere Probleme der Energieerzeugung mit der Nachhaltigkeit betreffen
Umweltschutz und Arbeitsbedingungen bei der Rohstoffgewinnung
Ökologische und Gesundheitsfolgen der Energienutzung, insbesondere bei der Verbrennung
Flächenkonkurrenzen bei dem Anbau von Energiepflanzen (Mais, Zuckerrohr u. a.)
Die Schnittmenge für das SDG 7 ergibt sich aus den Nummern a und b der Standardberufsbildposition (BMBF 2022):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
Bei der industriellen Herstellung und Verarbeitung von Lebensmitteln wird viel Energie für die Produktionsprozesse benötigt. Wenn alle Mitarbeiter*innen im Unternehmen – von den Auszubildenden bis zur Geschäftsführung – aktiv daran arbeiten, verantwortungsbewusst und vorausschauend mit der Ressource Energie umzugehen, kann nicht nur der ökonomisch relevante Energieverbrauch des Betriebs positiv beeinflusst werden, sondern gleichzeitig ein Beitrag zu einer zukunftsfähigen Wirtschaft und Gesellschaft geleistet werden.
Dieses Kapitel beschreibt die Grundlagen der verwendeten Energieformen und eingesetzten Verfahren, soweit sie den Hintergrund der Einrichtungen und Arbeiten der Fachkräfte für Lebensmitteltechnik betreffen.
Erneuerbare Energien
Die einfachste Maßnahme zum Umstieg auf erneuerbare Energien ist der Bezug von Ökostrom. Die Produktion erfolgt dabei in der Regel aus Wind, Sonne, Biomasse und Wasserkraft. Im ersten Halbjahr 2022 lag der Anteil der Erneuerbaren bei 51,6 Prozent. Da die Stromproduktion aus verschiedenen Quellen schwankend ist, zeigt erst die Jahresendbilanz, wie die Verteilung sein wird. In 2021 stammten 23 Prozent der gesamten Stromproduktion aus Windkraft, 9,8 Prozent aus der Photovoltaik, 8,8 Prozent aus Biomasse und 4 Prozent aus Wasserkraft. Braun- und Steinkohle lieferten 20,7 Prozent des Stroms, Erdgas 10,5 Prozent und die Kernenergie gut 13,3 Prozent (Stromreport 2022).
Wichtig sind hinsichtlich des Ziel “bezahlbarer Energie” vor allem die Kosten von Strom und Wärme. Die Stromgestehungskosten waren in 2021 wie folgt (ISE 2021, gerundet): Dachkleinanlagen 6-11 Cent/kWh, große Dachanlagen 5-10 Cent/kWh, Freiflächenanlagen 3-6 Cent/kWh. Die Stromgestehungskosten fossiler Stromerzeugung lagen in 2021 zwischen 8-13 Cent/kWh für Gas- und Dampfkraftwerke, zwischen 11-28Cent/kWh bei Gaskraftwerken, 10-15 Cent/kWh Braunkohlekraftwerke sowie 11-20 Cent/kWh bei Steinkohlekraftwerken. Für Kernkraft, mit Rückbau und Endlagerung werden die Stromgestehungskosten auf 50 bis 100 Cent/kWh geschätzt (Siemens-Stiftung 2015). Die konkreten Stromgestehungskosten sind von einer Reihe von Faktoren abhängig. Dazu zählen der Standort (z.B. Entfernung zwischen Kraftwerk und Abbaugebiet), Größe und Alter der Anlagen, Subventionen, Wartung, Abschreibungen sowie die verbaute Erzeugungstechnologien.
Im Folgenden wird eine Übersicht über die wichtigsten Technologien zur Nutzung der Erneuerbaren Energien gegeben:
Solarenergie: Solarenergie mit Hilfe von Photovoltaik ist mit gut 21 Prozent der EE-Stromproduktion (Stromreport 2022) seit 2007 stark ausgebaut worden und damit die jüngste breit genutzte erneuerbare Stromquelle (vgl. die Graphik auf Wikimedia 2020). Ab 2013 stagnierte der Zuwachs von Solarenergie, weil die Konditionen der Einspeisung verschlechtert wurden. Insbesondere die Energiekrise im Zuge des Ukraine Krieges zeigt, dass der Ausbau jetzt stark beschleunigt werden muss.
Solarthermie: Es stehen jährlich 1.050 KWh/m2 Solarstrahlung für die Umwandlung von Sonnenenergie in Wärme zur freien Verfügung. Hiermit lassen sich Strom sowie Wärme für Heizung und Warmwasser erzeugen. In Deutschland wird Solarthermie dennoch nur in weniger als 10 Prozent(co2online 2021) der Heizanlagen für Häuser und Wohnungen genutzt.
Windenergie: 50 Prozent des EE-Stromes in Deutschland wurden 2021 aus Windenergie erzeugt (Stromreport 2022). Der Ausbau hat wesentlich in den Jahren von 2000 bis 2017 stattgefunden. Seitdem ist der Zuwachs geringer, weil sich lokal viele Menschen gegen Windkraftanlagen wehren. Seit Ausbruch des Ukraine-Krieges und dem damit verbundenen Gaslieferstopp Rußlands, sowie seit den deutlichen Auswirkungen der Klimakrise (Waldbrände, Flut), werden wieder höhere Ausbauziele der Windenergie genannt.
Wärmeerzeugung: Zur Wärmeerzeugung können Bioenergie (insbesondere Festbrennstoffe wie Holz) sowie die Umgebungs- bzw. bodennahe Erdwärme eingesetzt werden. Wie bei der Stromerzeugung aus Wasserkraft gibt es für die Verbrennung von Biomasse kein Wachstumspotenzial mehr, sondern muss auf “ein naturverträgliches Maß begrenzt” werden (UBA 2021b). Im Gegensatz dazu setzt die Bundesregierung auf den Ausbau der Nutzung von Umgebungswärme, wozu auch die bodennahe Erdwärme gehört (Tagesschau 2022).
Photovoltaik
Photovoltaik ist die Umwandlung von Sonnenlicht in Strom. Dies geschieht mit Hilfe von PV-Modulen, in denen die Solarstrahlung Strom erzeugt. Der Strom wird über Leitungen zu einem Wechselrichter geführt, der den Gleichstrom aus den PV-Modulen in Wechselstrom umwandelt. Die Kosten der PV-Technologie sind bei höherer Leistung – trotz Preissteigerungen aufgrund des Krieges – deutlich günstiger als vor 20 Jahren. Für den Betrieb von Photovoltaik-Anlagen gibt es drei Betriebsmodelle:
Dachverpachtung: Die einfachste Möglichkeit, von einem geeigneten Dach zu profitieren, ist die Verpachtung der Dachfläche an Dritte. Diese sind dann Betreiber der Anlage. Stadtwerke, Energieversorgungsunternehmen und Projektentwickler bieten bereits „schlüsselfertige“ Dachpachtlösungen an. Dabei baut der Betreiber auf seine Kosten die Anlage, bewirtschaftet sie und übernimmt das unternehmerische Risiko.
Eigenverbrauch mit Überschusseinspeisung: Besonders attraktiv ist die Gestaltung des Eigenverbrauchs. Der Eigentümer errichtet die Anlage auf eigene Kosten und versucht, seine Stromnutzung so zu gestalten, dass bei Sonnenschein Strom entweder verbraucht oder in Batterien gespeichert wird.
Volleinspeisung: In diesem Fall ist der Dacheigentümer auch Betreiber der PV-Anlage. Der gesamte erzeugte Strom wird in das Netz der allgemeinen Versorgung eingespeist und der Anlagenbetreiber erhält für jede eingespeiste kWh die sog. Einspeisevergütung.
Im Folgenden werden kurz die wichtigsten Technologien zur Solarstromerzeugung vorgestellt:
Solarzellen aus kristallinem Silizium: Solarzellen aus kristallinem Silizium werden mit über 90 Prozent am häufigsten verbaut. Als Ausgangsmaterial für ihre Herstellung dient Siliziumdioxid (SiO2), das als Quarzsand oder Quarzkristall abgebaut wird. Aus SiO2 wird in einem mehrstufigen und sehr energieaufwendigen Verfahren hochreines polykristallines Silizium (poly-Si) mit einer Reinheit von 99, 99999 Prozent hergestellt. Die Herstellung erfolgt in einem Lichtbogenofen bei Temperaturen von etwa 2.000 °C. Anschließend werden Silizium-Einkristalle (mono-Si) gezogen. Die gewonnenen Einkristalle werden in etwa 0,2 mm dicke Scheiben («Wafer») gesägt und in einer Abfolge von mehreren Prozessschritten zu Solarzellen und dann zu PV-Modulen weiterverarbeitet.
Dünnschicht-Solarmodule: Die Module bestehen wie die obigen PV-Module ebenfalls aus elektrischen Kontakten und einem absorbierenden Material, allerdings werden auf dem Trägermaterial verschiedene Schichten von Metallen aufgetragen. Die Dicke der lichtabsorbierenden Schicht liegt in der Regel bei 1-3 µm, also etwa hundertmal weniger als bei den Solarzellen aus kristallinem Silizium. Als Trägermaterial können, je nach Technologie, Glas, Metall- oder Kunststofffolien eingesetzt werden. Als Schichtmaterialien kommen insbesondere Halbleitermaterialien wie Galiumarsenid (GaAs), Cadmiumtellurid (CdTe) oder Kupfer-Indium-Gallium-Diselenid (CIGS) zum Einsatz. Vorteile der Dünnschichtzellen sind ihr geringes Gewicht, ihre guten Erträge bei diffusem Sonnenlicht und schlechtem Wetter sowie die schnelle energetische Amortisation aufgrund des geringen Energieeinsatzes bei ihrer Herstellung.
Hauptsächlich gibt es zwei Arten für Photovoltaikanlagen:
Aufdachmontage: Aufdach-Photovoltaikanlagen sind eine weit verbreitete Möglichkeit für Eigenheime, Unternehmen und öffentliche Gebäude um ihren eigenen Strom zu erzeugen. Vorteile sind: Das vorhandene Dach kann optimal genutzt werden; das Dach wird vor eventuellen Umwelteinwirkungen zusätzlich geschützt; aufdach-montierte Anlagen sind meist schnell und einfach sowie mit geringem Wartungsaufwand zu installieren. Nachteile sind höhere Kosten der Montage, mögliche Probleme bei der Befestigung und Tragfähigkeit, Platzbeschränkungen durch die Dachfläche sowie der unveränderliche Winkel des Daches (der nicht immer optimal zur Nutzung der Solarstrahlung ist).
Bodenmontage (Freiflächenmontage): Bodenmontierte Photovoltaikanlagen sind inzwischen ebenfalls weit verbreitet, werden aber vorwiegend von großen Unternehmen, professionellen Investoren bzw. Energieanbietern genutzt. Vorteile sind: Aufgrund ihrer Größe ist auch eine größer dimensionierte Stromerzeugung möglich; bodenmontierte Anlagen haben die Möglichkeit die festen Winkelbeschränkungen zu umgehen und sie haben einfache Wartungsmöglichkeiten. Nachteilig sind die Flächenbedarfe (“ganze Äcker”) und ihre optische Auffälligkeit (Landschaftsbild).
Solarwärme
Solarthermie erzeugt warmes oder heißes Wasser, zusammen mit einem Wärmespeicher kann dann insbesondere in den Sommermonaten ein erheblicher Teil des Wärmebedarfs mit Solarenergie CO2-frei bereitgestellt werden. Das Prinzip ist ganz einfach: Das Sonnenlicht erwärmt die Solarflüssigkeit (Wasser-Glykol-Gemisch) und über einen Wärmetauscher erwärmt die heiße Solarflüssigkeit Wasser. Im folgenden werden die beiden wichtigsten Kollektortypen sowie die Wärmespeicherung und die Einbindung der Solarwärme vorgestellt:
Flachkollektoren: Bei Flachkollektoren ist der metallische Solarabsorber zwischen einer transparenten Abdeckung und einer Wärmedämmung eingefasst. Dies minimiert die Wärmeverluste des Kollektors, wodurch in Abhängigkeit der Bauart Nutztemperaturen bis 100 °C effizient bereitgestellt werden können. Das Spektrum reicht von kompakten Kollektormodulen mit ca. zwei m² bis hin zu Großflächenkollektoren mit zehn bis zwölf m²
Vakuumröhrenkollektoren: Bei Vakuumröhrenkollektoren können die Wärmeverluste durch Konvektion und Wärmeleitung deutlich reduziert und somit mehr Wärme erzeugt werden. Der sinnvolle Einsatzbereich dieser Kollektoren bei 80 bis 130 °C, der höhere Wert wird mit Spiegeln auf der Rückseite erzeugt.
Speicherung: In der Regel ist ein Pufferspeicher zentraler Bestandteil einer solaren Prozesswärmeanlage, da das Solarangebot nicht immer mit dem Wärmebedarf der zu versorgenden Verbrauchsstellen zeitlich übereinstimmt. Zur Einbindung des Speichers gibt es mehrere Möglichkeiten: Typischerweise wird der mit einem Wasser-Glykol-Gemisch betriebene Solarkreis durch einen Wärmeübertrager vom Speicherkreis getrennt.
Einbindung von Solarwärme: Bei der Einbindung von Solarwärme lässt sich grundsätzlich die Versorgungs- von der Prozessebene unterscheiden. Viele Industrie- oder Gewerbebetriebe haben ein zentrales Kesselhaus zur Erzeugung von Wärme und ein Rohrnetz zur Verteilung der Wärme an die Verbrauchsstellen. Je nach Nutztemperatur wird die Wärme über Dampf (140-200 °C), Heißwasser (90-160 °C) oder Warmwasser (<100 °C) verteilt und direkt oder indirekt über einen Wärmeüberträger an die Wärmesenke abgegeben.
Bioenergie
Unter Bioenergie wird die energetische Nutzung biogener Energieträger verstanden. Biogene Energieträger sind pflanzlicher oder tierischer Herkunft. Zu den typischen biogenen Energieträgern zählen Holz und Stroh sowie ihre Derivate wie Holzschnitzel- oder -pellets. Aber auch Biogas aus der Vergärung von Bioabfällen, Ernterückständen oder von tierischen Abfällen wie Mist und Gülle-Exkremente. Obwohl bei der Verbrennung von Biomasse oder Biogas Kohlendioxid freigesetzt wird, wird die Erzeugung und Nutzung von Bioenergie als klimaneutral angesehen, denn das freigesetzte CO2 wurde während des Pflanzenwachstums der Atmosphäre entzogen. Allerdings verursacht die Verbrennung von Biomasse weitere Luftschadstoffe wie NOX und insbesondere Feinstaub (Kamine im Eigenheimbereich).
Der typische Einsatz von Biogas zur Energieerzeugung erfolgt über Blockheizkraftwerke (BHKW), die sowohl Wärme als auch Strom erzeugen. Problematisch ist der Anbau von Energiepflanzen wie z. B. Mais, Raps, Futterrüben, Hanf, Chinaschilf, schnellwachsende Bäume (Pappeln, Weiden), Zuckerrohr und Algen. In der Regel erfolgt deren Anbau in schnell wachsenden Monokulturen und haben damit einen erheblichen Einfluss auf Landschaft und Boden. Zudem kann der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zum Verlust von Biodiversität, die Düngung zur Belastung des Grundwassers und der Verbrauch von Trinkwasser zur regionalen Verknappung von führen (vgl. BUND o. J. sowie UBA 2021a). Des Weiteren ist der energetische Wirkungsgrad der Biomassenproduktion mit 0,5 – 1,5 Prozent (Pflanzenforschung 2020) wesentlich geringer als der von Photovoltaik , der in der Regel 15 – 22 Prozent beträgt (Eigensonne o. J.). Zudem gibt es eine Flächenkonkurrenz – anstelle von Energiepflanzen könnten auch Feldfrüchte oder Getreide angebaut werden – im Sinne des SDG 1 “Kein Hunger”.
Erd- und Umgebungswärme
Eine Möglichkeit der Wärmeerzeugung ist die Nutzung von Temperaturunterschieden zwischen Gebäuden und ihrer Umgebung oder dem Erdreich mit Wärmepumpen. Eine Wärmepumpe funktioniert wie ein Kühlschrank oder eine Klimaanlage (Tagesschau 2022). Die Pumpe entzieht der Umgebung (z. B. dem Erdreich) mit einem Kältemittel Wärme und kühlt sie dabei ab. Ein Kompressor verdichtet das Kältemittel und erhöht dabei dessen Temperatur, die dann zur Raumheizung genutzt wird. Das Kältemittel kondensiert und gibt die Wärme frei. In einem Ventil verdampft das Kühlmittel wieder, kühlt sich dabei stark ab und kann aufs Neue der Umgebung Wärme entziehen. Zum Antrieb einer Wärmepumpe wird elektrischer Strom benötigt, der allerdings aus erneuerbaren Quellen stammen sollte. Bei der Nutzung von Erdwärme wird zwischen Tiefengeothermie und oberflächennaher Geothermie unterschieden.
Die oberflächennahe Geothermie nutzt den Untergrund bis zu einer Tiefe von ca. 400 m und Temperaturen von bis zu 25 °C für das Beheizen und Kühlen von Gebäuden, technischen Anlagen oder Infrastruktureinrichtungen. Hierzu wird die Wärme oder Kühlenergie aus den oberen Erd- und Gesteinsschichten oder aus dem Grundwasser gewonnen. Als Tiefengeothermie bezeichnet man die Nutzung der Erdwärme in Tiefen zwischen 400 und 5.000 Metern. Im Vergleich zur oberflächennahen Geothermie sind dort die Temperaturen weitaus höher. Der Vorteil der Geothermie ist ihre ständige Verfügbarkeit. Die geothermische Stromerzeugung in Deutschland steht noch am Anfang und ist noch ausbaufähig
Eine weitere – einfacher zu installierende – Alternative sind Luft-Wasser-Wärmepumpen, die die Wärme aus der Luft entnehmen. Sie funktionieren gleichfalls nach dem Prinzip des Kühlschranks. Luft wird an einen Verdampfer geführt, in dem ein leicht verdampfbares Kältemittel (z. B. Propan) zirkuliert. Das Kältemittel verdampft und wird komprimiert. Die Wärme des komprimierten Kältemittels wird an ein Trägermedium abgeführt (z. B. Wasser-Glycol), welches über einen Wärmetauscher einen Heizkreislauf erwärmt (Viessmann o. J.).
Beleuchtung
Beleuchtung ist in allen Berufen ein Handlungsfeld, bei dem viel Energie eingespart werden kann. Der Standard für Energieeffizienz in der Beleuchtung sind LED-Lampen und LED-Röhren. In 2009 wurde die “Glühbirne” aus Initiative der EU vom Markt genommen, anstelle dessen wurde im breiten Umfange die Energiesparlampe bzw. Leuchtstofflampe (Fachbegriff:Kompaktleuchtstofflampen) verwendet, die bei gleiche Lichtstärke wie eine 75 Watt Glühbirne nur rund zehn Watt verbrauchte. Die technische Entwicklung ging jedoch weiter hin zu LED-Lampen, die wiederum im Vergleich zur Glühbirne rund 70 Prozent bis 90 Prozent der Energie einsparen (enterga o. J., energieexperten o. J.). In Haushalten und kleinen Gewerbebetrieben ohne eigene Produktion fallen rund zehn Prozent des Stromverbrauchs für die Beleuchtung an – dies sind zwischen 350 und 600 kWh/a.
Die Bedeutung des technischen Wandel weg von der Glühbirne (und auch der Halogenbirne) hin zu LED-Technik lässt sich im Rückblick zeigen. In 2003 wurden ca. 71 TWh/a (Terawattstunden pro Jahr) Strom für die Beleuchtung verwendet (stromrechner.com). Dies waren 71.000 Gigawattstunden. Ein Atomkraftwerk erzeugt zwischen 9.000 und 13.000 GWh Strom, rein rechnerisch mussten fast neun Atomkraftwerke nur die Beleuchtung laufen (in 2003, stromrechner.com o. J.). Der Stromverbrauch für die Beleuchtung in Haushalten beträgt rund 10 Prozent des Stromverbrauchs, in Gewerbe-Handel-Dienstleistungen weniger als 5 Prozent (energy.net 2017).
Für Gewerbetreibende mit Büro und Werkstatt sind die LED-Leuchtstoffröhren besonders interessant, da bisher immer Leuchtstofflampen installiert wurden. Heutzutage gibt es LED-Röhren, die ohne Umbau in die vorhandenen Lichtkästen eingebaut werden können. Nur das Vorschaltgerät muss ggf. ausgewechselt werden. Die Einsparung liegt bei 50 Prozent des bisher genutzten Stroms (LEDONLINE o. J.). Die Vorteile neben der Energieeinsparung sind offensichtlich: Die Röhren zerbrechen nicht, sie enthalten kein Quecksilber, sie flimmern nicht und haben einen hohen Leistungsfaktor (ebd.)
Eine weitere mögliche Stellschraube bei der Beleuchtung ist die Verwendung von Strom aus regenerativen Energiequellen. Eine eigene PV-Anlage auf dem Bürogebäude oder auf dem Betriebsgelände in Verbindung mit einem Batteriespeicher kann erheblich Strom aus Sonnenlicht bereitstellen. Allerdings ist die Solarstrahlung in den Wintermonaten – gerade dann, wenn die Anzucht stattfindet, nur gering. In diesem Falle sollte zumindest der Strom aus erneuerbaren Energien – im Winter fast ausschließlich aus Windenergie – bezogen werden.
Kältetechnik
Der Energiebedarf für Kälte und Klimatechnik ist bundesweit sehr groß. Der VDMA hat 2017 einen Anteil von 14 Prozent am gesamten Stromverbrauch ermittelt (ca. 87 TWh; VDMA 2018). Hiervon wurden 84 Prozent mit Strom, der Rest überwiegend durch Kraftstoffe erzeugt. Der Anteil des Stromverbrauchs für Kälte belief sich auf fast 17 Prozent (520 TWh).
Die Kältetechnik wird in vielen Branchen eingesetzt. Die Nahrungsmittelherstellung, von der Landwirtschaft bis hin zum Supermarkt, hat einen Anteil am Energieverbrauch und den dazugehörigen Emissionen von mehr als 20 Prozent:
Gesamt Endenergiebedarf von Kältetechnik (2017, VDMA 2018)
Bereich | Anteil | Bereich | Anteil | |
Kühlhäuser | 2 % | Haushaltskälte | 20 % (24% 2009) | |
Transportkälte | 2 % | Klimakälte | 26 % | |
Supermarktkälte | 10 % | Wärmepumpen | 9 % (3% 2009) | |
Nahrungsmittel- herstellung | 8 % | Industriekälte (ohne Nahrungsmittel) | 14 % | |
Gewerbekälte | 5 % | Medizin | 2 % | |
Sonstiges | 1 % |
Von den geschätzt 144 Millionen Kältesystemen entfallen auf die Bereiche, die mit Ernährung zu tun haben (ohne Haushalte) geschätzt nur rund neun Mio. Anlagen, die aber einen Endenergiebedarf von 19 TWh aufweisen (ebd.). Bei einem Stromfaktor von 450 g CO2-Äq/kWh führt dies zu Emissionen von 8 bis 9 Mio. t CO2. Kältetechnik ist somit ein bedeutender Faktor, wenn man Emissionen reduzieren will.
Kühlen und Gefrieren ist vor allem für Berufe, die mit Lebensmitteln zu tun haben, von großer Bedeutung: Lebensmitteltechniker*innen, Bäcker und Konditoren, Winzer und Brauer, Gastronomie, Hotelberufe, Landwirtschaft, Bestatter und Hauswirtschafter u. a.
Kältetechnik in der Nahrungsmittelindustrie
Die Kältetechnik in der Lebensmittelherstellung umfasst die Lebensmittelindustrie, Molkereien, Schlachthöfe, Brauereien, Milchviehbetriebe sowie Kühl- und Kälteanlagen für die Lagerung. Der Endenergieverbrauch für die Nahrungsmittelindustrie lag 2017 bei ca. 6.400 GWh/a (ein Haushalt verbraucht zwischen 0,003 bis 0,005 GWh/a, eigene Werte der Autoren). 98 Prozent der Kälte wird mit Strom erzeugt (ebd.:30). Die Anlagen sind meist zentrale Anlagen (Großanlagen) mit Leistungen von 100 kW bis zu einigen GW-Anlagen. Hauptsächlich wird Ammoniak als Kältemittel verwendet.
Der wichtigste Prozess in der Lebensmittelindustrie ist die Abkühlung. Fleisch muss nach dem Schlachten schnell von 36 Grad auf 4 Grad gekühlt werden. Auch Milch muss während aller Verarbeitungsstufen heruntergekühlt werden – insgesamt mussten 2017 fast 40 Mio. t Fleisch und Milch herunter- oder gekühlt werden (ebd.31). Aber auch Gurken müssen vor dem Einkochen, Obst vor der Verarbeitung zur Konfitüre gekühlt werden.
Energieintensiv ist das Gefrieren insbesondere, wenn die Produkte frisch und warm aus den Prozesslinien kommen. Zudem ist der Phasenübergang von Wasser energieverbrauchend. Der VDMA schätzt, dass ca. 60 Prozent der Endenergie (3.600 GWh/a, ebd.:32) für das Gefrieren und 40 Prozent für das Kühlen (2.400 GWh/a) verbraucht werden.
THG-Emissionen von Tiefkühlkost
Tiefkühlkost ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Außer-Haus-Verpflegung, aber zunehmend auch für die Alltagsverpflegung der Haushalte. Der Vorteil in der AHV ist die lange Lagerbarkeit ohne Warenverderb und die Möglichkeit, bei Schwankungen der Zahl der Tischgäste flexibel reagieren zu können.
Um bestimmen zu können, inwieweit TK-Ware zu zusätzlichen Emissionen führt, muss eine Ökobilanz durchgeführt werden. Hierzu wird die gesamte Prozesskette betrachtet. Neben der Zubereitung der Tiefkühl Gerichte spielen auch die Rohwarenbereitstellung, die Produktion, die Distribution und die weitere Nutzungsphase der Verbraucher eine entscheidende Rolle im Hinblick auf die Ökobilanz der Tiefkühlgerichte (Öko-Institut 2012). Im Folgenden werden die Ergebnisse der Ökobilanzen eines Weizenbrötchen (TK- und ungekühltes Aufback-Brötchen) und einer Salami Pizza (TK, Plus-Kühl-Pizza und selbstgemachte Pizza beschrieben(Öko-Institut 2021).
Tiefkühl Weizenbrötchen
Die Öko-Bilanzierung ergab, dass zwischen Aufback-Brötchen und TK-Brötchen nur ein geringer Unterschied besteht wie die folgende Tabelle zeigt (Öko-Institut 2018):
Die THG Emissionen der verschiedenen Angebotsformen in CO2-Äq pro 100g
TK-Brötchen | Aufback- Brötchen | |
Rohwarenherstellung und -bereitstellung | 65 | 65 |
Industrielle Fertigwaren Produktion | 40 | 23-26 |
Herstellung der Verpackung | 12 | 21 |
Distribution und Lagerung im Handel | 31 | 10 |
Einkauf, Lagerung im Haushalt, Zubereitung und Spülen | 156 | 198 |
Summe | 303 | 317-320 |
Eigene Abbildung nach Öko-Institut 2021
Wie nicht anders zu erwarten, liegt die industrielle Produktion von TK-Ware über den Werten von Waren, die bei Raumtemperatur hergestellt werden. Die Verpackung der Aufback-Brötchen hat höhere THG-Werte, da hier eine aufwändigere Barriere-Verpackung notwendig ist. Die Distribution und Lagerung der TK-Brötchen ist in TK-Truhen notwendig, was zu höheren THG-Emissionen führt. TK-Brötchen sind eigentlich Fertigbackwaren, die im Unterschied zu Aufbackbrötchen nicht “aufgebacken” werden müssen. Die “Backzeit” ist bei ihnen geringer. Insgesamt liegen die beiden Brötchen hinsichtlich der THG-Emissionen innerhalb der Fehlertoleranzen nahezu gleichauf, obwohl die Kälte bei den TK-Brötchen fast 25 Prozent der THG-Emissionen ausmacht.
Tiefkühl Salami Pizza
Die Öko-Bilanzierung ergab, dass zwischen den drei Varianten der Pizza nur sehr geringe Unterschiede liegen wie die folgende Tabelle zeigt (Öko-Institut 2018):
Die THG Emissionen der verschiedenen Angebotsformen in CO2-äq pro 100g
TK Pizza | gekühlte Pizza | Pizza selbst zubereitet | |
Rohwarenherstellung und -bereitstellung | 306 | 308 | 369-380 |
Industrielle Fertigwaren Produktion | 20-41 | 25 | |
Herstellung der Verpackung | 14-35 | 33 | |
Distribution und Lagerung im handel | 30-39 | 45-85 | |
Einkauf, Lagerung im Haushalt, Zubereitung, Spülen | 181-206 | 140 | 200 |
Summe | 556-610 | 554-590 | 569-580 |
Eigene Abbildung nach Öko-Institut 2021
Aufgrund der tierischen Zutaten der Pizzen (Salami, ca. 100 g CO2-Äq), des Käses (ca. 150 g CO2-Äq) und der passierten Tomaten zeigt sich, dass diese Zutaten ca. 50 Prozent der Gesamtemissionen ausmachen. Die übrigen Werte liegen ähnlich wie zuvor schon bei den Brötchen. Im Ergebnis erbringt eine selbstgemachte Pizza keine Vorteile zur Minderung der THG-Emissionen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass bei den meisten Tiefkühlprodukten ein erheblicher Teil der THG-Emissionen auf die Kühlung zurückzuführen ist. Trotzdem befinden sich die Gesamtemissionen der verschiedenen Angebote auf einem sehr ähnlichen Niveau. Das ist darauf zurückzuführen, dass durch die TK Produktion Emissionen an anderen Stellen eingespart werden können (z. B. Verpackungen).
Transport von Tiefkühlprodukten
Tiefkühlkost muss auch tiefgekühlt transportiert werden. Dies kann mit Straßenfahrzeugen, Kühlwaggons, Schiffen, Container oder gewerblichen Kühlboxen erfolgen (VDMA 2018). Zumeist werden Straßenfahrzeuge genutzt, auf sie entfielen ca. 64 Prozent der Energie, die für den Kühltransport entfielen (ca. 1 GWh/a). An zweiter Stelle standen Container mit ca. 31 Prozent (0,5 GWh/a).
Lagerung von Tiefkühlprodukten
Tiefkühlprodukte müssen von den Abnehmern eine gewisse Zeit gelagert werden. Im KEEKS-Projekt wurde untersucht, wie sich die Emissionen über die Wertschöpfungskette verteilen (Scharp 2019). Zusammen mit Netzwerk e. V. und seinen 22 Schulküchen wurde diese Kette an einem beispielhaften vier-Wochenplan untersucht. Parallel zur Bestimmung der THG-Emissionen der Menüs wurde der Energieverbrauch von fünf Küchen vermessen. Die Lebensmittel, angefangen von der Landwirtschaft bis hin zum Großhändler, hatten mit rund 640 g CO2-Äq (50 Prozent) den größten Anteil der Emissionen je Menü. Deutlich war hier der Anteil von Fleisch- und hoch fetthaltigen Milchprodukten hier zu sehen. Nach dem Abfallaufkommen mit ca.15 Prozent bzw. 200 g CO2-Äq kam schon das Kühlen mit 6 Prozent der Gesamtemissionen (74 g CO2-Äq je Menü). Ursachen waren hier vor allem die hohen Stromverbräuche für Gefrieren und Kühlen:
- In den 22 Schulküchen befanden sich 50 Kühlschränke. Diese hatten einen Jahresverbrauch von ca. 33.000 kWh. Der Durchschnittsverbrauch lag bei rund 570 kWh pro Kühlschrank. Ein moderner hocheffizienter Kühlschrank mit einer Energiekennzeichnung B (früher A++) hat einen Verbrauch von ca. 120 kWh (enterga o. J.). Würde die Gefriertechnik der Schulküchen modernisiert, könnten leicht 27.000 kWh Strom eingespart werden
- In den 22 Schulküchen befanden sich 57 Gefrierschränke. Diese hatten einen Jahresverbrauch von ca. 149.000 kWh. Der Durchschnittsverbrauch lag bei rund 2.600 kWh pro Kühlschrank. Ein moderner Gefrierschrank mit einer Energiekennzeichnung D (früher Klasse A oder B) hat einen Verbrauch von ca. 220 kWh (Stiftung Warentest 2023). Würde die Gefriertechnik der Schulküchen modernisiert, könnten leicht 137.000 kWh Strom eingespart werden.
Rationelle Energienutzung und Energiesparen
Neben dem Einsatz erneuerbarer Energien zählt auch die rationelle Energienutzung zu den Maßnahmen, um das Energiesystem in Richtung Nachhaltigkeit zu transformieren. Typische Handlungsfelder der rationellen Energienutzung sind die Energieeffizienz und das Energiesparen, die beide eng miteinander verknüpft sind.
- Energieeffizienz: Bei der Energieeffizienz geht es darum, Geräte und Maschinen zu nutzen, die bei gleicher Funktionserfüllung einen geringeren Energiebedarf haben. Effizienz ist dabei eine relationale Größe, die sich auf mindestens zwei vergleichbare Arten bezieht, Energie zu nutzen. Durch optimierte Prozesse sollen die quantitativen und qualitativen Verluste, die im Einzelnen bei der Umwandlung, dem Transport und der Speicherung von Energie entstehen, minimiert werden, um einen vorgegebenen (energetischen) Nutzen bei sinkendem Primär- bzw. Endenergieeinsatz zu erreichen.
- Energieeffizienzkennzeichnung: In der EU gibt die Energieeffizienzkennzeichnung gemäß Verordnung (EU) 2017/1369 Auskunft über die Energieeffizienz von Elektrogeräten und weiteren Energieverbrauchern. Die Kennzeichnung erfolgt für verschiedene Gerätegruppen in Form von Etiketten auf den Geräten und in Werbematerialien. Ab dem Jahr 2021 erfolgt die Kennzeichnung der Energieeffizienz in Form von Effizienzklassen. Deren Skala reicht von „A“ bis „G“, wobei Geräte mit der höchsten Effizienz mit der Kennzeichnung “A” ausgezeichnet werden. Daneben gibt es zahlreiche weitere Kennzeichen. Bekannt ist der amerikanische Energy Star für energiesparende Geräte, Baustoffe, öffentliche/gewerbliche Gebäude oder Wohnbauten. Der Energy Star bescheinigt die jeweiligen Stromsparkriterien der US-Umweltschutzbehörde EPA und des US-Energieministeriums (www.energystar.gov). Auch nationale Umweltzeichen wie der Blaue Engel können, je nach ausgezeichnetem Produkt, auf Grund vergleichsweise besonders hoher Energieeffizienz vergeben werden (www.blauer-engel.de). Für Pkw’s gibt es ein eigenes Kennzeichen, welches die Bewertung und Kennzeichnung der Energieeffizienz neuer Personenkraftwagen hinsichtlich Kraftstoff- und Stromverbrauch regelt (Pkw-EnVKV 2020).
- Stromsparen: Die Abgrenzung des Energiesparens zur Energieeffizienz ist allerdings nicht immer eindeutig, denn die Nutzung eines energieeffizienten Gerätes stellt immer auch eine Energieeinsparung gegenüber einem weniger effizienten Gerät dar. Die wichtigsten Stromsparmaßnahmen im Haushalt sind energieeffiziente Geräte (Kühl- und Gefriergeräte, Fernseher u.a.m.) sowie LED-Beleuchtung. Eine Vielzahl von Energiespartipps sind z.B. bei CO2-Online zu finden (ebd. o. J.). Selbst kleine Maßnahmen wie Reduzierung des Standby-Verbrauchs summieren sich im Großen (UBA 2015). EU-weit werden die Leerlaufverluste auf jährlich 51 Mrd. Kilowattstunden geschätzt. Dies entspricht einer Energiemenge, die etwa 14 Großkraftwerke mit jeweils 800 Megawatt Leistung pro Jahr erzeugen und dabei etwa 20 Mio. t CO2 in die Atmosphäre emittieren (ebd.).
Mobilität und Logistik
Im Rahmen der sogenannten Verkehrswende spielt die Dekarbonisierung der Antriebe eine zentrale Rolle, denn die Treibhausgasemissionen der Mobilität sind, mit rund 149 Mio. t CO2-Äq bzw. fast 20 Prozent aller CO2-Emissionen allein in Deutschland im Jahr 2021, maßgeblich für den Klimawandel verantwortlich. Differenziert nach verschiedenen Verkehrsarten zeigt sich, dass der Straßengüterverkehr 2020 rund 46 Mio. t CO2-Äq bzw. 30 Prozent der Verkehrsemissionen verursacht (UBA 2022) hat. Es sind somit zwei Trends wirksam: Zum einen eine Minderung der Emissionen (insbesondere der Schadstoffe), die aber bei Lkws deutlich größer sind (-32%) als bei Pkws (-5%). Zum anderen stieg für beide die Zahl der gefahrenen Kilometer – die Pkw-Fahrleistung hat sich seit 1995 verdoppelt, die des Güterverkehrs per Lkw ist um 74 Prozent gestiegen (ebd.).
Logistik
Die Wahl der Verkehrsmittel entlang der Wertschöpfungskette ist von besonderer Relevanz. Die Emissionen aus der Logistik können leicht mit Hilfe kostenloser Online Tools ermittelt werden, wie z. B. mit carboncare (ebd. o. J.). Hier ist auch der Emissionsanteil für die Erzeugung des Kraftstoffes enthalten. Die folgende Tabelle stellt beispielhaft die CO2– Emissionen unterschiedlicher Transportmittel dar, die bei einem Transport von einer Tonne Gewicht von Shanghai nach Berlin freigesetzt werden.
Tabelle: Emissionen für einen Langstreckentransport – Shanghai nach Berlin.
Transportmittel | Strecke (km, gerundet) | WTW-CO2-Äq |
Schiff LKW | 19.900 km (Schiff) 200 km (Lkw) 20.100 km (gesamt) | 73 kg (nur Schiff) 15 kg (Lkw) 88 kg (gesamt) |
Bahn (im Bau) | 10.400 km | 120 kg |
Flugzeug | 8.500 km | 6.900 kg |
Quelle: Eigene Berechnungen mit carboncare (ebd. o. J.).
Geschäftsreisen und Dienstwagen
Bei Geschäftsreisen besteht vielfach die Wahl zwischen Bahn und Pkw-Nutzung. Bei innerdeutschen Flügen ist man oder Frau aufgrund der langen Check-In-Zeiten im Prinzip kaum schneller als mit der Bahn. Hier kann der UmweltMobilCheck der Deutschen Bahn eine Orientierung geben (DB o. J.). Eine Fahrt von Berlin nach Hamburg führt bei Pkw-Nutzung zu etwa 54 kg CO2-Äq, bei Bahnnutzung zu 0,03 kg CO2-Äq.
Sollten Geschäftsreisen mit dem Flugzeug gelegentlich unvermeidbar sein, bieten sich Kompensationsmodelle zum Ausgleich der Klimawirkung an, bei denen eine Klimakompensation erfolgt. Hierbei wird ein Geldbetrag entsprechend der verursachten Emissionen überwiesen und dieser wird in Klimaschutzprojekte investiert z. B. in den Moorschutz oder Wiederaufforstung (vgl. atmosfair o. J.). Bei einem Hin-und Rückflug von Berlin nach Shanghai entstehen ca. 4.800 kg CO2 Emissionen. Diese können durch 111 € Ausgleichszahlung kompensiert werden.
Mit zunehmender Verantwortung im Unternehmen kommen auch Privilegien wie ein eigener Dienstwagen oder die Abrechnung der Fahrtkosten durch den Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin mit einem eigenen Wagen. Deshalb stellt sich auch hierbei die Frage: Welchen Wagen sollte ich unter dem Aspekt der Emissionen fahren:
- Hybrid-Fahrzeuge: Es gibt verschiedene Typen wie Mild-Hybrid, Voll-Hybrid, Plug-in-Hybrid oder Range Extender, die einen mehr oder weniger starken Verbrenner mit einem Elektroantrieb kombinieren. Solange die Reichweite reiner E-Autos noch begrenzt ist, wird es auch diese Fahrzeuge geben.
- Elektroauto mit Batterie: Ein vollelektrisches Fahrzeug (BEV) wird ausschließlich von einem batteriebetriebenen Elektromotor angetrieben. Der wird über das Stromnetz aufgeladen, das heißt: er benötigt keinen fossilen Kraftstoff. Dadurch fährt das Fahrzeug zu 100 Prozent emissionsfrei. Allerdings ist hier der Strommix von Bedeutung: Der Anteil von Gas und Kohle führt zu Emissionen bei der Stromerzeugung.
- Elektroauto mit Brennstoffzelle: Ein Brennstoffzellenauto (FCEV) wird ausschließlich von einem Elektromotor angetrieben. Der Strom wird in einer Wasserstoff-Brennstoffzelle erzeugt. Bei der Nutzung von Wasserstoff in Fahrzeugen ist von entscheidender Bedeutung, dass dieser mit elektrischem Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt wird, ein sogenannter grüner Wasserstoff – denn nur dann ist sein Einsatz in Fahrzeugen CO2-frei und damit klimaneutral. Die Herstellung von grünem Wasserstoff erfolgt mittels Elektrolyse von Wasser.
- Biogene Kraftstoffe: Hier wird der Kraftstoff aus Pflanzen erzeugt. Dies können Öl-Pflanzen wie Raps sein, aus denen Biodiesel, oder Zuckerrohr, aus dem Ethanol erzeugt wird. Letzteres ist z.B. in Brasilien eine wichtige Kraftstoffquelle. Die Antriebstechnik ist vergleichbar mit konventionellen Verbrennungsmotoren mit der Ausnahme, dass das bei der Verbrennung entstehende CO2 klimaneutral ist, denn die bei der Verbrennung freigesetzte CO2-Menge entspricht in etwa derjenigen Menge, die die Pflanze während ihres Wachstums mittels Photosynthese der Atmosphäre entzogen hatte.
Wie wird sich die individuelle und die gewerbliche Mobilität der Zukunft gestalten? Vermutlich wird es die Elektromobilität mit Batterien für Pkw und kleine Nutzfahrzeuge bis 3,5 Tonnen sein. Von entscheidender Bedeutung ist, dass der elektrische Strom zur Ladung der Fahrzeugbatterie mit erneuerbaren Energien erzeugt wird. Bei Lkw in der Klasse ab 7,5 t ist die Frage noch nicht beantwortet – hier konkurrieren Elektromobilität mit Batterien und Fahrzeuge mit Brennstoffzellen noch miteinander.
Nutzfahrzeuge: Elektrisch oder mit Brennstoffzellen?
In der gewerblichen Wirtschaft sind die mit fossilen Treibstoffen wie Diesel betriebenen Verbrennungsmotoren ab 3,5 t bis hin zu den üblichen 40 Tonnen und auch die schweren Nutzfahrzeuge (z. B. Abfall-Sammelfahrzeuge, Schwertransporter, Zementmischer) von besonderer Relevanz. Maßgeblich angeschoben wird die Verkehrswende im Schwerlastverkehr durch die EU-Klimaziele, den CO2-Ausstoß von neuen Pkw’s bis 2030 um 37,5 Prozent zu senken und dies bereits in fünf Jahren auch auf schwere Nutzfahrzeuge auszudehnen. Während es im PKW-Bereich fast ausschließlich batteriebetriebene Konzepte sind, kommen im Bereich der Nutzfahrzeuge möglicherweise neben Batterie-angetriebenen Fahrzeugen auch Brennstoffzellen in Betracht. Wie sich dies entwickeln wird, ist noch nicht klar.
Batteriefahrzeuge haben zwei Nachteile. Zum einen den schweren und teils voluminösen Elektrostrang. Zum anderen fehlt bisher gänzlich eine Ladeinfrastruktur für Elektro-Lkw’s, so dass diese Langstreckenfahrzeuge nur zwischen zwei definierten Stationen pendeln können, um z.B. beim Abladen erneut geladen zu werden. Alternativ sind jedoch die kleineren Modelle (“7,5-Tonner”), die besonders gut für den innerstädtischen Lieferverkehr geeignet sind. Volvo z. B. bietet seit Mitte 2022 Elektro-Lkws unterschiedlicher Größe an (vgl. Volvo o. J.). Die Volvo-Modelle sind alle für den regionalen Verkehr konstruiert. Der FM Electric hat ein Gesamtzuggewicht von 44 t, eine Leistung von 490 kW, eine Batterieleistung von bis zu 540 kWh (zum Vergleich: Der Hyundai Kona / Midi-SUV hat eine Leistung von 64 kWh) und eine Reichweite von bis zu 390 km (im Sommer). Die Zuladung des Volvo-Lkws beträgt 23 t. Die Vorteile sind der niedrige Geräuschpegel (Anlieferung auch in Nachtstunden) und die Emissionsfreiheit (keine Fahreinschränkungen in städtischen Gebieten mit Emissionsbeschränkungen). Bei Gleichstromladung mit 250 kW ist eine Vollladung in 2,5 h möglich.
Alternativ zum E-Lkw gibt es viele Hersteller von Nutzfahrzeugen mit Brennstoffzellen. Um bis zum Jahr 2025 bei schweren Nutzfahrzeugen 15 Prozent CO2-Emissionen und bis 2030 sogar 30 Prozent einzusparen, erscheint die Brennstoffzellentechnologie daher besonders vielversprechend. Denn einerseits sind konventionelle Lkw-Antriebsstränge mit Dieselaggregaten bereits in hohem Maße optimiert und bieten daher nur noch wenig Einsparpotenzial. Andererseits lassen sich bestehende Lösungen zum batterieelektrischen Antrieb von Pkw nicht direkt von Pkw´s auf Lkw´s übertragen, da die benötigte Batterie zu schwer und die Ladezeiten zu lang wären.
Wasserstoffbetriebene Fahrzeuge sind leiser, wartungsärmer und – bei Herstellung des Wasserstoffs aus regenerativen Quellen – CO2-neutral. Umweltzonen und emissionsbedingte Durchfahrtsverbote stellen keine Probleme mehr dar. Zwar sind erste Fahrzeuge bereits auf dem Markt verfügbar, jedoch muss die Brennstoffzellenentwicklung bei einer Einführung bis 2025 deutlich beschleunigt werden (KIT 2020).
Gleichwohl ist die Entwicklung von Lkw-Antrieben auf Wasserstoffbasis branchenweit auf einem nie dagewesenen Höchststand. Etablierte Unternehmen, darunter Hersteller wie Hyundai oder Daimler Trucks, aber auch völlig neue Anbieter wie die US-amerikanische Firma Nikola, die in Kooperation mit IVECO und Bosch an der Marktreife von Brennstoffzellen-Lkws feilt, überbieten sich im Rennen um Effizienz, Reichweite und Fortschrittlichkeit. Verwunderlich ist diese Entwicklung angesichts der Vorteile von grünem Wasserstoff nicht: Große Tanks ermöglichen hohe Reichweiten mit einer Tankfüllung. Verschiedene Hersteller arbeiten mit Konzepten, die Reichweiten zwischen 400 und über 1000 Kilometern versprechen. Der Tankprozess ähnelt dabei dem bisherigen Ablauf. Ein Umstellen ganzer Prozesse auf längere Lade- und Standzeiten ist daher nicht nötig. Und Innenstädte, die lärm- und feinstaubbelastet sind, können schon in wenigen Jahren deutlich entlastet werden.
Zwischen Pkw und schweren Nutzfahrzeugen liegen leichte Nutzfahrzeuge bis 3,5 t. Genau die nehmen immer mehr Hersteller als Versuchsballon für den Wasserstoffantrieb mit Brennstoffzelle, meist in Verbindung mit einer Plug-in-Ladelösung. So lässt Stellantis, der Mutterkonzern von Opel, Peugeot und Citroën, in den kommenden zwei Jahren in Rüsselsheim eine Kleinflotte von 2000 Fahrzeugen von Elektro auf Wasserstoff, jeweils mit einer Reichweite von 400 Kilometern (bfp 2022) umrüsten. Die Brennstoffzellentechnologie wird sich vermutlich nicht im Pkw-Segment durchsetzen. Eine Studie des österreichischen Umweltbundesamtes kam schon 2014 mit einer Ökobilanz zum Schluss, dass Elektroantriebe die klimafreundlichsten Antriebe noch vor der Brennstoffzellentechnologie sind (Umweltbundesamt 2014). Neuere Untersuchungen zeigen aber, dass die Brennstoffzellentechnologie mit zunehmender Verbesserung der Herstellung von Wasserstoff sich durchaus im Lastverkehr durchsetzen könnte (Reichweite, Tankzeiten, Temperaturstabilität u. a., vgl. Unwerth 2020).
Transport, Logistik, Produkte und Umweltschutz
Im Zuge der Globalisierung erfolgt ein weltweit wachsender Güteraustausch. Dadurch werden Zulieferketten länger und der Güterverkehr Sektor hat einen immensen Einfluss auf das Klima. Logistik und Transport verursachen gemäß WEF-Studien derzeit mehr als 5,5 Prozent aller CO2-Emissionen weltweit, Tendenz steigend (Fraunhofer IML o. J.).
“Auch der Anteil der Logistik an den Emissionen des Lebenszyklus von Produkten ist mit fünf-15 Prozent nicht vernachlässigbar und bietet folglich hohes Potential. Dies betrifft Beschaffungswege für Rohstoffe und Komponenten. Auch in der Distribution von Fertigwaren zum Kunden lassen sich Klimaschutz-Potenziale heben” (ebd.).
Industriekaufleute als Einkäufer haben bei der Wahl der Transportmittel für ihre Rohstoffe, Materialien und Produkte unmittelbaren Einfluss auf die Treibhausgasemissionen, wie folgende Tabelle belegt (Statista 2019, UBA 2021, FIS 2012, carboncare o. J):
Transportmittel | Gramm je Tonnenkilometer |
Frachtschiff | 17 |
Lkw | 68-113 |
Binnenschiff | 30 |
Güterzug | 17-32 |
Der Deutsche Speditions- und Logistikverband e. V. hat bereits 2013 einen Leitfaden zur Berechnung von Treibhausgasemissionen in Spedition und Logistik veröffentlicht (DSLV; 2013). In ihm sind Definitionen, Berechnungsmethoden und Beispiele aus der Branche aufgeführt.
Ferntransporte
Die Mobilität ist für einen wesentlichen Teil des Klimawandels verantwortlich – in Deutschland verantwortet die Mobilität rund 20 Prozent der Emissionen (UBA 2022h). Der Anstieg der Emissionen kommt vor allem durch die höheren Verkehrsleistungen, die Emissionseinsparungen durch mehr Dieselfahrzeuge, Elektromobilität und effizientere Lkw-Motoren zustande. Mobilität für den globalen Handel und die Industrie ist aber unvermeidbar in allen Branchen, die beliefert werden und auch liefern.
In der Diskussion stehen vor allem Ferntransporte aus anderen Kontinenten, aber auch der Lkw-Verkehr innerhalb Europas. Doch wie verhält es sich mit dem Distributionsverkehr – also der Auslieferung an Zwischenhändler. Und wie mit dem Endkundenverkehr? Im Folgenden zeigt eine Modellierung die Relationen von transkontinentalen und nationalen Verkehr. Hierzu kann man Mandeln betrachten, die aus Kalifornien per Schiff geliefert werden (eigene Berechnung mit carboncare o. J., SK o. J. und NABU o. J.):
- Um 22 Millionen Mandelplätzchen herzustellen, werden 20 t Mandeln benötigt, die aus Kalifornien per Schiff importiert werden. Berechnet man nun die Strecke von 15.480 km von San-Franzisko nach Hamburg mit einem 20 Fuß Kontainer, der mit Mandeln gefüllt ist und 25 t wiegt, so ergibt sich mit 375 g/km Emissionen insgesamt ein Ausstoß von 2,55 t CO2-Äq für den gesamten Transport von San-Francisco nach Hamburg-Hafen.
- Die Emissionen, die bei der Verteilung innerhalb Deutschlands in die verschiedenen Städte anfallen, sind dabei höher: Ein Lkw hat THG-Emissionen von 68 g CO2-Äq pro Tonnenkilometer. Verteilt man die Mandeln je 1.000 kg an Großlageristen einmal rund um Deutschland, so fährt der Lkw eine Gesamtstrecke von 3.700 km und beliefert 20 Großhändler. Unter Berücksichtigung geringer werdender Emissionen aufgrund des geringeren Ladegewichts kommt man auf Gesamtemissionen von ca. 17 t CO2-Äq (NABU o. J).
- Nimmt man an, dass eine Bäckerei oder eine Konditorei 50 kg Mandeln abnimmt und hierfür 50 km mit einem Kleintransporter fährt, so erhält man eine Strecke 20.000 km für den gewerblichen Einkauf. Die THG-Emissionen belaufen sich ca. 190 g CO2-Äq pro km (Diesel, 150 PS, car-wiki o. J.). Der gewerbliche Einkaufverkehr führt sich zu weiteren 3,8 t CO2-Äq.
Die Modellierung zeigt, dass nicht der internationale Transport das primäre Problem ist, sondern der Schwerlastverkehr und noch mehr der individuelle Verkehr.
Ferntransporte versus “Regionalität”
Ein wichtiger Verbrauchertrend in 2022 ist die “Klimafreundliche und nachhaltige Ernährung” (nutrition hub 2022). Dies verbinden die Befragten auch mit der “Regionalität”. Argumente hierfür sind, dass das Klima geschont wird und durch die Vermeidung von Transport-Emissionen frische Lebensmittel geschmacksintensiver sind, da auf eine Kühllagerung oder unnatürliche Reifung (z. B. Bananen werden grün verschifft) verzichtet wird. Es stehen sich allerdings verschiedene Nachhaltigkeitsziele gegenüber: Auf der einen Seite die Minderung von Emissionen im Transportsektor und die Förderung regionalen Wirtschaftswachstums. Auf der anderen Seite stehen sich aber Arbeit und Einkommen in den Hersteller Ländern (die sich ohnehin durch eine schwache Wirtschaftsleistung auszeichnen) sowie die “gesunde Ernährung” (Südfrüchte sind Vitaminreich und sind europaweit nur beschränkt verfügbar, besonders selten im Winter) gegenüber.
Die Bedeutung des Prinzips der Regionalität kann am Beispiel von Wein erläutert werden. Der Weinbau verursacht keine besondere Klimabelastung (außer durch Düngung, die Prozesse der Kelterung, der Glasherstellung (s. das Beispiel unten) und des Abfüllens). Die folgende Berechnung zeigt beispielhaft, wie groß die THG-Emissionen für den Transport aus unterschiedlichen Herkunftsländern sind. Berechnet werden die THG-Bilanzen einer importierten Flasche Wein (1,3 kg, d. h. 0,75 l Wein, 0,50 kg Glas-Einwegflasche und 0,5 kg Verpackung, nicht jedoch die Palette) per Lkw von Bordeaux oder dem Rheingau sowie mit dem Frachtgut-Containerschiffe aus Südafrika nach Hamburg (carboncare o. J.):
- Basisdaten: 40 Fuß Container: 22.176 Flaschen (Fl) = 28.800 kg (ITJ o. J.)
- Kapstadt bis Hamburg: 15.633 km
- THG-Emissionen Container-Schiff: 17 g /tkm (UBA 2019)
- 17 g/Tkm * 15.633 km * 28,8 T = 7.653 kg CO2-Äq / 22.176 Flaschen =
- 345 g CO2-Äq pro Flasche
- Bordeaux bis Hamburg: 1.500 km
- THG-Emissionen Lkw: 68 g /tkm (UBA 2019)
- 68 g/Tkm * 1.500 km * 28,8 T = 2.937 kg CO2-Äq / 22.176 Flaschen =
- 132 g CO2-Äq pro Flasche
- Rheingau bis Hamburg: 540 km
- THG-Emissionen Lkw: 68 g /tkm (UBA 2021)
- 68 g/Tkm * 540 km * 28,8 T = 1.057 kg CO2-Äq / 22.176 Flaschen =
- 48 g CO2-Äq pro Flasche
Der Transport aus Südafrika hat hierbei – wie nicht anders zu erwarten – die höchsten Emissionen. Wichtig ist jedoch die Relation: Der Transport aus dem Rheingau beträgt nur 3,5 Prozent der Entfernung des Transportweges aus Südafrika, aber die Emissionen betragen 14 Prozent im Vergleich zum südafrikanischen Wein. Dies zeigt, dass Langstreckentransporte nicht mit dem gleichen Gewicht zur Klimabilanz beitragen, wenn sie mit energieeffizienten Transportmitteln vollzogen werden.
Ferntransporte und Verpackungsgewicht
Eine Alternative für den Ferntransport ist ein Transport mit einem Flextank, in den auf 20 Fuß 24.000 l Wein passen (ITJ o. J.). Das würde im obigen Beispiel die Emissionen reduzieren, da in zwei 20 Fuß Containern 48.000l Wein und somit 64.000 Flaschen Wein transportiert werden können. Die THG-Werte für den Flextank-Transport umgerechnet auf eine Flasche Wein sind demnach wie folgt (Berechnung mit carboncare.o. J.):
- aus Kapstadt: 199 g CO2-Äq
- aus Bordeaux: 77 g CO2-Äq
- aus dem Rheingau: 28 g CO2-Äq
Der Ferntransport in Flextanks ist eine Möglichkeit, rund 42 Prozent der Emissionen beim Transport einzusparen.
Ein anderes Beispiel ist ein Vergleich zwischen Bierflasche und Bierdose (Scharp 2020). Hierbei gibt es die Besonderheit, dass viele Brauereien entweder spezielle Flaschen von der Form her oder mit einer Prägung verwenden. Daneben gibt es standardisierte Einheitsflaschen (EFL). Auch wenn alle Flaschen “Mehrweg” sind, können die speziellen Bierflaschen nicht wie die Einheitsflaschen der Deutschen Brunnen von jedem Betrieb befüllt werden. Sie müssen zur jeweiligen Brauerei zurückgefahren werden.
Transport von Bierkästen | je… | Glas | Alu | Glas | Alu | EFL | |
Anzahl Paletten | Lkw | 30 | 30 | ||||
Gewicht (kg) | Palette | 22 | 22 | 660 | 660 | 660 | |
Anzahl Gebinde (Kästen / Tray) | Palette | 40 | 70 | 1.200 | 2.100 | 1.200 | |
Anzahl Flaschen / Dosen | Kiste/Tray | 20 | 24 | 24.000 | 50.400 | 24.000 | |
Gewicht (kg) | Gebinde | 18 | 13 | 21.600 | 27.300 | 21.600 | |
Ladung (kg) | 22.260 | 27.960 | 22.260 | ||||
Füllmenge | Flasche/Dose | 0,5 | 0,5 | 12.000 | 25.200 | 12.000 | |
Transportgewicht (Gebinde und Paletten, kg) | 27.126 | 27.028 | 27.126 |
Jede Bier-Mehrwegflasche mit einer Prägung muss von der Brauerei zum Laden und zurück geliefert werden. Untersuchungen zeigen, dass eine Flasche Bier rund 200 km von der Brauerei zum Verbraucher und 200 km zurücklegt. Der Rückweg ist aber anders: Eine Einheitsflasche kann zu jeder Brauerei gefahren werden. Die leere und gepresste Dose wird zwar zu einem Recycling-Betrieb gefahren, aber sie ist viel leichter als eine Bierflasche. Deshalb ist ihre notwendige Transportenergie deutlich geringer. Die folgende Tabelle zeigt eine einfache Modellierung wobei davon ausgegangen wird, dass die Transportdistanzen für die Einheitsmehrwegflasche und die Aluminiumdose beide nur die Hälfte einer Flasche mit Prägung sind.
Glas | Alu | EFL | |
Verbrauch Hinweg (l/100 km) | 35 | 35 | 35 |
Distanz Hinweg (km) | 200 | 200 | 100 |
Verbrauch Rückweg (l/100 km) | 25 | 10 | 25 |
Distanz Rückweg (km) | 200 | 100 | 100 |
Dieselverbrauch (l) | 120 | 90 | 95 |
Auf dieser Basis lassen sich die Emissionen je Liter Bier berechnen wie die folgende Tabelle zeigt:
Glas | Alu | EFL | |
Dieselverbrauch je Lkw-Ladung (l) | 120 | 90 | 95 |
CO2-Emission in kg je Liter Diesel (kg/l) | 200 | 200 | 100 |
CO2-Emission je Lkw-Ladung (kg) | 312 | 234 | 247 |
Liter Bier pro Lkw (l) | 12.000 | 25.200 | 12.000 |
CO2-Emissionen je Liter Bier (kg) | 0,026 | 0,009 | 0,020 |
CO2-Emissionen je Liter Bier (g) | 26 | 9 | 20 |
Der Transport der Aludosen verursacht viel weniger Emissionen. Bei diesem Vergleich ist eines zu beachten: Der Transport stellt nur einen kleinen Teil der Energie und der CO2- Emissionen im Lebenszyklus des Bieres. Die Rohstoffgewinnung für Glas und Aluminium, die Produktion des Behältnisses, die Reinigung und das Recycling benötigen ebenfalls viel Energie, aber jeweils unterschiedliche Mengen.
Energiespeicherung
Eine zentrale Herausforderung bei der Nutzung erneuerbarer Energien ist ihre Fluktuation, denn Solarstrahlung steht nachts nicht zur Verfügung und auch der Wind weht nicht kontinuierlich. Eine ausgeglichene Balance von Stromerzeugung und Stromnachfrage ist aber unabdingbar für die Versorgungssicherheit sowie die Netzstabilität. Um eine gleichmäßige Frequenz im Stromnetz aufrechtzuerhalten, müssen Erzeugung und Nutzung aufeinander abgestimmt werden. Andernfalls muss die Differenz und mögliche Frequenzschwankungen durch die sogenannte Regelenergie ausgeglichen werden. Möglichkeiten dazu sind:
- Abschaltung von EE-Anlagen (geringere Einspeisung)
- Zuschaltung von Speicherkraftwerken (höhere Einspeisung)
- Abschaltung großer Verbraucher (geringere Entnahme)
Die Abschaltung ist aber unökologisch und unwirtschaftlich. Um dies zu vermeiden, bieten sich Energiespeicher an, die bei Bedarf zugeschaltet werden. Diese sind:
- Pumpspeicherkraftwerke: Kostengünstig, nur für gebirgige dünn besiedelte Regionen (z. B. Norwegen, Öst. Alpen), benötigen einen Netzanschluss z. B. durch sehr lange und teure DC-Leitungen z.B. durch die Ost- und Nordsee bei norwegischen Speichern.
- Druckluft: Einfache Technologie, gut nutzbar bei Anbindung an Windkraftanlagen, aber nur begrenztes Speicherpotential und bisher eher ein Forschungsgegenstand.
- Schwungräder: Einfache Technologie, aber hohe Masse des Rades und noch in der Entwicklung.
- Chemisch als Wasserstoff: Elektrolyse von Wasser zur Stromerzeugung, gut erforscht für Kleinanlagen, derzeit erfolgt ein großtechnischer Aufbau, wichtiger Zielkonflikt: Wasserstoff ist auch relevant für die Stahl-, Zement- und chemische Industrie sowie zum Antrieb von Lkws (evt. Flugzeuge), teure Technologie.
- Chemisch als Methan: Elektrolyse von Wasser zur Stromerzeugung, dann Reduktion von CO2 zu Methan (CH4), relevant für Gebäudeheizungen, teure Technologie.
Allen obigen Technologien ist gemeinsam, dass die Umwandlung von Kraft oder innerer Energie immer mit hohen Verlusten aufgrund der Thermodynamik (Wärmeverluste) verbunden ist. Die wichtigste Batterie ist derzeit die Lithium-Ionen-Batterie. (GRS o. J., ISE 2021): Dieser Batterietyp dient sowohl für die Versorgung von Kleingeräten (Mobiltelefone, Tablet, Notebooks, Werkzeuge) als auch für Fahrzeuge und Fahrräder sowie als Hausspeicher (s.a. u.). Batterien im Kleinstbereich und für die Elektromobilität müssen ein geringes Gewicht beim höchsten Energiegehalt haben. Weitere Faktoren sind die Kosten, die Brandsicherheit, die Ladefähigkeit und die Lebensdauer. Die Kathode enthält Kobalt-Oxid (Co2), die Anode besteht aus Graphit. Als Elektrolyt dienen Li-organische Verbindungen. Die Vorteile sind die höchste Energiedichte aller im großen Maßstab produzierten Batterien, kein Memory Effekt und eine gute Zyklenfestigkeit. Die Nachteile sind ein hoher Preis, ein aufwändiges Zellmanagement aufgrund der geringen Größe und damit verbunden mit einer hohen Anzahl von Zellen. Aus Sicht der Nachhaltigkeit ist insbesondere die Gewinnung von Cobalt in Sambia und der Demokratischen Republik Kongo, dem wichtigsten aller Lieferländer, sehr gewichtig, da hier u.a. ein illegaler und umweltzerstörender Abbaus stattfindet (FAZ-net 2022, Safe the Children 2022). Lithium ist ein Salz, das in verschiedenen Ländern in Salzseen vorkommt. Der größte Produzent ist Australien (51.000 t) vor Chile (13.000 t; VW o. J.). Hierbei spielt insbesondere die Bereitstellung von Wasser und die Abwasserbehandlung eine wichtige Rolle, da die Gewinnung meist in ariden Regionen stattfindet. Die bekannten Reserven übersteigen derzeit die Bedarfe um ein Vielfaches, weshalb diskutiert wird, ob Lithium ein “knappes” Metall ist oder nicht (ebd.).
Quellenverzeichnis
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SDG 8 Menschenwürdige Arbeit
“Dauerhaftes, inklusives und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und
menschenwürdige Arbeit für alle fördern”
In der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie wird zum SDG 8 auf das Leitbild „Soziale Marktwirtschaft“ verwiesen (Bunderegierung 2021: 2214):
„Soziales Ziel ist es, unternehmerische Freiheit und funktionierenden Wettbewerb mit sozialem Ausgleich und sozialer Sicherheit zu verbinden. Mit Hilfe der Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft, wie fairer Wettbewerb, Unternehmerverantwortung, Sozialpartnerschaft, Mitbestimmung und gerechte Verteilung des erwirtschafteten Wohlstands, werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass wir auch in Zukunft noch Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung haben.“
Hinsichtlich des SDG 8 sind zwei Ebenen zu betrachten: Eine nationale Ebene und die globale Ebene.
Auf der nationalen Ebene steht Deutschland laut der „European Working Survey” hinsichtlich der Arbeitsbedingungen sehr gut da – 89 Prozent der Befragten geben an, mit ihrem Job zufrieden zu sein und 91 Prozent bestätigen einen fairen Umgang mit ihnen als Arbeitnehmer*innen (Eurofond 2021). Jedoch zeigt der Index “Gute Arbeit” des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB 2022) detailliert, dass es in manchen Branchen, wie dem Gesundheitssektor und bei Beschäftigten in Leiharbeitsverhältnissen noch große Defizite gibt (DGB 2022). Besonders negativ sind hierbei die Kriterien “Arbeitsintensität” und “Einkommen” aufgefallen, die notwendigen Handlungsbedarf in Berufsbildern aufzeigen.
Auch wenn Kinderarbeit und Sklaverei in Deutschland keine Rolle spielen, so ist die Umsetzung der verschiedenen Unterziele des SDG 8 eine dauerhafte Aufgabe im Sinne einer kontinuierlichen Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Noch ein zweites gilt: Aufgrund der komplexen Lieferketten müssen Unternehmen Verantwortung für ihre Produkte auch in den Ländern, wo diese hergestellt werden, übernehmen. An dieser Stelle sollen folgende Unterziele betrachtet werden:
8.5 Bis 2030 produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle Frauen und Männer, einschließlich junger Menschen und Menschen mit Behinderungen, sowie gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit erreichen
8.6 Bis 2020 den Anteil junger Menschen, die ohne Beschäftigung sind und keine Schul- oder Berufsausbildung durchlaufen, erheblich verringern
8.b Bis 2020 eine globale Strategie für Jugendbeschäftigung erarbeiten und auf den Weg bringen und den globalen Beschäftigungspakt der ILO umsetzen (ILO o. J.; Destatis o. J.)
8.7 Sofortige und wirksame Maßnahmen ergreifen, um Zwangsarbeit abzuschaffen, moderne Sklaverei und Menschenhandel zu beenden und das Verbot und die Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit, einschließlich der Einziehung und des Einsatzes von Kindersoldaten, sicherstellen und bis 2025 jede Form von Kinderarbeit ein Ende setzen
8.8 Die Arbeitsrechte schützen und sichere Arbeitsumgebungen für alle Arbeitnehmer, einschließlich der Wanderarbeitnehmer, insbesondere der Wanderarbeitnehmerinnen, und der Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen, fördern.
Die Schnittstellen zur neuen Standardberufsbildposition „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ ergibt sich über die Beachtung der gesellschaftlichen Folgen des beruflichen sowie der zu entwickelnden Beiträge für ein nachhaltiges Handeln (BMBF 2022)
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Menschenwürdige Arbeit
Menschenwürdige Arbeit in Deutschland bedeutet vor allem Arbeit, die sich zumindest an internationalen Standards orientiert. Formuliert sind diese in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Vereinte Nationen 1948; UN-Charta, Artikel 23 und 24). Als “menschenunwürdige Arbeit” werden Kinderarbeit, Sklavenarbeit und teilweise Leiharbeit bezeichnet sowie Merkmale bei den Beschäftigungsverhältnissen, die sich nicht an den o. g. Regelwerken orientieren, wie “fehlende soziale Sicherheit”, “mangelnder Arbeitsschutz”, “Ausnutzung von Scheinselbstständigen” und “Ungleichbehandlung von Frauen”.
Saisonarbeit
Alle bei einem in Deutschland ansässigen Unternehmen befristet angestellte Arbeitnehmer: innen aus anderen Ländern werden als Saisonarbeiter bezeichnet. Laut Definition in den relevanten Vorschriften üben sie eine Tätigkeit aus die “aufgrund eines immer wiederkehrenden saisonbedingten Ereignisses oder einer immer wiederkehrenden Abfolge saisonbedingter Ereignisse an eine Jahreszeit gebunden sind, während der Bedarf an Arbeitskräften den für gewöhnlich durchgeführte Tätigkeiten erforderlichen Bedarf in erheblichem Maße übersteigt” (Zoll 2022). Folgende Bereiche setzen Saisonarbeitskräfte ein:
- Tourismus: Gaststätten, Hotels für Kellner: innen, Küchenpersonal, Zimmerservice und in Betrieben, die nicht ganzjährig geöffnet sind, wie Biergärten und Skihütten, oder auch zur Abdeckung von Arbeitsspitzen in Ausflugslokalen.
- Schaustellergewerbe auf Volksfesten, Jahrmärkten etc.
- In der Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau (Erntehilfen in Sonderkulturbetrieben wie Obst-, Gemüse- oder Weinbau).
DGB Index Gute Arbeit
Die Qualität von Arbeitsbedingungen wird seit 2012 aufgrund von 42 standardisierten Fragen in einer bundesweiten repräsentativen Erhebung ermittelt (DGB 2022). Elf Kriterien der Arbeitsqualität werden abgefragt. Im November 2022 wurde der DGB-Index Gute Arbeit 2022 veröffentlicht. Wie schon in den vorangegangenen Jahren gibt es zu den Kriterien „Arbeitsintensität“ und „Einkommen“ erheblich kritische Bewertungen.
Der Index 2022 zeigt z. B. für die Branchen „Metallerzeugung und –bearbeitung“ (64), „Ver- und Entsorgung“ (69), „Baugewerbe“ (66), „Gastgewerbe“ (62), „Information und Kommunikation“ (69), „Finanz- und Versicherungsdienstleistungen“ (68) und „Gesundheitswesen“ (62) auf, dass die Arbeitsbedingungen noch weit entfernt sind vom Anspruch „Gute Arbeit“.
In der ausführlichen Debatte über die Detailergebnisse für 2022 sticht hervor, dass Beschäftigte in Leiharbeitsverhältnissen ihre Situation auffällig schlecht bewerten (ebd.).
„Auf Branchenebene kommen Beschäftigte aus dem Gastgewerbe und dem Gesundheitswesen auf die niedrigsten Indexwerte (jeweils 62 Punkte). In der Informations- und Kommunikationsbranche (IuK) liegt der Wert dagegen bei 69 Punkten. Auch in den Branchen treten auf Ebene der Teilindizes zum Teil sehr große Unterschiede zutage. Beim Teilindex „Ressourcen“ kommen IuK-Beschäftigte auf 75 Indexpunkte, Arbeitnehmer*innen aus der Metallerzeugung und -bearbeitung dagegen lediglich auf 68 Punkte. Die höchsten Belastungen finden sich im Bereich Erziehung und Unterricht (54 Punkte) sowie im Gesundheitswesen (56 Punkte), wo häufig sowohl physische als auch psychische Belastungsfaktoren auftreten. Die größte Diskrepanz auf Branchenebene zeigt sich bei der Bewertung von „Einkommen und Sicherheit“. Hier liegen die Befragten aus dem Gastgewerbe mit 54 Punkten um 16 Punkte unter dem Wert der Beschäftigten aus der öffentlichen Verwaltung (70 Punkte).“ (a.a.O., S. 13)
Darüber hinaus zeigt der Blick in einzelne Branchen und Berufsgruppen, dass noch immer körperliche Belastungen in vielen Bereichen sehr verbreitet sind (ebd.:S. 19).
Einen wesentlichen Einfluss auf die Bewertung der eigenen Arbeitsbedingungen haben die Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten im Arbeitskontext. Im Zusammenhang mit nachhaltiger Entwicklung ist das Kriterium „Sinn der Arbeit“ eine wesentliche Ressource zur Beurteilung der eigenen Arbeitsbedingungen. Dazu führt der Bericht „Index Gute Arbeit 2022“ aus: „Der Sinngehalt von Arbeit ist eine Ressource, die sich aus unterschiedlichen Quellen speisen kann. Dazu gehört, dass die Produkte bzw. Dienstleistungen, die produziert oder erbracht werden, als nützlich erachtet werden. Häufig ist dies mit der Einschätzung verbunden, ob die Arbeit einen gesellschaftlichen Mehrwert erzeugt. Sinnhaftigkeit kann dadurch entstehen, dass die Arbeit einen Nutzen für Andere hat. Und wichtig für Sinnempfinden ist auch, dass die eigenen, ganz konkreten Arbeitsaufgaben und -merkmale nicht sinnlos erscheinen. Wird Arbeit als sinnvoll empfunden, wirkt sich das positiv auf die Motivation und das Wohlbefinden der Beschäftigten aus. Dauerhaft einer als sinnlos erachteten Arbeit nachzugehen, stellt dagegen eine mögliche psychische Belastung und damit ein gesundheitliches Risiko dar.
BDA - Die Arbeitgeber
Die Arbeitgeber argumentieren mit positiven Statistiken, dass die Arbeitsbedingungen in Deutschland sehr gut sind (BDA o. J.). So sind laut der European Working survey 89 Prozent der in Deutschland Beschäftigten mit ihrem Job zufrieden, 74 Prozent gaben in der Befragung an, dass ihnen ihr Job Spaß macht und 91 Prozent bestätigen einen fairen Umgang am Arbeitsplatz (Eurofond 2021, BDA o. J.). Auch hinsichtlich der Arbeitssicherheit ist die Entwicklung positiv: Sowohl die Arbeitsunfälle, als auch die Unfallquote hat sich seit 1991 halbiert (BDA o. J.). Diese befinden sich seit 2004 unter 1 Mio. und bewegen sich seitdem zwischen 954.000 und 760.000 gemeldeten Fällen (Statista 2021).
Außerdem wird auf die Prävention und den Gesundheitsschutz hingewiesen, für den 2016 ca. fünf Mrd. € ausgegeben wurden, was 40 Prozent der gesamten Ausgaben von 11,7 Mrd. € ausmacht (BDA o. J.). Die betriebliche Gesundheitsförderung, wie Stressmanagement, gesundheitsgerechte Mitarbeiterführung oder Reduktion der körperlichen Belastung kommt dabei sowohl den Beschäftigten als auch den Arbeitgebern zugute. Zuletzt wird noch auf die Eigenverantwortung hingewiesen, die aus selbstverantwortlichen Entscheidungen und flexibleren Arbeitszeiten resultiert.
Prekäre Beschäftigungsverhältnisse
Menschen arbeiten auch in Deutschland teilweise in prekären Beschäftigungsverhältnissen und die “Bedeutung des sogenannten Normalarbeitsverhältnisses nimmt ab, während atypische Formen von Arbeit an Bedeutung zunehmen” (Jakob 2016). Dazu zählen befristete Arbeitsverträge, geringfügige Beschäftigung, Zeitarbeit, (Ketten-)Werkverträge und verschiedene Formen der (Schein-)Selbstständigkeit oder auch Praktika. Durch die Agenda 2010 wurde das Sicherungsniveau für von Arbeitslosigkeit Betroffene deutlich gesenkt (Arbeitslosengeld I in der Regel nur für ein Jahr, danach Arbeitslosengeld II). Menschen sehen sich eher gezwungen, “jede Arbeit zu fast jedem Preis und zu jeder Bedingung anzunehmen. Das hat dazu geführt, dass die Löhne im unteren Einkommensbereich stark gesunken sind” (Jakob 2016). 2015 wurde mit der Einführung des Mindestlohns dagegen gesteuert.
Das Thema betrifft auch das SDG 10 “Ungleichheit”, denn jeder Mensch hat das Recht auf faire und gute Arbeitsverhältnisse, dies ist vielen Menschen jedoch verwehrt. Prekäre Beschäftigung widerspricht dem Leitbild von ”Guter Arbeit“, verbaut Entwicklungsmöglichkeiten von Beschäftigten und verstärkt nachweislich den Trend zu psychischen Belastungen und Erkrankungen sowie deren Folgewirkungen (Jakob 2016) (siehe auch SDG “Gesundheit”) .
Kinderarbeit
Zur Definition und Umsetzung von menschenwürdigen Arbeitsbedingungen sind global große Unterschiede zu verzeichnen. Ein Beispiel hierfür ist die Kinderarbeit, die weltweit noch immer verbreitet ist. 79 Millionen Kinder arbeiten unter ausbeuterischen Bedingungen, vor allem in Fabriken, die wenig qualifiziertes Personal benötigen oder in der Landwirtschaft sowie im Bergbau (BMZ 2021 und 2022). Nach Angaben der ILO müssen weltweit rund 152 Millionen Kinder zwischen fünf und siebzehn Jahren arbeiten, vor allem in der Landwirtschaft, als Hausangestellte oder in Minen. Viele dieser Tätigkeiten sind gesundheitsgefährdend. Die ILO setzt sich schon lange für die Abschaffung von Kinderarbeit ein, sie ist Partnerorganisation in der „Allianz 8.7“, einer globalen Partnerschaft, die sich zum Ziel gesetzt hat, Zwangsarbeit, moderne Sklaverei, Menschenhandel und Kinderarbeit weltweit zu beseitigen, wie es in den Zielen für nachhaltige Entwicklung 2030 formuliert wurde. (ILO 2021) Unter Mitwirkung der deutschen Bundesregierung wird seit 1992 ein von der ILO betriebenes Internationales Programm zur Abschaffung der Kinderarbeit umgesetzt (International Programme on the Elimination of Child Labour, IPEC<, BMZ 2022)
Arbeitsschutz, Gesundheit und Gute Arbeit
Im Bereich “Gesundheit” und “Gute Arbeit” sind durch die Folgen des Klimawandels wesentliche neue Herausforderungen sowohl für die Arbeitskräfte als auch für die Gesellschaft festzustellen. Bei Bauarbeiten im Freien sind alle Arbeitenden durch Extremwetterereignisse wie hohe Temperaturen und lang anhaltende Hitzewellen, oder auch Starkregenereignisse, mit diesen neuen Herausforderungen direkt konfrontiert.
Gender Pay Gap
Unterschiedliche Entlohnung für vergleichbare Tätigkeiten und Qualifikation für Frauen und Männer lassen sich durch die statistischen Erhebungen des Statistischen Bundesamtes aufzeigen. In einer Pressemitteilung vom März 2022 wird betont, dass Frauen pro Stunde noch immer 18 Prozent weniger verdienen als Männer: „Frauen haben im Jahr 2021 in Deutschland pro Stunde durchschnittlich 18 Prozent weniger verdient als Männer. Damit blieb der Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern – der unbereinigte Gender Pay Gap– im Vergleich zum Vorjahr unverändert. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) anlässlich des Equal Pay Day am 7. März 2022 weiter mitteilt, erhielten Frauen mit durchschnittlich 19,12 Euro einen um 4,08 Euro geringeren Bruttostundenverdienst als Männer (23,20 Euro). Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 16.02.2023 müssen Frauen bei gleicher Arbeit auch gleich bezahlt werden, eine individuelle Aushandlung der Lohn- oder Gehaltshöhe ist damit nicht wirksam (Zeit Online 2023).
Deutsches Sorgfaltspflichtengesetz
Um ihrer Verantwortung zum Schutz der Menschenrechte gerecht zu werden, setzt die Bundesregierung die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen mit dem Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte von 2016 (Nationaler Aktionsplan, Bundesregierung 2017; 2021; 2022) in der Bundesrepublik Deutschland mit einem Gesetz um. Das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten ist besser unter dem Namen Lieferkettengesetz oder auch Sorgfaltspflichtengesetz bekannt (BMAS 2022, o. a. “Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz”). Dort ist die Erwartung an Unternehmen formuliert, mit Bezug auf ihre Größe, Branche und Position in der Lieferkette in angemessener Weise die menschenrechtlichen Risiken in ihren Liefer- und Wertschöpfungsketten zu ermitteln, ihnen zu begegnen, darüber zu berichten und Beschwerdeverfahren zu ermöglichen.
Das Lieferkettengesetz tritt 2023 in Kraft und gilt dann zunächst für Unternehmen mit mehr als 3.000, ab 2024 mit mehr als 1.000 Angestellten. Es verpflichtet die Unternehmen, in ihren Lieferketten menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in angemessener Weise zu beachten. Kleine und mittlere Unternehmen werden nicht direkt belastet. Allerdings können diese dann betroffen sein, wenn sie Teil der Lieferkette großer Unternehmen sind.
Unabhängig ob betroffen oder nicht: Es lohnt sich auch für kleinere Unternehmen, sich mit dem Gesetz adressierten Nachhaltigkeitsthemen auseinanderzusetzen, um das eigene Handeln entlang dieser Leitplanken zu überprüfen. Der Nachhaltigkeitsbezug ist unter anderem durch den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) gegeben, er gab einen wichtigen Impuls für das Gesetz. Der NAP wurde gemeinsam von Politik und Unternehmen verabschiedet, um zu einer sozial gerechteren Globalisierung beizutragen (Bundesregierung 2017). Ergebnisse einer 2020 im Rahmen des Nationalen Aktionsplans durchgeführten repräsentativen Untersuchungen zeigten jedoch, dass lediglich zwischen 13 und 17 Prozent der befragten Unternehmen die Anforderungen des Nationalen Aktionsplans erfüllen (VENRO 2021). Der gesetzgeberische Impuls war also erforderlich, um die Einhaltung der Menschenrechte zu fördern und damit auch zu einem fairen Wettbewerb zwischen konkurrierenden Unternehmen beizutragen.
Das Lieferkettengesetz rückt internationale Menschenrechtsabkommen und lieferkettentypische Risiken in den Blick: Dazu zählen bspw. das Verbot von Kinderarbeit, der Schutz vor Sklaverei und Zwangsarbeit, die Vorenthaltung eines gerechten Lohns, der Schutz vor widerrechtlichem Landentzug oder der Arbeitsschutz und damit zusammenhängende Gesundheitsgefahren. Es werden zudem internationale Umweltabkommen benannt. Sie adressieren die Problembereiche Quecksilber, persistente organische Schadstoffe und die grenzüberschreitende Verbringung gefährlicher Abfälle und ihre Entsorgung. Zu den jetzt gesetzlich geregelten Sorgfaltspflichten der Unternehmen gehören Aufgaben wie die Durchführung einer Risikoanalyse, die Verankerung von Präventionsmaßnahmen und das sofortige Ergreifen von Abhilfemaßnahmen bei festgestellten Rechtsverstößen. Die neuen Pflichten der Unternehmen sind nach den tatsächlichen Einflussmöglichkeiten abgestuft, je nachdem, ob es sich um den eigenen Geschäftsbereich, einen direkten Vertragspartner oder einen mittelbaren Zulieferer handelt. Bei Verstößen kann die zuständige Aufsichtsbehörde Bußgelder verhängen. Unternehmen können von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden.
Beschäftigungsstandard
Menschenwürdige Arbeit in Deutschland bedeutet vor allem Arbeit, die sich zumindest an internationalen Standards orientiert. Formuliert sind diese in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (UN-Charta, Artikel 23, zitiert nach DGB o. J.):
Jeder hat das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl, auf gerechte und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie auf Schutz vor Arbeitslosigkeit.
Jeder, ohne Unterschied, hat das Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit.
Jeder, der arbeitet, hat das Recht auf gerechte und befriedigende Entlohnung, die ihm und seiner Familie eine der menschlichen Würde entsprechende Existenz sichert, gegebenenfalls ergänzt durch andere soziale Schutzmaßnahmen.
Jeder hat das Recht, zum Schutze seiner Interessen Gewerkschaften zu bilden und solchen beizutreten.
Anlässlich der letzten Fleischskandale und vor dem Hintergrund der Corona-Ausbrüche in Schlachthöfen, wurden für diesen Teil der Lebensmittelindustrie verbesserte Regeln bezüglich
- Vertragsgestaltung
- Entlohnung
- Unterbringung und “faire Mobilität” für ausländische Vertragsarbeiter/innen
- Absicherung gegen Unfall- und Gesundheitsrisiken
- verbesserte Kontrollen der Standards von Arbeits- und Tierschutz
eingeleitet (BMAS 2020).
Die Sicherstellung dieser Maßnahmen ist jedoch nicht einfach, es bedurfte und bedarf einer Vielzahl von Gesetzesinitiativen (z. B. das Arbeitsschutzkontrollgesetz, Schulten & Specht 2021) sowie der Umsetzung auf Landes- und kommunaler Ebene (wo die Kontrollfunktion beim Ordnungsamt angesiedelt ist). Es muss jetzt zum einen sichergestellt werden, dass diese Maßnahmen auch ernsthaft und dauerhaft umgesetzt werden. Zum anderen gilt es entsprechende Standards auf die gesamte Ernährungswirtschaft auszudehnen, denn die Fleischwirtschaft bei problematischen Arbeitsbedingungen ist/war nur die Spitze des Eisbergs und stellt leider kein Alleinstellungsmerkmal dar.
Wesentlich schlimmer sind häufig Arbeitsbedingungen im Ausland. Ein Beispiel hiefür ist die Kinderarbeit, die weltweit noch immer verbreitet ist: 79 Millionen Kinder arbeiten weltweit unter ausbeuterischen Bedingungen: in Textilfabriken, Steinbrüchen oder auf Kaffeeplantagen – auch für unsere Produkte (BMZ 2021). Indien hält hier den Spitzenplatz laut ILA International Labor Organisation mit zehn Millionen Jungen und Mädchen (Welthungerhilfe 2020). Die Kinderarbeit ist häufig verbunden mit der Schuldknechtschaft: Wenn ein Kredit nicht zurückgezahlt wird oder er “abgearbeitet” werden muss, müssen die Kinder dafür herhalten.
Die Politik versucht inzwischen dagegen zu steuern z. B. mit dem Lieferkettensorgfaltsgesetz (siehe SDG 4) von 2021 (BMZ 2021): Ziel ist es, den Schutz der Menschenrechte in globalen Lieferketten zu verbessern. Es geht nicht darum, überall in der Welt deutsche Sozialstandards umzusetzen, sondern um die Einhaltung grundlegender Menschenrechtsstandards wie das Verbot von Kinderarbeit und Zwangsarbeit. Die Politik nimmt damit vor allem die Unternehmen in die Pflicht, ihre Lieferketten konform mit den Menschenrechten zu gestalten.
Ernährung ist wie viele anderen Produktionen inzwischen globalisiert. Deutschland importiert einen großen Teil seiner Lebensmittel aus dem Ausland. Die Nutzung kostengünstiger Produktionsbedingungen mit geringen oder keinen Umwelt- und Beschäftigungsstandards führt dazu, dass in vielen Ländern Löhne gezahlt werden, die kein auskömmliches Leben ermöglichen. Eine Möglichkeit dies zu vermeiden ist die Verwendung von Produkten aus Fairem Handel und die Beachtung von Siegeln (s. o.). Fairtrade ist für das SDG 8 zentral, welches ein eigenes Siegel hat. Das Siegel wird von Fair Trade Deutschland vergeben. Es sichert faire und stabile Preise, gute Arbeitsbedingungen und langfristige Handelsbeziehungen zu. Die Standards enthalten darüber hinaus Kriterien zu demokratischen Organisationsstrukturen, Umweltschutz und sicheren Arbeitsbedingungen (Ferber Personalberatung 2021).
Unternehmensführung
Nachhaltige Unternehmensführung stellt einen integrativen und holistischen Managementansatz dar, der auf die Berücksichtigung und das Management der Nachhaltigkeit im und durch das Unternehmen fokussiert ist. Dabei werden die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit berücksichtigt:
- Die Ökonomie (Sach- und Finanzkapital)
- die Ökologie (natürliche Ressourcen)
- das Soziale (Humankapital).
5 Grundsätze der Nachhaltigkeit in der Unternehmensführung existieren nach Günther und Ruter (2015):
- Ziel: langfristige Erhaltung des Unternehmens
- Umsetzung der Nachhaltigkeit im strategischen und operativen Geschäft
- Bildung eigener Indikatoren der nachhaltigen Unternehmensführung
- Erfolg der nachhaltigen Unternehmensführung durch Orientierung an Werten und Regeltreue
- Umsetzung der Basisprinzipien nachhaltiger Unternehmensführung: Solidarität, Transparenz und Risikomanagement (öko-Institut o. J.).
Wer seinen Betrieb nachhaltig aufstellen will, hat den Blick nach außen und nach innen zu richten. Der Blick nach außen bezieht sich auf die Gesellschaft und die Umwelt. Der Blick nach innen bezieht sich auf die ressourcen-orientierte Ökonomie und Ökologie, d. h. die Bereiche Beschaffung, Produktion, Absatz und Marketing so zu gestalten, dass die Umwelt geschützt und der Verbrauch von Ressourcen frei nach dem Prinzip so wenig wie möglich, so viel wie nötig, minimiert werden. Kosten für Umweltauswirkungen werden berechnet und in die Preisbildung mit einbezogen. Weiterhin gehören zu dem Blick nach innen die Mitarbeiter*innen.
Es gibt eine Reihe Gemeinwohl-orientierter Wirtschaftsansätze. Dazu zählt die Gemeinwohl-Ökonomie, entwickelt von Christian Felber (ebd. 2015). Dabei basiert das Unternehmen auf gemeinwohl-fördernden Werten wie Kooperation statt auf Konkurrenz und Gewinnmaximierung. Vertrauen, Verantwortung, Teilen und Solidarität sollen gefördert werden. Die Basis des Modells ist die Gemeinwohl-Bilanz, die den unternehmerischen Erfolg nicht nur aus dem monetären Gewinn ableitet (wie in konventionellen Bilanzen), sondern aus den positiven wie negativen Folgen eines Unternehmens für Gesellschaft, Umwelt und Volkswirtschaft. Es geht um das Messen der Punkte, “die wirklich zählen“. Im Vergleich zum jetzigen Wirtschaften seien das sozialer, ökologischer, demokratischer, solidarischer (ebd.).
Personalführung
Nachhaltige Führung baut auf den Erhalt der Arbeitsfähigkeit (Können) und der Motivation (Wollen) der Mitarbeiter*innen auf (gabler o. J., BMBF 2017). Es geht um die Nutzung der Ressourcen bei Erhalt der Arbeitsfähigkeit. Gerade Unternehmen der Lebensmittelindustrie sind darauf angewiesen, auf die stetig komplexeren Markt- und Technologieentwicklungen effektiv und zeitnah reagieren zu können. Begriffe wie „Burnout-Vorbeugung“ oder „Gesundheits-Vorsorge“ sind zwar in vielen Betrieben bekannt und münden in vereinzelten Maßnahmen. Langfristig angelegte und ganzheitliche Konzepte sind allerdings noch nicht weit verbreitet. Häufig wird erst durch Maßnahmen reagiert, wenn konkrete Probleme festgestellt werden. Diese können beispielsweise ein erhöhtes Auftreten von Krankenständen, Suchterkrankungen, Fluktuationen und Burn-Outs sein (BAUA 2010, S.11).
Durch die zunehmende Globalisierung, Digitalisierung und Technologisierung kommt noch eine weitere wichtige Herausforderung hinzu, der sich Unternehmen im Hinblick auf die Gesundheit, Motivation und Bindung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen müssen: Die Suche nach dem Sinn der beruflichen Tätigkeit. Das Gefühl der Sinnhaftigkeit bezieht sich in diesem Zusammenhang auf eine emotionale Komponente, die beschreibt, wie erfüllend und bedeutsam eine Person die eigenen Tätigkeiten und den eigenen Wirkungsbereich einschätzt. Eine Arbeit, die dieses Verlangen nach Sinnhaftigkeit erfüllen kann, steht in engem Bezug zur Gesellschaft, in der die Individuen sich erfinderisch, smart und fantasievoll einbringen können (Schnell 2019, S. 9 f.).
Mit Blick auf diese personalpolitischen und gesellschaftlichen Entwicklungen gewinnen die Konzepte von „New Economy“, „NewWork“ und „New Culture“ an Bedeutung:
Konzept | New Economy | New Work | New Culture |
Outcome | Dezentrale, gemeinschaftliche, hochmoderne Produktion von Gütern | Sinnstiftendes Leben und Arbeiten | Neue Produkte und Verdienstmöglichkeiten |
Frage | Was stärkt uns? | Was wollen wir wirklich? | Was hilft uns dabei und wie viel ist es uns wert? |
Beispiel | Green/Sustainable Food in kleinen regionalen Produktionsstätten | Produktion umweltfreundlicher und ethisch unbedenklicher Lebensmittel | Bewusste Ernährungsformen (vegetarisch, vegan, basisch, Low-Carb etc.) |
Tabelle: Dreiklang von New Economy, New Work, New Culture am Beispiel der Lebensmittelproduktion (in Anlehnung an Bergmann 2017, S.24)
Gerade jüngere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Auszubildende haben den Ansatz der „New Culture“ in ihr Leben integriert und emanzipieren sich zunehmend von den traditionellen Arbeitsstrukturen, indem sie aktiv zusätzlich zu einer angemessenen Bezahlung und verringerten Arbeitsstunden vor allem vielversprechende Perspektiven und Anerkennung für sich und Ihre Arbeit einfordern. Sie sehnen sich danach mehr Zeit in der Gemeinschaft und einer sinnhaften Tätigkeit, die dem Konzept der „New Work“ entspricht. Über 23 Millionen Menschen engagieren sich z. B. ehrenamtlich in gemeinnützigen Organisationen und Verbänden, was auch auf ein limitiertes Entfaltungspotenzial und Mangel an Motivation und Perspektivlosigkeit im eigenen Beruf hindeutet (AGP 2011).
Unternehmen können durch die Bündelung verschiedener Maßnahmen mit Hilfe nachhaltiger Personalmanagementkonzepte auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingehen. Die Basis hierfür bilden gesundheitsfördernde Maßnahmen, wie betriebliches Stress- und Gesundheitsmanagement (physisch und psychisch), die sich an den jeweiligen Lebenszyklen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und deren Ausgleich Bedürfnissen („Work-Life-Balance“) orientieren. Zusätzlich dazu ist es wichtig, über gezielte Führung und eine offene Unternehmenskultur, ein lernendes, vielfältiges Arbeitsumfeld und Chancengleichheit zu schaffen, welche Innovationen, Eigeninitiativen, Vertrauen und Anerkennung sowie neue Arten der Zusammenarbeit zwischen allen Hierarchien fördern (AGP 2011). Mit dem Konzept „New Work“ können unterschiedliche Maßnahmen, sowohl in kleineren als auch mittleren und großen Industrieunternehmen integriert werden. Diese basieren auf der Bedeutung und dem Ermöglichen von:
- Mehr Transparenz und Offenheit durch Vertrauen;
- Gelingender Kommunikation untereinander;
- Verantwortungsvoller Autonomie des Einzelnen;
- Bewusst gewählten (Arbeits-)Fokus;
- Lernen und Wissen zur Weiterentwicklung;
- Authentischer und ehrlicher Interaktion miteinander;
- Mehrwert stiftenden Innovationen und Verbesserungen und
- Unterstützende Strukturen und Prozesse für sinnhaftes Arbeiten (Schnell 2019, S. 17).
Diese gesundheitsfördernden Angebote und „New Work“-Maßnahmen können nur durch eine Akzeptanz und ständige Weiterentwicklung durch die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens erfolgreich angewandt werden. Hierbei kann die Förderung von Achtsamkeit „als bewusste, nicht-reaktive Lenkung der eigenen Aufmerksamkeit auf das, was gerade ist“ (Amberg 2016, S.53) helfen, um konstruktiv mit Unerwartetem und dem ständigen Wandel umzugehen. Achtsamkeit schult Veränderungs- und Beziehungskompetenzen, die Reflexion der eigenen Person und trägt damit wesentlich zur Potenzialentfaltung von Führungskräften und deren Teams und damit zum nachhaltigen Erfolg des Unternehmens bei (ebd.). In Unternehmen werden Achtsamkeitsübungen häufig zum Beispiel in Form von Yoga, Meditationen, Bewegungs- und Lockerungsübungen oder bewussten (Bildschirm-) Pausen durchgeführt.
Quellenverzeichnis
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Amberg, M. (2016): Führungskompetenz Achtsamkeit. Wiesbaden.
BAUA Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (2010): Psychische Belastung und Beanspruchung im Berufsleben: Erkennen – Gestalten. 5. Auflage, Juli 2010.
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Bergmann, F. (2017): Neue Arbeit, Neue Kultur. Freiburg im Breisgau
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BMAS Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2020) Eckpunkte „Arbeitsschutzprogramm für die Fleischwirtschaft“. Online: www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Pressemitteilungen/2020/eckpunkte-arbeitsschutzprogramm-fleischwirtschaft.pdf
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: https://www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
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SDG 9 Industrie, Innovation und Infrastruktur
“Eine widerstandsfähige Infrastruktur aufbauen, inklusive und nachhaltige Industrialisierung fördern und Innovationen unterstützen”
SDG 9 zielt im Kern darauf ab, für alle Menschen einen gleichberechtigten Zugang zu einer hochwertigen und verlässlichen Infrastruktur zu gewährleisten. Die Lebensmittelindustrie ist einer der wichtigsten deutschen Industriezweige, in dem im Jahr 2021 über 630.000 Menschen beschäftigt waren, davon über 28.000 Auszubildende (BVE 2022). Laut der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie sichert die Branche „Stabilität, Wohlstand und Beschäftigung in allen Regionen Deutschlands. Eng mit ihrem Produktionsstandort verbunden und fest in die globale Lebensmittelkette integriert, ist die Ernährungsindustrie ein wichtiger Wirtschaftsfaktor im ländlichen Raum und international wettbewerbsfähig” (ebd.). Um bestehende und neue Arbeitsplätze in der Lebensmittelindustrie zukunftsfähig zu gestalten, sind für die Fachkräfte für Lebensmitteltechnik vor allem folgende zwei SDGs von hoher Relevanz:
SDG 9.1 “Eine hochwertige, verlässliche, nachhaltige und widerstandsfähige Infrastruktur aufbauen, einschließlich regionaler und grenzüberschreitender Infrastruktur, um die wirtschaftliche Entwicklung und das menschliche Wohlergehen zu unterstützen, und dabei den Schwerpunkt auf einen erschwinglichen und gleichberechtigten Zugang für alle legen”
SDG 9.4 “Bis 2030 die Infrastruktur modernisieren und die Industrien nachrüsten, um sie nachhaltig zu machen, mit effizienteren Ressourceneinsatz und unter vermehrter Nutzung sauberer und umweltverträglicher Technologien und Industrieprozesse, wobei alle Länder Maßnahmen entsprechend ihren jeweiligen Kapazitäten ergreifen”
Globale Verantwortung der Lebensmittelindustrie
Mit einer Exportquote von 33,2 Prozent ist Deutschland der drittgrößte Lebensmittelexporteur der Welt. Vor allem Fleischerzeugnisse, Süßwaren, Milchprodukte und Fertiggerichte werden exportiert. Dabei gehen ca. 70 Prozent in die EU. Drittlandexporte werden hauptsächlich in das Vereinigte Königreich, nach China, in die Schweiz und die USA getätigt (BMWK 2023). Diese Exporte können nur durch ein komplexes Logistiknetzwerk ausgeführt werden, das sehr geringe Gewinnspannen aufzeigt. So legen Lebensmittel im Durchschnitt eine Transportstrecke von 2500 Kilometer zurück, bevor sich bei den Verbraucher*innen ankommen (Wenzel 2021). Neben den Emissionen, die durch den Transport entstehen (siehe SDG 12: “Nachhaltige/r Konsum und Produktion”), ist im Rahmen der komplexen Wertschöpfungskette in der Lebensmittelindustrie auch die Marktkonzentration und die daraus entstehenden Folgen für die globale Nahrungsmittelversorgung zu beachten (ebd.).
Heute bestimmen “einige wenige globale Konzerne die großen Trends in der Landwirtschaft und beim Nahrungskonsum” (Wilkinson 2017: 11). Mittlerweile hat sich der Fokus der globalen Konzerne auf Entwicklungsländer und Asien verschoben. Allerdings bleibt der Markt in dynamischer Bewegung, da durch neue technische Innovationen, beispielsweise durch Big Data oder Biotechnologien Unternehmen aus anderen Wirtschaftszweigen auf den Markt drängen. Vor allem die großen globalen Lebensmittelkonzerne sind häufig mit der Kritik konfrontiert, dass sie zu wenig gesellschaftliche Verantwortung übernehmen (ebd.). Zahlreiche Skandale (siehe auch SDG 3: “Gesundheit und Wohlergehen) zeugen von einer geringen unternehmerischen Verantwortung der Lebensmittelindustrie, die oft globale Auswirkungen hat. Immer wieder werden zum Beispiel Missstände, wie Ausbeutung und Kinderarbeit innerhalb der Wertschöpfungsketten global agierender Lebensmittelkonzerne bekannt (Klawitter & Höflinger 2022; Hirschi 2020; Amann et al. 2017).
Mit der Verabschiedung des Lieferkettengesetzes (siehe SDG 8 „Menschenwürdige Arbeit“) wurde bereits ein wichtiger Schritt unternommen, damit Unternehmen in ihren Lieferketten menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in angemessener Weise beachten. Allerdings braucht es ein weiteres Engagement von unternehmerischer Seite, damit die globalen Wertschöpfungsketten ihre Produkte auch tatsächlich nachhaltig ausgerichtet werden können. Beispiele sind hier Initiativen zwischen Zivilgesellschaft, NGOs, politischen Akteuren und der Wirtschaft wie das „Forum Nachhaltiger Kakao“ (ebd.) oder das “Forum Nachhaltiges Palmöl” (FONAP, ebd.).
Nachhaltige Innovationen der Lebensmittelindustrie
Das Umweltbundesamt hält in seinem Monitoringbericht 2019 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel fest, dass “für den Sektor Industrie und Gewerbe der Klimawandel einerseits neue Chancen eröffnen [kann], andererseits aber auch bisher nicht gekannte oder veränderte Risiken [birgt]. Die Betroffenheit und der Bedarf, sich an die sich ändernden klimatischen Verhältnisse anzupassen, sind dabei so heterogen, wie es auch die Unternehmen sind. Je nach Größe, den angebotenen Produkten und Dienstleistungen, Standorten und dem Grad der Einbindung in regionale, nationale oder auch internationale Produktions- bzw. Lieferketten ergeben sich ganz unterschiedliche Herausforderungen” (UBA 2019).
Vor dem Hintergrund einer nachhaltigen Entwicklung und dem SDG 9 sind vor allem die Herausforderungen in den Blick zu nehmen, die durch den Klimawandel für die Lebensmittelindustrie entstehen (siehe u. a. SDG 13: “Maßnahmen zum Klimaschutz”). Technische Innovationen haben hier eine besondere Relevanz. Einerseits sind diese in der Lebensmittelindustrie historisch gesehen nicht immer zum Wohl von Mensch, Tier und Natur ausgefallen. Als Beispiele können unter anderem gentechnische Manipulationen von Nutzpflanzen und Tieren, der Antibiotikaeinsatz zur Produktivitätssteigerung oder künstliche Aromen und gesundheitsschädliche Zusatzstoffe (siehe SDG 3: “Gesundheit und Wohlergehen) herangezogen werden. Andererseits werden technische Innovationen dringend benötigt, um die Produktionsprozesse in der Lebensmittelindustrie nachhaltig auszurichten. Für Auszubildende des Berufs Fachkraft für Lebensmitteltechnik stellen bereits entwickelte Innovationen, Konzepte sowie Good-Practice Beispiele hier gute erste Anknüpfungspunkte dar, um einen Eindruck zu bekommen, wie sich ihre beruflichen Handlungen in Zukunft verändern werden. Im Folgenden werden mehrere wichtige nachhaltige Innovationen der Lebensmittelindustrie erläutert:
Anpassung der Produktionsprozesse (Lebensmittelindustrie 4.0)
Damit Unternehmen ihre Produktionsprozesse nachhaltig ausrichten und gleichzeitig wettbewerbsfähig bleiben, sind sie auf digitale Innovationen angewiesen. In diesem Zusammenhang spricht man auch von einer Industrie 4.0, die darauf abzielt, „die deutsche Industrie in die Lage zu versetzen, für die Zukunft der Produktion gerüstet zu sein. Sie ist gekennzeichnet durch eine starke Individualisierung der Produkte unter den Bedingungen einer hoch flexibilisierten (Großserien-) Produktion. Kunden und Geschäftspartner sind direkt in Geschäfts- und Wertschöpfungsprozesse eingebunden. Die Produktion wird mit hochwertigen Dienstleistungen verbunden. Mit intelligenteren Monitoring- und Entscheidungsprozessen sollen Unternehmen und ganze Wertschöpfungsnetzwerke in nahezu Echtzeit gesteuert und optimiert werden können” (BMBF 2016). Beispiele für digitale Innovationen in der Lebensmittelproduktion können sein (PwC 2015):
Echtzeit Fertigungskontrolle und vertikale Integration,
Big Data Analytics im Anlagenmanagement,
digitale Fabrik (Smart-Food-Factory) und Multi-Site-Integration.
Hinsichtlich einer nachhaltigkeitsorientierten Ausrichtung der Produktionsprozesse bietet die Digitalisierung zum Beispiel Vorteile, um die Wertschöpfungskette transparenter zu gestalten und dementsprechend der globalen unternehmerischen Verantwortung gerecht zu werden. Durch neue Soft- und Hardwarekomponenten (zum Beispiel RFID-Systeme) können eine manipulationssichere Datenspeicherung durch Klassifizierer sowie eine lückenlose Rückverfolgung und Nachweisbarkeit in der Lebensmittelproduktion gewährleistet werden (Thomas et al. 2015).
Auch wenn der Begriff “Industrie 4.0” bei einer Recherche im Internet zu rund 40 Millionen Treffer führt (Google Suche am 3.2.2023), so ist er in der Nahrungsmittelindustrie bisher wenig verbreitet. Eine Google-Suche von “Nahrungsmittel + Industrie4.0” oder “Lebensmittel + Industrie4.0” führt nur zu wenigen Treffern. Dies bestätigt eine Studie von 2017 mit Unternehmen der Nahrungsmittelindustrie (Göcking et al. 2017). Gemäß den Interviews wird der Begriff in den Unternehmen kaum verwendet. Allerdings wird die Digitalisierung der Produktion und der Prozesse intensiv ausgebaut. w+w consulting nannte folgende Beispiele (ebd. o. J.):
3D-Druck von Lebensmitteln: Die Drucktechnologie soll die Möglichkeit bieten, individuelle Kompositionen zu erstellen. Katjes stellt z. B. mittels 3D-Druck personalisierte Fruchtgummis her (Blumhofer 2015). Die 3D-Drucktechnologie ist aber eine langsame Technologie, wenn man sie mit der Extrusion vergleicht (DLG 2022). Genau wie Extruder Zutaten mischen, wässern, texturieren sowie Garprozesse durchführen können, soll dies auch der 3D-Druck ermöglichen. Hierzu muss sich aber die Lasertechnologie weiterentwickeln, insbesondere blaue Laser zum Garen und rote Laser zum Bräunen.
Künstliche Intelligenz: Das Startup Creator will mit Künstlicher Intelligenz einerseits die Prozesse optimieren (z. B. Sortieren von Kartoffeln, um zu entscheiden, welche sich am besten für Chips oder Pommes eignen). Andererseits haben sie sich auch vorgenommen, neue Produkte und neue Geschmacksrichtungen mit KI zu entwickeln. Auch wenn es bisher kaum Beispiele gibt, wird KI vor allem durch Bild- und Mustererkennung für die Lebensmittelindustrie verwendet.
Smarte Verpackungen: Bisherige Strichcodes können nur eine beschränkte Anzahl von Informationen enthalten. QR-Codes (oder 2D Barcodes) nutzen die X- und die Y-Achse. Hier können mehr Informationen hinterlegt werden, aber auch hier gibt es Grenzen der Informationsmengen. RFID-Chips hingegen können viele Informationen über ein so komplexes Produkt wie z. B. Lebensmittel der Convenience-Stufen drei aufwärts speichern. Ein 8 kByte-Speicher kann z. B. vier Schreibmaschinenseiten Informationen enthalten (1.800 Zeichen, smart-TEC o. J.). Sie enthalten einen Mikrochip und eine Antenne, die in einer Kunststoffhülle verpackt sind. Sie werden induktiv durch das anfragende Gerät mit Energie versorgt. Sie werden z. B. für die Tieridentifikation eingesetzt (ebd.). Die beiden großen Nachteile sind die Kosten und das im Gerät enthaltene Kupfer. Infineon gibt die Kosten mit 50 Cent pro Stück bei einem Volumen von 1 Mio. Stück an (infineon. Aber auch das Ziel von Infineon, die Kosten auf 20 Cent zu bringen, ist für Waren wie einen Joghurtbecher mit geringen Verkaufswerten noch viel zu hoch. Ein kleiner RFID-Chip enthält ca. 100 mg Kupfer (UBA 2009). In Europa gibt es rund 76 Mio. Rinder (statista 2022) und 130 Mio. Schweine (Schweine.net 2021). Allein hierfür werden rund 20 t Kupfer benötigt. Würde man das Fleisch der zerlegten Tiere gleichfalls mit RFID-Chips ausstatten (Schlachtgewicht Rind ca. 300 kg, Schlachtgewicht Schwein ca. 60 kg) würde man 30 Mrd. Fleischportionen a 1 kg erhalten (eigene Berechnungen). Stattet man jedes “Fleischpaket” mit einem RFID-Chip aus, so würde man 3.000 t Kupfer benötigen.
Um dieses Problem umweltfreundlicher zu lösen, hat sich ein Forschungsteam dem “Smart Paper” gewidmet. Hierbei wurden Etiketten auf Papier hergestellt, bei denen mit hochfluorierten Molekülen eine organische Schaltung ohne Batterie erzeugt wird (w+w Consulting 2020). Durch die Drucktechnologie und die Verwendung von Papier können so wichtige Ressourcen eingespart werden, auch wenn die Etiketten für Massen-Einwegprodukte genutzt werden.
Einsatz innovativer Roh-, Zusatz,- und Hilfsstoffe
Fachkräfte für Lebensmitteltechnik müssen unter anderem Roh-, Zusatz-, Hilfsstoffe und Halbfabrikate nach Rezepturen für die Fertigung vorbereiten (BGBL 2000). Ein Kernbereich ihrer beruflichen Tätigkeit besteht in der Herstellung unterschiedlicher Lebensmittel. So stellen sie beispielsweise eiweißreiche Lebensmittel her und “sind sich der Bedeutung eines verantwortungsvollen Umgangs mit Rohstoffen und Produktionsabfällen zur Schonung von Rohstoffquellen und Ressourcen der Umwelt bewusst” (KMK 1999).
Die benötigten Rohproteinmengen für die Lebensmittelindustrie können derzeit in der EU sowohl hinsichtlich quantitativer als auch qualitativer Aspekte nicht bereitgestellt werden. Deshalb wird in erheblichem Umfang auf Sojaimporte zurückgegriffen, die keineswegs nachhaltige Aspekte erfüllen (Diekmann et al. 2020: 8, siehe auch SDG 13: “Maßnahmen zum Klimaschutz”). Unter anderem daraus resultierend hat das wirtschaftliche und wissenschaftliche Interesse an alternativen Proteinquellen in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Ein Beispiel sind hier Algen- und Insektenproteine, die aus der nachhaltigen Perspektive den Vorteil haben, dass sie hohe Reproduktionsraten und Biomasseerträge bei einem geringen Ressourcenverbrauch aufweisen (ebd: 9).
Vor allem Insekten stellen hier mit ihren Merkmalen eine geeignete Protein Alternative für die industrielle Massenproduktion dar. Sie weisen unter anderem:
- ein schnelles Populationswachstum,
- einen kurzen Entwicklungszyklus,
- eine hohe Überlebensrate der geschlüpften Insekten und die hohe Eiablage-Rate,
- eine hohe Gewichtszunahme pro Tag,
- eine hohe Umwandlungsrate von Futtermittel in Körpergewicht,
- die Fähigkeit, auf sehr eng begrenztem Raum zu leben, und
- eine geringe Anfälligkeit für Krankheiten auf (UBA 2020 nach Huis et al. 2013: 104).
In Deutschland können sich laut einer Umfrage des BMEL von 2019 rund 31 Prozent der Befragten den Verzehr von Lebensmitteln mit Insekteninhalt vorstellen (BMEL 2020). Vertiefende Informationen zum Einsatz von Insekten in der Nahrungsmittelproduktion gibt es von der Welternährungsorganisation (FAO o. J.) und in einer Studie des Umweltbundesamtes von 2020. zum Thema “Fleisch der Zukunft” (UBA 2020). Insekten wie der gelbe Mehlwurm, Heuschrecken und seit 2023 auch die Hausgrille und Larven des Getreideschimmelkäfers sind bereits von der EU-Lebensmittelbehörde zugelassen worden (Tagesschau 2023).
Eine weitere alternative Proteinquelle, die sich derzeit noch in der Entwicklungsphase befindet, sind künstlich hergestellte Fleisch- oder Fischerzeugnisse auf der Basis von Zellkulturen. Es wird hier von In-vitro-Fleisch (oder auch “Cleanmeat” oder “kultiviertem Fleisch” gesprochen (ebd.). Es gibt aktuell aber noch keine verlässlichen Daten, die auf positive Umwelt- oder Gesundheitsauswirkungen von In-vitro-Fleisch hinweisen (UBA 2020). Ebenfalls wird derzeit in einem Verbundprojekt, welches vom BMBF gefördert wird, Raps als weitere alternative Proteinquelle untersucht (BMBF 2020).
Vegane Produkte
Vegane Produkte liegen im Trend: die Nachfrage nach veganen Produkten steigt. So ist der Umsatz von veganen Produkten in Deutschland nach Zahlen des Vereins proveg um 97 Prozent (817 Millionen Euro) in den Jahren 2018 bis 2020 gestiegen (proveg o. J.). Nach dem Ernährungsreport 2021 ernähren sich in Deutschland 2 Prozent der Bevölkerung ausschließlich vegan (BMEL 2021). Dieser Markt ist in den letzten Jahren in einem unglaublichen Maße gewachsen und auch konservative Kreise haben ihre Meinung geändert. “Wurst ohne Fleisch – das ist einfach nichts für mich …. Ich glaube nicht an diesen Markt, der Hype ist endgültig vorbei.“ hat Clemens Tönnies vor einigen Jahren kundgetan und ist aus dem Markt ausgestiegen (Handelsblatt/Terpitz 2022). Vor dem Hintergrund einer sich verändernden Einstellung der Gesellschaft zu unserem Fleischkonsum hat der größte deutsche Fleischproduzent seine Strategie geändert und will bis 2025 einen Veggie-Umsatz von 160 Millionen erreichen (Umsatz gesamt der Holding 2020: 6,7 Mrd. Euro). Der Gesamtumsatz für pflanzliche Fleischersatzprodukte lag in 2021 bei 611 Mio. Euro, ein Wachstum 32 Prozent in einem Jahr (ebd.). Dennoch ist es bisher ein Nischenprodukt, da der Gesamtumsatz der Fleischindustrie bei rund 40 Mrd. Euro in 2021 lag (1,5% Anteil am Markt, ebd.). Es ist jedoch abzusehen, dass pflanzliche Fleischprodukte sich aus der Nische heraus zum Mainstream entwickeln werden. Rügenwalder Mühle will beispielsweise bis 2022 ein Einkaufsvolumen von 80 Prozent bei den Pflanzenproteinen erreichen (Rügenwalder Mühle 2020). In 2022 hat das Unternehmen erstmals mehr vegetarische und vegane Produkte als fleischhaltige Produkte verkauft (Wirtschaftswoche / Goebel 2022, Gesamtumsatz 2021: 263 Mio. Euro).
Ökodesign in der Lebensmittelindustrie
Warum ist Ökodesign wichtig zur Abfallvermeidung?
Ökodesign ist ein umfassender Gestaltungsansatz für Produkte, um durch verbessertes Produktdesign Umweltbelastungen über den gesamten Lebensweg zu mindern. Ziel ist es, bereits beim Design von Produkten die Abfallvermeidung zu berücksichtigen. In der Produktplanungs- und -designphase können Produzenten Einfluss auf jede Phase der Wertschöpfung und des stofflichen Lebenswegs nehmen und ökologische Innovationen voranbringen.
In diesem Zusammenhang spielen Kriterien wie die Minimierung des Gehalts an gefährlichen Stoffen in Materialien und Produkten, Reparierbarkeit, Austauschbarkeit von Komponenten, Rezyklateinsatz, Wiederverwendungsmöglichkeit von Produkten und deren Lebensdauer eine wichtige Rolle.
Ökodesign hat zum Ziel, umweltgerechte Lösungen zu finden, um die Umweltwirkungen eines Produkts zu mindern. Neben den Anforderungen an die Produktentwicklung wie Funktionalität, Sicherheit, Ergonomie und Preis-Leistungs-Verhältnis rückt auch die Umweltfreundlichkeit zunehmend in den Fokus.
Fallbeispiele – wie Elektrogeräte und ihre Komponenten – zeigen, dass durch ein lebensverlängerndes Design erhebliche Mengen an Abfällen reduziert werden können und damit zum Beispiel weniger Treibhausgase emittiert werden. Die zu erwartenden Effekte hinsichtlich der reduzierten Abfallmengen und der damit verbundenen Umweltwirkungen hängen von den jeweiligen Regelungen und Produktgruppen ab (UBA 2015 & 2016).
Beispielhafte Instrumente, Projekte und Initiativen:
Die Erstellung von Ökobilanzen ist ein wichtiges Werkzeug zur Umsetzung des Öko Designs und soll gemäß der ISO 14040 zur „Erfassung und Bewertung von Inputs, Outputs und potenziellen Umweltauswirkungen eines Produktsystems während seines gesamten Lebenszyklus“ dienen. Damit in der Lebensmittelproduktion ein flächendeckender Standard der Ökobilanzierung entwickelt werden kann, bedarf es einer verstärkten vertikalen Kooperation in der Wertschöpfungskette. So braucht es Daten aus allen Bereichen der Wertschöpfungskette, wie Landwirtschaft, Verarbeitung, Logistik, Handel und Konsum, die zusammengeführt werden müssen (BVE 2017). Im Bereich der Produktion kann hierbei beispielsweise auf Big Data Analytics im Anlagenmanagement (siehe oben) zurückgegriffen werden.
Der Bundespreis Ecodesign zeichnet jährlich besonders innovative und nachhaltige Produkte, Dienstleistungen und Konzepte aus. Die prämierten Produkte, Dienstleistungen und Konzepte sollen sowohl eine herausragende ökologische Qualität und einen innovativen Ansatz als auch eine hohe Designqualität aufweisen.
2012 wurde der Bundespreis Ecodesign von BMU und UBA erstmals verliehen, um das Thema des nachhaltigen Designs verstärkt in den öffentlichen Fokus zu rücken und Innovationen auf diesem Gebiet zu fördern. Der Wettbewerb richtet sich neben Unternehmen auch an Designerinnen und Designer sowie an Studierende.
Das Ecodesign Kit ist ein Lern- und Informationsportal, das Studierende und Lehrende durch Bewertungsmethoden und Werkzeuge dabei unterstützt, Produkte umweltverträglicher zu gestalten. Der strukturierte Materialpool gliedert sich in Grundlagen, Methoden und Praxis auf und geht auf Detailfragen ein, die sich aus den allgemeinen Ansätzen für die Designpraxis ergeben. Es wird beispielsweise auf Umwelt-Wirkungsbereiche, Material- und Prozessfragen, aber auch Ökodesign-Prinzipien und Analyse und Bewertungsmethoden eingegangen.
Was geschieht in Deutschland zur Stärkung des Öko-Designs?
Im Rahmen von Durchführungsmaßnahmen der Ökodesign-Richtlinie (EG 2009/125) werden Aspekte der Ressourcenschonung und der Abfallvermeidung miteinbezogen. Derzeit werden auf europäischer Ebene wissenschaftliche Vorarbeiten zur konkreten Ausgestaltung von Materialeffizienz Aspekten in produktspezifischen Durchführungsmaßnahmen unter der Ökodesign-Richtlinie (EG 2009/125) durchgeführt.
Hierbei wird auch der Aspekt der Messbarkeit und Durchsetzbarkeit dieser Kriterien geprüft. Die Bundesregierung begleitet diese Forschungsarbeiten. Voraussetzung derartiger Anforderungen sind die Mess- und Überwachbarkeit sowie die jeweilige Relevanz für den Umwelt- und Verbraucherschutz. Die Bundesregierung wirkt an diesem Prozess konstruktiv mit. Bestehende Ökodesign-Vorgaben sollten auf weitere Geräte ausgeweitet werden.
Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, auf europäischer Ebene zu prüfen, für welche weiteren Produkte gegebenenfalls abfallvermeidende Kriterien in den Durchführungsmaßnahmen zur Ökodesign-Richtlinie (EG 2009/125) statuiert werden können.
WER kann WAS tun?
Bund:
Die Bundesregierung setzt sich weiterhin auf europäischer Ebene für sowohl quantitativ als auch qualitativ abfallvermeidende und ressourcenschonende Produktgestaltung beziehungsweise Revision bestehender Produktnormen ein. Produktnormen haben zwar keine rechtliche Verbindlichkeit, können jedoch durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften oder Verträge, in denen ihre Einhaltung vereinbart wurde, verbindlich werden.
Verbraucherinnen und Verbraucher:
Es sollte immer erst geprüft werden, ob Produkte repariert werden können, bevor ein neues Produkt angeschafft wird.
Beim Neukauf sollte auf Produkte mit dem Blauen Engel geachtet werden.
Altprodukte sollten nicht einfach entsorgt werden. Es empfiehlt sich, vorher zu prüfen, ob Unternehmen ihre Altprodukte zurücknehmen.
Bei der Kaufentscheidung sollte auf die Langlebigkeit von Produkten geachtet werden. Außerdem kann geprüft werden, ob auch ein Secondhand- oder wiederaufbereitetes Gerät für den jeweiligen Gebrauch infrage kommt.
Wirtschaftsakteure:
Hersteller sollten sowohl robuste, langlebige und schadstofffreie Materialien verwenden sowie Produkte modular und standardisiert aufbauen, sodass sie im nächsten Schritt zur Reinigung oder Reparatur einfach demontiert werden können.
Unternehmen können sich am Bundespreis Ecodesign als Plattform für innovative Lösungen beteiligen.
Es sollte geprüft werden, ob eine Auszeichnung eigener Produkte mit dem Blauen Engel möglich ist.
Ökobilanzen und Öko Design
Ökodesign will Produkte nachhaltiger und vor allem umweltfreundlicher machen. Hierzu werden meistens Ökobilanzen als Grundlage genutzt, um zu identifizieren, woher die Umweltbelastungen eines Produktes kommen oder um verschiedene Produkte miteinander zu vergleichen. Die Methodik der Ökobilanz ist international nach ISO-Standard 14040:2006 und 14044:2006 genormt (Umweltbundesamt 2018). Das Hauptproblem bei der Erstellung von Ökobilanzen besteht meist in der Erfassung aller Daten in der notwendigen Tiefe. Wenn es hauptsächlich um die Bewertung nach Gesichtspunkten des Klimaschutzes geht, wird daher die Ermittlung der erzeugten Treibhausgas-Äquivalente als einfachere Analyseform gewählt. Hierbei gehen natürlich Aussagen über viele andere Umwelt- und Ressourcenprobleme verloren. Nachfolgend wird die Ökobilanz am Beispiel von Verpackungen erläutert (Detzel und Derreza Greeven 2012).
Das UBA hat untersuchen lassen, ob Verpackungen besser aus Bio-Polyethylen bestehen sollten anstelle der üblichen Polyethylen-Folien (Detzel et.al. 2012). Polyethylen wird aus Erdöl durch Steam-Crack-Prozesse hergestellt. Weltweit wurden 2019 rund 110 Mio. t hergestellt (FNR 2020). Bio-Polyethylen kann durch Dehydrierung aus Ethanol hergestellt werden. Ethanol kann wiederum leicht aus Zuckerrohr oder anderen stärkehaltigen Pflanzen hergestellt werden (ebd). In Brasilien wird dies industriell mit einer jährlichen Produktion von 200.000 t durchgeführt.
Um zu entscheiden, ob Bio-PE besser für die Umwelt ist oder nicht, wurde vom IFEU-Institut eine Ökobilanz durchgeführt (Detzel et.al. 2012). Hierzu wurden die Auswirkungen gemäß obiger Normen auf 10 verschiedene Faktoren untersucht: Klimawandel, Fossiler Ressourcenverbrauch, Sommersmog, Versauerungspotential, Terrestrische und Aquatische Eutrophierung, Humantoxizität, Flächenbedarf – insbesondere für Ackerland – Primärenergiebedarf sowie Wasserverbrauch.
Klimawandel: Die THG-Emissionen der Herstellung von Bio-PE und PE aus fossilen Ressourcen unterscheiden sich vor allem in der Kategorie “Primärmaterialien”, aber nicht allzu sehr in der Summe. Deutliche Unterschiede ergeben sich aber zum einen bei der CO2-Fixierung. Zuckerrohr entzieht der Luft Kohlendioxid, um zu wachsen. Mit Bio-PE könnte deshalb auch Klimaschutz betrieben werden, wenn die PE-Folien vor allem nach der Nutzung nicht verbrannt, sondern im Kreislauf geführt werden . Um eine Tonne Bio-PE herzustellen, entzieht das Zuckerrohr der Atmosphäre etwa 3,1 t Kohlendioxid (FNR 2020:27). Allerdings werden Lebensmittelfolien zumeist thermisch verwertet, weshalb sich beim Indikator Klimawandel hohe THG-Beiträge aus den fossilen PE-Folien ergeben. Obwohl dies auch für Bio-PE-Folien gilt, überwiegt die Bindung von atmosphärischem Kohlendioxid dennoch (Pflanzenreste können in Biogasanlagen genutzt werden, zurück bleibt jedoch ein hoher Kohlenstoffanteil im Schlamm). Insgesamt schneidet Bio-PE deshalb deutlich besser ab: Die THG-Emissionen von Bio-PE liegen bei ca. 10 g CO2-Äq/kg, die von fossilem PE bei ca. 100 g CO2-Äq/kg (ebd.: 41).
Fossile Ressourcen: Beim Verbrauch fossiler Ressourcen ist Bio-PE der fossilen Variante vorzuziehen. Bio-PE erzeugt sogar mehr Ressourcen, als es verbraucht. Dies ergibt sich durch die Entsorgung der “Produktionsmaterialien”. Während die PE-Folie nur in der Müllverbrennung Energie liefert, können bei Bio-PE die Pflanzenreste in Biogasanlagen verwertet werden, um dann fruchtbaren Bio-Schlamm zu gewinnen.
Versauerungspotential: Beim Versauerungspotential schneidet Bio-PE schlechter ab (ca. 0,3 g SO2-Äq/m2 Folie) als fossilen PE (ca. 0,2 g SO2-Äq/m2 Folie). Die Ursache sind die langen Transportwege per Schiff von Brasilien zu einer schwedischen Fabrik zur Herstellung des Bio-PE. Schiffe fahren üblicherweise mit Schweröl, das hohe Schwefelgehalte hat.
Eutrophierung: Bio-PE wird durch den Anbau von Zuckerrohr gewonnen. Wie bei allen landwirtschaftlichen Produkten wird Phosphat- und Nitrat Dünger genutzt. Durch Ausschwemmung der Phosphate in Gewässer kommt es zur Eutrophierung (Algenbildung) und Schädigung von Ökosystemen. Im Ergebnis führt Bio-PE zu einer aquatischen Eutrophierung von 0,075 g PO4-Äq/m2 Folie, wohingegen PE nicht zur aquatischen Eutrophierung beiträgt.
Primärenergiebedarf: Alle technischen Prozesse benötigen Strom, Gas oder Treibstoffe. Zum Vergleich zweier Produktionsarten wird der Primärenergiebedarf herangezogen. Die Herstellung von Bio-PE benötigt fast drei MJ pro Quadratmeter Folien, die fossile PE-Folie nur 1,5 MJ. Der Grund hierfür liegt vor allem im Zwischenschritt – der Gewinnung von Bio-Alkohol aus Zuckerrohr.
Kumulierter Prozess Wasserverbrauch: Erdöl wird in einem komplexen Prozess in Raffinerien zu verschiedenen Produkten umgewandelt. Beim Steam-Cracking wird Dampf eingesetzt und somit Prozesswasser erzeugt. Zur Herstellung von Bio-Alkohol muss zudem Wasser zur Aufbereitung des Zuckerrohrs und zur Gärung eingesetzt werden. Deshalb ist der Prozess mit ca. 0,8 l/m2 Folie Wasserverbrauch viel höher als bei fossilem PE (0,1 l/m2 Folie)
Flächenbedarf (o.a. Naturlandbedarf): Bedingt durch den Anbau von Zuckerrohr benötigt Bio-PE viel Fläche. Pro Quadratmeter Bio-PE-Folie wird eine Fläche von 0,085 m2 benötigt. Ist dies viel oder wenig? Nehmen wir an, ein Haushalt verbraucht 20 Rollen PE-Folie pro Jahr. Die Rollen sind 30 m lang und 40 cm breit, dies ergibt eine Fläche von zwölf m2. Der Jahresverbrauch liegt dann bei 240 m2 PE-Folie. Der Flächenbedarf für einen Haushalt ist somit ca. 20 m2 Zuckerrohrplantage. In Deutschland leben rund 41 Mio. Haushalt (destatis 2022). Dies ergibt einen Flächenbedarf von ca. 840 km2 – also etwas weniger als die Fläche von Berlin (891 km2).
Das obige Beispiel der Ökobilanz von Verpackungsmaterialien zeigt deutlich die Problematik auf. Einerseits können Bio-Kunststoffe einen erheblichen Beitrag zum Schutz des Klimawandels leisten, weil die Pflanzen Kohlendioxid mehr speichern als für die Folien benötigt werden. Dem steht der Flächenbedarf entgegen. Dieser Flächenbedarf ist auch einer der wichtigsten Gründe, warum es problematisch ist, dass Verpackungsmaterial aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt wird – es kommt zu Flächenkonkurrenzen mit der Ernährungssicherung.
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SDG 12 Nachhaltige/r Konsum und Produktion
“Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen”
Das SDG 12 “Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen”, fordert im Kern zu nachhaltigem Konsum und nachhaltigen Produktionsmustern auf („Ensure sustainable consumption and production patterns“).
SDG 12 zielt auf die notwendige Veränderung unserer Lebensstile und Wirtschaftsweise ab. Konsumieren und Produzieren muss innerhalb der planetaren ökologischen Grenzen stattfinden. Um dies zu erreichen, sind Konsum- und Produktionsaktivitäten weitgehend vom Ressourcenverbrauch sowie von der Emission von Treibhausgasen zu entkoppeln.
SDG 12 bezieht sich sowohl auf den individuellen Konsum als auch auf die Umgestaltung der Wertschöpfungsmuster, die unserer Produktion zugrunde liegen. Kreislaufwirtschaft und nachhaltige Lieferketten sind dabei ebenso angesprochen wie die Vermeidung beziehungsweise die verantwortungsvolle Entsorgung von Abfällen. Die Nahrungsmittelverschwendung soll bis 2030 halbiert werden.
Die Entwicklung einer funktionierenden Abfall- und Kreislaufwirtschaft leistet zudem einen positiven Beitrag zu weiteren Zielen, beispielsweise Gesundheit (SDG 3), menschenwürdige Beschäftigung (SDG 8) und Klimaschutz (SDG 13). Darüber hinaus kann die Kreislaufwirtschaft auch noch zu weiteren Nachhaltigkeitszielen, wie sauberes Wasser (SDG 6), Industrie, Innovation und Infrastruktur (SDG 9, Leben an Land (SDG 15) sowie nachhaltige Städte und Gemeinden (SDG11) führen. (BMZ o. J.) SDG 12 wird daher auch als Querschnittsziel bezeichnet. Mit Blick auf die Abfall- und Kreislaufwirtschaft sind folgende Unterziele von SDG 12 von besonderer Relevanz:
SDG 12.2 “Bis 2030 die nachhaltige Bewirtschaftung und effiziente Nutzung der natürlichen Ressourcen erreichen.”
SDG 12.4 „Bis 2020 einen umweltverträglichen Umgang mit Chemikalien und allen Abfällen während ihres gesamten Lebenszyklus in Übereinstimmung mit den vereinbarten internationalen Rahmenregelungen erreichen und ihre Freisetzung in Luft, Wasser und Boden erheblich verringern, um ihre nachteiligen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt auf ein Mindestmaß zu beschränken.“
SDG 12.5 „Bis 2030 das Abfallaufkommen durch Vermeidung, Verminderung, Wiederverwertung und Wiederverwendung deutlich verringern.“
Darüber hinaus sind erwähnenswert:
SDG 12.1 “Die Umsetzung des Zehnjahresprogramms für nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster der UNO.”
SDG 12.6 “Unternehmen zu einer nachhaltigen Unternehmensführung ermutigen.”
SDG 12.c “Die ineffiziente Subventionierung fossiler Brennstoffe abschaffen.”
“Abfall” ist aber auch eine eigene Position 3d in der Standardberufsbildposition “Umweltschutz und Nachhaltigkeit:
d) Abfälle vermeiden sowie Stoffe und Materialien einer umweltschonenden Wiederverwertung oder Entsorgung zuführen
SDG 12 zielt im Kern auf die nachhaltige und effiziente Nutzung der Ressourcen ab. Ressourcen sind alle Stoffe der Natur (Mineralien und Metalle, biotische Ressourcen wie Holz oder Baumwolle), aber auch Luft, Wasser und Boden (vgl. ProgRess 2016). Abfälle sollen vermieden oder recycelt und gefährliche Abfälle sicher entsorgt werden. Die Nahrungsmittelverschwendung soll verringert werden (s. u.). Weitere Themen sind die nachhaltige Entwicklung von Unternehmen, eine bessere Verbraucher*innen-Bildung, nachhaltige Beschaffung und der umweltverträgliche Umgang mit Chemikalien. Das SDG 12 betrifft daher im Prinzip alle Fähigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten der Standardberufsbildposition. Weitere Verbindungen zwischen den SDG und der Standardberufsbildposition werden bei den jeweiligen SDG beschrieben. Die Emissionen durch die Ernährung werden im nachfolgenden Kapitel SDG 13: “Maßnahmen zum Klimaschutz” beschrieben, da der Bezug und die Verwendung der jeweiligen Zutaten in der Lebensmittelindustrie ein wichtiger Schlüssel für mehr Nachhaltigkeit ist. Die Nutzung von Energie in der Industrie wurde oben im Kapitel SDG 7: “Bezahlbare und saubere Energie” beschrieben. Auf die globale Bedeutung der Lebensmittelproduktion für eine nachhaltige Entwicklung wurde unter anderem im Kapitel SDG 9: “Industrie, Innovation und Infrastruktur” eingegangen. Weitere Verbindungen zwischen den SDG und der Standardberufsbildposition werden bei den jeweiligen SDG beschrieben.
Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft
Nachhaltiges Konsumieren und Wirtschaften beinhaltet eine verantwortungsbewusste Ressourcennutzung, die Vermeidung von Abfällen, ein effizientes Recycling und schließlich die sichere Ausschleusung von Schadstoffen. So kann ein möglichst geschlossener Kreislauf geschaffen werden. In diesem Kontext geben Gesetze, Verordnungen und Programme den rechtlichen Rahmen vor:
das im Jahr 2019 unter Federführung des BMU geänderte Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG)
das im Jahr 2015 novellierte Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG).
das Abfallvermeidungsprogramm (Fortschreibung AbVP) des Bundes und der Länder für den bewussteren Umgang mit Produkten, die Abfall werden können, Dialogprozess zu unterschiedlichen Konzepten der Abfallvermeidung
das Deutsche Ressourceneffizienzprogramm, das im Jahr 2012 erstmals von der Bundesregierung beschlossen wurde. Das Programm fördert Innovation im Bereich Ressourceneffizienz, der globalen Verantwortung für die Nutzung von knappen Ressourcen und eine konsequente Kreislaufwirtschaft und wird alle vier Jahre unter Berücksichtigung aktueller umweltpolitischer Herausforderungen unter Federführung des BMU fortgeschrieben (ProgRess III). Weitere Informationen zum Umgang mit Lebensmittelabfällen und Minderung des Abfallaufkommens siehe SDG 2: “Kein Hunger”.
Nachhaltigkeitssiegel
Um zwischen “guten”, “besseren” oder “schlechten” Produkten zu entscheiden, kann man auf Siegel vertrauen. Es gibt jedoch inzwischen eine kaum überschaubare Vielfalt an Siegeln – bedingt ist dies durch die Gründung von Organisationen, die ihren Betrieb mit dem Vertrieb von Siegeln finanzieren. Einen Wegweiser durch die Siegel der Lebensmittel bietet Ethik.Guide (ebd. o. J.). An dieser Stelle werden die für die Gastronomie wichtigen Bio-Siegel, die Siegel “Haltungsform” und “Vegetarisch / Vegan” sowie der “Umweltengel” besprochen, die als Orientierung für Konsumenten und Konsumentinnen dienen können:
EU-Biosiegel: Das EU-Biosiegel kann nur vergeben werden, wenn auf chemischen Pflanzenschutz und künstliche Düngemittel verzichtet wird, wenn eine Überdüngung durch eine Begrenzung der Tierzahl pro Hektar vermieden wird, keine Antibiotika eingesetzt werden und auch die Futtermittel “Bio” sind. Gentechnisch veränderte Organismen (Pflanzen) sind nicht erlaubt. Die Haltungsbedingungen müssen besser als bei konventioneller Haltung sein. Die Anzahl der Zusatzstoffe, die erlaubt sind, beträgt nur rund 50 (von 316 möglichen Zusatzstoffen).
Haltungsformen: In Zusammenarbeit von BMEL und Landwirtschaftsorganisationen wurde das Label “Haltungsformen” entwickelt. Es soll für mehr Transparenz in der Tierhaltung dienen. Es gibt vier Stufen: Stallhaltung, StallhaltungPlus, Außenklima und Premium. Für Hähnchen unterscheiden sich die Haltungsformen wie folgt:
- Stallhaltung: Platz: max. 39 kg/m²; Stallhaltung, Trockene Einstreu zur Beschäftigung
- StallhaltungPlus: 25 kg/m² (29 kg/m² wenn Stall mit Kaltscharrraum); Zugang zum Außenbereich, mindestens zwei organische und veränderbare Beschäftigungsmaterialien
- Premium: 21 kg/m²; Stall und Außenbereich, zusätzliche Einstreu in Form von Stroh, Holzspänen, Sand oder Torf auf mind. 1/3 der Stallfläche
Vegetarisch/vegan: Die vegane Ernährung (oder zumindest an einigen Tagen pro Woche) leistet den größten Beitrag zum Klimaschutz. Eine deutliche Reduktion von tierischen Komponenten mit einem hohen Anteil an veganen Mahlzeiten entspricht auch am besten der Empfehlungen der DGE (ebd. o. J.): 30 Prozent Getreide und Kartoffeln, 26 Prozent Gemüse und 17 Prozent Obst – dies sind 73 Prozent vegane Produkte (75% kann mit 2% pflanzlichen Ölen erreicht werden). Seit 2008 werden die Markenrechte in der V-Label GmbH in der Schweiz betreut. Das Label versichert, dass das Produkt nicht aus Tieren oder tierischen Bestandteilen besteht. Es werden keine Eier aus Käfighaltung verwendet. Gentechnik ist gleichfalls verboten.
Umweltengel: Der Umweltengel ist seit über 40 Jahren das Umweltzeichen der Bundesregierung und wird vom Umweltbundesamt “herausgegeben”. Inzwischen sind mehr als 20.000 Produkte und Dienstleistungen von über 1.600 Unternehmen ausgezeichnet (UBA o. J.): Zweck des Umweltzeichens ist es, privaten Verbraucherinnen und Verbrauchern, institutionellen Großverbrauchern und öffentlichen Einrichtungen eine verlässliche Orientierung beim umweltbewussten Einkauf zu geben. Denn eine gezielte Nachfrage nach umweltschonenden Produkten fördert ökologische Produktinnovationen und reduziert Umweltbelastungen. Der Blaue Engel steht für eine unabhängige, transparente und ambitionierte Kennzeichnung.
Das Europäische Umweltzeichen (EU-Ökolabel 2022, eu-ecoloabel o. J.) ist auch als EU-Blume oder Euro-Blume bekannt. Es zertifiziert alle Produkte des täglichen Bedarfs – von Schuhen über Waschmittel bis zu Notebooks und Matratzen. Das EU-Ecolabel wurde vor mehr als 25 Jahren von der Europäischen Kommission eingeführt. Heute vergeben Prüfinstitute das EU-Ecolabel im Auftrag der Umweltministerien der teilnehmenden europäischen Länder (ebd.). Der Fokus liegt auf dem Klima- und Umweltschutz und einer sozialverträglichen Produktion bei der Endmontage der Geräte. In Deutschland wird das EU Ökolabel von RAL gemeinnützige GmbH im Auftrag des Umweltministeriums in folgenden Kategorien vergeben (ebd.: eu-ecolabel für Unternehmen ):
- Haushalt, z. B. Möbel, Hygiene- und Toilettenpapier, Wasch- und Reinigungsmittel
- Textilien, z. B. Kleidung, Schuhe, Matratzen
- Elektrogeräte, z. B. TV-Geräte, Notebooks, Tablets
- Bauen, z. B. Fußböden, Farben und Lacke
- Dienstleistungen, z. B. Gebäudereinigungsdienste, Hotels, Campingplätze
An die einzelnen Produktkategorien stellt das EU-Ökolabel unterschiedliche Anforderungen (EC 2009, EC o. J.). Grundsätzlich sind die Umweltanforderungen des EU-Ecolabels etwas höher als bei anderen Siegeln. Der Fokus liegt auf einem geringen Einsatz von Chemikalien, einem niedrigen Energie- und Wasserverbrauch, geringen Luftemissionen, der Abfallreduktion durch Recycling. Hohen Wert legt das Siegel auch darauf, dass Schadstoffe entweder ganz verboten sind oder strenge Grenzwerte eingehalten werden müssen. Bei Computern sind beispielsweise polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) nur bis 1 mg/kg erlaubt. Außerdem müssen die Elektrogeräte energieeffizient arbeiten und verwendete Weichmacher biologisch abbaubar sein. In fast allen Produktkategorien des EU-Ecolabels hat die Langlebigkeit der Produkte einen hohen Stellenwert. So müssen beispielsweise Notebooks verschiedene Belastbarkeitstests bestehen und kleine Wasserschäden aushalten. Außerdem legt das EU-Ecolabel viel Wert darauf, dass sich bei einem Defekt einzelne Teile austauschen und die Produkte einfach recyceln lassen.
Verpackungen
Die Vermeidung oder die Einsparung von Verpackungen ist ein viel diskutiertes und auch bereits umgesetztes Thema im Bereich der Ernährung. Allerdings wird die Wirksamkeit dramatisch überschätzt. Eine repräsentative Befragung von Kearney (2019) hat gezeigt, dass 56 Prozent der Bundesbürger*innen Plastiktüten einsparen wollen. Über das Jahr hinweg spart dies ca. 3 kg THG-Emissionen pro Kopf ein. Würden die Bürger*innen auf Fleischgerichte hingegen verzichten (13% der Bürger*innen wollen das tun), so würden sie 450 kg THG-Äq einsparen.
Verpackungen sind in der Lebensmittelindustrie unvermeidbar, da sie der Hygiene dienen und die Lebensmittel schützen. Deshalb werden sehr viele verschiedene Materialien eingesetzt: Polyethylenfolie (“Frischhaltefolien”), Aluminiumfolie und Aluminiumschalen, Papier- und Styroporboxen, Pack- und Käsepapier u.v. m. Die ökologischen Vor- und Nachteile unterscheiden sich stark und es ist nicht einfach zu entscheiden, was die umweltfreundlichste Verpackung ist (Innoredux o. J., CO2online o. J. Die Umweltberatung o. J.), da manche Materialien gut recycelt werden können (Aluschalen, Styroporboxen), andere wiederum nicht (mit Lebensmitteln verunreinigte PE-Folien). Auch die Nutzung von erneuerbaren Verpackungsmaterialien (gewonnen aus Zucker, Cellulose, Stärke) bedeutet nicht unbedingt, dass diese eine nachhaltigere Verpackung darstellen (ökolandbau o. J.). Polyethylen kann z. B. pflanzlich als Bio-PE gewonnen werden (ifeu 2012). Bio-PE ist wesentlich klimafreundlicher als fossiles PE, dafür hat Bio-PE ein höheres Versauerungspotential und führt mehr zur Eutrophierung von Gewässer (durch die Düngung der Pflanzen). Zudem ist der Flächenbedarf um ein Vielfaches höher und Flächen sind weltweit ein knappes Gut. Dieses Beispiel zeigt, dass jede Handlung auch negative Auswirkungen hat und man sich vielfach nur zwischen zwei unterschiedlich wirksamen Folgen entscheiden kann. Als einfache Handlungsregel kann man folgendes annehmen, dass:
Mehrwegsysteme, bei denen auch tatsächlich hohe Umlaufzahlen erreicht werden (z. B. Standardflasche der Brunnengenossenschaft), am umweltfreundlichsten sind.
Mehrwegsysteme, bei denen lange Transporte anfallen (spezielle Bierflaschen aus anderen europäischen Ländern oder nationale Bierflaschen mit einer Brauerei-Prägung), weniger umweltfreundlich sind.
Einweg-Glassysteme (Gurken- und Marmeladengläser) vermieden werden sollten, weil das Glasrecycling mit Gas bei hohen Temperaturen durchgeführt wird.
Dosen schwierig zu bewerten sind – es kommt immer auf den Einzelfall an. Metalldosen werden in höchstem Maße recycelt: Die Recyclingquote von Weißblechdosen liegt bei ca. 90 Prozent in 2019 (Thyssenkrupp 2020). Andererseits schneiden Tetrapack-Verpackungen in der THG-Bilanz ab: Passierte Tomaten in der Dose haben einen THG-Wert von 1,8 kg CO2-Äq/kg; im Tetrapack liegt er bei 1,6 kg CO2-Äq/kg (ifeu 2020).
Große Einweggebinde, wie in der Lebensmittelindustrie üblich (z. B. 10 kg-Sauerkraut- Eimer),vermutlich der klimafreundlichste Weg sind, da große Kunststoffgebinde sehr leicht zu recyceln sind.
Bei Verpackungen mit Papier grundsätzlich auf Recyclingpapier gesetzt werden sollte (UBA 2020).
Dunkel eingefärbter Kunststoff kann häufig nicht sortiert werden und landet beim Restmüll.
Verschiedene Produkte haben Doppelverpackungen – z. B. eine dünne Plastikfolie für ein Müsli, gepackt in einen Karton. Dies macht durchaus Sinn wenn es sich um Cornflakes handelt, aber ein Vollkornmüsli “zerbricht” nicht, wenn es in einer PE-Folie verkauft wird. Konsument*innen können dies leicht beeinflussen, wenn sie auf derartige Doppelverpackungen verzichten und alternative Produkte kaufen. Zudem muss keine “Luft” in einem Lkw transportiert werden und kompakte Verpackungen mindern die THG-Emissionen des Transports.
Die Lebensmittelindustrie kann, wie oben gesagt, Verpackungen nicht vermeiden, sondern nur optimieren. Wesentlich wichtiger ist es, dass klimafreundliche Lebensmittel eingesetzt werden. Dies kann am Beispiel einer Erdbeer-Mandel-Sahne-Torte gut gezeigt werden (Scharp 2022). Diese kann rund 100 g Butter und 900 g Sahne enthalten (Gesamtgewicht 2,75 kg) und verursacht ca. 6,3 kg THG-Emissionen. Werden die Butter und die Sahne gegen vegane Alternativen getauscht, so ergeben sich THG-Emissionen von nur 3,5 kg – eine Einsparung von 45 Prozent der Emissionen. Um dies durch die Einsparung von PE-Folie zu kompensieren, müssten 45 m PE-Folie eingespart werden. Aber wie sollen dann die Produkte verpackt werden?
Saisonal-Regionale Lebensmittel
Der wichtigste Verbrauchertrend in 2022 ist die “Klimafreundliche und nachhaltige Ernährung” (nutrition hub 2022). Dies verbinden die Befragten auch mit der “Regionalität”. Aber auch die Verbindung mit der Saisonalität in Form von saisonal-regionaler Ernährung ist ein starker neuer Trend, der von vielen Stakeholdern gefördert wird (LUBW o. J.). Argumente hierfür können sein, dass frische Lebensmittel geschmacksintensiver sind, Energie eingespart wird, da auf eine Kühllagerung und weite Transporte verzichtet werden sowie die lokale-regionale Landwirtschaft gefördert wird. Gerade für die Lebensmittelindustrie stellt der Bezug regionaler und saisonaler Zutaten allerdings große Herausforderungen dar. Die Problematik der hohen Treibhausgasemissionen und die damit verbundene Erderwärmung trägt dazu bei, dass extreme Wettersituationen wie Überschwemmungen, Dürren, Stürme oder Schwankungen in Niederschlagsmengen, Sonneneinstrahlung und Temperaturen zunehmen. Dies wird zu einer Veränderung von Agrarlandschaften führen (Stichwort “Dürre in den Neuen Bundesländern” und somit zu regionalen Ernteausfällen führen, sodass die erforderlichen Produktionsmengen bei einer rein regionalen Produktion nicht erzielt werden können und Betriebe Lebensmittel aus dem Ausland zukaufen müssen, um ihre Produktion sicherzustellen. Zudem könnten sich sowohl Produzentinnen und Produzenten als auch Konsumentinnen und Konsumenten aus Kostengründen gegen den Einkauf regionaler Produkte entscheiden. An dieser Stelle kommt es auf die Prioritäten der Verbraucherinnen und Verbraucher an, die nicht selten zu Widersprüchlichkeiten zwischen ökonomisch und ökologisch sinnvollem Handeln führen. Bei importierten auch in Europa verfügbaren Produkten (Äpfel, Birnen oder Kiwis), die mit dem Schiff transportiert werden können, ist die Klimabilanz der deutschen Kühlhäuser dennoch ein wenig positiver. Alle Transporte mit dem Flugzeug – vor allem frisches Obst wie Mangos, Papaya, Spargel oder Beeren) haben eine deutlich schlechtere Klimabilanz. Ein Umstieg auf saisonal-regionale Lebensmittel führt aus Sicht des Klimaschutzes nicht zu deutlich weniger THG-Emissionen (IFEU 2022), da die Obst und Gemüse einen ohnehin geringen THG-Wert habe:
- Ein regionaler Apfel hat im Herbst zur Erntezeit einen THG-Wert von ca. 0,3 kg CO2-Äq/kg.
- Bei Kühllagerung hat er im April einen THG-Wert von 0,4 kg CO2-Äq/kg.
- Ein Bio-Apfel hat einen THG-Wert von ca. 0,2 kg CO2-Äq/kg
- Ein per Schiff importierter Apfel aus Neuseeland hat einen THG-Wert von 0,8 kg CO2-Äq/kg.
Die Schwäche der Saisonalität wird heute in Europa teilweise durch beheizte Gewächshäuser “ausgeglichen”, belastet das Klima aber deutlich (ifeu 2020).
- Saisonale Tomaten in Deutschland haben sehr geringe THG-Emissionen von 0,3 kg/kg.
- Der Transport von Tomaten aus Südeuropa erhöht den THG-Wert nur mäßig auf 0,4 kg/kg.
- Bio-Tomaten (frisch) hingegen haben aufgrund der geringen Erträge und des höheren Wasserbedarfs einen THG-Wert von 1,2 kg CO2-Äq/kg.
- Wintertomaten aus dem beheizten Treibhaus haben einen sehr hohen Wert von 2,9 CO2-Äq/kg, weshalb eine Tomate mit LKW-Ferntransport aus südlichen Ländern immer noch klimaschonender ist.
Schmidt hat berechnet, dass ein Mensch zur 100 prozentigen Selbstversorgung mit Obst und Gemüse rund 160 m2 braucht (Schmidt/Energievoll 2020/Badenova). Nimmt dieser Mensch noch ca. 1.000 Kalorien durch Brot oder andere Getreidespeisen pro Tag zu sich, so wären weitere 138 m2 nötig (eigene Berechnung: 1 m2 Ackerfläche für 1 kg Weizen bzw. Brot, 265 kcal pro 100 g Brot). Öle wie Rapsöl sind sehr flächenintensiv zu gewinnen (vgl. FiBL 2018) mit 0,77 t Bio-Rapsöl pro Hektar. Nimmt man an, dass zusätzlich zu obigen Obst und Gemüse sowie Brot noch täglich 50 g Rapsöl zum Kochen und Backen verwendet werden, so ergibt dies weitere 237 qm bzw. ca. 450 kcal pro Tag – die Kalorienzahl wäre also mehr als ausreichend für aktive Menschen. Die Flächen summieren sich so auf grob geschätzt 600 m2 für eine spartanische vegane Selbstversorgung. Eine genauere Untersuchung aus der Neuen Zürcher Zeitung ergab einen Flächenbedarf von insgesamt 732 m2, wobei hier Hülsenfrüchte eine große Bedeutung bekommen, um auch eine ausreichende Ernährung mit Eiweißen sicherzustellen (NZZ 2017). Eine Großstadt wie Berlin mit 3,7 Mio. Einwohnern würde somit eine Fläche von 271.000 ha bzw. 2.710 km2 benötigen. Brandenburg hat eine Fläche von rund 2.950.000 ha, die landwirtschaftliche Fläche beträgt 1.300.000 ha (statistik Berlin Brandenburg 2022). Berlin würde somit 20 Prozent er landwirtschaftlichen Fläche Brandenburgs benötigen für eine regionale Ernährung, da Berlin über nur sehr wenige Ackerbauflächen verfügt. Aber nur knapp 3 Prozent der Ackerbaufläche wird in Brandenburg für Gemüse und Hackfrüchte verwendet (39.000 ha, LfU 2021). Hingegen liegt die Fläche für den Maisanbau – der gemäß LfU zum großen Teil als Futtermittel angebaut wird – bei fast 240.000 ha. Würde Berlin sich regional ernähren wollen, müsste die gesamte Fläche, die derzeit für Mais (als Futtermittel) verwendet wird, für Gemüse, Hülsenfrüchte, Hackfrüchte und Obst verwendet werden. Fleischesser benötigen mit 2.353 m2 pro Person übrigens mehr als das dreifache der Fläche von Veganern. Eine regionale Ernährung mit Fleisch würde dazu führen, dass fast die gesamte landwirtschaftliche Fläche von Brandenburg für Berlin notwendig wäre. Dies zeigt, dass die Globalisierung – in der andere Länder für uns Nahrungsmittel anbauen – nicht zu vermeiden ist.
In der Lebensmittelindustrie ist es aufgrund der Massenproduktion in der Regel nicht möglich, komplette Rezepturen saisonal oder regional umzustellen. Allerdings können Lieferketten vor allem hinsichtlich der Regionalität angepasst werden. Einer Umfrage des BÖLW zeigt zum Beispiel, dass vor allem Fleisch- und Milchverarbeitende Betriebe, sowie Getränkehersteller, die ökologisch produzierte (Bio-) Lebensmittel herstellen, 70 Prozent ihrer Urprodukte aus einem Umkreis von 200 km beziehen (BÖLW 2022, S. 19). Aber auch bei konventionellen Lebensmittelproduzenten spielt Regionalität mittlerweile in der Lieferkette eine bedeutende Rolle. So gibt beispielsweise die Wernsing Feinkost GmbH an, dass der Anteil eingekaufter Rohwaren, die aus einem Umkreis von 100 km zum Werk kamen, im Jahr 2019 bei etwa 50 Prozent lag (Wernsing Feinkost GmbH 2020, S. 24).
Nudging - Nachhaltige Verbraucherentscheidungen ermöglichen
Der Begriff Nudging stammt aus der Verhaltenspsychologie (Gabler o. J.). Der Staat kann das Entstehen von Abfällen in aller Regel nicht verbieten. Das Nudging („Anstupsen“) ist ein Instrument, das mit positiven Impulsen von Anbieter*innen arbeitet statt mit Vorschriften und Verboten zu handeln. Das Konzept des Nudgings macht sich verhaltenspsychologische Erkenntnisse zunutze, die dem Bedürfnis der Menschen nach Einfachheit, Bequemlichkeit und Gewohnheit entgegenkommen, um ihnen sanft den Weg zu einer alternativen Handlungsweise zu ebnen (UBA 2016). Durch dezente Anreize sollen die Gewohnheitsstrukturen von Personen aufgebrochen und mühelos Verhaltensänderungen ermöglicht werden. Dabei wird die Wahlfreiheit der adressierten Personen aufrechterhalten, ein kleiner Schubser in die richtige Richtung soll es ihnen jedoch erleichtern, sich für die vorteilhaftere Option zu entscheiden.
- Die Veränderung einer gewohnten Ausgangssituation kann eine einfache Vorgehensweise im Nudging sein. Ist die Fortführung einer alten Gewohnheit für eine Person plötzlich mit mehr Aufwand verbunden, während sich eine alternative Handlungsoption bequem anbietet, wird die weniger umständliche Praxis schnell als neue Normalität akzeptiert (ebd).
- Ein anderer Ansatzpunkt zielt auf die Orientierung von Bürgern an sozialen Normen. Indem Personen die vorbildhaften Gewohnheiten anderer Menschen nahegelegt werden, können Nachahmungseffekte angeregt werden (ebd.).
- Das so genannte “Green Nudging” kann Betrieben dabei helfen, klimafreundliches Verhalten bei ihren Mitarbeitenden zu etablieren (Bremer Energie-Konsens o. J.). Für das Beispiel Wasser könnte ein Sticker neben der Toilette freundlich darauf hinweisen, bei Bedarf die Sparspültaste zu verwenden.
Nudges können sowohl zur Förderung der Nachhaltigkeit, aber auch zur Förderung des Konsums eingesetzt werden. Letzteres ist eine Spezialität des Marketings, die durch Anreize einerseits den Produktabsatz des Unternehmens, welches im Wettbewerb zu anderen steht, zu fördern. Andererseits wird hier Nudging auch eingesetzt, um den Absatz generell zu steuern, ohne die Folgen für die Nachhaltigkeit zu beachten. Unternehmen der Lebensmittelindustrie können Nudging hauptsächlich über die Verpackungen ihrer Produkte nutzen.
Positive Nudges für die Nachhaltigkeit in der Lebensmittelindustrie
Es gibt inzwischen viele Beispiele, dass Nudging wirken kann:
Informationen auf der Verpackung: Die Verpackung von Lebensmitteln dient auch gleichzeitig als Werbefläche, sodass auffällige Informationen auf der Vorderseite der Verpackung die Kaufentscheidung positiv beeinflussen können. Nudges, wie eine grüne Ampelkennzeichnung oder ein entsprechender Nutri-Score können somit eine nachhaltige und gesundheitsfördernde Kaufentscheidung befördern (BZfE 2019).
Größe der Verpackung: Größere Verpackungen fördern den Konsum. Würde dies für Bio-Produkte oder gesundheitsfördernde Lebensmittel genutzt, kann ein positiver Nudging-Effekt für die Nachhaltigkeit entstehen (ebd.). Da größere Verpackungen jedoch auch mit einem höheren Ressourcenverbrauch einhergehen und “Bio” generell für Nachhaltigkeit steht, wäre dies ein kontraproduktiver Ansatz. Eher ist auf Verpackungsminimierung und Nutzung nachwachsender Rohstoffe für Bio-Verpackungen zu achten.
ubventionierung gesunder Lebensmittel: Ökonomische Anreize können als politisches Steuerungsinstrument genutzt werden, um den Konsum von gesunden und nachhaltigen Lebensmitteln zu steigern. Ein Beispiel wäre die reduzierte Mehrwertsteuer auf unverarbeiteter Lebensmittel, die aber nicht nur auf Obst und Gemüse gelten, sondern auch für Fleisch. Zur Förderung gesunder Lebensmittel will das Bundesministerium für Landwirtschaft die Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse abschaffen (Tagesschau 2022).
Hinweise auf der Verpackung zu externen Effekten: Konkret fassbare, glaubwürdige Hinweise auf ökologische, soziale, gesundheitliche Auswirkungen des Verhaltens (zum Beispiel Fairtrade oder Bio-Siegel) (Schaltegger et al. 2020: 45).
Negative Nudges zu Lasten der Nachhaltigkeit in der Lebensmittelindustrie
Größe der Verpackung: Wird dies bei ungesunden Produkten genutzt, entsteht ein negatives Nudging für die Nachhaltigkeit. Ein bekanntes Beispiel stellt hier die Diskussion um die Abschaffung von 0,5-Liter Bechern mit Softdrinks in den USA dar (BZfE 2019).
Besteuerung ungesunder Produkte: Steuern können auch auf unerwünschte ungesunde Konsumalternativen erhoben werden (Spiller et al. 2017: 272). Die Wirksamkeit z. B. zur Zuckerreduktion hat sich in Großbritannien gezeigt (aponet.de 2021). In 2018 wurde eine Steuer eingefügt, um den hohen Zuckergehalt in “Erfrischungsgetränken” zu reduzieren. Die Steuer ist gestaffelt nach dem Zuckergehalt. Z. B. werden für Getränke ab acht g Zucker je 100 ml nach heutigem Umrechnungskurs 27 Cent Steuer erhoben. Beim gleichbleibenden Umsatz verringerte sich der in Getränken enthaltene und konsumierte Zucker pro Haushalt und Woche um fast 10 Prozent (30 g oder 3 Teelöffel, ebd.)
Grüne Verpackungen bei nicht-nachhaltigen Produkten: Der Klassiker des bekannten Greenwashings, bei dem die Handlung umschrieben wird, dass sich Unternehmen “ein grünes Mäntelchen umhängen” (Jarolimek 2014: 1279), obwohl das entsprechende Produkt keine nachhaltigen Aspekte erfüllt und somit Verbraucher*innen mit der Farbe Grün das Gefühl gibt etwas natürliches, gesundes und frisches zu erwerben (BZfE 2019). Ein Beispiel, das von foodwatch mit dem “Goldenen Windbeutel” 2021 ausgezeichnet wurde, ist das Hähnchenbrustfilet einer großen Handelskette (foodwatch 2021). Die Bewerbung erweckt den Eindruck, dass das Fleisch durch Waldaufforstung in Peru klimaneutral durch Klimakompensation ist. Recherchen ergaben, dass das dortige Waldprojekt nicht die Bedingungen für die Klimakompensation erfüllen. Ähnlich ist es mit dem Aufdruck “Klimaneutrale Verpackung” auf einem mit Pappe und Folie verpackten Steak. Die Verpackung macht max. 30 THG-Emissionen aus, das Rindersteak von 250 g hingegen ist mit mehr als 3.000 g THG-Emissionen verbunden (eigene Berechnungen).
Quellenverzeichnis
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SDG 13 Maßnahmen zum Klimaschutz
“Umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen ergreifen”
Das SDG 13 ist eines der zentralen Ziele für eine nachhaltige Entwicklung unserer Welt. Ohne tiefgreifende Maßnahmen zur Emissionsminderung und Klimaanpassung werden die Folgen des Klimawandels mehr als nur gravierend sein. Für die Gemeinschaftsverpflegung ist hierbei vor allem das SDG 13.3 relevant:
13.3 Die Aufklärung und Sensibilisierung sowie die personellen und institutionellen Kapazitäten im Bereich der Abschwächung des Klimawandels, der Klimaanpassung, der Reduzierung der Klimaauswirkungen sowie der Frühwarnung verbessern
Die Schnittmengen des SDG 13 mit der Standardberufsbildposition liegen vor allem in der Reduzierung der direkten und indirekten Emissionen (Belastung der Umwelt) sowie der nachhaltigen Nutzung von Energie (BGBl 2022):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
b) bei Arbeitsprozessen und im Hinblick auf Produkte, Waren oder Dienstleistungen Materialien und Energie unter wirtschaftlichen, umweltverträglichen und sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit nutzen
Wie oben schon erwähnt, sind berufliche Handlungen fast immer mit der Nutzung von Energie und Ressourcen verbunden. Durch einen bewussten Umgang mit Energie und Ressourcen kann viel für die Nachhaltigkeit getan werden. Für Fachkräfte für Lebensmitteltechnik gilt, was für alle Berufe des Lebensmittelhandwerks und der Lebensmittelindustrie gilt: Die Ernährung ist besonders relevant für den Klimawandel. Dies wird im Folgenden ausgeführt.
Ernährung und Klimawandel
Der Klimawandel wird durch die Emission von Treibhausgase verursacht. Zahlreiche Gase sind verantwortlich für den Klimawandel. Ihnen gemeinsam ist ihre Undurchlässigkeit für die (Infrarot-)Wärmestrahlung der Erde. Dies führt bekanntlichermaßen zum Klimawandel. Jedes dieser Gase trägt in unterschiedlichem Maße zum Klimawandel bei. Die Stoffe bleiben zudem unterschiedlich lange in der Atmosphäre, weshalb sie unterschiedlich zum Treibhauseffekt beitragen. Das IPCC (International Panel for Climate Change) definiert deshalb ein GWP Global Warming Potential (Erwärmungswirkung für den Klimawandel) eines Stoffes in hundert Jahren im Vergleich zu Kohlendioxid CO2 wie folgt (My Climate (o. J.):
- Kohlendioxid CO2: 1 (Bezugswert)
- Methan CH4: 28
- Stickstoffdioxid S2O: 265
- FCKW (verboten) > 12.000
Ein durchschnittlicher Bundesbürger / eine Bürgerin verursacht 2020 pro Jahr rund elf t CO2-Äq pro Jahr (UBA 2021). Auf die öffentliche Infrastruktur entfallen 8 Prozent, auf den Konsum 34 Prozent, die Mobilität 15 Prozent, Strom 6 Prozent und Wohnen 18 Prozent. Die Ernährung ist für etwa 15 Prozent der Klimagase verantwortlich. Weltweit sind es laut EPA (2022) sogar doppelt so viel, denn in Südamerika und Asien wurden zumeist (Urwald)Flächen gerodet um Futtermittel (Soja) vor allem für die Viehzucht oder Palmöl als preiswerten Fettersatz oder für Treibstoffe anzubauen. Einerseits entstehen hierdurch umfangreiche THG-Emissionen, andererseits wird die klimaschützende Funktion von Urwäldern erheblich geschmälert (Koerber & Cartsburg 2020: 37).
Treibhausgase aus der Ernährung sind insbesondere Methan (NH4) aus Rindermägen und Distickstoffoxid (N2O) aus der Düngung. Kohlendioxid stammt aber auch aus allen (landwirtschaftlichen) Prozessen (Ackern, Säen, Ernten), die Treibstoffe nutzten oder beim Transport der landwirtschaftlichen Produkte. Emissionen aus der Stromgewinnung entstehen insbesondere bei der Weiterverarbeitung, der Kühlkette und der Zubereitung der Lebensmittel. Zum Schluss ist der Abfall von großer Bedeutung, geschätzt 15 Prozent aller Emissionen stammen aus dem Abfall bzw. sind für Ernte, Verarbeitung und Zubereitung angefallen, ohne dass diese “Energie” von den Menschen aufgenommen wurde. Deutschlandweit waren es 2020 rund elf Mio. t (BMEL 2022).
Angesichts der Vielzahl der Prozessschritte ist es sinnvoll, sich die landwirtschaftliche Produktion genauer anzusehen. Landwirte bauen das an und züchten das, was die Verbraucher*innen wollen. Die Lebensmittelindustrie, als zwischengeschaltete Stelle in der Wertschöpfungskette, orientiert sich ebenfalls an den Verbraucher*innen. Gleichzeitig hat sie aber auch eine sehr hohe Machtposition gegenüber der Landwirtschaft und auch gegenüber den Verbraucher*innen. So bestimmen heute “einige wenige globale Konzerne die großen Trends in der Landwirtschaft und beim Nahrungskonsum” (Wilkinson 2017: 11).
Die größte Bedeutung für den Klimaschutz haben tierische Produkte. Nach einer älteren Studie des WWF und Noleppa von 2012 stammen rund 65 Prozent der Emissionen aus der Ernährung aus dem Verzehr von Fleisch und Milchprodukten (WWF 2011). Fast 5 Prozent stammen noch aus weiteren tierischen Produkten (Fisch und Eier). Grundsätzlich sind pflanzliche Lebensmittel klimafreundlicher als tierische Produkte, sie verursachen weniger als 30 Prozent der Emissionen, stellen aber den weitaus größten Anteil der Kalorien und sind für rund 70 Prozent der Energieaufnahme zuständig (DGE 2012). Dies folgt zum einen aus der Tatsache. dass Tiere ca. ⅘ ihrer Futtermittel für den eigenen Metabolismus benötigen. Nur ⅕ geben sie als Fleisch- oder Milchprodukte an uns weiter. Entsprechend müssen wesentlich mehr Futtermittel angebaut werden, als wenn wir uns direkt pflanzlich ernähren würden.
Vorwiegend pflanzenbasierte Ernährung
Der Energieeinsatz für die Produktion tierischer Lebensmittel ist weitaus höher als bei rein pflanzlichen Lebensmitteln. Dies liegt unter anderem an der Synthese mineralischer Stickstoffdünger, die für die konventionelle Tierfuttererzeugung benötigt wird (Fraunhofer IGB 2013). Da Fleisch eine höhere “Nahrungsstufe” aufweist als Feldfrüchte, benötigen Rind, Schwein und Hühner ein Vielfaches ihres Eigengewichtes, um Fleisch zu erzeugen. Würde Soja als Proteinquelle direkt konsumiert oder teilweise Hülsenfrüchte angebaut anstelle von Fleisch, könnte problemlos die ganze Menschheit auf weniger Fläche ernährt werden.
Wesentlich entscheidender sind jedoch die THG-Emissionen der Wiederkäuer (vgl. Scharp 2019). Fleisch im Allgemeinen und Vollfett-Milchprodukte haben THG-Emissionen, die etwa bei dem Drei- bis Vierfachen vergleichbarer pflanzlicher Lebensmittel liegen. Für Rindfleisch liegt dieser Faktor sogar bei zehn bis zwölf je nach Berechnungsmodus für die THG-Emissionen. Eine wesentlich pflanzenbasierte Kost ist der absolut wichtigste Schritt zu mehr Klimaschutz in der Ernährung. Die Boston Consulting Group (BCC 2022) kommt in 2022 zum Schluss, dass mit pflanzlichen Proteinen (“Fleischersatzprodukte”) viel mehr Emissionen eingespart werden können als mit allen anderen Klimaschutzmaßnahmen z. B. im Gebäudesektor, der Zementindustrie oder durch Elektromobilität. BCC nimmt hierbei zu Recht an, dass Klimaschutz nur durch Investitionen möglich ist. Vergleicht man dann die Kosten, um eine Tonne CO2-Äq einzusparen, so zeigt sich, dass mit einer definierten Investition elfmal so viel Emissionen durch pflanzliche Proteinkost eingesparte werden kann als wenn man die gleiche Summe in die Elektromobilität investiert.
Fleischprodukte
Fleisch hat generell die höchsten THG-Emissionen. Um diese zu reduzieren, bieten sich die Reduktion der Mengen, die Substitution von Rindfleisch mit anderen Fleischsorten und letztendlich der Verzicht an. Die besonders hohen THG-Emissionen aus der Rinderzucht führen aus Klimaschutzsicht zu dem Appell auf Rind zumindest in den AHV-Segmenten Education und Care ganz zu verzichten und andere Fleischsorten wie Geflügel, Schwein und auch Fisch nur mäßig zu konsumieren. Eine entsprechende Berechnung aus dem KEEKS-Projekt kommt durch diese Maßnahme zu Einsparungen von 10 Prozent der gesamten Emissionen, was einem Viertel des Einsparpotenzials entspricht. Alternative Proteinquellen sind ernährungsphysiologisch und klimatisch für den Einsatz in der Küche relevant und gesundheitsfördernd (kern.bayern 2022).
Milchprodukte
Milchprodukte sind bisher aus der Gemeinschaftsverpflegung nicht wegzudenken und sollen auch nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) serviert werden. 2021 machten sie 16,1 Prozent des Gesamtumsatzes der Ernährungsindustrie aus (BVE 2022). Eine vegane Ernährung führt nach der DGE zu einer nicht ausreichenden Ernährung mit einigen Nährstoffen (DGE 2020). Es ist zudem ein Trend, eines zunehmenden Anteils an Veganer:innen in der Bevölkerung zu erkennen, die sich individuell gesund ernähren, sofern sie fehlende Nährstoffe ergänzen. Bei Kindern ist die Sachlage komplizierter. Die DGE hat inzwischen Kriterien für eine ovo-lacto-vegetarische Menülinie entwickelt (vgl. inform o. J.). Der dafür notwendige individuelle Aufwand für eine nährstoffreiche, ausreichende Ernährung in der Gastronomie kann von den Kunden und Kundinnen nicht erwartet werden. Um dennoch auch in diesem Bereich möglichst klimafreundlich zu kochen, wird vorgeschlagen grundsätzlich auf fettreduzierte Milchprodukte umzusteigen und Butter (9,0 kg CO2-Äq/kg) durch pflanzliche Öle (Sonnenblumenöl in Glasflasche 3,2 kg CO2-Äq/kg) zu ersetzen.
Zudem bieten Pflanzendrinks aus Hafer, Soja, Mandel oder Reis eine Alternative zur herkömmlichen Milch. Sie erlangen in Deutschland eine immer höhere Beliebtheit. Sie haben in der Produktion geringe Kosten, werden aber deutlich teurer als Milch verkauft. Es ist anzunehmen, dass die Hersteller die Gestehungskosten bewusst nicht weitergeben, selbst wenn dies im Sinne der Nachhaltigkeit wäre, um einer breiten Käuferschaft eine klimaschonende und preisgünstigere Alternative anzubieten (Spiegel Online 2022a und 2022b).
Im Vergleich mit einem Haferdrink weist die Kuhmilch eine deutlich schlechtere Ökobilanz auf. Bei der Herstellung entsteht eine höhere Gewässerbelastung (9,2 Gramm Phosphat-Äquivalente vs. 2,2 Gramm), mehr THG-Emissionen (2,2 kg Co2-Äquivalente vs. 0,6 kg) und sie benötigt mit 2,2m2 im Vergleich zu 0,4m2 die größte Fläche in der Landnutzung. Im Vergleich zu den anderen Pflanzendrinks schneidet die Kuhmilch in diesen Kriterien schlechter ab (ebd.).
Beim Wasserverbrauch hingegen benötigt ein Liter Milch in der Produktion 248 Liter, Mandeldrinks allerdings 371 l und Reismilch 586 l. Hinsichtlich dessen wäre sie den beiden Alternativen gegebenenfalls vorzuziehen, allerdings sind auch hier Hafermilch mit einem Bedarf von 3,4l und Sojamilch mit nur 1,2 Litern dennoch deutlich wassersparender.
Somit schneiden Hafer- und Sojadrinks mit der besten Umweltbilanz ab, zudem können sie regional angebaut werden und haben damit kurze Transportwege. Durch die Verwendung von Hafer- und Sojadrinks beim Kochen kann man Rezepte schnell und einfach nachhaltiger gestalten.
Nicht zu vernachlässigen sind allerdings die Nährstoffe, die in der Milch enthalten sind. Der Spiegel empfiehlt als nachhaltiges Ziel, 75 Prozent der Milch durch Milchalternativen zu ersetzen und die restlichen 25 Prozent Milch aus Ökobetrieben mit Weidegang zu konsumieren. Damit ist sowohl dem Menschen als auch der Umwelt gedient: der Mensch erhält genügend Nährstoffe aus dem Getränk. Die Ressourcen Boden und Landschaft werden geschützt bzw. erhalten
Bioprodukte
Produkte in Bioqualität stellen einen großen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit für unser Ernährungssystem dar. Der ökologische Landbau ist eine besonders ressourcenschonende und umweltverträgliche Wirtschaftsform, die sich am Prinzip der Nachhaltigkeit orientiert (BMEL o. J.). In Deutschland soll der Anteil der ökologischen Ackerflächen bis 2030 auf 30 Prozent der gesamten Landwirtschaftsfläche steigen (ebd.). Die Vorteile des ökologischen Landbaus sind ohne Frage der Schutz der Biodiversität, des Bodens und des (Grund-) Wassers sowie ein höchstes Maß an Tierwohl. Beispielsweise binden ökologisch bewirtschaftete Böden mehr CO2 aus der Luft und stärken somit den Humusaufbau (Regnold & Wachter 2016).
Zwei Nachteile gibt es aber auch: Aufgrund des fehlenden Kunstdünger-Einsatzes sind die Erträge geringer und aufgrund des Verzichts von Pestiziden ist das Ausfallrisiko höher. Bei der Vieh- und Geflügelzucht sind zudem Weide- und Auslaufflächen notwendig und der Tierbestand pro Tier niedriger, was sich auch in einem geringen Ertrag niederschlägt. In der Folge sind deshalb die Preise für Bio-Produkte höher, wobei bei Lebensmittel wie Nudeln, Kartoffeln, Mehl, Haferflocken und Getreide nur ein geringer Preisunterschied zur konventionellen Ware besteht. In 2020 waren die Preisaufschläge wie folgt: Hähnchenschnitzel 175 Prozent, Eier ca. 130 Prozent, bei Kartoffeln 80 Prozent, Äpfel ca. 60 Prozent, Möhren ca. 50 Prozent, Frischmilch und Rinderhack ca. 40 Prozent (ökolandbau o. J.,Eat Smarter, 2022 ).
Quellenverzeichnis
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SDG 14 Leben unter Wasser
“Ozeane, Meere und Meeresressourcen im Sinne nachhaltiger Entwicklung erhalten und nachhaltig nutzen”
Das SDG 14 zielt vor allem auf den Erhalt der Meere durch Reduzierung der Meeresverschmutzung und Versauerung, den Erhalt der Küstenökosysteme, der nachhaltigen Fischerei und den Schutz der Bestände ab. Hintergrund ist, dass viele Länder die Meere immer noch zur Müllentsorgung nutzen, anstelle Plastikmüll zu vermeiden, Küstengebiete für den Tourismus umzuwandeln oder die Fischbestände ohne Rücksicht ausbeuten.
Die Schnittmengen mit der Standardberufsbildposition “Umweltschutz und Nachhaltigkeit” sind nicht unmittelbar einsichtig, aber die Gastronomie als Kunde in der Wertschöpfungskette kann einen Einfluss auf die Nachhaltigkeit nehmen. Die Bezüge zur Standardberufsbildposition wären dann (BMBF 2022):
a) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
e) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
f) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Fisch ist wichtig für die Ernährung und auch in Deutschland traditionell ein Freitagsgericht. Die DGE empfiehlt aus gesundheitlichen Gründen regelmäßig Fisch zu essen (DGE 2016), für die Schulküchen ist die Empfehlung mindestens zweimal in 20 Verpflegungstagen Seefisch zu servieren. Begründet wird dies mit den im Fisch enthaltenen wichtigen Omega-3-Fettsäuren. Mittlerweile akzeptiert die DGE auch eine ovo-lacto-vegetarische Menülinie in der Schulverpflegung. Hierbei ist aber auf die ausreichende Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren zu achten, wobei das Verhältnis von Omega 6 zu Omega 3 nicht über 6:1 liegen sollte. Unter den Pflanzenölen eignet sich hier insbesondere Leinöl, das sogar mehr Omega-3 als Omega-6 Fettsäuren enthält. Aber auch Rapsöl ist für die Omega-3-Aufnahme zweckmäßig. Weitere pflanzliche Nahrungsmittel mit relevantem Omega-3-Anteil, die zwar insgesamt weniger Fettsäuren enthalten, sind beispielsweise Grünkohl, Spinat, Kichererbsen, weiße Bohnen, und Blaubeeren (Zentrum der Gesundheit, 2022).
Die Menge des Fischkonsums sollte – gegenüber den älteren DGE-Empfehlungen – reduziert werden, weil die Meere sehr schnell leergefischt wären, würden sich alle Menschen an die Vorgabe, alle zwei Wochen Seefisch zu essen, halten. Auch der Wechsel auf Fischzuchten bedroht die Ökosysteme durch den notwendigen Futtermittel-Eintrag, dem gezielten Fischfang zur Herstellung von Fischmehl und die Nutzung von Antibiotika. Fisch insgesamt hat einen THG-Wert von ca. 6 kg CO2-Äq pro kg Lebensmittel. Dies ist mehr als Geflügel oder Schweinefleisch und etwa die Hälfte von Rind. Dabei schneidet Zuchtfisch aufgrund des notwendigen Energie- und Ressourcenaufwands ungünstiger ab als (insbesondere frischer) wild gefangener Fisch (Umweltdialog, 2018).
Aus Sicht von Ökologie und Klimaschutz sollte Seefisch in der Lebensmittelindustrie nur selten verwendet werden. Insbesondere beim Lachs sollte auf Bio-Qualität gesetzt werden. In jedem Fall ist das MSC-Siegel, noch besser ist das ASC-Siegel, ein Muss.
Folgen der Überfischung
- Nur noch 44 Prozent des weltweiten Fischkonsums stammt aus Wildfängen und nicht aus Aquakultur. Wildfisch und Seafood sind hochwertige, natürlich nachwachsende Ressourcen (statista 2022a). Der Lebensraum für Fische und Wasser ist zu erhalten.
- Die derzeitige Praxis der Fischerei mit Fischfabriken, modernster Technik zur Identifikation “lohnenswerter” Schwärme, schwerste Grundschleppnetze und Entsorgung von Unmengen an Beifang, führt zu einer Zerstörung der Fischbestände (Greenpeace o. J.). Überfischung bedroht die Artenvielfalt in den Meeren. Dies betrifft nicht nur Zielarten der Fischerei, sondern ebenso den Beifang und die betroffenen Nahrungsketten innerhalb der maritimen Ökosysteme. Auf der UN-Biodiversitätskonferenz im April 2022 war die Fischerei deshalb ein zentrales Thema. “Tatsächlich gehören Überfischung und Beifang zu den Hauptursachen für den Verlust der Biodiversität im Meer!” (Marine Stewardship Council, o. J.)
- Überfischung bedeutet langfristig weniger Erträge, denn die überfischten Arten drohen auszusterben. Was kurzfristig eine Erhöhung der Fänge und der monetären Gewinne verspricht, bedroht langfristig die Ernährungssicherheit der Weltbevölkerung. Aufgrund des hohen Proteingehalts von Fisch gilt dies insbesondere für eine höherwertige Ernährung zur Vermeidung von Mangelkrankheiten.
- Auch der Klimawandel wird durch Überfischung verstärkt. Die Funktion der Meere und Ozeane als Kohlenstoffsenke funktioniert über die Einbindung des CO2 in Phytoplankton und landet später teilweise als Fischkot auf dem Meeresgrunde. Die Bedeutung der Fische bei der Kohlenstoffabsorption ist allerdings nur gering (Marine Stewardship Council, o. J.).
Siegel für Fischfang
Im Unterschied zu Siegeln für Produkte der Landwirtschaft gibt es nur wenige Siegel, die die Nachhaltigkeit beim Fischfang bewerten. Diese sind (planet Wissen o. J.).
- Naturland-Siegel: Eigene Richtlinien für Bio-Fisch aus Aquakulturen und aus nachhaltigem Wildfang. In den Richtlinien für Aquakulturen sind Aufzucht, Futter, Fangmethoden, Verarbeitung, Zusatzstoffe und Kontrollen geregelt. Für Fisch aus Wildfang definiert Naturland spezifische Bewirtschaftungsauflagen für eine nachhaltige Nutzung der Ressourcen. Betrachtet werden dabei die ökologische, die soziale und die ökonomische Dimension. EU-Siegel: Mit dem EU-Siegel werden lediglich Fische und Fischerzeugnisse aus ökologischer Aquakultur gekennzeichnet. Das Augenmerk liegt auf einer artgerechten Haltung, stark begrenzter Verwendung von Lebensmittelzusatzstoffen und der Anwendung von Antibiotika unter strikten Regeln.
- Das ASC-Siegel (Aquaculture Stewardship Council) steht für verantwortungsvolle Fischzucht und Fütterung. Es soll das weltweit verbreitetste Siegel für nachhaltige Aquakultur sein. Es umfasst ökologische und soziale Standards, macht aber keine Aussagen z. B. über umstrittene Konservierungsstoffe im Fischfutter.
- Das MSC-Siegel (Marin Stewardship Council) wurde von Unilever und dem WWF entwickelt. Es beinhaltet neben Nachhaltigkeitskriterien auch soziale Standards für Arbeiter auf den Zuchtfarmen. Das Siegel wurde aber 2018 von der Wissenschaft kritisiert, weil es nicht streng genug sei.
- Das Bio-Siegel der EU wurde schon oben besprochen.
Folgen von Aquafarming
Als Alternative zum Fischfang im Meer wurde das Aquafarming entwickelt. Aber diese hat auch Vor- und Nachteile:
- Aqua-Farming von z. B. Lachs oder Krabben kann einerseits zur Schonung der Wildbestände beitragen, andererseits kann die intensive Tierhaltung oder die Anlage von Fischfarmen auch die Umwelt sehr belasten (Lachszucht in Norwegen, vgl. Pro und Contra: Norfisk o. J. versus Quarks 2018).
- Durch die Aquakulturen gelangen große Mengen von Nahrungsresten, Fischkot und Chemikalien in die Meere und küstennahe Ökosysteme. Dies verändert und schädigt sie in jedem Fall. Weniger resistente Ökosysteme können auch völlig zerstört werden, wie dies in Vietnam bei Mangrovenwäldern durch Krabbenzucht geschehen ist (Papst 2018).
- Aber auch Fisch-Wildbestände, die ja eigentlich durch Aquakulturen geschützt werden sollen, können durch diese unter Druck geraten (WWF, o. J.). Dies droht durch die Verwendung von Fischmehl als Futtermittel, das zwar aus anderen Fischarten gewonnen wird, aber diese werden eben auch gefangen. Die gleiche Fischart ist in ihrem Bestand bedroht, wenn Jungfische aus Wildbeständen zur Zucht eingesetzt werden. Die Richtlinien des internationalen fair-fish.net regeln deshalb, dass keine Jungtiere aus Wildbeständen eingesetzt werden dürfen und dass Fischmehl nur in der Menge eingesetzt wird, in der im eigenen Betrieb Schlachtnebenprodukte anfallen (fair-fish.net, 2015)
- Besonders bedenklich ist der Einsatz von Antibiotika zur Vermeidung von Krankheiten des Bestandes. Denn diese, wie auch eingesetzte Pestizide, reichern sich im Boden und im Ökosystem an (WWF, o. J.). Das Ökosystem wird geschädigt und die eingesetzten Antibiotika verlieren auf Dauer ihre Wirkung.
Quellenverzeichnis
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Greenpeace (2021): Hintergrundinformationen zum Marine Stewardship Council (MSC). Online: https://www.greenpeace.de/publikationen/msc-hintergrundinformationen.pdf
Marine Stewardship Council (o. J.): Überfischung: Was steht dabei auf dem Spiel für die Meere, das Klima und uns Menschen? Online: www.msc.org/de/fisch-nachhaltigkeit/ueberfischung-der-meere/die-folgen-von-ueberfischung
Norfisk (o. J.): Darf*s ein bisschen mehr sein? Siegel und Qualitätsstandards für höchste Qualität. Online: www.norfisk.de/de/qualitaet/unsere-qualitaetssiegel
planetwissen (o. J.): Fisch-Siegel. Online: https://www.planet-wissen.de/natur/meer/ueberfischung_der_meere/fisch-siegel-100.html
Quarks (2018): So umweltschädlich ist dein Lachssteak. Online: www.quarks.de/umwelt/landwirtschaft/fischzucht-in-norwegen-so-umweltschaedlich-ist-dein-lachssteak/
statista (2022a): Anteil von Aquakulturen am weltweiten Fischkonsum in den Jahren 1990 bis 2020*. Online: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/199548/umfrage/anteil-von-aquakulturen-am-weltweiten-fischkonsum/
Umweltdialog (2018): Produktion von Fisch und Rindfleisch ist Klimakiller. Online: https://www.umweltdialog.de/de/umwelt/klimawandel/2018/Produktion-von-Fisch-und-Rindfleisch-ist-Klimakiller.php
WWF (o. J.): Ist Aquakultur die Lösung? Online: www.wwf.de/themen-projekte/meere-kuesten/fischerei/nachhaltige-fischerei/aquakulturen
WWF (World Wild Found for Nature) (2021) Der WWF Fischratgeber Greenpeace (2020): https://www.wwf.de/aktiv-werden/tipps-fuer-den-alltag/vernuenftig-einkaufen/wwf-einkaufsratgeber-fische-meeresfruechte
Zentrum der Gesundheit (2022): Omega-3-Bedarf vegan decken. Online: www.zentrum-der-gesundheit.de/ernaehrung/nahrungsergaenzung/omega-3-uebersicht/omega-3-vegan
SDG 15 Leben an Land
“Landökosysteme schützen, wiederherstellen und ihre nachhaltige Nutzung fördern, Wälder nachhaltig bewirtschaften, Wüstenbildung bekämpfen, Bodendegradation beenden und umkehren und dem Verlust der biologischen Vielfalt ein Ende setzen”
Die Schnittmengen mit der Standardberufsbildposition “Umweltschutz und Nachhaltigkeit” sind nicht unmittelbar einsichtig, aber die Gastronomie als Kunde in der Wertschöpfungskette kann einen Einfluss auf die Nachhaltigkeit nehmen. Die Bezüge zur Standardberufsbildposition wären dann (BMBF 2022):
b) Möglichkeiten zur Vermeidung betriebsbedingter Belastungen für Umwelt und Gesellschaft im eigenen Aufgabenbereich erkennen und zu deren Weiterentwicklung beitragen
g) Vorschläge für nachhaltiges Handeln für den eigenen Arbeitsbereich entwickeln
h) unter Einhaltung betrieblicher Regelungen im Sinne einer ökonomischen, ökologischen und sozial nachhaltigen Entwicklung zusammenarbeiten und adressatengerecht kommunizieren
Das SDG zielt auf den Schutz der Ökosysteme ab und ist eng mit unserer Landwirtschaft und Ernährung verbunden. Hierbei geht es insbesondere um die Bedrohung der Biodiversität durch Monokulturen und Pestizideinsatz, einen gesunden Boden mit vielfältiger Flora und Fauna sowie der Fähigkeit Wasser zu speichern, der Regeneration des Grundwassers und Vermeidung seiner Verschmutzung durch Überdüngung, die Schadwirkungen großer Monokulturen und den hohen Wasserbedarf der Landwirtschaft.
Während früher eine dezentrale und handwerkliche Landwirtschaft Arten- und Biotopvielfalt garantierte, droht heute das Gegenteil. “Mit zunehmender Technisierung vergrößerten sich die Ackerschläge. Flurgehölze, natürliche Landschaftselemente wie Hecken oder Blühstreifen, Weiher und Ackerrandstreifen wurden vielfach entfernt und sind heute … selten anzutreffen.” (UBA 2022).
Lösungen bieten diversifizierte Anbauflächen, reduzierte und fachgerechte Düngung sowie einen möglichst hohen Anteil an Bio-Anbau. Letzterer wird durch eine entsprechende Konsumenten-Nachfrage ermöglicht und nutzt aufgrund der geforderten Anbau- und Zuchtbedingungen neben dem Erhalt der Ökosysteme auch dem Tierwohl.
Allerdings ist hierbei die Globalisierung der Wertschöpfungsketten zu berücksichtigen. Deutschland importiert einen großen Teil seiner Lebensmittel – bedingt durch die Struktur der Agrarförderung – aus dem Ausland. Die Nutzung kostengünstiger Produktionsbedingungen mit geringen oder keinen Umwelt- und Beschäftigungsstandards führt dazu, dass zu Lasten von Mensch und Umwelt in Südamerika und Asien viele Lebensmittel angebaut werden. Beispiele sind Rindfleisch aus Brasilien und den USA, Palmöl aus Indonesien, Krabben aus Vietnam und Avocados aus Chile.
Intensive Landwirtschaft und Artenvielfalt
Häufig wird postuliert, dass die im Interesse der Artenvielfalt vorgeschlagenen Lösungen im Widerspruch zur intensiven Landwirtschaft stehen, die zur Ernährung von weltweit aktuell acht Mrd. und in wenigen Jahrzehnten zehn Mrd. Menschen lebenswichtig sind. In wenigen Fällen trifft dieser Einwand zu, in den meisten sicher nicht. Allerdings wird eine nachhaltige intensive Landwirtschaft sicher arbeitsintensiver als eine nicht nachhaltige Version, die auf Monokulturen und Massentierhaltung setzt. Bei gegenwärtig unter 1 Prozent am BIP und entsprechend wenig Arbeitsplätzen ist aber auch ein höherer Arbeitseinsatz nachhaltig. Vorhandene Zielkonflikte werden sehr gut dargestellt im Unterrichtsvorschlag “Wie wirkt sich die intensive Landwirtschaft auf die Artenvielfalt aus?” (BMUV 2017). Unterrichtsmaterialien sind unter der Überschrift entwickelt worden (Umwelt im Unterricht, 2017).
Agro-Biodiversität
Neben dem Schutz der biologischen Vielfalt in natürlichen Lebensräumen und insgesamt durch entsprechende Regeln zu Düngung, Pestiziden und Insektenschutz muss dabei auch in der Landwirtschaft selbst die Artenvielfalt erhalten und ausgebaut werden. “Agro-Biodiversität” bedeutet dabei Schutz durch Nutzung und bezieht sich auf “alle Zuchtformen von Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen sowie ihre verwandten Wildarten.” (BMEL, 2019 b). Wo immer möglich, sollte die Gastronomie also auch seltene landwirtschaftliche Produkte nachfragen, um so ihr Bestehen auf dem Markt und in der Natur abzusichern.
Palmöl – Problematik und Nutzung
Palmöl ist momentan eines der wichtigsten Pflanzenfette der Erde. Es ist nicht nur in jedem zweiten Produkt in unseren Supermärkten z. B. in Lebens- und Haushaltsmitteln oder in der Kosmetik, sondern auch in Nutztierfutter und als Zusatz für Agrosprit zu finden (Oro Verde 2019). Doch die Gewinnung hat enorme ökologische Folgen:
Da die Palme nur in bestimmten tropischen Gebieten wachsen kann, wird dafür der Regenwald in Indonesien und Malaysia vernichtet und durch Monokulturen ersetzt. Nicht nur die Vegetation, sondern auch die dort vorhandenen Torfmoore, die eine der effizientesten Kohlenstoffsenken sind (ZMT 2022), werden vernichtet. Dabei setzt die Zerstörung eines Hektars Torfmoors zwischen 3.750 und 5.400 Tonnen CO2 frei. In Indonesien befinden sich über 30 Prozent der Plantagen auf ehemaligen Torfmoorboden (Knoke und Inkermann 2015). Oftmals wird Brandrodnung verwendet, um neue Flächen für den Anbau zu schaffen. Diese können unkontrollierbare Ausmaße annehmen und sowohl zur Luftverschmutzung beitragen als auch durch die Zerstörung von Lebensraum Artensterben fördern (Oro Verde 2019). Zusätzlich werden beim Anbau Menschenrechte verletzt, zum Beispiel ist Kinderarbeit verbreitet, um die benötigten Quoten zu erfüllen (Amnesty international 2016).
Allerdings bietet Palmöl Vorteile, die es in der heutigen Zeit nicht ersetzbar machen. Die Palme ist sehr platz- und ertragseffizient, so bekommt man durchschnittlich aus 1 ha Bepflanzung 3,5t Öl pro Jahr. Bei anderen Ölen, wie Rapsöl sind es hingegen 1,3 t pro Hektar (FiBL 2018).
Palmöl benötigt große Flächen aufgrund der hohen Nachfrage, was auch Folgen für die Biodiversität hat. Bei der momentanen Nachfrage würde in Deutschland das 5-fache an Fläche benötigt werden: 1,85 Mio. ha statt ca. 398.000 ha (WWF 2016). Zudem ist Palmöl praktisch für die Verarbeitung, da es lange haltbar, hitzebeständig und bei Zimmertemperatur fest ist. Dadurch entstehen im Gegensatz zu anderen Ölen keine schädlichen Transfette bei der Verarbeitung und bei der Erhitzung (DGE 2016).
Für eine Nachhaltige Nutzung sollte auf zertifiziertes Palmöl gesetzt werden, zum Beispiel das RSPO-Label des WWFs oder das Bio Label. In der Lebensmittelindustrie ist dies bereits verbreitet, in der Tiernahrung wird jedoch größtenteils nicht-zertifiziertes Palmöl verwendet (DVT 2021). Letztendlich ist es somit am besten, den Anteil an pflanzenbasierter und unverarbeiteter Ernährung zu vergrößern, um die Nachfrage von Palmöl zu senken.
Quellenverzeichnis
BMEL (2019 b): Agro-Biodiversität: Schutz durch Nutzung. Online: www.bmel.de/DE/themen/landwirtschaft/artenvielfalt/agro-biodiversitaet.html
BMEL, 2022 b: Initiative „Bienen füttern!“. Online: www.bmel.de/DE/themen/landwirtschaft/artenvielfalt/bienen-fuettern/initiative-bienen-fuettern.html
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022): Digitalisierung und Nachhaltigkeit – was müssen alle Auszubildenden lernen? Online: www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/berufliche-bildung/rahmenbedingungen-und-gesetzliche-grundlagen/gestaltung-von-aus-und-fortbildungsordnungen/digitalisierung-und-nachhaltigkeit/digitalisierung-und-nachhaltigkeit
Codecheck (2017): Wie umweltfreundlich ist konventioneller Weinbau? Online: https://www.codecheck.info/news/Wie-umweltvertraeglich-ist-konventioneller-Weinanbau-219207
BMUV (2017) Bundesminiserium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (2017): Wie wirkt sich die intensive Landwirtschaft auf die Artenvielfalt aus? Online: www.umwelt-im-unterricht.de/unterrichtsvorschlaege/wie-wirkt-sich-die-intensive-landwirtschaft-auf-die-artenvielfalt-aus/
DGE Deutsche Gesellschaft für Ernährung (2016): Trans-Fettsäuren und ihr Einfluss auf die Gesundheit. Online: https://www.dge.de/wissenschaft/weitere-publikationen/fachinformationen/trans-fettsaeuren/
DVT (2021): Palmöl-Einsatz im Futter. Online: https://www.dvtiernahrung.de/aktuelles/themen-positionen/palmoel
FiBL (2018): Flächenerträge von Schweizer Rapsöl und Palmöl im Vergleich. Online: https://orgprints.org/id/eprint/33773/1/batlogg-bernet-2018-FiBLBericht-RapsoelPalmoelVergleich_final.pdf
Knoke und Inkermann (2015): Palmöl – der perfekte Rohstoff? Online: https://www.suedwind-institut.de/files/Suedwind/Publikationen/2015/2015-22%20Palmoel%20eine%20Industrie%20mit%20verheerenden%20Folgen.pdf
Ökoreich (2021): Pestizide schaden Wildbienen. Online: https://www.oekoreich.com/medium/pestizide-schaden-wildbienen-89-prozent-weniger-nachkommen
Oro verde (o. J.) Palmöl – so zerstören Plantagen den Regenwald. Online: https://www.regenwald-schuetzen.org/verbrauchertipps/palmoel
UBA Umweltbundesamt (2022): Gefährdung der Biodiversität. Online: https://www.umweltbundesamt.de/themen/boden-landwirtschaft/umweltbelastungen-der-landwirtschaft/gefaehrdung-der-biodiversitaet
Umwelt im Unterricht (2017): Wie wirkt sich die intensive Landwirtschaft auf die Artenvielfalt aus? Online: www.umwelt-im-unterricht.de/unterrichtsvorschlaege/wie-wirkt-sich-die-intensive-landwirtschaft-auf-die-artenvielfalt-aus
WWF (2016): Palmölfreies Deutschland. Online: https://www.wwf.de/themen-projekte/landwirtschaft/produkte-aus-der-landwirtschaft/palmoel/auf-der-oelspur
ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (2020): Nachhaltige Lebensmittelverarbeitungsketten. Online: https://www.zhaw.ch/de/lsfm/institute-zentren/ilgi/technologie/nachhaltige-verarbeitungsketten/#c106903
ZMT (2022) Torfmoore in Indonesien. Hat ein ansteigender Meeresspiegel zu mehr Waldbränden geführt. Online: https://www.leibniz-zmt.de/de/neuigkeiten/nachrichten-aktuelles/archiv-news/torfmoore-in-indonesien.html